Kurzskript Psychische

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Kurzskript Klinische Kinder
Psychische Störungen
Aufmerksamkeitsstörungen
•
Symptomatik & Klassifikation
◦ Hauptsymptome
▪ Impulsivität
→ das plötzliche & unbedachte Handeln oder die vermeintliche Unfähigkeit, abzuwarten & Bedürfnisse
aufzuschieben
→ Aufteilung in kognitive, motivationale & emotionale Impulsivität
▪ Hyperaktivität
→ eine nicht altersgerechte, desorganisierte, mangelhaft regulierte & überschießende motorische Aktivität
oder ausgeprägte Ruhelosigkeit, die besonders in Situationen auftritt, die relative Ruhe & Ausdauer
verlangen
▪ Aufmerksamkeitsstörungen
→ vor allem bei Beschäftigungen, die kognitive Anstrengung erfordern oder als langweilig & ermüdend erlebt
werden, meist bei fremdbestimmten Tätigkeiten stärker
◦ die Auffälligkeiten können in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich stark ausgeprägt sein
◦ weitere Kriterien
▪ mind. 6 Monate anhalten
▪ nicht dem Entwicklungsstand entsprechend
▪ einige Symptome müssen schon vor dem Alter von 7 Jahren aufgetreten sein
▪ Beeinträchtigungen in mind. 2 Lebensbereichen
◦ Unterschiede DSM-IV vs. ICD-10
•
Epidemiologie
◦ einzelne Symptome (Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörungen) im Alter von 4-17: 5-22% (nach
Angaben der Eltern)
◦ Diagnoseprävalenz nach den 3 Hauptsymptomen: 5-9.3%
◦ Prävalenzen sinken mit dem Alter
◦ Jungen 2-3x häufiger
◦ wenn neben Symptomen weitere Kriterien beachtet werden sinkt die Prävalenz auf 1-3.4%
◦ Komorbidität
▪ 50% der Kinder, die eine hyperkinetische Störung haben, leiden auch an einer Störung mit oppositionellem
Trotzverhalten & umgekehrt
▪ bis zu 80% haben eine komorbide Störung, wie Störungen des Sozialverhaltens, Angststörungen,
Depressionen, Lernstörungen
•
Ätiologie
→ primäre Ursache genetisch, aber in Interaktion mit der Umwelt
◦ genetische Faktoren
→ Erblichkeit liegt bei Zwillingsstudien in 76%
◦ Hirnschädigungen
▪ erhöhtes Risiko bei Konsum von Alkohol & Nikotin während der Schwangerschaft
▪ Bedeutung von erworbenen Hirnschädigungen ist deutlich geringer
◦ psychosoziale Faktoren
▪ beeinflussen eher die Ausprägung der Symptomatik, die Entwicklung komorbider Störungen & den Verlauf
der Symptomatik
→ Diathese-Stress-Modell
▪ Risikofaktoren
• geringer sozioökonomischer Status
• ungünstige familiäre Bedingungen
• überbelegte Wohnungen
• psychische Störungen der Mutter
• Zusammenhang zwischen Deprivationsdauer & Unaufmerksamkeit/Hyperaktivität
→ rumänische Waisenhauskinder
▪ psychosoziale Faktoren können biologische Risiken kompensieren
→ positive Mutter-Kind-Interaktion
◦ neurobiologische Faktoren
▪ die oben genannten primären Ursachen wirken sich auf neurobiologische & neuropsychologische Prozesse
aus
▪ strukturelle & funktionelle zerebrale Auffälligkeiten
• vermindertes zerebrales Gesamtvolumen
• typische Veränderungen im EEG
• Veränderungen im dopaminergen Neurotransmittersystem
▪ neuropsychologische Ebene
→ Störungen der Selbstregulation
◦ Störungen der Hemmung oder Verzögerung von Reaktionen
◦ Störungen der exekutiven Funktionen
▪ motivationale Faktoren
→ Theorie der Verzögerungsaversion
◦ mangelnde Hemmung von Reaktionen ist durch motivationale Störung bedingt
→ zentrale neuropsychologische Prozesse
◦ spezifisch erhöhte Abneigung gegen Belohnungsverzögerungen
•
Verlauf
