Fakultät Soziale Arbeit | Wolfenbüttel AWO Psychiatriezentrum Fachkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie 38154 Königslutter Diagnostik und Therapie der Borderline‐Persönlichkeitsstörung Dr. med. Rainer Jung Vorlesung an der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen Düsseldorf Braunschweig | Haus der Wissenschaften | 04.11.2013 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen Auftakt: Borderline – und keiner will helfen 3 Borderline: Aus der Sicht einer Patientin „Nehmen wir an, Gefühle sind wie Pferde: Dann sitzen wir Borderliner auf einem Wildhengst. Er geht schnell durch, ist schwer zu lenken und nur langsam zu bändigen. Alle Menschen müssen reiten lernen, nur wir müssen Spitzenreiter werden.“ Quelle: AWP Freiburg 4 Borderline: Aus der Sicht einer Therapeutin „Die Borderline‐Persönlichkeitsstörung zu definieren ist etwa so, als starre man in eine Lavalampe: Was man sieht, verändert sich unaufhörlich. Diese Krankheit führt nicht nur zur Instabilität, sondern steht auch als ein Symbol dafür.“ Janice Cauwels (1992) 5 Borderline: Hoch aktives Störungsbild Suizidalität Selbstverletzungen Fremdaggressivität Starkes „Agieren“ Häufige Behandlungsabbrüche Regressives Verhalten Heftige Gegenübertragungen seitens der Therapeuten 6 2013: Einige Thesen zur Thematik Die Borderline‐Persönlichkeitsstörung (BPS) ist behandelbar. Es stehen störungsspezifische Psychotherapieverfahren zur Verfügung. Diese Verfahren sind in Fachkreisen weitgehend bekannt und werden akzeptiert. Im deutschen psychosozialen Versorgungssystem finden diese Verfahren jedoch flächendeckend kaum Anwendung, insbesondere nicht im ambu‐ lanten und komplementären Bereich. Nur einer von 1.000 BPS‐Patienten wird in Deutschland leitliniengerecht behandelt. Die BPS ist häufig und verursacht hohe Kosten für die Solidargemeinschaft. Die Steuerungsorgane der psychosozialen Versorgung sowie die Kostenträger ignorieren mehrheitlich die gesundheitsökonomische Bedeutung des Themas. 7 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen Borderline: Der Begriff (I) Thomas Sydenham (1681): erste Beschreibung von Symptomen emotionaler Instabilität durch einen Arzt ohne diagnostische Einordnung „Es gibt Patienten, die ohne jedes Maß jene lieben, die sie alsbald ohne jeden Grund hassen. Sie hätten eine außerordentliche Aufregung des Geistes, die aus plötzlichen Ausbrüchen von Wut, Schmerz, Angst und ähnlichen Emotionen entstünde.“ 9 Borderline: Der Begriff (II) C. H. Hughes (1884): erste Beschreibung des Störungsbildes in der psychiatrischen Fachliteratur Begriff „Borderland“ als Hinweis auf schwer fassbare Prodromi psychischer Störungen Adolf Stern (1938): Begriff „Borderline“ als Bezeichnung eines Störungsbildes auf einer unscharfen Grenzlinie zwischen Psychose und Neurose Begriff „Borderline“ bedeutete früher: Was in bekannte diagnostische Kategorien nicht richtig „hineinpasst“ Verlegenheits‐ bzw. Ausschluss‐Diagnose Begriff „Borderline“ heute: Aktive Definition in den Diagnosesystemen ICD und DSM Zuordnung in die Gruppe der „spezifischen“ Persönlichkeitsstörungen 10 Borderline‐Persönlichkeitsstörung (BPS): Klassifikation ICD‐10: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3): Impulsiver Typus (F60.30) Borderline‐Typus (F60.31) DSM‐IV / DSM‐5: Borderline‐Persönlichkeitsstörung (301.83): Zuordnung in den Cluster B (emotional, dramatisch, launisch) Alternative Klassifikation der Borderline‐Persönlichkeitsstörung: Zuordnung in die Gruppe der sog. „hybriden“ Persönlichkeitsstörungen Psychologischer Faktor (Beziehungsstörung) und neurobiologische Komponente (gestörte Spannungsregulation) 11 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen BPS: Epidemiologie (I) Prävalenzen: Allgemeinbevölkerung mindestens 3 % (bis 6 %) Gruppe der Psychiatriepatienten mindestens 15‐20 % Erstmanifestationsalter 14. LJ / 24. LJ Selbstschädigendes Verhalten 70 % bis 80 % Suizidversuche mindestens 60 % Suizide 7 % bis 10 % Dissoziative Phänomene ca. 60 % Traumatische Erfahrungen 75 % bis 95 %1 Übersicht bei: Bohus M, Kröger C (2011); Brunner R, Parzer P, Haffner J (2007); Brunner R, Parzer P, Resch F (2001) 1 Sack M, Sachsse U, Overkamp B, Dulz B (2012) 13 BPS: Epidemiologie (II) Gender‐Aspekte: 50 % Frauen : 50 % Männer Männer werden seltener korrekt diagnostiziert! Frauen‐typisch: Höhere Dissoziationsneigung Höhere Komorbiditäten mit PTBS, Essstörungen sowie Depressionen und Angststörungen Männer‐typisch: Höhere Impulsivität und Wutaffekte Höhere Komorbiditäten mit Sucht (bes. Alkohol), antisozialen und narzisstischen Persönlichkeitsstörungen Übersicht bei: Bohus M, Kröger C (2011); Brunner R, Parzer P, Haffner J (2007); Brunner R, Parzer P, Resch F (2001) 14 BPS: Epidemiologie (III) Zeitlicher Verlauf: Beginn der Symptomatik in der frühen Adoleszenz, Maximierung des dysfunktionalen Verhaltens und Erlebens in der Mitte der dritten Lebensdekade, danach langsames Abflauen Über 80 % aller Betroffenen befinden sich „irgendwie“ in Behandlung (psychiatrisch und / oder somatisch). 15‐20 % aller stationären psychiatrischen Patienten leiden an einer BPS. 50 % aller stationären psychiatrischen Patienten mit einer Persönlichkeits‐ störung leiden an einer BPS. Vorwiegend: Drehtüreffekte in der Klinik; aber auch: „Therapeuten‐ Hopping“ im ambulanten Kontext Übersicht z. B.: Bohus M, Kröger C (2011); Bohus M, Schmahl C (2007) 15 BPS: Behandlungskosten in Deutschland Zwei Untersuchungen zu den direkten Behandlungskosten der BPS: 485.000 behandlungsbedürftige BPS‐Patienten in Deutschland (Stichjahr: 2007) Im Mittel: 70 stationäre Behandlungstage pro Jahr Im Mittel: 1,3 Krankenhausaufenthalte pro Jahr 90 % der BPS‐ Gesamtkosten entfallen auf stationäre Behandlungen: ca. 4 Milliarden € pro Jahr in Deutschland 25 % der stationären Behandlungskosten aller psychiatrischer Erkrankungen in Deutschland 20 % der Gesamtbehandlungskosten aller psychiatrischer Erkrankungen in Deutschland Bohus M (2007); Jerschke S et al. (1998); Bohus M, Kröger C (2011) 16 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen BPS: Psychopathologische Kernbereiche Störung der Störung Affektregulation Störung der Störung Identität Störung der Störung sozialen Interaktion Übersicht bei: Bohus M, Kröger C (2011) 18 Störung der Affektregulation Zentrale Problematik – gute Datenlage: Häufig auftretende Zustände massiver aversiver Anspannung („Pluspol“) Oft nicht identifizierbar und verbalisierbar Oft ohne subjektiv erkennbare Ursache Dysfunktionale Kompensationsmechanismen (Selbstverletzungen, Suchtmittel, Hochrisikoverhalten u. v. m.) Eingeschränkte Fähigkeit zur Erkennung, Differenzierung und Steuerung von Affekten bzw. Emotionen Stressinduzierte erhöhte Dissoziationsneigung („Minuspol“) Verfestigung durch dysfunktionale Lernprozesse Übersicht: Bohus M, Kröger C (2011); Bohus M, Schmahl C (2007) 19 Störung der Affektregulation aversive Spannung (%) 100 zu rasch! 