(Nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte) zur

Werbung
31 . 12 . 85
Nr . L 377 / 1
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
II
(Nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte)
RAT
ENTSCHEIDUNG DES RATES
vom 20 . Dezember 1985
zur Verabschiedung des Jahresberichts über die Wirtschaftslage in der Gemeinschaft und zur
Festlegung wirtschaftspolitischer Leitlinien für 1986
( 85 / 619 / EWG )
DER RAT DER EUROPAISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN :
Artikel 1
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft ,
gestützt auf die Entscheidung 74 / 120 / EWG des Rates vom
18 . Februar 1974 zur Erreichung eines hohen Grades an
Konvergenz der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ( ! ), in der Fassung
der Entscheidung 75 / 787 / EWG ( 2 ), insbesondere auf Arti­
kel 4 ,
Der Rat verabschiedet hiermit den Jahresbericht über die
Wirtschaftslage sowie die von der Gemeinschaft einzuhalten­
den wirtschaftspolitischen Leitlinien , die in Teil I des beige­
fügten Berichts enthalten sind ; er legt die wirtschaftspoliti­
schen Leitlinien fest , die von den Mitgliedstaaten zu befolgen
sind und die sich in Teil II des beigefügten Berichts fin­
den .
Artikel 2
auf Vorschlag der Kommission ,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments ( 3 ),
Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet .
Geschehen zu Brüssel am 20 . Dezember 1985 .
Im Namen des Rates
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschus­
ses ( 4 ) —
(>)
(2)
( 3)
(4)
ABl .
ABl .
ABl .
ABl .
Nr .
Nr .
Nr .
Nr .
Der Präsident
R. KRIEPS
L
L
C
C
63 vom 5 . 3 .
330 vom 24 .
345 vom 31 .
344 vom 31 .
1974 , S. 16 .
12 . 1975 , S. 52 .
12 . 1985 .
12 . 1985 .
Nr . L 377 / 2
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
JAHRESWIRTSCHAFTSBERICHT 1985 / 86
INHALT
Teil I — Die wirtschaftliche Lage in der Gemeinschaft
Seite
Einleitung und Zusammenfassung
3
I.
Wirtschaftsenrwicklung und Konvergenz
7
LI .
1.2 .
I.3 .
Die gegenwärtige Wirtschaftslage und die Aussichten für Europa
Ungleichgewichte und Konvergenz in der EG-Wirtschaft
Einige Risikofaktoren der mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung
7
12
13
II .
Eine kooperative Strategie für ein beschäftigungswirksameres Wachstum
14
II . 1 .
11 . 2 .
11 . 3 .
Hintergrund und Größenordnungen
Notwendigkeit eines beschäftigungswirksameren Wachstums
Arbeit , Kapital und Technologie
14
16
18
11 . 4 .
II.5 .
Löhne , Gewinne und Arbeitsplätze
Eine kooperative mittelfristige Wachstumsstrategie
20
22
III .
Wirtschaftspolitik im Rahmen einer kooperativen Wachstumsstrategie
26
ULI .
Öffentliche Finanzen
26
III . 1.1 .
Der öffentliche Sektor
26
III . 1.2 .
III . 1.3 .
III . 1.4 .
III . 2 .
III . 3 .
III . 3.1 .
III . 3 . 2 .
Steuerpolitik im Dienst des Wirtschaftswachstums
Die Bedeutung der Staatsverschuldung
Der Haushalt der Europäischen Gemeinschaften
Geldpolitik und Europäisches Währungssystem
Anpassungsfähigkeit der Märkte und sektorale Politik
Verbesserung des Binnenmarktes
Infrastrukturvorhaben von europäischem Interesse und Finanzierung der Infra­
27
28
29
31
35
35
struktur
37
III . 3 . 3 .
III . 3 . 4 .
III . 3 . 5 .
III . 3 . 6 .
Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes
Spezifische Beschäftigungsprogramme
Bildung , Ausbildung und Technologie
Sektorale Wirtschaftspolitik , Technologie und Unternehmen
38
40
41
42
IV .
Europäische Interessen im Rahmen der Weltwirtschaft
43
IV . 1 .
IV . 2 .
IV . 3 .
IV . 4 .
Das Welthandelssystem
Verbesserung des internationalen Währungssystems
Europäischer Wirtschaftsraum
Internationale Zusammenarbeit bei der Anpassung der Weltwirtschaft
43
44
45
46
V.
Schlußfolgerungen : Ziel , Instrumente und Methode
47
Teil II — Die Wirtschaftspolitik in den Mitgliedsländern
Belgien
50
Dänemark
51
Bundesrepublik Deutschland
53
Griechenland
56
Frankreich
58
Irland
60
Italien
62
Luxemburg
65
Niederlande
66
Vereinigtes Königreich
68
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
Nr . L 377 / 3
ANHANG
TEIL I
DIE EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT
EINLEITUNG UND ZUSAMMENFASSUNG
1.
Der
vorliegende
Jahreswirtschaftsbericht
für
1985— 1986 , der den Gemeinschaftsorganen hiermit
nach dem üblichen Verfahren vorgelegt wird , baut auf
dem Bericht auf, den der Rat im letzten Jahr verab­
schiedete und dessen Hauptthema die Notwendigkeit
einer substantiellen und dauerhaften Verbesserung
der Beschäftigungslage war . Er verstärkt dessen Trag­
weite noch , indem er eine kooperative Strategie
vorschlägt , die angemessene Beiträge der Gemein­
schaft , der Regierungen der Mitgliedstaaten sowie der
Sozialpartner vorsieht . Diese Strategie wäre um so
wirksamer , wenn sie sich auf eine internationale
aus ergibt sich : Das Problem der Arbeitslosigkeit kann
nur gelöst werden , wenn die Relation zwischen
Wachstum und Beschäftigung deudich verbessert
wird .
4.
die seit Ende der 70er Jahre in Gang gekommene
Mäßigung des Anstiegs der Reallöhne schon wesent­
lich dazu beigetragen hat , das Wachstum potentiell
beschäftigungswirksamer zu machen . Allerdings
reichten die Wachstumsraten der letzten Jahre nicht
aus , um den erforderlichen Beschäftigungszuwachs zu
erreichen . Es ist daher notwendig , das Wachstum in
Europa weiter zu stärken und noch beschäftigungs­
wirksamer zu gestalten .
Zusammenarbeit stützen könnte .
2.
Es sollte allerdings keineswegs übersehen werden , daß
Die Länder der Gemeinschaft haben auch 1984 / 85
wirtschaftspolitische Fortschritte erzielt :
5.
— Die seit zweieinhalb Jahren andauernde gemäßigte
wirtschaftliche Erholung hat sich fortgesetzt ;
— bei der Wiedergewinnung der Preisstabilität konn­
ten erhebliche Fortschritte erzielt werden ;
lichst gut zu erfüllen .
5.1 .
Allerdings ist es hierzu auch notwendig, daß sich die
Rentabilität der arbeitsplatzschaffenden Investitionen
Diese Erfolge sind jedoch weder Anlaß zur Selbstge­
fälligkeit noch Grund für die Hoffnung , daß sich das
Kernproblem der Gemeinschaft , die Arbeitslosigkeit ,
im Zuge der weiteren Entwicklung von selbst lösen
wird . In der Tat , alle mittel- und längerfristigen
Wachstums- und Beschäftigungsprognosen kommen
zu dem Ergebnis , daß bei unveränderten Politiken und
weiterhin günstig entwickelt und daß ausreichende
Nachfrageperspektiven vorhanden sind . Arbeitsplatz­
schaffende Investitionen sind weitgehend kapazitäts­
erweiternde Investitionen ; sie brauchen eine günstige
Nachfrageperspektive , und sie setzen für eine gewisse
Zeit die Fortsetzung eines nur mäßigen Anstiegs der
Reallöhne voraus , der hinter dem Produktivitätsfort­
schritt zurückbleibt . Durch einen zu schnellen Anstieg
Verhaltensweisen keinerlei Aussicht besteht , die
Wachstumsrate in der Gemeinschaft mittelfristig über
eine Größenordnung von 2,5 % hinaus zu erhöhen .
Hieraus würde sich ergeben , daß die Arbeitslosigkeit
in diesem Jahrzehnt nicht mehr nennenswert abgebaut
werden könnte . Ungeordnet verlaufende Anpassungs­
prozesse in den USA , ein neuerlicher Anstieg der
Realzinsen und eine Verschärfung der Schuldenpro­
bleme der Entwicklungsländer können diese Perspek­
der Löhne würde die Rentabilität beeinträchtigt und
arbeitsplatzvernichtende Rationalisierungsinvestitio­
nen würden ohne Notwendigkeit gefördert . Diese
Feststellung beinhaltet übrigens in keiner Weise , daß
damit der technische Fortschritt weniger vorangetrie­
ben würde : Arbeitsplatzschaffende Investitionen sind
ebenfalls Träger des technischen Fortschritts . Aber
wegen des unzureichenden Kapitalstocks und wegen
seiner hohen Arbeitslosenquote braucht Europa für
einige Jahre ein neues Gleichgewicht zwischen Erwei­
terungs- und Rationalisierungsinvestitionen .
tive noch erheblich verdüstern .
Die scheinbare Unabänderlichkeit der Perspektive
anhaltend hoher Arbeitslosigkeit hat zu einem weit­
verbreiteten wirtschaftspolitischen Pessimismus ge­
führt . Gälten immer noch die Beziehungen zwischen
Wachstum und Beschäftigung, wie sie in den sechziger
Jahren herrschten , so wären mittelfristige Wachs­
tumsraten von mehr als 6 % notwendig , um die zu
einem schrittweisen , aber deutlichen Abbau der
Arbeitslosigkeit erforderliche Beschäftigungszunah­
me von 1 bis 1,5 % pro Jahr zu erzielen . Ein solches
Wachstum liegt gegenwärtig außer Reichweite . Hier­
Auf makroökonomischer Ebene kommt es vor allem
darauf an , in den nächsten Jahren erheblich mehr
arbeitsplatzschaffende Investitionen zu realisieren .
Dies ist vor allem eine Aufgabe der Unternehmer.
— Budget- und außenwirtschaftliche Ungleichge­
wichte konnten weiter abgebaut werden .
3.
Damit dies erreicht werden kann , sind eine Reihe von
makro-und mikroökonomischen Bedingungen mög­
5.2 .
Die Kombination von mäßigem Reallohnanstieg und
Gewährleistung einer angemessenen Nachfrageent­
wicklung ist also ein wichtiges Element , um die
Rentabilität zu verbessern und um das Wachstum zu
stärken und beschäftigungswirksamer zu machen .
Lohnmäßigung allein bringt nicht , oder nur sehr
langsam , den gewünschten Beschäftigungseffekt.
Nachfrageexpansion allein birgt wegen der unzurei­
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 4
5.3 .
31 . 12 . 85
chenden Produktionskapazitäten das Risiko in sich , in
erhöhter Inflation und / oder Staatsverschuldung zu
verpuffen , ohne den gewünschten Beschäftigungsef­
fekt zu bringen . Deshalb ist die Kombination von
beidem notwendig .
zentriert . Wichtige Voraussetzungen für ein beschäf­
tigungswirksameres Wachstum liegen auch im mikro­
Was die Aufrechterhaltung des mäßigen Reallohnan­
stiegs betrifft — der in vielen Ländern in den letzten
Jahren schon erreicht wurde — sind die Sozialpartner
und insbesondere die Gewerkschaften gefordert. Die
mäßige Lohnentwicklung sollte so lange anhalten , bis
die Arbeitslosenquote deutlich und dauerhaft sinkt ,
danach kann sich die Reallohnentwicklung wieder an
im Lichte der gemachten Erfahrungen auch geprüft
werden , welcher Beschäftigungsbeitrag über größere
Lohndifferenzierung und über eine kostenniveauneu­
trale Neugestaltung und Verkürzung der Arbeitszeit
erzielt werden kann . Auch müssen die Regierungen
und die Gemeinschaft prüfen , ob bestehende Rechts­
ökonomischen Bereich . Die Maßnahmen zur Verbes­
serung der Anpassungsfähigkeit der Märkte — und
nicht nur des Arbeitsmarktes allein — müssen ver­
stärkt werden . Im Bereich des Arbeitsmarktes sollte
vorschriften nicht das Funktionieren der Märkte und
die Gründung neuer, insbesondere kleiner und mittle­
den Produktivitäszuwachs annähern .
rer Unternehmen , behindern .
5.4 .
Was die Gewährleistung einer angemessenen Nach­
frageentwicklung betrifft , so ist dies eine Aufgabe der
Regierungen . Sie stellt sich so lange , bis sich der
Wichtig für den Erfolg der Diskussion über die
Anpassungsfähigkeit der Märkte ist der Geist , in dem
diese Diskussion geführt wird . Das Ziel der Flexibili­
tätsbemühungen ist nicht der Abbau der sozialen
Errungenschaften , sondern die Schaffung von mehr
Arbeitsplätzen . Deswegen müssen wirtschaftliche
Effizienz und Aufrechterhaltung und Fortentwicklung
der wesentlichen sozialen Errungenschaften so weit
wie irgend möglich vereinbar gemacht werden .
Prozeß durch kräftige Investitionstätigkeit und einen
angemessenen Anstieg des privaten Verbrauchs selbst
trägt .
5.5 .
Was Europa braucht , ist also eine Doppelstrategie von
mäßigem Anstieg der Reallöhne und Nachfragestüt­
zung. In der Tat spielt die flankierende Nachfragestüt­
zung für den Erfolg der Strategie und für die soziale
Akzeptanz der Lohnmäßigung eine entscheidende
Rolle . Dies gilt jedenfalls in der Übergangsphase , in
der
unvermeidlicherweise
die
7.
Die zentrale Strategie des mäßigen Reallohnanstiegs
Konsumentenkraft
bei gleichzeitiger Gewährleistung einer angemessenen
zunächst langsamer wächst und andererseits die
Gesamtnachfrage durch zusätzliche kapazitätsschaf­
Nachfrageentwicklung macht es erforderlich , die
Geld- und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten nach
folgenden Prinzipien zu führen :
fende Investitionen der Unternehmen noch nicht
genügend ansteigt .
Nur wenn die Lohnmäßigung von einer ausreichenden
Gesamtnachfrage begleitet wird , kann man darauf
vertrauen , daß der Prozeß der Stärkung der Rentabi­
lität und der Umstrukturierung der Nachfrage ( relativ
7.1 .
mehr Investitionen und relativ weniger Konsum )
ausreichend schnell und in tragbarer Weise abläuft
und nicht in Form einer deflatorischen Roßkur , die
müssen in den meisten Ländern der Gemeinschaft
weiter vermindert werden . Dies gewährleistet die
Geldpolitik am besten in der Weise, daß sie im
den sozialen Konsensus erheblich belastet . Nur so
Rahmen des Europäischen Währungssystems ( EWS )
erhält die Lohnmäßigung ihren beschäftigungspoliti­
weiterhin
schen Sinn .
5.6 .
stitionen und erneutem Einbau von technischem Fort­
schritt .
stabilitätsorientierten
nominalen
tik besteht für die Zinssätze in der Gemeinschaft ein
erhebliches Senkungspotential auf gesunder Basis .
Dies gilt insbesondere , wenn der Dollarkurs weiter
fällt . Wenn es gelingt , diese Möglichkeit mit der
gebotenen Vorsicht und im Rahmen des EWS koor­
diniert zu nutzen , so ergibt sich ein nicht zu vernach­
lässigender zusätzlicher Impuls für die Unternehmens­
investitionen und eine deutliche Entlastung für die
Staatshaushalte . Dies ist ein positiver Effekt , der allen
duktivität nicht mehr weiter fortsetzt . Zusammen mit
es zu einem „circulus virtuosus" zwischen technischem
Fortschritt , Kapitalproduktivität , Rentabilität , Inve­
einen
Rahmen vorgibt . Im Rahmen einer solchen Geldpoli­
Auf diese Weise wird auch erreicht , daß sich die
langjährige Tendenz zur Abnahme der Kapitalpro­
zunehmender Beschäftigung , steigender Nachfrage
und einem wachsenden Vertrauen in die künftige
Entwicklung ist dies der wirksamste Stimulator für die
Investitionsneigung . Mit den höheren Investitionen
wird gleichzeitig auch ein wachsender technischer
Fortschritt in den Produktionsapparat eingebaut und
dies wird sich wiederum positiv auf Arbeits- und
Kapitalproduktivität auswirken ; Rentabilität und
Investitionsneigung steigen also weiter . Somit kommt
Die Geldpolitik muß weiterhin den Stabilitätsrahmen
aufrechterhalten . Die hier vorgeschlagene Doppel­
strategie darf also nicht zu einer Beschleunigung der
Inflation führen . Im Gegenteil : Die Inflationsraten
Ländern zugute kommt .
7.2 .
Die Haushaltspolitik muß die Strategie des beschäfti­
gungswirksamen Wachstums unter folgenden Ge­
sichtspunkten fördern .
Makroökonomisch muß sie weiterhin die Konsolidie­
6.
Die in diesem Jahreswirtschaftsbericht vorgeschlage­
ne Strategie ist jedoch nicht nur makroönomisch
rungsziele absichern , d . h ., in den Ländern mit noch
zu hoher bzw . zu rasch wachsender Staatsverschul­
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
In Anbetracht der Bedeutung eines günstigen interna­
tionalen Umfeldes für Wachstum und Beschäftigung
dung müssen die Defizite weiter zurückgeführt wer­
den . Gleichzeitig muß die Haushaltspolitik die Nach­
frage dort , wo Handlungsspielräume vorhanden sind ,
abstützen , und zwar um so mehr als die Politik der
in der Gemeinschaft sollte die Gemeinschaft weiterhin
eine Verbesserung des internationalen Handels- und
des Währungssystems anstreben. Sie muß auch
gemeinsam mit anderen Ländern darauf hinarbeiten,
das Problem der Verschuldung der Entwicklungslän­
Lohnmäßigung in einer Übergangsphase zu gewissen
Nachfrageausfällen führt . Zudem sollte die Haus­
haltspolitik weiter damit fortfahren , die Ausgabensei­
te der öffentlichen Budgets umzustrukturieren , Sub­
ventionen verstärkt und gezielt abzubauen und die
öffentlichen Investitionen zu steigern ; insbesondere
der zu mildern und das Wachstum des Welthandels
aufrechtzuerhalten , wenn sich in den USA die unver­
meidlichen Anpassungen vollziehen .
im Bereich der Infrastruktur , des Umweltschutzes und
der Stadterneuerung hat sich in den letzten Jahren ein
Die hier angesprochenen Beiträge der Gemeinschaft
entsprechen zahlreichen Entschließungen des Euro­
erheblicher Nachholbedarf aufgestaut , der mit den
unausgelasteten Kapazitäten der Bauwirtschaft befrie­
digt werden könnte .
päischen Parlaments .
9.
Wie auch immer sich das internationale Umfeld
Außerdem sollte die Haushaltspolitik weitere ange­
botsfördernde Maßnahmen ergreifen — die meist
zugleich auch Nachfragewirkungen haben — und die
bessere Entwicklung der relativen Faktorpreise durch
Senkung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträ­
gen absichern , und zwar , wo es immer geht , zu Lasten
entwickelt , stellt die Durchführung der oben darge­
stellten Politik eine Notwendigkeit dar . Selbstver­
ständlich würde der Erfolg der gemeinschaftlichen
Strategie seinerseits das internationale Umfeld merk­
lich verbessern . Unter Berücksichtigung einer plau­
siblen Unsicherheitsmarge bezüglich der internationa­
des Staatshaushalts . Auch mikroökonomische Maß­
len Entwicklung kann es mit Hilfe einer solchen
Strategie gelingen , die gesamtwirtschaftliche Wachs­
tumsrate in Europa von gegenwärtig 2,5 % im Durch­
schnitt der nächsten Jahre auf 3 bis 3,5 % zu steigern
und gleichzeitig das Wachstum wesentlich beschäfti­
gungswirksamer zu machen . Damit einhergehen wür­
de ein durchschnittlicher jährlicher Beschäftigungsan­
stieg von 1 bis 1,5 % . Dies eröffnet die Perspektive
eines Abbaus der Arbeitslosigkeit bis auf etwa 7 % im
nahmen zur Förderung der Beschäftigung ( Arbeitsbe­
schaffungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Förde­
rung der beruflichen Bildung) sollten wo möglich
realisiert werden .
8.
Nr. L 377 / 5
Der Erfolg der vorgeschlagenen Strategie hängt davon
ab , daß sie zwischen den Ländern koordiniert im
Rahmen der Gemeinschaft durchgeführt wird .
Das wirtschaftliche Potential der Gemeinschaft wird
durch die Verwirklichung des großen Binnenmarktes
einschließlich der Liberalisierung der Finanzmärkte
und durch die Förderung des technischen Fortschritts ,
wie von der Kommission vorgeschlagen , beträchtlich
verstärkt . Die Verwirklichung des Binnenmarktes
steht im Mittelpunkt der Gemeinschaft ; sie erhöht die
Angebotsdynamik und erlaubt gleichzeitig ein anhal­
tendes Nachfragewachstum . Damit fügte sie sich
direkt in die kooperative makroökonomische Strate­
gie ein . Die Förderung des technischen Fortschritts ist
Jahr 1990 .
10 .
Eine solche Entwicklung ist jedoch nur möglich , wenn
alle Beteiligten — Gemeinschaft , nationale Regierun­
gen , Arbeitgeber und Gewerkschaften — voll an der
Umsetzung der vorgeschlagenen Strategie mitarbei­
ten .
entscheidend , um die Position der Gemeinschaft unter
10.1 . Diese Gesamtstrategie ist ein „Angebot" an Regierun­
gen und Sozialpartner zur gemeinsamen Lösung des
wichtigsten Problems der Gemeinschaft , der Arbeits­
losigkeit . Allerdings liefert diese Strategie nur einen
allgemeinen Rahmen , innerhalb dessen vieles der
Diskussion mit den Regierungen sowie mit und zwi­
den am höchsten entwickelten Wirtschaftsnationen
der Welt zu sichern und zu fördern . Zudem sollten die
schen den Sozialpartnern überlassen bleiben muß.
Dieser allgemeine Rahmen sollte auch die Beteiligten
Sektoren , für die die Gemeinschaft unmittelbar
zumindest dazu anregen , ihre jeweilige Position zu
überdenken . Außer dieser Strategie ist zur Zeit kein
wirtschaftspolitischer Ansatz ersichtlich , der die Per­
spektive eröffnet , die Arbeitslosigkeit bis zum Ende
des Jahrzehnts deutlich zu verringern . Es ist daher eine
zuständig ist , besser am Markt orientiert werden . Bei
alledem muß der sozialen Dimension voll Rechnung
getragen werden .
Die Verwirklichung großer Infrastrukturprojekte im
Verkehrs- und Fernmeldewesen sowie im Umwelt­
vordringliche Aufgabe, über eine breite Diskussion die
Möglichkeit zu schaffen , diese kooperative Strategie
in die Tat umzusetzen .
schutz sowie eine verbesserte Nutzung des technolo­
gischen Potentials würden zu einer Verbesserung der
Funktionsweise des Binnenmarktes beitragen . Die
beschleunigte Durchführung der zahlreichen , schon
verfügbaren und volkswirtschaftlich rentablen Vor­
haben würde die wirtschaftliche Dynamik erhöhen
und zum Erfolg der vorgeschlagenen Strategie beitra­
gen .
10.2 . Erste Sondierungsgespräche , die die Kommission mit
dem Europäischen Gewerkschaftsbund ( EGB ) und
dem Zusammenschluß der europäischen Arbeitgeber­
und Industrieverbände ( UNICE ) geführt hat , waren
ermutigend . Sie haben gezeigt , daß für diesen Ansatz
Interesse und Gesprächsbereitschaft bestehen . Dieser
Nr . L 377 / 6
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Dialog sollte weitergeführt werden ( a ). Selbstver­
ständlich muß der soziale Dialog auch auf nationaler
Ebene verstärkt werden . Je größere Fortschritte in
diesem Dialog auf allen Ebenen gemacht werden ,
desto leichter wird es auch für die Regierungen der
Auch in Deutschland ist noch über viele Jahre hinweg
ein Wachstum von etwa 3,5 % und eine Zunahme der
Beschäftigung von etwa 1 ,5 % pro Jahr notwendig,
damit die Arbeitslosenquote dauerhaft sinkt . Dies
liegt im deutschen Interesse und in dem der Gemein­
Mitgliedstaaten und für die Gemeinschaft selbst , ihren
eigenen Beitrag zu leisten .
schaft .
10.3 . Die Strategie sollte Zug um Zug in die Realität
umgesetzt werden . Dies gilt innerhalb eines jeden
Landes im Zusammenspiel zwischen Regierungen ,
Gewerkschaften und Arbeitgebern . Jeder liefert seinen
Beitrag , und in jährlichen Abständen sind die Ergeb­
nisse zu prüfen und die notwendigen weiteren Schritte
zu beraten . Dieses Vorgehen muß über mehrere Jahre
hinweg wiederholt werden . Dies gilt aber auch zwi­
schen den Ländern der Gemeinschaft und auf interna­
tionaler Ebene . Alle müssen entsprechend ihrem
Handlungsspielraum tätig werden .
11 .
31 . 12 . 85
Die koordinierte Umsetzung der Strategie in den
Mitgliedsländern sollte einen Prozeß gegenseitiger
Verstärkung von Angebot , Nachfrage und Beschäfti­
gung auslösen und aufrechterhalten . In dieser Hin­
sicht ist die für 1986 für Deutschland vorausgeschätz­
te Entwicklung von großem Interesse . Das Wachstum
könnte über 3 % liegen und die Beschäftigung um
mehr als 1 % zunehmen ; die Arbeitslosenquote wür­
de , wenn auch zunächst nur langsam , abnehmen . Die
günstige Preisentwicklung hielte an . Es ergäbe sich ein
bedeutender Leistungsbilanzüberschuß und ein trotz
Steuerreform deutlich weiter sinkendes Staatsdefizit .
Hier zeichnet sich eine positive Kettenreaktion zwi­
schen Preisstabilität , mehr Wachstum und Beschäfti­
gung und mehr fiskalischem und außenwirtschaftli­
chem Handlungsspielraum ab , der auch genutzt wer­
den sollte : Höhere öffentliche Investitionen 1986 ,
Vorziehen der für 1988 geplanten Steuerreform auf
1987 . Dies erscheint erforderlich , damit sich diese
günstige Entwicklung auch 1987 und in den folgenden
Jahren fortsetzt .
( a ) Die Kommission wird daher den Europäischen Gewerkschafts­
bund ( EGB ) und die Union der Industrien der Europäischen
Gemeinschaft ( UNICE ) um eine schriftliche Stellungnahme zu
ihrem Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts bitten . Sie wird
diese Stellungnahmen dem Rat , dem Parlament und dem
Wirtschafts- und Sozialausschuß übermitteln , damit sie bei der
weiteren Diskussion berücksichtigt werden können .
11.1 . In den anderen Ländern ist ein solcher Handlungs­
spielraum noch nicht gegeben . Allerdings zeichnet
sich in einigen dieser Länder die Möglichkeit ab , daß
mit etwas zeitlichem Abstand zu Deutschland eine
solche positive Kettenreaktion von mehr Wachstum
und Beschäftigung zu mehr fiskalischem und außen­
wirtschaftlichem Handlungsspielraum entsteht . Dä­
nemark , die Niederlande , das Vereinigte Königreich
und Frankreich sind Kandidaten für eine solche
Entwicklung, die sich um so schneller vollziehen
kann , je günstiger die Entwicklung in Deutschland
verläuft und je besser das Verhalten der Sozialpartner
den Erfordernissen der Strategie entspricht. Es sollten
alle Anstrengungen unternommen werden , damit die
erwähnte positive Kettenreaktion möglichst rasch
auch auf diese Gruppe von Ländern übergreift . Dies
würde auch die Lage in der dritten Gruppe von
Ländern, in der bisher noch kein Handlungsspielraum
in Sicht ist , erheblich verbessern .
11.2 . Die unterschiedliche Situation in den Mitgliedslän­
dern beeinträchtigt natürlich die rasche Entfaltungs­
möglichkeit der vorgeschlagenen , kooperativen Stra­
tegie . Hier könnte der Beitrag der Gemeinschaft einen
gewissen Ausgleich schaffen . Hierbei muß nicht nur
an die beschleunigte Verwirklichung des Binnenmark­
tes, sondern vor allem auch an die dazugehörigen
großen Projekte von gemeinschaftlichem Interesse im
Bereich der Verkehrs- und Fernmeldeinfrastruktur
und im Umweltschutz gedacht werden . Je stärker sich
Regierungen und Sozialpartner für die Verwirkli­
chung der Gesamtstrategie engagieren , desto größer
wird die Chance , daß der Gemeinschaftsbeitrag auch
makroökonomisch signifikative Größenordnungen
erreichen kann .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
Nr . L 377 / 7
I. WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG UND KONVERGENZ
I. 1 . Die gegenwärtige Wirtschaftslage und die Aussichten
für Europa
werden . Damit wird deutlich , wie unzureichend das bisher
Erreichte ist ; dieser Bericht geht davon aus , daß weitere
Fortschritte nur schwer zu erreichen sein werden , falls sich
Der derzeitige wirtschaftliche Aufschwung in Europa dauert
seit etwa zweieinhalb Jahren . Die Ausgangssituation war von
strukturellen , über einen langen Zeitraum aufgebauten
Ungleichgewichten geprägt , nämlich durch erhebliche Haus­
haltsdefizite , eine hohe und andauernde Inflation , ein schwa­
ches Wachstum sowie einer höchst unbefriedigenden Lage
am Arbeitsmarkt . Die Wirtschaftspolitik hat folglich in
großem Umfang angebotspolitische Erwägungen berück­
die Wirtschaftspolitik und Verhaltensweisen nicht ändern .
sichtigt. Überdies war das Ausmaß der Ungleichgewichte in
Gegenüber dem verhältnismäßig geringen Wachstum in
Europa war der Konjunkturverlauf in der Weltwirtschaft viel
ausgeprägter . In den Vereinigten Staaten stiegen 1984 die
gesamtwirtschaftliche Produktion ( + 6,8 % ) und mehr noch
die Einfuhren ( + 30 % ) außergewöhnlich stark . Da auch die
japanischen Einfuhren rasch zunahmen ( + 10,7 % ), hat sich
der gesamte Welthandel 1984 um 9,3 % erhöht . Im Jahr
den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sehr unterschied­
1985 dürfte sich das Wachstum des Welthandels auf ein
lich .
normaleres Tempo verlangsamen ( + 4,8 % ). Für 1986 wird
eine ähnliche Dynamik erwartet . Allerdings bestehen in
diesem Zusammenhang erhebliche Unsicherheitsfaktoren ,
auf die im nächsten Abschnitt kurz eingegangen wird . Die
Vorausschätzung der Kommission geht ferner von einem
langsameren , jedoch immer noch positiven Wachstum der
gesamtwirtschaftlichen Produktion in den Vereinigten Staa­
Mitte 1985 lag das Bruttoinlandsprodukt ( BIP) der EG um
etwa fünf Prozentpunkte über dem des vorigen Konjunktur­
gipfels ( 1980 ). Die Industrieproduktion , die stärker als die
übrigen Wirtschaftsbereiche betroffen war , erreichte den
konjunkturellen Höchststand von 1980 wieder imjuni 1985 .
Nach den jüngsten Vorausschätzungen der Kommission ( ! )
dürfte sich der derzeitige Wachstumstrend 1986 mit einem
Anstieg des BIP für die Gemeinschaft insgesamt von ungefähr
2,5 % fortsetzen ; dies übersteigt geringfügig die für 1985
erwartete Zuwachsrate .
Die Wachstumsaussichten bleiben somit bescheiden . Immer­
hin gibt es aber in einigen Bereichen Anzeichen für Fortschrit­
te . Von vornherein war davon auszugehen , daß der Anpas­
sungsprozeß von einer Ausgangslage erfolgen würde , die
durch das Zusammentreffen von akuten Ungleichgewichten
mit einer weltweiten Rezession gekennzeichnet war ; deshalb
konnten keine schnellen Fortschritte erzielt werden . Außer­
dem sind die Ungleichgewichte keineswegs in allen Mitglied­
staaten gleich groß . In den beiden vorhergehenden Jahresbe­
richten bestand die Grundüberlegung der Kommission darin ,
die Notwendigkeit besserer Angebotsbedingungen in den
Mitgliedsländern zu unterstreichen , und zwar auf der Basis
einer besseren Kontrolle der öffentlichen Haushalte . Dabei
wurde als notwendig erachtet , den Anstieg der realen
Arbeitskosten weiterhin unter dem Produktivitätsfortschritt
zu halten .
Die Erfahrungen in den einzelnen Mitgliedsländern weichen
erheblich voneinander ab . Betrachtet man jedoch die durch­
schnittliche Entwicklung in der Gemeinschaft im vergange­
nen Jahr , so lassen sich gleichwohl einige ermutigende
Anzeichen erkennen . Eine gewisse Reallohnmäßigung ist
unverkennbar . Nach einem Jahrzehnt sinkender Beschäfti­
gung werden nunmehr in der Gemeinschaft wieder mehr
Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet . Im laufenden Jahr
könnte die Beschäftigung um 0,4 % und 1986 um 0,5 %
steigen ( Tabelle 1 ).
Der weitaus größte Teil des Zuwachses rührte jedoch von
einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung , insbesondere von
Frauen , und von neu auf den Arbeitsmarkt kommenden
Erwerbspersonen her . Damit aber das gegenwärtige Problem
der Arbeitslosigkeit gelöst werden kann , muß der Beschäfti­
gungsanstieg mittelfristig verstärkt und anhaltend erhöht
( 1 ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , Europäische
Wirtschaft , Beiheft A , Oktober 1985 .
ten (+ 2,3% für 1985 , + 2,5 % für 1986 ) und einer
kräftigeren Wachstumsrate von 4 bis 5 % in beiden Jahren in
Japan aus .
Es ist zu fragen , weshalb die europäische Wirtschaft nicht
stärker auf die Beschleunigung des Welthandelswachstums
von 1984 reagiert hat . Es ist in der Tat auffallend , daß die
Ausfuhren der Gemeinschaft zwar 1984 um 7,7 % gestiegen
waren , die Einfuhren jedoch mit 7,1 % fast ebenso rasch
gewachsen sind , während die Inlandsnachfrage nur um 2 %
expandierte . Im Endergebnis war der Nettobeitrag der
Ausfuhr- und Einfuhrvolumina zum Wachstum somit
äußerst gering . Sonderfaktoren wie Streiks im britischen
Bergbau und in der deutschen Metallindustrie sowie eine
relativ ausgeprägte Vorratsbildung mit generell hohem
Importanteil mögen hierzu beigetragen haben . Die Inlands­
nachfrage wird sich 1986 wahrscheinlich weiter festigen ,
wenn auch sehr langsam .
Dies wird durch die Ergebnisse der Unternehmens- und
Verbraucherumfragen erhärtet . Der Indikator für das Ver­
trauen der Industrie hat sich für die EG insgesamt in den
zwölf Monaten bis September 1985 nur sehr geringfügig
verbessert . In der Bauwirtschaft ist das Vertrauen nach wie
vor sehr gering . Das Vertrauen der Verbraucher hat sich
1983 von dem Tiefstand der vorangegangenen Rezessions­
jahre nur geringfügig erholt , ist jedoch seither unverändert
geblieben . Die Restkomponente des zusammengesetzen Indi­
kators der Kommission für die wirtschaftliche Einschätzung
ist der Aktienkursindex . Dieser Index hat sich als einziger im
letzten Jahr deutlich erhöht .
Der Anstieg des Aktienkursindex geht auch mit einer erfreu­
lichen Belebung der privaten Investitionen in der Industrie
einher , der heute in Europa am raschesten wachsenden
Nachfragekomponente . Nach einem dreijährigen Rückgang
von 1981 bis 1983 setzte 1984 mit einem Anstieg der
Industrieinvestitionen um real 7 % eine Erholung ein . Die
ersten Ergebnisse der Unternehmensumfragen von 1985
ließen einen realen Anstieg um 9 % erwarten . Nach den
jüngsten Umfragen wurde dieses Wachstum nach oben
revidiert , und zwar auf 11 % . Innerhalb dieser Durch­
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 8
31 . 12 . 85
gen . Damit kommt sie nahe an den 1979— 1980 verzeichne­
ten Höchststand des letzten Konjunkturzyklus von 84 %
heran . Somit gerät die europäische Wirtschaft trotz der
hohen Arbeitslosigkeit allmählich schon wieder in Kapazi­
schnittszahlen für die EG gibt es einige Beispiele für einen
noch weit kräftigeren Aufschwung der Investitionen in der
privaten Industrie . So wird in Dänemark die reale Wachs­
tumsrate sowohl für 1984 als auch für 1985 auf fast 40 %
veranschlagt und in den Niederlanden in beiden Jahren auf
über 20 % vorausgeschätzt . In Deutschland dürften sich die
tätsengpässe .
Wie erwähnt steigt mittlerweile die Gesamtbeschäftigung
auch wieder geringfügig. In Dänemark und im Vereinigten
Königreich erwartet man 1985 ein Beschäftigungswachstum
von über 1 % . Angesichts der zu verzeichnenden Zunahme
des Arbeitsangebots und der hohen Arbeitslosigkeit zu
Beginn des Aufschwungs ist der Beschäftigungsanstieg
jedoch eindeutig unbefriedigend .
Investitionen der Industrie 1985 real um 13 % erhöhen .
Von beträchtlicher Bedeutung ist jedoch , daß das Investi­
tionsniveau immer noch niedrig ist . 1985 wurde erst das
Investitionsvolumen von 1 980 wieder erreicht . Damit liegt es
immernoch rund 14 % unter dem Stand von 1973 . Es bedarf
also eines nachhaltigen und substantiellen Anstiegs der
Investitionen , wenn die Wachstumsrate des gesamtwirt­
schaftlichen Produktionspotentials steigen soll . Diese Ein­
schätzung wird auch durch die Entwicklung der Kapazitäts­
auslastung bestätigt . Trotz eines nur langsamen gesamtwirt­
schaftlichen Wachstums im letzten Jahr ist die Kapazitäts­
auslastung in der Industrie im Juli 1985 auf 82 % angestie­
Nachdem die Lage in Europa lange Zeit von einer bemer­
kenswerten Unfähigkeit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze
geprägt war , sind diese Anzeichen in der Tat erfreulich .
Allerdings machen sie auch deutlich , daß die Voraussetzun­
gen für ein nachhaltiges , beschäftigungswirksames Wachs­
tum weiter verbessert werden müssen .
TABELLE 1
Wichtige Wirtschaftsindikatoren , EG insgesamt ( 2 ), 1961 — 1986
BIP
jeweilige
Preise
BIP
BIP
real
Deflator
Privater
Verbrauch
Deflator
Finanzie­
Ein­
kommen
je unselb­
ständig
Arbeits­
rungs-
Leistungs­
bilanz
Beschäf­
tigten
überschuß Geldmenge
oder
-defizit
des Staates
(M 2 / 3 )
H
losigkeit
( in % der
Erwerbsbe­
tätige
völkerung)
Verände­
in % des BIP
Veränderung in %
Erwerbs­
Verände­
rung
in %
%
rung
in %
1961—1970
9,0
4,6
4,2
3,7
8,8
0,4
- 0,4
10,2
2,1
0,2
1971—1980
13,4
2,9
10,2
10,1
13,6
- 2,8
14,4
4,2
0,2
1981
10,4
- 0,2
10,6
11 ,7
12,6
- 0,1
- 0,5
- 5,4
10,9
- 1,3
1982
10,7
0,5
10,1
9,8
10,6
- 0,6
- 5,6
10,7
7,6
9,2
1983
8,9
1,0
7,8
7,6
8,7
0,1
- 5,5
9,7
10,3
- 0,5
1984
8,0
2,2
5,7
6,2
6,7
0,1
- 5,4
8,7
10,8
0,2
( 7,5 )
2,3
( 5,0 )
( 5,2 )
( 6,7 )
0,3
- 4,8
7,2
( 11,5 )
0,0
Vorliegender Bericht (' )
7,6
2,3
5,1
5,2
6,3
0,5
- 5,2
8,4
11,2
0,4
1986 ( l )
6,7
2,5
4,1
3,9
5,4
0,6
- 4,8
6,7
11,1
0,5
- 1,4
1985
Letzter Bericht
(') Vorausschätzungen der Kommissionsdienststellen auf der Basis heutiger Politiken , September 1985 .
( 2 ) EG-Durchschnitt berechnet mit aktuellen BIP-Gewichten auf Basis von Kaufkraftparitäten .
( 3 ) Jahresendwert ( jährliche Wachstumsrate ).
Anmerkung: Die prozentualen Veränderungen sind als Jahresraten angegeben .
TABELLE 2
Weltweite Wareneinfuhr
(reale Zunahme in % )
\
1981
1982
1983
1984
1985
1986
EG
- 2,9
2,4
2,3
7,1
5,0
5,3
US
6,6
0,1
11,8
29,9
10,0
6,6
Japan
- 2,4
- 0,6
0,3
10,7
3,0
4,7
OPEC
27,4
5,5
- 8,2
- 9,0
- 10,9
- 4,0
Sonstige
Entwicklungsländer
3,5
- 5,2
- 1,2
6,0
4,0
4,5
Welt
2,5
- 0,1
2,2
9,3
4,8
4,8
Quelle: Kommissionsdienststellen .
Nr . L 377 / 9
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
TABELLE 3
Entwicklung der Nachfragekomponenten , EG insgesamt
(reale Zunahme in °
1982
1983
1984
1985
Privater Verbrauch
0,5
1,1
1,0
1,7
Staatsverbrauch
1,1
1,6
1,2
1,2
- 1,6
0,0
2,3
1,6
Anlageinvestitionen
1986
2,7
1,1
3,7
ll
Beitrag zur Veränderung
des BIP durch :
Inländische Endnachfrage (') ( 2 )
Vorratsveränderung (')
Außenbeitrag (' )
0,2
1,0
1,3
1,6
2,5
0,5
- 0,2
0,5
0,2
0,1
- 0,3
0,1
0,2
0,4
- 0,2
BIP
0,5
1,0
2,2
2,3
2,5
Ausfuhr
1,5
1,9
7,2
6,4
4,6
Einfuhr
2,6
1,5
6,6
5,0
5,3
i 1 ) Veränderung in % des BIP des Vorjahrs .
( 2 ) Ohne Lagerbestandsverwaltungen .
Quelle : Kommissionsdienststellen .
TABELLE 4
Vorausschätzung des Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts 1985 und 1986
1985
Nominales
BIP
Reales
BIP
1986
BIP
Preis­
Deflator
Nominales
BIP
Reales
BIP
BIP
Preis­
Deflator
Belgien
6,7
1,9
4,7
6,2
1,7
4,4
Dänemark
6,3
5,4
3,2
4,4
2,3
2,3
3,9
Deutschland
2,1
5,4
3,5
Griechenland
19,3
7,0
8,7
11,0
6,0
4,5
1,9
17,1
16,8
1,0
1,2
5,7
5,8
2,5
6,1
7,5
2,7
1,7
2,1
8,1
9,5
4,2
2,3
6,4
3,0
9,1
3,4
5,5
7,0
1,9
2,3
2,7
1,3
2,0
2,0
2,2
1,9
15,7
3,9
5,0
6,6
5,0
1,0
4,8
7,6
2,3
5,1
6,7
2,5
4,1
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Vereinigtes Königreich
Europäische
Gemeinschaft
Quelle: Kommissionsdienststellen .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 10
31 . 12 . 85
SCHAUBILDER 1 BIS 4
Vergleichende Entwicklung der Volkswirtschaften der EG, der USA und Japans, 1980 — 1985
1 . Bruttoinlandsprodukt
( saisonbereinigt )
2 . Industrieproduktion
Gleitender Dreimonatsdurchschnitt
( saisonbereinigt )
1975 = 100
1975 = 100
3 . Arbeitslosenquote
4 . Handelsbilanz fob/cif,
in Milliarden ECU ,
gleitender Dreimonatsdurchschnitt (saisonbereinigt )
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
Nr . L 377 / 11
SCHAUBILDER 5 BIS 8
Vergleichende Entwicklung der Volkswirtschaften der EG , der USA und Japans , 1980 - 1985
5 . Verbraucherpreise
6-Monatsveränderung , saisonbereinigt , Jahresraten
6 . Wechselkurse
Index von Sonderziehungsrechten , je Währungseinheit
März 1979 = 100
7 . Langfristige Zinssätze
8 . Kurzfristige Zinssätze
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 12
31 . 12 . 85
haben ihre ohnehin schon unterdurchschnittlichen Infla­
Der nun schon zweieinhalb Jahre andauernde wirtschaftliche
Aufschwung in Europa dürfte 1 986 bei einem Wachsturn von
etwa 2,5 % anhalten . Die privaten Industrieinvestitionen
haben sich zwar deutlich belebt, allerdings von einem sehr
niedrigen Ausgangsniveau . In jüngster Zeit hat die Beschäf­
tigung zu steigen begonnen . In einigen Ländern stößt die
Wirtschaft trotz anhaltender, unannehmbar hoher Arbeits­
losigkeit allmählich an Kapazitätsgrenzen . Dies zeigt, daß
eine nachhaltige Zunahme der kapazitätserweiternden Inve­
stitionen notwendig ist.
tionsraten auf ein sehr niedriges Niveau reduziert . Im
Vereinigten Königreich , in Irland und Italien sanken die
Inflationsraten von 1980 bis 1985 um gut 10 Prozentpunkte
und in Frankreich um über 6 Punkte . Auch Dänemark hat
beachtliche Fortschritte bei der Stabilisierung des Preis­
niveaus erzielt . Griechenland weist in dieser Hinsicht
keine Fortschritte auf.
Der Leistungsbilanzsaldo der Gemeinschaft ist zwischen
1980 und 1985 von einem hohen Defizit in einen geringen
Überschuß umgeschwungen . Zwischen den einzelnen Mit­
gliedsländern bestehen jedoch noch beträchtliche Unter­
schiede . Angesichts des sehr hohen Leistungsbilanzdefizits
der Vereinigten Staaten ist die Gemeinschaft in dieser
I. 2 . Ungleichgewichte und Konvergenz in der EG-Wirt­
schaft
Die wirtschaftliche Situation im Jahr 1985 kann mit der des
Jahres 1980 verglichen werden — die dazwischen liegende
Zeitspanne umfaßt einen Konjunkturzyklus . 1980 war wie
auch 1985 ein Jahr , in dem schon seit etwa zweieinhalb
Jahren ein mäßiger Wirtschaftsaufschwung andauerte . Der
Kapazitätsauslastungsgrad der Industrie lag in beiden Jahren
etwa gleich hoch . In Tabelle 5 werden einige wichtige
makroökonomische Kennziffern wiedergegeben .
Hinsicht außerdem nach wie vor verwundbar . Am ein­
drucksvollsten waren die Anpassungsleistungen in Belgien
und Irland, die ihre Leistungsbilanzposition während dieser
fünf Jahre um 5 % bzw . 9 % des BIP verbessern und damit
ihr zuvor alarmierend hohes außenwirtschaftliches Defizit
beseitigen oder stark vermindern konnten . Auch Frankreich
und Italien haben bedeutende Anpassungserfolge bei der
Reduzierung ihrer hohen Außendefizite erzielt ,- auch wenn
das italienische Defizit in letzter Zeit wieder zunimmt . Auf
In den vier größeren Mitgliedstaaten ist die Arbeitslosenquo­
te um 4 bis 6 Prozentpunkte gestiegen . Von den kleineren
Ländern hatten Belgien , die Niederlande und Irland eine
überdurchschnittlich starke Zunahme der Arbeitslosigkeit zu
verzeichnen . Sofern man hier von einer konvergenten Ent­
der anderen Seite haben sich die Überschüsse in Deutschland
wicklung sprechen kann , ist die Ähnlichkeit im Anstieg der
EG-Durchschnitt deutlich höher als 1980 ( 5,2 % des BIP
und den Niederlanden weiter vergrößert .
Trotz energischer Anstrengungen zur Haushaltskonsolidie­
rung sind die staatlichen Haushaltsdefizite 1985 im
Arbeitslosigkeit bemerkenswert . Diese Entwicklung bleibt
ganz und gar unannehmbar .
gegenüber 3,5 % ). Außerdem ist auch hier die Divergenz
zwischen den einzelnen Ländern immer noch recht groß . Vier
Länder ( Belgien , Griechenland , Irland und Italien ) haben
Defizite von etwa 10 % des BIP oder mehr. Belgien und
Irland konnten ihr Defizit trotz erheblicher Anstrengungen
während der fünfJahre nicht reduzieren , auch wenn in letzter
Zeit gewisse Verbesserungen erreicht wurden . In Griechen­
land und Italien haben die Haushaltsdefizite sogar noch
zugenommen . Deutschland hat sein Defizit auf 1,2 % des
BIP oder weniger reduziert , während Luxemburg einen
Obgleich die Beschäftigung im vergangenen Jahr leicht
zugenommen hat , ist in keinem Land mit Ausnahme Däne­
marks die Beschäftigung heute höher als zu Beginn des
Jahrzehnts . Somit haben praktisch alle Länder der Gemein­
schaft mit vergleichbar ernsten Arbeitsmarktproblemen zu
kämpfen .
Bei der Preisstabilisierung wurde eine deutliche und erfreuli­
che Konvergenz erreicht . Deutschland und die Niederlande
Überschuß ausweist .
TABELLE 5
Ungleichgewichts- und Divergenzindikatoren 1980 und 1985
Arbeitslosigkeit
BIP-Deflator
Leistungsbilanz
%
°/o
% des BIP
1980
1985
1980
1985
1980
9,1
6,7
3,3
3,9
8,2
4,3
17,7
12,2
14,2
20,6
7,8
19,8
4,7
3,9
2,1
17,1
5,7
6,1
8,1
4,2
2,3
5,5
- 4,5
- 3,7
- 1,8
0,3
- 1,4
- 12,0
- 2,5
Vereinigtes Königreich
6,4
8,2
7,1
0,7
6,2
6,0
13,8
9,1
8,4
8,3
10,7
17,1
12,6
1,7
13,2
12,0
- 1,5
1,8
4,5
1,1
-
EUR 10
5,8
11,2
12,6
5,1
- 1,3
0,5
- 3,5
Belgien
Dänemark
Deutschland
Griechenland
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Quelle: Kommissionsdienststellen .
5,7
1985
Haushaltsdefizit
% des BIP
-
0,6
3,4
2,1
5,2
0,5
3,3
1,7
1980
-
9,9
3,3
3,1
5,4
0,3
11,8
8,4
0,8
4,0
3,4
Öffentliche
Verschuldung
% des BIP
1980
1985
-
8,6
2,9
1,2
12,5
3,2
11,5
13,6
2,1
- 5,9
- 3,3
76,1
33,5
32,6
27,7
25,0
85,9
93,9
13,6
45,9
59,7
116,0
68,6
42,6
54,5
35,9
124,3
120,4
15,6
72,3
59,7
- 5,2
50,5
64,3
1985
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 13
Frankreich , das Vereinigte Königreich und Dänemark neh­
men gegenwärtig eine Mittelstellung mit Defiziten von etwas
Wirtschaft auf etwaige internationale Störungen reagiert . In
der Tat hat die Weltwirtschaft im letzten Jahrzehnt eine
mehr als 3 % des BIP ein .