◦ relativ stabil über das Kindes- & Jugendalter hinweg, mit zunehmendem Alter Verbesserungen der Symptomatik
(v.a. Hyperaktivität & Impulsivität), aber trotzdem erfüllen noch 60-85% der Kinder die Diagnosekriterien bis ins
Jugendalter
◦ im Grundschulalter gibt es 2 zentrale Ereignisse, die die weitere Entwicklung wesentlich beeinflussen können
▪ aggressive Kinder werden von Gleichaltrigen abgelehnt
▪ und sie haben ein hohes Risiko zu schulischem Misserfolg
◦ Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf
▪ psychosoziale Belastungen
▪ geringe Intelligenz
▪ aggressives & oppositionelles Verhalten im Kindesalter
▪ schlechte Beziehungen zu Gleichaltrigen
▪ emotionale Instabilität
▪ psychische Störungen der Eltern
•
Diagnostik
◦ ausführliche Verhaltens- Leistungs- & Familiendiagnostik
→ Grundlage: klinische Exploration von Eltern, Kind & Lehrern/Erziehern
◦ Instrumente
▪ DISYPS II (Diagnostik-System für Psychische Störungen im Kindes- & Jugendalter)
▪ ES-HOV (Explorationsschema für Hyperkinetische & Oppositionelle Verhaltensstörungen)
→ testpsychologische Verfahren & Verhaltensbeobachtungen haben nur eine ergänzende Funktion, da sie meist
nicht die natürlichen Bedingungen erfassen
Oppositionelles Trotzverhalten & Störungen des Sozialverhaltens
Oppositionelles Trotzverhalten
•
Symptomkriterien
◦ für das Entwicklungsalter ungewöhnlich häufige oder schwierige Wutausbrüche
◦ streitet sich häufig mit Erwachsenen
◦ widersetzt sich häufig aktiv den Anweisungen oder Regeln von Erwachsenen oder weigert sich, dies zu befolgen
◦ ärgert andere häufig absichtlich
◦ schiebt häufig Schuld für eigene Fehler oder eigenes Fehlverhalten auf andere
◦ ist häufig reizbar oder lässt sich von anderen leicht ärgern
◦ ist häufig reizbar & ärgern sich schnell
◦ ist häufig boshaft & rachsüchtig
•
Epidemiologie
◦ Prävalenzen einzelner Symptome 3-19%
◦ Prävalenz auf der Basis von Symptomkriterien: 4.3%
◦ Komorbidität
▪ 50% der Kinder, die die Diagnose für oppositionelles Trotzverhalten erfüllen, erfüllen auch die Diagnose für
die andere
▪ depressive Störungen
◦ starke Überschneidungen mit Störungen des Sozialverhaltens (→ Diagnose dieser Störung gilt als
Ausschlusskriterium)
•
Ätiologie
→ größte Bedeutung hat die psychosoziale Umwelt
◦ ähnliche kausale Faktoren wie bei hyperkinetischen Störungen, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten
◦ Bedeutung genetischer Faktoren ist nicht geklärt
◦ Häufung von oppositionellen & aggressiven Störungen bei Kindern von Eltern mit ähnlicher Problematik ist gut
belegt, wird aber eher über psychosoziale Prozesse vermittelt
◦ pränatale & perinatale Komplikationen
◦ Bedeutung psychosozialer Faktoren (gut belegt):
▪ Zusammenhang mit ungünstigem Erziehungsverhalten wie mangelnde Aufsicht, extrem strenge oder
inkonsistente Disziplinierungsmaßnahmen
▪ sozioökonomische Benachteiligung → Erziehungsverhalten → oppositionelle Störungen
•
Verlauf
◦ die Mehrzahl der Kinder nimmt im Jugendalter keine dissoziale Entwicklung, aber das Risiko dafür ist erhöht & es
gibt kaum Personen mit ausgeprägten dissozialen Störungen, die vorher keine oppositionellen
Verhaltensstörungen gezeigt haben
◦ Hauptursache sind inkonsistente Erziehung & mangelnde Kontrolle, verbunden mit verminderter Aufmerksamkeit
für prosoziale Verhaltensansätze der Kinder
→ „Training zur Aggressivität“
◦ 2 zentrale Ereignisse im Grundschulalter, die die weitere Entwicklung beeinflussen können