90 Gefahr! zu hoch! zu lange! 80 70 60 50 „Borderline“ 40 30 x 20 „normal“ 10 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Zeitverlauf 20 Störung der Identität Klinisch empirisch wichtig, aber bisher wenig aussagekräftige Studien: Störungen der Körperwahrnehmung und Körperakzeptanz Störungen in der Ausgestaltung sozialer Rollen: o Rollenabsorption (Vollständiges Aufgehen in einer einzigen sozialen Rolle) o Fehlende Rollenakzeptanz o Schmerzhafte Inkonsistenz (fehlende Rollenkonstanz) o Schmerzhafte Inkohärenz (Gefühl innerer Zerrissenheit) Wilkinson‐Ryan T, Westen D (2000); Haaf B et. al. (2001); Bohus M, Kröger C (2011); 21 Störung der sozialen Interaktion „Ich hasse Dich, verlass mich nicht …“: Ausgeprägte Furcht vor dem Verlassenwerden Instabilität in den Beziehungen (Nähe‐Distanz‐Regulierung) Anlagebedinge (?) Störung der Mentalisierungsfähigkeit (reduzierte Fähigkeit zur Interpretation emotionaler und interpersonaler Signale, insbesondere bei erhöhtem Stress; z. B. Interpretation von Gesichts‐ ausdrücken) Eventuell auf dem Boden gestörter Bindungserfahrungen bis hin zu Gewalt‐ und Missbrauchserlebnissen Fonagy P, Bateman AW (2006); Bohus M, Kröger C (2011) 22 BPS: Psychopathologische Kriterien nach DSM‐IV / DSM‐5 (1) Übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden (2) Neigung, sich auf intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen (3) Fehlen eines klaren Identitätsgefühls (4) Störung der Impulskontrolle (5) Wiederholtes suizidales und selbstverletzendes Verhalten (6) Starke Stimmungsschwankungen (7) Chronische Gefühle von Leere und Langeweile (8) Neigung zu unangemessenen Wutausbrüchen (9) Vorübergehendes psychotisches Erleben oder Dissoziation Die Diagnose ist erfüllt, wenn mindestens 5 von 9 Merkmalen zutreffen. 23 BPS: Psychische Komorbiditäten Affektive Störungen (bes. Depressionen) (96%) Angststörungen (bes. Soziale Phobie) (88%) Posttraumatische Belastungsstörung (bis 75%) Substanzmissbrauch und –abhängigkeit (65%) Dissoziative Störungen (60%) Essstörungen + Trinkstörungen (50%) ADHS (bis 60%) Andere Persönlichkeitsstörungen (bis 50%) Übersicht bei: Dulz B, Herpertz S, Kernberg O, Sachsse U (2011) 24 BPS: Somatische Komorbiditäten Mit dem Alter zunehmend: Adipositas Diabetes mellitus Hyperlipidämie Arterielle Hypertonie Bronchialasthma Refluxerkrankungen Chronische Schmerzsyndrome 25 BPS: Ätiologie (I) Ätiologie: Die BPS ist keine „reine“ Beziehungsstörung, sondern eine „hybride“ PS. Wechselwirkungen zwischen genetischen und neurobiologischen Faktoren, repetitiven („mikro“‐) traumatischen Erfahrungen (Invalidierungen) und erlernten dysfunktionalen Verhaltensmustern Eine sehr große Untergruppe von BPS‐Patienten leidet zusätzlich an behandlungsrelevanten Traumafolgestörungen. Deutsche Multicenter‐Studie (5 Standorte; N=136)1: Lebenszeitprävalenz („makro“‐) traumatischer Erfahrungen (unter Einschluss der Kategorien „Vernachlässigung“ und „emotionale Gewalt“): 