Reihe massiver Schocks erlebt: Ölpreissteigerungen, starke
Von 1980 bis 1985 ist die öffentliche Verschuldung prak­
tisch in allen Ländern deutlich gewachsen . Das Niveau ist
jedoch sehr unterschiedlich . Brutto gesehen ist die öffentliche
Verschuldung in Deutschland , Frankreich und dem Verei­
nigten Königreich relativ niedrig (40 % , 30 % bzw . 60 %
des BIP ). In Belgien , Irland und Italien ist sie dagegen weit
Wechselkurs- und Zinsausschläge , Schuldenkrisen . In den
nächsten Jahren dürften die potentiellen externen Störquel­
len hauptsächlich in der Art und Weise zu suchen sein , wie
das amerikanische außenwirtschaftliche Defizit und das
damit zusammenhängende Haushaltsdefizit sowie die Wech­
selkursungleichgewichte korrigiert werden , sowie in einem
Wiederaufleben der Schuldenkrise . Ein deutlicher Rückgang
höher (weit über 100 % des BIP). Die Zinslasten in diesen
der Ölpreise würde positive und negative Auswirkungen
Ländern erreichen nunmehr 20 bis 25 % der gesamten
laufenden Staatsausgaben , was etwa 10 % des BIP ent­
spricht .
Einige ungefähre Größenordnungen der möglichen Auswir­
haben .
kungen solcher externer Einflüsse sind in T abelle 6 wieder­
Praktisch keinem Land ist es gelungen, einen sehr hohen
Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Sie ist das
ernsteste Ungleichgewicht der europäischen Volkswirtschaf­
ten geworden. Die übrigen Ungleichgewichte stellen sich wie
folgt dar:
— Deutschland hat im großen und ganzen eine befriedigen­
de Position erreicht, jedoch steigen die Leistungsbilanz­
überschüsse zunehmend;
— Frankreich und dem Vereinigten Königreich ist es gelun­
gen, der Lösung dieser Ungleichgewichte näher zu kom­
men;
— Italien hat in bezug auf Inflationsabbau und Zahlungsbi­
lanzgißichgewicht beträchtliche Fortschritte gemacht,
sieht sich bei den öffentlichen Finanzen immer noch vor
gegeben . Es sollte gleichwohl hervorgehoben werden , daß
man grundsätzlich über eine breite Palette unterschiedlicher
Schätzungen diskutieren könnte , je nachdem , welche Annah­
men über die jeweiligen Umstände und welche Reaktionen
sowohl der privaten Märkte als auch der Wirtschaftspolitik
zugrundegelegt werden .
Das allgemeine Bild , das sich dabei für das gesamtwirtschaft­
liche Produktionsniveau in der EG ergibt, läßt erkennen , daß
die berücksichtigten potentiellen Störfaktoren sowohl mit
negativen als auch mit positiven Risiken verbunden sind;
allerdings überwiegen offenbar die negativen Risiken . Die
Inflationsrate würde sich jedoch deutlich vermindern . Es ist
kein Einflußfaktor zu erkennen , der den Preisanstieg signifi­
kant verstärken könnte .
einem ernsten Problem;
— in den anderen Ländern ist die Lage recht uneinheitlich,
mit Erfolgen in bestimmten Bereichen und Problemen in
anderen . Am umfassendsten konnte Dänemark seine
Lage verbessern . Griechenland hat in den meisten Berei­
chen mit ernsten Problemen zu kämpfen .
Die Einschätzungen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage
der Vereinigten Staaten und die mittelfristig zu erwartenden
Entwicklungen sind sehr unterschiedlich . Die Unsicherheit
über das künftige US-Wachstum , das amerikanische Haus­
halts- und Außenwirtschaftsdefizit sowie der Zins- und
Dollarkursentwicklung ist zugegebenermaßen groß . Da gesi­
cherte Informationen fehlen , kann man nur von stilisierten
Annahmen ausgehen . So würden beispielsweise eine als
substantiell zu bezeichnende Verringerung des Haushaltsde­
I. 3 . Einige Risikofaktoren der mittelfristigen Wirtschafts­
entwicklung
fizits oder ein kräftiger Rückgang des Devisenkurses ( um die
in der Tabelle 6 angegebenen Größenordnungen ) die gesamt­
wirtschaftliche Produktion in der EG innerhalb von drei
Jahren kumulativ um 0,75 bis 1,25 Prozentpunkte verrin­
Unter der Annahme , daß von der übrigen Welt kein desta­
bilisierender Einfluß auf die europäische Wirtschaft ausge­
hen wird und daß die Wirtschaftspolitik und das wirtschaft­
liche Verhalten in der Gemeinschaft im großen und ganzen
unverändert bleiben , erwartet die Kommission auf mittlere
Sicht im EG-Durchschnitt bis zum Ende dieses Jahrzehnts
eine recht stetige Wachstumrate des Sozialprodukts von etwa
2,5 % pro Jahr. Die Inflationsrate könnte sich bei durch­
schnittlich etwa 4 % stabilisieren , so daß das nominale BIP
um knapp 7 % pro Jahr wachsen würde . Die Arbeitslosigkeit
würde nicht deutlich zurückgehen . Das zentrale Beschäfti­
gungsproblem in der europäischen Wirtschaft bliebe also
ungelöst . Es besteht kaum Hoffnung , daß es bis zum Ende
des Jahrzehnts gemildert werden kann .
Die Annahme einer stabilen Entwicklung der Weltwirtschaft
könnte sich jedoch als falsch herausstellen . Bevor auf die
EG-internen Ziele und Politiken eingegangen wird , muß
daher untersucht werden , wie empfindlich die europäische
gern .
Für sich genommen würde daher jeder dieser Faktoren einen
geringen , jedoch keineswegs unbedeutenden Rückschlag für
den Aufschwung in Europa bedeuten . Zusammengenommen
wären die Auswirkungen allerdings beträchtlich .
Bei diesen Schätzungen wurde bereits eine gewisse Abkoppe­
lung der europäischen Zinsen von denen der Vereinigten
Staaten ( im Sinne relativ niedrigerer Zinsen in Europa )
berücksichtigt . Die Größenordnung dieses Spielraums läßt
sich schwer beurteilen . Nimmt man jedoch an , daß die
europäischen Zinsen um zusätzliche 2 Prozentpunkte
gesenkt werden könnten , beispielsweise als Reaktion auf eine
sehr starke Abwertung des Dollars, könnte es zu einer
ausgleichenden Belebung der Wirtschaftstätigkeit in Europa
um kumuliert etwa zweidrittel Prozentpunkte innerhalb von
drei Jahren kommen .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 14
TABELLE 6
Auswirkungen von Veränderungen der weltwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen auf die Wirtschaft
(in Prozent '
Auswirkungen auf die EG ,
kumulatives Gesamtergebnis
nach drei Jahren auf das Niveau
der
Produktion
der
Preise
des
nominalen
BIP
US-Haushaltsrestriktionen von
1 % des BIP jährlich , kumulati­
ves Ergebnis nach drei Jahren
- 3/4
-
'/2
- 1V4
Dollarabwertung um 20 % ( 1 )
- iv4
-2 V2
- 3 3/4
US-Haushaltsrestriktionen und
Devisenkursrückgang
zusam­
-2
men
-3
- 5
Monetäre Bedingungen , die ei­
nen Rückgang der europäischen
Realzinsen um 2 % erlauben
+ 2/3
Olpreis-Rückgang von 20 % be­
züglich des Niveaus von 1985
+ 2/ 3
+ 2/3
-1
- V3
31 . 12 . 85
würden allerdings Einkommenseinbußen erleiden . West­
europa fördert einen wesentlichen Teil eines Ol- und Gasbe­
darfs selbst ( gemessen an der Förderung des Vereinigten
Königreichs, der Niederlande und Norwegens im Verhältnis
zu der Nachfrage von EG und European Free Trade
Association ( EFTA )). Die Ausfuhren in die Länder der
Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC)
würden sich abschwächen .
Die inflationsdämpfenden Auswirkungen eines substantiel­
len Rückgangs des Dollarkurses wären beträchtlich (Vermin­
derung des EG-Preisniveaus nach drei Jahren um 2,5 % bei
einem Kursrückgang gegenüber der ECU um 20 % ). Auch
der 20% ige Ölpreisrückgang hätte beträchtliche, wenn auch
geringere preissenkende Auswirkungen .
Eine der wichtigsten Fragen , die sich aus diesen Szenarien
ergeben , betrifft die Beurteilung der möglichen Reaktionen
auf eine gleichzeitige Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit
und des Preisauftriebs in der EG . In einigen der erörterten
Fälle würde sich die nominale Gesamtnachfrage erheblich
verringern . Dann müßten ausgleichende wirtschaftspoliti­
sche Maßnahmen in Betracht gezogen werden , vor allem in
Ländern , die beim Abbau der Inflation bereits weit fortge­
schritten sind ( vgl . die entsprechenden wirtschaftspolitischen
^ ! ) Gegenüber ECU und Yen .
Abschnitte in diesem Bericht ).
Quelle: Schätzungen der Kommissionsdienststellen .
Ein wesentlicher Rückgang ( 20 % ) des Ölpreises würde sich
Potentielle Störungen in der Weltwirtschaft in der überschau­
baren Zukunft (Anpassungen in den USA, möglicher
Ölpreisrückgang) lassen einen weiteren Rückgang der Infla­
günstig auf die konjunturelle Wirtschaftstätigkeit in der EG
auswirken (die fiskalischen Aspekte einer derartigen Ent­
wicklung werden in dem Abschnitt III . 1.2 behandelt ). Der
entsprechende kumulative Effekt wird nach drei Jahren auf
zweidrittel Prozent des BIP geschätzt , doch ist die Unsicher­
heitsmarge hierbei groß . Das Realeinkommen der Unterneh­
men und privaten Haushalte würde von besseren Terms of
tion in der EG als möglich erscheinen. Für das Niveau der
gesamtwirtschaftlichen Produktion bestehen verschiedene
Risiken, in Form negativer und positiver Einflüsse,
die von
der übrigen Welt ausgehen könnten; die Gefahr negativer
Einflüsse scheint zu überwiegen. Falls von den außenwirt­
schaftlichen Gegebenheiten gleichzeitig preissenkende und
real kontraktive Einflüsse auf die EG ausgehen sollten,
Trade profitieren, wodurch die Investitionen und der private
würde sich die Frage stellen, ob die nominale Nachfrage
Verbrauch angeregt würden . Die Öl- und Gaserzeuger
angemessen ist.
II . EINE KOOPERATIVE STRATEGIE FÜR EIN BESCHAFTIGUNGSWIRKSAMERES WACHSTUM
II . 1 . Hintergrund und Größenordnungen
Hauptthema dieses Berichtes ist die Notwendigkeit , das
Wirtschaftswachstum nicht nur zu beleben , sondern gleich­
zeitig so auszurichten , daß es allmählich neue Arbeitsplätze
in beträchtlicher Zahl entstehen läßt und uns damit der
Lösung des Problems der Arbeislosigkeit einen Schritt näher­
bringt ( 1 ). Zunächst sollen daher die mittelfristigen Aussich­
ten für Europa unter der Annahme , daß es zu keinen
erheblichen Änderungen des internationalen Umfelds , der
derzeitigen Politik und Verhaltensweisen kommt , skizziert
werden . Untersucht werden soll damit , wie sich gesamtwirt­
schaftliche Produktion , Beschäftigung und Arbeitslosigkeit
in Europa entwickeln könnten , falls auf makroökonomi­
scher Ebene die jüngsten Entwicklungen anhalten . Derartige
Projektionen sind zwar schwer zu erstellen , andererseits
(') Abgesehen von dem im März 1984 verabschiedeten „Plan für den
wirtschaftlichen Wiederaufschwung Europas" hat das Europäi­
sche Parlament wiederholt beschäftigungswirksame Investi­
tionsanstrengungen befürwortet ( siehe Resolution vom
16 . April 1985 , Absatz 4 , ABl . Nr . C 122 vom 20 . 5 . 1985 ,
S. 57 ).
jedoch ein notwendiges Hilfsmittel zur Beurteilung der
Wirtschaftspolitik .
Unter Beachtung des begrenzten Informationsgehalts von
Szenarien , die auf Modellrechnungen aufbauen , sind die
derzeitigen Politiken und wirtschaftlichen Tendenzen in der
ersten Spalte von Tabelle 7 in Form einer „Basishypothese "
charakterisiert . In diesem rein illustrativen Ausgangsfall
würde sich das Wachstum des BIP in der EG insgesamt bis
zum Ende dieses Jahrzehnts bei etwa 2,5 % stabilisieren . Die
Inflation würde weiter bis auf eine Rate von etwas über 4 %
zurückgehen , so daß das Wachstum des nominalen BIP
zwischen 6,5 und 7 % im Jahr ausmachen würde . Die
Haushaltsdefizite würden weiter reduziert und die Geldmen­
ge in der Nähe ihrer derzeitigen Zuwachsrate bleiben . Die
Arbeitsproduktivität könnte mit etwas über 2 % im Jahr
ungefähr im gleichen Maße zunehmen wie im letzten Jahr­
zehnt . Die Reallöhne würden sjch um etwas weniger als 2 %
erhöhen , so daß eine bescheidene Verbesserung des Einkom­
mens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen als Anteil am
Volkseinkommen möglich würde . Die Investitionen nähmen
rascher zu als das BIP — etwa um 5 % jährlich — , was eine
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
gewisse Reaktion auf die Verlangsamung der technologi­
schen Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit und auf
den Umstrukturierungsbedarf in der Wirtschaft wäre .
Unter diesen Umständen würde sich die Rentabilität des
Anlagekapitals nicht sehr wesentlich erhöhen . Namentlich
die Arbeitskosten im Verhältnis zum Ertrag des Realkapitals
würden sich nicht erheblich verändern . Die Beschäftigung
würde zwar stärker zunehmen als in der jüngsten Vergan­
genheit , in der die Zahl der Arbeitsplätze stagnierte oder
sank , der Anstieg bliebe aber in bescheidenen Grenzen und
würde möglicherweise noch nicht einmal 0,5 % pro Jahr
ausmachen . In diesem Fall würde die Arbeitslosigkeit nur
sehr geringfügig, etwa auf 10,5 % bis 1990 , sinken .
Die Ergebnisse dieser Basisprojektion sind zwar enttäu­
schend , sie sind jedoch keineswegs wirklichkeitsfremd , wenn
man bedenkt , daß es in Europa heute immer noch nicht
sicher ist , ob sich die Arbeitslosigkeit bei einer gesamtwirt­
schaftlichen Wachstumsrate von etwa 2,5 % schon stabili­
siert hat . Die Basisprojektion macht jedenfalls deutlich , daß
Nr. L 377 / 15
höchstwahrscheinlich wirtschaftspolitische Kurskorrekturen
eingeführt und beibehalten werden und ein Wandel der
Verhaltensweisen eintreten müssen , wenn der Wachstums­
pfad von Produktion und Beschäftigung deutlich verbessert
werden soll .
Da sich die Haushaltslage in der Basisprojektion verbessert ,
könnte es naheliegen , die Finanzpolitik wieder erheblich
expanisiver zu gestalten . Die Kommission und der Rat sind
zwar nicht dieser Auffassung, doch dürfte es von Nutzen sein
aufzuzeigen , was eine derartige Politik mittelfristig bedeuten
würde .
Die zweite Spalte von Tabelle 7 veranschaulicht die wirt­
schaftlichen Auswirkungen einer „ expansiven Fiskalpolitik " ,
bei der das Ziel in einer signifikanten Reduktion der
Arbeitslosigkeit auf 8,5 % bis 1990 besteht . In diesem
einfachen Fall soll dies mit Hilfe einer budgetären Expansion
ohne Beachtung sonstiger Nebenbedingungen und bei einem
internationalen Umfeld wie in der Basisprojektion erreicht
werden .
TABELLE 7
Illustrative Größenordnungen eines Basisszenarios und alternativer wirtschaftspolitischer Szenarien,
EG insgesamt , 1986— 1990
(jährliche durchschnittliche Wachtumsraten)
Basisszenario
BIP , reales Wachstum
BIP-Deflator
BIP , nominal
Investitionen
Beschäftigung
Arbeitslosenquote ( 1 )
Arbeitsproduktivität
Reale Lohnkosten
Gewinnanteil am Volkseinkommen
Haushaltssaldo ( 2 )
Zinssatz ( 3 )
Expansive
Fiskalpolitik
2,5
4,2
6,7
5,0
0,4
10,4
2,2
1,7
3,4
5,4
8,8
1,1
- 3,8
- 0,8
10,9
5,1
0,8
8,5
2,6
2,5
- 7,1
12,5
Kooperatives
Wachstums­
szenario
3,5
3,7
7,2
6,6
1,1
7,0
2,4
1,0
3,8
- 4,0
8,3
(EG-Szenario
ohne
internationale
Kooperation)
( 3,2 )
(4,0 )
( 7,2 )
( 5,9 )
( 1,0 )
( 7,4 )
( 2,2 )
( 1,0 )
( 3,3 )
( - 4,4 )
( 9,4 )
(') In % der Erwerbspersonen am Ende des Zeitraums .
( 2 ) In % des BIP am Ende des Zeitraums .
( 3 ) Langfristiger Zinssatz am Ende des Zeitraums .
Quelle: Schätzungen der Kommissionsdienststellen .
Anmerkungen
— Das „Basisszenario" geht von der derzeitigen Haushalts- und Geldpolitik in der Gemeinschaft , keinen
budgetären Anpassungen in den Vereinigten Staaten und einer normalen Entwicklung des Welthandels
aus .
— Bei dem Szenario „expansive Fiskalpolitik" wird das Haushaltsdefizit in der EG in dem Maße
vergrößert , das notwendig ist, um bis 1990 eine Arbeitslosenquote von 8,5% zu erreichen . Die übrigen
Variablen reagieren endogen ; das internationale Umfeld bleibt im Vergleich zum Basisszenario
unverändert .
— Das „kooperative Wachstumsszenario" schließt für die Gemeinschaft einen mäßigen Anstieg der
Reallöhne ein , bis sich ein signifikanter Rückgang der Arbeitslosigkeit ( 1988—1989) ergeben hat. Die
Reallohnentwicklung nähert sich dann stufenweise der Produktivitätsentwicklung pro Beschäftigten
an . Haushalts- und Geldpolitik halten das nominale BIP in der Nähe des Basisszenarios . Außerhalb der
EG reduzieren die USA ihr Haushaltsdefizit , was durch expansive Maßnahmen in Japan und einigen
anderen Ländern ausgeglichen wird . Der Dollar schwächt sich gegenüber der ECU und noch deutlicher
gegenüber dem Yen ab . Dieses Szenario ist in Abschnitt II . 5 beschrieben .
— Das „EG-Szenario ohne internationale Kooperation" geht von gleichen Annahmen bezüglich der
wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Gemeinschaft wie im „kooperativen Wachstumsszenario"
aus . "Das internationale Umfeld bleibt demgegenüber im Vergleich zum Basisszenario unverändert.
Nr . L 377 / 16
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Die Berechnungen zeigen , daß die europäische Wirtschaft
das Beschäftigungsziel ( 8,5 % Arbeitslosigkeit ) nur um den
Preis eines immer schneller wachsenden Haushaltsdefizits
erreichen würde , das sich für die- EG insgesamt von 4,8 %
des BIP im Jahre 1985 auf 7,1 % im Jahre 1990 erhöhen
würde . Zwar erhöht sich das Wachstum , doch würde sich
auch die Inflation von 4,5 % im Jahre 1985 auf 7,1 % im
Jahre 1990 beschleunigen . Daher endet der Zeitraum mit
einer Kombination aus zunehmender Inflation und wachsen­
der öffentlicher Schuldenlast bei einer eher mäßigen Verrin­
gerung der Arbeitslosigkeit . Die Schwungkraft , die die
zunehmende Inflation und die wachsende öffentliche Schul­
denlast am Ende des Zeitraums erreichen , läßt weitere
schädliche Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Grö­
ßen erwarten . Mit anderen Worten , diese Politik wäre nicht
länger durchzuhalten und müßte in ihr Gegenteil verkehrt
werden . Eine flankierende Stabilisierungspolitik würde sich
als unvermeidlich erweisen und die Arbeitslosenquote erneut
ansteigen lassen .
31 . 12 . 85
Nach den Krisenjahren 1974— 1975 und dem Aufschwung
von 1976 ( dieser Zeitraum wurde wegen der großen Insta­
bilität für die Schätzergebnisse aus der Betrachtung ausge­
schlossen ) ergab sich von 1977 bis 1985 eine neue Beziehung
(Gerade 62). Dies zeigt die Verschiebung der Kurve nach
links : Ein gegebenes Wirtschaftswachstum ging mit einer
höheren Zunahme der Beschäftigung einher. Da jedoch das
Wirtschaftswachstum in diesem Zeitraum gering war — die
durchschnittliche Wachstumsrate betrug 1,8 % — , stagnier­
te die Beschäftigung . Der Anstieg der Erwerbsbevölkerung
schlug sich unter diesen Bedingungen in höherer Arbeitslo­
sigkeit nieder. Sollte sich die neu herausgebildete Beziehung
zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung als stabil
erweisen , so würden jährliche gesamtwirtschaftliche Wachs­
tumsraten von 3,5 % bis 4,5 % ausreichen , um den für eine
Senkung der Arbeitslosigkeit erforderlichen Anstieg der
Beschäftigung zu erreichen .
Schaubild 9 zeigt auch die Beziehung zwischen Beschäftigung
und Wachstum , wie sie sich aus den drei Szenarien der
Diese beiden Szenarien können als nützliche Bezugsgrundla­
gen für die Entwicklung einer praktikablen Strategie verstan­
den werden . Weder ein Andauern der derzeitigen Situation
noch eine isolierte expansive Nachfragepolitik enthalten
die notwendigen Bestandteile , mit denen die gewünschte
Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung erreicht werden
könnte .
Mittelfristige Simulationen bestätigen, daß weder ein Szena­
rium auf der Basis unveränderter Politiken und Verhaltens­
weisen noch eine isolierte expansive Fiskalpolitik das Pro­
duktionswachstum nachhaltig beschleunigen und dauerhaft
Arbeitsplätze schaffen . Sie erhärten die Ergebnisse anderer
Analysen, die zeigen, daß weder eine spontane Entwicklung
noch eine budgetäre Expansionspolitik das Problem lösen
würde .
II . 2 . Notwendigkeit eines beschäftigungswirksameren
Wachstums
Tabelle 7 ergibt . So liegen die jahresdurchschnittlichen
Wachstumsraten von Bruttoinlandsprodukt und Beschäfti­
gung des Basisszenariums von 1986 bis 1990 praktisch auf
der Geraden R2 . Das heißt , daß bei unveränderten Politiken
und Verhaltensweisen die Konstellation „geringes Wirt­
schaftswachstum — bescheidene Beschäftigungszunahme"
( Punkt D ) gut mit dem Verhältnis übereinstimmen würde ,
das in den letzten Jahren zu verzeichnen war. Das Szenarium
mit isolierter fiskalpolitischer Expansion zeigt demgegen­
über ein stärkeres Wirtschaftswachstum ; die Beschäftigung
würde ungefähr entsprechend der Beziehung R2 steigen
( Punkt E ). Der dem kooperativen Wachstumsszenarium
entsprechende Punkt (F) liegt schließlich über dem gegenwär­
tigen Verhältnis : Das Wachstum wäre nicht nur deutlich
höher , es wäre auch beschäftigungswirksamer . Dieser dritte
Fall wird in Abschnitt II . 5 im einzelnen dargestellt .
Mehrere Faktoren können dazu' beitragen , daß das Wachs­
tum beschäftigungswirksamer wird :
1 . Ein langsamer Anstieg der realen Lohnkosten je Beschäf­
tigten in Verbindung mit einem angemessenen Wachs­
tum der Nachfrage ;
Wie die gegenwärtigen Entwicklungstendenzen des Bevöke­
rungsaufbaus und des Erwerbsverhaltens zeigen , müßte die
Beschäftigung jährlich um 1 bis 1,5 % steigen , wollte man
die Arbeitslosenquote von ihrer jetzigen Höhe (etwa 11 % )
bis zum Jahre 1990 auf rund 7 % absenken .
2 . fortgesetzte Bemühungen , die Anpassungsfähigkeit auf
allen Märkten ( Arbeit , Güter , Dienstleistungen , Kapital )
Schaubild 9 veranschaulicht die Beziehung zwischen den
Wachstumsraten von Beschäftigung und gesamtwirtschaft­
3 . auf dem Arbeitsmarkt : Kostenniveauneutrale Neugestal­
tung und Verkürzung der Arbeitszeit ;
licher Produktion in der Gemeinschaft und in den USA .
zu verbessern ;
4 . Lohnunterschiede , die stärker dem Bedarf an Arbeits­
Das Verhältnis beider Größen , das in der Gemeinschaft
zwischen 1961 und 1973 beobachtet werden konnte ( Gerade
Rl ), zeigt , daß trotz kräftigen Wirtschaftswachstums ( jah­
kräften in den jeweiligen Branchen , Regionen und
Qualifikationen entsprechen .
resdurchschnittlich 4,6 % ) die Beschäftigung nur geringfügig
zugenommen hat ( im Jahresdurchschnitt um 0,2 % ). Wäre
die damals bestehende Beziehung auch heute noch gültig , so
wäre eine durchschnittliche Wachstumsrate des Sozialpro­
dukts von mehr als 6 % erforderlich , um die angestrebte
Zunahme der Beschäftigung zu erreichen . Wachstumsraten
dieser Größenordnung dürften derzeit nicht erreichbar sein .
Ein von diesen Grundsätzen geleiteter Anpassungsprozeß
kann sowohl ein beschäftigungswirksameres Wachstum
ermöglichen , als auch für die Zukunft die Grundlagen für
eine befriedigendere wirtschaftliche Dynamik legen , indem
Freilich war das in dem Schaubild zum Ausdruck kommende
Ein weiteres wesentliches Element — das sei an dieser Stelle
kapitalintensive Wachstum der sechziger Jahre mit dem
langsamen Anstieg der Erwerbsbevölkerung jener Jahre gut
vereinbar , ermöglichte es doch , die Arbeitslosenquote sehr
niedrig zu halten (2 bis 2,5 % ).
ebenfalls betont — stellt eine kräftigere und dauerhafte
er die Rentabilität der Produktion von Gütern und Dienst­
leistungen wiederherstellt .
Zunahme der Investitionen dar . Es wurde bereits darauf
hingewiesen , daß die Wirtschaft trotz bescheidenen Wachs­
tums bereits wieder an Kapazitätsengpässe zu stoßen
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 17
beginnt . Abgesehen vom unzureichenden Niveau der Investi­
tionstätigkeit ( die Investitionsquote ist zwischen 1970 und
1985 um fünf Prozentpunkte gesunken ), dürfte nach den
beiden Energiepreisschocks auch der existierende Kapital­
stock zum Teil veraltet und ineffizient sein . Soll der Anpas­
sungsprozeß neue Arbeitsplätze schaffen , muß er von Bedin­
gungen ausgehen , die zusätzliche Investitionen begünsti­
erforderlichen Investitionen und sonstigen Ausgaben um so
eher tätigen , je eher sie mit wachsenden und rentablen
gen .
bereit , wenn Umternehmen und Gewerkschaften zusammen­
Schließlich ist es mindestens ebenso wichtig, einen sozialen
Rahmen zu schaffen und zu bewahren , in dem die als
notwendig erachteten Veränderungen akzeptiert und geför­
dert werden . Dazu müssen Unternehmen , Regierungen ,
Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften wesentliche Beiträge
leisten . Die Unternehmen müssen die notwendigen arbeits­
platzschaffenden Investitionen vornehmen . Sie werden die
Märkten rechnen können . Die Gewerkschaften werden
insgesamt einen mäßigen Anstieg der Reallöhne um so eher
akzeptieren , wenn sie davon ausgehen können , daß diese
Zurückhaltung mehr Wachstum und Beschäftigung gewähr­
leistet . Die Regierungen sind umso eher zu Steuerkürzungen
arbeiten , um die volkswirtschaftliche Produktionskapazität
und damit auch die Steuerbasis zu verbessern .
Diese Fragen werden in den Abschnitten II . 3 und II . 4 dieses
Berichtes
näher
untersucht .
Anschließend
werden
in
Abschnitt II . 5 Vorschläge unterbreitet , wie die beschriebe­
nen Probleme mit einem umfassenden Ansatz bewältigt
werden können .
SCHAUBILD 9
Relationen zwischen Wachstum und Beschäftigung (')
l 1 ) Die Geraden R 1 , R 2 und R 3 fassen die beobachteten Beziehungen von Wachstum des BIP und der
Gesamtbeschäftigung zusammen .
Ihre Längen wurden auf die extremen Beobachtungen begrenzt ; nur R 2 wurde als gestrichelte Linie
verlängert , damit besser zum Ausdruck kommt , wie sich die Relation zwischen Wirtschaftswachstum
und Beschäftigung in Europa darstellte , falls die Relation R 2 stabil bliebe .
Die Angaben für die Punkte D , E und F sind aus Tabelle 7 übernommen .
A = Durchschnitt 1961 - 1973 : + 4,6 % BIP ; + 0,2% Beschäftigung;
B = Durchschnitt 1977 - 1985 : + 1,8 % BIP ; - 0,03 % Beschäftigung ;
C = Durchschnitt 1966 - 1958 : + 2,9 % BIP ; + 1,9 % Beschäftigung ;
D = Basisszenario : + 2,5 % BIP ; + 0,4 % Beschäftigung ;
E = Fiskalpolitisches Expansionsszenario : + 3,4 % BIP ; + 0,8 % Beschäftigung ;
F = Kooperatives Wachstumsszenario : + 3,5 % BIP ; + 1,1 % Beschäftigung .
Die offensichtlich günstige Position der Linie R 3 für die Vereinigten Staaten ist von demographischen
Faktoren beeinflußt . Die Erwerbsbevölkerung hat dort jährlich um mehr als 2 % zugenommen . In den
Jahren von 1960 bis 1970 war die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten jeweils höher als in
Europa . Erst seit 1980 ist die Arbeitslosigkeit in Europa höher .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 18
31 . 12 . 85
Seit 25 Jahren ist die Bilanz der Schaffung von Arbeitsplätzen
in der Gemeinschaft durchweg unbefriedigend. Das kapital­
intensive Wachstum der sechziger Jahre war jedoch in jener
Periode durchaus angemessen, die die geringe Beschäfti­
gungszunahme mit einem schwachen Anstieg der Erwerbs­
bevölkerung einherging. Die Arbeitslosigkeit blieb deshalb
niedrig. Die Verhältnisse haben sich jedoch geändert, und
angesichts der bescheidenen Wachstumsaussichten muß der
Trend der Arbeitslosigkeit dringend umgekehrt werden . Es
geht darum, ein höheres und zugleich beschäftigungswirksa­
meres wirtschaftliches Wachstum zu erzielen . Die wichtig­
sten wirtschaftspolitischen Maßnahmen , die ergriffen wer­
sind zwar schwierig zu gewinnen ; statistische Schätzungen
den müssen, um dieses Ziel zu erreichen, sind klar erkannt
den Trend der Kapitalproduktivität ( Output je Einheit des
Kapitalstocks ) zu entnehmen . Sie hat in den Vereinigten
Staaten während der sechziger Jahre mäßig zugenommen
und danach abgenommen . In Europa ist die Kapitalproduk­
tivität während der gesamten Periode 1960— 1985 deutlich
zurückgegangen . Mit anderen Worten , die Kapitalintensität
( d.h . der je Beschäftigten aufgewandte Kapitalbetrag) hat in
Europa parallel zu dem Trend der Arbeitsproduktivität stark
zugenommen , während in den USA beide Größen weniger
stark gewachsen sind . Somit ist ein Vergleich des Anstiegs der
Arbeitskosten mit dem der Arbeitsproduktivität irreführend ,
worden. Im wesentlichen verbinden sie einen mäßigen
Lohnanstieg mit einer angemessenen Stützung der Nachfrage
und müssen von einer größeren Anpassungsfähigkeit auf
allen Märkten begleitet sein . Die der kooperativen Verwirk­
lichung dieser Politik dienenden Bedingungen müssen jetzt
näher betrachtet werden .
II . 3 . Arbeit, Kapital und Technologie
für die Industrie und das Verarbeitende Gewerbe sowie
Ergebnisse von Unternehmensfragen bestätigen jedoch diese
Vermutung . Sie wird auch durch einen Vergleich mit den
Vereinigten Staaten , wo Arbeit und Kapital ausgewogener
eingesetzt werden als in Europa , gestützt .
Konventionelle Produktivitätsanalysen erscheinen großen­
teils von Europa aus gesehen auf trügerische Weise als
beruhigend . Wie Schaubild 10 zeigt , hat sich die Arbeitspro­
duktivität in Europa weit stärker erhöht als in den Vereinig­
ten Staaten . Dem Schaubild sind auch Informationen über
Vieles spricht dafür , daß die Kombination von Kapital und
weil die gestiegene Arbeitsproduktivität großenteils aus dem
Arbeit im europäischen Produktionsprozeß zum Nachteil des
Arbeitseinsatzes verzerrt ist . Daß die Beschäftigung sta­
gniert , läßt sich nicht bestreiten . Es gibt auch mehr und mehr
Anzeichen dafür , daß Kapital in zunehmendem Maße zur
Einsparung von Arbeitskräften und nicht primär zur Kapa­
zitätserweiterung eingesetzt wird . Exakte Informationen
wachsenden Gewicht arbeitssparender Rationalisierungsin­
vestitionen resultiert . Wenn höheres Produktivitätswachs­
tum aus abnehmender Beschäftigung herrührt oder die
Beschäftigung langsamer wächst als die Erwerbsbevölke­
rung , erntet die Erwerbsbevölkerung als Ganzes nicht die
Früchte dieser scheinbaren Produktivitätsgewinne.
SCHAUBILD 10
Produktivität von Kapital und Arbeit sowie Kapitalintensität in den vier großen Mitgliedsländern und den
Vereinigten Staaten , 1960-1985
Index 1 960 = 100
Arbeitsproduktivität : Output je Arbeitseinheit ;
Kapitalproduktivität : Output je Einheit des Kapitalstocks ;
Kapitalintensität : Kapitalstock je Arbeitseinheit .
Quelle: Kommissionsdienststellen .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Ein erhöhter Kapitaleinsatz je Beschäftigten gilt natürlich als
erstrebenswert , und die Erfahrungen der sechziger Jahre
zeigen , daß die zunehmende Ausstattung der Arbeitsplätze
mit Sachkapital zu einem recht befriedigenden Wachstum des
Sozialprodukts und der Produktion je Beschäftigten geführt
hat . Es stellt sich deshalb die Frage , weshalb die Kapitalak­
kumulation in Europa besonders nach 1970 nicht zu mehr
Beschäftigung geführt hat . Zweifellos hat die Energiever­
teuerung den Nettowert des vorhandenen Kapitalstocks
vermindert . Eine restriktive Politik zur Inflationsbekämp­
fung hatte darüber hinaus eine Unterauslastung von Kapa­
zitäten zur Folge .
Längerfristig gesehen liegt ein weiterer wichtiger Grund
darin , daß sich gleichzeitig mit diesen Tendenzen die Renta­
bilität des investierten Kapitals nachhaltig verschlechtert hat
und daß es im Zusammenhang damit zu einer ausgeprägten
Erhöhung der realen Vergütung für den Faktor Arbeit im
Verhältnis zum Kapital gekommen ist ( siehe Schaubild 11 ).
Es gibt noch drei weitere Faktoren , die zu einer Erklärung
beitragen können . Erstens handelt es sich um Arbeitsmarkt­
rigiditäten , die ein angemessenes Funktionieren des Arbeits­
marktes angesichts steigender Arbeitskosten möglicherweise
behindert haben . Zweitens wurde durch wirtschaftspoliti­
sche Maßnahmen die Arbeit bewußt stärker besteuert , vor
allem über die Beiträge zur Sozialversicherung . So sind die
Lohnnebenkosten in der Gemeinschaft in den vergangenen
zwei Jahrzehnten um etwa einen halben Prozentpunkt pro
Jahr gestiegen . Drittens haben die notwendige Eindämmung
der Inflation und die notwendige nicht-monetäre Finanzie­
rung der Haushaltsdefizite zu hohen Realzinsen in der
Gemeinschaft geführt . Zusammen haben diese Faktoren
bewirkt , daß sich die Rentabilität der Investitionen stetig
verschlechtert hat . Wie die Schaubilder 11 und 12 zeigen ,
besteht eine enge Beziehung zwischen der Rentabilität und
der Zunahme des Kapitalstocks .
Die relativ höheren realen Kosten der Beschäftigung und die
geringere Rentabilität des Sachkapitals haben arbeitsplatz­
schaffende oder kapazitätserweiternde Investitionen im Ver­
hältnis zu den kapitalintensiveren Produktionsverfahren
immer weniger attraktiv gemacht . Insgesamt deuten die
rückläufige Kapitalproduktivität und die sinkenden Erträge
in Europa auf einen ausgeprägten Rückgang der Effizienz der
europäischen Investitionen hin , der möglicherweise noch
Nr . L 377 / 19
lange andauern wird . Die Folgerung daraus lautet , daß die
neuen Investitionen die Produktionskapazitäten nicht in dem
erforderlichen Maße erweitert haben .
Insgesamt haben in Europa arbeitsparende Investitionen ein
übermäßig großes Gewicht gehabt ; wegen schwacher Renta­
bilität sieht sich die Wirtschaft andererseits unzureichenden
Erweiterungsinvestitionen gegenüber . Angesichts der gerin­
gen Effizienz ist das Gefälle zwischen dem Grenzenrag des
Kapitals und dem Realzins zu groß .
Seit den frühen achtziger Jahren haben sich diese Tendenzen
etwas geändert . Das trendmäßige Wachstum der realen
Lohnkosten hat sich von 1983 bis 1985 auf 1,0 % jährlich
verlangsamt , gegenüber 2,1 % im Zeitraum 1974 bis 1982
und 4,4 % zwischen 1961 und 1973 . Es wird davon
ausgegangen , daß die Ertragsrate des Bruttokapitalstocks im
Vergleich zu ihrem Tiefpunkt zu Beginn der 80er Jahre im
Anschluß an den zweiten Ölschock etwas angestiegen ist ,
doch ist es noch ein langer Weg, bis das in den 60er Jahren
verzeichnete Niveau — damals wuchs der Kapitalstock
rascher — wieder erreicht ist .
Die Investitionen weisen seit 1984 und 1985 wieder nach
oben , allerdings von einer sehr niedrigen Ausgangsbasis aus .
Der Kapazitätsauslastungsgrad in der Industrie ist anderer­
seits , wie schon erwähnt , im Laufe der letzten 12 Monate von
79 % Mitte 1984 auf 82 % im Jahre 1985 weiter angestie­
gen . Wenn die Wachstumsrate des Produktionspotentials in
der europäischen Wirtschaft signifikant gesteigert werden
soll , müssen angesichts dieser Angebotsbeschränkungen
umfangreiche Investitionen unternommen werden , und zwar
weg von arbeitsparenden und hin zu kapazitätserweiternden
Investitionen . Dies wiederum bedeutet , daß die jüngste
Verbesserung der relativen Vergütung des Sachkapitals im
Vergleich zur Arbeit noch eine ganze Reihe von Jahren
anhalten muß . Eine solche Entwicklung würde selbstver­
ständlich als Teil eines sozialen Konsenses bereitwilliger
akzeptiert werden , wenn sich der Eindruck verstärken
würde , daß die Wirtschaft sich auf einem günstigeren
Wachstumspfad bewegt und mehr Arbeitsplätze schafft .
Dabei stellt sich die Frage einer unter Berücksichtigung des
geringen Anstiegs der Reallöhne angemessenen Entwicklung
der Nachfrage .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 20
31 . 12 . 85
SCHAUB LDER 11 UND 12
11 . Relative Vergütung von Arbeit und Kapital
( Konstante Preise — Index 1960 = 100 )
12. Rentabilität und Wachstum des Kapitalstocks
( Konstante Preise )
(') Einkommen aus unselbständiger Arbeit je beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich eines unterstellten
Arbeitseinkommens der Selbständigen , das gleich dem Einkommen der unselbständig Beschäftigten
ist .
( 2 ) Netto-Betriebsüberschuß ohne unterstellte Arbeitseinkommen der Selbständigen in Prozent des
Bruttokapitalstocks .
( 3 ) Relative Vergütung von Arbeit und Kapital = Arbeitseinkommen je Beschäftigten / Nettorentabilität
des Bruttokapitalstocks .
( 4 ) Gleitende Dreijahresdurchschnitte .
In diesem Zusammenhang spielen die technologische Inno­
vation und ganz allgemein die Zunahme des technischen
Fortschritts eine besonders wichtige Rolle . Es gibt heute
Anzeichen dafür , daß das Tempo des technischen Fort­
schritts in Europa in den siebziger Jahren nachgelassen hat .
Entgegen manchen Annahmen hat dies der Beschäftigungs­
situation eher geschadet als genützt . Während der Prozeß des
technischen Fortschritts zwangsläufig mit der Beseitigung
überholter Arbeitsplätze verbunden ist , schafft er auch neue
Arbeitsplätze in Industriezweigen , die die neuen Technolo­
gien entwickeln und anwenden . Manche der besonders
wichtigen technologischen Entwicklungen der letzten Zeit ,
z . B. in der Informationstechnologie , haben einen starken
kapitalsparenden und arbeitsplatzschaffenden Effekt . Tem­
po und Art des technischen Fortschritts hängen jedoch auch
Die Wirtschaftsstruktur ist allzusehr zugunsten kapitalinten­
sivierender und arbeitsparender Investitionen und zuungun­
sten kapazitätserweiternder Investitionen verzerrt worden.
Dies ist offenbar in nicht unbeträchtlichem Maße auf
unangemessene Tendenzen bei den relativen Faktorkosten
zurückzuführen, wobei die rückläufige Rentabilität mit
schwachen Gesamtinvestitionen und die steigenden Arbeits­
kosten mit stagnierender Beschäftigung einhergegangen sind.
Wenn die relativen Faktorkosten angemessener wären,
könnten fortgeschrittene Technologien durchaus dazu bei­
tragen, ein höheres gesamtwirtschaftliches Produktionspo­
tential- und Beschäftigungswachstum zu erreichen .
II . 4 . Löhne , Gewinne und Arbeitsplätze
von den relativen Faktorkosten ab . Wenn die Reallöhne im
Vergleich zur Rentabilität des Anlagekapitals zu stark stei­
gen , könnte man erwarten , daß Anreize für arbeitsparende
Innovationen geschaffen werden . Ein angemesseneres Ver­
hältnis zwischen den realten Arbeitskosten und der Rentabi­
lität des Anlagekapitals hilft , derartige Verzerrungen zu
vermeiden . Solange sich die Effizienz der Investitionen und
Arbeitsverfahren durch eine Weiterentwicklung des techni­
schen Wissenstands erhöht , wird es weniger notwendig sein ,
den Reallohnanstieg zu verlangsamen , um ein bestimmtes
Beschäftigungsziel zu erreichen .
Der EG-Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat im vergangenen
Jahr eine Untersuchung darüber abgeschlossen , ob sich die
Rentabilität des Anlagekapitals in der Gemeinschaft auf
einem angemessenen Niveau befindet (*).
Der Ausschuß hat festgestellt , daß der Ertrag des investierten
Kapitals , der der aussagekräftigste Indikator der Rentabilität
( 1 ) Ausschuß für Wirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaf­
ten , „Ertragslage und Rentabilität in der Gemeinschaft", Bericht
an Rat und Kommission , Mai 1985 .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
ist , in den sechziger und siebziger Jahren in der Gemeinschaft
zurückgegangen ist . Im Jahre 1984 dürfte sich der Nettoer­
trag des Nettokapitalstocks im EG-Durchschnitt auf 4,2 %
( Schaubild 14 ) gegenüber 11 % in den sechziger Jahren
Nr . L 377 / 21
natürlich schwerwiegende Probleme im Rahmen zentralisier­
ter Tarifverhandlungen . Das Problem eines angemessenen
Verhältnisses zwischen zentralisierten und dezentralisierten
dem war die — von Land zu Land unterschiedliche —
Verhandlungen ist eine wichtige Frage im Dialog zwischen
den Sozialpartnern . Hinweise auf die Bedeutung intersekto­
raler Reallohnflexibilität für die Schaffung von Arbeitsplät­
zen enthält eine kürzlich erschienene Studie ('). Solche
Beispiele sind zwar mit Vorsicht zu interpretieren ; fest steht
jedoch , daß in den EG-Ländern eine relativ geringe Real­
lohnflexibilität , sowohl intersektoral als auch im makroöko­
nomischen Durchschnitt , mit zunehmender Arbeitslosigkeit
einhergegangen ist .
Ertragserholung sehr schwach , wenn man sie mit den in
Zeiten rascheren Wachstums in Europa beobachteten Sach­
renditen vergleicht .
Äußerst wichtig ist , daß ein breiterer Konsens darüber erzielt
belaufen haben ( auf der Basis der Definitionen , die in
Schaubild 14 angewandt wurden ). In den letzten Jahren ist
der Ertragsrückgang offenbar aber zum Stillstand gekom­
men , da die Zuwachsrate der Reallöhne im Zeitraum
1983— 1985 auf 1 % im Jahresdurchschnitt zurückging ,
während sie im Zeitraum 1974— 1982 noch 2,1 % und im
Zeitraum 1961 — 1973 noch 4,4 % betragen hatte . Trotz­
Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen ist in Europa
wieder in die Nähe seines zu Beginn der siebziger Jahre
registrierten Standes zurückgegangen , während der Anteil
der Gewinne entsprechend gestiegen ist . Diese Änderung in
der Einkommensverteilung spiegelt jedoch gerade nur den
Wandel im Einsatzverhältnis von Kapital und Arbeit wider .
Hieraus erklärt sich , warum der Ertrag des Sachkapitals
kaum gestiegen ist und warum in Europa folglich noch
immer ein Rentabilitätsproblem existiert .
Bei der Messung der Rentabilität des Anlagekapitals beste­
hen zwar große statistische Schwierigkeiten . Es stehen jedoch
einige andere Kriterien zur Beurteilung des Gewinn- und
Lohnniveaus zur Verfügung , vor allem im Hinblick auf die
Investitions- und Beschäftigungslage einer Volkswirtschaft .
Ein schneller Reallohnanstieg in den siebziger Jahren hat zu
einer Investitionsschwäche , verbunden mit einer ungünstigen
Struktur der Investitionen , beigetragen .
In der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten ist die
Rentabilität des Anlagekapitals in den meisten Sektoren nach
Ansicht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik vermutlich
noch immer zu niedrig , als daß man eine ausreichende
Zunahme der Investitionen und der Beschäftigung erwarten
könnte . Anhaltende Lohnmäßigung kombiniert mit ange­
messenem Nachfragewachstum würde natürlich den
gewünschten Gesamtanstieg der Rentabilität bewirken .
Dänemark liefert zur Zeit ein Beispiel dafür , daß Beschäfti­
gung und Investitionstätigkeit auf Reallohnmäßigung und
deutlich höhere Rentabilität sehr positiv reagieren , wobei —
in einer kleinen offenen Volkswirtschaft — der Exportan­
stieg den notwendigen Nachfrageimpuls lieferte .
wird , wie diese schwierigen Probleme von Löhnen , Gewin­
nen und Beschäftigung in den nächsten Jahren in der
Gemeinschaft zu behandeln sind . Die europäischen Länder
müssen zweifellos Lösungen finden , die auf ihre spezifischen
politischen und sozialen Traditionen zugeschnitten sind ,
dabei aber gleichzeitig die Faktoren berücksichtigen , die
anderswo Erfolge im Beschäftigungsbereich ermöglicht
haben . In diesem Zusammenhang könnten neue Methoden
der Lohnfestsetzung untersucht werden , beispielsweise eine
stärkere Berücksichtigung gewinn-, bonus- oder leistungsbe­
zogener Lohnkomponenten . In einem Lohnsystem , das
einige dieser Merkmale aufwiese , hätten die Arbeitnehmer
eine gewisse Garantie dafür, daß das Pendel nicht übermäßig
zugunsten der Erträge der Anteilseigner ausschlägt . Außer­
dem wären Arbeitgeber angesichts flexiblerer Arbeitskosten
eher bereit , mehr Arbeitskräfte einzustellen . In Anbetracht
der Tatsache , daß die Investitionen und die Rentabilität eine
Zeitlang zunehmen müssen , könnte es auch von Nutzen sein ,
wenn die Arbeitnehmer in größerem Umfang an der Kapi­
talbildung beteiligt würden .
Mit Hilfe einer Lohnmäßigung konnte in den letzten Jahren
der Rückgang der Rentabilität des Anlagekapitals zum
Stillstand gebracht werden . Für ein stärkeres Investitions­
und Beschäftigungswachstum ist die Rentabilität trotzdem
immer noch zu niedrig. Die Reallohnflexibilität ist in der EG
sowohl im makroökonomischen Durchschnitt als auch zwi­
Eine Anpassung wäre deshalb einige Jahre lang angezeigt . So
könnte es durchaus notwendig sein , daß die Reallöhne auch
in den nächsten Jahren nur sehr schwach ansteigen , so daß sie
unter dem Anstieg der Arbeitsproduktivität liegen . Diese
Entwicklung sollte sich so lange fortsetzen bis die Arbeitslo­
sigkeit deutlich gefallen ist . Dies müßte jedoch durch eine
geeignete Nachfragepolitik begleitet werden und zunehmend
von privaten Investitionen getragen werden .
schen den einzelnen Sektoren ebenfalls recht gering, und dies
steht offensichtlich im Zusammenhang mit der schwachen
Beschäftigungsneigung der Wirtschaft. Deshalb muß die in
den meisten Mitgliedstaaten seit etwa vier Jahren zu verzeich­
nende Reallohnmäßigung noch einige Jahre lang beibehalten
werden, bis sich die Arbeitslosigkeit wesentlich und anhal­
tend vermindert hat. Die Unternehmen müßten ihrerseits
sicherstellen, daß die notwendigen Investitionen erfolgen . Im
Rahmen dieser Konzertierung zwischen den Sozialpartnern
sind inbesonderefolgende Problemkreise zu behandeln: i) die
Ausgestaltung von Nachfragepolitiken der Regierungen, die
mit den langsamen Anstieg der Reallöhne einhergeht; ii) die
Entscheidung in bezug auf das Tempo der Anpassung der
relativen Faktorpreise und der Erreichung der Beschäfti­
gungsziele; iii) die Möglichkeit neuer Arten der Lohnfin­
dung, die rascher zu einem hohen Beschäftigungsstand
führen .