▪ aggressive Kinder werden von Gleichaltrigen abgelehnt
▪ und sie haben ein höheres Risiko zu schulischen Misserfolgen (wegen der Verweigerungshaltung)
→ Kinder, die von beidem betroffen sind, tendieren dazu sich gleichgesinnten devianten Jugendlichen
anzuschließen & erhalten dort Anerkennung in der Devianz → wichtiger Nährboden für die Entwicklung
dissozialer Störungen
•
Diagnostik
◦ ausführliche Verhaltens- Leistungs- & Familiendiagnostik
→ Grundlage: klinische Exploration von Eltern, Kind & Lehrern/Erziehern
◦ Instrumente
▪ DISYPS II (Diagnostik-System für Psychische Störungen im Kindes- & Jugendalter)
▪ ES-HOV (Explorationsschema für Hyperkinetische & Oppositionelle Verhaltensstörungen)
→ testpsychologische Verfahren & Verhaltensbeobachtungen haben nur eine ergänzende Funktion, da sie meist
nicht die natürlichen Bedingungen erfassen
Störungen des Sozialverhaltens
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Symptomatik & Klassifikation
◦ umfasst aggressives, oppositionelles, kriminelles & delinquentes Verhalten
◦ Einteilung entweder dimensional oder kategorial
◦ Unterscheidung von Loeber & Schmaling
verdeckt
offen
destruktiv
Eigentumsverletzung Aggression
nicht-destruktiv
Regelverletzungen
Oppositionelles Verhalten
◦ ICD-10 unterscheidet in 6 Formen
1. auf den familiären Rahmen beschränkt
2. bei fehlenden sozialen Bindungen
3. bei vorhandenen sozialen Bindungen
4. mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten
5. sonstige
6. nicht näher bezeichnet
◦ Störung des Sozialverhaltens nach DSM-IV:
ein sich wiederholendes Muster von Verhaltensweisen, die die grundlegenden Rechte anderer & wichtige
altersgemäße gesellschaftliche Normen oder Regeln verletzt
◦ 3 Subtypen
1. Beginn in der Kindheit (mind. ein Kriterium vor dem Alter von 10 Jahren)
2. Beginn in der Adoleszenz
3. mit unspezifischem Beginn
◦ Einschätzung vieler Symptome nur mithilfe der Aussage des Kindes/Jugendlichen selbst möglich, da z.B. viele
Regelverstöße von den Eltern nicht bemerkt werden
•
Epidemiologie
◦ International: Prävalenz bis zu 10%
◦ Prävalenz auf Basis von Elternurteilen: 14.8%
◦ eine der am häufigsten in Einrichtungen diagnostizierten Störungen
◦ Jungen 2- bis 6-mal so häufig betroffen
◦ Jugendliche häufiger betroffen → Verschiebung des aggressivem zum delinquenten Verhalten mit Jugendalter
•
Komorbidität
◦ als Vorläufer häufig Störung mit oppositionellem Trotzverhalten → ca. 60%
◦ ADHS
◦ Angststörungen
◦ Depressive Störungen
•
Differentialdiagnose
wenn Kriterien für oppositionelles Trotzverhalten & eine Störung der Sozialverhaltens erfüllt werden, wird letztere
diagnostiziert
•
Verlauf
◦ 5 zentrale Prädiktoren, die die Stabilität vorhersagen
1. hohe Frequenz
2. hohe Intensität
3. große Vielfalt
4. Manifestationen in verschiedenen Lebensbereichen
5. früher Störungsbeginn → bester Prädiktor
◦ Unterscheidung in early starters & late starters
▪ early starters
• Ursachen meist im familiären Umfeld
• Verhalten beginnt oft im Vorschulalter
▪ late starters
• Störung beginnt im späten Kindes- & Jugendlichenalter
• Ursachen liegen meist bei den Einflüssen anderer delinquenter Peers
→ durch die zuvor normale Entwicklung sind soziale & schulische Fertigkeiten vorhanden, so dass die
Prognose günstiger ausfällt
◦ es gibt zwar eine relativ hohe Stabilität über die Zeit, aber auch einen deutlichen Abfall der Prävalenz ab dem 18.
