27.3 Einzelstrang-RNA-Viren 545 Pathogenese Nach Eintritt in den Körper durch Schmierinfektion mit virushaltigem Blut oder Fleisch kommt es zu einer ersten Virusvermehrung in Makrophagen, Monozyten und v. a. Endothelzellen, in deren Folge es zu Permeabilitätsstörungen der Blutgefäße und zum Befall weiterer Organe kommt. Bei den schweren Verläufen einer Filovirusinfektion addieren sich mehrere pathogenetische Mechanismen: überschießende Produktion entzündungsfördernder Zytokine mit Folge von Schock und erhöhter Permeabilität der Blutgefäße, Verbrauchskoagulopathie, starke Nekrosen des lymphoretikulären Gewebes und spezifische Blockade der α/β-IFN-Synthese. Die Zytotoxizität des GP kann variieren und scheint negativ mit dem durch sogenanntes RNA-Editieren entstandenen löslichen sGP zu korrelieren, das etwa dem N-terminalen Drittel des GP entspricht. Klinik und Pathologie Die Klinik setzt nach einer Inkubationszeit von 4–7 Tagen mit plötzlich einsetzendem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen ein. Hierauf folgen Erbrechen und Durchfälle sowie Petechien in Haut und Schleimhäuten. Blutungen in sämtlichen Organen führen zum Bild eines schweren hämorrhagischen Fiebers mit Schock und letalem Ausgang bei bis zu 90 % der Infizierten innerhalb 1 Woche nach Auftreten der ersten Symptome. RNA-Viren Marburg-hämorrhagisches Fieber trat erstmals 1967 in Marburg, Deutschland, bei Mitarbeitern (und deren Angehörigen) der Behring-Werke auf, die sich an importierten grünen Meerkatzen aus Uganda infiziert hatten. Seither kam es zu wenigen, aber verheerenden Ausbrüchen durch Marburg-Virus in Zimbabwe, der Demokratischen Republik Kongo und erst 2005 in Angola mit 329 Toten von 374 Infizierten (Letalität von 88 %). Ebola-Virus wurde erstmals 1976 als ätiologisches Agens von hämorrhagischen Fieberausbrüchen im damaligen Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) und dem Sudan identifiziert. Auch hier kam es seither zu einigen größeren Ausbrüchen mit ähnlich hoher Letalität. Bei den ersten Ausbrüchen dieser hoch kontagiösen Erkrankung infizierten sich in Unkenntnis der Gefahr bis zu 30 % der behandelnden Ärzte und jede zehnte Krankenschwester. Die Suche nach den Ansteckungsquellen verlief viele Jahre trotz erheblicher Anstrengungen erfolglos. Mittlerweile konnte man sowohl für Marburg- als auch für Ebola-Virus nachweisen, dass Fledermäuse und Flughunde Reservoirwirte darstellen und viele der bisherigen Ausbrüche entsprechenden Kontakten mit diesen Tieren zuordnen. Wie genau die Infektion übertragen wird, ist jedoch noch nicht geklärt. Auch wie sich Schimpansen und Gorillas anstecken, ist nicht geklärt. Die Letalität ist bei den großen Menschenaffen ähnlich den beim Menschen beobachteten Zahlen und ein Ausbruch bei diesen bedrohten Tierarten daher von besonderer Bedeutung. Da tote Tiere im Regenwald eine willkommene Proteinquelle in der menschlichen Ernährung darstellen, kommt es auf diesem Weg auch immer wieder zu humanem Ebola-hämorrhagischem Fieber. Eine Ausnahme stellt die Spezies Reston-Ebola-Virus dar. Es wurde erstmals 1989 in den USA bei aus den Philippinen importierten Makaken diagnostiziert. Es ist bislang natürlich vorkommend nur auf den Philippinen bekannt, wo es Anfang 2009 erstmals als Schweinepathogen in Erscheinung trat und auch 5 von 77 Kontaktpersonen serokonvertierten. Bislang galt der Mensch als unempfänglich für das Reston-Ebola-Virus. Diagnose Eine Virämie ist während der gesamten Dauer der Klinik vorhanden, und durch die Hämorrhagien wird entsprechend ständig Virus ausgeschieden. Der direkte Erregernachweis durch Virusisolierung oder RT-PCR ist somit sehr gut möglich. Bei Überlebenden können IgM- und IgGAntikörper bereits 10–14 Tage nach der Infektion mittels ELISA oder Immunofluoreszenztest (IFT) nachgewiesen werden. Aus Sektionsmaterial kann das Virus isoliert oder an Gefrierschnitten mit der IFT dargestellt werden. Immunologie Die Überlebensrate scheint mit der frühzeitigen Produktion von neutralisierenden IgG-Antikörpern zu korrelieren, da bei Verstorbenen keine spezifischen IgG-Antikörper nachweisbar sind. Eine überstandene Infektion verleiht wahrscheinlich einen langlebigen, belastbaren Schutz vor einer Reinfektion. Diese Immunität basiert ebenso auf der ausreichenden Präsenz von neutralisierenden Antikörpern. Antigen-Antikörper-Komplexe werden für Arthritiden und Glomerulonephritiden verantwortlich gemacht, die häufig bei ÜberIebenden beobachtet werden. Bekämpfung Da weder ein Impfstoff noch eine wirksame Kausaltherapie verfügbar sind, ist die Expositionsprophylaxe der einzig wirksame Schutz vor einer Ansteckung. Dies bezieht sich auf bei Afrikareisenden beliebte Ausflugsziele von Höhlen mit großen Fledermaus- und Flughundkolonien sowie den Verzehr von „Bushmeat“, speziell von Affenfleisch. Die Ebolavirusinfektion ist anzeigepflichtig. 