96 % N.B. Trauma PTBS! 1 Sack M, Sachsse U, Overkamp B, Dulz B (2012) 26 BPS: Ätiologie (II) Neurobiologische Faktoren (inkl. genetische Komponenten) + Frühe negative Bindungserfahrungen und invalidierendes soziales Umfeld + Individuelle Verarbeitung Tiefgreifende Störung der Affektregulation Erlerntes dysfunktionales Verhalten zur Spannungsregulation Intrapsychische und interaktionelle chronifizierte Symptomatik Allgemeines biopsychosoziales Modell der BPS: Linehan M (1993) 27 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen BPS: Evidenzbasierte Diagnostik (1) Klinisches Leitsymptom: Rezidivierend einschießende aversive Spannungszustände? Dysfunktionale Kompensationsmechanismen? (2) Operationalisierte Diagnostik: Strukturierte klinische Interviews: IPDE oder SKID II BPS oder andere PS gemäß ICD‐ oder DSM‐Kriterien vorhanden? (3) Schweregraderfassung bei gesicherter BPS: BSL: Borderline‐Symptom‐Liste (Bohus et al. 2009)1 (4) Erfassung von Komorbiditäten: Strukturiertes klinisches Interview: SKID I 1Testmaterial frei erhältlich auf der Website des ZI Mannheim: www.zi‐mannheim.de 29 BPS: Differenzialdiagnostik Affektive / bipolare Störungen Psychotische Störungen ADHS Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) Andere Persönlichkeitsstörungen Merke: BPS und PTBS sind zwei prinzipiell zu unterscheidende Störungsbilder (allerdings mit „Überschneidungszonen“)! 30 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen BPS: Störungsspezifische evidenzbasierte Psychotherapie Psychotherapeutische Verfahren: Mittel der Wahl bei der Behandlung der BPS – spezifische Medikamente gibt es nicht Deutsche S2‐Leitline „Persönlichkeitsstörungen“ (2008) erwähnt 4 evidenz‐ basierte Therapieprogramme: DBT: Dialektisch Behaviorale Therapie (Linehan) (Evidenzgrad Ib) SFT: Schemafokussierte Therapie (Young) (Evidenzgrad IIa) MBT: Mentalisierungsbasierte Therapie (Bateman u. Fonagy) (Evidenzgrad IIa) TFP: Übertragungsfokussierte Therapie (Kernberg) (Evidenzgrad IIa) Störungsspezifische Verfahren sind unspezifischen Behandlungen (TAU) eindeutig überlegen. Inadäquate Behandlungsversuche fördern die Chronifizierung der BPS. Grundsatz: Ambulant vor stationär! DBT ist derzeit empirisch am besten abgesichert („Goldstandard“). 32 Gemeinsamkeiten der störungsspezifischen Verfahren Solide Eingangsdiagnostik nach den gültigen wissenschaftlichen Kriterien Erörterung der Diagnose mit dem Patienten Verbindliche Festlegung eines zeitlichen Rahmens Erörterung der therapeutischen Vorgehensweise Therapievereinbarungen inkl. schriftlichem Therapievertrag Manualisiertes Vorgehen Hierarchisierung der Behandlungsziele: (Lebens‐) Gefährliches zuerst! Multimodaler Ansatz: Einzel‐ und oftmals auch Gruppentherapie, Pharmakotherapie, Coaching in Krisen Intervision und Supervision der Therapeuten 33 Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) Marsha Linehan (1996) Prototyp einer manualisierten modularen Psychotherapie Kombination aus verhaltenstherapeutischen, psychodynamischen und achtsamkeitsbasierten Techniken Dialektik: Wechselspiel zwischen Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft Einzel‐ und Gruppentherapie (stationär: 3 Monate, ambulant: 2 Jahre) Regelmäßige Verhaltensanalysen und schriftliche Arbeitsunterlagen Gruppentherapie