Lebensjahr: Modell von Moffit:
▪ life course-persistent antisociality (persistente Delinquenz)
→ Prävalenz der früh & dauerhaft auffälligen: 7%
▪ adolescence-limited antisociality (Jugenddelinquenz)
◦ Modell kummulierter Risiken in der Entwicklung antisozialen Verhaltens:
•
Ätiologie
◦ bei der Entstehung & Aufrechterhaltung spielen biologische, soziale & individuelle selbstregulierende Prozesse
eine Rolle
◦ je mehr Risikofaktoren, desto wahrscheinlicher die Störung → es entstehen Dispositionen
◦ bei kurzzeitiger Auffälligkeit liegen meist nur wenige Risikofaktoren vor
◦ für die früh auftretenden & lang anhaltenden Störungen sind andere Faktoren bedeutsam:
▪ 40% der Varianz ist erblich bedingt
▪ erbliche Einflüsse manifestieren sich in unterschiedlichen neurophysiologischen Strukturen & Prozessen
▪ wichtigste Faktoren:
• impulsives Temperament
• exekutive & kognitive Defizite
• geringere emotionale Reaktivität & Empathie
▪ Veränderungen auf biologischer Ebene
• Defizite in der Funktion des präfrontalen Kortex
• Serotonin (Neurotransmitter)
• Störungen der Amygdala-Hypothalamus-Achse (→ Erkennung & Verarbeitung emotionaler Stimuli)
▪ Unterentwicklung des Behavior Inhibition System gegenüber dem Behavior Activation System
▪ prä- & perinatale Faktoren wie Intoxikationen, Alkohol & Nikotin, Geburtskomplikationen, Frühgeburten
▪ postnatale Faktoren wie emotionale Vernachlässigung, Unterstimulation & mangelnde Ernährung
→ insgesamt immer eine Interaktion von biologischen & sozialen Faktoren
Emotionale
Ablehnung,
Ungeduld,
Aggressivität,
Inkonsistenz und
Zwang der Eltern
Eventuell
Vernachlässigung
und Misshandlung
der Kinder
Feindseliges
Familienklima
Unruhe,
Wutausbrüche und
Aggressionen bei den
Kindern
→ Protektive Einflüsse können den Kreislauf durchbrechen
◦ Multiproblem-Milieu
◦ Bindungsdefizite
◦
◦
◦
◦
◦
◦
◦
◦
•
→ vor allem unsichere, vermeidende, ängstliche, zwanghafte oder desorganisierte Bindungsstile
Persönlichkeitsmerkmale
Probleme in der Schule
Gleichaltrige/delinquente Gruppen
soziale Informationsverarbeitung
→ fundamentaler Attributionsfehler
Medienkonsum
problematisches Selbstbild/deviante Einstellungen
Probleme in Arbeit & Beruf
Schutzfaktoren
▪ einfaches oder gehemmtes Temperament
▪ überdurchschnittliche Intelligenz
▪ sichere Bindung an eine Bezugsperson
▪ emotionale Zuwendung, Kontrolle & Konsistenz in der Erziehung
▪ erwachsene Vorbilder
▪ aktives Bewältigungsverhalten
▪ soziale Unterstützung
▪ schulischer Erfolg & eine Bindung an schulische Werte & Normen
▪ Selbstwirksamkeitserfahrungen in nichtdelinquenten Aktivitäten & ein realistisches positives Selbstbild
Diagnostik
◦ verschiedene Methoden & verschiedene Informanten
◦ vor allem bei einer Veränderungsmessung
→ je mehr Kontexte, in denen sich das Verhalten zeigt, desto ausgeprägter ist die Störung
◦ Fragebögen
▪ CBCL (Child Behavior Checklist)
▪ DISYPS II
Angststörungen
Trennungsangst & soziale Phobie
Trennungsangst
•
wichtig ist die Unterscheidung in entwicklungsphasentypische & klinische Trennungsangst
◦ entwicklungsphasentypische Trennungsangst
▪ Protestreaktion des Kindes bei Trennung von primärer Bezugsperson
▪ beginn zwischen 7-12 Monaten, Höhepunkt mit 15-18, nimmt danach kontinuierlich ab
▪ tritt bei fast allen Kindern dieser Altersstufe auf → vorübergehende Angstreaktion
◦ klinische Trennungsangst
▪ Form kindlicher Angststörung