27.3.4 Familie Paramyxoviridae Ludwig Haas Steckbrief ●●Einzelstrang-RNA-Genom, negative Polarität, 15–19 Kbp ●●behüllt, 150–250 nm Durchmesser ●●helikales Nukleokapsid (▶ Abb. 27.19, ▶ Abb. 27.20) ●●bedeutende Krankheitserreger bei Mensch, Rind, kleinen Wiederkäuern, Geflügel, Hund, Schwein und Pferd ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Epidemiologie 27 RNA-Viren 546 Taxonomie Paramyxoviren gehören zur Ordnung Mononegavirales, der Familien mit einzelsträngiger RNA von negativer Polarität angehören. Es werden zwei Unterfamilien, Paramyxovirinae und Pneumovirinae, unterschieden (▶ Tab. 27.6). ▶▶ Abb. 27.19 Paramyxovirus, Negativkontrast © Dr. habil. H. Granzow, Friedrich-Loeffler-Institut, Insel Riems. Familienmerkmale Paramyxoviren sind sphärische Partikel, die jedoch auch als filamentöse Formen vorkommen können. Der Wortbestandteil myxo (von griech. myxa: Schleim, Mukus) weist auf die Affinität zu Schleimhäuten hin. Die Viruspartikel weisen in der Außenwelt nur eine geringe Stabilität (Tenazität) auf, mithin ist für eine effiziente Virusübertragung in aller Regel ein direkter Kontakt nötig. Dafür sind Paramyxoviren sehr kontagiös und benötigen nur eine geringe Infektionsdosis. Die Familie umfasst wichtige und bekannte Erreger von Mensch und Tier, aber auch „Emerging Diseases“ mit zoonotischem Potenzial, wie im Genus Henipavirus. Einige Paramyxoviren sind noch nicht endgültig einem Genus zugeordnet worden, z. B. das Fer-deLance-Virus der Vipern oder das J- und Beilongparamyxovirus (JPV, BeiPV), vermutlich Viren von Nagern. ▶▶ Abb. 27.20 Schema eines Paramyxovirus am Beispiel eines Morbillivirus. Das helikale Nukleokapsid wird durch das Negativ-Einzelstrang RNA-Genom und das Nukleoprotein gebildet. An das Genom gebunden findet sich die RNA-Polymerase (L-Protein) sowie einzelne Moleküle des Phosphoproteins (P). In die Virushülle sind die viralen Glykoproteine Hämagglutinin (H) und das Fusionsprotein (F) eingelagert. Sie stehen mit dem Matrixprotein (M) in Verbindung. Das Genom der Paramyxoviren ist eine einzelsträngige RNA in Negativstrangorientierung, mit einer Länge von 14–19 Kbp (das BeiPV-Genom ist mit 19 212 Basen das bisher größte aller Mononegavirales). Am 3ʼ-Ende befindet sich eine ca. 50 Nukleotide große Leader-Sequenz, am 5ʼ-Ende eine etwa 50–160 Nukleotide große TrailerSequenz, die beide nicht kodierend sind und Promotoren für die Transkription und Replikation enthalten. Zwischen den einzelnen Genen befinden sich intergene Sequenzen, die bei den einzelnen Genera deutlich in ihrer Größe variieren. Das Genom ist in einen helikalen Ribonukleoproteinkomplex verpackt. Bestandteile dieses Komplexes sind das N (Nukleokapsid)-, das Phospho (P)- und das L (RNA-Polymerase)-Protein. Paramyxoviren besitzen eine Virushülle, in die das Hämagglutinin(H)- (Morbilli­ viren)- bzw. Hämagglutinin-Neuraminidase(HN)-Protein (Respirovirus, Avulavirus, Rubulavirus), im Falle der Pneumo-, Metapneumo- und Henipaviren das G- sowie das Fusionsprotein (F), allesamt Glykoproteine, eingebaut sind. Unterhalb der Virushülle befindet sich ein Matrixprotein (M). Einige Paramyxoviren, z. B. die Pneumoviren, ▶▶ Tab. 27.6 Unterfamilie und Genera der Paramyxoviridae. Unterfamilie Genera Bedeutung Paramyxo­ virinae Respirovirus Sendai-Virus bovines Parainfluenza­ virus 3 (PI-3) Morbillivirus Masernvirus Hundestaupe-Virus Seehundstaupe-Virus Cetacean Morbillivirus Rinderpest-Virus Peste-des-petitsruminants-Virus Henipavirus Hendra-Virus Nipah-Virus Rubulavirus Mumps-Virus Avulavirus Newcastle-KrankheitVirus (aviäres Para­ myxovirus Typ 1) aviäre Paramyxoviren Typ 2–Typ 9 Pneumovirus bovines respiratorisches Synzytial-Virus Metapneumovirus Rhinotracheitis-Virus der Pute Pneumo­ virinae Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Virusstruktur und Replikation 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren ▶▶ Abb. 27.21 Vergleichende Darstellung der Genomstruktur der Paramyxoviren. Die verschiedenen Paramyxoviren zeigen eine unterschiedliche Genomstruktur. Allen gemeinsam ist die RNA-abhängige RNA-Polymerase (L) sowie das Nukleoprotein (N), das Phosphoprotein (P), das Matrixprotein (M) und das Fusionsprotein (F). Die Morbilliviren haben ein Hämagglutinin (H), die Respiroviren ein Protein, das sowohl Hämagglutinin- als auch Neuraminidase-Eigenschaften besitzt (HN). Die Viren der Genera Pneumovirus und Metapneumovirus haben statt des Hämagglutinins andere Glykoproteine, wie das Glykoprotein G, das kleine SH-Protein sowie ein zweites Matrixprotein (M2). besitzen ein kleines hydrophobes Protein (SH) in der Hülle, dessen Funktion noch nicht vollständig geklärt ist. Möglicherweise inhibiert es die Tumornekrosefaktorα(TNF-α)-vermittelte Apoptose. JPV und BeiPV besitzen neben dem SH- noch ein kleines TM(Transmembran)Protein (▶ Abb. 27.21). Die Subfamile Pneumovirinae ist in die zwei Genera Pneumovirus und Metapneumovirus unterteilt. Diese unterscheiden sich vor allem in der Genkonstellation. Den Metapneumoviren fehlen die beiden Nichtstrukturproteine 1 und 2 (NS1 und NS2) der Pneumoviren, die einen Effekt gegen das Interferonsystem ausüben, und die Reihenfolge der Gene ist verschieden (Pneumoviren: 3ʼ-NS1-NS2-N-P-M-SH-G-F-M2-L-5´, Metapneumovirus: 3ʼ-N-P-M-F-M2-SH-G-L-5´). Das M2-Protein der Pneumoviren enthält zwei überlappende Leserahmen, die für zwei Proteine, M2–1 und M2–2, kodieren. M2–1 ist vermutlich in die Transkription involviert, für das M2–2 wird eine Rolle bei der