Eine wichtige Rolle bei der Ausweitung der Beschäftigung
spielt auch die Frage der Lohndifferenzierung und der
Flexibilität in der Reallohnentwicklung . Hierbei stellen sich
( 1 ) Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick­
lung ( OECD ), „Labour market flexibility and external price
shocks", ESD Working Paper No . 24 , September 1985 .
Nr . L 377 / 22
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
II . 5 . Eine kooperative mittelfristige Wachstumsstrategie
Bisher wurde in diesem Abschnitt des Berichts versucht ,
Bausteine für eine Strategie zu entwickeln , die ein kräftiges
und beschäftigungswirksames Wachstum ermöglichen soll .
Das Fazit aus diesen Überlegungen lautet , daß ein solches
Ergebnis in hohem Maße von einigen wenigen , aber beson­
ders bedeutsamen Voraussetzungen abhängt , die in eine
kooperative Strategie eingebettet werden müssen . In diesem
Zusammenhang sind die von verschiedenen Seiten zu leisten­
den Beiträge zur Verbesserung der Rentabilität des Anlage­
kapitals und zur Stützung der gesamtwirtschaftlichen Nach­
frage besonders zu betonen . Nur so können die Investitionen
realisiert werden , die für ein beschäftigungswirksameres
Wachstum notwendig sind .
Im Rahmen dieses kooperativen Ansatzes muß die Mäßigung
des Anstiegs der realen Arbeitskosten , die — nach einer
Periode starker Erhöhungen — in den letzten Jahren in den
meisten Ländern eingetreten ist , weiter fortgesetzt werden .
Die Länder , die diese Lohnmäßigung noch nicht im erfor­
derlichen Ausmaß erreicht haben , müssen sich darum bemü­
hen . Im Zusammenhang hiermit ist es notwendig , daß sich
die relative Vergütung von Arbeit und Kapital ausgewogen
entwickelt . Mittelfristig gesehen wird ein Rückgang der
Arbeitskosten im Vergleich zur Nettorentabilität des Anla­
gekapitals allmählich die Zusammensetzung der Investitio­
nen verändern und so die — heute für übertrieben gehaltene
— Tendenz zur Kapitalintensivierung und Freisetzung von
Arbeitskräften umkehren .
Auf kürzere Sicht wird ein gemäßigter Anstieg der Reallöhne
tendenziell die Rentabilität der Unternehmen erhöhen . Da
die Lohneinkommen einen derart großen Teil des inländi­
schen Gesamteinkommens ausmachen , wird dies jedoch
wahrscheinlich einen gewissen restriktiven Effekt auf die
Nachfrage haben . Angesichts einer Ausgangssituation , in der
bereits einige Kapazitätsengpässe erkennbar werden , ist der
Zusammenhang zwischen der erwarteten künftigen Rentabi­
lität der Investitionen und der Ausgaben der Unternehmen
für kapazitätserweiternde Neuinvestitionen von Bedeutung .
In dem Umfang , in dem sich jedoch die Nachfrage im Zuge
der Lohnmäßigung mehr abschwächt als die Unternehmen
aus höheren Gewinnen mehr investieren , sind Maßnahmen
der Regierungen zur Stützung der gesamtwirtschaftlichen
Nachfrage erforderlich , um den erwünschten Beschäfti­
gungseffekt zu erreichen .
Eine entscheidende Rolle spielt die Art und Weise , wie der
Arbeitsmarkt reagieren wird . Hier zeigt sich , daß die Anpas­
sungsfähigkeit und das Funktionieren der Arbeitsmärkte in
Europa Probleme aufwerfen . Die Dauer der Beschäftigungs­
verhältnisse und die Kündigungsbedingungen , eine flexiblere
Ausgestaltung der Arbeitszeit , eine angemessene Berufsaus­
bildung , eine Lohndifferenzierung , die den Erfordernissen
des Arbeitsmarktes in verschiedenen Sektoren , Regionen und
Qualifikationen gerecht wird , und der Anstieg der Lohn­
nebenkosten müssen mit dem Ziel überdacht werden , den
Arbeitsmarkt effizienter zu gestalten ohne den sozialen
Schutz der Arbeitnehmer in Frage zu stellen .
Die obengenannten Elemente bilden den Kern des Ansatzes .
Ein wichtiges Charakteristikum ist dabei , daß die Gesamt­
nachfrage eine wichtige unterstützende Aufgabe im Wachs­
tumsprozeß hat , ihn jedoch nicht anführt .
31 . 12 . 85
Die Umsetzung dieser Wachstumsstrategie erfordert zu­
nächst Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Gewerk­
schaften darüber , daß die in letzter Zeit verzeichnete Mäßi­
gung der Reallöhne solange beizubehalten ist , bis die Arbeits­
losigkeit deutlich abgenommen hat. Im Zusammenhang mit
dem Komplex Löhne-Gewinne-Investitionen-Beschäftigung
wäre zu prüfen , ob eine flexiblere und höhere gewinnbezo­
gene Lohnkomponente hilfreich sein könnte . Dies würde zur
Förderung der Beschäftigung insofern beitragen , als die
Arbeitskosten dann in geringerem Maße Fixkosten wären .
Auch würde in der gegenwärtigen Lage eine Vergrößerung
der Selbstfinanzierungsmöglichkeiten die Belebung der Inve­
stitionen fördern .
Die Gemeinschaft könnte einer kooperativen Strategie
dadurch Impulse verleihen , daß sie Maßnahmen zur Verbes­
serung der Angebotsseite einleitet , was gleichzeitig auch
Nachfrageeffekte hätte . Dies könnte in Initiativen für neue
Entscheidungsverfahren bestehen , um die Vollendung des
Binnenmarktes zu beschleunigen , in der Entwicklung eines
Programms europäischer Infrastruktur- und Umweltschutz­
vorhaben , in raschen Fortschritten bei der vorgeschlagenen
Europäischen Technologiegemeinschaft und Initiativen zur
Eröffnung einer neuen Runde zum Allgemeinen Zoll- und
Handelsabkommen ( GATT ), um die Liberalisierung des
Handels voranzutreiben . Ein rascher Abbau spezifischer
Branchensubventionen und innergemeinschaftlicher Schutz­
maßnahmen seitens der Regierungen würde die Möglichkeit
von Steuersenkungen eröffnen . Von den Arbeitgeberverbän­
den würde eine positive Reaktion auf diese Maßnahmen
erwartet . Die Arbeitgeberverbände könnten auch dafür
sorgen , daß eine Reihe bedeutender europäischer Infrastruk­
turvorhaben und eine beschleunigte Öffnung des europäi­
schen Binnenmarktes vom privaten Sektor unterstützt wird .
Sie könnten sich dazu verpflichten , ihre Investitions- und
Beschäftigungspläne im Hinblick auf die erwartete Trend­
veränderung in der Lohn / Gewinn-Relation bei den sich
verstärkt bietenden Marktchancen vordringlich anzupas­
sen .
Auf der Nachfrageseite würde von den Regierungen die
Aufrechterhaltung eines mittelfristig ausreichenden Nachfra­
geniveaus erwartet , damit das Angebot reagiert , vor allem
durch Schaffung neuer Arbeitsplätze . Sollte sich die Nach­
frage , z . B. wegen der vorgeschlagenen Lohnmäßigung oder
internationaler Preis- oder Nachfrageschocks , abschwächen ,
dann könnten die Regierungen Spielraum für wirtschaftspo­
litische Maßnahmen ausschöpfen . Im Jahre 1986 könnte eine
kooperative Strategie in der Form eingeleitet werden , daß,
wo dies möglich ist , öffentliche Infrastrukturprogramme und
Steuersenkungen vorgezogen werden , während man sich
weitere steuerliche Maßnahmen je nach den Fortschritten ,
die mit der Gesamtstrategie erzielt werden , für 1987 und
1988 vorbehalten könnte .
Die makroökonomischen Effekte, die von der hier skizzier­
ten Politik erwartet werden , lassen sich kurz anhand einer
stilisierten Modellsimulation zusammenfassen , wie sie in
Abschnitt II . 1 bereits vorgestellt wurde .
Hier wurde ein „ kooperatives Wachstumsszenarium " formu­
liert , bei dem davon ausgegangen wird , daß die Gemein­
schaftsländer gemeinsam eine stetige Lohnmäßigungspolitik
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
betreiben . In der Simulation wird bezüglich der Geld- und
Finanzpolitik unterstellt , daß die nominale Gesamtnachfrage
in der Nähe ihres ursprünglichen Basiswachstumspfads
gehalten wird . Eine Verringerung der Inflation und der
Lohnkosten trägt zu einem schnelleren Anstieg der realen
Geldmenge bei . Was das internationale Umfeld betrifft , so
wird angenommen , daß die Vereinigten Staaten ihr Haus­
haltsdefizit verringern und daß Japan und die übrige Welt
einige kompensierende expansive Maßnahmen ergreifen .
Das Vorgehen der Vereinigten Staaten ermöglicht insbeson­
dere in Europa eine Senkung der Nominal- und Realzinsen ,
die den privaten Investitionen direkt Impulse verleiht und
gleichzeitig die Last des öffentlichen Schuldendienstes ver­
mindert . Eine gemäßigte Ausweitung der öffentlichen Inve­
stitionen und gewisse Steuersenkungen werden ( vor allem
dank des Effekts , den ein kräftigeres Wachstum auf die
Haushaltseinnahmen hat , und angesichts niedrigerer Zinsen )
mit einer angemessenen Begrenzung der Haushaltsdefizite
vereinbar . Im Falle einer ungünstigeren Annahme bezüglich
des internationalen Umfeldes werden zusätzlich nachfrage­
stützende Maßnahmen notwendig, um die gewünschte Ver­
ringerung der Arbeitslosigkeit zu erreichen .
Die Ergebnisse einer solchen , intern und international koor­
dinierten Strategie werden in der dritten Spalte in Tabelle 7
sowie in Schaubild 13 dargestellt .
Sie führt zu dem wesentlichen Ergebnis , daß bei ihrer
Realisierung in den Jahren 1986 bis 1990 mit einer gesamt­
wirtschaftlichen Wachstumsrate von 3,5 % zu rechnen ist
Nr . L 377 / 23
Die Arbeitsproduktivität steigt im Durchschnitt nur wenig
rascher als in der Basishypothese , obwohl sich das Wachstum
viel stärker , nämlich von 2,5 auf 3,5 % beschleunigt . Dies
liegt an einer schrittweisen , aber umfassenden Verschiebung
im Einsatzverhältnis von Arbeit und Kapital in der Volks­
wirtschaft . Ein schnelleres Wachstum und eine schrittweise
Veränderung im Arbeit / Kapital-Einsatzverhältnis bewirken
eine Zunahme der Beschäftigung und einen Rückgang der
Arbeitslosigkeit .
Die
makroökonomischen
Modellsimulationen
beziehen
weder die detaillierten sektoralen Entwicklungen der Pro­
duktivität ein , noch beschreiben sie diese. Ein solcher Anstieg
der Produktivität wird jedoch möglicherweise wie folgt
aussehen : Bei denjenigen , die bereits einen Arbeitsplatz
haben , kann man davon ausgehen , daß sie über angemessene
Fertigkeiten verfügen . Ihre Produktivität ist also hoch , und
sie könnte in Verbindung mit den erwarteten neuen Investi­
tionen durchaus noch steigen . Von denjenigen , die erst einen
Arbeitsplatz erhalten , werden die jüngeren weitgehend
unqualifiziert sein und eine Ausbildungszeit benötigen . Wäh­
rend dieser Zeit wird ihr Produktivitätsbeitrag zweifellos
niedrig sein . Das gleiche gilt für Langzeitarbeitslose .
Zusammenfassend ergibt sich also aus dieser Simulation: Die
europäische Wirtschaft könnte beim Erfüllen der Ausgangs­
bedingungen auf einen Wachstumspfad gebracht werden ,
der einige Merkmale eines „circulus virtuosus" aufweist .
Gestiegene Rentabilität und Nachfragestützung führen zu
und daß dabei die Beschäftigung durchschnittlich um 1,1 %
pro Jahr zunimmt . Im letzten Projektionsjahr ergibt sich ein
Wirtschaftswachstum von 3,5 % und die Beschäftigung
steigt um 1,5 % . Dies reduziert die Arbeitslosenquote im
Jahre 1990 auf 7 % . Diese Entwicklung kann über das Jahr
1990 hinaus anhalten und eröffnet somit die Perspektive
einer weiteren substantiellen Verringerung der Arbeitslosig­
einem Wachstum von Investitionen und Produktion , das
ausreichend neue Arbeitsplätze schafft , um die Arbeitslosig­
keit zu reduzieren . Stärkeres Wachstum , höhere Beschäfti­
keit .
nehmen zinssenkend wirkt .
Die unterstellte Politik einer von der Nachfrageseite her
unterstützten Lohnzurückhaltung senkt die Inflationsrate
und erhöht die Unternehmensrentabilität . Dies wiederum
läßt die privaten Investitionen durchschnittlich mit über
6,5 % wachsen ; dieser Anstieg reicht über den Simulations­
zeitraum hin aus , Kapazitätsengpässe zu vermeiden . Das
Defizit der öffentlichen Haushalte , gemessen in Prozent des
BIP , unterscheidet sich wenig von dem der Basishypo­
these .
Berücksichtigt man den spürbaren Anstieg der Produktions­
kapazität während dieser Anpassungsphase , so ist die durch­
schnittliche Wachstumsrate von 3,5 % keinesfalls als beson­
ders hoch anzusehen .
gung und geringere Arbeitslosigkeit tragen ihrerseits über
höhere Einnahmen und geringere rezessionsbedingte Ausga­
ben zum Abbau öffentlicher Defizite bei , was wiederum in
Verbindung mit einer höheren Eigenfinanzierung der Unter­
Schließlich gibt es noch eine Reihe anderer Faktoren , die in
dem Szenarium nicht enthalten sind , die aber eine weitere
Steigerung der Wirtschaftsleistung bewirken könnten . Hier­
zu gehören verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der
Angebotsseite , die in den letzten Jahren in vielen Ländern
getroffen worden sind , allerdings erst nach langer Zeit
Früchte tragen . Eine verbesserte Anpassungsfähigkeit des
Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung einer kostenneutra­
len Umgestaltung und Verkürzung der Arbeitszeit sowie eine
beschleunigte Verwirklichung- des EG-Binnenmarktes , wie
sie jetzt vorgeschlagen wird , würde das Beschäftigungs­
wachstum erhöhen . Ferner könnten niedrigere Olpreise
( siehe Abschnitt 1.3 ) die globale Wirtschaftstätigkeit ganz
allgemein günstig beeinflussen .
Nr . L 377 / 24
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
SCHAUBILD 13
Illustrative Größenordnungen einer Basishypothese und alternativer wirtschaftspolitischer Strategien , EG
insgesamt , 1985 - 1990
BIP , real
BIP-Deflator
BIP , nominal
Arbeitslosenquote
31 . 12 . 85
Nr . L 377 / 25
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
SCHAUBILD 13 (Fortsetzung)
Haushaltsdefizit
Langfristige Zinsen
Investitionsquote ( Brutto ) (')
Reallohn pro Kopf ( jährliche Wachstumsraten )
( 1 ; In v . H. des BIP zu Marktpreisen .
Quelle: Eurostat , Kommissionsdienststellen .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 26
Der Erfolg der Strategie hängt somit in starkem Maße von
einem sich gegenseitig abstützenden Vorgehen der wichtig­
sten Partner — Arbeitgeber , Gewerkschaften und Regierun­
gen — ab . Erforderlich ist die Bereitschaft , dafür zu sorgen ,
daß einerseits die gewünschte Angebotsreaktion eintritt und
andererseits die nominale Nachfrage ausreicht , um dieses
Angebot aufzunehmen .
Den Sozialpartnern und den Regierungen wird eine Strategie
zur Diskussion vorgeschlagen, die darauf abzielt, die
Beschäftigungszunahme mittelfristig wesentlich zu steigern
und die Arbeitslosigkeit erheblich zu vermindern . Wird diese
Strategie verfolgt, dann wäre es denkbar, daß die Arbeits­
losigkeit bis 1 990 auf etwa 7 % zurückgeht. In diesem Fall
31 . 12 . 85
würde sich auch die gesamtwirtschaftliche Produktion
beträchtlich erhöhen. Die Schlüsselfaktoren, nämlich eine
zeitweise Mäßigung der realen Arbeitskosten, die Flexibilität
der relativen Faktorkosten und eine Unterstützung der
nominalen Nachfrage, sind in hohem Grade interdependent.
In vielen Bereichen werden aber auch umfangreiche Verbes­
serungen in der Funktionsweise der Arbeits-, Waren-,
Dienstleistungs- und Kapitalmärkte und insbesondere am
EG-Binnenmarkt einen wichtigen Beitrag leisten. Die Basis
für Realisierung, Erfolg und Glaubwürdigkeit der Anpas­
sungsstrategie bildetjedoch die Bereitschaft aller Beteiligten,
dafür zu sorgen, daß die notwendigen Voraussetzungen
gegeben sind. Vorgesehen ist eine schrittweise Verwirk­
lichung, die 1986 beginnen und sich über mehrere Jahre
erstrecken soll.
III . WIRTSCHAFTSPOLITIK IM RAHMEN EINER KOOPERATIVEN WACHSTUMS­
STRATEGIE
III . 1 . Öffentliche Finanzen
Jahre 1985 von etwa 55 % in Dänemark -und den Nieder­
landen bis zu 41 % im Vereinigten Königreich und 35 % in
III . 1.1 . Der öffentliche Sektor
Griechenland .
Der letztjährige Jahreswirtschaftsbericht sprach sich dafür
aus , das Anwachsen des Anteils der öffentlichen Ausgaben
und Steuern am Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen
Gemeinschaft umzukehren . Jüngste Schätzungen der Kom­
mission deuten darauf hin , daß sich der bisherige Trend
nunmehr abflacht , wenn nicht sogar umkehrt . Für 1 986 wird
mit einem Anstieg der realen Staatsausgaben um weniger als
1 % gerechnet . Der Anteil der gesamten öffentlichen Ausga­
ben am BIP wird in der EG den Schätzungen zufolge zunächst
von 51,9 % im Jahre 1984 auf 51,5 % im Jahre 1985 leicht
Die langfristigen Zusammenhänge zwischen dem Umfang
der öffentlichen Ausgaben sowie den Steuern , dem Wirt­
schaftswachstum und der Beschäftigung sind äußerst kom­
plex , doch können drei Kausalzusammenhänge unterschie­
den werden, die potentielle Gefahren für die Wirtschaftsent­
wicklung darstellen .
und 1986 deutlicher auf 50,8 % sinken . Dabei dürfte die
kostet , und dem , was dieser Arbeitnehmer schließlich als
Nettoeinkommen erhält . Höhere Arbeitskosten verringern
tendenziell die Nachfrage nach Arbeitskräften und damit die
Beschäftigung in der Privatwirtschaft . Soweit niedrigere
Nettoeinkommen die Lohnempfänger veranlassen , zum Aus­
gleich hierfür höhere Löhne zu fordern , entsteht außerdem
Gesamtsteuerbelastung ebenfalls zurückgehen , wenn auch
aufgrund budgetärer Überlegungen ( Haushaltskonsolidie­
rung) nur geringfügig . Die Abgabenquote erreichte 1984
insgesamt 46,4 % ; für 1985 wird eine Ziffer von 46,3 % und
für 1986 von 46,0 % erwartet .
Mit steigender steuerlicher Belastung der Arbeitseinkommen
vergrößert sich auch der Unterschied oder die „Kluft"
zwischen dem , was ein Arbeitnehmer die Unternehmen
ein inflationärer Druck . Dies verschlechtert wiederum die
Wegen der institutionellen Unterschiede in Struktur und
Umfang des öffentlichen Sektors sind solche stark aggregier­
ten Daten mit Vorsicht zu interpretieren , zumal bei Länder­
vergleichen . In Tabelle 8 werden einige Globalgrößen für die
EG und die USA gegenübergestellt ; sie zeigen sowohl
Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zwischen den beiden
Wirtschaftsräumen . So machen beispielsweise die Ver­
brauchsausgaben des Staates in beiden Fällen etwa 19 % des
BIP aus . Auch die direkte Einkommensteuerbelastung ist mit
etwa 13,5 % des BIP ähnlich . Das höhere Niveau der
öffentlichen Investitionen in Europa ist zweifellos Aus­
druck einer stärkeren staatlichen Beteiligung bei bestimm­
ten Dienstleistungen , zum Beispiel im Verkehrs- und
Gesundheitswesen . Auffällige Unterschiede bestehen in der
Größenordnung der laufenden Übertragungen des Staates ,
was den größeren Anteil des Staates im Gesundheitswesen
und in der sozialen Sicherung widerspiegelt . Die Beiträge zur
Sozialversicherung sind deshalb in Europa als Prozent des
BIP entsprechend höher als in den USA . Hinter der durch­
schnittlichen Abgabenbelastung in der Gemeinschaft ver­
birgt sich allerdings ein weites Spektrum : Es reichte z . B. im
Beschäftigungsaussichten weiter , wenn diese Inflation
bekämpft werden muß . Die höhere Besteuerung der Lohn­
einkommen erklärt unter anderem auch den stärkeren
Anstieg der Arbeitskosten verglichen mit den Kapitalkosten
und folglich die in den siebziger Jahren beobachtete Verschie­
bung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit zugun­
sten des Kapitals , von der in diesem Bericht bereits die Rede
war . Diese „Kluft" hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten in
den meisten europäischen Ländern im Vergleich zur Ent­
wicklung in den Vereinigten Staaten und Japan stark vergrö­
ßert : So erhöhte sich beispielsweise der Unterschied zwischen
Brutto- und Nettolöhnen , ausgedrückt als Prozentsatz der
Nettolöhne, in den vier größeren EG-Ländern in den Jahren
von 1960 bis 1983 durchschnittlich von 36 auf 60 % , in den
Vereinigten Staaten in der gleichen Zeit jedoch nur von
29 auf 37% .
Ein zweiter Kausalzusammenhang hängt mit der Leistungs­
fähigkeit und dem Wert der öffentlichen Dienstleistungen
und Übertragungen zusammen . Sind die Arbeitnehmer mit
dem Gegenwert der öffentlichen Dienstleistungen und Über­
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
Nr . L 377 / 27
gert , wird das Wachstum des Produktionspotentials redu­
tragungen in etwa zufrieden , so sind sie eher bereit , die damit
verbundene steuerliche Belastung hinzunehmen . Ineffiziente
und über Gebühr ausgedehnte Transfersysteme untergraben
allerdings einen solchen Konsens und führen damit zu einem
höheren Lohndruck mit negativen Auswirkungen auf
Wachstum und Beschäftigung.
ziert .
Sind auch der zeitliche Ablauf und die Art der endgültigen
Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähig­
keit höchst ungewiß , so spricht doch einiges dafür , daß das
rasche Anwachsen der öffentlichen Ausgaben und die Ver­
änderungen in der Zusammensetzung der Ausgaben in
Europa zusammen mit der Entwicklung der Steuerlast die
Wirtschaftsentwicklung längerfristig durchaus nachteilig
Ein dritter Kausalzusammenhang besteht , wenn die laufen­
den öffentlichen Ausgaben eher durch Schuldenaufnahme als
durch Steuern finanziert werden . Dabei sollte , bei der
gegebenen Notwendigkeit eine antiinflationäre Politik mit
makroökonomischen Mitteln zu verfolgen , eine monetäre
Finanzierung nicht erfolgen . Die Wirtschaftsentwicklung
beeinflußt hat . Daß sich manche dieser Tendenzen in der
Gemeinschaft allmählich wieder umkehren , zeigt , daß man
diese Zusammenhänge erkennt . Dieser Prozeß sollte weiter
gefördert werden .
würde dann insbesondere durch höhere Zinsen beeinträch­
tigt werden . Insoweit dies die privaten Investitionen verrin­
TABELLE 8
Umfang und Struktur der Staatsausgaben und -einnahmen sowie der Staatsverschuldung in den USA und
der EG
(in % oder % des BIP)
Vereinigte Staaten
von Amerika
1970
1982
Europäische Gemeinschaft
1970
1982
1985
A. Staatsausgaben, insgesamt
32.8
37,6
37,9
51.2
51,7
1 . Staatliche Investitionen
2,5
1,5
4,2
3,0
2,8
- 0,5
- 0,3
0,8
1,0
1,1
19,2
18.7
15,3
19.3
19,2
4 . Subventionen
0,5
0,5
1,8
2,3
2,4
5 . Zinszahlungen
2,3
4,5
2,0
4.7
5,3
6 . Laufende Übertragungen
8,3
12,4
13.8
20,9
20,9
B. Staatseinnahmen, insgesamt
31,0
33,6
38.2
45,8
46.5
9,5
8,5
13,9
13,5
13,7
13.9
13,6
10.3
13,0
13,4
4,7
6,8
11,0
15.4
15.6
2,9
4,7
2,9
3,8
3,8
2 . Netto-Vermögensübertragungen
3 . Staatlicher Verbrauch , insgesamt
1 . Indirekte Steuern
2 . Direkte Steuern
3 . Sozialversicherungsbeiträge
4 . Sonstige laufende Einnahmen
1971
C. Staatsverschuldung
1 . Bruttostaatsverschuldung
2 . Nettostaatsverschuldung
26 , 1 (»)
1982
28,5 (1 )
1971
1982
1985
47,8
57,5
64.3
14,7 (2 )
26,3 0 )
33.4
D. Anteil des Staates an der
Gesamtbeschäftigung ( % )
E. Finanzierungssaldo des Staates
(in % des BIP) P
18,1
16,7
13,7
17,5
1,8
- 3,9
0,3
- 5,6
-
- 5,3
0 ) Bundesregierung .
0 ) Durchschnitt für EUR 5 ( D , F , I , UK , DK ).
( 3 ) Geschätzter Saldo für 1985 für die USA : — 3,7 % des BIP .
Es ist anzunehmen, daß die wirtschaftliche Leistungsfähig­
keit sowohl vom Umfang als auch von der Struktur des
öffentlichen Sektors beeinflußt wird. Unerwünschte Folgen
können sich aus dem Unterschied zwischen Brutto - und
Nettoeinkommen, einer nachlassenden sozialen Akzeptanz
der Steuerbelastung und den Auswirkungen der öffentlichen
Verschuldung auf die Investitionen ergeben . Es gibt Anzei­
chen dafür, das es sich hierbei um reale Probleme handelt.
Daß sich diese Tendenzen allmählich umkehren, ist zu
begrüßen .
III . 1.2 . Steuerpolitik im Dienst des Wirtschaftswachstums
Die Steuerpolitik kann auf verschiedene Weise zu einer
Strategie stärkeren und beschäftigungswirksameren Wachs­
tums beitragen .
Hierbei stellt sich die Frage , ob eine solche Strategie durch
zusätzliche Investitionsanreize und -Subventionen gefördert
werden könnte . Diese Frage wurde im letzten Jahr in den
Nr . L 377 / 28
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
zuständigen Gremien der Gemeinschaft ausführlich erörtert .
Zölle oder Steuern auf Ölprodukte würde nichtsdestoweni­
Nach vorherrschender Meinung ist der Versuch , Wachstum
durch vermehrte spezifische Investitionsbeihilfen anzuregen ,
ger zu einer größeren Flexibilität in den öffentlichen Haus­
halten beitragen und somit den Spielraum für eine Beschäf­
tigungspolitik und Investitionsstrategie , wie sie hier vorge­
schlagen wird , schaffen .
eher enttäuschend verlaufen . Zwar ist heute ein starker
Investitionsschub als Teil der Wachstumsstrategie erforder­
lich , doch neigt man eher zu der Ansicht , daß eine Investi­
tionssteigerung mittels spezifischer Investitionsanreize die
Gefahr einer Verstärkung der Tendenz zu kapitalintensiven
und arbeitskräftesparenden Investitionen heraufbeschwört .
Aufgrund der schlechten Beschäftigungslage in Europa kann
es notwendig sein , auf breiter Basis bessere Voraussetzungen
für die Wirtschaftsexpansion zu schaffen . Mögliche Steuer­
erleichterungen sollten daher in erster Linie zur Senkung der
Arbeitskosten genutzt werden , um so die Rentabilität der
privaten Investitionen zu steigern , damit ein ausgewogeneres
Verhältnis zwischen arbeitsintensiven und arbeitskräftespa­
renden Investitionen erreicht wird .
Hiermit hängt die Frage zusammen , ob raschere Fortschritte
bei der Kürzung sowohl der Subventionen als auch der
Steuern in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen gemacht
werden könnten , sofern das Haushaltsdefizit des Staates dies
zuläßt . Einige überzeugende Gründe sprechen dafür . So
würde dies dazu beitragen , Mittel aus den stagnierenden oder
schrumpfenden Wirtschaftszweigen in produktivere und
wachsende Wirtschaftszweige umzulenken . In diesem
Bereich hat die Europäische Gemeinschaft selbst eine
beträchtliche Verantwortung — in der Wettbewerbspolitik
im allgemeinen sowie in einigen Sektoren im besonderen
( siehe weiter unten Abschnitte über Landwirtschaft , Stahl
und Schiffbau ). Eine sich gegenseitig verstärkende Aktion
von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten ist nötig , um eine
Reihe von Steuern und ausgewählte Subventionen rasch zu
verringern und so der Wirtschaftsstrategie ein weiteres
dynamisches Element hinzufügen zu können .
Ähnliche Vorstellungen — jedoch eindeutig im Rahmen
einzelstaatlicher Zuständigkeit — sind in bestimmten Steuer­
reformansätzen zu erkennen . Beispiele hierfür gibt es zur Zeit
im Vereinigten Königreich , in Dänemark und anderen
Ländern . Hierbei wird erwogen , die vorhandenen
Steuersysteme durch Streichung zahlreicher Steuerabzüge
Die Steuerpolitik kann auf verschiedene Weise zu einer
Strategie für stärkeres und beschäftigungswirksameres
Wachstum beitragen : i) durch Verlagerung des Schwerpunk­
tes weg von spezifischen steuerlichen Investitionsanreizen,
was zur Förderung von Beschäftigung und Unternehmens­
rentabilität beitragen wird; ii) durch Einschränkung indu­
striespezifischer Subventionen, gekoppelt mit allgemeinen
Steuersenkungen; iii) durch Senkung anderer spezifischer
Steuerabzüge in Verbindung mit niedrigeren Steuersätzen;
iv) im Falle sinkender Energiepreise könnten höhere Zölle
oder Steuern auf Energieprodukte Spielraum für beschäfti­
gungswirksame Maßnahmen schaffen .
III . 1.3 . Die Bedeutung der Staatsverschuldung
Schwankungen der Haushaltsdefizite und der Staatsverschul­
dung können erhebliche Auswirkungen auf die Angebots­
und Nachfragebedingungen der Wirtschaft haben . Diese
Effekte sind jedoch nicht ohne weiteres zu definieren .
Steigende Staatsverschuldung führt tendenziell zu einer
Erhöhung der Zinsen und — bei unveränderten sonstigen
Bedingungen — zu einem Druck auf die privaten Investitio­
nen . Dieser Zinseffekt ist jedoch nicht unbedingt ausschlag­
gebend , da unter bestimmten Voraussetzungen Schwankun­
gen des Haushaltsdefizits sogar einen positiven Beitrag zum
Wirtschaftswachstum leisten können . Führt eine geeignete
Wirtschaftspolitik zu einer Vergrößerung des gesamtwirt­
schaftlichen Produktionspotentials, so kann ein zeitweiser
Anstieg der Kreditaufnahme die Nachfrage in einer Weise
steigern , die in etwa der vermehrten Steuerkraft der Volks­
wirtschaft entspricht . In diesem Fall wächst die strukturelle
öffentliche Verschuldung — ausgedrückt etwa als mittelfri­
stiger Wert der Staatsschuld in Prozent des BIP — unter
Umständen nicht an .
und -vorteile insbesondere bei der Einkommensteuer zu
vereinfachen , so daß die Basissteuersätze einnahmenneutral
gesenkt werden können . Dadurch wird auf den Märkten eine
preiseffizientere Ressourcenallokation gefördert . Auf diese
Weise wird auch ein Beitrag zur Vermeidung von Verzerrun­
gen geleistet , wie sie im letzten Jahrzehnt nur allzu deutlich zu
erkennen waren .
Welches Ausmaß an Staatsverschuldung als angemessen
betrachtet werden könnte , hängt in hohem Maße von den
jeweiligen wirtschaftlichen Umständen ab . Bei einer sehr
hohen Staatsverschuldung — etwa 100 % des BIP oder mehr
wie zur Zeit in Belgien , Irland und Italien — werden durch
übermäßige Kreditaufnahme und die entsprechenden Schul­
denlasten offensichtlich ernste wirtschaftliche Probleme ver­
ursacht . Die Zinszahlungen für die Staatsschuld können
Schließlich wirft die Möglichkeit eines starken Rückgangs
der Erdölpreise Fragen auf, die die Besteuerung von Energie ,
Arbeit und Kapital betreffen . Das angestrebte beschäfti­
mehr als 10 % des BIP und 20 bis 25 % der öffentlichen
gungswirksamere Wachstum läßt sich leichter erreichen ,
wenn die Besteuerung der Arbeitseinkommen gesenkt wird .
Ausgaben ausmachen . Der Zinssatz steht unter den Bedin­
gungen einer nicht inflationären Geldpolitik unter starkem
Aufwärtsdruck . Wenn das mit einem Anstieg der Schulden­
last verbundene Risiko ein gewisses Ausmaß erreicht , wird
Ein deutliches, längerfristiges Sinken der Ölpreise könnte die
der Inlandszins dieses Landes letzten Endes einen beträchtli­
Fortschritte gefährden , die gegenwärtig zur Sicherung der
Versorgung gemacht werden und die die Wirtschaft weniger
anfällig gegenüber importierten Preis- und Versorgungs­
schocks machen . Der langfristige Gleichgewichtspreis läßt
sich natürlich nur schwer vorhersagen . Eine Erhöhung der
chen Risikozuschlag aufweisen . Darin spiegelt sich unmittel­
bar wider, wie die Märkte das finanzielle Problem einschät­
zen . Auch können Einkommensverteilungsprobieme zwi­
schen Besitzern festverzinslicher Wertpapiere und Lohnemp­
fängern entstehen . Eine ganze Reihe von Argumenten , die
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 29
das Wirtschaftswachstum , die Währungsstabilität und die
Einkommensverteilung betreffen , sprechen daher für ein
Einschreiten zur Umkehrung eines Trends , der immer weni­
ger aufrechterhalten werden kann .
zur Vermeidung eines übermäßigen Rückgangs der
Steuerbemessungsgrundlage . Unter diesen Umständen
sind Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen zum
Ausgleich solcher Ausfälle wenig sinnvoll .
Was den erforderlichen Anpassungsprozeß betrifft , so zeigen
bestimmte Beispiele , daß umfassende Stabilisierungspro­
gramme , auch kurzfristig nicht unbedingt mit hohen Kosten
oder Konjunktureinbrüchen verbunden sein müssen . So hat
iii ) die Entwicklung der Lohneinkommen hat erhebliche
Rückwirkungen sowohl auf die Angebots- als auch auf
die Nachfrageseite der Wirtschaft . Bei unzureichender
Rentabilität und hoher Arbeitslosigkeit trägt Zurück­
haltung bei den Löhnen zur Schaffung und Ausweitung
von rentablen Produktionskapazitäten bei . Sie vergrö­
insbesondere Dänemark die staatliche Kreditaufnahme dra­
stisch reduziert : Noch 1982 waren es 9 % des BIP ( d . h .
ähnlich hoch oder etwas niedriger als die derzeitigen Defizite
Belgiens , Griechenlands , Irlands und Italiens); für 1986
werden weniger als 2 % des BIP vorausgeschätzt . Dabei
dürfte die dänische Wirtschaft ( von 1981 bis 1986 ) um 15 %
wachsen , während die EG im gleichen Zeitraum wahrschein­
lich lediglich ein durchschnittliches Wachstum von 8 %
aufzuweisen hat. Auch die Beschäftigung in Dänemark nahm
während dieser Zeitspanne erheblich schneller zu als in den
übrigen EG-Ländern .
In anderen EG-Ländern ist die Schuldenlast zur Zeit niedri­
ger . Die Bruttoverschuldung in Deutschland pendelt sich
gegenwärtig bei 42,5 % des BIP ein . In Frankreich steigt sie
zur Zeit , ist aber mit 36 % des BIP weiterhin niedriger .
Höher liegt die Verschuldung 1985 mit 60 % im Vereinigten
Königreich ; sie ist dort aber seit 1983 gesunken . Demnach
verfügen diese Länder möglicherweise über einen gewissen
Spielraum , in dem man die Entwicklung der Staatsverschul­
dung als Anteil am BIP je nach der wirtschaftspolitischen
Strategie variieren könnte . Falls man in den nächsten Jahren
einen gewissen temporären Anstieg der Staatsverschuldung
zuließe , müßte jedoch streng darauf geachtet werden , daß
dies a ) Teil einer kombinierten Angebots- und Nachfrage­
strategie ist , die den Pfad der tatsächlichen und potentiellen
Produktion deutlich anhebt und daß sich b ) der Anstieg der
Staatsverschuldung in den Grenzen einer soliden mittelfristi­
gen Finanzplanung bewegt . Diese Bedingungen dürften
leichter zu erfüllen sein , wenn folgende Kriterien beachtet
ßert die Steuerkraft und rechtfertigt bei einigermaßen
ausgeglichenen Staatsfinanzen Senkungen der Steuersät­
ze . Die Lohnmäßigung selbst kann allerdings vorüber­
gehend zu einer Nachfrageschwäche führen ; auch in
diesem Fall sollten daher flankierende Maßnahmen zur
Stützung der Nachfrage ergriffen werden .
Eine Verschuldungsstrategie ist ein wichtiger Bestandteil
sowohl der Angebots- als auch der Nachfragepolitik . Sie läßt
sich nicht immer einfach definieren . Es gibt Beispiele in der
Gemeinschaft, in denen das Anwachsen der Staatsschuld
eindeutig beunruhigt und daher nunmehr in geordnete
Bahnen gelenkt werden muß (Italien, Belgiefl, Irland). In
anderen Ländern ist die staatliche Schuldenlast im allgemei­
nen niedriger, in einigen Fällen ist sie beinahe stabilisiert
worden . Ob hier eine Nutzung des Spielraums für eine
gewisse Ausdehnung der Staatsverschuldung während einer
Anpassungsphase gerechtfertigt ist, um die Volkswirtschaft
aufeinen höheren Wachstumspfad zu bringen, hängt von der
jeweiligen Konstellation von Angebots- und Nachfragebe­
dingungen ab. Wird das Angebotspotential durch Lohnzu­
rückhaltung und mikroökonomische Maßnahmen zur Stär­
kung der Märkte tatsächlich verbessert und ist die Nachfrage
— beispielsweise wegen niedriger Lohnabschlüsse oder inter­
nationaler Einflüsse — zeitweise schwach, kann ein vorüber­
gehender Anstieg der Staatsverschuldung ein nützliches
Element im Rahmen einer breiter angelegten Wachstums­
strategie sein .
werden :
III . 1.4 . Der Haushalt der Europäischen Gemeinschaften
i ) Auf der Angebotsseite sollten der steigenden Staatsver­
schuldungwenn möglich produktive , potentialsteigende
Investitionen gegenüberstehen , und zwar entweder in
Auf europäischer Ebene entwickelt sich eine zusätzliche
öffentliche Finanzierungsquelle . Mit Einnahmen und Ausga­
Form öffentlicher Investitionen mit volkswirtschaftli­
ben von etwa 1 % des BIP ist der Haushalt der Gemeinschaft
chen Erträgen oder — im Falle von Steuersenkungen —
zwar zugegebenermaßen kein allzu wichtiger Faktor , er spielt
jedoch bei der Strukturanpassung eine größere Rolle . Mit der
in Form privater Investitionen , die das Wachstum und
die künftige Steuerkraft der Volkswirtschaft erhöhen .
Von solchen Steuerermäßigungen sollte man sich posi­
tive Anreize für die Arbeits- und Kapitalmärkte verspre­
chen können . Auf diese Weise könnte ein „circulus
virtuosus" zusammenhängender Entwicklungen in
Gang gesetzt werden . Mit einer Erhöhung der produk­
tiven Kapazität würde die Besteuerungsgrundlage
erhöht ; deshalb könnten die Steuersätze verringert
werden , was wiederum wachstumsstimulierend wirkt ,
und dies sogar bei unveränderten Budgetdefiziten ;
ii ) auf der Nachfrageseite wären expansive Haushaltsmaß­
nahmen gerechtfertigt , wenn ein unzureichendes
Wachstum der Nachfrage korrigiert werden muß . Im
Falle weiterer inflationsdämpfender Wirkungen auf die
europäische Wirtschaft aufgrund eines rückläufigen
Dollarkurses oder fallender Rohstoffpreise mag es wün­
schenswert sein , die Nachfrage zu stützen , insbesondere
Erweiterung der Gemeinschaft werden die gesamten Eigen­
mittel des Haushalts ab 1986 im Zuge der Anhebung des
Höchstsatzes der abzuführenden Mehrwertsteuer von 1,0
auf 1,4 % steigen . Gleichzeitig werden verstärkte Anstren­
gungen unternommen , um den hohen Anteil der Ausgaben
für Agrarpreisstützungen am Gemeinschaftshaushalt einzu­
schränken .
Die politischen Prioritäten des erweiterten Gemeinschafts­
haushalts sind die Förderung der Strukturverbesserungen
und der Konvergenz der Wirtschaft der Gemeinschaft . Dies
geht aus Tabelle 9 eindeutig hervor . Die Zahlen für 1986
wurden dem vorläufigen Haushaltsentwurf entnommen . In
mehreren seiner schneller wachsenden Aufgabenbereiche
trägt der Haushalt dazu bei , die Auswirkungen der Öffnung
der Gemeinschaftsmärkte auszugleichen und die Umstruktu­
rierung der in Schwierigkeiten geratenen Regionen oder
Sektoren zu unterstützen .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 30
TABELLE 9
Haushalt der Europäischen Gemeinschaften 1984 - 1986 — Vorentwurf der Kommission
(in Millionen ECU)
1984
EUR 10
1985
EUR 10
1986
EUR 12
18 126
19 691
20 688
667
687
946
87
105
236
Sozialfonds
1 212
1 410
2 399
Regionalfonds
1 413
1 610
2 600
10
10
151
Ausgaben
( Zahlungsermächtigungen )
Politikbereiche
Landwirtschaft — Abteilung Garantie
Landwirtschaft — Abteilung Ausrichtung
Fischerei
Integrierte Mittelmeerprogramme
Verkehr
505 (")
36
74
Energie und Industrie
659 (*)
130
105
Forschung und Innovation
Nahrungsmittelhilfe
Entwicklungshilfe
533
570
673
737
772
954
527
531
697
2 733
2 881
5 527
27 208
28 433
35 050
1984
EUR 10
1985
EUR 10
1986
EUR 12
Agrarabschöpfungen
2 435
2 106
2 699
Zölle
7 961
8 596
9 700
14 594
15 198
22 184
Sonderbeiträge
596
2 247
204
Verschiedenes
466
286
263
26 052
28 433
35 050
Mehrwertsteuerhöchstsatz
1,00
1,00
1,40
Tatsächlicher Mehrwertsteuersatz
1,00
1,00
1 »34 ( 3 )
Anteil des Gesamthaushalts am BIP
0,94
0,85
1,10
Sonstige Ausgaben einschließlich Erstattungen
an Mitgliedstaaten
ZUSAMMEN
Einnahmen
Mehrwertsteuer ( MwSt .)
ZUSAMMEN
Zur Ergänzung :
(') Einschließlich 471 Millionen ECU Sondermaßnahmen im Vereinigten Königreich und Deutsch­
land .
( 2 ) Einschließlich 456 Millionen ECU Sondermaßnahmen im Vereinigten Königreich und Deutsch­
land .
( 3 ) Außer Deutschland 1,31 und im Vereinigten Königreich 0,82 .
Quelle: 1984 — Haushaltsberechnung ; 1985 / 86 Vorentwurf für den Haushaltsplan 1986 , von der
Kommission am 14 . Juni 1985 verabschiedet .
Der Ausgabenanstieg im Jahr 1986 ist teilweise auf den
Beitritt Spaniens und Portugals zurückzuführen , spiegelt
aber auch eine Zunahme der Ausgaben für andere Mitglied­
staaten wider . Dies trifft insbesondere für den Regionalfonds
zu , der gemäß der neuen , ab 1985 geltenden Verordnung den
Anteil der Ausgaben erhöht , die gezielter den Regionen mit
den schwerwiegendsten Problemen zugute kommen .
Die Ausgaben für die integrierten Mittelmeerprogramme ,
mit denen den Mittelmeerregionen geholfen werden soll , die
Folgen der Erweiterung der Gemeinschaft zu bewältigen ,
werden 1986 erstmals einen nennenswerten Betrag ausma­
chen . Auch die Ausgaben für die Verkehrsinfrastrukturvor­
haben , den Sozialfonds ( Umschulung und Vorhaben zur
Schaffung von Arbeitsplätzen ), die Forschung und Innova­
tion sowie die Entwicklungshilfe werden 1986 mehr Bedeu­
tung erlangen . Ungefähr 50 % der Mehrausgaben für 1986
resultieren aus dem Beitritt Spaniens und Portugals . Dieser
Teil wird jedoch aus den Eigenmitteln , die von den neuen
Mitgliedstaaten geleistet werden , gedeckt . Der verbleibende
Teil des Anstiegs rührt aus einem beträchtlichen Ausgaben­
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
anstieg her und deckt Verpflichtungen ab , die aus der Zeit
von vor 1986 stammen sowie neuen Ursprungs sind .
Vorrangige Aufgaben des ab 1 986 mit mehr eigenen Mitteln
ausgestatteten Gemeinschaftshaushalts sind:
i) die effektivere Eindämmung der Agrarausgaben;
ii) die Bereitstellung zunehmender Mittel für die Struktur­
verbesserung und die Konvergenz der Wirtschaft der
Gemeinschaft.
Nr . L 377 / 31
Schließlich ist der reale Kapitalertrag die Schlüsselgröße bei
den Investitionsentscheidungen . Schaubild 14 zeigt jedoch
deutlich , daß die gegenwärtigen Verzerrungen zwischen den
Kosten des Kapitals und der Rentabilität des Anlagekapitals
hauptsächlich auf den Verfall der Rentabilität im Verlauf der
siebziger Jahre und nicht so sehr auf den jüngsten Anstieg der
Realzinsen zurückzuführen sind . Natürlich trüge ein Real­
zinsrückgang um 1 bis 2 Prozentpunkte zur Stärkung der
Investitionen bei , jedoch würde er es bei weitem nicht
ermöglichen , die Spanne zwischen Realzinsen und Rentabi­
lität des Anlagekapitals wieder herzustellen , wie sie zu
Vollbeschäftigungszeiten in den 60er Jahren vorherrschte
und wie sie auch noch teilweise in der zweiten Hälfte der 70er
Jahre zu verzeichnen war .
III . 2 . Geldpolitik und Europäisches Währungssystem
( EWS )
In den vergangenen Jahren kam es zu einem zunehmenden
Konsens über die Notwendigkeit , stabile monetäre Rahmen­
bedingungen zu schaffen , sowie über die Rolle , welche die
Geldpolitik in diesem Rahmen zu spielen hat . Dieser Konsens
steht im Gegensatz zu den erheblichen Divergenzen in den
nationalen Geldpolitiken , wie sie in den siebziger Jahren
herrschten . Da das Europäische Währungssystem die teil­
nehmenden Länder der Wechselkursdisziplin unterwirft ,
erwies es sich als ein wesentlicher Faktor für die Kohärenz der
Geldpolitiken und für die Verfolgung eines gemeinsamen
Stabilitätsziels . Dieser Konsens ist wertvoll , er muß erhalten
bleiben . Tatsächlich sollte die Geldwertstabilität aus mehre­
ren Gründen einen integralen Bestandteil einer Strategie zur
Rückkehr zu einem dauerhaften und beschäftigungswirksa­
meren Wachstum darstellen .
Zunächst erzeugt die Geldwertstabilität ein günstiges Umfeld
für ein kooperatives Verhalten der am Wirtschaftsgeschehen
Beteiligten , und sie vermindert insbesondere die Rechtferti­
gungsgründe für Indexierungsmechanismen ; einige dieser
Mechanismen stammen aus Zeiten mit hohen Inflationsraten
und verzögern die notwendigen Preis- und Kostenanpassun­
gen . Sie haben zu den gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen
Ungleichgewichten beigetragen .
Zweitens führen dauerhaft niedrige Inflationserwartungen
dazu , daß die Zinssätze ihre Aufgabe , auf den Kapitalmärk­
ten einen Marktausgleich herbeizuführen , besser erfüllen
können . Reale Kapitalkosten , die künstlich niedrig oder gar
negativ gehalten werden , wie es in einigen Ländern im
Verlauf der siebziger Jahre der Fall war , spiegeln die relative
Knappheit des Faktors Kapital schlecht wider , führen zu
einem verschwenderischen Umgang mit der knappen Erspar­
nis und zu einem Wachstum , das weniger Arbeitsplätze
schafft . Die mit zu hohen öffentlichen Defiziten einhergehen­
den überhöhten Realzinsen ( sie liegen in solchen Fällen über
der gesamtwirtschaftlichen Trendwachstumsrate ) haben
erhebliche strukturelle Konsequenzen . Es ist jedoch unerläß­
lich , daß die Realzinsen eine ausreichende Höhe haben , um
die notwendigen Ersparnisse anzuziehen , damit nicht nur die
in einigen Fällen noch zu hohen öffentlichen Defizite inner­
halb und außerhalb der Gemeinschaft abgebaut , sondern
auch die erforderlichen Investitionen finanziert werden .
Daraus hinaus findet die für diese Länder angezeigte Politik
des kontinuierlichen Abbaus der öffentlichen Defizite eine
wesentliche Begründung darin , daß sie mittelfristig zu einer
Senkung der Realzinsen beiträgt .
Auf dem Wege zu einer Zone interner und externer Wäh­
rungsstabilität in Europa sind damit erhebliche Fortschritte
erzielt worden . Dies zeigt sich darin , daß die Inflationsraten
in der Gemeinschaft nach unten konvergieren ( siehe Tabelle
5 dieses Jahresberichts ). Außerdem sind seit März 1983 die
Leitkurse fast aller am EWS teilnehmenden Währungen
unverändert geblieben . Die Anpassung der Parität der italie­
nischen Lira , die im Juli 1985 auf einstimmigen Beschluß der
Partner vorgenommen wurde , war von begrenztem Umfang .