▪ Abgrenzung zu entwicklungsphasentypischer Angst: Zeitpunkt des Auftretens
→ ab etwa 3 Jahren
▪ deutliche Beeinträchtigung
•
Symptomatik & Klassifikation
◦ exzessive & unrealistische Angst bei der Trennung von engen Bezugspersonen oder wenn Trennung zu erwarten
ist
◦ Angst, dass ihren Eltern etwas zustoßen kann, das zu dauerhafter Trennung führt
◦ gereizte, aggressive oder apathische Stimmung, wenn Trennung nicht zu vermeiden
◦ körperliche Symptome wie Bauch- oder Kopfschmerzen, Übelkeit
◦ Eltern werden durch körperliche Symptome oft verunsichert & geben nach → Unterstützung der Vermeidung
◦ häufig unternehmen die Eltern irgendwann gar nix mehr, das Kind geht nicht mehr in den Kindergarten
◦ weitere Symptome
▪ Träume, von den Eltern getrennt zu sein
▪ Bedürfnis, immer in der Nähe der Bezugsperson zu sein
◦ familiäre Merkmale
▪ häufig problematische Familienkonstellationen
▪ geringes Ausmaß an Kohäsion & Adaptabiliät
◦ Beziehungen zu Gleichaltrigen
▪ weniger beliebt, werden als schüchtern & zurückgezogen beschrieben
▪ soziale Benachteiligung durch Peers
▪ bei 63% keine Defizite in Beziehung mit Gleichaltrigen
◦ weitere Merkmale
▪ ausgeprägte Angst vor Krankheiten, Sterben, Tod
▪ von den Eltern meist als fordernd & aufmerksamkeitsbedürftig beschrieben
▪ besonders impulsiv, schutz- & pflegebedürftig
▪ häufig Übererfüllung sozial erwünschten Verhaltens
•
Ätiologie
◦ bisher noch kein spezifischer Ansatz
→ die unten aufgeführten Modelle gelten für alle Angststörungen
◦ das integrierte behaviorale Inhibition-Attachement-Modell (von Manassis & Bradley)
→ beschäftigt sich mit der Entstehung von Angststörungen
▪ behavioral inhibition
Temperamentsmerkmal, das durch zurückgezogenes & scheues Verhalten in neuen unvertrauten Situationen
charakterisiert ist
▪ Attachementkonzpt (Bowlby)
angeborenes Bindungsverhalten, mit dessen Hilfe Kinder Nähe zur Bezugsperson herstellen
▪ integriertes behaviorales Inhibition-Attachement-Modell
Kombination aus behavioraler Inhibition & unsicherem Bindungsstil führt zur Entstehung von Angststörungen
◦ das kognitive Modell (von Kendall & Ronan)
→ beschäftigt sich eher mit der Aufrechterhaltung von Angststörungen
▪ 2 zentrale Elemente
1. Überaktivierung von Gefahrenschemata
2. Vorliegen kognitiver Defizite & Verzerrungen
▪ Ängstliche Kinder:
• schätzen Gefahren höher ein
• haben mehr katastrophisierende Gedanken
• unterschätzen Copingmöglichkeiten
• unterschätzen Kontrolle über Gefahren
• haben negative Selbstverbalisationen
•
Diagnostik
◦ multimethodal
◦ bei jüngeren Kindern kann es schwierig sein, das Gespräch mit dem Kind alleine zu führen
◦ wichtiger Hinweis zur Abgrenzung von anderen Angststörungen: zentrale Befürchtungen
◦ Fragebögen
▪ TAI – Trennungsangstinventar
▪ CASI – Childhood Anxiety Sensitivity Index
◦ Verhaltensbeobachtung gibt Aufschluss über aufrechterhaltende Bedingungen
Soziale Phobie
•
Symptomatik & Klassifikation
◦ soziale Phobie
deutliche Angst vor oder Vermeidung von Situationen, in denen man im Zentrum der Aufmerksamkeit steht oder
sich peinlich/beschämend Verhalten könnte
▪ emotionale Belastung & Einsicht von Übertriebenheit
▪ Symptome beschränken sich auf die gefürchtete Situation
◦ Störung mit sozialer Ängstlichkeit im Kindesalter
▪ übermäßig stark ausgeprägte Entwicklungsangst – Furcht vor Fremden
▪ tritt vor dem 6. Lebensjahr auf
▪ Vermeidung & Angst nicht entwicklungsangemessen
▪ keine kognitive Komponente