Umschaltung des viralen Vermehrungszyklus von der Replikation zum Zusammenbau der Partikel vermutet. Der Vermehrungszyklus der Paramyxoviren beginnt mit der Anheftung an spezifische Rezeptoren der Zielzellen via H-, HN- bzw. G-Proteine. Es erfolgt die Fusion der Virushülle mit der Zellmembran, die durch das F-Protein vermittelt wird. Dieses muss zuvor proteolytisch in die beiden Untereinheiten F1 und F2 gespalten werden, die über eine Disulfidbrücke verbunden sind. Durch die Proteolyse wird ein kurzer Bereich hydrophober Aminosäuren exponiert („Fusionspeptid“), der die Verschmelzung beider Membranen vermittelt. Der Nukleokapsidkomplex gelangt in das Zytoplasma, wo die nachfolgenden Vermehrungsschritte stattfinden. Die virale RNA-abhängige RNAPolymerase synthetisiert, beginnend am 3ʼ-Ende, einzelne mRNAs, die nachfolgend an den Ribosomen in Virusproteine übersetzt werden. Gene am 3ʼ-Ende des Genoms werden häufiger transkribiert als diejenigen am 5ʼ-Ende, sodass sich ein Konzentrationsgradient der neu synthetisierten mRNA-Spezies ausbildet, der in Richtung 5ʼ-Ende des Genoms kontinuierlich abnimmt (▶ Abb. 27.22). Das P-Gen hat eine komplexere Kodierungsstrategie. Neben dem P-Protein kann durch Benutzung einer alternativen Translationsstartstelle ein C-Protein (Respiro-, Morbilli-, Rubula-, Henipavirus) synthetisiert werden. Zudem werden durch „mRNA Editing“ bei der Transkription des P-Gens durch die Polymerase ein bzw. zwei G-Reste zusätzlich eingebaut, was zu einer Änderung des Leserasters und zur Bildung der V- (Respiro-, Morbilli-, Rubulavirus, Henipavirus) und W-Proteine führt (Respiro-, Henipaviren). Die C-, V- und W-Proteine können die antivirale Wirkung von Interferonen beeinträchtigen und stellen damit Virulenzfaktoren dar. Sobald eine kritische Menge an N-Protein gebildet ist, erfolgt in der Zelle die Umschaltung von der Tanskription zur Genomreplikation. An der Plasmamembran erfolgt dann der Zusammenbau von Genom und Strukturproteinen. Durch einen Knospungsprozess (Budding) werden neue Viruspartikel abgeschnürt, wobei das Virus seine Hülle erlangt. Bei diesem Vorgang ist das M-Protein wichtig. Zumindest bei einigen Paramyxovirusarten rekrutiert es für den Budding-Prozess zelluläre Proteine des ESCRTKomplexes, die normalerweise für die Abschnürung kleiner Vesikel in späte Endosomen verantwortlich sind. Da für den Knospungsprozess zuvor die fusogenen Hüllglykoproteine in die Plasmamembran eingebaut werden, kann es zur Zellfusion mit den benachbarten Zellen kommen, was sowohl in Zellkultur als auch im infizierten Gewebe beobachtet werden kann. Diese vielkernigen Riesenzellen ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. RNA-Viren 547 27 RNA-Viren ▶▶ Abb. 27.22 Genexpression der Paramyxoviren. Die Genexpression der Paramyxoviren geschieht über monozistronische mRNAs. Sie werden in unterschiedlicher Häufigkeit gebildet und können so die Translation der Proteine steuern. Die N-Proteine werden am meisten, die Polymerase am wenigsten synthetisiert. oder Synzytien sind somit typisch für Paramyxovirusinfektionen und waren teilweise sogar namensgebend (z. B. für das bovine respiratorische Synzytialvirus). Genus Respirovirus (Unterfamilie Paramyxovirinae) Bovine Parainfluenzavirus-3(BPIV-3)-Infektion Das bovine Parainfluenzavirus 3 (BPIV-3) wird als ein primär pathogener viraler Erreger der enzootischen Bronchopneumonie (EBP), der mit Abstand bedeutsamsten Atemwegserkrankung (besonders) der Jungrinder, in Verbindung gebracht. Die EBP stellt eine „Faktorenkrankheit“ dar, d. h., neben Infektionserregern spielen endogene (ungünstige Lungenphysiologie, Immunkompetenz, Habitus etc. des Tieres) und exogene Faktoren (Stallklima, Fütterung, Haltungsbedingungen usw.) eine wesentliche Rolle. Neben dem BPIV-3 hat das bovine respiratorische Synzytialvirus (BRSV) hierbei große Bedeutung. Das BVD- und das BHV1-Virus können das Geschehen komplizieren, sind jedoch als Erreger eigenständiger Krankheiten vom EBP-Komplex abzugrenzen. Reine Viruserkrankungen nehmen einen milden Verlauf („Viruspneumonie“), machen jedoch häufig den Weg frei für bakterielle Sekundärinfektionen. Ätiologie Das BPIV-3 gehört zur Ordnung Mononegavirales, Familie der Paramyxoviridae, Subfamilie Paramyxovirinae, Genus Respirovirus, Spezies bovines Parainfluenzavirus Typ 3. Vor Kurzem wurde aufgrund phylogenetischer Untersuchungen eine Unterteilung in zwei Genotypen (BPIV-3a und BPIV-3b) vorgeschlagen. Epidemiologie Durch Virusisolierungen und serologische Erhebungen in Rinderbeständen konnte gezeigt werden, dass das BPIV-3 weltweit vorkommt und die Seroprävalenz in den euro- päischen Ländern etwa zwischen 60 und 90 % liegt, wobei die meisten Infektionen klinisch inapparent ablaufen. Epidemiologisch kann man eine saisonal gebundene von einer „Crowding-assoziierten“ EBP unterscheiden, wobei Letztere wegen der sich ändernden Produktions- und Konzentrationsbedingungen in der Landwirtschaft eine zunehmende Bedeutung hat. Bei akut erkrankten Tieren wird das Virus mit dem Augen- und Nasensekret sowie mit dem Speichel etwa bis zum 8. Tag post infectionem ausgeschieden. Die passive Verschleppung des Erregers geschieht