Die Stabilität der nominalen und realen Wechselkurse der
EWS-Länder steht in scharfem Gegensatz zu den oft starken
Schwankungen , die vor dem Inkrafttreten des EWS zu
verzeichnen waren und noch immer bei anderen Währungen
zu verzeichnen sind . Zum Ausdruck kommt diese Stabilität
selbstverständlich auch in geringen Wechselkursveränderun­
gen zwischen der ECU und ihren Hauptkomponenten . Wie
das Vordringen der privaten ECU als Schuldenaufnahme­
und Anlageinstrument und ihre zunehmende Verwendung
für Handelsgeschäfte zeigt , entspricht diese Stabilität einem
Bedarf bei priavten Marktteilnehmern . Voraussetzung einer
Konsolidierung und einer Verbesserung dieser Ergebnisse ist ,
daß die einzelnen Länder eine Geldpolitik verfolgen , die das
gemeinsame Stabilitätsziel anstrebt, jedoch auf den jeweils
noch bestehenden Anpassungsbedarf zugeschnitten ist .
Eine Reihe von Ländern — insbesondere die Bundesrepublik
Deutschland , Frankreich , Italien und das Vereinigte König­
reich — verfolgen interne , normative Ziele für die Auswei­
tung der monetären Aggregate oder der Kreditvergabe . Die
Länder, deren Inflationsrate überhöht ist, sollten zur Unter­
stützung des Stabilisierungsprozesses weiterhin eine schritt­
weise Verminderung der Geldmengen- und Kreditzuwachs­
rate anstreben . Die Länder mit niedrigeren Inflationsraten
und -erwartungen sollten die monetäre Expansion — unter
Wahrung der erreichten Stabilität — mittelfristig an der
Entwicklung der Produktionskapazitäten orientieren, um so
einen angemessenen Spielraum für das reale Wachstum zu
schaffen . Die Wirtschaftstätigkeit würde dadurch auf Dauer
gestützt . In diesen Ländern muß bei der Festsetzung der
Geldmengenziele weitgehend dem Urteil über die Entwick­
lung des Produktionspotentials , besonders über die Effekte
der anderweitigen angebotspolitischen Maßnahmen sowie
über die ohne inflationäre Spannungen mögliche Erhöhung
der Kapazitätsausnutzung , Rechnung getragen werden .
Wenn die anderweitigen angebotspolitischen Maßnahmen
zu einer Zunahme des Produktionspotentials führen , dann
geht eine solche Strategie Hand in Hand mit einer gesunden
Finanzierung des in diesem Falle erwünschten Anstiegs der
Nachfrage .
Nr . L 377 / 32
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Die Veränderungen , die sich gegenwärtig auf den Finanz­
märkten vollziehen , und insbesondere die Verbreitung finan­
zieller Innovationen , die zu einer Instabilität der Geldnach­
frage führen könnten , erschweren mitunter Politiken , deren
Zwischenziele das Wachstum monetärer oder Kreditaggre­
gate sind . Verfolgen die Währungsbehörden der EWS-Län­
der jedoch entschieden eine Politik , die den vorgenannten
Kriterien entspricht , dann wird — wie die Erfahrung gezeigt
hat — der Wechselkursmechanismus stabilisiert und seine
makroökonomischen Wirkungen werden verstärkt . Quanti­
tative Zwischenziele der Geldpolitik und das Wechselkurs­
ziel verstärken und ergänzen sich so gegenseitig in den
EWS-Ländern . Auch im Vereinigten Königreich wird übri­
gens dem Wechselkurs des Pfund Sterling neben den quanti­
tativen Zwischenzielen mehr und mehr Beachtung
geschenkt.
31 . 12 . 85
Inflationsrate allein schon einen zusätzlichen realen Wachs­
tumsspielraum schaffen . Angesichts der derzeitigen Instabi­
lität des internationalen Währungssystems bleibt es eine
Voraussetzung für eine dauerhafte Stabilität, daß die mone­
täre Expansion stets unter Kontrolle gehalten wird. Es bleibt
jedoch wünschenswert , daß diese Instabilität des Systems
besser gelöst wird , wie dies der jüngsten Erklärung der
Finanzminister der fünf größten Industrieländer entspricht .
Eine solche Lösung sollte dazu beitragen , die Faktoren zu
entschärfen , die eine Senkung der Zinsen in Europa hemmen
könnten .
Im Konvergenzprozeß spielt die Stabilität der bilateralen
Wechselkurse innerhalb des EWS eine wesentliche Rolle . Auf
der einen Seite unterstützt diese Stabilität in den Ländern mit
Öffnungsgrad gegenüber dem Ausland aufweisen, bleibt das
den höchsten Inflationsraten den internen Stabilisierungs­
prozeß . Dank der verstärkten Konvergenz der Inflationsra­
ten und in Anbetracht der Anpassung der Lira-Parität vom
wichtigste Zwischenziel der Leitkurs ihrer Währungen inner­
halb des Systems. Interne Zwischenziele der Geldpolitik
Juli 1985 bleibt außerdem für diese Länder der Anstieg der
mit dem Inflationsgefälle gegenüber den Partnern gewichte­
haben in diesen Ländern gegebenenfalls einen weniger
bindenden Charakter . Die Behörden müssen allerdings dar­
auf achten , daß die interne Geldschöpfung mit der Preissta­
bilität und einer auf Dauer tragbaren außenwirtschaftlichen
ten nominalen effektiven Wechselkurs (d . h . der realen
Wechselkurse ) moderat . Dies illustriert den Stabilisierungs­
effekt eines Wechselkursmechanismus, in dem feste, aber
In den anderen EWS-Ländern , die einen noch größeren
Position vereinbar bleibt .
Ein ausgeprägter Rückgang des Dollarkurses und die damit
einhergehende Verbesserung der Terms of Trade würde die
Aufgabe der Geldpolitik bei der Verfolgung des Stabilitäts­
ziels erleichtern . Bei gleicher Geldmengenexpansion würde
eine , durch externe Faktoren bewirkte , raschere Senkung der
anpassungsfähige Paritäten vorgesehen sind . Auf der ande­
ren Seite trägt die zusätzlich gewonnene Wettbewerbsfähig­
keit der Länder mit niedrigeren Inflationsraten dazu bei ,
ihnen eine günstige externe Position und dadurch einen
größeren Spielraum für das reale Wachstum zu verschaffen .
Diese Betrachtungen schließen jedoch eine Neufestsetzung
der Leitkurse aufgrund von fundamentalen Ungleichgewich­
ten keinesfalls aus .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr. L 377 / 33
SCHAUBILD 14
Entwicklung von Reallohn , Kapitalrentabilität und Realzins in der Gemeinschaft (' ) ( 2 )
(') Das obige Schaubild wurde dem Bericht zur Ertragslage und Rentabilität in der Gemeinschaft des
Ausschusses für Wirtschaftspolitik entnommen („Ertragslage und Rentabilität in der Gemeinschaft",
Bericht an Rat und Kommission , Mai 1985 ). Das Schaubild illustriert die Entwicklung der
Rentabilität , wie sie vorstehend in den Schaubildern 1 1 und 12 anhand unterschiedlicher Definitionen
dargestellt wurde .
( 2 ) Gemeinschaftsdurchschnitt : Gewichtung mit dem BIP und den Kaufkraftparitäten des Jahres 1975 .
( 3 ) Mit dem BIP-Deflator bereinigt .
(4 ) Nettobetriebsüberschuß des Unternehmenssektors (ohne Wohnungssektor ) als Prozent des dazugehö­
rigen Kapitalstocks ( linke Skala ). Angesichts der bekannten statistischen Probleme empfiehlt sich eine
gewisse Vorsicht bei der Beurteilung des Niveaus dieser Kurve ; die Analyse sollte sich vielmehr auf den
Verlauf beziehen .
Quelle: DIW , Berlin , im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft ( Bonn ). Fortschreibung und
Gemeinschaftsdurchschnitt durch die Kommissionsdienststellen .
( s ) Zinsskala für Staatstitel mit dem Verbraucherpreisindex deflationiert ( linke Skala ).
In den letzten Jahren wurde der Zusammenhalt des EWS , der
sicher auch zeitweilig durch externe Faktoren begünstigt
worden ist , hauptsächlich durch folgende Faktoren gewähr­
Maßgebend für den Handlungsspielraum der Geldpolitik
leistet : den breiten Konsens über die Prioritäten und die
Zwischen- und Endziele . Was die externe Seite betrifft , so
Orientierung der Wirtschaftspolitik in allen ihren Bereichen ,
die verstärkte Konvergenz in den Ergebnissen sowie die enge
Koordinierung der Geld- und Währungspolitik . Um einen
befriedigenden Grad an Konvergenz zu erzielen , sind aller­
dings noch große Fortschritte notwendig . In dieser Hinsicht
müssen einige Länder noch bedeutende Anstrengungen in der
Haushalts- und Einkommenspolitik unternehmen , um die
überhöhte Last zu erleichtern , die die Geldpolitik im Stabi­
lisierungsprozeß trägt . Diese Anstrengungen werden umso
eher Erfolg haben , je kräftiger das Wachstum in der
sind die kurzfristigen Zinsen in Europa der Entwicklung in
den USA nicht voll gefolgt ; dies gilt für den Anstieg in den
ersten sechs Monaten des Jahres 1984 und den starken
Rückgang während der darauffolgenden 12 Monate . Im
Durchschnitt der Gemeinschaft sind die kurzfristigen Zinsen
zwischen Dezember 1983 und Juli 1985 gleichmäßiger , aber
etwas weniger stark als in den Vereinigten Staaten zurück­
gegangen ( um 1,1 Prozentpunkte gegenüber 1,7 Prozent­
punkte in den USA ). Die vorsichtige Steuerung der kurzfri­
stigen Zinsen in Europa , die nach dem internen Stabilisie­
rungsbedarf und nach dem Gewicht der externen Faktoren
Gemeinschaft ausfällt .
sind vor allem die Zinsen auf den internationalen Märkten
und die Freiheitsgrade bei der Verfolgung der geldpolitischen
Nr . L 377 / 34
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
differenziert wurde sowie eine günstigere Entwicklung im
Bereich der Zahlungsbilanz- und Haushaltsdefizite verstär­
ken in Europa die Glaubwürdigkeit der Wirtschaftspolitik .
Dies hat zu einer beträchtlichen Senkung der langfristigen
Nominalzinsen ( um 1,7 Prozentpunkte ) beigetragen , die
zwischen Dezember 1983 und Juli 1985 in Europa stärker
ausgefallen ist als in den Vereinigten Staaten .
der Geldpolitik in einem Umfeld von allgemein hohen
Staatsdefiziten und starken Spannungen auf den internatio­
nalen Kapitalmärkten , vor allem in den Vereinigten Staaten .
Der schrittweise Abbau der Realzinsen , der erwünscht
Auch wenn bis März 1985 die Dollarstärke den Rückgang
der kurzfristigen Zinsen in Europa gehemmt hat , hat sich die
den .
Situation seither geändert und es hat sich ein Handlungsspiel­
raum für Zinssenkungen ergeben . Dieser wird jetzt in den
EG-Ländern mit den niedrigsten Inflationsraten genutzt . In
Deutschland ist seit März 1985 der Geldmarktzins um 1,6
Punkte auf 4,5 % p . a . reduziert worden , dies ist das
niedrigste Niveau seit Ende 1978 . Ein günstiges internatio­
nales Umfeld würde es erlauben , diesen Spielraum noch mehr
auszunutzen . In den Ländern , die noch einen großen Stabi­
lisierungsbedarf haben und in denen die Geldpolitik weiter
zum Konvergenzprozeß beitragen muß , könnte die Senkung
der Nominalzinsen jedoch weiter an den Rückgang der
Inflation gekoppelt bleiben . In dem Ausmaß , in dem diese
differenzierte , den internen geldpolitischen Zielsetzungen in
den einzelnen Ländern entsprechende Steuerung der Zinsen
dazu führt , daß ein geeignetes Zinsdifferential im EWS
aufrechterhalten bleibt , verstärkt sie auch trotz weiter beste­
hender Divergenzen in fundamentalen Faktoren die Stabilität
des Wechselkursmechanismus und seinen inneren Zusam­
menhalt gegenüber externen Schocks .
In den Ländern der Gemeinschaft sind die langfristigen
Realzinsen , annäherungsweise gemessen als Differenz zwi­
schen dem Nominalzins und dem Anstieg der Verbraucher­
preise , zwischen 1981 und 1984 im Durchschnitt um 4,5
Prozentpunkte gestiegen . Diese Erhöhung war besonders in
den Ländern spürbar , in denen sie Anfang der 80er Jahre
nahe bei Null lagen oder sogar negativ waren . In den Ländern
mit niedrigen Inflationsraten sind sie demgegenüber nur um
rund zwei Punkte gestiegen . In Zeiten raschen Inflations­
rückgangs oder bei im historischen Vergleich geringer Infla­
tion wird der reale Zinssatz vermutlich überschätzt , wenn er
an der Differenz zwischen Nominalzins und laufender Rate
der Preissteigerung gemessen wird ; dies gilt jedenfalls im
Vergleich zu einer Meßgröße , die von den mittelfristigen
Inflationserwartungen ausgeht , welche vermutlich über der
gegenwärtigen Inflationsrate liegen . Im Gegensatz dazu
übersteigt in den Ländern mit noch hohen Inflationsraten ,
aber guten und glaubwürdigen Fortschritten bei der Infla­
tionsbekämpfung der mittelfristig erwartete Realzins den
anhand der laufenden Inflationsrate gemessenen Realzins .
Die Inflationserwartungen spielen eine wesentliche Rolle bei
der Bildung der Nominalzinsen . Dies verstärkt in jedem Fall
die Argumente zugunsten einer Geldpolitik , die dauerhaft
und glaubwürdig die Preisstabilität zum Ziel hat . Solch eine
Politik trägt dazu bei , laufende und erwartete Inflationsraten
auf deren niedrigstem Niveau einander anzunähern ; dies
führt zu einer größeren Rationalität bei der Zinsbildung und
schafft günstige Bedingungen für ihre allmähliche und dau­
erhafte Senkung .
In der Gemeinschaft ist die Konvergenz der Realzinsen nach
oben ein Zeichen für die nunmehr gemeinsame Orientierung
scheint , muß aber auf gesunder Basis erfolgen . Er wird in
erster Linie davon abhängen , daß der Desinflationsprozeß
fortschreitet und glaubwürdig bleibt , und daß die finanziel­
len Ungleichgewichte , vor allem die öffentlichen Defizite
innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft, beseitigt wer­
Die Verwirklichung eines freien Kapital Verkehrs innerhalb
der Gemeinschaft und Anstrengungen , die eine bessere
Konvergenz der Wirtschaftspolitik bezüglich eines höheren
Wachstums zur Folge haben , würden gleichzeitig die Ver­
vollkommnung des Europäischen Währungssystems ermög­
lichen , was zur Schaffung eines europäischen Raumes in
monetärer und finanzieller Hinsicht notwendig ist . Eine
Liberalisierung würde die Entwicklung eines dynamischen
und attraktiven Finanzmarktes in Europa begünstigen und
damit zu einer besseren Lenkung der Ersparnisse beitra­
gen .
Seit Errichtung des EWS im März 1979 hat das Ziel der
Liberalisierung des Kapitalverkehrs noch an Bedeutung
gewonnen . In dem Maße , in dem die Beschränkungen des
Kapitalverkehrs die Autonomie der Geldpolitik künstlich
erhöhen , vermindern sie nämlich den disziplinierenden
Effekt des Wechselkursmechanismus und könnten folglich
den Konvergenzprozeß bremsen . Wie das Angleichen der
Realzinsen auf einem höheren Niveau zeigt , führt jedoch die
zunehmende Konvergenz der Geldpolitiken und das allmäh­
liche Verschwinden der Geldillusion bei den Wirtschaftssub­
jekten dazu , daß der Handlungsspielraum im Zinsbereich
weitgehend unausgenutzt , wenn nicht inexistent , bleibt . Im
Ausmaß , in dem die Divergenzen verschwinden , verlieren
also die Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs nach und
nach ihren Nutzen . Dies spricht dafür, diese Restriktionen
allmählich zu beseitigen , wobei vermieden werden sollte , daß
in der Anpassungsphase die Stabilität des Wechselkursme­
chanismus in Frage gestellt wird .
Seit Beginn des Jahres 1984 haben sich schrittweise günstige
Rahmenbedingungen für eine Verstärkung des Wechselkurs­
verbundes herausgebildet . Verschiedene Faktoren haben
dazu beigetragen : Die befriedigende Konvergenz der Geld­
politiken , das steigende Vertrauen in den Rückgang der
Inflation , eine aufgeschlossenere Einstellung zu der Zweck­
mäßigkeit , den Weg zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs
im Interesse des EWS fortzuführen , sowie auch die Robust­
heit der im März 1983 vereinbarten Paritäten gegenüber
außenwirtschaftlich bedingten monetären Einflüssen . Aus­
druck diese neuen Haltung war die Zustimmung des Mini­
sterrats und der Zentralbanken der Gemeinschaft im Jahr
1985 zu ersten technischen Maßnahmen , die die Verwen­
dung der ECU im Wechselkursverbund ein wenig ausdeh­
nen . Die Möglichkeit der Haltung von ECU beim Euro­
päischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit
( EFWZ ) ist sogar für Dritte im Prinzip eröffnet worden .
Die zuständigen Gemeinschaftsorgane sind übereingekom­
men , die Möglichkeiten und die Bedingungen für einen
weiteren Fortschritt auf dem Gebiet der Währungspolitik
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
laufend zu überprüfen . Der Rat der Finanzminister hat die
Gültigkeit des Endziels einer Wirtschafts- und Währungsuni­
on bestätigt . Die Weiterentwicklung des EWS — dessen
Stärkung bereits ein eigenständiges Ziel darstellt — soll sich
ebenfalls in diese Perspektive einbetten . Von besonderer
Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Fragen hin­
sichtlich der Ausdehnung der internationalen Rolle der ECU ,
sowohl im offiziellen wie im privaten Gebrauch und die
Teilnahme der Mitgliedswährungen am Wechselkursver­
bund zu gleichen Bedingungen .
Die Schaffung einer Zone interner und externer Stabilität
ist Bestandteil der Strategie, die auf ein dauerhaftes und
beschäftigungswirksameres Wachstum abzielt. Indem sie die
Unsicherheit über die Zukunftsentwicklung des realen Geld­
werts reduziert, schafft die Stabilität die Rahmenbedingun­
gen, die ein kooperatives Verhalten der Wirtschaftssubjekte
begünstigen. Die Stabilisierung der Inflationserwartungen
trägt im übrigen zur rationalen Bestimmung der Kapital­
marktzinsen bei, die eine wesentliche Rolle bei der optimalen
Lenkung des knappen Faktors „ Ersparnis " spielen . Im
Bereich der Stabilität sind im Laufe der letzten Jahre
ermutigende Fortschritte erzielt worden . Voraussetzung für
eine Konsolidierung und Verbesserung dieser Ergebnisse ist
eine Geldpolitik, die auf Dauer das gemeinsame Stabilitäts­
ziel verfolgt, gegenwärtig aberje nach dem noch bestehenden
Stabilitätsbedarf differenziert vorgehen muß. In einigen
Ländern muß die Geldpolitik auch weiterhin den Stabilisie­
rungsprozeß dadurch unterstützen, daß sie auf eine Vermin­
derung der Geldmengenexpansion abzielt und eine Senkung
der kurzfristigen Zinsen an Erfolge bei der Inflationsbe­
kämpfung koppelt. Der innere Zusammenhalt des europäi­
schen Währungssystems sollte durch weitere Fortschritte in
allen Bereichen der Politik gestärkt werden, um die manch­
mal überhohen Belastungen einer geldpolitischen Stabilisie­
rung zu reduzieren . In anderen Ländern sollte die Geldpolitik
weiter den für eine Zinssenkung verfügbaren Spielraum
nutzten und — unter Wahrung der erreichten Stabilität — die
Liquidität bereitstellen, die notwendig ist ',
um ein reales
Wachstum zu erzielen, das der mittelfristigen Entwicklung
der Produktionskapazitäten entspricht. Es ist daher wün­
schenswert, daß die jüngsten Fortschritte im Bereich der
internationalen währungspolitischen Zusammenarbeit dazu
beitragen, die externen Faktoren zu entschärfen, was eine
Senkung der Realzinsen ermöglichen würde und damit
Investitionen in Anlagekapital im Vergleich zu reinen Finanz­
anlagen anregen würde. In Europa würde die Durchführung
von Geldpolitiken, die den oben erwähnten Orientierungen
entspräche, nicht nur dazu führen, den internen Zusammen­
halt der Gemeinschaft im monetären Bereich zu verstärken,
sondern auch noch das Interesse an neuen Fortschritten beim
Aufbau des EWS steigern . Dazu würden insbesondere Maß­
nahmen zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs und zur
Entwicklung der ECU gehören .
III . 3 . Anpassungsfähigkeit der Märkte und sektorale
Politik
III . 3.1 . Verbesserung des Binnenmarktes
Die Erreichung eines großen Binnenmarktes , wie sie von der
Kommission im Weißbuch vom Juni 1985 vorgeschlagen
wurde , stellt eine starke Unterstützung für die Realisierung
Nr . L 377 / 35
der kooperativen Wachstumsstrategie für mehr Beschäfti­
gung insoweit dar, als sie ein rentables und effektives
Angebotswachstum unterstützt . Ein größerer Markt bietet
den Unternehmen Gelegenheit , ihre Produktion auszuweiten
und „economies of scale" zu nutzen . Die daraus resultieren­
den Kostensenkungen führen zu niedrigeren Preisen ,
wodurch die Nachfrage gestärkt wird . Ein rascheres Wachs­
tum sowohl der Nachfrage , als auch der Produktion schlagen
sich in einem Produktivitätsanstieg nieder, der seinerseits zur
Folge hat , daß neue Investitionsmöglichkeiten genutzt und
Arbeitsplätze geschaffen werden . Die Vorteile , die eine
bessere Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit mit sich bringen ,
werden sich auch in einem Anstieg des längerfristigen
Gleichgewichtswechselkurses der Wirtschaft und in günsti­
geren Terms of Trade zeigen . Eine trendmäßige Abschwä­
chung sowohl der Inlands- als auch der Einfuhrpreise
wiederum bedeutet, daß eine bestimmte Expansion der
nominalen Nachfrage eine höhere Realnachfrage zur Folge
hat . Auch dies wird sich günstig auf Produktion und
Beschäftigung auswirken . In der Volkswirtschaft setzt damit
ein „circulus virtuosus" wirtschaftlichen Wachstums ein , der
der Erfahrung der Gemeinschaft während der 60er Jahre
nicht unähnlich ist .
Gleichzeitig würde die Förderung eines erhöhten Wettbe­
werbs auf den Märkten unwirksam sein , wenn die Vollen­
dung des internen Marktes durch strukturelle und soziale
Ungleichgewichte verhindert würde . Wenn der interne
Markt in einem Umfeld eines dynamischen und gleichmäßi­
gen Wachstums verwirklicht ist , werden regionale und
sektorale Ungleichgewichte besser gelöst werden . In dieser
Weise ist auch der sozialen Aufgabe der Gemeinschaft und
den strukturellen Problemen in diesem Zusammenhang am
besten Rechnung zu tragen . Dies erfordert die Entwicklung
von miteinander verbundenen , europaweiten Politikmaß­
nahmen sowie die Stärkung des vorhandenen nationalen und
gemeinschaftlichen Instrumentariums wie z . B. des Europäi­
schen Sozialfonds und des Europäischen Regionalfonds . Ein
Erfolg der ergriffenen Anpassungsmaßnahmen sowie die
Erreichung von Vollbeschäftigung und von sozialen Vortei­
len aufgrund eines verbesserten internen Marktes werden ein
beträchtliches Maß an Kooperation zwischen den Sozialpart­
nern und Regierungen im Hinblick auf die Entwicklung
dieser Maßnahmen und die Beeinflussung von Verhaltens­
weisen , die mit der wachsenden Integration der Wirtschaft
Europas verbunden sind , erfordern .
Unter den Politikern , den Unternehmern und den Gewerk­
schaften ist der Konsens über die Bedeutung einer Verbesse­
rung des Binnenmarktes der Gemeinschaft wesentlich größer
geworden . Auf seiner Brüsseler Tagung vom März 1985 hat
der Europäische Rat „Maßnahmen zur Verwirklichung eines
effizienten Binnenmarktes bis zum Jahre 1992 verlangt ,
wodurch ein günstigeres Umfeld für die Förderung der
Unternehmen , des Wettbewerbs und des Handels geschaffen
wird ". Die Kommission hat daraufhin für die Mailänder
Tagung des Europäischen Rates im Juni 1985 ein Weißbuch
unter dem Titel „Vollendung des Binnenmarktes" (') veröf­
fentlicht . Es enthält ein detailliertes Programm , in dem mehr
als 300 Gesetzgebungsmaßnahmen gefordert werden , die in
der Regel vor 1990 zu ergreifen sind .
(') Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Vollendung
des Binnenmarktes", ( KOM(85 ) 310 ), Juni 1985 .
Nr . L 377 / 36
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Da die Vorschläge insgesamt äußerst komplex und weitrei­
chend sind , hat die Kommission besonderen Wert auf
Möglichkeiten gelegt , wie man die administrative und legis­
lative Belastung , die die Erreichung des Ziels mit sich bringt ,
erleichtern kann . Hierzu wird ein integriertes und ausgewo­
genes Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen : i ) maximale
Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung
der nationalen technischen Normen und minimaler Umfang
der Harmonisierungsgesetzgebung auf EG-Ebene ; ii ) maxi­
male Entlastung des Rates von technischen Fragen durch
verstärkte Nutzung der existierenden Übertragungsbefug­
nisse ; iii ) vermehrter Rückgriff auf Mehrheitsabstimmungen
bei Beschlüssen der Gemeinschaft betreffend den Binnen­
markt . Obwohl die verschiedenen Elemente des Maßnah­
menbündels als Ganzes gesehen werden sollten , können
einige Beispiele gleichwohl die Substanz des Vorschlags
veranschaulichen .
Was die technischen Normen für Industriegüter , für Erzeug­
nisse der Nahrungsmittelindustrie und im Bauwesen angeht ,
so wird vorgeschlagen , die Gesetzesharmonisierung ( Rats­
richtlinien nach Artikel 100 der Römischen Verträge) künftig
auf wesentliche Gesundheits- und Sicherheitserfordernisse zu
beschränken .
Der Wettbewerb im öffentlichen Auftragswesen soll in den
Sektoren , die bereits unter EG-Richtlinien fallen , durch
vermehrte vorherige Information und öffentliche Auftrags­
ausschreibungen verbessert werden . Bestehende Beschrän­
kungen bei den öffentlichen Aufträgen für Dienstleistungen
im Vergleich zum Warenverkehr sollten aufgehoben werden .
Für die vier großen Sektoren Energie , Verkehr , Wasser und
Fernmeldewesen , für die noch keine Richtlinien gelten , sollen
Vorschläge vorgelegt werden .
Im Verkehrswesen werden umfangreiche Aktionen vorge­
schlagen , um den freien Verkehr von Dienstleistungen zu
gewährleisten .
31 . 12 . 85
den Mitgliedstaaten und ein einheitliches Netz finanzieller
Dienstleistungen im Kredit-, Versicherungs- und Börsenwe­
sen notwendig ist .
Eine solche Integration bringt direkte und indirekte Vorteile
mit sich . Die unmittelbaren Vorteile bestehen in niedrigeren
Finanzierungskosten für Kreditnehmer und darin , daß die
Sparer Zugang zu höherverzinslichen Anlagen erhalten . Die
durch die finanzielle Integration bewirkte Vergrößerung des
Marktes veranlaßt die Finanzinstitute zu verstärkter Spezia­
lisierung ; sie schafft zusätzlichen Wettbewerb und ermög­
licht einen effizienteren Transfer von Spargeldern in Sachin­
vestitionen .
Was die indirekten Vorteile betrifft , so verstärkt die größere
Liberalisierung der Finanzmärkte die Disziplin in der Wirt­
schaftspolitik und leistet damit einen Beitrag zur Preis­
niveaustabilität und zur Stärkung des EWS . Ein zweiter
indirekter Vorteil würde darin bestehen , die Abhängigkeit
der europäischen Volkswirtschaften vom US-Dollar zu ver­
ringern . Dies dürfte der Fall sein , wenn die europäischen
Kapitalmärkte stärker integriert wären . Dadurch wäre Euro­
pa in gewissem Umfang gegen Schocks von außen abgesi­
chert . Drittens behindern Kapitalverkehrskontrollen in
gewissem Maße den freien Waren-, Dienstleistungs- und
Personenverkehr dadurch , daß sie die Kosten der damit
zusammenhängenden finanziellen Transfers , deren Recht­
mäßigkeit überprüft werden muß , erhöhen . Viertens ist der
Nutzen von Kapitalverkehrskontrollen in bezug auf größere
währungspolitische Unabhängigkeit durch die implizit mit
der EWS-Mitgliedschaft verbundene Verpflichtung zur
Koordinierung der Währungspolitik wesentlich geringer
geworden . Eine finanzielle Integration sollte in ausgewoge­
ner Weise an vier Fronten angestrebt werden : i ) schrittweiser
Abbau der noch vorhandenen Kapitalverkehrskontrollen ;
ii ) freier Verkehr von finanziellen Dienstleistungen ; iii)
Rationalisierung der inländischen Finanzmärkte ; iv ) Förde­
rung der Verwendung der ECU auf den Kredit- und Kapi­
talmärkten .
Bei den Dienstleistungen herkömmlicher Art , wie Banken
und Versicherungen , und bei neueren Dienstleistungsfor­
men , wie Informations- und Datenverarbeitung , rechnerge­
stützte Marketing- und Vertriebsdienste sowie audiovisuelle
Dienstleistungen einschließlich Satellitenfunk , vollzieht sich
gegenwärtig eine beispiellose technologische Entwicklung .
Viele dieser am raschesten wachsenden Zweige der Wirt­
schaft haben wenig Chancen auf internationale Wettbe­
werbsfähigkeit , wenn sie sich nicht in einem weiten , offenen
Markt entwickeln können .
Was die Finanzmärkte betrifft , so steht die Verbesserung des
Binnenmarktes für finanzielle Dienstleistungen in direktem
Zusammenhang mit den Zielen , das Funktionieren der
inländischen Finanzmärkte zu verbessern , die Konvergenz
der makroökonomischen Politiken zu erhöhen und das
Europäische Währungssystem zu stärken . Die Kommission
hat dem Rat im April 1983 eine Mitteilung über die
finanzielle Integration ( J ) unterbreitet , in der hervorgehoben
wird , daß eine Liberalisierung des Kapitalverkehrs zwischen
( 1 ) Kommission der E uropäischen Gemeinschaften , „Mitteilung der
Kommission an den Rat vom 20 . April 1983 über finanzielle
Integration", Europäische Wirtschaft Nr . 18 , November
1983 .
Gegenwärtig werden die Kapitalbewegungen mit zwei Rats­
richtlinien in vier Gruppen ( Listen A bis D ) eingeteilt . Die
Mitgliedstaaten sind verpflichtet , Transaktionen der Liste A
(einschließlich Direktinvestitionen und Immobilienerwerb)
und der Liste B ( Operationen mit börsennotierten Wertpa­
pieren) ohne Bedingungen zu liberalisieren . Transaktionen
der Liste C ( andere Portfolioinvestitionen und langfristige
Kredite ) werden unter bestimmten Bedingungen liberalisiert .
Keine Liberalisierungspflicht besteht für Transaktionen der
Liste D ( Depositen bei Finanzvermittlern und andere kurz­
fristige monetäre Operationen ). Der tatsächlich erreichte
Grad an Liberalisierung des Kapitalverkehrs ist in den
einzelnen Gemeinschaftsländern recht verschieden . Eine
Reihe von Mitgliedstaaten hat praktisch alle in den Listen C
und D aufgeführten Transaktionen liberalisiert . Drei Mit­
gliedstaaten (Frankreich , Italien und Irland ) mußten demge­
genüber die im Vertrag vorgesehenen Schutzklauseln in
Anspruch nehmen , um eigentlich bedingungslos liberalisierte
Transaktionen einschränken zu können . Im Dezember 1984
hat die Kommission diese Abweichungen überprüft und sie
für einen begrenzten Anwendungsbereich befristet erneuert
( ABl . Nr. L 8 vom 10 . 1 . 1985 ). Außerdem untersucht die
Kommission gemeinsam mit dem währungspolitischen Aus­
schuß gegenwärtig eine neue Richtlinie , die die Verpflichtun­
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 37
gen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine Liberalisierung
gewisser in Liste C enthaltener Transaktionen erweitert .
logien zu fördern ('). Er könnte zudem ein zunehmend
wichtiger werdendes Element der Entwicklung der Nach­
frage und der Wirtschaftstätigkeit werden .
Die Einrichtung eines effizienten Netzes von Finanzdienst­
leistungen in den Bereichen Kredit , Versicherung ( außer
Lebensversicherung) und Börse kann dadurch unterstützt
werden , daß die Niederlassungsfreiheit und eine von Diskri­
minierungen freie grenzüberschreitende Erbringung finan­
zieller Dienstleistungen garantiert werden .
Im Bereich der Telekommunikation sind Gremien zur Kon­
Die Rationalisierung der einheimischen Finanzmärkte sollte
mit der Aufhebung der Kontrollen des Kapital- und Dienst­
leistungsverkehrs Hand in Hand gehen . Zur Harmonisierung
der nationalen Vorschriften über die Tätigkeit der Finanz­
vermittler wurde zwar einiges getan , doch sollte den regula­
tiven und allokativen Aspekten der inländischen Finanz­
märkte größere Bedeutung beigemessen werden .
einstimmung erzielt werden könnte , um für Europa wichtige
Infrastrukturprojekte in diesem Bereich konzipieren zu kön­
zertierung von Kommission , Mitgliedstaaten , Industrie und
nationalen Postverwaltungen geschaffen worden . Die bishe­
rigen Bemühungen führten dort zu einer Präzisierung der
gemeinsamen Erwartungen bezüglich der Entwicklung von
Telekommunikationsnetzen und -diensten und der grund­
legenden Ziele , über die innerhalb der Gemeinschaft Uber­
nen .
Dies geschieht insbesondere im Fall der Bereitstellung zen­
traler Teile eines grenzüberschreitenden Telekommunika­
tionsnetzes als Grundlage künftiger integrierter Breitband­
kommunikation ( IBC — „integrated broadband communica­
tions"), die 1995 zur Verfügung stehen könnte .
Unternehmen und Institutionen der Gemeinschaft haben die
Euromärkte benutzt , um die Nachteile enger nationaler
Märkte zu vermeiden . In letzter Zeit , wo die Verwendung
des Dollar ein großes Risiko mit sich bringt , hat der Markt
zunehmend auf die ECU zurückgegriffen , die gegenüber den
Mitgliedswährungen nur geringfügig schwankt und keinen
rein nationalen Kontrollen unterliegt . Die ECU ist deshalb
für Kapitaltransfers innerhalb der Gemeinschaft gut geeig­
net .
Auf seiner Mailänder Tagung vom Juni 1985 hat der
Europäische Rat das Weißbuch der Kommission über die
Vervollkommnung des Binnenmarktes begrüßt und den Rat
beauftragt, ein Arbeitsprogramm zu erstellen, mit dem das
Binnenmarktziel bis spätestens 1 992 erreicht werden kann .
Die Wege, auf denen dieses Ziel erreicht werden kann, sind:
i) Aufhebung physischer Beschränkungen; ii) Aufhebung
fiskalischer Hemmnisse; iii) Aufhebung technischer Hemm­
nisse (insbesondere für neue Technologien); iv) Schaffung
eines freien Marktes für finanzielle und Transportdienstlei­
stungen; v) liberalisiertes Niederlassungsrechtfürfreie Beru­
fe; vi) Liberalisierung des Kapitalverkehrs . Die Integration
und Modernisierung der europäischen Finanzmärkte sollte
durch die Rationalisierung der heimischen Finanzmärkte und
die Förderung der ECU auf den Kredit- und Kapitalmärkten
verfolgt werden . Dieser Prozeß wird durch das dynamischere
Wachstum erleichtert werden, was durch die allgemeine
wirtschaftspolitische Strategie gefördert wird. Dadurch wird
die soziale Dimension mit anderen spezifischen Maßnahmen
weiter verstärkt.
Die für dieses Projekt erforderlichen Investitionen werden
auf 3 Milliarden ECU geschätzt . Zur Zeit werden Studien zur
detallierten Projektspezifikation angefertigt . Die Verwirk­
lichung dieses Vorhabens setzt jedoch ein gegenseitiges
Einvernehmen der zuständigen öffentlichen Instanzen und
Postverwaltungen voraus .
Die Kommission wird Vorschläge bezüglich der Nutzung des
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ( EFRE )
machen , um zur Modernisierung der Telekommunikation in
den benachteiligten Regionen der Gemeinschaft beizutra­
gen .
Für das Transportwesen liefert das von der Kommission
vorgeschlagene mittelfristige Infrastrukturprogramm bereits
einen Rahmen für die Entwicklung von drei Verkehrsnetzen
von gemeinschaftlichem Interesse : Straße , Schiene und Bin­
nenwasserstraßen . Es handelt sich um Investitionen von über
20 Milliarden ECU . Dieses Programm umfaßt sowohl kleine
und mittelgroße Projekte , von denen einige bereits begonnen
wurden und von der Gemeinschaft über den EFRE und die
Europäische Investitionsbank ( EIB ) sowie spezifische Kre­
dite für die Unterstützung der Verkehrsinfrastruktur im
gemeinschaftlichen Interesse ( Haushaltsposition 5 8 1 )
finanziell unterstützt werden , als auch einige große Vorha­
ben . Die Finanzierung dieser Projekte wird natürlich von der
jeweiligen Größe und Art der Investitionen abhängen. Viele
der kleineren Projekte dürften bereits in den nationalen
staatlichen Investitionsprogrammen berücksichtigt sein und
von Gemeinschaftsmitteln unterstützt werden . Für die Groß­
projekte muß die Finanzierung noch gesichert werden .
III . 3.2 . Infrastrukturvorhaben von europäischem Interesse
und Finanzierung der Infrastruktur
Die Erweiterung des Binnenmarktes erfordert auch die
Verfügbarkeit einer entsprechenden Infrastruktur . Die Kom­
mission hat in ihrem Programm für 1985 die Vorteile
herausgestellt , die mit einer koordinierten Strategie für die
Infrastruktur verbunden wären . Ein solcher Ansatz würde
erheblich zu dem Ziel beitragen , den Binnenmarkt zu
vereinheitlichen , die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu
stärken , die Randregionen zu integrieren und neue Techno­
Hinzu kommen zwei Großvorhaben , zum einen die Hochge­
schwindigkeitsstrecke Paris—Köln , deren Kosten auf unge­
fähr 3 Milliarden ECU veranschlagt worden sind . Eine
„überstaatliche Gruppe" ist eingesetzt worden , um die
Anforderungen , die Zuständigkeiten der betreffenden Par­
teien und den etwaigen Finanzierungsplan zu präzisieren .
Der endgültige Bericht wird im März 1986 erwartet . Zum
( 1 ) Die Notwendigkeit beschäftigungsfördernder Infrastrukturinve­
stitionen in den Bereichen Verkehr , Telekommunikation und
Umweltschutz wurde in mehreren Entschließungen des Parla­
ments betont . ( ABl . Nr . C 122 vom 20 . 5 . 1985 , S. 59 , Absatz F
und Dok . B2-103 / 85 , Absatz 1 Buchstabe a )).
Nr . L 377 / 38
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
anderen handelt es sich um die Verkehrsverbindung unter
dem Ärmelkanal , deren Kosten je nach Art des Vorhabens
zwischen 3 und 9 Milliarden ECU schwanken . Im April 1985
haben die französische und die britische Regierung Leitlinien
veröffentlicht , damit interessierte Projektträger bis zum
31 . Oktober 1985 einen Vorschlag zur Finanzierung , Durch­
führung und Nutzung des Projekts vorlegen können . Diese
Arbeiten könnten somit Ende 1986 beginnen ; die Fertigstel­
lung ist für 1992 / 93 vorgesehen .
Längerfristig werden weitere Vorhaben im Straßen- und
Eisenbahnverkehr ins Auge gefaßt , insbesondere die Auto­
bahnverbindung nach Skandinavien über Dänemark und die
Ostseemeerengen , die Verbindung zwischen Venedig und
München mit den entsprechenden Alpentunneln und derglei­
chen . Im Bereich des Umweltschutzes ist ein Investitions­
programm notwendig , um die Lebensqualität zu verbessern
und um die Grundlage für zukünftiges Wirtschaftswachstum
zu bewahren . Die Schäden , die durch Luftverschmutzung
hervorgerufen werden , können nur durch erhebliche Investi­
tionen in Großfeuerungsanlagen vermindert werden . In
vielen Mitgliedsländern sind Investitionen in die Abwas­
seraufbereitung für eine Verbesserung der Wasserqualität
entscheidend . Die Abfallaufbereitung und deren Wiederver­
wendung würde sowohl die Umweltqualität verbessern als
auch die Rohstoffabhängigkeit der Gemeinschaft verringern .
Derartige Investitionen , die zu der Entwicklung von neuen
Produkten führen , würden nicht nur die Lebensqualität
31 . 12 . 85
schaft die administrativen und gesetzlichen Rahmenbedin­
gungen für Infrastrukturinvestitionen verbessern und verein­
fachen kann .
Neben der herkömmlichen Art der Infrastrukturfinanzierung
sind neue Finanzierungsformen denkbar , bei denen vor allem
die von den Projektträgern geforderten Sicherheiten reduziert
werden oder sich diese Sicherheiten auf die Vermögenswerte
des Vorhabens statt auf die des Projektträgers stützen
( Formel des Typs „Projektfinanzierung" oder vorrangige
Abtretung der Einnahmen ). Da die für diesen Investitionstyp
notwendige Finanzierungsplanung eine Kombination aus
Kapitalbildung , Inanspruchnahme von Anleihemärkten und
Bankdarlehen in unterschiedlichem Verhältnis erfordert ,
sollte die Beteiligung der Gemeinschaft neue und herkömm­
liche Finanzierungstechniken miteinander verbinden .
Drittländern schaffen .
Mehrere große Infrastrukturvorhaben von gemeinschaft­
lichem Interesse, vor allem in den Bereichen der grenzüber­
schreitenden Verkehrswege, der Telekommunikation und
des Umweltschutzes, stellen ein beträchtliches wirtschaft­
liches Potential dar. Für die Gesamtwirtschaft würde es sich
um zwar bescheidene aber nützliche Beiträge zum Wachstum
handeln . Die Gemeinschaft sollte Fortschritte bei der Ver­
wirklichung der Vorhaben unter anderem durch die Erleich­
terung administrativer und steuerlicher Voraussetzungen
und durch den Ausbau ihrer eigenen Finanzinstrumente
fördern und damit in den nächsten fünfJahren ein nützliches
dynamisches Element zur wirtschaftlichen Entwicklung der
Gemeinschaft beisteuern.
Insgesamt würde somit das mittelfristig in Erwägung zu
ziehende Infrastrukturprogramm ein Investitionsvolumen
III . 3.3 . Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes
verbessern , sondern auch Märkte für neue Produkte in
von 30 bis 45 Milliarden ECU über einen Zeitraum von 5 bis
7 Jahren darstellen .
Diese Infrastrukturvorhaben haben selbstverständlich nicht
alle das gleiche Entwicklungsniveau erreicht . Die Gemein­
schaft kann die größeren Projekte auf verschiedene Weise
erleichtern : Indem sie die bereits unterbreiteten Vorschläge
unterstützt ; indem sie die administrativen und steuerlichen
Voraussetzungen erleichtert ; indem sie die Initiative für die
Zusammenführung der Interessenten ergreift ; indem sie die
erforderlichen Durchführbarkeitsstudien finanziert .
Gleichzeitig hat die Kommission geprüft , wie sie die Palette
der ihr zur Verfügung stehenden Finanzinstrumente einset­
zen oder anpassen kann und auf welche Weise die Gemein­
Da die Bedingungen für eine Zunahme der Beschäftigung in
der Volkswirtschaft dringend verbessert werden müssen ,
widmen sich die Regierungen und die Sozialpartner gegen­
wärtig verstärkt der Aufgabe , den Arbeitsmarkt effizienter zu
gestalten . Dies heißt , daß der europäische Arbeitsmarkt an
den Strukturwandel , vor allem an die Einführung neuer
Technologien , und an die Konkurrenz seitens der Vereinig­
ten Staaten und Japans sowie auch seitens der Schwellenlän­
der angepaßt werden muß .
Im letzten Jahreswirtschaftsbericht hat die Kommission
Beispiele von Arbeitsmarktregulierungen aufgezeigt , die inef­
fizient oder so konzipiert waren , daß sie der Beschäftigung
abträglich waren .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 39
TABELLE 10
Investitionsfinanzierung der Europäischen Gemeinschaft durch Aufnahme von Anleihen
auf den Kapitalmärkten und Weiterverleihung der Mittel
(in Millionen ECU}
( 1985 )
1983
1984
4 256
5 013
EGKS
778
825
Euratom
366
186
1 212
1 181
6 612
7 206
7 400 bis 7 700
1 938
2 850
2 700 bis 2 900
1 263
1 860
1 900 bis 2 100
Infrastruktur
2 241
2 344
2 250 bis 2 300
Energie
2 433
2 012
2 450 bis 2 500
6 612
7 206
7 400 bis 7 700
Schätzwert
Kreditgewährung nach Institution oder
Kreditmechanismus
Europäische Investitionsbank :
Kommission :
Neues Gemeinschaftsinstrument
ZUSAMMEN
Kreditgewährung nach Sektor oder Zielbereich
Privatindustrie :
davon : Globaldarlehen an mittelständische
Unternehmen
ZUSAMMEN
Quelle: Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Bericht der Kommission an den Rat und das
Europäische Parlament über die Anleihe- und Darlehenstätigkeit der Gemeinschaft im Jahre
1984“, ( KOM(85 ) 213 endg .), Mai 1985 .
Die Kommission verlangte , man solle die Arbeitsmarktregu­
lierungen überprüfen , um sowohl mehr Chancengleichheit
beim Zugang zur Beschäftigung als auch einen effizienteren
Einsatz der Arbeitskräfte in den Unternehmen zu gewährlei­
sten .
Die Regierungen einiger Mitgliedstaaten haben in letzter Zeit
eine Reihe von Maßnahmen ergriffen in der Absicht , die
Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu verbessern . So
wurden beispielsweise in Deutschland neue Bestimmungen
erlassen , die vermehrt befristete Arbeitsverträge ermöglichen
und die Teilzeitarbeit fördern . In Frankreich hat man die
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik untersucht gegenwärtig
diese Frage , und zwar in Verbindung mit Problemen des
Arbeitsmarktes und anderer Märkte . Dabei wird nicht nur
auf die oben erörterte Frage der Löhne und Lohnnebenko­
sten , sondern auch auf das Problem der Arbeitsmarktregu­
lierungen , der Mobilität , der Ausbildung und einer flexible­
ren Nutzung der Arbeitszeit hingewiesen .
In Verbindung mit den Mitgliedstaaten und den Sozialpart­
nern nimmt die Kommission zur Zeit eine umfassende
Prüfung der Rechtsvorschriften und Tarifvereinbarungen in
diesen Bereichen vor . Eine Gruppe von Sachverständigen
untersucht die Einstellung der Sozialpartner und der Regie­
rungen zum Problem der Arbeitsmarktflexibilität . Eine
Mitteilung an den Rat wird erarbeitet .
Verantwortlich für die Anpassungsfähigkeit des Arbeits­
marktes sind in erster Linie die Sozialpartner . In den Fällen ,
wo staatliche Regelungen eine große Rollen spielen , sollten
spezifische Vorschläge zu ihrer Änderung — vor allem
bezüglich der Dauer der Beschäftigung oder der Kündigungs­
bedingungen — uneingeschränkt mit den Sozialpartnern
diskutiert werden . Die Regierungen sollten auch überprüfen ,
inwieweit sie selbst das Funktionieren des Arbeitsmarktes
durch komplizierte Verwaltungsvorschriften , die sie den
Arbeitgebern auferlegen , behindern .
Regelungen über befristete Verträge gelockert , um die
Einstellung von Langzeitarbeitslosen zu fördern , und es
wurden Maßnahmen zugunsten der Teilzeitarbeit getroffen .
In Italien wurden die Regeln , die die Wahlmöglichkeit der
Arbeitgeber bei der Einstellung von Arbeitskräften ein­
schränken , gelockert.
Ein anderer wichtiger Faktor , der die Anpassungsfähigkeit
des Arbeitsmarktes behindert , sind Unzulänglichkeiten bei
den Arbeitsämtern und den Ausbildungsstellen angesichts
der derzeitigen und künftigen Erfordernisse des Arbeits­
marktes . Zur Behebung dieser Defizite ist eine Zusammen­
arbeit von Vertretern der Regierungen mit den Sozialpart­
nern auf lokaler , regionaler und nationaler Ebene erforder­
lich . Die Kommission führt zur Zeit ein Programm von
Konsultationen durch , um ein solches zukunftsorientiertes
Arbeitsmarktmanagement in der Gemeinschaft zu fördern .
Die Regierungen sollten ihrerseits prüfen , ob die Struktur
und Organisation ihrer Arbeitsverwaltungen den sich schnell
ändernden Anforderungen des Marktes gewachsen sind .
Zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit des Arbeits­
marktes gehört auch eine Umgestaltung der bisherigen
Arbeitsrahmenbedingungen , vor allem der Arbeitszeit , und
zwar in einer Weise , die weitestgehend kostenniveauneutral
ist . Die Umgestaltung und Verkürzung der Arbeitszeit kann
so konzipiert werden , daß sie maximale Beschäftigungseffek
Nr . L 377 / 40
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
te erbringt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und die
sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer wahrt . Tariflich
vereinbarte Arbeitszeitverkürzungen in Frankreich , Belgien ,
den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland sind
oft mit einer Neueinteilung der Arbeitsstunden einhergegan­
gen , die einen effizienteren Einsatz der Produktionsanlagen ,
insbesondere technisch fortgeschrittener Maschinen auf
expansiven Märkten , ermöglicht . Die traditionellen Abgren­
zungen zwischen täglicher Vollzeitarbeit , Schichtarbeit in
ihren verschiedenen Formen , Teilzeitarbeit während
bestimmter Zeiträume , Uberstundenarbeit usw . haben sich
etwas verwischt . Neben der herkömmlichen Vollzeitarbeit in
einer Standard-Arbeitswoche , die für die Mehrheit der
Beschäftigten nach wie vor gilt , gibt es mehr und mehr
sogenannte flexiblere Arbeitsverträge , die sowohl den Wün­
schen der Arbeitnehmer als auch den Erfordernissen der
Produktion gerecht werden können . Im Industriesektor
haben solche Maßnahmen dazu beigetragen , Arbeitsplätze
zu erhalten , die sonst verlorengegangen wären . Im Dienstlei­
stungssektor ist die Zunahme der Beschäftigung durch diese
Maßnahmen verstärkt worden . In einigen Bereichen , zum
Beispiel im Einzelhandel , könnte die Zahl der Beschäftigten
trotz eines schrumpfenden Arbeitsvolumens steigen , da die
Teilzeitarbeit an Bedeutung gewinnt .