◦ Kognitionen
▪ Kinder werden im Gegensatz zu Erwachsenen meist nicht mit negativen Gedanken überflutet, sondern
erleben eine paucity of thoughts
▪ negative Informationen werden eher erinnert, zukünftige positive für unwahrscheinlich gehalten
◦ Verhaltensweisen
▪ Vermeidung oder Flucht wenn möglich
▪ Sicherheitsverhalten
▪ zeigen von weniger oder schwer interpretierbare Gesichtsausdrücken
▪ Rolle sozialer Kompetenzdefizite noch unklar
→ Selbsteinschätzung wesentlich schlechter als Fremdeinschätzung
•
Komorbidität
◦ andere Angststörungen
◦ depressive Störungen
◦ zwanghafte Verhaltensweisen
•
Epidemiologie
◦ Punktprävalenz im Kindesalter: 1-3%
◦ Prävalenz im Jugendlichen- & frühen Erwachsenenalter: 5-10%
◦ Störungsbeginn frühestens mit 8 Jahren, meist zwischen 11-13 Jahren
→ kognitive Entwicklung muss weit genug sein
•
Ätiologie
◦ Hinweise auf biologische Faktoren & Bedeutung von Temperament
◦ innerfamiliäre Lernerfahrungen
▪ Instruktions- & Verstärkerverhalten der Eltern
▪ Modelllernen
▪ Ergebnisse retrospektiver Studien
• Eltern sind häufiger überbehütend oder zurückweisend
• sie unterstützen weniger in sozialer Kontaktaufnahme
• und legen mehr Wert auf die Meinung anderer
▪ mehr Schüchternheit bei Erstgeborenen & Einzelkindern
◦ außerfamiliäre Lernerfahrungen
→ häufig ist soziale Phobie Folge unangenehmer Erfahrung mit Gleichaltrigen
•
Diagnostik
◦ SPAIK – Sozialphobie- & Angstinventar für Kinder
◦ SASC-R – Social Anxiety Scale for Children
Zwangs- & Tic-Störungen
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Störungsbild
◦ Zwangshandlungen & Zwangsgedanken treten meist gemeinsam auf & sind miteinander verbunden
◦ Zwangsgedanken
intrusive unwillkürliche Gedanken, bildhafte Vorstellungen oder dranghafte Impulse,
▪ meist ich-dyston
▪ widerspricht den eigenen Wertvorstellungen
▪ werden als quälend empfunden
◦ Zwangshandlungen
willkürliche, aber unfreiwillige Handlungen, die ausgeführt werden um Angst & Unsicherheit zu reduzieren
→ kurzfristige Lösungen gegen Zwangsgedanken
◦ Ticstörungen
▪ als Ursache eine gewisse Anspannung, die nicht dauerhaft unterdrückbar ist
▪ sensorisches Phänomen
▪ die Tics vermindern sich unter Ablenkung
▪ 3 Typen
1. motorische Tics
2. vokale Tics
3. Tourette-Syndrom
•
Störungsgenese
◦ kognitives Modell der Zwangsstörung
Reiz
Zwangsgedanke
neutralisiert
Bewertung
Unbehagen
Ritual/Zwangshandlung
Grundüberzeugungen
z.B. hohes KontrollBedürfnis, Verantwortungsgefühl
◦ Neurobiologische Ansätze
▪ Impulse lösen über die Basalganglienkerne zum Thalamus mit Freischaltung (direkter Pfad) oder Hemmung
◦
◦
◦
◦
•
(indirekter Pfad) von Verhaltensprogrammen Tics aus
▪ der neuronale Tonus im direkten Pfad ist bei der Zwangsstörung stärker als der indirekte Weg, der hemmende
Pfad ist zu schwach
▪ durch die ungenügende Hemmung kommt es zu einer ständigen Hyperaktivierung des orbifrontalen Cortex
Wirkung von PANDAS (pediatric autoimmune neuropsychiatric disorders associated with streptococcal infections)
vermutet
genetische Ursachen gelten als wahrscheinlich
möglicherweise pränatale ZNS-Störung z.B. durch Alkohol, Nikotin, Koffein → Zusammenhänge schwach &
unspezifisch
Einflüsse psychosozialer Faktoren nach der Vulnerabilitäts-Stress-Hypothese
Epidemiologie
◦ Zwangsstörungen
▪ Diagnose ab 3-4 Jahren möglich
▪ mittlerer Krankheitsbeginn bei Kindern & Jugendlichen etwa bei 10.4 Jahren
▪ Prävalenz in der Pubertät: 2-4%