durch den Menschen (Händler, Stallpersonal u. a.) oder durch kontaminierte Stallungen, Transportwagen oder Stallgeräte. Durch Hinzutreten von mikrobiellen Keimen und schädlichen Umwelteinflüssen, wie Transporte, Futterumstellungen, Operationen, unterkühlte oder überhitzte Stallungen, kann es zu klinisch manifesten Erkrankungen kommen. Pathogenese Die Aufnahme des BPIV-3 geschieht in der Regel über virushaltiges Nasensekret bei direktem Kontakt empfänglicher Tiere oder durch Inhalation von virushaltigen Aerosolen („Tröpfcheninfektion“). Auch die orale Infektion durch Aufnahme von kontaminiertem Futter oder Wasser ist möglich. Die Inkubationszeit beträgt etwa 2–3 Tage. Nach dem Eindringen in den Nasen-Rachen-Raum kommt es zur Besiedlung des lymphatischen Gewebes, besonders der Tonsillen und der respiratorischen Schleimhäute, wo die primäre Virusvermehrung stattfindet. Es werden große Mengen Virus produziert, die an der Oberfläche der Epithelzellen liegen und mit dem Nasensekret nach außen gelangen. Lymphogen und durch die Bewegungen des respiratorischen Flimmerepithels, mit dem Luftstrom sowie durch den Schleim gelangt das Virus in alle Schleimhäute des oberen und unteren Atmungsapparates und in Makrophagen, wo neues Virus Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 548 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren 549 produziert wird. Durch die Schädigung der mukoziliären Clearance sowie die herabgesetzte Makrophagenabwehr treten häufig bakterielle Sekundärkeime hinzu, die das Krankheitsbild komplizieren. Ätiologie Klinik und Pathologie Epidemiologie Nach einer BPIV-3-Infektion kommt es in den Schleimhäuten der oberen Atemwege zu entzündlichen Veränderungen und (seltener) in den Lungen zu interstitieller Pneumonie. Es zeigen sich Fieber, Husten, erhöhte Atemfrequenz, Nasenausfluss und Lakrimation. Bei unkompliziertem Verlauf kommt es nach 3–4 Tagen zur Rekonvaleszenz. Unter ungünstigen Bedingungen wie zu hohe Tierdichte, extreme Temperatur, Transport etc. können Sekundärkeime hinzutreten, besonders Pasteurella multocida und Mannheimia haemolytica (Serotypen A1 und A6) sowie Mykoplasmen und Chlamydien, die das Krankheitsbild verschlimmern. Pathologisch finden sich eine milde Rhinitis und Trache­ itis. Die unkomplizierte Virusinfektion zeigt sich als interstitielle Pneumonie vor allem in Veränderungen der kranialen Lungenlappen sowie im kranioventralen Bereich der kaudalen Lungenlappen, bei sekundären Komplikationen auch eine schwere lobuläre Pneumonie. Die meisten Paarhufer können mit dem RPV infiziert werden. Besonders empfänglich sind Hausrinder und Büffel, während es bei Wildungulaten deutliche Unterschiede gibt. Schaf und Ziege sind wenig empfänglich, sie zeigen keine oder nur milde Symptome. Infektionen beim Schwein sind möglich, bei einigen asiatischen Rassen sind Erkrankungen und Todesfälle beschrieben. Alle Se- und Exkrete erkrankter Tiere sind virushaltig. Die Übertragung erfolgt besonders direkt, wobei die aerogene Übertragung keine große Rolle spielt, sowie indirekt, z. B. über kontaminierte Wasserstellen. Die Morbidität und Mortalität bei empfänglichen Tieren sind hoch. Eine vertikale Übertragung, Arthropodenvektoren sowie ein Trägerstatus sind nicht bekannt. Obwohl Wildwiederkäuer mit RPV infiziert sein können, scheinen sie keine Rolle als Reservoir für domestizierte Rinder zu spielen. Durch internationale Bekämpfungsmaßnahmen, beginnend 1962 mit dem Joint Project 15, konnte die Krankheit weitgehend eingedämmt werden. Das Virus wurde zum letzten Mal 2001 bei Büffeln in Kenia nachgewiesen. Für eine Anzucht des Erregers eignen sich primäre Zellkulturen von fetalen Kälbernieren, Zelllinien vom Rind (z. B. MDBK-Zellen), aber auch Zelllinien von Affen oder menschlichen Ursprungs. Alternativ kann der Nukleinsäurenachweis direkt mittels RT-PCR versucht werden. Als Untersuchungsmaterial dienen Nasensekret oder Nasentupferproben sowie Trachealspülflüssigkeit. Wichtig ist, die Proben so früh wie möglich zu gewinnen. Der indirekte Infektionsnachweis bei Vorliegen einer PI-3-Infektion ist möglich durch den Nachweis humoraler Antikörper mit dem Virusneutralisationstest (VNT), ELISA, Hämagglutinationshemmungs- (HAH-Test) oder Hämadsorptionshemmungstest (HADH-Test). Pathogenese Nach oronasaler Aufnahme vermehrt sich RPV primär in den Tonsillen und regionären Lymphknoten. Im Blut sowie im Nasensekret ist RPV kulturell am Tage des Fieberbeginns, z. T. auch schon 1–2 Tage früher nachweisbar. Die Virämie ist stark zellgebunden. Sie kann über den Zeitpunkt nachweisbarer Antikörperbildung hinaus für wenige Tage fortbestehen. Die virusinduzierte Immunsuppression fördert opportunistische bakterielle und parasitäre Infektionen, die den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend bestimmen können. Bekämpfung und Prophylaxe Sowohl Lebend- als auch inaktivierte Impfstoffe stehen zur Verfügung, vor allem als Kombinationsvakzinen mit anderen viralen und/oder bakteriellen Erregern. Ihr Einsatz ist nur dann sinnvoll, wenn die oben angesprochenen ungünstigen Faktoren berücksichtigt und mittels Hygiene- und Betriebsmanagement minimiert werden. Genus