Im Rahmen des Tarifabschlusses in der deutschen Metallin­
dustrie , mit dem die durchschnittliche wöchentliche Arbeits­
zeit von 40 auf 38,5 Stunden verkürzt wurde , haben rund
70 % der Unternehmen Vereinbarungen zur Beibehaltung
der Maschineneinsatzzeit abgeschlossen . Bei den Betriebs­
vereinbarungen gibt es verschiedene Formen . In Frankreich
haben mehr als 500 Unternehmen , zumeist im Rahmen von
Solidaritätsverträgen , die Arbeits- und Produktionszeit im
Einvernehmen mit den Gewerkschaften neu organisiert . Das
Ergebnis war oft eine wesentlich höhere Auslastung der
Anlagen . In Belgien und den Niederlanden gab es ebenfalls
zahlreiche Neuerungen in der Arbeitszeitregelung . Eine
kürzlich für die Kommission angestellte Erhebung hat
erbracht , daß ein großer Teil der Arbeitskräfte bereit wäre ,
neue Arbeitszeitregelungen in Erwägung zu ziehen .
Eine Verbesserung der Anpassungsfähigkeit des Arbeits­
marktes bildet ein wichtiges Element einer Strategie zur
Förderung eines beschäftigungswirksameren Wachstums .
Dieses allgemeine Konzept hat in der Praxis viele Einzel­
aspekte, beispielsweise die neben den Löhnen geltenden
Beschäftigungsbedingungen, die Gestaltung und Verkürzung
der Arbeitszeit und die Anpassung der Fertigkeiten und des
Arbeitsmusters an die neuen Technologien . Dieser Aspekt
sollte jedoch vor der Notwendigkeit gesehen werden, daß
Kostenerhöhungen zu vermeiden sind. Die Regierungen
haben zu prüfen, ob Rechtsvorschriften das Funktionieren
des Arbeitsmarktes behindern . Den Sozialpartnern obliegt
die entscheidende Rolle bei der Aushandlung günstiger
Bedingungen für eine Strategie beschäftigungswirksamen
Wachstums . Das allgemeine Ziel ist es, nach einem verbes­
serten Funktionieren des Arbeitsmarktes zu suchen, das mit
einem Maximum an wirtschaftlicher Effizienz und mit
sozialen Werten wie Gerechtigkeit und Sicherheit vereinbar
ist.
III . 3.4 . Spezifische Beschäftigungsprogramme
Der Prozeß des Abbaus der Arbeitslosigkeit mit Hilfe
makroökonomischer Maßnahmen der Wirtschaftspolitik
31 . 12 . 85
wird sich über mehrere Jahre erstrecken . In der Zwischenzeit
müssen daher nach wie vor spezifische Beschäftigungsmaß­
nahmen getroffen werden . Besonders gravierend ist die hohe
Arbeitslosigkeit in alten Industriegebieten mit schrumpfen­
der Beschäftigung und in unterentwickelten Gebieten , die
niemals eine sich selbst tragende Industriealisierung erreicht
haben . Ihre Auswirkungen zeigen sich auch in der sehr hohen
Jugendarbeitslosigkeit (die Arbeitslosenquote ist bei Jugend­
lichen dreimal so hoch wie bei Erwachsenen) und in der
steigenden Anzahl von Langzeitarbeitslosen ( 39 % aller
Arbeitslosen sind länger als 1 Jahr ohne Arbeitsplatz ).
Die Kommission hat bereits in ihrer Mitteilung zur Langzeit­
arbeitslosigkeit von 1984 (*) Leitlinien für vorübergehende
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vorgeschlagen . Sie hat
damals unterstrichen , daß befristete Beschäftigungspro­
gramme in Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen
Behörden aufgestellt und damit auf die jeweiligen Bedürf­
nisse zugeschnitten werden müssen . Derartige befristete
Beschäftigungsmaßnahmen müssen öffentlich finanziert
werden , doch sind daran oft auch Einrichtungen auf freiwil­
liger Basis oder nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete
Unternehmen beteiligt . Die Nettofinanzkosten für die Staats­
haushalte sind in der Regel gering, da ein hoher Prozentsatz
der Arbeitslosen , die in befristete Beschäftigungsprogramme
einbezogen werden , bereits Arbeitslosengeld oder eine ande­
re Form sozialer Unterstützung erhält .
Viele Mitgliedstaaten haben solche befristeten Beschäfti­
gungsprogramme speziell für besondere Gruppen von
Arbeitslosen entwickelt . In Deutschland beispielsweise sind
Alt Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ( ABM ), die bis zu 1 Jahr
lang laufen , für schwer vermittelbare Arbeitslose gedacht ,
die Arbeitslosengeld beziehen . Die Regierung trägt 60 bis
100 % der Kosten . In Frankreich können Jugendliche zwi­
schen 18 und 21 Jahren im Rahmen der „TUC-Programme
(Travaux d'Utilite Collective — Arbeitsplätze mit Nutzen für
die Gemeinschaft) und über „Solidaritätsverträge" zwischen
den lokalen Behörden und Organisationen ohne Erwerbs­
charakter einen gemeinnützigen Arbeitsplatz erhalten . Hier­
zu gehört auch eine Berufsausbildung, wobei die Regierung
einen Beitrag zu den Kosten leistet. Im Vereinigten König­
reich ist das „ Community Program " für erwachsene
Langzeitarbeitslose gedacht. Die Regierung zahlt einen
Lohnzuschuß . Von diesen verschiedenen Programmen pro­
fitieren im Jahre 1985 in jedem der drei genannten Länder
etwa 100 000 Personen .
Ganz allgemein haben derartige Programme eine Reihe von
Vorteilen gegenüber anderen öffentlichen Arbeitsbeschaf­
fungsmaßnahmen ( begrenzte Substitutionseffekte , gezieltere
demographische und geographische Ausrichtung und gerin­
gere Kosten für den Haushalt). Trotzdem können sie zur
Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit nur einen relativ
geringen Beitrag leisten . Die Produktivität dieser Arbeits­
plätze ist wahrscheinlich verhältnismäßig gering und die
langfristigen Beschäftigungsaussichten der Teilnehmer wer­
den kaum gebessert , da ihnen hier nur wenig Berufsausbil­
dung vermittelt wird .
Eine andere spezifische Maßnahme in einer Reihe von
Mitgliedstaaten besteht darin , Arbeitslose , die sich selbstän­
dig machen wollen , zu unterstützen . Im allgemeinen geben
i 1 ) Kommission der Europäischen (jemeinscharten , „Maisnahmen
zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit", ( KOM(84 ) 484
endg .), 1984 .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
solche Maßnahmen den Arbeitslosen unter bestimmten
Nr . L 377 / 41
Voraussetzungen die Möglichkeit , ihr Arbeitslosengeld in
einen Pauschalbetrag zu kapitalisieren oder es , während sie
als Selbständige arbeiten , weiter zu beziehen oder auch
mehr fast 500 000 . Die Mitgliedstaaten unternehmen auch
große Anstrengungen , um den Jugendlichen während der
Schulzeit die Grundbegriffe der neuen Informationstechno­
logien zu vermitteln und den Lehrplan — selbst in nichttech­
beides miteinander zu kombinieren . In Frankreich zum
nischen Fächern — stärker auf das Berufsleben auszurichten .
Beispiel gewährt die Regierung Arbeitslosen , die sich selb­
ständig machen , eine Unterstützung . Im Vereinigten König­
reich und in Irland erhalten Arbeitslose , die auch einen
gewissen Betrag an eigenen Mitteln aufbringen können , eine
wöchentliche Zahlung . In den Niederlanden kann in der
Politiken im Bereich der Beschäftigung von Jugendlichen
sowie Ausbildungsprobleme sind kürzlich in einem Memo­
Anlaufzeit ein Darlehen und eine Einkommenszulage bis zur
Höhe der Sozialhilfe gewährt werden . In den meisten Fällen
sind die Zahlungen davon abhängig , daß die Betreffenden
eine bestimmte Zeit lang arbeitslos gewesen sind , oder sie
sind auf den maximalen Zeitraum des Bezugs von Arbeits­
losengeld begrenzt (gewöhnlich 12 Monate ).
Ortliche Behörden und Nichtregierungsorganisationen spie­
len bei der Entwicklung kleiner Unternehmen auf lokaler
Ebene eine entscheidende Rolle . In einer Mitteilung (') hat
die Kommission kürzlich auf die wesentliche Bedeutung eines
unterstützenden Umfeldes hingewiesen , das die Errichtung
von Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen
fördern und durch Information , Beratung und Hilfe erleich­
tern kann .
Eine grundlegende Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit
ist eine Aufgabe, die viele Jahre in Anspruch nehmen wird.
Deshalb müssen raschere Lösungen gefunden werden, um
der stärksten Konzentration der Arbeitslosigkeit, beispiels­
weise unter Jugendlichen und in wirtschaftlich schwachen
Räumen, abzuhelfen . In mehreren Ländern sind für solche
Gruppen und Gebiete Programmefür eine relativ kostengün­
stige Beschäftigung mit gemeinnützigen Tätigkeiten durch­
geführt worden. Ferner gibt es Programme, die Arbeitslosen
einen Anreiz bieten sollen, sich selbständig zu machen .
Derartige Programme müssen mit Hilfe öffentlicher und
privater örtlicher Organisationen ( Wirtschaftsunternehmen
und Einrichtungen ohne Erwerbscharakter) rasch getestet
und weiterentwickelt werden .
III . 3.5 . Bildung, Ausbildung und Technologie
Tempo und Ausmaß des technologischen Wandels lassen
einen neuen und dringenden Bedarf vor allem an einer
beträchtlichen Anzahl von Fachleuten und an einer Umschu­
lung von Erwachsenen entstehen , deren Arbeitsplätze von
diesem Wandel betroffen sind . Dieser Druck hat — zusam­
men mit dem starken Anstieg der Zahl von Jugendlichen , der
nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit und der anhaltenden
randum der Kommission untersucht worden ( 2 ).
Die Kommission bietet im Rahmen ihres Arbeitsprogramms
„Neue Informationstechnologien und Schulsysteme" ( 3 )
technische Unterstützung im Bereich der neuen Informa­
tionstechnologien und der Lehrpläne , bei der Lehrerausbil­
dung und auf dem Gebiet der Software und der Geräteaus­
stattungen .
Ein Parallelprogramm läuft im Bereich der Berufsbildung ( 4 ).
Nach den im April erlassenen neuen Leitlinien für die
Bewirtschaftung des Europäischen Sozialfonds mißt die
Kommission Ausbildungsprogrammen im Zusammenhang
mit der Einführung neuer Technologien Priorität bei .
Im Juli 1985 hat die Kommission Vorschläge für ein neues
Programm der Gemeinschaft zur Aus- und Weiterbildung im
Technologiebereich — COMETT — veröffentlicht ( 5 ). Die­
ses Programm soll in gemeinschaftlichem Rahmen die
Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft bei
der fortgeschrittenen Ausbildung in neuen Technologien
fördern . Es soll verhindern helfen , daß die Wettbewerbsfä­
higkeit der Industrie der Gemeinschaft durch Mangel an
hochqualifizierten Arbeitskräften beeinträchtigt wird , und
durch gemeinsame Ausbildungsprogramme auf dem Gebiet
spezialisierter Fertigkeiten „economies of scale" ermögli­
chen . Das Programm , das 1986 anlaufen soll , umfaßt: i )
Mittel für ein Gemeinschaftsnetz von Ausbildungspartner­
schaften Hochschule — Wirtschaft ; ii ) Zuschüsse an Studen­
ten , Akademiker , Manager , Gewerkschaftler usw . für Prak­
tika an Universitäten oder in Unternehmen in anderen
Mitgliedstaaten ; iii ) gemeinsame Ausbildungsvorhaben von
Unternehmen und Hochschulen aus verschiedenen Mitglied­
staaten mit dem Ziel , den Mangel an spezifischen Fachkräf­
ten zu beheben ; iv) gemeinsame Entwicklungsarbeit für ein
Europäisches Technologie-Fernunterrichtssystem . Sie wird
ergänzend dazu noch 1985 eine Mitteilung vorlegen , wo die
Gemeinschaft , vor allem durch den Einsatz von Datenverar­
beitung , den Zugang zu Bildung und Ausbildung erleichtern
und die Kosten / Nutzenrelation in diesem Bereich verbessern
kann .
Umstrukturierung der Industrie in der Gemeinschaft —
bereits wesentliche Veränderungen in den Bildungs- und
Ausbildungspolitiken der Mitgliedstaaten bewirkt .
Eine eindrucksvolle Entwicklung war beispielsweise die
rasche Ausweitung der Jugendausbildungsprogramme in den
letzten Jahren . Im Rahmen des deutschen Dualsystems
stehen jetzt pro Jahr rund 700 000 Lehrstellen zur Verfü­
gung ; das „Youth Training Scheme" des Vereinigten König­
reichs erfaßt jeweils mehr als 300 000 Teilnehmer , und in
Frankreich erreicht die Zahl der Ausbildungsplätze , die mit
Spezialmaßnahmen der Regierung unterstützt werden , nun­
( J ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Gemein­
schaftsaktion zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit — Beitrag
der örtlichen Beschäftigungsinitiativen", ( KOM(83 ) 662 endg .),
1983 .
Tempo und Ausmaß des technologischen Wandels lassen
einen neuen und dringenden Bedarf an technologischer
Aufgeschlossenheit der arbeitenden Bevölkerung auf allen
( 2 ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Internationa­
les Jahr der Jugend", ( KOM(85 ) 247 endg .), Juli 1985 .
( 3 ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Neue Infor­
mationstechnologien und Schulsysteme in den Europäischen
Gemeinschaften", ( KOM(84 ) 722 endg .), Juni 1984 .
( 4 ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Berufsbildung
und neue Informationstechnologien", ( KOM(85 ) 167 endg .),
April 1985 .
( 5 ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Aktionspro­
gramm der Gemeinschaften zur Aus- und Weiterbildung im
Technologiebereich", ( KOM(85 ) 431 endg .), Juli 1985 .
Nr . L 377 / 42
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
Ebenen entstehen . Angesichts dieser Erfordernisse und des
Problems der hohen Arbeitslosigkeit, vor allem unter den
Jugendlichen, werden entscheidende Veränderungen in den
Bildungs- und Ausbildungspolitiken der Mitgliedstaaten
vorgenommen . Wie jüngste Vorschläge der Kommission zur
Stahl, Schiffbau und Energiepolitik : Die Gemeinschaftspoli­
Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft bei
Rechnung tragen .
der Ausbildung in neuen Technologien in der Gemeinschaft
zeigen, kann die Gemeinschaft zu diesem Prozeß beitra­
gen .
tik in den Sektoren Stahl und Schiffbau zielt auf Umstruktu­
rierungen ab , die mit einem stärker marktorientierten Ansatz
in Einklang stehen und gleichzeitig den sozialen Auswirkun­
gen der rasch abnehmenden Bedeutung dieser Industrien
Die jüngsten Entscheidungen der Kommission im Stahlbe­
reich machen diesen allgemeinen Ansatz deutlich ( 2 ). Ziel
dieser Entscheidungen ist der weitere Abbau von Kapazitäten
im Rahmen einer stärker am Markt ausgerichteten Politik
und die gleichzeitige Verstärkung der Maßnahmen zur
Linderung der sozialen Folgen der Umstrukturierung . So
Technologie und
werden alle Investitions- und Betriebsbeihilfen nach Jah­
Die Anpassung und die Verbesserung der Industriestruktu­
ren , die technologische Entwicklung und die Gründung
neuer Unternehmen gehören zu den Hauptzielen der
dere staatliche Beihilfen werden nur für Umweltschutzpro­
III . 3.6 . Sektorale Wirtschaftspolitik,
Unternehmen
Gemeinschaftspolitik . Bezüglich der mit Überkapazitäten
konfrontierten Sektoren hat die Kommission Vorschläge in
mehreren Bereichen vorgelegt .
Landwirtschaft: Die auf den Märkten einiger landwirtschaft­
licher Erzeugnisse aufgetretenen Schwierigkeiten ( insbeson­
dere die Produktionsüberschüsse ) haben in den letzten Jahren
zu wesentlichen Änderungen der gemeinsamen Agrarpolitik
(GAP ) geführt .
Für wichtige Erzeugnisse wurden „Garantieschwellen" ein­
geführt , für Milch auch Quoten ; damit sind die vorher
unbegrenzten Stützungsgarantien begrenzt worden . Was die
Agrarpreisentscheidungen für 1985— 1986 anbetrifft , schlug
die Kommission ein Festhalten an ihrer zurückhaltenden
Preispolitik vor . Der Rat ist diesen Vorschlägen in großen
Teilen nicht gefolgt , insbesondere bei Getreide und Raps , wo
die Kommission eine nominale Preissenkung von 3,6 %
vorschlug und der Rat zu keiner Einigung kam . Für diese
Produkte mußte die Kommission folglich in eigener Verant­
wortung besondere Maßnahmen ergreifen . Die neue , 1984
und 1985 beschlossene Strukturpolitik vermeidet es , zur
Erzeugung von Uberschußprodukten zu ermutigen . Im Ein­
klang mit diesen Schritten zur Anpassung von Angebot und
Nachfrage nach Agrarerzeugnissen hat die Kommission ein
Grünbuch veröffentlicht , das verschiedene Optionen über
die Perspektiven für die GAP ( J ) aufzeigt und die Notwen­
digkeit einer stärker marktorientierten Preispolitik hervor­
hebt . Die Stützung der bäuerlichen Einkommen , die bisher
von der Preispolitik wahrgenommen wird , könnte künftig in
zunehmendem Maße durch produktionsneutrale Einkom­
menshilfe gesichert werden .
Um die notwendige Anpassung der europäischen Landwirt­
schaft zu unterstützen , plädiert das Grünbuch für Maßnah­
men zur erleichterten Strukturanpassung , zur Umstellung
auf wirtschaftliche alternative Produktionen sowie zur Schaf­
fung von zusätzlichem Einkommen bzw . zu alternativer
Beschäftigung für Bauern .
resende 1985 ausgesetzt ; das derzeitige Mindestpreissystem
für Stahlerzeugnisse entfällt und die Produktionsquotenrege­
lung wird über einen Dreijahreszeitraum auslaufen . Beson­
gramme , Forschung und Entwicklung sowie Betriebsstille­
gungen weiterhin zulässig sein .
Gleichzeitig sind zunehmende und besser koordinierte Aus­
gaben für regionale und soziale Programme in Gebieten
vorgesehen , die unter einem anhaltenden industriellen Nie­
dergang leiden .
Im Jahr 1985 hat die Kommission eine Studie über die
Aussichten für die Energiewirtschaft bis zum Ende des
Jahrhunderts veröffentlicht ; daran anschließend hat sie neue
Ziele für die Energiepolitik der Gemeinschaft für 1995
vorgeschlagen ( 3 ). Diese Ziele sollen sicherstellen , daß die
wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinschaft auf längere
Sicht nicht durch neue Energieprobleme untergraben wird .
Die Kommission legte außerdem eine Untersuchung vor , die
der Umstrukturierung des Sektors Ölraffinerien in der
Gemeinschaft gewidmet ist ; darin legte sie besonderes
Gewicht auf die Frage , wie sich die Lieferungen von verar­
beiteten Ölprodukten aus dem Mittleren Osten und aus
Nordafrika auswirken .
Technologie: Der wirtschaftliche Wohlstand Europas beruht
traditionsgemäß auf einer Industrie mit hohem Know-how
und hoher Wertschöpfung . Seine Führungsposition wurde
aber in zahlreichen Bereichen der Technologie mehr und
mehr untergraben , da es neuen Konkurrenten gelungen ist ,
viele bedeutsame Neuerungen schneller durchzusetzen . Der
Anteil der Zehnergemeinschaft an den Ausfuhren von Spit­
zentechnologieerzeugnissen der Industriestaaten der Welt
( OECD ) ist von 58 % im Jahre 1963 auf 43 % im Jahre 1983
gesunken ; der Anteil der USA ging im gleichen Zeitraum von
27 % auf 21 % zurück , während sich der Japans von 5 % auf
23 % erhöht hat .
Die auf eine Umkehr dieser Tendenzen gerichteten Bemü­
hungen haben sich in Europa in den letzten Jahren allmählich
konkretisiert , insbesondere durch die Konzipierung und
Verwirklichung weitreichender Forschungs- und Entwick­
lungsprogramme der Gemeinschaft wie das Europäische
Strategische Programm für Forschung und Entwicklung auf
( 2 ) Kommission der Europaischen Gemeinscharten , „Die Organisa­
tion des Stahlmarktes nach 1985", ( KOM(85 ) 382 endg .), Juli
1985 .
( J ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Perspektiven
für die gemeinsame Agrarpolitik", ( KOM(85 ) 333 endg .), Juli
1985 .
( 3 ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Energiepoiiti­
sche Ziele der Gemeinschaft für 1995", ( KOM(85 ) 245 ),
1985 .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
dem Gebiet der Informationstechnologien ( ESPRIT ) oder
das Programm für technologische Grundlagenforschung und
Anwendung neuer Technologien ( BRITE ). Im Telekommu­
nikationssektor , dem eine Schlüsselfunktion zur Verstär­
kung der Wettbewerbsfähigkeit in der Weltwirtschaft
zukommt , hat der Europäische Rat im Juli 1985 der
Konzeptionsphase des Programms RACE („Research in
Advanced Communication for Europe") zugestimmt .
Die Maßnahmen im Technologiebereich werden durch
Schritte ergänzt , die den europaweiten Markt schaffen
sollen , der erforderlich ist , um die Investitionen für Spitzen­
technologieprodukte zu amortisieren ( einheitliche Normen ,
Öffnung öffentlicher Ausschreibungen , usw .).
Auf seiner Tagung in Mailand im Juni 1985 gab der
Europäische Rat diesen Bemühungen einen neuen Impuls ,
indem er die Mitteilung der Kommission über die Stärkung
der technologischen Zusammenarbeit in Europa (') billigte
und das von der französischen Regierung vorgeschlagene
EUREKA-Projekt unterstützte .
Die Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat
„Auf dem Weg zu einer Technologiegemeinschaft" führt die
Palette der zu befolgenden organisatorischen Methoden
sowie mögliche wichtige Bereiche technologischer Fortschrit­
te auf, in denen die Gemeinschaft ihre Anstrengungen jetzt
fortsetzen sollte . Die allgemeinen Ziele sind a ) die optimale
Nutzung der Gemeinschaftsdimension eines Binnenmarktes
und des entsprechenden Netzes von Forschungseinrichtun­
gen ; b ) die Förderung der bestmöglichen Synergie zwischen
den Anstrengungen der Mitgliedstaaten und denen der
Gemeinschaft , möglicherweise mit Hilfe eines zusätzlichen
Beitrags der Gemeinschaft und der Beteiligung von Drittlän­
dern .
Gründung neuer Unternehmen und Vereinfachung bestehen­
der Regelungen : In mehreren Ländern der Gemeinschaft sind
jüngst Maßnahmen vorgeschlagen oder ergriffen worden ,
um Reglementierungen abzubauen und um damit die Kosten
für Kleinunternehmen , insbesondere bei der Unternehmens­
gründung , zu verringern . Es sollte festgehalten werden , daß
in der Gemeinschaft während der letzten Jahre die meisten
Arbeitsplätze in neuen Unternehmen geschaffen worden
sind . Klein- und Mittelbetriebe tragen daher wesentlich zur
Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Zukunft bei .
Die Überprüfung bestehender Regelungen bedeutet nicht ,
daß alle Vorschriften in Frage gestellt werden sollten . Es ist
vielmehr eine Frage der Vereinfachung und der Absicherung ,
daß die Art und Weise ihrer Anwendung kein Hindernis für
die Beschäftigung darstellt .
; 1 ) Kommission der Europäischen Gemeinscharten , „Memorandum
für eine Technologiegemeinschaft", ( KOM(85 ) 350 endg .), Juni
1985 .
Nr . L 377 / 43
Auf Gemeinschaftsebene prüft der Ausschuß für Wirtschafts­
politik parallel zu seinen Arbeiten über die Flexibilität auf
dem Arbeitsmarkt die Flexibilität der Waren- und Dienst­
leistungsmärkte , einschließlich der Auswirkungen von Vor­
schriften auf die Unternehmen sowie andere Aspekte der
staatlichen Intervention . Die Kommission beabsichtigt , vor
Jahresende 1985 , eine Mitteilung über die Reform der die
Unternehmen betreffenden Vorschriften und die Förderung
eines dynamischen Sektors kleiner upd mittlerer Unterneh­
men vorzulegen .
Die kleinen und mittleren Unternehmungen sind in besonde­
rem Maße von den ihnen gesetzten Rahmenbedingungen
abhängig , insbesondere was Steuern und Sozialabgaben
betrifft . Für diese Unternehmen ist der Zugang zu den
Kapitalmärkten im allgemeinen enger als für die großen
Kapitalgesellschaften ; sie sind daher in ihrer Investitionspo­
litik besonders auf die Möglichkeiten der Eigenfinanzierung
angewiesen . In den meisten Mitgliedstaaten berücksichtigt
die Einkommensteuergesetzgebung nicht diese Merkmale
kleiner und mittlerer Unternehmungen . Sie hat damit dazu
beigetragen , die Gründung neuer Unternehmungen zu beein­
trächtigen und das Wachstum existierender Unternehmun­
gen zu verlangsamen . Deshalb ist es angezeigt, daß die
Einkommensteuergesetzgebung in den Mitgliedstaaten auf
ihre Wirkung auf die kleinen und mittleren Unternehmungen
überprüft wird und daß gegebenenfalls , sowohl in der
Definition der Bemessungsgrundlage als auch in der Ausge­
staltung der Tarife, Vorkehrungen getroffen werden , um das
Beschäftigungspotential der kleinen und mittleren Unterneh­
mungen zu stärken .
Was die Unterscheidung zwischen privatem und öffendi­
chem Sektor anbelangt , so besteht eine der interessanten
Folgen des technischen Fortschritts darin , daß einige Berei­
che nicht mehr als herkömmliche „natürliche" Monopole
anzusehen sein dürften . Ein Beispiel ist das Fernmeldewesen ,
wo im Vereinigten Königreich eine Privatisierung und De­
regulierung stattgefunden hat (parallele oder ähnliche Ent­
wicklungen sind in den USA und Japan zu verzeichnen ) und
wo auch in Deutschland die Diskussion über die Rolle der
Bundespost auf dem Telekommunikationsmarkt begonnen
hat .
Die Kommission hat spezifische Vorschläge verabschiedet,
die entweder eine Verringerung der Produktionskapazitäten
in Sektoren wie Stahl und Schiffbau oder verstärkte Produk­
tionskontrolle in der Landwirtschaft beinhalten . Sie hat auch
Vorschläge für die Gründung einer „ Technologiegemein­
schaft" unterbreitet. Hand in Hand mit diesen sektoralen
Zielen gehen die zahlreichen Einzelinitiativen zur Verbesse­
rung der europäischen Rahmenbedingungen für die Grün­
dung und den Ausbau von Unternehmen .
IV . EUROPÄISCHE INTERESSEN IM RAHMEN DER WELTWIRTSCHAFT
IV . 1 . Das Welthandelssystem
Hinweise dafür, daß sich Protektionismus als Instrument der
Das Gedeihen der europäischen Wirtschaft hängt in hohem
Maße von einem offenen Welthandelssystem ab . In der
Wirtschaftstheorie und -praxis gibt es sehr überzeugende
allgemeinen Wirtschaftspolitik nicht bezahlt macht . Die
Abschirmung begrenzter Interessengruppen unter den Erzeu­
gern bietet kurzfristig Schutz für ihr Einkommen und ihre
Beschäftigung . Dagegen machen sich selbst auf kurze Sicht
Nr . L 377 / 44
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
andere , nachteilige Auswirkungen des Protektionismus
bemerkbar , während die langfristigen negativen Auswirkun­
gen sogar noch unvorteilhafter sind . Protektionismus hat den
Effekt steigender Verbraucherpreise und der Verminderung
der Realeinkommen sowie der realen Verbrauchsnachfrage
und damit auch der gesamtwirtschaftlichen Produktion und
der Beschäftigung . Handelt es sich bei den geschützten
Waren und Dienstleistungen um Vorleistungen , die in die
Produktion anderer Wirtschaftszweige eingehen , wie dies
Zusätzlich sind einige beunruhigende Entwicklungen in
Richtung auf protektionistische Maßnahmen im Kongreß
aufgetaucht , die allerdings im allgemeinen von der Regierung
abgelehnt worden sind . Japan könnte zur Verminderung des
protektionistischen Drucks sowohl in den USA als auch in
der EG hilfreich beitragen , wenn es sein erklärtes Ziel , den
Zugang zum japanischen Markt für Einfuhrgüter , insbeson­
dere gewerbliche Waren , zu erleichtern , rasch und nachhaltig
in die Tat umsetzen würde . Das US-Defizit und der japani­
häufig der Fall ist , dann büßen auch diese Wirtschaftszweige
auf den Weltmärkten an Wettbewerbsfähigkeit ein . Sie
sche Überschuß können jedoch nicht allein durch handels­
verlieren Aufträge und müssen Arbeitskräfte entlassen , es sei
denn , ihre Währung wird zum Ausgleich abgewertet . Bei
einer Abwertung sinkt jedoch der Lebensstandard , und das
Inflationsproblem verschlimmert sich noch , so daß die
halb setzt sich die Gemeinschaft für eine auf internationaler
Ebene stärker koordinierte Wechselkurs- und makroökono­
makroökonomische Politik restriktiver werden muß und
damit zu einer erneuten Abschwächung der realen Nachfrage
und der Produktion führt . Als Alternative hierzu müssen
Industriezweige mit nichtkonkurrenzfähigen Inputs aus
geschützten Sektoren versuchen , diesen Nachteil durch Sub­
stitution dieser Inputs ( z . B. Kunststoff anstelle von Stahl­
bauteilen ) oder durch Verlagerung ihrer Investitionen in
andere Länder zu umgehen , in denen diese Inputs wettbe­
werbsfähig sind ( z . B. investieren einige Biotechnologie-Fir­
men der EG außerhalb der Gemeinschaft , um sich die für ihre
Fertigungen benötigten Agrarerzeugnisse dort billiger zu
verschaffen ). Diese allgemeinen Argumente sind in offiziellen
Dokumenten der EG ( 1 ) sowie anderer Stellen , beispielsweise
der OECD ( 2 ), ausführlicher dargelegt worden .
politische Maßnahmen hinlänglich korrigiert werden . Des­
mische Politik ein . Dieser Standpunkt wird vom Ergebnis des
Treffens der Finanzminister und Zentralbankgouverneure
der Gruppe der Fünf im September 1985 unterstützt; bei
diesem Treffen wurde die Bedeutung der Aufrechterhaltung
eines angemessenen Nachfrageniveaus und die gemeinsame
Verantwortung sowohl für den Abbau der weltweiten Lei­
stungsbilanzungleichgewichte als auch für die Abwehr pro­
tektionistischer Tendenzen unterstrichen .
Die Gemeinschaft befürwortet auch die Teilnahme einer
möglichst großen Zahl von Schwellenländern an einer neuen
GATT-Runde . Mehrere Länder dieser Gruppe haben ein­
drucksvolle Erfolge auf den Ausfuhrmärkten errungen ,
gleichzeitig jedoch ihre eigenen Märkte durch äußerst hohe
Schranken geschützt . Weitere Liberalisierungsmaßnahmen
dieser Länder wären die notwendige Gegenleistung für ihren
erklärten Wunsch , in einer neuen Handelsrunde verbesserte
Aus diesen Gründen ist die EG für eine neue Runde
multilateraler Handelsgespräche . Vorbereitende Diskussio­
nen fanden im Laufe des Jahres 1985 statt . Es wird erwartet ,
daß der grundsätzliche Beschluß über die Aufnahme von
Verhandlungen demnächst gefaßt wird .
Die Liberalisierung des Handels und der Abbau des Protek­
Zugangsbedingungen zu den Weltmärkten zugestanden zu
bekommen . Schließlich hat die EG ihre Bereitschaft erklärt ,
bei einer neuen Runde auch über den Dienstleistungsverkehr
zu sprechen , und sie sucht aktiv nach einer Grundlage für
eine Einigung in dieser Frage mit den Entwicklungsländern ,
die zum Teil GATT-Verhandlungen in diesem Bereich mit
Skepsis oder Ablehnung begegnen .
tionismus können natürlich für die betroffenen Industrie­
zweige und für die arbeitende Bevölkerung, deren Arbeits­
plätze möglicherweise bedroht sind , während gleichzeitig
aussichtsreiche alternative Beschäftigungsmöglichkeiten feh­
len , mit Schwierigkeiten verbunden sein . Daher muß man
sich auf ein ausgewogenes Bündel von Handelsliberalisie­
rungsmaßnahmen einigen , da andernfalls die Anpassungsko­
sten ungerecht auf die einzelnen Welthandelspartner verteilt
sein könnten .
Die Gemeinschaft hat in der Erklärung des Rates vom
19 . März 1985 ihre Haltung zu einer neuen multilateralen
GATT-Runde erstmals dargelegt und anschließend am
8 . Juli ihre Gedanken zu den Verhandlungsthemen und
Hauptzielen der Gemeinschaft dem GATT schriftlich über­
mittelt . Die innerhalb von OECD und GATT eingegangenen
Verpflichtungen , keine weiteren protektionistischen Maß­
nahmen zu ergreifen und die bestehenden abzubauen , sollten
in die Praxis umgesetzt werden , ohne erst eine neue Verhand­
lungsrunde abzuwarten . In diesem Zusammenhang ist es
wichtig festzustellen , daß einige protektionistische Maßnah­
men ( z . B. bei Stahlerzeugnissen ) nach dem Gipfel von
Williamsburg von den Vereinigten Staaten ergriffen wurden .
( 1 ) Ausschuß für Wirtschaftspolitik der Kommission der Europäi­
schen Gemeinschaften , „ Stellungnahme zum Protektionismus",
Europäische Wirtschaft Nr . 19 , März 1984 .
( 2 ) OECD , „Costs of Protectionism ", 1985 .
Die Gemeinschaft befürwortet nachdrücklich eine neue
Runde multilateraler Handelsgespräche. In Verbindung mit
einer verbesserten Funktionsweise des Weltwährungssystems
wäre dies der am besten geeignete Rahmen für eine globale
Überprüfung der handelspolitischen Optionen, die unbe­
dingt vorgenommen werden muß, wenn die Bedrohungen
des multilateralen Handelssystems abgewendet werden sol­
len .
IV . 2 . Verbesserung des internationalen Währungssystems
Die internationale Währungsszene ist weiterhin von höchst
instabilen Devisenkursentwicklungen gekennzeichnet . So­
wohl der US-Dollar als auch das Pfund Sterling schwankten
nominal und real in der ersten Jahreshälfte sehr stark . Noch
schädlicher für die Weltwirtschaft insgesamt ist vermutlich
jedoch , daß die Wechselkurse der wichtigsten Währungen
dazu tendieren , sich nach und nach immer weiter von dem
Niveau zu entfernen , das als ihr langfristiger „Gleichge­
wichtskurs" betrachtet werden könnte . In den sechs Jahren
vom ersten Quartal 1979 bis zum ersten Quartal 1985 hat
der US-Dollar , gewichtet mit den Außenhandelsanteilen , real
63 % an Wert gewonnen ; allerdings ist zu berücksichtigen ,
daß der Dollar am Ausgangspunkt unterbewertet war .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Diese anhaltenden Verlagerungen haben zu einer Wechsel­
kursstruktur geführt , die mit einer stabilen Struktur des
internationalen Handels und der Kapitalströme unvereinbar
und auf mittlere oder lange Sicht deshalb nicht aufrechtzu­
erhalten ist . Überdies bewirken die infolge der Überbewer­
tung des US-Dollar hohen Marktanteile der Einfuhren in den
Vereinigten Staaten , daß sich ein gewaltiger protektionisti­
scher Druck aufstaut , der nunmehr das im Rahmen des
GATT errichtete und in der Nachkriegszeit entwickelte
liberale Welthandelssystem ernstlich zu unterminieren
droht .
Vor einem solchen Hintergrund ist es bedauerlich , daß die
Zehnergruppe ( der führenden Industrieländer ), die 1983 auf
der Gipfelkonferenz von Williamsburg damit beauftragt
wurde , nach Mitteln und Wegen zur Verbesserung der
Funktionsweise des internationalen Währungssystems zu
suchen , nicht in der Lage war , sich auf ein konkretes und
umfassenderes Programm zur Bewältigung des Problems der
instabilen Wechselkurse zu einigen . In Folge der Einigung der
Fünfergruppe vom 22 . September 1 985 scheint nun jedoch in
gewissem Umfang Einverständnis über die schädlichen Aus­
wirkungen von Fehlentwicklungen der Wechselkurse und
über den gegenwärtigen Spielraum für abgestimmte Maß­
nahmen zur Beeinflussung der Wechselkurse und anderer
Nr . L 377 / 45
laterale Überwachung der Wechselkurs-, Geld- und Wirt­
schaftspolitik der wichtigsten Länder wie der Vereinigten
Staaten und Japans ( sowie der einzelnen EG-Mitgliedstaa­
ten ) mit Blickrichtung auf besser abgestimmte Politiken
begrüßen . Wie bereits erwähnt , erwachsen dem Welthan­
delssystem ernste Probleme aus der Fehlanpassung der
Wechselkurse , die wiederum auf eine unzulängliche interne
und internationale Koordinierung der Währungs- und
Finanzpolitik zurückzuführen sind .
Die internationale Instabilität und Fehlanpassung der Wech­
selkurse hat zu einer offensichtlich nicht aufrechtzuerhalten­
den Struktur des Handels und der Kapitalströme geführt.
Bislang konnte sich die Zehnergruppe lediglich auf beschei­
dene prozedurale Vorschläge zur Verbesserung des Systems
einigen. Es ist äußerst schwierig, die durch die Wechselkurs­
turbulenzen verursachten Probleme allein mit der Handels­
politik aufzufangen. Deshalb drängt die Gemeinschaft par­
allel zu der neuen GATT-Runde auf Fortschritte bei der
Verbesserung des internationalen Währungssystems . Das
Treffen der Fünfergruppe im September 1 985 stellt hinsicht­
lich der Koordination von Wechselkursen und wirtschaftli­
cher Globalpolitik einen Schritt in die richtige Richtung
dar.
zentraler ökonomischer Größen in Hinblick auf die Korrek­
tur wichtiger Ungleichgewichte der Weltwirtschaft zu beste­
hen .
Das Hauptaugenmerk des im April veröffentlichten Berichts
der Zehnergruppe ( J ) richtete sich darauf, daß die multilate­
ralen Überwachungsverfahren verbessert werden müssen ,
um eine bessere Koordinierung und wechselseitige Konsi­
stenz zwischen der Politik der führenden Industrieländer zu
erreichen . Ob die in dem Bericht der Gruppe empfohlenen
prozeduralen Änderungen in dieser Hinsicht zu nennenswer­
ten Verbesserungen führen werden , bleibt abzuwarten .
Vielleicht ist die Zeit für die Einführung eines Systems von
„Zielzonen" für die Wechselkurse , bei dem jeweils interve­
niert werden müßte , wenn die Grenzen dieser Zonen erreicht
werden , noch nicht reif. Gleichwohl kann es von Nutzen
sein , sich ernsthaft mit der Frage auseinanderzusetzen , ob
nicht eine Zwischenstufe mit „ Richtzonen " in der Weise
IV . 3 . Europäischer Wirtschaftsraum
Die EG exportiert mehr in die übrigen westeuropäischen
Länder ( 26 % der gesamten EG-Ausfuhren ohne den inner­
gemeinschaftlichen Handel ) als in irgendeine andere Region
der Welt . Anfang 1984 haben die EG und die EFTA die
letzten Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen zwischen
den beiden Blöcken abgeschafft . Daran schloß sich im April
letzten Jahres eine gemeinsame Erklärung an , in der der
politische Wille zum Ausdruck gebracht wurde , die Zusam­
menarbeit zwischen EG und EFTA auszudehnen , und zwar
„mit dem Ziel , einen dynamischen europäischen Wirtschafts­
raum zu schaffen". 1985 wurden in einem gemeinsamen
Kommunique der Kommission und der EFTA-Länder die
politischen Bereiche genannt , mit deren Hilfe diese Beziehun­
gen in Zukunft weiter ausgebaut werden sollten . Die Kom­
vorgesehen werden könnte , daß bei Überschreiten der Gren­
mission veröffentlicht eine Mitteilung, in der im einzelnen
dargelegt wurde , wie dies ihrer Ansicht nach geschehen
zen Konsultationen anstelle von Zentralbankinterventionen
könnte ( 2 ).
ausgelöst würden . Das Treffen der Gruppe der Fünf vom
September 1985 stellt einen gewissen Fortschritt dar . Zum
ersten Mal seit mehreren Jahren ist es zu einer Übereinstim­
mung über die wünschenswerte Richtung des Wechselkurses
des Dollars und zu einer Bereitschaft gekommen , zu diesem
Zweck , falls nützlich , zusammenzuarbeiten .
Die Gemeinschaft jedenfalls ist überzeugt , daß die Existenz
des in den EWS-Regeln verkörperten Wechselkurszwangs zu
einer stärkeren Konvergenz der Politik und der wirtschaftli­
chen Ergebnisse der Mitglieder beigetragen hat . Die Institu­
tionen , die in einem eng verflochtenen Wirtschaftsraum wie
der Europäischen Gemeinschaft angemessen und wirksam
sind , können jedoch nicht ohne weiteres auf eine größere und
stärker differenzierte Ländergruppe übertragen werden .
Der Beseitigung einer Reihe technischer und verwaltungsmä­
ßiger Hindernisse für die Intensivierung der Handelsbezie­
hungen durch Vereinfachung der Grenzformalitäten und
Ursprungsregeln , wechselseitige Zusammenarbeit bei techni­
schen Standards und Vorschriften , gegenseitige Anerken­
nung von Testergebnissen und Bescheinigungen sollte höch­
ste Priorität eingeräumt werden .
Weitere Bereiche , in denen die Zusammenarbeit verstärkt
werden sollte , sind Forschung und Entwicklung , der Handel
mit landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen , das
öffentliche Beschaffungswesen , die Grenzkontrollen im Rei­
severkehr , Verkehrsprojekte und -politik , Umweltschutzpo­
litik sowie wirtschaftliche und monetäre Konsultationen . Die
Gleichwohl würde die Gemeinschaft eine wirksamere multi­
Gemeinschaft hat kürzlich Initiativen in mehreren dieser
(') Internationaler Währungsfonds , Ergänzung zum Bericht der
Gruppe der Zehn , „The Functioning of the International Mone­
tary System", IMF Survey , Juli 1985 .
( 2 ) Kommission der Europäischen Gemeinschaften , „Die Gemein­
schaft und die EFTA-Länder", ( KOM(85 ) 206 endg .), Mai
1985 .
Nr . L 377 / 46
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Bereiche ergriffen . So hat sie beispielsweise angeregt , daß die
neuen Programme zur Schaffung einer europäischen Tech­
nologiegemeinschaft auch anderen westeuropäischen Län­
dern zur Teilnahme offenstehen sollten . Der Rat ist dabei ,
den Europäischen Fonds für Währungspolitische Zusam­
menarbeit zu ermächtigen , bestimmten , nicht der Gemein­
schaft angehörenden Zentralbanken den Status von „Dritt­
haltern" offizieller ECU-Reserven einzuräumen . Von dieser
Regelung könnten einige EFTA-Länder Gebrauch machen .
Einige dieser Länder haben bereits damit begonnen ,
ECU-Guthaben aus privaten Transaktionen als Teil ihrer
Devisenreserven zu halten .
Bei der Öffnung des Handels zwischen EG und EFTA-Län­
dern ist man gut vorangekommen . Auf beiden Seiten ist man
sich nunmehr darin einig, daß auf diesen Errungenschaften
weiter aufgebaut werden soll. Die Gemeinschaft ist unter
Berücksichtigung ihrer eigenen Anstrengungen zur Vollen­
dung des Binnenmarktes und zur Vertiefung der wirtschaft­
lichen Zusammenarbeit bestrebt, den EFTA-Ländern eine
enge Beteiligung an den wirtschaftlichen Integrationsprozeß
Europas zu ermöglichen . Dabei sollten selbstverständlich
auch weiterhin die unterschiedlichen institutionellen Struk­
turen und Ziele von EG und EFTA respektiert werden . Die
EFTA-Länder könnten eingeladen werden, an der Durchfüh­
rung der kooperativen Wachstumsstrategie mitzuarbeiten .
Die gegenwärtigen Verhandlungen zur Anpassung des Frei­
handelsabkommens zwischen der Gemeinschaft und den
EFTA-Ländern sind aufgrund des Beitritts Spaniens und
Portugals notwendig geworden und haben eine weitere
Festigung und Ausweitung des Freihandelssystems in West­
europa zum Ziel.
IV . 4 . Internationale Zusammenarbeit bei der Anpassung
der Weltwirtschaft
Wie bereits erwähnt , muß die Wirtschaft der Vereinigten
Staaten mittelfristig gesehen eine größere Korrektur ihres
weiter steigenden Leistungsbilanzdefizits vornehmen . Un­
klar ist jedoch vorerst noch , wann und in welchem Ausmaß
diese Korrektur vorgenommen wird und wie sie herbeige­
führt werden soll . Zu dem Anpassungsprozeß werden zwei­
fellos Haushaltsrestriktionen und eine Konjunkturverlangsa­
mung sowie eine Abschwächung des Dollarkurses beitra­
gen .
Die Aussicht auf eine gewisse Anpassung in den Vereinigten
Staaten und deren mögliche Wirkungen werfen wichtige
Fragen für die internationale wirtschaftliche Zusammenar­
31 . 12 . 85
Wirtschaft auf einem angemessenen Wachstumspfad zu
halten . Wenn dies der Fall wäre , würde sich auch die Frage
stellen , ob die EG im Alleingang oder im Einvernehmen mit
einer größeren Anzahl von Ländern vorgehen würde .
Falls die Europäische Gemeinschaft im Alleingang versuchen
sollte , ihren Wachstumspfad abzustützen , während die
übrigen Regionen der Welt untätig zusehen würden , wie eine
Konjunkturverlangsamung in den USA ihre eigenen Wachs­
tumsraten nach unten drückt , könnte dies für die EG ein
substantielles Leistungsbilanzdefizit zur Folge haben . Bis zu
einem gewissen Grad könnte die EG eine Reduzierung des
Leistungsbilanzüberschusses oder sogar ein temporäres Defi­
zit verkraften . Jedoch kann die EG auf keinen Fall ein Defizit
in der Größenordnung desjenigen der USA zulassen . Das
massive Außendefizit der USA ist für die EG kein nach­
ahmenswertes Beispiel .
Auf der anderen Seite gäbe es für die EG Gründe , darauf zu
drängen , daß sich eine möglichst große Anzahl von Ländern
an den weltweiten Anpassungen beteiligt . In diesem Zusam­
menhang ist die Position Japans von besonderer Bedeutung.
Japan hat den größten Überschuß eines einzelnen Landes als
Gegenstück zu dem US-Defizit . Gegenüber der EG hat Japan
ebenfalls ernste Probleme , und zwar aufgrund einer unaus­
gewogenen Handelsstruktur . Eine internationale kooperati­
ve Aktion zur Abstützung der Weltkonjunktur sollte einen
überdurchschnittlich großen Beitrag Japans sowohl in Form
einer Aufwertung seines Wechselkurses als auch einer Aus­
weitung seiner Inlandsnachfrage umfassen . Falls dieser Bei­
trag sichergestellt wäre , wäre es durchaus möglich , die
weltweite kooperative Aktion weiter auszudehnen . Die
Europäische Gemeinschaft könnte den EFTA-Ländern nahe­
legen , sich der Initiative der EG anzuschließen . Japan und die
Schwellenländer im pazifischen Raum könnten ebenfalls
einen nützlichen Beitrag als Gegenleistung zum Abbau des
US-Außendefizits leisten . Die Vereinigten Staaten wiederum
könnten am meisten durch eine Senkung ihrer Zinssätze dazu
beitragen , was für die Wachstumsmöglichkeiten der hoch­
verschuldeten Entwicklungsländer vor allem in Lateinameri­
ka von besonders großer Bedeutung wäre .
Die Vermeidung einer Situation , in der ein Anpassungspro­
zeß in den USA zu einer ausgeprägten und allgemeinen
Abschwächung des Welthandels führt , ist ein wesentlicher
Faktor , damit der Anpassungsprozeß in den Entwicklungs­
ländern weiterhin in geordneten Bahnen abläuft . Dies wurde
auch in dem jüngsten Weltentwicklungsbericht der Weltbank
unterstrichen (*).
beit auf. Das Ziel bestünde offensichtlich darin , die notwen­
digen Anpassungen mit einem Mindestmaß an Konjunktur­
rückschlägen in den Vereinigten Staaten selbst ( was offen­
kundig im eigenen Interesse der Vereinigten Staaten läge ),
aber auch in der gesamten Weltwirtschaft zu erreichen . Eine
unkoordinierte Anpassung mit unweigerlichen Handelsbe­
schränkungen würde ohne Zweifel der Weltwirtschaft größ­
ten Schaden zufügen .
Vom Gesichtspunkt der Vereinigten Staaten aus betrachtet
wird das Niveau der inländischen Wirtschaftstätigkeit , bei
dem eine bestimmte Zahlungsbilanzkorrektur erreicht wer­
den kann , um so höher sein , je höher auch das Niveau der
Wirtschaftstätigkeit in der übrigen Welt ist . Vom europäi­
schen Standpunkt aus könnte es notwendig sein , wirtschafts­
politische Maßnahmen zu ergreifen , um die europäische
Die Weltbank legt vor allem „positive" und „negative"
Hypothesen für die Entwicklungsländer und die Industrie­
länder dar , die weitgehend mit den obigen Schlußfolgerun­
gen ( Abschnitt II . 2 ) hinsichtlich der potentiellen Vorteile
einer kooperativen Wachstumsstrategie übereinstimmen .
Die Einfuhrkapazität der Entwicklungsländer wird wesent­
lich davon beeinflußt , ob sie unter günstigen oder ungünsti­
gen Bedingungen in bezug auf Welthandelswachstum , Terms
of Trade und Zinsniveau operieren müssen . Für die Jahre von
1985 bis 1990 wird für die Einfuhren der Entwicklungslän­
der eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von
9,3 % im Falle der positiven Hypothese und von 2,5 % im
(') Weltbank , Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwick­
lung ( IBRD ), „Weltentwicklungsbericht 1985 ", Juli 1985 .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Falle der negativen Hypothese vorausgeschätzt . Die Bela­
stung durch den Schuldendienst würde sich für die Entwick­
lungsländer auf der Grundlage der negativen Hypothese auf
28 % erhöhen ; die Spanne würde somit von der Möglichkeit ,
daß das Schuldenproblem unter Kontrolle gebracht wird , bis
zu einer weiteren Zuspitzung der bisherigen Situation zu
Nr . L 377 / 47
Die Aussiebt auf eine umfangreiche binnen- und außenwirt­
schaftliche Anpassung der US-Wirtschaft in den nächsten
Welt auf einem angemessenen Wachstumspfad gehalten
werden soll. Die Europäische Gemeinschaft sollte während
dieses Zeitraums ihrer Verantwortung als große Wirtschafts­
region für die Erhaltung ihres eigenen, binnenwirtschaftlich
bedingten Wachstums gerecht werden. Wichtig ist aber auch,
daß Japan einen derartigen umfassenden Anpassungsprozeli
der Weltwirtschaft unterstützt, da sich andernfalls für die
Außenwirtschaftsbilanz der EG unannehmbare Risiken erge­
ben könnten . Ohne eine angemessene globale Kooperation
bestünde auch eine große Gefahr, daß der schwache Erho­
lungsprozeß der verschuldeten Entwicklungsländer gestoppt
Jahren wirft die Frage auf, wie die Wirtschaft der übrigen
wird .
einer echten Krise reichen . Im letzteren Fall wäre die Gefahr
für die Stabilität der Weltwirtschaft erheblich .