▪ Jungen häufiger betroffen (3:2)
▪ Komorbidität
• Angststörungen
• depressive Störungen
• Ticstörungen
◦ Ticstörungen
▪ im Grundschulalter haben 4-12% aller Kinder vorübergehende Symptome
▪ bei 3-4% aller Grundschüler chronischer Verlauf
▪ Jungen und Mädchen: 3:1
▪ Komorbidität
• ADHS
• Zwangsstörungen
• depressive Störungen
•
Diagnose
•
Verlauf & Prognose
◦ Zwangsstörungen
▪ bei 40% vollständige Remission
▪ 19% weiter klinisch auffällig
◦ Tics
▪ Beginn meist in der Kindheit & Jugend
▪ erste Tics meist im Alter von 2-15, Häufigkeitsgipfel bei 6-7 Jahren
▪ Zunahme von Tics im 2. Lebensjahrzehnt, ab dem 20. Lebensjahr Abnahme
▪ Spontanremission bei chronischen Tics 50-70%, beim Tourette-Syndrom 30-40%
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psychosoziale Belastungen
◦ oft stehen Angstsymptome in Verbindung mit dem akuten Zwangssymptomen
◦ permanente Angst & Anspannung führt zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit
◦ Tourette- & Zwangspatienten sind sehr sensitiv für psychosozialen Stress
Bindungsstörungen
•
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Verhaltensweisen, die in den meisten Kontexten entwicklungsunangemessen sind
Beginn der Störung vor dem 6. Lebensjahr
•
Unterscheidung in 2 Typen
1. reaktive Bindungsstörung im Kindesalter oder gehemmter Typ
2. Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung oder enthemmter Typ
•
reaktive Bindungsstörung
◦ übermäßig ängstliches & wachsames Verhalten & widersprüchliche oder ambivalente Reaktionen in
unterschiedlichen sozialen Situationen
◦ emotionale Auffälligkeiten wie verminderte Ansprechbarkeit, Furchtsamkeit oder aggressives Verhalten gegen
sich selbst & andere
◦ gegenüber Bindungspersonen ambivalente Reaktionen
◦ in Interaktion mit adäquat reagierenden Bezugspersonen soziale Gegenseitigkeit & Ansprechbarkeit
◦ eingeschränkte Interaktion mit Gleichaltrigen
◦ meist bei ausgeprägter Vernachlässigung oder bei psychischer oder körperlicher Misshandlung
•
Bindungsstörung mit Enthemmung
◦ diffuse bzw. mangelnde exklusive Bindung während der ersten 5 Lebensjahre
◦ situationsübergreifend wenig modulierte & distanzlose Interaktion mit unvertrauten Personen
◦ Bindungsbedürfnisse wie Trost & Nähe werden unterschiedslos bei Bezugspersonen & fremden Personen gezeigt
◦ kennzeichnend sind aggressives Verhalten & eingeschränktes soziales Spiel
•
Abgrenzung von organisierten Bindungsstörungen
◦ sichere & unsere Bindung sind normale Entwicklungsvarianten
◦ Bindungsstile
1. sichere Bindung
2. unsicher-vermeidende Bindung
3. unsicher-ambivalente Bindung
◦ hochunsicher-desorganisierte Bindung kann als entwicklungspsychopathologischer Bindungsstil interpretiert
werden
→ in Situationen erhöhter Belastung können Kinder ihr Verhalten nicht mehr kohärent organisieren & bei der
Aktivierung ihres Bindungssystems nicht auf organisierte Verhaltensstrategien zurückgreifen
→ geht aber nicht mit allen Symptomen einer Bindungsstörung einher
•
Epidemiologie
◦ Prävalenzen
▪ so gut wie keine empirischen Daten
▪ wahrscheinlich sehr geringe Prävalenz, < 1%
▪ bei Kindern, die bei der leiblichen Mutter aufwuchsen unter 1%, in Pflegefamilien 25%, Heimkinder über 10%
▪ etwa 1/3 der Kinder, die wegen Misshandlung in Behandlung sind
◦ Komorbidität
▪ wenig empirische Studien
▪ wahrscheinlich Verlaufskomorbidität mit Störung des Sozialverhaltens, emotionalen Störungen,HKS,