Morbillivirus (Unterfamilie Paramyxovirinae) Rinderpest Synonyme: Cattle Plague !!Beachte: Anzeigepflicht Die Rinderpest ist eine hoch kontagiöse, akut bis subakut verlaufende, fieberhafte Allgemeinerkrankung der Rinder und anderer Paarhufer. Klinik und Pathologie Das Ausmaß klinischer Erscheinungen ist u. a. abhängig von der Virulenz des Erregers sowie Alter, Immunstatus und Rasse des Wirtes. Der klassische Verlauf ist akut und kann nach Plowright in fünf Phasen eingeteilt werden. Die Inkubationsperiode beträgt etwa 3–9 Tage. Während der Prodromalphase (2–5 Tage) kommt es zu Fieber, Abgeschlagenheit und Anorexie. Es schließt sich die erosive Phase an, die mit kleinen nekrotischen Foci der Maul- und Nasenschleimhäute beginnt, die sich rasch ausbreiten und zusammenfließen, mit deutlichem Fötor. Die Tiere speicheln stark. Es zeigen sich Konjunktivitis und mukopurulenter Nasenausfluss. 1–3 Tage nach dem Auftreten der ersten Nekrosen kann sich eine Durchfallphase anschließen (ungünstige Prognose). Der Kot kann Mukus, abgeschilfertes Epithel und Blut enthalten. Häu- RNA-Viren ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Diagnose Das Rinderpestvirus (RPV) zählt zum Genus Morbillivirus. Es ist serologisch einheitlich, jedoch gibt es deutliche Virulenzunterschiede bei einzelnen Virusstämmen. 27 RNA-Viren 550 Klauenseuche, Stomatitis vesicularis, Blauzungenkrankheit, Stomatitis papulosa, Salmonellose, Nekrobacillose, Paratuberkulose und Lungenseuche zu berücksichtigen. Bekämpfung Rinderpest ist nach Tierseuchengesetz und in der Europäischen Union anzeigepflichtig. In Gebieten, die frei von Rinderpest sind, besteht ein Behandlungs- und Impfverbot. Ausbrüche werden durch rigorose veterinärpolizeiliche Maßnahmen (Stamping out, Stand still) kontrolliert. Zur Impfung von Rinderpopulationen in Gebieten, in denen RP vorkommt, kann ein Lebendimpfstoff (Plowright-Vakzine) eingesetzt werden. Zurzeit werden keine Impfungen mehr durchgeführt. Das Global Rinderpest Eradication Programme (GREP) der FAO strebt die Erklärung der weltweiten Eradikation der Rinderpest im Jahr 2011 an. Pest der kleinen Wiederkäuer Synonyme: Peste des petits Ruminants, Goat Plague, Pseudorinderpest, Kata !!Beachte: Anzeigepflicht Die Pest der kleinen Wiederkäuer ist eine ökonomisch bedeutsame Erkrankung der Ziegen, Schafe und einiger anderer Spezies. Sie ist klinisch und pathologisch der Rinderpest ähnlich. Diagnose Als Proben am lebenden Tier eignen sich je nach Untersuchungstechnik EDTA- oder Heparinblut, Maulschleimhautbiopsien, Aspirationsbiopsien oberflächlicher Lymph­ knoten sowie Augen- und Nasentupfer. Hierfür sind febrile Tiere mit beginnenden Schleimhautläsionen und noch klarer oder seromuköser Augen- bzw. Nasensekretion auszuwählen. RPV-Antigen kann mittels Antigen-Capture-ELISA aus Nasen- bzw. Augensekreten oder mittels Immunfluoreszenztest in Stanzproben binnen weniger Stunden nachgewiesen werden. Eine einfache und kostengünstige Methode, die „im Feld“ durchgeführt werden kann, ist der Nachweis von RPV-Antigen mithilfe des Agargelpräzipitationstests. Die kulturelle Virusisolierung erfolgt am lebenden Tier bevorzugt aus der Leukozytenfraktion des peripheren Blutes, kann jedoch lange dauern und ist unsicher. Mithilfe der RT-PCR kann RPV-RNA schnell und sicher in Leukozyten oder Gewebsbioptaten nachgewiesen werden. Post mortem kann ein Antigennachweis in Gefrierschnitten lymphatischer Organe und im Gastrointestinaltrakt – insbesondere an der Ileozäkalklappe – mittels IFT oder PLA versucht werden. Zum Antikörpernachweis kann ein Neutralisationstest oder ein kompetitiver ELISA eingesetzt werden. Sie können jedoch geimpfte Tiere von infizierten nicht unterscheiden. Differenzialdiagnostisch sind u. a. Mucosal Disease (BVDV-Infektion), infektiöse bovine Rhinotracheitis (BHV-1-Infektion), bösartiges Katarrhalfieber, Maul- und Ätiologie Das Virus der Pest der kleinen Wiederkäuer (PPRV) zählt zum Genus Morbillivirus der Paramyxoviren. Es ist mit dem Rinderpestvirus verwandt. Phylogenetisch lassen sich vier Abstammungslinien (Lineages) unterscheiden: Lineage 1 und 2 sind west-, Lineage 3 ist hauptsächlich ostafrikanisch, Lineage 4 asiatisch (inkl. dem Mittleren Osten). Epidemiologie Das Virus kommt in einer Zone südlich der Sahara und südlich des Äquator in Afrika vor (trat jedoch auch schon in Ägypten und 2008 erstmalig großflächig in Marokko auf), auf der Arabischen Halbinsel, im Mittleren Osten, in der Türkei und auf dem indischen Subkontinent. Aus China wurde zum ersten Male im Jahr 2007 PPR gemeldet. Ziegen sind meistens, aber nicht immer, empfänglicher als Schafe. Erkrankungen wurden auch bei Gazellen und Wasserbüffeln beschrieben. Bei Kamelen, Rindern und Schweinen sind inapparente Infektionen möglich, sie spielen jedoch epidemiologisch keine Rolle. Bei empfänglichen Arten betragen die Morbiditäts- und Mortalitätsraten 50–80 %. Das Virus wird in großen Mengen über Nasenausfluss, Tränen, Speichel und Fäzes ausgeschieden. Die Übertragung geschieht hauptsächlich durch Inhalation von Aerosolen, die durch Niesen und Husten erzeugt werden, oder das Belecken zwischen infizierten und