V. SCHLUSSFOLGERUNGEN : ZIEL , INSTRUMENTE UND METHODE
Im vorliegenden Bericht schlägt die Kommission dem Rat ,
dem Parlament und den Sozialpartnern die Leitlinien für eine
kooperative Wachstumsstrategie vor , die auf eine entschei­
dende Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der
Gemeinschaft bis zum Jahre 1990 abzielt . Die Durchführung
dieser Strategie ist notwendig , wenn die Arbeitslosigkeit
ohne Wiederaufleben der Inflation verringert werden soll . Sie
wird positive Ergebnisse bringen , wie immer auch die
internationale wirtschaftliche Entwicklung verläuft . Selbst­
verständlich wird ein günstiges Umfeld den Erfolg erleich­
tern . Die Gemeinschaft wird ein Signal mit erheblicher
Tragweite setzen , wenn sie sich für eine kooperative Wachs­
tumsstrategie entscheidet . Dies gilt vor allem angesichts der
Unsicherheit , die die gegenwärtige weltwirtschaftliche Ent­
wicklung charakterisiert und die aus den weiterhin bestehen­
den finanziellen Ungleichgewichten in den Vereinigten Staa­
ten sowie der kritischen Situation einiger großer , hochver­
schuldeter Entwicklungsländer herrührt . Der Vorschlag
kann wie folgt zusammengefaßt werden :
Ziel :
Die Gemeinschaft sollte sich klare Ziele für ihre Wirtschafts­
politik setzen . In diesem Bericht schlägt die Kommission eine
kooperative Strategie vor , um ein anhaltendes Wirtschafts­
wachstum von 3,5 % pro Jahr für die Jahre 1986 bis 1990 zu
erreichen . Dadurch würde eine Steigerung der Beschäftigung
von 1 ,5 % pro Jahr ermöglicht , wobei die Arbeitslosenquote
bis auf 7 % im Jahre 1990 sinken könnte . Das Wachstum
würde sich als beschäftigungswirksamer erweisen und somit
auch mit einer Stabilisierung der öffentlichen Haushalte
sowie einer Reduzierung der Inflationsrate vereinbar sein .
Ein derartiges Ergebnis wird aber nur dann realisierbar sein ,
wenn alle Partner den in der Strategie geforderten Beitrag
leisten und wenn sich die internationale Zusammenarbeit
zufriedenstellend entwickelt .
Instrumente :
jedoch auch Spielraum für ein rascheres reales Wachstum
bleibt . Höheres Wachstum wird auch dadurch erzielbar ,
daß man die Möglichkeiten ausschöpft , die sich aus der
internationalen monetären Entwicklung ergeben und
dies für einen weiteren Rückgang der Zinsen in Europa
nutzt .
— Eine Haushaltspolitik , die mikroökonomisch ein
beschäftigungswirksameres Wachstum fördert . Makro­
ökonomisch gesehen bestünde ein erstes Ziel darin , die
gegenwärtigen Ungleichgewichte zu korrigieren und
gleichzeitig , soweit dafür Spielraum besteht , die Ange­
bots- und Nachfragebedingungen zu verbessern . Da­
durch soll die Europäische Volkswirtschaft auf dem Pfad
eines „circulus virtuosus" von Investitionen , Wirtschafts­
wachstum und Schaffung neuer Arbeitsplätze vorange­
bracht werden . Im Rahmen der kooperativen Wachs­
tumsstrategie wären Steuerermäßigungen und höhere
Infrastrukturinvestitionen einige der wesentlichen anzu­
strebenden Maßnahmen .
— Ein mäßiger Anstieg der Reallöhne , um die Rentabilität
des Anlagekapitals zu erhöhen . In Verbindung mit der
Nachfragestützung wird dies auf gesamtwirtschaftlicher
Ebene ein Klima schaffen , das gleichzeitig mehr und
beschäftigungswirksamere Investitionen auslöst .
— Initiativen zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit des
Arbeitsmarktes , sowie zur kostenniveauneutralen Neu­
gestaltung und Verkürzung der Arbeitszeit sollten eben­
falls zu einem höheren Beschäftigungszuwachs je Pro­
zentpunkt des Wachstums beitragen .
— Eine verbesserte und umfassendere Politik , um den
Binnenmarkt der Gemeinschaft zu verwirklichen; Libera­
lisierung der inländischen Finanzmärkte sowie eine stär­
Kein Instrument allein reicht aus , um dieses Ziel zu erreichen .
ker marktwirtschaftlich orientierte Politik bei staatlichen
Jedoch fügt sich eine ganze Reihe politischer Initiativen aus
letzter Zeit in die kooperative Wachstumsstrategie ein . Ihre
Verwirklichung muß aber beschleunigt und noch dynami­
scher gestaltet werden , um einen hinreichenden Wandel im
gesamtwirtschaftlichen Wachstumspfad zu bewirken . Die
wichtigsten Elemente können wie folgt zusammengefaßt
Eingriffen in der Gemeinschaft , allerdings immer unter
Berücksichtigung der sozialen Dimension .
werden :
— Eine Geldpolitik , die so angelegt ist , daß bei der Infla­
tionsbekämpfung weitere Fortschritte erzielt werden ,
— Höhere Investitionen in das wirtschaftliche Potential in
Europa im weitesten Sinne , angefangen bei großen
Projekten von gemeinschaftlichem Interesse im Verkehrs­
und Fernmeldewesen , über Umweltschutzmaßnahmen
bis hin zu einer besseren Nutzung des technologischen
Potentials Europas .
Nr . L 377 / 48
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
— Eine internationale Politik , bei der die Gemeinschaft für
sowie höhere öffentliche Investitionen auf einzelstaatlicher
eine ständige Verbesserung des GATT-Handelssystems
und des internationalen Währungssystems eintritt und
und gemeinschaftlicher Ebene enthalten . Dieses Maßnah­
menbündel enthielte auch Vorschläge für eine international
koordinierte Aktion , um die Dynamik des Wachstumspro­
zusammen mit anderen Ländern so zusammenarbeitet ,
daß das Wachstum des Welthandels gestärkt wird und die
Verschuldungsprobleme der Entwicklungsländer gemil­
dert werden , während in den USA die unvermeidlichen
zesses zu verstärken . Auch sind deutliche Fortschritte bei der
Durchführung der im Weißbuch betreffend den Binnenmarkt
enthaltenen Kommissionsvorschläge notwendig.
Anpassungen stattfinden .
Methode :
Die Kommission vertritt die Auffassung , daß es zweckmäßig
wäre , als Methode ein schrittweises Vorgehen in der Weise
vorzusehen , daß die notwendigen Verpflichtungen am
Anfang klar genug bestimmt werden , um der Strategie zu
einem glaubwürdigen Start zu verhelfen und um den Dialog
zwischen allen Beteiligten zustandezubringen . Die nachfol­
genden Schritte könnten nach einer Erfolgskontrolle entspre­
chend der Wirtschaftsentwicklung und der Bedeutung der
Beiträge der einzelnen Beteiligten angepaßt werden .
Schritt 1 : Bis Ende 1985 werden die Gemeinschaftsorgane
und die Sozialpartner versuchen , ein Einvernehmen über die
Zielsetzungen und die notwendigen Initiativen der koopera­
tiven Wachstumsstrategie zu erzielen .
Schritt 2 : Ein erstes Maßnahmebündel wird im Jahr 1986
durchgeführt . Es würde vor allem makroökonomische Maß­
nahmen , Verpflichtungen der Sozialpartner im Hinblick auf
Einkommensentwicklung und zu Arbeitsmarktanpassungen ,
Schritt 3 : Nach einer Erfolgskontrolle der Ergebnisse des
zweiten Schrittes , würde ein zweites Maßnahmenbündel im
Jahre 1987 zur Bestätigung und Vertiefung des beschäfti­
gungswirksamen Wachstums durchgeführt werden . Einige
dieser Maßnahmen hängen von der wirtschaftlichen Ent­
wicklung in der Gemeinschaft und der Weltwirtschaft sowie
davon ab , ob alle von der kooperativen Wachstumsstrategie
Betroffenen einen angemessen Beitrag leisten . Der Jahres­
wirtschaftsbericht 1986— 1987 wird eine Bewertung in
dieser Hinsicht beinhalten .
Diese Darstellung ist absichtlich sehr schematisch und vieles
muß der - Diskussion zwischen den Beteiligten vorbehalten
bleiben . Der wesentliche Aspekt ist jedoch , daß dies nur eine
Ausgangsbasis für das Überdenken eigener Positionen auf
Seiten jedes Hauptbeteiligten — Regierungen, Arbeitgeber
und Arbeitnehmer — darstellen soll . Jeder Beteiligte ist
aufgerufen , sich zu überlegen , wie seine gegenwärtige Posi­
tion in Richtung auf das Allgemeininteresse weiterentwickelt
werden könnte , und zwar unter der Voraussetzung , daß die
anderen Beteiligten auch bereit wären , ihre Position anzu­
passen .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Der Teil II dieses Berichtes enthält spezifische Richtlinien für
die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer . Wie bereits
unterstrichen wurde , kann die vorstehend beschriebene
Strategie nicht auf einmal realisiert werden , vielmehr sollte
sie Zug um Zug in die Realität umgesetzt werden . Dabei wird
eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen , Gewerk­
schaften und Arbeitgebern notwendig sein .
Nr . L 377 / 49
Ländern auf jeden Fall weiterhin konsolidiert werden muß.
Andererseits ist ein Blick auf die deutsche Entwicklung von
besonderem Interesse . Hier könnte , entsprechend den im
Deutschlandkapital vorgelegten Vorausschätzungen , das
Wachstum 1986 bei 3,5 % liegen und die Beschäftigung um
1 ,3 % zunehmen . Die Preisentwicklung wird weiterhin gün­
stig verlaufen . Der Leistungsbilanzüberschuß wird sehr hoch
bleiben ( 2% des BIP). Das Haushaltsdefizit des Staates
Was die Nachfrageseite der Strategie anbelangt , so ist der
Handlungsspielraum auf den beiden Hauptgebieten der
makroökonomischen Politik durchaus unterschiedlich . Rela­
tiv befriedigend ist die Lage der Geldpolitik . Hier ist im
Rahmen der stabilitätsorientierten und vom EWS weitge­
hend vorgegebenen Geldpolitik ein nicht unerhebliches Zins­
senkungspotential auszumachen und dies insbesondere ,
wenn sich der Dollar gegenüber der ECU weiterhin schwach
entwickelt .
Im Hinblick auf mögliche nachfragestützende , budgetäre
Maßnahmen stellt die Umsetzung der Strategie des beschäf­
tigungsfördernden Wachstums auf der Ebene der Mitglied­
staaten spezifische Probleme . Da die Strategie nicht auf
einmal verwirklicht werden kann , müssen die an die Länder
gerichteten Empfehlungen realistisch und koordinierbar
bleiben . Gleichzeitig mit dem mäßigen Lohnanstieg und der
Erweiterung des fiskalpolitischen Handlungsspielraums mehr Wachstum und Beschäftigung lassen die Einnahmen
.schneller wachsen , während die rezessionsbedingten Ausga­
ben zurückgehen - sollte die Nachfragestützung Zug um
Zug erfolgen , und zwar solange bis es zu einer selbsttragen­
den Entwicklung von privater Investitionstätigkeit und aus­
reichendem privaten Konsum gekommen ist .
In einigen Gemeinschaftsländern ( Italien , Belgien , Irland und
Griechenland ) ist der relative Stand oder die Zunahme der
öffentlichen Schuld immer noch so hoch , daß in diesen
dürfte stärker als erwartet sinken ( von 1 ,2 % des BIP im Jahre
1985 auf 0,8% des BIP im Jahre 1986 ). In Deutschland
zeichnet sich also eine positive Kettenreaktion zwischen
Stabilität , mehr Wachstum und Beschäftigung sowie mehr
fiskalischem und außenwirtschaftlichem Handlungsspiel­
raum ab . Dieser Manövrierspielraum sollte genutzt werden ,
damit das Wachstum über 1986 hinaus im Ausmaß von etwa
3,5 % jährlich verstetigt wird . Nur so kann die Arbeitslosig­
keit anhaltend gesenkt werden . Dies liegt im nationalen
Interesse und in dem der Gemeinschaft . Dieses Vorgehen
würde für Deutschland keine Wiederholung der Erfahrungen
mit der „Lokomotiv-Theorie" von 1978 bedeuten . Die
Geldpolitik bliebe vielmehr stabilitätsorientiert ; die gemein­
schaftsweite Anwendung der kooperativen Dimension der
Strategie - zwischen den Regierungen und den Sozialpart­
nern - würde die Übertragung der positiven Kettenreaktion
auf andere Mitgliedsländer erleichtern .
In den anderen Ländern ist ein solcher budgetärer und / oder
außenwirtschaftlicher Handlungsspielraum noch nicht gege­
ben . Allerdings zeichnet sich auch in einigen dieser Länder
( Dänemark , Frankreich , Niederlande , Vereinigtes König­
reich ) die Möglichkeit ab , daß in naher Zukunft eine solch
positive Kettenreaktion wie derzeit in Deutschland entsteht.
Eine solche Entwicklung wird sich um so schneller einstellen
je konstruktiver die Sozialpartner an der Verwirklichung
dieser Strategie mitwirken und je günstiger die Entwicklung
in Deutschland verläuft .
Nr . L 377 / 50
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
TEIL II
DIE WIRTSCHAFTSPOLITIK IN DEN MITGLIEDSLÄNDERN
BELGIEN
In Belgien hat sich die Wirtschaftstätigkeit 1985 wegen des
raschen Wachstums der Investitionen und des höheren
Wachstumsbeitrags der Außenwirtschaft leicht beschleunigt ,
obgleich sich der private Verbrauch nur zögernd entwickelte .
Die 'Inflation hat sich weiter verlangsamt . Im Jahresverlauf
ging die Arbeitslosenquote sehr leicht zurück , und das
Finanzierungsdefizit des Staates ist um etwas mehr als einen
Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts gesunken . Die
Position des belgischen Franc blieb fest , obgleich die Zins­
sätze stärker sanken als in den EWS-Partnerländern .
Auch 1986 dürfte das Wachstum mäßig bleiben . Der Lei­
stungsbilanzüberschuß dürfte , vor allem wegen besserer
Terms of trade , rasch zunehmen , aber der durch die
Abwertung von 1982 erzielte Wettbewerbsvorteil wird wei­
ter schrumpfen . Der Anstieg der Verbraucherpreise wird sich
dank des preisdämpfenden Einflusses der Weltmarktpreise
weiter verlangsamen . Angesichts dieser Vorausschätzungen
wird sich die Lage am Arbeitsmarkt nur sehr langsam
verbessern .
1985 und 1986 einen Richtwert festgesetzt , der die Wettbe­
werbsfähigkeit auf dem durchschnittlichen Stand der Jahre
1982 bis 1984 halten soll . Dieser Richtwert wird auf der
Basis der Pro-Kopf-Löhne in gemeinsamer Währung im
Verhältnis zum gewichteten Durchschnitt der sieben wich­
tigsten Handelspartner Belgiens festgelegt . Bei einer ersten
Beurteilung des gesetzlichen Richtwerts Anfang Juli gelangte
die Regierung zu dem Schluß , daß der Richtwert 1985
eingehalten worden ist .
Die Festsetzung eines Richtwerts für die Wettbewerbsfähig­
keit hat zwar den Vorzug , eine klare wirtschaftliche Priorität
zu setzen , doch wird auf diese Weise das Problem der
Konkurrenzfähigkeit auf eine einzige Dimension mit allen
ihren Begrenzungen und Mängeln reduziert . Untersuchun­
gen , die sich stärker an die Tarifverträge der Jahre 1985 / 86
oder an andere Indikatoren anlehnen , lassen erkennen», daß
der 1982 und 1983 erzielte Wettbewerbsgewinn seit 1984
wieder aufgezehrt wird. Eine Überprüfung der Situation
würde sich anläßlich der zweiten Beurteilung des gesetzlichen
Richtwerts Anfang 1986 empfehlen , wobei auch andere
Faktoren ( wie die Entwicklung der Arbeitsproduktivität und
Obgleich das Wachstum in den Jahren 1985 und 1986 mäßig
bleiben wird , ist es ermutigend festzustellen , daß es im
wesentlichen von den Ausfuhren und Investitionen getragen
des effektiven Wechselkurses ) als die tatsächliche oder
geschätzte Entwicklung der Löhne und Gehälter je Beschäf­
werden wird . Dies ist ein Beweis dafür , daß die beiden
vorrangigen Ziele , die nach der ersten Phase der wirtschaft­
lichen Sanierungspolitik erreicht wurden ( Wiederherstellung
der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Sanierung der
finanziellen Situation der Unternehmen ), auch wachstums­
wirksam sind . Angesichts des Umfangs der Ungleichgewich­
te , die im Laufe der siebziger Jahre entstanden sind , erscheint
der Aufschwung jedoch noch unvollständig und ungesichert .
Um das Erreichte zu sichern , müssen daher die Sanierungs­
anstrengungen in unverminderter Intensität fortgesetzt wer­
sollten .
den .
In den siebziger Jahren hat sich eine Divergenz zwischen dem
Anstieg der Lohnkosten und der Produktivität entwickelt ,
die mit einer umfangreichen Vernichtung von Arbeitsplätzen
im Verarbeitenden Gewerbe einherging . Am Ende der
Periode , im Jahre 1981 , war die Gewinnquote im Vergleich
zu den frühen siebziger Jahren stark gesunken , während sich
das Verhältnis zwischen Kapitalrentabilität und Arbeitsent­
gelt spürbar verschlechtert hatte und die Investitionstätigkeit
stark zurückgegangen war . Seither lassen bestimmte Ge­
winnindikatoren eine Erholung erkennen , doch hat sich das
Verhältnis von Kapital- zu Arbeitsvergütung — abgesehen
von einer sprunghaften Erhöhung in den Jahren 1982 und
1983 — kaum verbessert . Somit sind die Grundbedingungen
für einen dauerhaften Aufschwung der Erweiterungsinvesti­
tionen nicht hinlänglich gegeben , während sich der Kapazi­
tätsauslastungsgrad bereits dem während des vorangegange­
nen Konjunkturzyklus erreichten Höchststand nähert . In
diesem Zusammenhang sind die Bemühungen der Regierung
zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu beurteilen .
Mit dem Gesetz zur Verbesserung der sozialen und wirt­
schaftlichen Lage vom 22 . Januar 1985 hat die Regierung für
tigten in den Konkurrenzländern berücksichtigt werden
Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist um so wichtiger ,
als davon die Verbesserung der Beschäftigungslage und der
öffentlichen Finanzen abhängt . Die neuen Tarifverträge für
1985 und 1986 wurden im Frühjahr abgeschlossen . Da die
Sozialpartner aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der
sozialen und wirtschaftlichen Lage , das die Gewährung
neuer Vergünstigungen verbietet , Produktivitätsfortschritte
zur Besserung der Beschäftigung nutzen mußten , eröffnen
diese Verträge Aussicht auf die Schaffung von Arbeitsplätzen
für 1 ,5 % der von den Tarifverträgen erfaßten Beschäftigten .
Die inländischen Möglichkeiten zur Konjunkturankurbelung
sind durch die angespannte Lage der öffentlichen Finanzen
begrenzt , und die Haushaltssanierung hängt eng von den
Maßnahmen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ab .
Die Beschlüsse vom März 1984 , die eine dreijährige generelle
Dämpfung in der Entwicklung der verfügbaren Einkommen ,
namentlich die jährliche Abführung einer zweiprozentigen
Indexierungstranche an den Staat , vorsehen , haben zur
Folge , daß sich Lohnkosten und Lohneinkommen stärker
auseinanderentwickeln , ohne daß sich aber die Lohnkosten
verringern . Eine Korrektur der indirekten Lohnkosten , die
zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit notwendig
wäre , würde die Gesundung der öffentlichen Finanzen
unmittelbar beeinträchtigen oder die Inlandsnachfrage
schwächen, weil Ausgabenkürzungen vorgenommen werden
müßten , wenn das Haushaltsdefizit aufgrund einer solchen
Korrektur nicht steigen soll . Obwohl das Finanzierungsdefi­
zit des gesamten Sektors Staat von 1981 bis 1985 schon um
fast vier Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts gesenkt
worden ist — nämlich von 12,8% des Bruttoinlandspro­
dukts im Jahre 1981 auf 8,9% im Jahre 1985 — , bleibt es
noch zu hoch . Wie wenig gesichert die bisherigen Erfolge
Nr . L 377 / 51
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
sind , läßt sich daran ermessen , daß zwar die zinsbereinigten
Ausgaben fühlbar verringert werden konnten , dagegen die
Gesamtausgaben wegen der steigenden Zinsbelastung aus
der Staatsschuld — sie erhöhte sich in der gleichen Zeit von
7,3% auf 10,9 % des Bruttoinlandsprodukts — nur knapp
schnittliches Niveau der indirekten Steuern gekennzeichnet
ist , bietet jedoch Spielraum zur Verminderung der Lohnko­
sten , sofern die Auswirkungen einer solchen Umschichtung
nicht durch den Indexmechanismus zunichte gemacht wer­
den . Impulse von den Ausgaben könnten kurzfristig nur
darin bestehen , daß durch eine verstärkte Ausgabenum­
schichtung die Beschäftigung gefördert wird .
stabilisiert werden konnten . Dabei ist darauf hinzuweisen ,
daß die Mehreinnahmen auch auf ein erhöhtes Aufkommen
aus der Körperschaftsteuer zurückzuführen sind , obgleich
Bislang hat der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit seinen
Niederschlag vor allem in Maßnahmen zur Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sowie der Rentabilität
den Unternehmen seit 1982 verschiedene Steuererleichterun­
gen gewährt worden sind ( Senkung des Höchstsatzes der
Gewinnbesteuerung von 48% auf 45% , Abschaffung der
sogenannten Solidaritätsabgabe , Steuerbefreiungen als Ge­
genleistung für Investitionen ).
und Finanzstruktur der Unternehmen , insbesondere durch
Lohnmäßigung, gefunden . Hinzu kamen ab 1984 die Reak­
tivierung von Programmen zur Beschäftigung von Arbeitslo­
Trotz aller Anstrengungen ist das Finanzierungsdefizit wegen
des Teufelskreises von „Defizit-Zinsen und Vergrößerung
sen im öffentlichen Sektor , wovon 1985 2,1 % der Erwerbs­
bevölkerung gegenüber 1,4% im Jahre 1983 betroffen
waren , ferner Beihilfen für die Einstellung des ersten Arbeit­
nehmers und die Niederlassung von Arbeitslosen als Selb­
ständige sowie Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsum­
des Defizits" nach wie vor zu hoch . Es kommt somit darauf
an , daß die letzte Tranche des Programms vom 15 . März
1984 im Jahr 1986 vollständig durchgeführt wird und daß
etwaige Ausgabenüberschreitungen oder Einnahmenaus­
fälle , vor allem soweit sie auf das im Juli verabschiedete
Steuerentlastungsprogramm 1986 — 1989 zurückzuführen
sind , im Rahmen des Gesamthaushalts ausgeglichen werden .
Durch eine solche Ausgabenpolitik — und unter Berücksich­
tigung des spontanen Wachstums der Einnahmen — müßte
der Nettofinanzierungssaldo des Staates ( Kassendefizit )
1986 auf 9,6% des Bruttoinlandsprodukts — gegenüber
10,4 % im Jahre 1985 — begrenzt werden . Die beschlosse­
nen Steuererleichterungen , die das verfügbare Einkommen
ab 1989 um 1,5% entlasten , werden eine noch strengere
Finanzgebarung erfordern . Die Einnahmenstruktur , die
durch ein hohes Niveau der Sozialabgaben und ein durch­
verteilung .
In Anbetracht der steuerlichen Entlastungsmaßnahmen und
der bestehenden direkten Beschäftigungsbeihilfen sowie der
Notwendigkeit , das öffentliche Defizit zu verringern , hängen
die Beschleunigung des Wachstums und die Erhöhung der
Beschäftigung weitgehend von außenwirtschaftlichen Impul­
sen ab . Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit müßte
daher vorrangiges Anliegen der Wirtschaftspolitik bleiben .
Eine kooperative Gemeinschaftsaktion würde außerdem den
beschleunigten Abbau des öffentlichen Defizits erleichtern
und es ermöglichen , den gegenwärtig fehlenden Handlungs­
spielraum rascher zu schaffen .
TABELLE 11
Belgien : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 — 1986
Nominales
BIP
Reales
BIP
BIP
Deflator
Ver­
braucher-
preis
Ein­
kommen
Arbeitslose
Finanzie­
je unselb­
ständig
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
( in % der
Beschäf­
bilanz
überschuß
des Staates
( M2)('J
Erwerbs­
tigung
Beschäf­
personen ) ( 4 )
tigren
Verände
Verände­
Veränderung in %
% des BIP
1961—1970
8,5
4,9
3,4
3,1
7,8
0,6
- 1,5
1971—1980
%
rung
in %
rung
in %
2,2
0,6
5,5
0,3
8,6
10,3
5,8
11,2 ( 10,3 )
- 2,0
10,5
3,1
7,1
7,1
11,9
- 0,2
1981
4,2
- 1,2
5,4
8,6
7,7
- 4,5
- 5,0
- 12,8
1982
8,3
1,1
7,1
7,6
7,9
- 3,4
- 11,0
5,7
13,1 ( 12,1 )
- 1,3
1983
6,3
0,4
5,9
7,5
6,7
- 0,7
7,0
1984 (>)
1985 ( 2 )
1986 ( 2 )
7,0
1,7
5,3
6,2
6,2
- 0,3
- 11,7
- 9,9
- 1,6
0,4
6,7
1,9
4,7
4,9
5,7
0,6
6,0
6,2
1,7
4,4
3,2
4,2
2,0
- 8,6
- 7,4
14,4
14,5
13,8
13,4
(!)
(2)
(3)
(4)
6,1
5,5
( 13,3 )
( 13,3 )
( 12,4 )
( 12,2 )
0,4
0,3
Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
Jahresende .
Eurostat-Konzept ; zwischen Klammern : Inländerkonzept .
DANEMARK
In Dänemark hat die Wirtschaftstätigkeit 1985 weiter expan­
diert ; das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts wird
auf annähernd 2,5 % geschätzt , was einen Rückgang gegen­
über dem im Vorjahr verzeichneten Wachstum von fast 4%
bedeutet , aber dem mittelfristigen Jahresdurchschnitt ent­
spricht . Während die Gesamtproduktion 1984 von der
Nr . L 377 / 52
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
ausgezeichneten Ernte Impulse erhielt , ist die Zuwachsrate
1985 durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren
verlangsamt worden . Vor allem die Inlandsnachfrage war
weniger lebhaft : Die Schwäche des privaten Verbrauchs und
des Wohnungsbaus wurde durch den anhaltend raschen
Anstieg der privaten Unternehmensinvestitionen ausgegli­
chen . Kräftig blieben die Einfuhren von Investitionsgütern
und bestimmten Verbrauchsgütern . Obwohl sich die indu­
strielle Wettbewerbsfähigkeit infolge der strikten Einkom­
menspolitik verbessert hat , haben sich die Ausfuhren , die die
gegenwärtige Phase wirtschaftlicher Expansion ausgelöst
hatten , wegen des schwächeren Wachstums der Auslands­
märkte verlangsamt . Die Folge war ein weiterhin großes
Leistungsbilanzdefizit , unter anderem wegen hoher Zinszah­
lungen an das Ausland . Positive Entwicklungen waren die
weitere Abschwächung der Inflation bei rückläufigen inlän­
dischen Kosten und der Rückgang der Arbeitslosenquote um
fast einen Prozentpunkt , der darauf zurückzuführen ist , daß
die Beschäftigung im Privatsektor rascher zunahm als das
Arbeitsangebot . Das Defizit des Gesamtstaates hat sich auf
rund 3 % des Bruttoinlandsprodukts verringert , da die realen
Ausgaben unverändert geblieben und die laufenden Einnah­
men im Einklang mit dem Bruttoinlandsprodukt gestiegen
sind .
31 . 12 . 85
Die einkommenspolitischen Maßnahmen vom März impli­
zieren eine Anhebung der Nominallöhne um jährlich 2% .
Zusammen mit einer Verminderung der indirekten Arbeits­
kosten um 1,5 % der Lohnsumme ab Oktober 1985 und mit
Begrenzungen für andere Formen von Einkommenserhöhun­
gen dürfte dies die Inflation verlangsamen und die Kapital­
rentabilität verbessern . Wegen eines größeren potentiellen
Output — der seinerseits höheren industriellen Investitionen
zu verdanken ist — und eines verbesserten Einsatzverhältnis­
ses zwischen Kapital und Arbeit kann auch mit einem
günstigen Beschäftigungseffekt gerechnet werden . Relativ
rasche Veränderungen im Produktangebot und in den
Marktgegebenheiten verlangen jedoch einen hohen Grad an
Anpassungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt . Mehr und mehr
kommt es darauf an , früher erworbene Fertigkeiten an den
technologischen Fortschritt anzupassen und Arbeitsmarkt­
vorschriften zu überprüfen , um Hindernisse zu beseitigen ,
die das in der Volkswirtschaft vorhandene Potential zur
Schaffung von Arbeitsplätzen beeinträchtigen könnten . Es
sind verschiedene Maßnahmen getroffen worden , um Lang­
zeitarbeitslose und andere Gruppen -von Erwerbslosen wie­
der in den Arbeitsprozeß einzugliedern .
Die dringende Notwendigkeit , die Zahlungsbilanz weiter zu
verbessern , bildet nach wie vor einen entscheidenden Faktor
Im Jahre 1986 dürfte das Bruttoinlandsprodukt um mehr als
3 % wachsen . Obwohl sich die Inlandsnachfrage voraus­
sichtlich in nahezu gleichem Tempo wie 1985 erhöhen wird ,
dürften Veränderungen in der Nachfragestruktur sowie
Importsubstitutionen zu einer Verlangsamung der Einfuhren
führen . Der private Verbrauch dürfte steigen , vor allem
aufgrund der wachsenden Beschäftigung ; im Staatsver­
brauch dagegen wird sich die strikte Haushaltspolitik nieder­
schlagen . Die konjunkturempfindlichen Investitionen dürf­
ten von niedrigeren Finanzierungskosten und höherer Ren­
tabilität profitieren , während bei den diskretionären Kom­
ponenten , insbesondere im Energiebereich , ein Rückgang
einsetzen dürfte . Die relative Verminderung der inländischen
Kosten , die in einer niedrigeren Inflationsrate zum Ausdruck
kommt , dürfte dazu beitragen , daß gewerbliche Erzeugnisse
weitere Marktanteile gewinnen können . Die Arbeitslosigkeit
dürfte im Vergleich zum Vorjahr weiter abnehmen .
für die Währungs- und Haushaltspolitik . Anpassungen
könnten erforderlich sein , falls die Inlandsnachfrage , vor
allem der private Verbrauch , von dem mit einem besseren
Zahlungsbilanzgleichgewicht zu vereinbarenden Trend ab­
weicht . Die Wiederherstellung des außenwirtschaftlichen
Gleichgewichts muß ein wesentliches Ziel bleiben , doch
würde sich der diesbezügliche Spielraum der Behörden
vergrößern , wenn die Auslandsnachfrage durch ein koope­
ratives Vorgehen der Gemeinschaft gestützt würde.
Die Zunahme der Geldmenge hat sich 1984 abgeschwächt
und ist 1985 , ebenso wie die Vergabe von Bankkrediten ,
weiter zurückgegangen . Als Reaktion auf die erwartete
Inflationsverlangsamung und auf wachsende private Kapital­
zuflüsse sind die Zinssätze erheblich gesunken . Das Gefälle
zwischen inländischen und ausländischen Zinsen hat sich
infolgedessen verkleinert , und dies könnte die Neigung der
Industrie , sich im Ausland zu verschulden , verringern . Um
eine stärker marktorientierte Steuerung der Inlandsliquidität
Außenwirtschaftliche Zwänge und eine strikte Haushaltspo­
zu ermöglichen , wurde das System zur Überwachung des
litik könnten zur Folge haben , daß das tatsächliche Wachs­
Inlandskredits Mitte des Jahres geändert und ein neues
System von Zuwachsreserven eingeführt . An die Stelle des
bisherigen Systems zur Begrenzung der Kreditfazilitäten der
Banken bei der Nationalbank ist im August eine flexiblere
Steuerung der Liquidität und der kurzfristigen Zinssätze auf
der Basis kurzfristiger Einlagenzertifikate , die von der Natio­
nalbank emittiert und nur unter Banken gehandelt werden ,
tum im Zeitraum 1984 — 1986 etwas hinter dem Potential
zurückbleibt . Die seit 1982 betriebene Wirtschaftspolitik
zielt darauf ab , die Zahlungsbilanz und den Staatshaushalt
bis 1988 beziehungsweise 1990 wieder ins Gleichgewicht zu
bringen ; obwohl die Erreichung dieser Ziele auch weitge­
hend von einer kräftigen Expansion der Weltnachfrage
abhängt , sind bereits erhebliche Fortschritte erzielt worden .
Die in den letzten Jahren betriebene Lohndämpfung hat die
Relation zwischen Arbeits- und Kapitalkosten verändert und
die Rentabilität erhöht ; gleichzeitig hat eine strikte Haus­
haltspolitik den Kreditbedarf des Staates verringert . Gerin­
gere Inflationserwartungen haben eine Senkung der Nomi­
nalzinsen begünstigt . Vor diesem Hintergrund hat das
gestärkte Unternehmensvertrauen die Erhöhung des produk­
tiven Kapitalstocks — bei gleichzeitig steigender Beschäfti­
gung im Privatsektor — gefördert . Das Ergebnis war ein
besseres Gleichgewicht bei den inländischen makro-ökono­
mischen Bedingungen , während das Zahlungsbilanzziel noch
nicht erreicht werden konnte .
getreten .
Ein niedriger Anteil der öffentlichen Ausgaben am Bruttoin­
landsprodukt würde dazu beitragen , die monetären Zwänge
zu vermindern und das Wachstumspotential der Volkswirt­
schaften zu fördern . Der Haushaltsentwurf für 1986 liegt auf
der Linie der von der Regierung verabschiedeten mittelfristi­
gen Strategie und entspricht einer aus der Sicht der Gemein­
schaft angemessenen Orientierung . Die Ausgaben werden
sich an der für 1985 festgelegten Höchstgrenze stabilisieren ,
wodurch sich ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt verringert ,
und die Besteuerung dürfte mehr oder weniger im Einklang
mit dem nominalen Bruttoinlandsprodukt zunehmen . Unter
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
diesen Umständen wird sich das Defizit des Zentralstaates
auf etwa 3 % des Bruttoinlandsprodukts und das des
Gesamtstaates auf 1 % vermindern . Die relative Kürzung der
Gesamtausgaben , bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt ,
macht es notwendig , die Finanzmittel immer wieder nach
bestimmten Prioritäten auf die verschiedenen Ausgabenarten
neu zu verteilen . Die Gesamtbesteuerung bleibt relativ
gesehen mehr oder weniger unverändert , da die Verminde­
rung der indirekten Arbeitskosten durch eine Erhöhung der
Körperschaftsteuern finanziert wird , die angesichts der ver­
Nr . L 377 / 53
besserten Wettbewerbsfähigkeit die Rentabilität nicht beein­
trächtigen dürfte . Außerdem ist für 1987 eine Einkommen­
steuerreform geplant. Sie soll durch Senkung der Grenzsteu­
ersätze und Abbau von steuerlichen Vorschriften , die der
Sparneigung abträglich sind , dem steuerinduzierten Entspa­
ren entgegenwirken . In ihrer Wirkung auf den Haushalt
dürften sich die geplanten Steueränderungeri ausgleichen ,
doch könnten sie die Inlandsnachfrage durchaus expansiv
beeinflussen . Solche denkbaren Auswirkungen dürfen nicht
außer acht gelassen werden .
TABELLE 12
Dänemark : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 — 1986
Nominales
BIP
Reales
BIP
BIP
Deflator
Ver­
braucher-
preis
Ein­
kommen
je unselb­
ständig
Arbeitslose
Finanzie­
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
bilanz
überschuß
des Staates
( M2 )( J )
Beschäf­
( in % der
Erwerbs­
personen )
Verände­
1961—1970
11,2
4,5
1971—1980
% des BIP
5,8
10,6
- 2,2
10,1
11,5
- 2,9
12,2
2,3
6,4
9,6
1981
9,1
- 0,9
10,1
12,0
9,2
- 3,0
1982
14,6
11,0
11,5
- 4,1
10,3
3,0
2,0
11,3
1983
8,1
7,1
6,4
- 2,2
1984
9,9
5,8
6,6
6,4
3,9
1986 0 )
5,4
4,2
1,7
4,9
3,7
- 3,2
1985
3,9
2,3
3,2
1,3
0,9
- 6,9
- 9,3
- 7,4
- 4,6
- 3,4
- 2,7
- 2,9
- 0,7
' 2,2
2,4
tigung
(3)
tigten
Veränderung in %
Beschäf­
Verände­
rung
in %
%
10,2
11,3
9,6
11,8
25,5
17,0
1,1
3,8
11,0
7,5
rung
in %
9,2
9,8
10,4
10,0
9,1
8,6
1,1
0,7
- 1,3
0,3
0,5
2,2
2,0
1,6
(') Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
( 2 ) Jahresende .
( 3 ) Inländerkonzept .
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
In der Bundesrepublik Deutschland ist die wirtschaftliche
Entwicklung 1985 durch spürbare Fortschritte gekennzeich­
net : Das wirtschaftliche Wachstum hat sich im Verlauf des
Jahres verstärkt , der Anstieg der Verbraucherpreise ging
weiter zurück und die Beschäftigtenzahl nahm stärker zu als
allgemein erwartet worden war . Die Neuverschuldung der
Gebietskörperschaften wurde nochmals spürbar gesenkt .
Der Leistungsbilanzüberschuß hat allerdings eine neue
Rekordhöhe erreicht .
Im Jahre 1985 dürfte das gesamtwirtschaftliche Wachstum
bei 2,25 % liegen und damit nicht ganz die ursprüngliche
Schätzung der Bundesregierung laut dem letzten Jahreswirt­
schaftsbericht 2,5 % erreichen . Dies muß allerdings vor dem
Hintergrund der rückläufigen Wirtschaftsentwicklung im
ersten Quartal gesehen werden und der hauptsächlich eine
Folge des witterungsbedingt verstärkten Einbruchs der Bau­
tätigkeit . Vom zweiten Quartal 1985 an stieg das reale
Bruttoinlandsprodukt deutlich . Zwar gingen weiterhin
erhebliche Wachstumsimpulse vom Auslandsgeschäft aus ,
doch trug auch die inländische Nachfrage , vor allem nach
Investitionsgütern , zunehmend zum Wachstum bei . Die
konjunkturelle Belebung hat auch auf den Arbeitsmarkt
ausgestrahlt . Die deutlich nach oben revidierten Beschäftig­
tenzahlen zeigen , daß bereits zur Jahresmitte 1985 rund
155 000 Personen mehr beschäftigt waren als vor Jahresfrist,
wozu auch die Arbeitszeitverkürzungen einen gewissen Bei­
trag geleistet haben . Der Beschäftigtenanstieg in der Industrie
und im Dienstleistungsgewerbe hat somit den Personalabbau
im Baugewerbe mehr als kompensiert . Wenn trotzdem die
Arbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum um rund 55 000
zugenommen hat , so liegt dies neben der demografischen
Komponente vor allem auch daran , daß die Erwerbsquoten
wieder steigen . Die Arbeitslosenquote bleibt daher 1985 auf
demselben hohen Niveau wie 1984 ( 8,4% ).
Die Preisberuhigung ist auf den Wettbewerb und zu einem
maßgebenden Teil auf die günstige Entwicklung der Lohn­
stückkosten zurückzuführen ; hierdurch wurde der zu Jahres­
anfang von den Importpreisen ausgehende Inflationsimpuls
mehr als ausgeglichen . Der Anstieg der Verbraucherpreise
wird 1985 im Jahresdurchschnitt etwa 2% betragen , gegen­
über 2,5% im Jahre 1984 .
Der Leistungsbilanzüberschuß mit erwarteten 2,1 % des BIP
wird 1985 mehr als doppelt so hoch wie 1984 sein ; er
Nr . L 377 / 54
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
resultiert aus einem erheblich gestiegenen Überschuß in der
Handelsbilanz , während das Defizit in den Dienstleistungen
und in der Übertragungsbilanz nahezu unverändert bleibt .
Der konjunkturelle Aufschwung wird sich 1986 fortsetzen ;
die Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts dürfte 3,5 %
erreichen . Dieser Vorjahresvergleich verdeckt allerdings die
konjunkturelle Dynamik im Jahresverlauf. Hinter der für
europäische Verhältnisse relativ hohen Jahreswachstumsrate
von 3,5% steht nämlich ein recht hoher statistischer Über­
hang ; er ergibt sich wegen des erwarteten kräftigen Wachs­
tums im zweiten Halbjahr 1985 . Vom vierten Quartal 1985
bis zum vierten Quartal 1986 wird die Zunahme nicht mehr
als 2,5% betragen .
Das Wachstum wird 1986 vorwiegend von der inländischen
Nachfrage getragen werden . Eine Schlüsselrolle fällt dabei
dem privaten Konsum zu . Das reale verfügbare Einkommen
der privaten Haushalte wird 1986 einmal wegen der noch­
mals niedrigeren Inflationsrate — hauptsächlich dank rück­
läufiger DM-Importpreise — spürbar zunehmen . Einen
beachtlichen Beitrag zur Besserung der finanziellen Situation
der privaten Haushalte leistet außerdem die zum Jahresan­
fang 1986 anstehende erste Stufe der Steuersenkung , die
hauptsächlich den Familien Vorteile bringen wird . Schließ­
lich wird das Einkommen der privaten Haushalte dank
zunehmender Beschäftigung steigen . Die Kommissions­
dienststellen schätzen , daß 1986 rund 330 000 Personen
mehr beschäftigt sein werden als 1985 , trotzdem wird die
Arbeitslosenquote nur geringfügig von 8,4% auf 8% sin­
ken .
Die Ausrüstungsinvestitionen werden 1986 voraussichtlich
nur wenig an Dynamik einbüßen ( knapp 9 % Zuwachs nach
11 % in 1985 ). Bei den Bauinvestitionen dürfte sich 1986 —
nach dem Einbruch beim Wohnungsbau in 1985 — wieder
ein leichter realer Anstieg ergeben . Insgesamt werden daher
die realen Anlageinvestitionen 1986 um knapp 5% zuneh­
men , nach einem Rückgang von rund 1 % in 1985 .
Das Exportwachstum wird sich 1986 abflachen . Dank
preislicher und technologischer Wettbewerbsfähigkeit wird
der Anstieg des deutschen Exportvolumens jedoch auch
1986 noch etwas über der Zunahme des Welthandelsvolu­
mens liegen . Wesentlich stärker werden 1986 jedoch die
realen Importe steigen . Die für nächstes Jahr erwartete
höhere wirtschaftliche Wachstumsrate läßt nämlich ein
Konjunkturgefälle zwischen der Bundesrepublik und den
anderen Mitgliedstaaten , wie auch zu den Vereinigten
Staaten entstehen . Nach den Erfahrungen aus den vorange­
gangen Konjunkturzyklen führt eine solche Entwicklung mit
nur kurzer Verzögerung zu einem spürbaren Ansteigen der
Importe . Die Bundesrepublik leistet damit auch einen nen­
nenswerten Wachstumsbeitrag für die anderen Länder . Der
Leistungsbilanzüberschuß wird dennoch mit einer Größen­
ordnung von 2% des BIP nahezu unverändert bleiben .
In den vergangenen drei Jahren sind erhebliche Fortschritte
bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erzielt
worden . Das Defizit der Gebietskörperschaften ( in der
Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ),
1982 bei rund 60 Milliarden Deutsche Mark , wird 1985
weniger als halb so groß sein . Der Konsolidierungskurs hat
anfangs die gesamtwirtschaftliche Nachfrage negativ tan­
giert . Die Erwartungen haben sich jedoch stabilisiert und
inzwischen kommen auch die positiven Effekte dieser Stra­
31 . 12 . 85
tegie stärker zum Tragen . Durch die Einschränkung der
öffentlichen Ausgaben und der Neuverschuldung hat sich ein
größerer Spielraum für Steuer- und Zinssenkungen eröffnet
als dies sonst der Fall gewesen wäre . Diesen Spielraum gilt es
konsequent zu nutzen . Die erste Stufe der Steuersenkung im
Jahre 1986 im Umfang von rund 0,5% des Bruttoinlands­
produkts ist daher zu begrüßen . Trotzdem werden die
Steuereinnahmen 1986 . kaum schwächer steigen als 1985 .
Die gesamten staatlichen Einnahmen werden sogar wegen
des spürbar höheren Aufkommens der Sozialversicherungs­
beiträge — hauptsächlich eine Folge des Beschäftigtenan­
stiegs — etwas stärker zunehmen als 1985 . Das staatliche
Defizit sinkt deutlich rascher als zunächst erwartet worden
war . So wird nach der aktuellen Kommissionsprognose das
Haushaltsdefizit in 1986 trotz der Steuerreform nur 0,8%
des Bruttoinlandsprodukts betragen , gegenüber 1,2% in
1985 . Das von der Kommission für 1986 als angemessen
angesehene Defizit des Zentralstaats (Bund und Länder) in
Höhe von rund 40 Milliarden Deutsche Mark wird — ohne
zusätzliche Ausgaben — um einige Milliarden Deutsche
Mark unterschritten .
Das stärkere Wachstum und die steigende Beschäftigung
eröffnen für den öffentlichen Sektor insgesamt einen Hand­
lungsspielraum , der im Jahre 1986 im wesentlichen für mehr
öffentliche Investitionen genutzt werden sollte . Die von der
Bundesregierung bereits beschlossene Verbesserung der
Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude stellt
einen ersten Schritt in diese Richtung dar. Darüber hinaus
sollte das Programm zur Stadterneuerung , dessen Bundeszu­
schuß von 300 Millionen Deutsche Mark bereits auf je eine
Milliarde Deutsche Mark in 1986 und 1987 aufgestockt
wurde , abgerundet werden , indem Länder und Gemeinden
ihren Finanzierungsbeitrag anteilig erhöhen . Die bisherigen
Erfahrungen haben gezeigt , daß eine Vielzahl von unterstüt­
zungswürdigen Projekten im Bereich der Lebensumweltver­
besserung und Stadtsanierung entscheidungsreif vorliegen .
Da diese Gelder in Form von Zuschüssen vergeben werden ,
ist der durch sie ausgelöste Gesamteffekt wesentlich größer .
Außerdem bietet sich die Möglichkeit , die Zuschüsse unter
struktur- und regionalpolitischen Gesichtspunkten ( z . B.
regionale Arbeitslosenquote) zu staffeln , um so vor allem in
Problemgebieten größere Beschäftigungswirkungen zu erzie­
len . Auch scheint es angebracht , die Mittel für das Europäi­
sche Wiederaufbauprogramm ( ERP ) speziell zur Förderung
von Umweltschutzinvestitionen ( zum Beispiel Kläranlagen )
im Jahre 1987 weiter anzuheben . Diese spezifischen Maß­
nahmen zur Erhöhung der Beschäftigung und zur Stützung
der Baukonjunktur erscheinen volkswirtschaftlich angezeigt ,
da sie auf einen dringenden , in den letzten Jahren vernach­
lässigten Bedarf ausgerichtet sind , der auch künftig groß sein
wird . Wegen der derzeit großen Produktionsreserven in der
Bauwirtschaft besteht nicht die Gefahr , daß durch solche
Maßnahmen der strukturelle Anpassungsprozeß in der Bau­
wirtschaft behindert wird . Eine Umorientierung von Res­
sourcen aus dem strukturell schrumpfenden Wohnungsneu­
bau in derartige Aktivitäten erscheint daher auch in mittel­
fristiger Sicht gerechtfertigt .
Außerdem sollten baldmöglichst die Angebotsbedingungen
über gezielte Änderungen des Steuersystems verbessert wer­
den . Dabei sind auch die Steuern zu nennen , die nur
unwesentlich zu den gesamten Staatseinnahmen beitragen ,
die aber die Effizienz des Kapitalmarkts beeinträchtigen , wie
die Börsenumsatzsteuer und die Gesellschaftssteuer ( Gesamt­
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
aufkommen beider Steuern knapp 0,5% der gesamten
Steuereinnahmen des Bundes ). Von der Kommission sind
hierzu bereits wiederholt Vorschläge unterbreitet worden .
Nachdem das Steuerentlastungsgesetz mit einer zweistufigen
Steuersenkung in 1986 und 1988 in Kraft getreten ist , kommt
es darauf an , die darüber hinaus vorgesehene Steuerreform in
ihrer Grobstruktur so bald wie möglich vorzustellen . In
diesem Zusammenhang sollten auch über einen verbindli­
chen und gezielten Abbau von Subventionen der fiskalische
Handlungsspielraum vergrößert und die Angebotsbedingun­
gen weiter verbessert werden . Mit einer solchen Perspektive
kann zur Verstetigung der Erwartungen bei Unternehmen
und Verbrauchern beigetragen und die Investitionsdynamik
gestärkt werden . Sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung
wider Erwarten spürbar abschwächen , wären situationsge­
recht die Rahmenbedingungen auf der Angebots- und Nach­
frageseite zu verstärken .
Diese Entwicklung im Bereich der öffentlichen Finanzen ist
ein eindrucksvolles Beispiel für die positive Kettenreaktion ,
die von mehr Wachstum und Beschäftigung ausgelöst wird .
Durch die Wechselwirkung von stärkerem Wachstum und
größerem finanzpolitischem Spielraum entsteht ein „circulus
virtuosus", wodurch letztlich die Wirtschaft auf einen steti­
gen Wachstumspfad verbunden mit steigender Beschäftigung
geführt wird .