insbesondere als „Skillsgruppe“ (Unterrichtscharakter) Basismodule: Hochstressregulation, Umgang mit Gefühlen, Zwischenmenschliche Beziehung, Selbstwert und Achtsamkeit Stadien: Arbeit an schweren Verhaltensstörungen, erst danach Arbeit an Traumafolgen und Verbesserung der Lebensqualität DBT: in stetiger Weiterentwicklung (auch für PTBS, Sucht, KJP, Forensik) 34 BPS: Störungsspezifische evidenzbasierte Psychotherapie DBT: Dialektisch Behaviorale Therapie (Linehan) SFT: Schemafokussierte Therapie (Young) MBT: Mentalisierungsbasierte Therapie (Bateman u. Fonagy) TFP: Übertragungsfokussierte Therapie (Kernberg) Schemata: tief verwurzelte, netzwerkartige Lebensthemen oder „wunde Punkte“ aus der Kindheit, die in der Gegenwart zu selbstschädigenden Verhaltensweisen führen können 35 BPS: Störungsspezifische evidenzbasierte Psychotherapie DBT: Dialektisch Behaviorale Therapie (Linehan) SFT: Schemafokussierte Therapie (Young) MBT: Mentalisierungsbasierte Therapie (Bateman u. Fonagy) TFP: Übertragungsfokussierte Therapie (Kernberg) Mentalisierung: Grundlegende Fähigkeit zur Vorstellung, welche mentalen Gründe für das eigene Verhalten oder das Verhalten anderer Menschen vorliegen können („Am Verhalten ablesen, was im Kopf vorgeht …“) 36 BPS: Störungsspezifische evidenzbasierte Psychotherapie DBT: Dialektisch Behaviorale Therapie (Linehan) SFT: Schemafokussierte Therapie (Young) MBT: Mentalisierungsbasierte Therapie (Bateman u. Fonagy) TFP: Übertragungsfokussierte Therapie (Kernberg) Bearbeitung und Nachreifung der gestörten fragmentierten Objektrepräsentanzen in der Beziehung (Übertragung) zum Therapeuten 37 BPS: Gesundheitspolitisch wenig beachtet Beispiel auf Bundesebene: Planung einer umfangreichen Multicenterstudie zur BPS‐Forschung: Ablehnung des Förderantrages durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgrund „mangelnden Bundesinteresses hinsichtlich der Forschungs‐ und gesundheitspolitischen Ziele“, eines „vermutlich zu unzuverlässigen Patientenklientels“ sowie „einiger zu komplizierter Studiendesigns“ (2006) Beispiel auf Landesebene (Niedersachsen): Konzeptentwicklung: „Komplementäres Wohnangebot für Menschen mit einer Borderline‐Persönlichkeitsstörung“ eines regionalen Leistungser‐ bringers (gemäß SGB XII) im Einzugsbereich des APZ (2011): Auch nach mehreren Anläufen keine Unterstützung seitens der zuständigen Kostenträger; bisher keine konkrete Umsetzung in Sicht 38 BPS: Versorgungsrealität in Deutschland (I) Stationär: BPS‐Patienten auf Allgemein‐ /Akutstationen Ungeplante Aufnahmen + hohe Fallzahlen Therapieangebot in der Regel unspezifisch (TAU) BPS‐Patienten auf Spezialstationen Geplante Aufnahmen + kleine Fallzahlen Therapieangebot spezifisch Künftiges Psych‐Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) Zu erwartende Probleme mit Langliegern und hochfrequenten Wiederkehrern 39 BPS: Versorgungsrealität in Deutschland (II) Ambulant: Daten aus einer Befragung niedergelassener Psychotherapeuten mit KV‐ Zulassung im Ballungsraum (!) München (N=174): Nur 10% behandeln BPS‐Patienten. 22% behandeln grundsätzlich keine BPS‐Patienten. 68% würden BPS‐Patienten behandeln, haben aber keine freien Plätze. 