empfänglichen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. fig zeigen die Tiere Untertemperatur. Die Atmung wird zunehmend schwieriger, die Tiere magern ab. Aufgrund der zunehmenden Dehydratation sinken die Augen ein. Schließlich liegen die Tiere in „Milchfieber-ähnlicher“ Haltung fest und verenden. Die Mortalität kann über 90 % betragen. Falls die Tiere überleben, kann sich die Konvaleszenzphase über Wochen hinziehen. Neben dieser typischen akuten Form ist auch ein perakuter Verlauf beschrieben, wobei die Tiere in der Prodromalphase oder kurz danach mit Fieber plötzlich verenden. Auf der anderen Seite kann die Krankheit bei Infektion mit einem gering virulenten Virus auch mild verlaufen, mit etwas Fieber, Nasen- und Augenausfluss und einigen oralen Erosionen, gefolgt von einer schnellen Erholung. Im Vordergrund des pathologischen Bildes stehen Erosionen des gesamten Verdauungstraktes. Die Lymphknoten und die Milz sind geschwollen, histologisch weisen sie eine lymphozytäre Depletion auf. Interessanterweise sind ZNS-Veränderungen, z. B. Demyelinisierung, wie sie bei der Hundestaupe und den marinen Morbillivirusinfektionen häufig sind, bei der Rinderpest nicht beschrieben. Histopathologisch zeigt sich eine ballonierende Degeneration epithelialer Zellen, die Bildung mehrkerniger Riesenzellen und das Auftreten eosinophiler, intrazytoplasmatischer Einschlusskörperchen. 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren Tieren. Aufgrund der Labilität der Viren sind indirekte Übertragungswege von untergeordneter Bedeutung. Ein Trägerstatus ist nicht bekannt. Pathogenese Die Pathogenese der PPR ist nicht gut untersucht, dürfte aber im Wesentlichen der Pathogenese der Rinderpest bei Rindern entsprechen. Hinsichtlich der typischen Bronchopneumonie ist die häufige Beteiligung von Sekundärerregern (bes. Pasteurella sp.) hervorzuheben, die sich im Zuge einer viral induzierten Immunsuppression leicht vermehren können. Auch latente Infektionen mit Blut- oder Darmparasiten können durch die PRRV-Infektion aktiviert werden. des Gastrointestinaltraktes sowie im Lungengewebe erfolgen. Der Nachweis PPRV-spezifischer Antikörper (Virusneutralisationstest, Kompetitions-ELISA, Immundiffusionstest) ist nur aussagekräftig bei Tieren, die aus Gebieten mit einem PPRV-Impfverbot stammen. Differenzialdiagnostisch müssen unter anderem, in Abhängigkeit von den vorherrschenden klinischen Symptomen, Maul- und Klauenseuche, Rinderpest, Blauzungenkrankheit, Ecthyma contagiosum (Orf), Schaf- und Ziegenpocken, Pasteurellose, Mykoplasmeninfektion, Bunyavirusinfektionen (Rifttalfieber, Nairobi Sheep Disease) und Kokzidiose berücksichtigt werden. RNA-Viren 551 Der Verlauf einer PPRV-Infektion bei kleinen Wiederkäuern ähnelt dem der Rinderpest bei Rindern. Meist erkranken jüngere Tiere (3–12 Monate) schwerer. Nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen tritt plötzliches Fieber auf, mit Mattigkeit, Konjunktivitis, serösem, später mukopurulentem Augen- und Nasenausfluss mit deutlicher Krustenbildung im Nasenbereich (die bei der Rinderpest so nicht gesehen wird), nekrotisierender Stomatitis und Gingivitis und, 2–3 Tage nach dem Auftreten des Fiebers, profusem, selten blutigem Durchfall. Neben der gastrointestinalen Symptomatik werden allerdings bei den kleinen Wiederkäuern regelmäßig auch Bronchopneumonien („Pneumoenteritis“) beobachtet. Schafe erkranken in der Regel weniger schwer als Ziegen, bei denen auch perakute Verläufe vorkommen können. Pathomorphologisch bestimmen neben ausgedehnten nekrotisierenden Veränderungen am gesamten Gastrointestinaltrakt Bronchopneumonien das Krankheitsbild. Es zeigt sich weiterhin eine lymphoide Depletion von Tonsillen, Milz, Peyer-Platten und Lymphknoten. Entzündungen der Longitudinalfalten von Dickdarm und Rektum („Zebrastreifen“) können auftreten. Gelegentlich wird eine Myokarditis vorgefunden. Wie bei der Rinderpest fehlen in der Regel neurologische Veränderungen. Histopathologisch finden sich Synzytien in der oralen Mukosa und den Lungen sowie eosinophile, intranukleäre und intrazytoplasmatische Einschlusskörperchen im Epithel des Respirations- und Verdauungstraktes. Diagnose Das ätiologisch-diagnostische Vorgehen entspricht dem bei der Rinderpest beschriebenen. Die rasche Diagnosefindung erfordert in der Virämiephase den PPRV-Antigen- bzw. -RNA-Nachweis in der Leukozytenfraktion (EDTA-Blutprobe). Die sichere Differenzierung der RPVund PPRV-Infektion kleiner Wiederkäuer erfolgt durch serologische (Antigen-Capture- bzw. Kompetitions-ELISA) und molekularbiologische Verfahren (RT-PCR). Am toten Tier kann der PPRV-Antigennachweis mittels IFT an Gefrierschnitten lymphatischer Organe oder Die PPR ist anzeigepflichtig. Zur Prophylaxe in PPR-Endemiegebieten steht ein attenuierter homologer PPRV-Stamm zur Verfügung, der die früher eingesetzte heterologe RPV-Vakzine ersetzt hat. Durch Gefriertrocknung in Anwesenheit von Trehalose konnte eine deutliche Verbesserung der Thermostabilität erreicht werden. Vielversprechend sind auch Versuche mit einer PPRV-rekombinanten Capripoxvakzine, die zusätzlich DIVA-Eigenschaften aufweist. Hundestaupe Synonyme: Carré-Krankheit; Canine Distemper (CD) Das Hundestaupevirus ist ein hoch kontagiöser Erreger, der zu einer multisystemischen Erkrankung (Respirations-, Gastrointestinaltrakt und ZNS) mit hoher Mortalität führen kann. Ätiologie Das Hundestaupevirus (Canine Distemper Virus, CDV) gehört dem Genus Morbillivirus der Familie Paramyxoviridae an. Epidemiologie Das Virus ist weltweit verbreitet und hat ein außergewöhnlich breites Wirtsspektrum. Hierbei sind neben anderen Kaniden (besonders dem Fuchs) Musteliden (Marder, Frettchen) hierzulande epidemiologisch von Bedeutung und können als Ansteckungsquelle für Hunde dienen. Frettchen sind sehr empfänglich für die Infektion. Es wurde berichtet, dass brachyzephale Hunderassen weniger häufig erkranken als dolichozephale. Etwa 7 Tage nach der Infektion scheiden Hunde das Virus mit allen Se- und Exkreten aus. Die Übertragung des labilen, jedoch hoch kontagiösen Virus erfolgt vorwiegend aerogen und/oder durch Tröpfcheninfektion oder oral bei direktem Kontakt mit infizierten Tieren, weniger häufig auf indirektem Weg. Pathogenese Die Pathogenese ist am besten beim Hund untersucht. Das Virus vermehrt sich zunächst im lymphatischen Ge- ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Bekämpfung Klinik und Pathologie 27 RNA-Viren webe (Rachenring, Lymphknoten, Tonsillen). Es gelangt im Rahmen einer ersten Virämie in die lymphoretikulären Gewebe und Organe (wie Milz, Lymphknoten, Thymus, Lamina propria des Darmes, Kupffer-Sternzellen), wo es sich stark vermehrt, was eine deutliche Leukopenie (bes. Lymphopenie) zur Folge hat. Im Rahmen der zweiten Virämie, die stark zellgebunden ist, kommt es zur Besiedlung epithelialer Gewebe. Der weitere Verlauf hängt entscheidend von der Immunantwort des Wirtes ab. Hunde mit einer deutlichen und schnellen zellulären und humoralen Immunantwort eliminieren das Virus, häufig ohne zu erkranken. Fehlt eine solche Immunantwort, kommt es zu einer schweren, multisystemischen Erkrankung und die Hunde sterben nach kurzer Krankheit. Bei partieller, unzureichender Immunantwort kommt es zu einer weiteren Vermehrung des Virus mit eher milden Symptomen. Das Virus kann im Laufe der Erkrankung aus den meisten Organen eliminiert werden, tendiert aber dazu, längere Zeit in bestimmten Geweben zu persistieren (wie Uvea, Ballen der Pfoten, ZNS). Bei der Pathogenese der nervösen Staupe muss die akute Form mit einer virusinduzierten multifokalen Demyelinisierung, im Angesicht einer massiven Immunsuppression ohne entzündliche Zellinfiltration, von der chronischen Form unterschieden werden. Bei dieser stehen aufgrund einer spät einsetzenden Immunantwort und persistierender Virusinfektion immunpathologische Reaktionen mit Demyelinisierung als Folge einer Dysregulation von pro- und antiinflammatorischen Prozessen im Vordergrund. Neben der „klassischen“ Leukoenzephalitis sind beim Hund auch Polioenzephalitiden beschrieben, darunter die sogenannte Old Dog Encephalitis (ODE), eine sehr seltene chronische, progressiv-inflammatorische Erkrankung, wobei das Virus in einer replikationsdefekten Form persistiert sowie die Inclusion Body Encephalitis, eine der ODE ähnliche Form. Klinik und Pathologie Der Verlauf ist abhängig vom Alter des betroffenen Tieres, seinem Immunstatus sowie der Virulenz des jeweiligen Virusstammes. Bei einem großen Teil der Hunde wird die Infektion subklinisch verlaufen oder nur mit milden Symptomen einhergehen (Fieber, Husten, Augenausfluss). Die Inkubationszeit beträgt 3–6 Tage. Es erkranken vor allem junge Hunde im Alter von etwa 3–6 Monaten nach Schwinden der passiven, maternal erworbenen Immunität. Es lässt sich eine katarrhalische, nervöse und systemische Form unterscheiden. Die katarrhalische Form ist gekennzeichnet durch Affektionen des Respirations- und/oder Verdauungstraktes und äußert sich in Rhinitis, Konjunktivitis, Husten, Pneumonie sowie gegebenenfalls Erbrechen, Tonsillitis und Enteritis. Aufgrund einer immunsupprimierenden Wirkung des Virus (Leukopenie, besonders Lymphopenie) sind bakterielle Sekundärinfektionen, z. B. mit Bordetella bronchiseptica, häufig. Histologisch zeigt sich eine hochgradige katarrhalisch-eitrige Entzündung, mit Verlust der Epithelauskleidung (Trachea, Bronchien). In vielen epithelialen Geweben können intrazytoplasmatische Einschlusskörperchen gefunden werden. Neben der Konjunktivitis und eventuell Uveitis sind bei Fundusuntersuchungen Läsionen der Retina („Gold Medallion Lesions“) zu beobachten. Neurologische Symptome können ohne oder vergesellschaftet mit der katarrhalischen Form auftreten (im letzteren Falle spricht man von einer systemischen Form), aber auch Wochen bis Monate später. Sie sind äußerst vielfältig. Beobachtet werden unter anderem Anfallsleiden, die generalisiert oder fokal (z. B. im Kopfbereich) auftreten, gestörte Propriozeption, Tremor, Ataxie, Nystagmus, Schädigung des N. opticus und Myoklonus. Überlebende Tiere weisen häufig bleibende zentralnervöse Spätschäden auf („Staupe-Tick“). Histologisch zeigt sich bei der chronischen Form eine Entmarkungsenzephalitis, überwiegend im Kleinhirnmark und Stammhirn. Die Old Dog Encephalitis, eine sehr selten bei Hunden über 6 Jahre beobachtete