Der Geldpolitik ist es in den vergangenen drei Jahren
gelungen , die Preissteigerungsrate und — was ebenso wichtig
ist — die Inflationserwartungen deutlich zu reduzieren . Das
hierdurch geschaffene Vertrauen in die Deutsche Mark hat es
ermöglicht , die Zinsen in beachtlichem Umfang vom US-Ni­
veau abzukoppeln . Seit dem Frühjahr 1985 ist der geldpoli­
tische Spielraum eher noch größer geworden , da der Kurs des
US-Dollar seither — wenn auch mit Unterbrechungen —
sinkt . Die Geldpolitik sollte das entstehende Zinssenkungs­
potential im Rahmen des Stabilitätsziels weiterhin voll
ausschöpfen . In dem Maße wie das Wachstumspotential im
Zuge höherer Investitionen und einer flexibleren Nutzungs­
dauer der Anlagen steigt , wird sich dabei ein zusätzlicher
Spielraum für einem stabilitätskonformen Anstieg der Geld­
menge ergeben .
Der in Gang gekommene Investitionsaufschwung muß sich
weiter dynamisch entfalten . Da der Kapitalstock in vielen
Bereichen überaltert ist , müssen die realen Bruttoanlageinve­
stitionen über mehrere Jahre hinweg deutlich steigen . Nur so
kann die Modernisierung und vor allem die zur Schaffung
zusätzlicher Arbeitsplätze notwendige Erweiterung des Kapi­
talstocks in hinreichendem Maße gelingen . Der zunehmende
Bedarf an Erweiterungsinvestitionen wird durch die deutlich
höhere Kapazitätsauslastung belegt ; bereits zur Jahresmitte
1985 waren die Produktionskapazitäten in der Industrie nur
einen Prozentpunkt niedriger ausgelastet als am vorangegan­
genen konjunkturellen Höhepunkt zu Jahresanfang 1980 .
In den letzten Jahren trug eine moderate Lohnpolitik erheb­
lich dazu bei , daß sich die finanzielle Situation der Unter­
nehmen wieder verbessert hat . Während der Anteil der
Gewinne an der Wertschöpfung wieder das Niveau zu
Anfang der siebziger Jahre erreicht hat , ist allerdings die
Rentabilität des Anlagekapitals in vielen Bereichen immer
noch zu gering. Dies unterstreicht die Notwendigkeit , den
Kapitalstock effizienter und beschäftigungswirksamer zu
nutzen .
Nr . L 377 / 55
Der wieder stärkere Produktivitätsanstieg ermöglicht 1986
deutliche Reallohnerhöhungen . Der Anstieg der realen Löh­
ne pro Kopf sollte allerdings im Interesse der Beschäftigung
weiter unterhalb des gesamtwirtschaftlichen Produktivitäts­
zuwachses bleiben . Dank der ersten Stufe der Steuerreform
und der weiteren Erfolge bei der Inflationsbekämpfung
( 1985 vorwiegend aufgrund rückläufiger Importpreise ) ver­
bleibt auch bei einer gemäßigten Lohnrunde noch eine
spürbare Besserung der realen Nettoeinkommen . Eine Stei­
gerung der Realeinkommen pro Kopf ist in der wirtschaftli­
chen Situation des Jahres 1986 nicht nur möglich , sondern
innerhalb gewisser Grenzen auch wünschenswert , da der
private Konsum einen Ausgleich für den langsamer wachsen­
den Export schaffen soll und damit im nächsten Jahr eine
wichtige Konjunkturstütze darstellen wird , wobei dies aller­
dings nicht zu Lasten des Investitionswachstums gehen
darf.
In den 1986 anstehenden Tarifverhandlungen könnte auch
überlegt werden , ob als Gegenleistung für weiterhin mode­
rate Lohnabschlüsse nicht ausdrücklich die Einstellung
zusätzlicher Arbeitskräfte verabredet wird . Von einer sol­
chen Verabredung könnte eine Signalwirkung in Richtung
zusätzlicher Beschäftigung ausgehen .
Eine beschäftigungswirksameres Wachstum könnte auch
gefördert werden , wenn die Arbeitszeiten flexibler gestaltet
werden als dies heute noch in den meisten Unternehmen der
Fall ist , womit auch Arbeitszeitverkürzungen erleichtert
würden . Die bisher gesammelten Erfahrungen in der Metall­
und der Druckindustrie , wo im letzten Jahr die Tarifparteien
eine Arbeitszeitverkürzung in Kombination mit flexibleren
Arbeitszeiten vereinbart haben , sind durchaus ermutigend .
Darüber hinaus hat eine aktuelle Umfrage , die im Auftrag der
Kommission der Europäischen Gemeinschaften bei einem
repräsentativen Querschnitt von europäischen Arbeitneh­
mern durchgeführt wurde , gezeigt , daß in der Bundesrepu­
blik ebenso wie in den meisten anderen Mitgliedsländern in
hohem Maße eine Bereitschaft vorhanden ist , neue Arbeits­
zeitsysteme zu akzeptieren . Ein Drittel der Arbeitnehmer
würde es zum Beispiel vorziehen , zu unregelmäßigen und
teilweise ungünstigen Zeiten ( zum Beispiel abends bis 22.00
Uhr und einmal pro Monat am Sonnabend ) zu arbeiten ,
wenn als Gegenleistung die Jahresarbeitszeit um rund 5%
gekürzt würde . Außerdem würde des rund jeder sechste der
derzeit Vollzeitbeschäftigten begrüßen — bei unverändertem
Stundenlohn — nur rund 30 Stunden pro Woche zu arbeiten .
Diese Arbeitszeitwünsche lassen sich mit der betrieblichen
Realität meist nur in Einklang bringen , wenn der gesamte
Arbeitsablauf flexibler gestaltet wird . Nur so kann bei
individuell
kürzeren Arbeitszeiten die Betriebszeit der
Maschinen und Ausrüstungen unverändert bleiben oder
sogar noch steigen . Hierdurch entstehen zusätzliche Beschäf­
tigungsmöglichkeiten . Die neuen gesetzlichen Rahmenbedin­
gungen für Zeitverträge und Teilzeitarbeit sollten von den
Tarifparteien genutzt werden , um das in den Belegschaften
offensichtlich vorhandene erhebliche Flexibilisierungspoten­
tial in sozial verträglicher Form besser auszuschöpfen .
Gerade im Dienstleistungssektor könnte möglicherweise ein
beachtlicher Beschäftigungsanstieg erzielt werden , wenn
flexiblere Arbeitszeitregelungen einhergingen mit Änderun­
gen in den Betriebszeiten . An der Zweckmäßigkeit solcher
Maßnahmen ändert auch nichts , daß aufgrund attraktiverer
Arbeitszeiten bisher nicht erwerbstätige Personen auf den
Arbeitsmarkt drängen und damit die Zahl der registrierten
Arbeitslosen weniger stark zurückgeht .
Nr . L 377 / 56
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Besonders wichtig bleibt in den nächsten Jahren , die beruf­
lichen Ausbildungschancen der Schulabgänger weiter zu
verbessern und nach der Ausbildung die Weiterbeschäftigung
— selbst wenn zunächst nur in einer Variante von Teil­
zeitarbeit — zu gewährleisten . Ein Weg hierzu liegt darin , die
Vorruhestandsregelung — zumindest begrenzt bis 1988 —
finanziell attraktiver zu gestalten , um die Inanspruchnahme
gerade in den nächsten Jahren , die noch durch eine erhebliche
Zunahme des Erwerbspersonenpotentials gekennzeichnet
sind , zu erhöhen .
Die wirtschaftlichen Aussichten für 1986 sind insgesamt
positiv . Trotzdem bleiben zwei erhebliche Ungleichgewichte
bestehen, der Leistungsbilanzüberschuß und vor allem die
Arbeitslosigkeit . Der Staat sollte seinen wiedergewonnenen
finanzpolitischen Spielraum voll nutzen , nicht nur um einer
möglichen konjunkturellen Abflachung in 1987 rechtzeitig
entgegenzuwirken , sondern auch um die angesprochene
positive Kettenreaktion von mehr Wachstum , Beschäftigung
und größerem finanzpolitischem Spielraum in Gang zu
halten . Wenn man die Arbeitslosigkeit spürbar verringern
will , geht kein Weg an einem mittelfristigen Wachstum in
etwa derselben Stärke wie für 1986 erwartet mit einem
Beschäftigungsansteig von durchschnittlich 1,5% pro Jahr
vorbei . Aufgrund des sich dabei ergebenden höheren Import­
bedarfs würde die Bundesrepublik auch einen wichtigen
Beitrag dazu leisten, die Beschäftigungsprobleme in den
Partnerländern zu lindern .
TABELLE 13
Bundesrepublik Deutschland : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 — 1986
Nominales
Reales
BIP
BIP
BIP
Deflator
Ver­
braucher-
preis
Ein­
kommen
je unselb­
ständig
Arbeitslose
Finanzie­
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
( in % der
Beschäf­
bilanz
überschuß
M 3 (3)
Erwerbs­
tigung
Beschäf­
des Staates
personen )
tigten
Verände­
Verände­
% des BIP
Veränderung in %
rung
in %
%
10,4
9,8
0,8
0,2
2,7
- 0,1
- 0,7
- 1,7
1961—1970
8,4
4,5
3,7
2,7
8,5
0,7
0,4
1971—1980
8,2
2,7
5,3
5,1
0,6
2,0
1981
0,2
4,0
6,2
- 1,0
4,7
- 0,6
4,4
4,8
0,5
- 3,7
- 3,3
5,0
1982
4,2
3,7
8,5
5,2
4,2
7,1
6,8
1983
4,6
1,2
3,3
3,2
3,9
0,7
- 2,5
5,3
1984
4,5
2,6
1,9
2,5
3,2
1,0
- 1,9
1985 (')
4,4
2,3
2,1
2,1
3,2
- 1,2
1986 ( 2 )
5,4
3,5
1,9
1,5
3,8
2,1
2,0
4,7
5,0
4,8
8,4
8,4
- 0,8
8,4
8,0
rung
in %
- 1,5
0,0
0,6
1,3
(') Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
( 2 ) Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
( 3 ) Jahresende .
GRIECHENLAND
In Griechenland wurde die Inlandsnachfrage auch 1985
durch den immer noch lebhaften Anstieg der öffentlichen
Ausgaben und die weitere Zunahme des Fremdenverkehrs
unterstützt . Dagegen hat sich der Beitrag der Handelsbilanz
unter dem doppelten Einfluß einer deutlichen Verlangsa­
mung des Ausfuhranstiegs — der 1984 außergewöhnlich
stark war — und einer deutlichen Belebung der Einfuhren
stark verringert . Die Wachstumsrate für 1985 dürfte dem­
nach bei etwa 2% liegen . Die griechische Wirtschaft ist im
übrigen auch weiterhin von erheblichen Ungleichgewichten
gekennzeichnet . Der Anstieg der Verbraucherpreise hat nur
vorübergehend nachgelassen und könnte im Jahresdurch­
schnitt wieder auf 19% steigen . Die Unternehmensinvesti­
tionen bewegen sich nach wie vor auf einem sehr niedrigen
Niveau , ohne daß eine Tendenz zur Besserung zu erkennen
Griechenland 8,5% des Bruttoinlandsprodukts erreichen
wäre . Die starke Zunahme des Überschusses aus dem
Fremdenverkehr reichte schließlich nicht aus , um die Ver­
Unternehmensinvestitionen an der inländischen Verwen­
dung ständig zurückging. Die Wirtschaft bewegte sich somit
schlechterung der übrigen Posten der Leistungsbilanz auszu­
gleichen , deren Defizit nach den Definitionen der Bank von
lung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts in Ermange­
könnte .
Angesichts dieser Entwicklung, die auf eine anhaltende
Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen
Wirtschaft hindeutete , haben die Behörden am 11 . Oktober
1985 beschlossen , die Drachme um 15% abzuwerten und
eine Depotpflicht auf einen beträchtlichen Bruchteil der
Importe einzuführen . Gleichzeitig wurde eine Reihe von
zusätzlichen Maßnahmen angekündigt , die das Ziel verfol­
gen , die Wirtschaft auf den Weg der Anpassungen zu
bringen , die für eine Belebung des Wachstums auf gesunder
Grundlage notwendig sind . Es war unter anderem besonders
besorgniserregend , daß die Auslandsverschuldung die Ten­
denz hatte rasch zuzunehmen , während der Anteil der
auf einen „circulus vitiosus" hin , in dem die Wiederherstel­
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
lung ausreichender Investitionen zur Steigerung der Produk­
tionskapazität und Wettbewerbsfähigkeit immer schwieriger
wurde . Vorrangiges Ziel der Wirtschaftspolitik mußte es
Nr . L 377 / 57
Notwendige Voraussetzung hierfür war ein möglichst
Ausgabengebarung bei den Verwaltungsausgaben , ein­
schließlich Löhne , und zu einer merklichen Verringerung der
Subventionen zwingen . Letzteres erfordert unter anderem
eine angemessene Anpassung der öffentlichen Tarife und der
sonstigen staatlich kontrollierten Preise , die trotz hoher
Inflationsraten künstlich niedrig gehalten worden waren;
hierfür ist eine erste Serie von Maßnahmen bereits ergriffen
worden . Gleichwohl wird eine Erhöhung der Steuerbela­
stung notwendig sein , und zwar nicht nur mittels einer wie im
Regierungsprogramm vorgesehenen verstärkten Bekämp­
fung der Steuerflucht , sondern auch durch Steuererhöhun­
rascher Abbau der Inflation , denn nur so kann die Wettbe­
gen .
somit sein , diesen Teufelskreis schnellstens zu durchbrechen .
Dazu mußte sie nicht nur versuchen , die Notwendigkeit einer
Verbesserung der Zahlungsbilanz zu berücksichtigen , son­
dern auch so rasch wie möglich den Anteil der produktiven
Investitionen auf das für künftiges Wachstum benötigte Maß
zu vergrößern .
werbsfähigkeit auf Dauer wiederhergestellt werden und sich
das Investitions- und Sparverhalten wieder normalisieren .
Zur Erreichung dieses Ziels waren sehr große Anstrengungen
erforderlich — die angekündigten Maßnahmen zeigen , daß
die Behörden dazu entschlossen sind — , um nachhaltig auf
die zwei wesentlichen inflationsträchtigen Faktoren , nämlich
die Kostendynamik und das öffentliche Defizit , einzuwir­
ken .
Zunächst einmal mußte der nominale Lohnanstieg im Ver­
gleich zu den noch 1985 beobachteten 20 % stark vermindert
werden . Mit diesem Ziel war es unvereinbar , das alte
Indexsystem beizubehalten , da es nicht nur den Nachteil
hatte , daß ein sehr erheblicher Teil des vorangegangenen
Preisauftriebs automatisch direkt oder indirekt auf die
Kosten durchschlug und folglich nur einen sehr langsamen
Abbau der Inflation zuließ , sondern auch den , daß bei der
Anpassung der Löhne in einem geringen Maß der Produkti­
vitätsentwicklung in den verschiedenen Wirtschaftszweigen
Rechnung getragen wurde . Es wurde daher beschlossen ,
dieses System in einem wesentlichen Punkt zu ändern und die
Anpassung der Löhne ab sofort an die Entwicklung nicht
mehr der festgestellten , sondern der vorgesehenen Inflation
anzubinden , wobei die Wirkungen der „importierten Infla­
tion" nicht berücksichtigt werden sollen . Außerdem wurde
beschlossen , die Verdienste , die über einen bestimmten
Betrag hinausgehen , für vier Monate einzufrieren . Diese
Maßnahmen sollten es ermöglichen , die Verlangsamung des
Preisauftriebs zu beschleunigen und die Sanierung der sehr
schlechten finanziellen Situation der Unternehmen einzulei­
ten . Der Rückgang des Preisauftriebs und die Wiederherstel­
lung der Rentabilität der Unternehmen , die mit diesen
Maßnahmen erreicht werden sollen , sind eine wesentliche
Voraussetzung für ein neues gleichgewichtiges Wachstum .
Außerdem müßte ein erster Schritt zur Verringerung des
öffentlichen Defizits getan werden , das , unter anderem
wegen unzureichender Ergiebigkeit des Steuersystems , 1985
noch deutlich über dem sehr hohen Stand der Vorjahre liegen
wird . Durch Kürzungen müßte 1986 darauf hingearbeitet
werden , den Finanzierungsbedarf des öffentlichen Sektors
um 4 % des Bruttoinlandsprodukts zu vermindern und den
Nettofinanzierungssaldo des Staatshaushalts auf 9 % dessel­
ben BIP zu senken . In Anbetracht der stark ansteigenden
Zinslasten und der Notwendigkeit , die Investitionsanstren­
gungen im öffentlichen Sektor auf einem ausreichenden
Niveau zu halten , werden diese Ziele zu einer sehr strengen
Diese Anstrengungen zum Abbau der Inflation dürften die
Zunahme der Kreditnachfrage merklich verringern , ohne
daß die Geldpolitik jedoch auf zusätzliche restriktive Maß­
nahmen zur Festigung des derzeitigen Trends positiver
Realzinsen verzichten kann , um eine stabile Sparentwicklung
zu fördern und vor allem die 1 985 eingeleitete Unterbringung
von Staatspapieren beim Publikum zu fördern .
Dank dieser verschiedenen Maßnahmen müßte es möglich
sein , die Wirtschaft entschiedener auf den Weg der Sanierung
zu bringen , der für ihren späteren Aufschwung unumgäng­
lich ist . Dennoch müßten sie durch weitere Initiativen ergänzt
werden , um die Belebung der privaten Investitionen zu
beschleunigen . Dazu müßten unter anderem die Preiskon­
trollen überall dort in geeigneter Weise gelockert werden , wo
nicht die Gefahr besteht , daß dadurch die gegenüber markt­
beherrschenden Stellungen notwendige Wachsamkeit nach­
läßt .
Diese Politik könnte schon 1986 zu positiven Ergebnissen
führen . So würde sich eine Verlangsamung der Inlandsnach­
frage zugunsten des Außenbeitrags anbahnen , wobei sich
allerdings eine merkliche Verringerung des Wachstums nicht
vermeiden lassen würde . Außerdem dürfte es zu einer
Belebung der privaten Investitionen kommen , was sich in
einem allmählich wieder zunehmendem Anteil der Investitio­
nen an der Inlandsnachfrage niederschlagen würde . Der
Anstieg der Verbraucherpreise könnte im Jahresdurchschnitt
bei etwa 21 % liegen , was im Jahresverlauf eine erheblich
niedrigere Rate implizieren würde . Angesichts der günstigen
Aussichten für die internationale Wirtschaftslage dürfte
schließlich das Leistungsbilanzdefizit — in Prozent des
Bruttoinlandsprodukts — eine deutlich rückläufige Tendenz
zeigen . Diese Ergebnisse werden indessen nur einen ersten
Schritt auf dem Weg der notwendigen Anpassungen darstel­
len , was erfordert , daß die Sanierungspolitik über mehrere
Jahre beibehalten wird . Dadurch wird es möglich , nach einer
unvermeidlichen Phase der Verlangsamung wieder zu einem
kräftigeren Wachstum zu gelangen .
Aufgrund dieser Aussichten kann keine rasche Besserung der
Beschäftigungslage erwartet werden , die letzten Endes von
einer schrittweisen Ausdehnung der Investitionsbelebung
und folglich als Hauptvoraussetzung von der Fortführung
der Stabilisierungspolitik abhängt .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 58
31 . 12 . 85
TABELLE 14
Griechenland : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 - 1986
Ein­
Nominales
BIP
Reales
BIP
BIP
Deflator
Ver­
braucher-
preis
kommen
je unselb­
ständig
Arbeitslose
Finanzie­
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
( in % der
Beschäf­
bilanz
überschuß
des Staates
M 2 (3)
Erwerbs­
tigung
Beschäf­
personen )
tigten
Verände­
Veränderung in %
% des BIP
rung
Verände
%
rung
in %
in %
1961 - 1970
11,0
7,6
3,1
2,5
9,8
- 3,1
17,6
- 0,7
1971-1980
19,1
4,7
13,8
13,6
18,3
- 2,7
23,8
1981
18,9
24,4
20,2
- 0,3
19,3
23,4
21,8
- 0,1
24,6
20,5
26,8
0,3
19,8
19,5
19,7
2,6
19,9
18,1
21,3
20,9
1,7
18,9
19,1
20,0
18,1
0,1
18,0
21,5
13,8
- 0,2
- 3,9
- 4,7
- 4,0
— 6,6
- 4,5
0,6
4,8
1982
1983
1984
1985 ( x )
1986 ( 2 )
23,0
- 11,1
34,3
4,1
-
29,1
5,8
7,9
8,1
- 1,0
8,3
0,8
9,3
- 0,1
8,5
8,9
9,9
13,4
20,3
29,4
27,0
- 11,0
20,0
- 1,0
- 0,2
0 ) Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
( 2 ) Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
( 3 ) Jahresende .
FRANKREICH
In Frankreich unterlag die Inlandsnachfrage auch 1985 einer
strengen Kontrolle , und ihre Zunahme hielt sich , trotz einer
leichten Beschleunigung im Jahresverlauf, in ähnlich engen
Grenzen wie 1984 . Der Verbrauch der privaten Haushalte
war insgesamt gesehen etwas lebhafter ; dagegen haben sich
die Investitionen der Industrieunternehmen kräftig erholt , so
daß bei den Gesamtinvestitionen , die während mehrerer
Jahre gesunken waren , eine , wenn auch geringfügige ,
Zunahme zu verzeichnen war . Das Wachstum der Ausfuhren
lag wegen der schwächeren Dynamik des Welthandels
deutlich unter der Rate von 1984 ; der Anstieg der Einfuhren
hielt sich in engen Grenzen . Der Außenbeitrag hat sich daher
nochmals leicht erhöht , und das Bruttoinlandsprodukt ist —
obwohl von der Agrarproduktion kein oder gar ein leicht
negativer Wachstumsbeitrag kam — ungefähr um 1 %
gewachsen . Dank der nachgebenden Einfuhrpreise für Ener­
gie und Rohstoffe und der Abschwächung des Dollarkurses
seit dem zweiten Quartal könnte sich das Handelsbilanzde­
fizit erneut verringern . Die Leistungsbilanz dürfte daher
nahezu ausgeglichen sein . Nach einer Unterbrechung in den
ersten Monaten des Jahres hat sich die Verlangsamung des
Preisanstiegs wieder durchgesetzt : Im Jahresverlauf dürften
die Verbraucherpreise um weniger als 5% steigen .
Dank der seit 1983 betriebenen Stabilisierungspolitik hat die
Volkswirtschaft also weitere Fortschritte auf dem Weg zur
Wiederherstellung der Gleichgewichte erzielt . Indessen müs­
sen diese Fortschritte noch konsolidiert werden . Eine Besei­
Marktanteilsgewinne importierter gewerblicher Waren und
die Marktanteilsverluste beim Export der gleichen Waren ,
die nach der Verbesserung von 1983— 1984 in letzter Zeit zu
beobachten sind , zeigen nämlich eindeutig, daß die Wettbe­
werbsposition der Wirtschaft fragil bleibt . Eine strikte
Wirtschaftspolitik ist daher weiterhin unerläßlich und bildet
gleichzeitig die Voraussetzung für das durch die Gemein­
schaftsstrategie angestrebte kräftigere Wachstum , denn die
gegenwärtigen Sanierungsbemühungen zielen auch darauf
ab , durch Verbesserung der Unternehmensrentabilität die
Investitionen zu fördern und dadurch auch die Wettbewerbs­
fähigkeit der Wirtschaft dauerhaft zu stärken . Es handelt sich
hier um eine von der Wirtschaftspolitik seit 1983 befolgte
langfristige Strategie , die nicht nur eine entsprechende
Lohnentwicklung, sondern darüber hinaus auch — zuweilen
einschneidende — Anpassungen des Personalbestands erfor­
dert . Angesichts der sich bei der Investitionstätigkeit abzeich­
nenden Beschleunigung dürfte indessen der Zeitpunkt nicht
mehr weit entfernt sein , in dem sich die regressiven Beschäf­
tigungstendenzen umzukehren beginnen . Im übrigen hat
diese Strategie schon gewisse Ergebnisse gebracht , denn in
den im Wettbewerb stehenden Industriezweigen , denen
entscheidende Bedeutung zukommt, hat sich die Investitions­
tendenz bereits signifikant verändert . Solange die Produk­
tionskapazitäten nicht ausreichend ausgeweitet worden sind ,
würde eine Verstärkung der Nachfrage der privaten Haus­
halte unerwünschte Zahlungsbilanzeffekte haben. Vorsicht
ist in dieser Hinsicht um so mehr geboten , weil die Erholung
tigung des Inflationsgefälles gegenüber dem Durchschnitt der
Handelspartner ist als solches noch nicht ausreichend .
Zusätzlich muß auch auf Dauer ein deutlicher Leistungsbi­
der industriellen Investitionen den Marktanteil der Einfuh­
lanzüberschuß erzielt werden , damit die Auslandsverschul­
dung schrittweise abgebaut werden kann . Die raschen
Die erforderliche Stabilitätspolitik verlangt daher in erster
Linie die Fortführung einer stabilitäts- und beschäftigungs­
ren zumindest vorübergehend noch vergrößern könnte .
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
orientierten Lohnpolitik . Dies bedeutet , daß die Zuwachs­
rate der Pro-Kopf-Löhne auch weiterhin die angestrebte
Zuwachsrate der Verbraucherpreise nicht übersteigen darf
und folglich deutlich unter 1 % pro Quartal liegen muß . Wie
in den vorangegangenen zwei Jahren wird diese Norm
wahrscheinlich sowohl im öffentlichen wie auch im privaten
Sektor respektiert werden . Eine solche mäßige Lohnentwick­
lung erscheint um so eher angezeigt , als sich Ende 1985 ,
wenn die Lohnverhandlungen für 1986 beginnen , der Preis­
auftrieb stark verlangsamt haben wird . Angesichts des
nachlassenden Kostendrucks und der damit zusammenhän­
genden Abschwächung der Inflationserwartungen könnte
auch eine weitere Lockerung der Preisreglementierung erwo­
gen werden , ohne daß deshalb die Erreichung des Preisziels
gefährdet würde . Diese Lockerungen könnten zumindest die
Freigabe der Preise für die Industrieerzeugnisse vorsehen , bei
denen aufgrund starker ausländischer Konkurrenz keine
anomalen Preisbewegungen zu befürchten sind .
Nr . L 377 / 59
Wenn die Lohnerhöhungen und das öffentliche Defizit in den
vorgesehenen Grenzen bleiben , kann die Geldpolitik die
Verlangsamung der Preisentwicklung in der Wirtschaft
weiter unterstützen , indem sie parallel zu den Fortschritten
bei der Inflationsbekämpfung die Nominalzinsen senkt und
für das Wachstum der Geldmenge M 2 einen niedrigeren
Zielkorridor als für 1985 festlegt .
Unter diesen Umständen könnte sich die Ausweitung der
Inlandsnachfrage leicht verstärken , so daß das
Bruttoinlandsprodukt etwa 2% erreichen könnte , obwohl
der Außenbeitrag infolge der voraussichtlichen Einfuhr­
beschleunigung zurückgehen dürfte . Die Terms of trade
dürften sich hingegen verbessern , so daß die Handelsbilanz
wieder ins Gleichgewicht kommen dürfte und das Leistungs­
bilanzgleichgewicht in etwa erhalten bleibt . Gleichzeitig
dürfte sich der Anstieg der Verbraucherpreise erneut , und
zwar verstärkt durch den Rückgang des Dollarkurses , ver­
langsamen und im Jahresdurchschnitt unter 4% betragen .
Die öffentlichen Finanzen müssen sich weiter in dem strikten ,
1983 festgelegten Rahmen bewegen , um einen übermäßigen
Druck des Haushaltsdefizits auf den Kapitalmarkt zu vermei­
den . Daher müssen der Nettofinanzierungssaldo des Staats­
haushalts und der Finanzierungsbedarf des Staates weiter
nahe bei 3 % des Bruttoinlandsprodukts liegen , wie dies
übrigens in dem am 18 . September 1985 verabschiedeten
Haushaltsentwurf für 1986 vorgesehen ist . Zwischen diesem
Zwang zur Stabilisierung der Salden und einer Verminde­
rung des Steuerdrucks , wie er durch die jüngste Ermäßigung
der Einkommensteuer angestrebt wird , könnten sich indes­
sen Konflikte ergeben . Die Sozialversicherung , in der sich die
Finanzlage in einigen Sparten — in der Renten- und in der
Arbeitslosenversicherung — durch die allmähliche Verschie­
bung im Verhältnis von Leistungsempfängern zu Beitrags­
Die Kehrseite dieser Sanierungsanstrengungen besteht
zwangsläufig darin, daß die Beschäftigung zunächst noch
rückläufig ist und die Arbeitslosigkeit noch etwas zunimmt.
Diese Entwicklung könnte jedoch 1986 mit dem Abschluß
der wichtigsten industriellen Umstrukturierungen , den Fort­
schritten bei der Anpassung der Reallöhne , der Erholung der
Investitionen und der langsameren Zunahme der Erwerbsbe­
völkerung zum Stillstand kommen . Der Anstieg der Arbeits­
losigkeit hat sich schon 1985 erheblich verlangsamt , was sich
allerdings teilweise aus dem Erfolg der Teilzeitbeschäftigung
zahlern verschlechtert , steht nämlich unter dem imperativen
hungen ; sie könnte gleichzeitig eine allgemeinere Entwick­
lung in Richtung auf flexiblere Bedingungen für die Einglie­
derung von Jugendlichen in das Berufsleben einleiten . Ganz
allgemein dürfte die Beschäftigung in ihrer Gesamtheit durch
Zwang, ihr finanzielles Gleichgewicht aufrechtzuerhalten .
Es ist daher nicht auszuschließen , daß die Sozialbeiträge
früher oder später angehoben werden müssen , um ein Defizit
in diesen Systemen zu vermeiden . Auf alle Fälle muß die
Ausgabengebarung auf den verschiedenen Ausgabenebenen
äußerst strikt bleiben , um den realen Anstieg der Gesamt­
ausgaben etwas unter die reale Wachstumsrate zu drücken ,
weil die Zinszahlungen und die Sozialtransfers zwangsläufig
erheblich schneller zunehmen werden . Die zinsbereinigten
Ausgaben des Staates dürfen sich daher real nicht erhöhen .
Dies bedeutet , daß die für vorrangige Aktionen in den
Bereichen „Sicherheit", „Beschäftigung", „Ausbildung und
Forschung" notwendige Ausgabenmarge durch Verringe­
rung des realen Gewichts der anderen Ausgabenkategorien
geschaffen werden muß . Diese Politik beinhaltet außerdem ,
daß die Gesamtzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst
nicht weiter steigt und daß - alle Elemente zusammenge­
nommen - bei den Lohn- und Gehaltsanpassungen kein
Raum für eine Erhöhung der Kaufkraft bleibt .
erklärt , die von Gemeinden und anderen öffentlichen Kör­
perschaften im Rahmen der staatlichen Maßnahmen zur
Förderung der Beschäftigung , vor allem von Jugendlichen ,
angeboten wird . Die Schaffung eines Systems gemeinnütziger
Arbeiten ist die letzte Maßnahme im Rahmen dieser Bemü­
die neuen Maßnahmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung
und durch Anpassungen der Arbeitsgesetzgebung und der
Arbeitszeit gefördert werden .
Die Wirtschaftspolitik wird den Zielen der kooperativen
Wachstumsstrategie der Gemeinschaft am besten gerecht
werden , wenn sie der Wiederherstellung der Bedingungen für
ein ausgewogenes Wachstum Priorität einräumt und sich
dabei bemüht , die vorübergehend negativen Beschäftigungs­
wirkungen dieser Sanierungspolitik durch spezifische Maß­
nahmen zu mildern . Falls die günstige Entwicklung im
internationalen Umfeld anhält , könnte ab 1987 eine stärkere
Expansion der Inlandsnachfrage zugelassen werden , wobei
die verfügbare Marge aber in erster Linie den Unternehmens­
investitionen , die noch einen erheblichen Nachholbedarf
haben , zugute kommen müßte .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 60
31 . 12 . 85
TABELLE 15
Frankreich : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 - 1986
Ein­
Nominales
BIP
Reales
BIP
BIP
Deflator
Ver- .
braucher­
preis
kommen
Arbeitslose
Finanzie­
je unselb­
ständig
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
( in % der
Beschäf­
bilanz
überschuß
des Staates
M 2 (3)
Erwerbs­
tigung
Beschäf­
personen ) ( 4 )
tigten
Verände­
Verände­
% des BIP
Veränderung in %
0,6
- 0,1
0,9
3,8
- 1,4
- 1,8
11,4
14,5
- 2,9
- 2,7
( 8,8 )
- 0,7
- 0,8
9,4
10,9
- 1,7
8,1
- 0,7
8,8
9,9
( 9,0 )
( 9,9 )
- 0,6
7,3
- 3,1
- 2,8
10,8
11,2
8,3
7,8
8,7
5,7
5,8
5,9
- 0,5
- 3,2
5,8
- 1,0
3,9
4,0
4,5
- 0,3
- 3,3
4,9
10,7 ( 10,7 )
11,0 ( 10,9 )
4,3
9,4
0,2
0,4
3,6
9,5
13,8
- 0,4
12,1
0,2
11,9
12,9
14,5
1982
14,8
1,8
12,8
10,9
1983
10,9
1,0
1984
8,7
1,6
9,8
7,0
1985 (»)
7,0
1,2
1986 ( 2 )
5,8
1,9
10,2
5,6
1971-1980
13,4
1981
(!)
(2 )
(3)
(4)
rung
in %
12,7
14,8
4,4
9,5
1961-1970
%
rung
in %
0,4
- 1,0
- 0,7
Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
Jahresende . Bis einschließlich 1980 : M 2 .
Zwischen Klammern : Konzept des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaften ( Eurostat ).
IRLAND
In Irland bleiben 1985 die strukturellen Unterschiede , die für
bilanz weist zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einen
die makroökonomische Entwicklung seit Beginn der Erho­
lung im Jahre 1983 typisch waren , bestehen . Die Ausfuhren
steigen trotz des abgeschwächten Wachstums der Auslands­
märkte kräftig an . Die Inlandsnachfrage blieb dagegen
wegen der Einflüsse von mehreren Faktoren schwach , deren
kumulative Wirkungen die gesamte Wirtschaftstätigkeit
noch eine Zeitlang dämpfen dürfte . Dazu zählen insbeson­
dere der immer noch relativ geringe Anteil inländischer
Ressourcen an wichtigen Exportkategorien , die Auswirkun­
gen weiterer fiskalischer Anpassungen und der Einfluß auf
die Gesamtinvestitionen infolge des Auslaufes von Großpro­
jekten des öffentlichten Sektors , wodurch die kräftige Neu­
belebung der privaten Anlageinvestitionen kompensiert
wird . Die Vorteile der raschen Ausfuhrexpanison werden
ferner durch umfangreiche Netto-Abflüsse bei den Fak­
toreinkommen geschmälert ( 1985 : 11 % des BIP ), die haupt­
sächlich durch die Zinszahlungen auf die öffentliche Aus­
landsschuld und durch Gewinnabführung irischer Niederlas­
sungen ausländischer Firmen verursacht wurden . Infolgedes­
sen liegt das Wachstum des realen Bruttosozialprodukts
( BSP ) als korrekte Meßgröße für die der Volkswirtschaft
tatsächlich zur Verfügung stehenden Ressourcen , um einen
vollen Prozentpunkt niedriger als die entsprechende
BIP-Zahl , die auf ungefähr 2,5% geschätzt ist . Vor diesem
Hintergrund ist die Arbeitslosenquote im Laufe des Jahres
weiter , wenn auch langsamer , auf den bisher noch nie
registrierten Stand von 17% gestiegen . Auf anderen Gebie­
ten wurden aber bessere Ergebnisse erzielt . So konnte eine
deutliche Lohnmäßigung erreicht werden . Die Inflationsrate ,
die 1981 noch 20% betragen hatte , dürfte 1985 auf etwa
5 % fallen . Das Leistungsbilanzdefizit in Prozent des BIP
bescheidenen Überschuß aus . Die voraussichtlich nur geringe
Überschreitung des auf 11,5 % des BIP festgesetzten Kredit­
konnte während dieses Zeitraums ebenfalls um etwa 11
Prozentpunkte deutlich vermindert werden und die Handels­
bedarfs des Schatzamts sollte im Lichte der etwas höheren
Ersparnis im vergangenen Jahr gesehen werden . Dennoch ist
die Haushaltskonsolidierung in den letzten zwei Jahren nicht
vorangekommen , so daß die Staatsschuld , die beinahe zur
Hälfte gegenüber Gebietsfremden besteht, von Jahr zu Jahr
weiter beträchtlich zunimmt und am Jahresende 120% des
BIP erreichen könnte . Außerdem weist die Leistungsbilanz
trotz der Reduzierung des Defizits angesichts der relativ
geringen Inlandsnachfrage immer noch ein ziemlich hohes
Defizit auf.
Unter der Voraussetzung , daß die Haushaltskonsolidierung
entsprechend dem mittelfristigen Wirtschaftsplan der Regie­
rung „Building on Reality" wieder Fortschritte erzielt , sind
die Wachstumsaussichten
für
1986
mit einem realen
BIP-Wachstum von fast 2,5% mehr oder weniger die
gleichen wie für das laufende Jahr, auch wenn sich die
Gewichte etwas zugunsten einer stärkeren Inlandsnachfrage
verschieben dürften . Trotzdem kann mit einem weiteren
Abbau des Leistungsbilanzdefizits gerechnet werden , und der
Trend in der Inflationsrate dürfte weiter zurückgehen . Die
Beschäftigung dürfte weiterhin bescheiden zunehmen , doch
wird die Arbeitslosenquote wahrscheinlich immer noch etwa
17% betragen .
Im Vergleich zu den beträchtlichen Erfolgen der Behörden in
einigen Bereichen fallen die Fortschritte bei der Verbesserung
der Arbeitsmarktbedingungen recht bescheiden aus . Zu den
üblichen zyklischen und strukturellen Faktoren kamen noch
demographische Einflüsse hinzu . Das Angebot an Arbeits­
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
kräften dürfte in den nächsten Jahren — selbst wenn es eine
deutliche Netto-Abwanderung geben sollte — um rund 1 %
pro Jahr zunehmen . Um die Arbeitslosigkeit überhaupt
vermindern zu können , muß die Beschäftigung jährlich
erheblich stärker ausgeweitet werden . Ein solches Ziel
verlangt eine grundlegende Anpassung der Volkswirtschaft ,
um damit Anreize für den Unternehmergeist , die Innovatio­
nen und die Investitionen zu geben , die mittelfristig gesehen
für ein kräftiges , beschäftigungswirksames Wachstum not­
wendig sind . Zu diesem Zweck sollten die Behörden bestrebt
sein , gleichzeitg Fortschritte in drei Bereichen zu erzielen : Bei
der Sanierung der öffentlichen Finanzen , bei der Verbesse­
rung der Arbeitsmarktsteuerung und bei der Gestaltung einer
im Hinblick auf Beschäftigung und Volkseinkommen wirk­
sameren Industriepolitik .
Die anhaltend hohen öffentlichen Defizite hatten nicht nur
eine rasche Zunahme der Auslandsverschuldung ( Ende
1984 : beinahe 50% des BIP ) und damit der Zinsbelastung
( 1981 : 2 % des BIP , 1984 : 4,5 % ) zur Folge , sondern auch in
Anbetracht der relativ schmalen Steuerbasis eine außerge­
wöhnlich hohe persönliche Besteuerung . Mehr als 40 % der
Einkommensteuerpflichtigen fallen in die beiden höchsten
Steuerklassen ( 48 bzw . 60% ). In „Building on Reality" wird
vorgeschlagen , den Kreditbedarf des Schatzamts und das
laufende Haushaltsdefizit bis 1987 auf 9,8% bzw . 5% des
BSP ( d . h . im Vergleich zu 1985 um jeweils mehr als 3
Prozentpunkte ) zu vermindern und gleichzeitig die Besteue­
rung , ausgedrückt in % des BSP , auf ihrem Stand von 1984
festzuhalten . Somit werden wesentliche Ungleichgewichte
auch nach 1987 weiterbestehen .
Diese Ziele sind als ein Minimum anzusehen . Die Behörden
sollten daher im Jahre 1986 bestrebt sein , so weit wie
möglich auf dem Weg zu den für 1987 gesteckten Zielen
voranzukommen . Um die halbe Strecke bis zu diesen Zielen
zurücklegen zu können , müßte das Finanzierungsdefizit des
öffentlichen Sektors im Vergleich zu den wahrscheinlichen
Ist-Werten für 1985 um etwa 1,5 Prozentpunkte des Brutto­
inlandsprodukts verringert werden , was angesichts der noch
recht ausgeprägten Stagnation bei den Staatseinnahmen ein
ehrgeiziges Ziel ist . Obwohl der erwartete Rückgang der
internationalen Zinssätze und des Dollarkurses die Belastung
aus dem Schuldendienst im Jahre 1986 wohl etwas vermin­
dern wird , scheint ein erheblicher Abbau des Finanzierungs­
defizits des öffentlichen Sektors angesichts der auf eine
Begrenzung der Steuereinnahmen gerichteten Faktoren nur
dann möglich , wenn das Ausgabenvolumen mit Ausnahme
der Zinsausgaben erheblich verringert wird ; dazu zählen die
strikte Begrenzung des Anstiegs der Lohnsumme im öffent­
lichen Dienst sowie die zweite und letzte Phase der Abschaf­
fung von Verbrauchersubventionen . Man sollte die im
Haushaltsplan vom Januar 1985 eingeleitete Reform des
Steuersystems weiterführen , um weitere Anreize zu bieten
und die Unternehmen zu fördern . Eine größere Anstrengung
bei der Verringerung der Einkommensteuerlast erscheint
wünschenswert ; ein Erfolg auf diesem Gebiet muß aber
davon abhängen , wie weit die Ausgaben vermindert werden
können . Durch eine Umstrukturierung des Systems der
Transferzahlungen an die privaten Haushalte könnten ent­
sprechende Ressourcen in Relation der Prioritäten verfügbar
gemacht werden und die Ausgaben in Bereiche gelenkt
werden , in denen ein echter Bedarf besteht . Es ist fraglich , ob
es im Rahmen dieser Haushaltsziele möglich ist , den Real­
Nr . L 377 / 61
wert der Sozialleistungen — diese sind seit 1981 um 4
Prozentpunkte auf geschätzte 19 % des BIP in 1985 gestiegen
— beizubehalten .
Die Geldpolitik muß die von dem hohen öffentlichen Defizit
ausgehenden Zwänge lindern . Die Verringerung des Lei­
stungsbilanzdefizits vermindert die Einflüsse , die von der
Auslandsfinanzierung des Defizits des öffentlichen Sektors
ausgehen . Trotz einer gedrückten Kreditnachfrage des priva­
ten Sektors , die die jüngste Verringerung der Bedeutung
mengenmäßiger Kreditkontrollen erleichterte , könnte die
Kreditnachfrage des Schatzamts im Ausland auf einem
ähnlich hohen Niveau wie 1985 zu einem außergewöhnlich
starken Wachstum des Geldangebots beitragen . In bezug auf
die Zinspolitik müssen die Behörden ein Gleichgewicht
zwischen dem Nutzen für die Wirtschaft aus der Senkung der
internationalen Zinsen und der Aufrechterhaltung eines
kräftigen Stroms an Ersparnissen von den Nicht-Banken zum
Schatzamt finden . Angesichts der Nachfrage , die vom öffent­
lichen Sektor auf das Bankensystem zukommt , wird es auch
notwendig sein , die Zinspolitik zur Eindämmung der priva­
ten Kreditnachfrage einzusetzen . Die Vermeidung kurzfristi­
ger Schwankungen der inländischen Zinsraten ist unbedingt
notwendig .
Die Aussichten einer mittelfristig hohen Arbeitslosigkeit
waren der Hauptgrund für Regierungsinitiativen auf dem
Arbeitsmarkt . Vor allem die Ausbildungsprogramme für
Jugendliche werden jetzt stark ausgeweitet . Man hat ein
soziales Beschäftigungsprogramm eingeführt , um 10 000
Langzeitarbeitslosen ein Jahr lang eine Teilzeitarbeit im
Rahmen kommunaler Projekte zu bieten . Der Spielraum für
derartige Programme ist allerdings begrenzt , sowohl durch
die Kosten als auch die Tatsache , daß die Beschäftigungs­
möglichkeiten teilweise wegen mangelnder Zustimmung der
Gewerkschaften nur recht zögernd wahrgenommen werden .
Staatshilfen zur Unternehmensgründung ( Enterprise Allo­
wance Scheme ) dagegen , die Arbeitslosen bei der Gründung
eines eigenen Geschäfts helfen sollen , waren viel erfolgrei­
cher . Sie wurden stark in Anspruch genommen und verzeich­
neten nur relativ wenige Fehlschläge : Lohnkostenzuschüsse
( Employment Incentive Scheme ), mit denen die Einstellung
zusätzlicher Arbeitskräfte subventioniert wird , werden eben­
falls verstärkt in Anspruch genommen , doch läßt sich ihr
Erfolg deshalb schwerer beurteilen , weil mancher Arbeitge­
ber vielleicht ohnehin mehr Arbeitskräfte eingestellt hätte .
Insgesamt gesehen ist in Anbetracht der in jüngster Zeit stark
gestiegenen Anzahl von Programmen und der daran beteilig­
ten Stellen eine verstärkte Koordinierung der Arbeitsmarkt­
politik erforderlich .
Eine bisher wichtige Entwicklung zur Förderung der Anpas­
sungsfähigkeit des Arbeitsmarkts bestand darin , daß die
Lohnabschlüsse sowohl zeitlich als auch ihrem Umfang nach
noch stärker differenziert worden sind . Zusätzlich sollten
Überlegungen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der
Höhe der Arbeitslosenunterstützung und den Nettoeinkom­
men nach Steuern angestellt werden . Kurzfristige Soziallei­
stungen werden zwar teilweise besteuert , doch hätten ener­
gischere Maßnahmen zur Senkung der persönlichen Steuern ,
vor allem für Bezieher niedriger Einkommen , kombiniert mit
einer Kürzung der Sozialtransfers , vielleicht einen größeren
Effekt . Jedoch wird eine Korrektur des längerfristigen
Trends der fortschreitenden Kapitalintensivierung nicht
leicht zu bewerkstelligen sein ; aber vieles deutet darauf hin ,
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 62
daß großzügige Investitionsreize , die schon viele kapitalin­
tensive Produktionen gefördert haben , bedeutende Auswir­
kungen hatten . Da Irland wahrscheinlich noch eine Zeitlang
von ausländischen Investitionen abhängig ist , könnte es
schwierig sein , diese Anreize zu verringern ; doch könnte man
sie in Übereinstimmung mit dem Weißbuch der Industriepo­
litik gezielter einsetzen , um die Schaffung von mehr Arbeits­
plätzen zu gewährleisten . Gegenwärtig ist es sinnvoll , in der
Produktions- und Beschäftigungswachstums im Verarbeiten­
den Gewerbe in einer Erholung und Expansion der inländi­
schen Unternehmen . Voraussetzungen dafür sind allerdings
eine dauerhafte Lohnmäßigung, damit Gewinne entstehen
können , die wiederum Investitionen auslösen und die Wett­
bewerbsfähigkeit wahren , sowie ein in bezug auf die Besteue­
Bereich des Verarbeitenden Gewerbes anzustreben . Letztlich
rung und das Zinsniveau angemessenes Umfeld für die
Unternehmen . Eine derartige Lohnmäßigung in Verbindung
mit Haushaltsbeschränkungen ist nicht nur aus der Sicht
Irlands dringend nötig , sondern würde auch im Einklang mit
einer konsistenten , beschäftigungsintensiveren Wachstums­
jedoch liegen die besten Aussichten für eine breitere Basis des
strategie der Gemeinschaft stehen .
Industriepolitik mit Nachdruck eine Verbesserung der Liefe­
rungen zwischen dem ausländischen und dem inländischen
TABELLE 16
Irland : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 — 1986
Ein­
Nominales
BIP
Reales
BIP
BIP
Deflator
je unselb­
ständig
preis
Arbeitslose
Finanzie­
kommen
Ver­
braucher-
Leistungs­
rungs-
bilanz
überschuß
des Staates
Beschäf­
Geldmenge
(M 3 ) ( 3 )
( in % der
Beschäf­
Erwerbs­
tigung
personen )
tigten
i
Verände­
Veränderung in %
% des BIP
- 2,3
- 2,7
10,4
- 8,1
7,0
-
5,7
- 2,0
18,5
21,5
13,5
5,6
10,1
6,6
9,8
1961—1970
1971—1980
9,9
4,2
5,5
4,6
9,9
19,5
4,6
14,2
13,8
18,0
1981
21,2
1,8
18,2
21,2
19,6
1982
16,9
0,8
15,9
15,9
15,7
1983
10,4
0,8
10,4
8,3
9,3
1984
11,3
4,4
6,6
9,6
8,7
2,5
6,1
7,5
2,3
5,0
8,5
5,7
5,3
1985 (»)
1986 ( 2 )
rung
%
in %
4,6
14,1
9,9
6,3
5,1
3,3
-
13,2
13,8
11,8
10,1
11,5
10,4
4,5
7,4
10,6
12,8
14,6
16,1
17,1
17,4
Verände­
rung
in %
0,0
1,0
- 0,9
0,2
- 2,0
- 0,9
- 0,3
0,6
( ! ) Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
( 2 ) Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
( 3 ) Jahresende .
ITALIEN
In Italien erhielt die private Nachfrage im ersten Halbjahr
1985 neue Impulse von der ungebrochenen Dynamik der
Einkommensentwicklung, der Ausweitung des Haushaltsde­
fizits und dem hieraus resultierenden beschleunigten Wachs­
tum der monetären Aggregate , während die Nachfrage der
Unternehmen noch durch die günstige Gewinnentwicklung
stimuliert wurde . Diese Faktoren haben zusammen dazu
geführt , daß sich das Konjunkturgefälle zum Rest der
Gemeinschaft vergrößert hat . Zusammen mit einer nachlas­
senden Wettbewerbsfähigkeit bewirkte die kräftige Expan­
sion der Inlandsnachfrage , daß sich der Anstieg der Einfuh­
ren deutlich beschleunigte und das Wachstum der Ausfuhren
sich etwas verlangsamte . Trotz des stark negativen Außen­
beitrags dürfte das Bruttoinlandsprodukt etwa mit der
gleichen Rate gewachsen sein wie 1984 . Die weiterhin
kräftige Nachfrage und die Dollarhausse im ersten Halbjahr
haben indessen die Verlangsamung des Preisauftriebs vor­
übergehend unterbrochen , der sich im Jahresdurchschnitt bei
einer Rate 9% anstelle der angestrebten 7% stabilisieren
dürfte . Die Verschlechterung des realen Außenbeitrags wur­
de nicht einmal teilweise durch günstige Entwicklungen bei
anderen zahlungsbilanzrelevanten Faktoren kompensiert
und ist daher voll auf die Leistungsbilanz durchgeschlagen ,
deren Defizit für das gesamte Jahr 1,7% des Bruttoinlands­
produkts erreichen könnte . Nachdem der Lira-Wechselkurs
bereits im Februar-März und im Juli zwei Schwächeanfälle
erlitten hatte , wurde aufgrund dieser tiefgreifenden
Ungleichgewichte der Leitkurs der Lira innerhalb des Euro­
päischen Währungssystems am 20 . Juli neu festgelegt .