50% halten eine störungsspezifische Zusatzausbildung für sinnvoll. Aber nur 3% haben eine störungsspezifische Zusatzausbildung. Belastungsfaktoren: Suizidalität, auto‐ und fremdaggressives Verhalten Honorarprobleme Knebelung durch Richtlinienverfahren Jobst A, Hörz S, Birkhofer A, Martius P, Rentrop M (2011) 40 BPS: Versorgungsrealität in Deutschland (III) Komplementär: Subgruppe der chronifizierten, hoch dysfunktionalen BPS‐Patienten benötigen bisweilen einen betreuten WG‐ oder Wohnheimplatz. Äußerst geringe spezifische Angebote Erhebliche personelle und Kostenträgerprobleme Paradigma des „Inverse Care Law“: „Je größer der Hilfebedarf von Kranken ist, desto weniger Hilfen stehen zur Verfügung.“ (Julian Tudor Hart, Lancet, 1971) Melchinger H (2011); Melchinger H, Rössler W, Machleidt W (2006) 41 BPS: Zum Glück sehen es manche anders … Betroffene und Fachleute organisieren sich, z. B. Selbsthilfeforen im Internet Regionale Selbsthilfegruppen vor Ort Regionale Netzwerke (klassisches Beispiel: Darmstadt) Borderline‐Trialog (Betroffene + Angehörige + Fachleute) Dachverband Dialektisch‐Behaviorale Therapie DDBT e. V. z. Zt. 432 Mitglieder (D, A, CH) Therapeuten unterschiedlicher Berufsgruppen und Betroffene Interne Qualitätssicherung / Zertifizierung Übersicht auf: www.dachverband‐dbt.de 42 DBT im deutschsprachigen Raum Königslutter: 1 Station, 1 ambulanter Therapeut Salzgitter: 1 ambulante Therapeutin Wolfsburg: 1 ambulanter Therapeut Deutschland: 48 ambulante Stellen 42 Stationen 7 komplementäre Stellen 43 Haus 7: 11 Jahre DBT in Königslutter 6 BPS‐spezifische Behandlungsplätze für Frauen und Männer: DBT‐Standard (12 Wochen) DBT‐Update (4‐6 Wochen) DBT‐Krise (2 Wochen) DBT‐PTBS (in Planung) Das therapeutische Team: Ulrike Affeldt, Stefanie Behrens, Silke Demuth, Tanja Düzdag, Bärbel Fahldieck, Edwina Gebhardt, Katy Gersching, Winfried Görlitz, Simone Gruss, Birgit Hantschmann, Nora Heine, Esther Herrmann, Cordula Hicken, Rainer Jung, Gerlinde Junglas, Karin Pakula, Christiane Wilde Supervisor: Christian Stiglmayr, AWP Berlin 44 Borderline‐Therapie ist Teamarbeit Ambulante Therapie Tagesklinische Therapie Stationäre Therapie Komplementäre Wohneinrichtungen Rehabilitation Selbsthilfegruppen Forschung Kostenträger 45 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen Zusammenfassung Borderline‐Persönlichkeitsstörung: Komplexe psychologische und neurobiologische Ursachen Störung der Spannungs‐ und Affektregulation, der Identität sowie der Beziehungsgestaltung Vielfältige Komorbiditäten Störungsspezifische Psychotherapie wirksam (insb. DBT) Gute Aus‐ und Weiterbildung des Helfersystems notwendig Gesundheitsökonomische Relevanz hoch Versorgungslage unzureichend Vernetzung notwendig 47 Übersicht 1. Auftakt 2. Definition und Klassifikation 3. Epidemiologie 4. Psychopathologie 5. Diagnostik 6. Therapie 7. Zusammenfassung 8. Literaturempfehlungen Literaturempfehlungen (I) Linehan M (1996): Dialektisch‐Behaviorale Therapie der Borderline‐Persönlichkeitsstörung. CIP‐Medien, München Bohus M et al. (2009): Interaktives SkillsTraining für Borderline‐Patienten. Schattauer, Stuttgart 49 Literaturempfehlungen (II) Sendera A, Sendera M (2010): Borderline – die andere Art zu fühlen. Beziehungen verstehen und leben. Springer‐Verlag, Wien Sendera A, Sendera M (2012): Skills‐Training bei Borderline‐ und Posttraumatischer Belastungs‐ störung. Springer‐Verlag, Wien 50