Angststörungen & Intelligenzminderung
•
Prognose
◦ ungünstig
◦ bei vielen Kinder mit Bindungsstörung mit Enthemmung später Persönlichkeitsstörung
•
Ätiologie & Verlauf
◦ Bindungstheoretische Grundannahmen
▪ Bindung = biologisch festgelegtes Motivationssytem, das sich bei Säuglingen & Kleinkindern im Verlauf der
ersten 2-3 Lebensjahre etabliert
▪ Bindungssystem = Organisation von Verhaltensweisen, über die das Kleinkind unter Stress Nähe & Kontakt zu
einer Bindungsperson herstellt
▪ Aktivierung lässt sich an innerer Erregung (Herzfrequenzanstieg) erkennen, die erst mit Nähe zur
Bindungsperson wieder abklingt
▪ aus sicherer Bindung Vorhersage von sozial-emotionalen Kompetenzen im Vorschul- & Schulalter
▪ unsichere Bindung gilt als Risikofaktor
◦ empirische Befunde
▪ wenig bekannt
▪ die vorhandenen Daten beziehen sich vor allem auf wenige Längsschnittstudien über Heimkinder
•
Diagnostik
◦ Erhebung von allgemeinem Entwicklungsverlauf, Bindungsverhalten gegenüber Bezugspersonen,
Betreuungsgeschichte
◦ Minimalstandard: Verhaltensbeobachtung des bindungsrelevanten Verhaltens des Kindes
→ Verhalten des Kindes in Interaktion mit Bezugsperson & Fremden
tiefgreifende Entwicklungsstörungen
•
Autismus-Spektrum-Störung
◦ behandlungsbedürftige, lebenslang bestehende schwere soziale Kommunikationsstörung mit gravierendem
Mangel, komplexe, sozial bedeutsame Zusammenhänge zu verstehen & sich entsprechend verhalten oder darauf
einstellen zu können
◦ Variationen in Schweregrad & Ausprägung einzelner Symptome
◦ Störungen scheinen zerebral bzw. genetisch verursacht & können neuropsychologisch definiert werden
•
Symptomatik & Klassifikation
Unterscheidung in 3 Störungsbereiche
1. qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion
2. qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation & Sprache
3. begrenzte, repetitive & stereotype Verhaltensmuster, Interessen & Aktivitäten
•
Epidemiologie
seit 30 Jahren Zunahme der Prävalenz um 0.5-1%
→ Grund: verbesserte Klassifikation & Verbreitung der Beschreibung von Asperger
Komorbidität
◦ mentale Retardierung
◦ Epilepsie
◦ Soziale Phobie
◦ ADHS
◦ oppositionelle Störungen
→ insgesamt bei 70% der 10-14-jährigen mind. eine weitere psychische Störung vor
•
•
Ätiologie
◦ Ursache vermutlich Verminderung von Nervenbahnen zwischen verschiedenen Hirnteilen & das Fehlen von
Spiegelneuronen durch genetische Störung der Synapsenbildung
◦ Erblichkeit sehr hoch (90%)
•
Verlauf
◦ günstig für die Prognose
▪ gutes Interaktionsvermögen
▪ umschriebene herausragende Interessen
▪ relativ gute Intelligenz
◦ entscheidend ist aktives Zusammenspiel, kommentieren & gemeinsame sprachliche Auseinandersetzung
•
Diagnostik
◦ Fragebögen als Screeningsintrumente
▪ ADI-R – Diagnostisches Interview für Autismus
▪ ADOS – Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen
◦ Neuropsychologie & Intelligenz
▪ schwache zentrale Kohärenz
▪ exekutive Funktionen
▪ Theory of Mind
• Einschränkung Affekte & ihre soziale & situative Bedeutung zu verstehen
→ Einschränkungen der sozialen Kompetenz
• Mimik, Gestik & Tonfall werden nicht genug verstanden um angemessen zu reagieren
• Ergebnisse aus Eye-Tracking-Studien: Blickbewegungen bei Gesichtserkennung irren ziellos umher &
bleiben bei unwichtigen Stellen hängen
→ Bedeutung der Mimik interagierender Personen wird nicht schnell & präzise erfasst
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