Die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber
den Ländern des Europäischen Währungssystems und die
Verbesserung der Terms of Trade — dank des Rückgangs des
Dollarkurses und des Erdölpreises — haben im zweiten
Halbjahr zu einer gewissen Verbesserung der Zahlungsbilanz
geführt . Diese Verbesserung kann sich jedoch nur dann
verstärken , wenn die für das derzeitige Ungleichgewicht
verantwortlichen Entwicklungen rasch korrigiert werden . So
könnte eine anhaltend hohe Inflation den Wechselkursvorteil
aufzehren , noch bevor er voll auf die realen Handelsströme
durchgeschlagen ist . Daher müssen grundlegende Maßnah­
men getroffen werden , um das Wachstum der Inlandsnach­
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
frage zu verlangsamen und um darüber hinaus die Inflations­
mechanismen zu beseitigen , welche die Instabilität der
Wirtschaft zu einer Dauererscheinung werden lassen und
dadurch die Entwicklung ihrer produktiven Kapazitäten
behindern . Aufgrund dieser Sachlage hatte das außenwirt­
schaftliche Gleichgewicht stets einen prekären Charakter ; die
auf mittlere Sicht schwerwiegende Konsequenz dieser Situa­
tion war aber die durch die sinkende Kapitalrentabilität
verursachte Verlangsamung der Produktivinvestitionen . Der
hieraus resultierende Abbau von Arbeitskräften , vor allem in
den im Wettbewerb stehenden Sektoren , hat auch in der
Phase zunehmender Investitionen in den Jahren 1984— 1985
angehalten . Es ist daher unerläßlich , daß die Wirtschaftspo­
litik diese Fehlentwicklung von Grund auf korrigiert , indem
sie eine Reihe institutioneller Automatismen überprüft , die
die Flexibilität von Lohnkosten und öffentlichen Ausgaben
behindern und deshalb der dauerhaften Wiederherstellung
der makroökonomischen Gleichgewichte im Wege stehen .
Ohne energische Maßnahmen in dieser Richtung wäre die
Währungspolitik zwangsläufig mit widersprüchlichen Erfor­
dernissen konfrontiert , die es ausschließen würden , daß die
erforderlichen Fortschritte bei der Wiederherstellung der
Gleichgewichte erzielt werden und daß darüber hinaus die
produktiven Investitionen auf Dauer ein Niveau erreichen ,
das für den schrittweisen Abbau der Arbeitslosigkeit aus­
reicht .
Der Überprüfung der Lohnanpassungsmechanismen kommt
in diesem Zusammenhang entscheidende Bedeutung zu , weil
sie nicht nur eine maßvollere Kostenentwicklung in den im
Wettbewerb stehenden Sektoren , sondern auch eine bessere
Beherrschung eines großen Teils der öffentlichen Ausgaben
bewirken kann . Obgleich das 1975 eingeführte undifferen­
zierte Indexierungssystem im Jahre 1983 angepaßt worden
Nr . L 377 / 63
gleichzeitig das Risiko neuer Verzerrungen zwischen der
Entwicklung der Reallöhne und derjenigen der Produktivität
vermindern , indem den Verhandlungen ein größerer Spiel­
raum gegeben wird . Es könnte gegebenenfalls sogar Verzer­
rungen , die in der Vergangenheit entstanden sind , korrigie­
ren .
Die Revision der Lohnanpassungsmechanismen wird jedoch
nur dann zu den gewünschten Ergebnissen führen , wenn sehr
energische Anstrengungen unternommen werden , um den
enormen inflationären Druck der öffentlichen Finanzen nicht
nur einzudämmen , sondern zu verringern . Entgegen den
anfänglichen Vorausschätzungen ist beim Defizit des
Schatzamts 1985 nämlich noch keine Wende zum Besseren
eingetreten . Es hat sogar weiter steigende Tendenz gegen­
über einem Niveau , das schon heute angesichts einer Ver­
schuldung von fast 100% des Bruttoinlandsprodukts eine
rasche Zunahme der Schuldenlasten nach sich zieht . Die
Grundzüge der erforderlichen Politik sind in einem Plan zur
Sanierung der öffentlichen Finanzen bis zum Jahre 1990
dargelegt worden , der darauf abzielt , die Belastung der
Wirtschaft durch die öffentlichen Finanzen schrittweise zu
reduzieren , indem der relative Anteil der Steuern und
Abgaben und das reale Gewicht der zinsbereinigten laufen­
den Ausgaben sehr nahe bei ihren derzeitigen Niveaus
stabilisiert werden . Die Erreichung dieser beiden Ziele würde
es erlauben , das Defizit des Schatzamts von 15,7% des
Bruttoinlandprodukts im Jahre 1985 auf 7 bis 8% im Jahre
1990 zurückzuführen und damit das laufende Defizit nahezu
vollständig abzubauen , allerdings unter der Annahme , daß
das Wachstum bis Ende des Jahrzehnts im Jahresdurch­
schnitt 3 % beträgt und die Inflation schon bald auf eine
Jahresrate von 4% sinkt .
ist , bestehen seine wesentlichen Nachteile weiter: Es behin­
dert die Bekämpfung der Kosteninflation , da ein sehr großer
• Teil des Preisanstiegs in der Vergangenheit automatisch auf
die Lohnsumme durchschlägt ; es zwingt zur Kompensierung
seiner einkommensnivellierenden Effekte durch differenzier­
te Lohnerhöhungen , die zusammengenommen nicht mit der
erwünschten Verlangsamung des nominalen Kostenanstiegs
zu vereinbaren sind , und es hat letzten Endes dazu geführt ,
daß die Reallöhne wenigstens bis 1983 schneller steigen als
die Produktivität gestiegen ist .
Die Hauptschwierigkeit dieser Strategie liegt in der Stabili­
sierung des realen Zuwachses der zinsbereinigten laufenden
Ausgaben , zumal ein bedeutender Teil dieser Ausgaben
dezentralisiert getätigt wird . Diese Strategie impliziert näm­
lich , daß die Kaufkraft der Lohn- und Gehaltssumme im
öffentlichen Dienst auf Dauer stabilisiert wird — d . h . die
Anpassungsmechanismen , insbesondere die Indexbindung
und die Laufbahnautomatik , müssen entsprechend geändert
werden — und daß die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen
Dienst nur im unbedingt erforderlichen Umfang erhöht wird .
Dies bedeutet auch , daß als Ausgleich für die wachsende reale
Es scheint sich eine Einigung zwischen den Sozialpartnern
über den Verzicht auf diesen Mechanismus abzuzeichnen —
der bereits von den Arbeitgebern der Privatindustrie für
Anfang 1986 aufgekündigt wurde — , ohne daß jedoch
erwogen wird , völlig auf einen automatischen Inflations­
schutz der Löhne zu verzichten . Man könnte sich auf ein
Lohnfindungssystem zu bewegen , bei dem eine Indexbin­
dung in der abgeschwächten Form einer halbjährlichen
Anpassung für einen erheblich niedrigeren Lohnbetrag fort­
bestehen würde , und bei dem die übrigen Elemente der
Lohnanpassung auf der Ebene der Wirtschaftssektoren oder
Unternehmen nicht mehr wie bisher alls drei Jahre , sondern
in wesentlich kürzeren Zeitabständen festgesetzt würden .
Eine allgemeine Anwendung eines solchen Systems würde die
Starrheiten der geltenden Regelung erheblich mildern und
seine größten Nachteile ausmerzen . Es könnte raschere
Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung ermöglichen und
Rentenlast die Haushaltskosten der öffentlichen Dienstlei­
stungen dadurch vermindert werden , daß die Kostenbeteili­
gung der Leistungsempfänger angemessen heraufgesetzt
wird . Schließlich muß auch dafür gesorgt werden , daß das
überproportionale Wachstum der Ausgaben für Renten nach
Möglichkeit begrenzt wird . Der Entwurf des Haushaltsge­
setzes für 1986 , der vom Parlament am 30 . September
vorgelegt wurde , enthält eine Reihe von Maßnahmen , die
einige dieser Erfordernisse bereits berücksichtigen und es
erlauben werden , dem Ziel der Stabilisierung der realen
zinsbereinigten Ausgaben näherzukommen .
Im Entwurf des Haushaltsgesetzes sind Entlastungen bei der
Einkommensteuer — Revision der Steuersätze zur Vermei­
dung inflationsbedingter Steuererhöhungen — und ab 1987
die Abschaffung der Steuer auf investierte Gewinne sowie
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 64
31 . 12 . 85
eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorgesehen . Daneben
sollen aber die Sozialversicherungsbeiträge kräftig erhöht
werden . Insgesamt dürfte die Steuer- und Abgabenbelastung
rung erzielt würden . Parallel dazu könnte sich der Anstieg der
Verbraucherpreise erheblich , auf ungefähr 6,5 % im Jahres­
durchschnitt , verlangsamen und am Jahresende den Gemein­
annähernd auf dem Niveau von 1985 bleiben , so daß das Ziel
schaftsdurchschnitt erreichen .
für das Defizit des Schatzamts im Jahre 1986 — 110 000
Milliarden Lire , d . h . 14,8 % des Bruttoinlandsprodukts —
möglicherweise nicht ereicht werden kann . Dieses Ziel , das
gegenüber dem für 1985 erwarteten Haushaltsergebnis eine
Verbesserung um weniger als einen Prozentpunkt bedeutet ,
Die energischen Bemühungen um eine bessere Kontrolle der
Kosten und des Haushaltsdefizits , die die wichtigste Voraus­
setzung für die Rückkehr zu einem stabileren Wachstum
bildet — das wiederum eine Ausweitung der Produktionska­
pazitäten zur Erhöhung der Beschäftigung impliziert — ,
müßten voll in eine kooperative Wachstumsstrategie einbe­
zogen werden . Um den Zielen dieser Strategie voll zu
entsprechen , müßten diese Bemühungen möglichst durch
direkte und kurzfristig wirkende Maßnahmen zur Verringe­
rung der Arbeitslosigkeit ergänzt werden . Auch wenn die
Arbeitslosigkeit heute nicht mehr sehr spürbar steigt , da sich
die Zunahme der Erwerbsbevölkerung tendenziell verlang­
samt , ist ihr Ausmaß doch noch besorgniserregend , so daß
die gezielten Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosig­
keit intensiviert werden sollten ; hier seien eine größere
Anpassungsmöglichkeit des Arbeitsmarktes , die Anpassung
der beruflichen Ausbildung und Umschulung oder Maßnah­
men zur direkten Förderung der Beschäftigung in den
süditalienischen Regionen genannt . Darüber hinaus müßten
im Rahmen der begrenzten Haushaltsmittel auch Maßnah­
men zur Förderung der Forschung, des technologischen
Fortschritts und zur Umstellung der Energiewirtschaft
getroffen werden , um auf diese Weise die Produktionsstruk­
turen und folglich die mittelfristigen Wachstumsaussichten
muß als ein Minimum gelten angesichts der imperativen
Notwendigkeit , den relativen Verschuldungsstand späte­
stens 1990 zu stabilisieren . Deshalb muß unbedingt sicher­
gestellt werden , daß dieses Defizit auf keinen Fall überschrit­
ten wird , indem — mangels spontaner Mehreinnahmen —
zusätzliche Einsparungen vorgenommen werden .
Diese lohn- und haushaltspolitischen Orientierungsdaten
müßten von einer Geldpolitik sekundiert werden , die weiter­
hin auf eine Begrenzung des Geldmengenwachstums ausge­
richtet ist , um die M 2-Liquiditätsquote der Wirtschaft , die
1985 gestiegen ist , spätestens zum Jahresende 1986 zu
stabilisieren . Dies würde zu einer gewissen Verlangsamung
der Inlandsnachfrage führen , die in erster Linie den Ver­
brauch tangieren sollte . Der reale Außenbeitrag würde
wieder einen positiven Wachstumsbeitrag liefern , so daß das
Bruttosozialprodukt mit einer Rate von ungefähr 2,5%
wachsen könnte und — unter anderem infolge besserer
Terms of trade — Fortschritte in der Leistungsbilanzsanie­
zu verbessern .
TABELLE 17
Italien : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 — 1986
Nominales
Reales
BIP
BIP
BIP
Deflator
Ver­
braucher-
preis
Ein­
kommen
je unselb­
ständig
Arbeitslose
Finanzie­
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
( in % der
Beschäf­
bilanz
überschuß
des Staates
(M 2 ) ( 3 )
Erwerbs­
tigung
Beschäf­
personen ) ( 4 )
tigten
Verände­
Veränderung in %
1961—1970
10,5
5,7
4,5
1971—1980
18,3
18,5
3,1
0,2
14,7
1981
1982
17,2
1983
13,6
1984
13,6
1985 (>)
11,0
2,6
2,7
1986 ( 2 )
9,5
2,7
(J)
(2)
(3)
(4 )
% des BIP
18,3
3,8
14,6
19,2
- 0,5
17,8
- 1,2
15,0
Verände­
%
rung
in %
rung
in %
- 2,3
- 8,0
13,3
5,2
- 0,4
18,4
1,8
- 0,2
19,5
0,5
21,9
- 2,3
- 11,7
10,0
6,0
8,8
17,1
17,3
- 1,6
- 12,7
14,9
16,0
0,2
- 12,4
10,7
11,1
12,1
- 0,9
- 13,5
8,1
8,6
10,2
- 1,7
- 13,6
6,6
6,5
7,6
- 1,1
- 12,8
18,0
12,3
12,1
12,1
8,5
10,7
0,5
8,7 ( 10,5 )
- 0,2
9,9 ( 10,8 )
0,1
10,4 ( 12,0 )
10,9 ( 12,6 )
11,2 ( 13,1 )
0,4
Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
Jahresende .
Zwischen Klammern : Eurostat-Konzept .
0,2
0,3
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 65
LUXEMBURG
In Luxemburg hat sich das Wirtschaftswachstum 1985
abgeflacht , da sich das Wachstum der Stahlproduktion nach
der sehr starken Zunahme im Vorjahr nunmehr verlang­
samte . Dank der anhaltend kräftigen Nachfrage nach ande­
ren Erzeugnissen haben jedoch die Ausfuhren noch leicht
zugenommen . Die Inlandsnachfrage hat sich infolge einer
Belebung des privaten Verbrauchs und der Unternehmensin­
vestitionen deutlich verbessert , doch waren die Investitionen
des öffentlichen Sektors und die Wohnungsbauinvestitionen
real rückläufig . Insgesamt dürfte das Wachstum des BIP etwa
1,7% erreichen . Der Verbraucherpreisauftrieb ( 3,2% im
Durchschnitt ) hat sich deutlich verlangsamt .
Auch 1986 dürfte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
recht gering bleiben und kaum über 1 ,5 % hinausgehen . Eine
Stabilisierung der Produktion in der Stahlindustrie sollte
durch einen noch lebhafteren Anstieg in den übrigen Wirt­
schaftszweigen mehr als wettgemacht werden . Die dynami­
schere Entwicklung des privaten Verbrauchs und das weitere
Wachstum der Investitionen , hauptsächlich der privaten
Investitionen , dürften die Inlandsnachfrage abstützen , die in
vergleichbarem Maße wie im Vorjahr zunehmen dürfte . Der
Anstieg der Verbraucherpreise wird sich im Laufe des Jahres
voraussichtlich weiter verlangsamen .
Die finanzielle Lage der Stahlunternehmen hat sich nach drei
Jahren beträchtlicher Anstrengungen gebessert . Die Konso­
lidierung der Rentabilität dieses Sektors wird für den Staats­
haushalt 1986 noch wesentliche Belastungen mit sich brin­
gen , doch darf sie die Bemühungen um eine Diversifizierung
der luxemburgischen Wirtschaft durch Ausbau und Moder­
nisierung der bestehenden Unternehmen und Ansiedlung
neuer Industrien nicht behindern .
die gegenüber der internationalen Konkurrenz sehr empfind­
lich sind . Dies könnte die Anziehungskraft des Landes für
neue Unternehmen mindern und die industrielle Diversifizie­
rung behindern , zumal die Lohnkosten in den Nachbarlän­
dern weiterhin nur mäßig steigen dürften . Ein Nachlassen
der Sanierungsanstrengungen würde die Wettbewerbsfähig­
keit der Unternehmen gefährden . Im Gegensatz dazu dürfte
sich die Beteiligung an einer kooperativen Wachstumsstrate­
gie und eine maßvolle Einkommensentwicklung günstig auf
die Exportaussichten auswirken .
Im Vergleich zu den übrigen EG-Ländern hielt sich die
Arbeitslosigkeit , insbesondere dank der spezifischen Be­
schäftigungsprogramme für die Stahlarbeiter , in engen Gren­
zen . Nach wie vor bestehen jedoch Ungleichgewichte bei der
beruflichen Eignung der Arbeiter , die durch den weiteren
Ausbau der Berufsberatung und Berufsausbildung der
Jugendlichen behoben werden könnten . Indem verschiedene
Wege der innerbetrieblichen Ausbildung attraktiver gemacht
werden und die Arbeitszeit flexibler gestaltet wird , könnte
auch dem Bedarf der einzelnen Unternehmen besser Rech­
nung getragen werden .
Der voraussichtliche Einnahmenanstieg zusammen mit einer
weiterhin strikten Ausgabengebarung dürften die Vorausset­
zungen dafür schaffen , daß der Haushaltsüberschuß 1986
auf dem Stand des Vorjahres , nämlich bei 2 % des Bruttoin­
landsprodukts , gehalten werden kann . Wenn diese Haus­
haltsorientierung 1986 eingehalten wird , bestünde ein Spiel­
raum für die Aufstockung der Reserven der Investitionsfonds
sowie — in Fortführung der im Haushaltsentwurf 1986
beschlossenen Steuerermäßigungen — für eine weitere Sen­
kung des Steuerdrucks in den nächsten Jahren . Auf diese
Zur Erreichung dieser Ziele braucht die Umstrukturierungs­
politik ein investitionsfreundliches Wirtschaftsklima , was
Weise würden den öffentlichen Stellen auch die Finanzmittel
eine ausreichende Rentabilität der Unternehmen voraussetzt .
insbesondere für den Straßenbau und das Fernmeldewesen ,
In diesem Zusammenhang spielt die Lohnentwicklung eine
entscheidende Rolle . Die Aufhebung der Maßnahmen zur
Lohnmäßigung in der Stahlindustrie , die Wiedereinführung
der Lohnindexierung und die Gewährung außertariflicher
Vergünstigungen könnten auf andere Sektoren übergreifen ,
benötigen . Neben den unmittelbaren Vorteilen , die diese
Investitionen vor allem für die industrielle Umstrukturierung
mit sich bringen , würden diese Programme auch die Beschäf­
tigung in der Bauwirtschaft , die sich zur Zeit einem Nach­
fragerückgang gegenübersieht , beträchtlich unterstützen .
zur Verfügung stehen , die sie für die geplanten Investitionen ,
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr . L 377 / 66
TABELLE 18
Luxemburg: Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 — 1986
Nominales
BIP
Reales
BIP
Ver­
braucher-
BIP
Deflator
preis
Ein­
kommen
je unselb­
ständig
Arbeitslose
Finanzie­
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
bilanz
überschuß
(M2 ) P )
Beschäf­
des Staates
(in % der
Erwerbs­
personen )
I
Verände­
1961—1970
7,6
1971—1980
9,6
1981
4,2
1982
% des BIP
%
6,7
7,4
6,3
2,5
6,7
10,5
21,5
7,0
7,8
9,0
32,0
9,9
- 2,6
0,3
9,6
10,5
6,0
40,8
1983
6,1
- 2,2
8,5
9,1
6,6
31,0
1984 (»)
1985 ( 2 )
9,2
3,2
5,8
6,7
4,2
33,2
6,0
1,7
4,2
4,9
32,1
1986 ( 2 )
6,4
1,3
5,0
3,7
3,5
5,6
30,8
3,6
3,1
3,8
tigung
(4)
tigten
Veränderung in
Beschäf­
rung
in %
Verände
%
rung
in %
1,8
2,2
0,1
0,6
0,3
- 2,3
- 1,4
0,0
1,5
2,1
1,9
1,0
1,3
- 0,6
\
1,2
1,5
1,7
1,7
1,6
0,6
- 0,3
0,5
0,6
0,4
(') Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
( 2 ) Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik.
( 3 ) Jahresende .
( 4 ) Eurostat-Konzept .
NIEDERLANDE
In den Niederlanden ist die Wirtschaft 1985 in ähnlichem
der steigenden Beschäftigung beschleunigen . Wegen der
Tempo wie im Vorjahr gewachsen . Das Bruttoinlandspro­
dukt stieg real um etwa 2 % , was im wesentlichen der recht
dynamischen Entwicklung der Ausfuhren zu verdanken war .
Die Inlandsnachfrage expandierte dagegen langsamer , vor
allem wegen der schwachen Wohnungsbaunachfrage und des
Rückgangs der öffentlichen Investitionen und ungeachtet der
Belebung des privaten Verbrauchs . Die maßvolle Entwick­
lung der Lohnkosten in den Vorjahren hatte zur Verbesse­
rung der Unternehmensgewinne beigetragen , wodurch wie­
derum die seit Anfang 1984 zu beobachtende starke Bele­
bung der privaten Ausrüstungsinvestitionen begünstigt wur­
de ; in der Bauwirtschaft dagegen nehmen die Investitionen
vorläufig nur sehr wenig zu . Insgesamt liegen die Unterneh­
verbesserten Unternehmensrentabilität und des höheren
Auslastungsrads der Produktionskapazitäten dürften die
Erweiterungsinvestitionen der Unternehmen , namentlich in
der Exportindustrie , zunehmen . Hingegen wird im Woh­
nungsbau und bei den öffentlichen Investitionen erneut ein
leichter Rückgang eintreten . Die Inflationsrate wird auf ein
sehr niedriges Niveau sinken , weil der Rückgang der Ein­
fuhrpreise den beschleunigten Anstieg der Lohnrückkosten
weitgehend ausgleichen dürfte . Aufgrund der Verbesserung
der Terms of trade wird sich der Leistungsbilanzüberschuß
beträchtlich erhöhen und könnte 5 % des Bruttoinlandspro­
dukts übersteigen . Die Zahl der Beschäftigten im Verarbei­
tenden Gewerbe könnte im zweiten aufeinanderfolgenden
mensinvestitionen noch unter dem Niveau vom Ende der
Jahr leicht zunehmen .
siebziger Jahre ( 1983 — 1985 10,0 % des Bruttoinlandspro­
duktsgegenüber 11,3% 1977— 1979 ). Die Arbeitslosenzahl
nahm im Jahresdurchschnitt ab und die Arbeitslosenquote
sank von 14,2% im Jahre 1984 auf 13,5% der Erwerbsbe­
völkerung . Der Anstieg der Verbraucherpreise blieb sehr
mäßig . Der Leistungsbilanzüberschuß erhöhte sich auf 4,4 %
des Bruttoinlandsprodukts . Wegen der niedrigen Inflations­
rate und des noch hohen Finanzierungsbedarfs des Staates —
8 % des Nettovolkseinkommens — verzichtete die Geldpoli­
tik darauf, die aus dem Zahlungsbilanzüberschuß resultie­
rende Liquiditätsausweitung vollständig zu kompensieren .
1986 dürfte sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
kaum beschleunigen und wieder etwa 2% erreichen . Die
Ausfuhren werden weiter — wenn auch in etwas langsame­
rem Tempo — zunehmen . Die Inlandsnachfrage wird sich
insgesamt dynamischer entwickeln . Der private Verbrauch
wird sich infolge der tarifvertraglichen Lohnerhöhungen und
Die Verringerung des Haushaltsdefizits und der Abgabenbe­
lastung , die Verbesserung der Unternehmensrentabilität und
die Anpassung der Arbeitszeit sowie die Schaffung neuer
Beschäftigungsmöglichkeiten waren in den letzten Jahren die
Hauptziele der Wirtschaftspolitik . Angesichts des Umfangs
der Probleme sind die bisher erzielten Ergebnisse aber noch
unzureichend .
Die Industrieunternehmen konnten ihre Rentabilität spürbar
verbessern und folglich auch ihre Investitionen steigern . Die
Dämpfung des Lohnkostenanstiegs , teilweise erreicht durch
Verringerung der Sozialversicherungsbeiträge , verbesserte
die finanzielle Situation der Unternehmen und ihre Wettbe­
werbsfähigkeit . Auch das nunmehr erreichte Rentabilitätsni­
veau der Unternehmen läßt es indessen angezeigt erscheinen ,
daß die Reallöhne weiterhin nur sehr maßvoll steigen .
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
Nr . L 377 / 67
In dieser Hinsicht sind die Aussichten für 1986 recht
die Beschäftigungsprogramme für Jugendliche verstärkt wer­
ermutigend . Während in den Tarifverträgen von 1982 der
Lohnanstieg von den Sozialpartnern streng begrenzt wurde ,
werden die laufenden dezentralisierten Verhandlungen für
die einzelnen Wirtschaftszweige und Unternehmen insge­
samt einen stärkeren Lohnanstieg nach sich ziehen . Es sollte
ein allgemeiner Konsens über die Hauptpunkte der Tarifver­
träge angestrebt und gewahrt werden , damit es nicht zu allzu
starken Abweichungen zwischen Lohnerhöhungen und Pro­
duktivitätsfortschritten kommt , die mit der Wahrung der
Wettbewerbsposition unvereinbar wären .
den .
Die Dezentralisierung der Tarifverhandlungen dürfte außer­
dem eine stärkere Differenzierung der Löhne nach Wirt­
schaftszweigen ermöglichen , die wiederum die Mobilität der
Arbeitskräfte fördern würde . Diese Entwicklung würde die
Anpassung der Lohnstruktur beschleunigen und die Tendenz
zu überhöhten Rationalisierungsinvestitionen bremsen . Im
Laufe der achtziger Jahre wurden zahlreiche spezifische
Maßnahmen mit dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosig­
keit getroffen : Herabsetzung der Mindestlöhne , Verringe­
rung der Abgabenbelastung und Erleichterungen für die
Gewährung von Arbeitslosenunterstützung , Ausdehnung
der Teilzeitarbeit , Verkürzung der Arbeitszeit und kompen­
sierende Einstellungen ohne Erhöhung der Lohnkosten . Die
wachsende Flexibilität der Nachfrage am Arbeitsmarkt und
die Differenzierung der Löhne , die durch die auf Branchen­
oder Unternehmensebene ausgehandelten Tarifverträge
erreicht wurde , verbessern das günstige Klima für die
Einstellung von Arbeitskräften zusätzlich . Während diese
Politik noch bis vor kurzem nicht die gewünschten Beschäf­
tigungseffekte erzielte , ist im Laufe des Jahres 1985 eine
Besserung eingetreten . Dank der Belebung der Wirtschafts­
tätigkeit und der genannten Maßnahmen ist nämlich die
Beschäftigung genügend gestiegen , um die Arbeitslosigkeit
etwas zu verringern . Um jugendlichen Arbeitslosen den
Zugang zum Arbeitsmarkt , der häufig an der unangemesse­
nen Berufsbildung scheitert , zu erleichtern , sollten überdies
Die Sanierung der öffentlichen Finanzen hat Fortschritte
gemacht . Von 1982 bis 1985 wurde der Umfang des
öffentlichen Sektors erheblich reduziert und das Netto-Kas­
sendefizit des Staates von 10% des Nettovolkseinkommens
auf 8% verringert . Im gleichen Zeitraum wurde die Bela­
stung durch Steuern und Sozialversicherungsabgaben um
rund 1 % des Nettovolkseinkommens gesenkt . Der Defizit­
abbau ist nicht nur den erheblichen Sanierungsbemühungen
auf der Ausgabenseite zu verdanken , die übrigens zum Teil
durch unvorhergesehene Mehrausgaben für Sozialaufgaben
und den Schuldendienst zunichte gemacht wurden , sondern
auch höheren Einnahmen aus der Erdgasförderung. Der ab
1986 zu erwartende deutliche Rückgang der Erdgaseinnah­
men dürfte den Abbau des Haushaltsdefizits noch erschwe­
ren . Selbst wenn die in der Koalitionsvereinbarung vorgese­
henen Einsparungen realisiert werden , bietet der Haushalts­
entwurf für 1986 weniger Spielraum für eine weitere fühlbare
Verringerung des Nettofinanzierungssaldos . Es müßte aber
sichergestellt werden , daß das Kassendefizit des Staates 1986
unter 8 % des Nettovolkseinkommens bleibt . Unter den
gegenwärtigen Umständen sollte indessen die Haushaltssa­
nierung vorübergehend verlangsamt werden , damit nicht die
Steuerbelastung erhöht oder andere Maßnahmen getroffen
werden müssen , die die Erholung der Unternehmensinvesti­
tionen und des privaten Verbrauchs beeinträchtigen könn­
ten . Ein von den Investitionen und Ausfuhren getragenes
höheres Wachstum könnte den finanziellen Spielraum schaf­
fen , damit die Kaufkraft der Haushalte , namentlich durch
Senkung der Sozialversicherungsbeiträge oder der direkten
Steuern , erhöht werden kann , ohne daß längerfristig die
erwünschte Stabilisierung der rasch wachsenden Zinsbela­
stung gefährdet wird . Dies würde zu einer Lösung des
Dilemmas des Leistungsbilanzüberschusses hinführen , das
unter den gegenwärtigen Umständen nicht allein durch eine
Lockerung der Haushaltspolitik gelöst werden kann .
TABELLE 19
Niederlande : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 — 1986
Ein­
Nominales
BIP
Reales
BIP
BIP
Deflator
Ver­
braucher-
preis
kommen
je unselb­
ständig
Arbeitslose
Finanzie­
Leistungs­
bilanz
Beschäf­
rungs-
' Überschuß
( in % der
Geldmenge
(M 2 ) ( 3 )
des Staates
Erwerbs­
personen )
Verände
Verände­
% des BIP
tigung
(4)
tigten
Veränderung in %
Beschäf­
rung
in %
%
1,0
1,2
4,5
0,2
8,8
- 1,5
11,7
- 2,5
rung
in %
1961—1970
10,6
5,2
5,2
4,1
10,6
0,0
- 0,8
1971—1980
2,9
7,7
7,8
10,7
1,3
- 1,5
- 0,6
5,4
6,3
3,6
2,1
- 5,5
1982
10,8
4,8
4,5
- 1,8
6,5
5,3
5,6
2,8
- 7,1
9,1
10,8
5,3
7,6
1983
2,5
0,6
1,9
2,8
3,4
2,9
- 6,5
10,5
14,0
- 2,0
1984 (*)
1985 ( 2 )
1986 ( 2 )
4,3
4,5
3,0
1,7
2,6
2,6
0,6
4,1
- 6,3
7,7
14,2
2,1
2,3
2,4
1,4
4,5
8,0
13,2
2,0
1,0
1,1
2,5
4,5
- 5,9
- 6,5
6,5
13,0
- 0,5
0,4
0,6
1981
0 ) Schätzungen der Kommissionsdienststeilen vom Oktober 1985 .
( 2 ) Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
( 3 ) Jahresende .
( 4 ) Eurostat-Konzept .
Nr . L 377 / 68
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
31 . 12 . 85
VEREINIGTES KÖNIGREICH
Der wirtschaftliche Aufschwung im Vereinigten Königreich ,
der 1981 begann , hat schon länger gedauert und war etwas
kräftiger als in den übrigen Gemeinschaftsländern . Seit
Anfang 1983 wird die wirtschaftliche Belebung von einer
Zunahme der Beschäftigung begleitet ; diese reichte allerdings
nicht aus , die Zahl der Arbeitslosen zu verringern . Die
jährliche Inflationsrate schien sich 1983 und 1984 bei etwa
5 % zu stabilisieren ; diese Inflationsentwicklung wurde dann
jedoch Anfang 1985 durch eine kräftige Abwertung des
Pfund Sterling in Gefahr gebracht , die hauptsächlich auf
Besorgnisse wegen des Bergarbeiterstreiks und der Ölpreise
sowie Zweifel an der Entschlossenheit der Regierung , staat­
liche Ausgaben und Kreditaufnahme unter Kontrolle zu
halten , zurückzuführen ist . Die Behörden reagierten darauf,
indem sie die Zinsen energisch erhöhten und bekräftigten , an
der beschlossenen strikten Haushaltspolitik festhalten zu
wollen . In der Folge erholte sich das Pfund Sterling wieder , so
daß nunmehr die Inflationsaussichten für das nächste Jahr
besser sind . Der höhere Wechselkurs des Pfund Sterling , vor
allem im Verhältnis zu den anderen europäischen Währun­
gen , hat jedoch zusammen mit Lohnstückkosten , die im
Vereinigten Königreich merklich schneller gestiegen sind als
in den Hauptkonkurrenzländern , die Wettbewerbsposition
der heimischen Hersteller und damit die Exportaussichten
für 1986 verschlechtert . Dies trägt dazu bei , daß für 1986 ein
geringeres Wachstum des realen BIP erwartet wird , wobei
Wachstumsimpulse vor allem vom privaten Verbrauch aus­
gehen dürften .
1985 wird das Wachstum des realen BIP wohl nahezu 3,5 %
betragen . Dieser Anstieg ist allerdings durch die Auswirkun­
gen des im März dieses Jahres beendeten Bergarbeiterstreiks
verzerrt und würde bei Bereinigung um diese Verzerrung
zwischen 2,5 % und 3 % liegen . Seit Ende des Streiks sind die
Olimporte zurückgegangen und auch andere Einfuhren
nehmen langsamer als 1984 zu , während die Ausfuhren bei
einem lebhaften Welthandel Marktanteilsgewinne verzeich­
nen , so daß der Außenbeitrag einen wesentlichen Beitrag zum
BIP-Wachstum leistet . Die realen verfügbaren Einkommen
steigen , infolge eines anhaltenden Anstiegs der Durch­
schnittsverdienste , der im Haushalt vom März 1985 enthal­
tenen Steuersenkungen und der Beendigung des Streiks im
Bergbau ziemlich rasch an , doch wird die Zunahme des
privaten Verbrauchs durch eine erhöhte Sparquote , die
ihrerseits wahrscheinlich auf eine etwas stärkere Inflation
und auf höhere Zinsen zurückzuführen ist , gedämpft . Trotz
anhaltend kräftiger Unternehmensinvestitionen ( vor allem
im ersten Quartal , als manche Ausgaben vorgezogen wur­
den , um in den Genuß günstiger Steuerregelungen zu kom­
men ) dürften niedrigere Investitionen des öffentlichen Sek­
tors im Wohnungsbau den insgesamt geringsten Anstieg der
Anlageinvestitionen seit der Rezession von 1980— 1981 zur
Folge haben . Die Beschäftigung nimmt weiter zu . Bis vor
kurzem hat dies den Anstieg der Arbeitslosigkeit lediglich
verlangsamt , da viele der neu Beschäftigten vorher nicht als
arbeitslos gezählt waren , aber seit dem Sommer scheint die
Arbeitslosigkeit nicht mehr anzusteigen .
Im Jahre 1986 dürfte sich die Struktur der Nachfrage deutlich
von den Exporten zum privaten Verbrauch hin verschieben .
Bei einer anhaltenden beträchtlichen Steigerung der Nomi­
nallöhne ( um vermutlich etwa 7% ) wird der erwartete
Rückgang bei den Verbraucherpreisen , der hauptsächlich ein
Ergebnis gedrückter Importpreise aufgrund der diesjährigen
Pfund-Sterling-Aufwertung ist , die realen Einkommen der
Haushalte erhöhen und zusammen mit einem möglichen
Rückgang der Sparquote eine raschere Zunahme des privaten
Verbrauchs bewirken . Dieser Zuwachs könnte durch eine
Senkung der persönlichen Steuern noch verstärkt werden , da
die Vorausschätzung für die Entwicklung der öffentlichen
Finanzen auf der Basis der letzten mittelfristigen Finanzpla­
nung ( MTFS ) auf einen gewissen Spielraum für eine Locke­
rung der Besteuerung oder eine Erhöhung der öffentlichen
Ausgaben ( fiskalische Anpassung) hindeutet . Dem kräftige­
ren privaten Verbrauch dürfte allerdings ein schwacher
öffentlicher Verbrauch und ein langsameres Wachstum der
Ausfuhren als Folge der Verschlechterung der Wettbewerbs­
fähigkeit gegenüberstehen . Alles in allem wird sich das
Wachstum des BIP wohl verlangsamen und etwa 2%
betragen . Die Erwartungen hinsichtlich der Arbeitslosigkeit
sind etwas besser , wobei der Arbeitsmarkt vor allem durch
die bereits im Haushalt 1985 angekündigten Maßnahmen
zur Ausweitung der Ausbildungsmöglichkeiten Jugendlicher
und gemeinnütziger Arbeitsprogramme für Langzeitarbeits­
lose entlastet werden sollte .
Mit der Haushaltspolitik soll erreicht werden , daß die
Ausgaben des Gesamtstaates und der Kreditbedarf des
öffentlichen Sektors ( PSBR ) nach dem Überschießen in
1984 / 85 hauptsächlich infolge der Zusatzkosten im Zusam­
menhang mit dem Bergarbeiterstreik wieder langsamer als
das BIP steigen . Die Erreichung der Ziele der mittelfristigen
Finanzplanung kann von der Entwicklung der Einkommen
im Offendichen Dienst und der Sozialleistungen sowie von
einem möglichen Rückgang der Einnahmen aus der Nord­
seeöl-Förderung gefährdet werden . Diese Risiken dürften
jedoch im laufenden und nächsten Haushaltsjahr durch die
Haushaltsreserve für unabsehbare Ausgaben , die im Haus­
haltsplan 1985 aufgestockt wurde , weitgehend gedeckt sein .
Nimmt man alles zusammen , so kann man immer noch
davon ausgehen , daß der für 1986 / 87 offiziell geplante
Kreditbedarf des öffentlichen Sektors von 7,5 Milliarden
Pfund Sterling Spielraum für eine gewisse fiskalische Anpas­
sung läßt , die in den Haushalt des nächsten Jahres eingear­
beitet werden sollte ; allerdings ist die Höhe dieser Anpassung
sehr ungewiß , so daß sie durchaus niedriger ausfallen
könnte , als es der letzten offiziellen Planung entspricht ( 3,5
Milliarden Pfund Sterling ).
Angesichts der schwächeren Export- und Investitionstrends ,
die sich vor allem bei einer Abschwächung der Weltwirt­
schaft fortsetzen könnten , besteht für zwei bis drei Jahre die
Gefahr eines langsameren Wachstums im Vereinigten König­
reich , wodurch ein merklicher Abbau der Arbeitslosigkeit
unwahrscheinlich würde . Unter diesen Umständen sollte
jeder Handlungsspielraum für eine Unterstützung der Wirt­
schaft mit Hilfe der Fiskal- und Zinspolitik voll ausgenutzt
werden . Es ist hierbei von Belang , daß die Gesamtsituation
des Vereinigten Königreichs auf dem Gebiet des Haushalts
und der öffentlichen Verschuldung jetzt relativ gefestigt ist .
Allerdings hängt das Ausmaß , in welchem die Fiskalpolitik
31 . 12 . 85
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
zur Stärkung der Wirtschaftstätigkeit eingesetzt werden
kann , auch von der Inflationsrate ab . Die in den ersten
Monaten dieses Jahres verzeichnete Beschleunigung bei den
Einzelhandelspreisen war eine vorübergehende Entwick­
lung , die sich aus einer Abschwächung des Wechselkurses
und aus dem damit zusammenhängenden Zinsanstieg ergab
und die sich seitdem wieder deutlich abgeschwächt hat .
Obwohl mit einer verbesserten Inflationsbekämpfung für
1986 gerechnet werden kann , die durch rückläufige Import­
preiseunterstützt wird , dürfte es bei dem heimischen Kosten­
druck in Ermangelung einer Lohnmäßigung , die zu einer
Verringerung des Lohnanstiegs von gegenwärtig 7 bis 8 %
führt , schwerfallen , die jährliche Inflationsrate längerfristig
unter 5% ( die Durchschnittsrate seit 1983 ) zu senken .
Bei der Ausschöpfung des fiskalpolitischen Spielraums sollte
den Maßnahmen Vorrang eingeräumt werden , die sich
günstig auf die Angebotsseite und die Schaffung von Beschäf­
tigungsmöglichkeiten auswirken . Bisher war es das steuerpo­
litische Hauptanliegen der derzeitigen Regierung , die Steuer­
belastung durch die persönlichen Einkommensteuern zu
vermindern , um dadurch mehr Anreize zur Erwerbstätigkeit
und für Unternehmen zu schaffen . Dies ist zwar ein langfri­
stig ausgerichteter Ansatz , er kann aber bereits eine der
Ursachen des Beschäftigungsanstiegs seit 1983 sein , der sich
hauptsächlich durch Personen , die erstmals oder wieder
erwerbstätig werden , zustande kam . Eine weitere Senkung
der Einkommensteuer wäre vor allem in Form einer Erhö­
hung der Freibeträge zu begrüßen , da das Zusammenwirken
von Steuer- und Sozialversicherungssystemen in einigen
Fällen noch immer zu hohen effektiven Grenzsteuersätzen bei
Beziehern niedriger Einkommen führt . Es ist zu hoffen , daß
derartige Anomalien mit der zur Zeit diskutierten Reform des
Sozialversicherungssystems beseitigt werden . Die im Juni
dieses Jahres in einem Grünbuch veröffentlichten Vorschläge
für eine umfassende Reform verweisen besonders auf die
Notwendigkeit , die verschiedenen Sozialleistungen zu inte­
grieren und auf die Bedürftigsten zu konzentrieren .
Im Jahre 1986 , in welchem der private Verbrauch in jedem
Falle mit einer hohen Wachstumsrate (3 bis 4% ) zunehmen
dürfte , wäre es wie üblich angezeigt , neben der Einkommen­
steuersenkung auch andere Wege zur Ausnutzung des fiska­
lischen Handlungsspielraums in Erwägung zu ziehen . So
könnte man beispielsweise Beschäftigung und Inflation auch
dadurch günstig beeinflussen , daß man die Sozialbeiträge
senkt und dadurch die Kosten der Beschäftigung für die
Unternehmen vermindert . Außerdem spricht vieles dafür ,
einen Teil des Spielraums zur Finanzierung öffentlicher
Infrastrukturinvestitionen , von denen einige relativ arbeits­
intensiv sind , zu verwenden . Der Zustand einiger Infrastruk­
turen ist Anfang dieses Jahres in einer Reihe von Berichten
erwähnt worden , die von einzelnen Ministerien im Rahmen
des Nationalen Rates für Wirtschaftsentwicklung aufgestellt
wurden . In Anbetracht der anscheinend bestehenden Mängel
sollte die Situation nochmals genau geprüft werden , wenn die
Ausgabenpläne überarbeitet werden .
Die monetäre Entwicklung hat im vergangenen Jahr Anlaß
zu gewisser Besorgnis gegeben . Die verschiedenen Indikato­
ren für die monetäre Entwicklung , insbesondere die montä­
ren Aggregate und der Wechselkurs , haben oft abweichende
Informationen geliefert . Im Januar , als das Geldmengen­
Nr . L 377 / 69
Wachstum mehr oder weniger zufriedenstellend verlief, geriet
der Kurs des Pfund Sterling unter beträchtlichen Druck , und
die Basiszinsen der Banken , die Ende 1984 unter 10%
gefallen waren , wurden auf 14% angehoben . In den letzten
Monaten jedoch lag die Zuwachsrate der Geldmenge in ihrer
weiten Abgrenzung , Sterling M 3 , trotz hoher ( nominaler
und realer ) Zinsen weit über dem in der letzten mittelfristigen
Finanzplanung für 1985 / 86 festgelegten Zielkorridor von
5 bis 9 % . Seit März haben die Zinsen leicht nachgegeben ,
doch ist zu hoffen , daß weitere Senkungen bei gleichzeitiger
Wahrung von inflationssenkenden Währungsbedingungen
erreicht werden .
Trotz des Zinsrückgangs im Jahre 1985 ist das Zinsgefälle
gegenüber anderen Ländern groß geblieben , und die Kurs­
schwankungen des Pfund Sterling waren zeitweise sprung­
haft . In den 12 Monaten seit Juli 1984 ist der gewichtete
Index des Kurses des Pfund Sterling zunächst um mehr als
10% gefallen und dann wieder um mehr als 15 % gestiegen .
Derartige Bewegungen können unerwünschte Auswirkungen
auf die Preise und auf die Ressourcen-Allokation haben und
Unsicherheiten verursachen . Besonders deutlich wurde dies
sowohl im vorhergehenden als auch im laufenden Haushalts­
jahr bei der Höhe des Steueraufkommens aus der Ölförde­
rung, die sowohl vom Dollar-Ölpreis als auch vom Pfund /
Dollar-Wechselkurs abhängt . Dies ist ein Beispiel dafür ,
welche Vorteile es bringen könnte , wenn man durch volle
Beteiligung am EWS ein Überschießen des Wechselkurses
vermeiden würde . Angesichts der größeren Konvergenz , die
nunmehr in der Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer
erreicht ist , sollte man einen solchen Schritt erneut in
Erwägung ziehen .
Es wird damit gerechnet , daß die Förderung von Nordseeöl
und -gas 1985 und 1986 mit rund 6 bis 7 % des gesamten BIP
und mehr als 20% der Warenausfuhr ihren Höhepunkt
erreicht . Auch wenn die Ölförderung viel langsamer zurück­
gehen sollte , als sie bisher angestiegen ist (vor 10 Jahren war
die Förderung verschwindend gering), wird sich die Volks­
wirtschaft an diese wichtige Veränderung der Situation
anpassen müssen . Der unmittelbarste Effekt auf die Wirt­
schaftspolitik dürfte von den Steuereinnahmen aus der
Ölförderung ausgehen , die im laufenden Haushaltsjahr auf
9 % der Einnahmen des Gesamtstaates veranschlagt werden .
Offiziellen Projektionen zufolge wird sich dieser Anteil bis
1988 / 89 etwa halbieren . Die Verminderung des Öl-Über­
schusses in der Zahlungsbilanz muß durch Verbesserung in
anderen Bereichen kompensiert werden . Die anhaltende
Verbesserung der Dienstleistungsbilanz wird hierzu beitra­
gen , doch könnte jede weitere Verschlechterung der Nicht­
öl-Handelsbilanz (deren Saldo von einem kleinen Überschuß
im Jahr 1981 in ein beträchtliches , auf nahezu 3% des BIP
geschätztes Defizit im Jahre 1985 umgeschlagen ist ) ein
erhebliches Ungleichgewicht verursachen . Eine Stärkung der
Leistung der nicht mit Erdölförderung beschäftigten Wirt­
schaft , die seit dem Beginn des Aufschwungs im Jahr 1981 im
Durchschnitt um weniger als 2,5 % im Jahr gewachsen ist , ist
deshalb von zentraler Bedeutung.
Die Maßnahmen , die in den letzten Jahren auf der Angebots­
seite getroffen wurden , wie zum Beispiel die Änderungen bei
den persönlichen Steuern , haben zusammen mit der höheren
Nr . L 377 / 70
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Wachstumsrate zu einem beträchlichen Anstieg der Anzahl
der Beschäftigten geführt ( mehr als 600 000 oder fast 3 %
zwischen dem ersten Quartal 1983 und dem ersten Quartal
1985 ). Weitere Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarkts
befinden sich in Vorbereitung . Es ist zu hoffen , daß bei
weiter zunehmender Beschäftigung die zusätzlichen Arbeits­
plätze zunehmend durch Arbeitslose besetzt werden und
weniger als bisher mit Personen , die neu in den Arbeitsmarkt
eintreten . Der beträchtliche Produktivitätsanstieg zu Anfang
der achtziger Jahre hat sich jetzt verlangsamt und dadurch
eine raschere Erhöhung der Lohnstückkosten bewirkt , die
wiederum die internationale Wettbewerbsposition der
Unternehmen schwächen und den Aufwärtstrend der Unter­
nehmensrentabilität umkehren könnte . Wenn man ( vor
31 . 12 . 85
allem angesichts der Tatsache, daß das Öl eine geringere
Rolle spielt ) das Investitionswachstum stützen und damit die
Kapazität der Wirtschaft ausweiten , d . h . die Beschäfti­
gungsmöglichkeiten verbessern will , dann muß eine weitere
Korrektur der relativen Faktoreinkommen zur Verbesserung
der Kapitalerträge erfolgen . Das erfordert , daß der Anstieg
der Reallöhne , der über mehrere Jahre hinweg erheblich über
denjenigen der anderen Mitgliedstaaten lag , jetzt wesentlich
niedriger ausfallen muß. Eine bessere Verständigung zwi­
schen den Sozialpartnern über diese und andere Fragen und
ein besseres Funktionieren des Arbeitsmarktes würden näm­
lich die Einführung einer Gesamtstrategie erheblich erleich­
tern , die mittelfristig zu einer bedeutsamen Verringerung der
Arbeitslosigkeit beitragen würde .
TABELLE 20
Vereinigtes Königreich : Wichtige Wirtschaftsdaten , 1961 - 1986
Ein­
Nominales
BIP
Reales
BIP
(3)
(3)
BIP
Deflator
Ver­
braucher-
preis
kommen
je unselb­
ständig
Arbeitslose
Finanzie­
Leistungs­
rungs-
Geldmenge
bilanz
überschuß
n
Beschäf­
des Staates
( in % der
Erwerbs­
personen )
Verände­
1961 - 1970
7,1
2,8
1971-1980
1,9
- 1,1
11,7
1982
16,2
10,4
9,1
4,2
14,0
1,9
1983
8,6
1984
1985 (»)
1986 ( 2 )
1981
(')
(2)
(3)
(4)
(5)
% des BIP
tigung
(5)
tigten
Veränderung in %
Beschäf­
Verände­
rung
in %
%
rung
in %
1,9
4,0
3,9
7,1
0,0
- 0,6
16,0
- 0,6
- 3,1
13,5
2,7
- 3,1
14,6
9,2
0,2
0,2
- 3,9
7,1
13,3
11,2
8,3
5,9
14,5
8,8
1,7
10,6
10,6
- 1,4
3,3
5,1
5,1
8,8
1,1
10,3
11,5
- 0,8
6,2
1,8
4,4
5,1
5,5
0,3
- 2,3
- 3,6
- 3,8
9,6
11,8
1,5
9,1
3,4
5,5
5,3
7,7
1,1
- 3,3
11,3
12,0
1,1
7,0
2,0
4,8
4,3
7,1
0,9
- 2,8
8,6
11,7
0,9
Schätzungen der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 .
Vorausschätzung der Kommissionsdienststellen vom Oktober 1985 unter Zugrundelegung der derzeitigen Politik .
BIP zu Marktpreisen entsprechend dem Angabenkonzept .
Pfund Sterling M 3 , Jahresende .
Eurostat-Konzept .
Herunterladen