CDV-assoziierte Erkrankung, ist gekennzeichnet durch einen progredienten Verlust mentaler und motorischer Fähigkeiten; ein Zusammenhang mit einer akuten Staupeinfektion ist meist nicht mehr nachweisbar. Daneben kann als Hautmanifestation eine pustulöse Dermatitis („Staupeexanthem“, „Staupepusteln“) auftreten, die als Ausdruck einer zellulären Immunität zu werten sind. Die Hyperkeratose der Fußballen und des Nasenspiegels (Hard Pad Disease) hingegen, die selten beobachtet wird, geht mit einer ungünstigen Prognose einher. Erkranken Welpen zum Zeitpunkt des Zahnwechsels, können Zahnschmelzhypoplasien mit Braunfärbung die Folge sein („Staupegebiss“). Bei der Infektion junger Hunde ist auch eine Osteosklerose der Metaphysen langer Röhrenknochen beschrieben worden. Frettchen zeigen nach experimenteller Infektion eine systemische Erkrankung mit respiratorischen, dermatologischen und neurologischen Symptomen, vergesellschaftet mit einer sehr hohen Mortalität. Nach natürlicher Infektion wurde auch ein generalisierter Pruritus (bei Fehlen einer neurologischer Symptomatik) beobachtet. Diagnose und Differenzialdiagnosen Eine Virusisolierung aus Leukozyten des peripheren Blutes kann versucht werden, ist jedoch arbeits- und zeitaufwendig sowie unsicher. Schneller gelingt der CDVAntigennachweis in Konjunktiva- oder Tonsillarepithel, wobei ein negatives Ergebnis eine CDV-Infektion nicht ausschließt. Sicherer ist der Virus-RNA-Nachweis mittels RT-PCR in der Buffy-Coat-Fraktion einer gerinnungsgehemmten Blutprobe. Bei ausschließlich neurologischer Symptomatik kann der Nachweis intrathekaler CDV-spezifischer Antikörper im blutfrei entnommenen Liquor cerebrospinalis sinnvoll sein. Der Nachweis von CDV-spezifischen IgM- oder IgG- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 552 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren Bekämpfung und Prophylaxe Therapieversuche sind weitgehend symptomatisch (Breitbandantibiotika, Expektoranzien, Antiemetika, Antikonvulsiva etc.), wobei insbesondere zentralnervöse Erkrankungen schwierig zu behandeln sind. Eine passive Immunisierung kann durch parenterale Applikation eines Hyperimmunserums bzw. eines entsprechenden Globulinpräparates erfolgen. Angezeigt ist sie bei akuter Infektionsgefahr (Ausstellungen, Tierpensionen, Tierheime u. a.) oder in der frühen (!) Inkuba­ tionsphase. Für die aktive Immunisierung stehen attenuierte Lebendimpfstoffe, als Komponente von Kombinationsimpfstoffen, zur Verfügung. Es handelt sich um eine Core-Vakzine. Die Impfstoffe basieren auf dem Onderstepoort- (primär auf aviären, später auf Verozellen passagiert) sowie dem Rockborn-Stamm (an Hundezellen adaptiert). Vergleichbar dem Impfschema gegen die Parvovirusinfektion erfolgt im Alter von 8 Lebenswochen eine erste, mit 12 und 16 Lebenswochen jeweils eine weitere Immunisierung. Nach einer Impfung im Alter von 15 Monaten ist die Grundimmunsierung abgeschlossen. Ab dem 2. Lebensjahr können weitere Impfungen in bis zu dreijährigem Abstand erfolgen. Für Frettchen und Nerze sind zugelassene Vakzinen zu verwenden. Sie sollten, ab einem Alter von 10 Wochen, einmal jährlich appliziert werden. Da das Staupevirus behüllt und labil ist, kann die Desinfektion problemlos mit allen handelsüblichen Mitteln erfolgen (s. Desinfektionsmittellisten der DVG, Bereich Tierhaltung). Erhöhte Temperaturen und Sonnenstrahlen inaktivieren das Virus in wenigen Stunden. Erkrankte Tiere müssen unbedingt von anderen Hunden abgesondert werden, da sie große Mengen Virus ausscheiden. Morbillivirusinfektionen bei marinen Säugern Seit der ersten Epidemie 1988 bei Robben in der Ost- und Nordsee mit etwa 17 000 Todesfällen („Seehundsterben“) und der Charakterisierung des Virus ist bekannt, dass Morbilliviren auch bei Meeressäugern vorkommen können. Das Seehundvirus, Phocine Distemper Virus (PDV, Seehundstaupevirus), ist mit dem Hundestaupevirus verwandt, jedoch eigenständig. In der Folgezeit wurden Morbilliviren auch bei verschiedenen Walarten nachgewiesen. Seehunde (Phoca vitulina) können sich neben dem PDV auch mit dem Hundestaupevirus (CDV) infizieren, wobei hier ebenfalls epidemieartige Ausmaße erreicht werden können, wie Ausbrüche im Baikalsee und dem Kaspischen Meer gezeigt haben. PDV-Infektionen wurden auch bei der Kegelrobbe beschrieben (Halichoerus grypus), sie verlaufen jedoch milder oder subklinisch. Seehunde infizieren sich mit dem PDV vor allem bei engem Kontakt, also vermutlich besonders an Land, z. B. auf Sandbänken (Tröpfcheninfektion). Die Symptome sind ähnlich wie bei der Hundestaupe und umfassen Augenund Nasenausfluss, Husten, Dyspnoe, vereinzelt subkutane Emphyseme. Es sind auch zentralnervöse Symptome beschrieben. Sekundäre Infektionen mit Bakterien (Pneumonie) und Parasiten sind häufig. Histologisch zeigt sich eine lymphozytäre Depletion. Die Mortalität liegt vermutlich zwischen 20 und 80 %. Im Jahre 2002 kam es zu einer zweiten PDV-Epidemie in europäischen Gewässern mit geschätzten 21 000 Todesfällen. Beide Epidemien begannen in der dänischen Kattegat-Region während der Geburtensaison (April/ Mai). Die Quelle des Eintrags ist unklar. Eine Hypothese besagt, dass Sattelrobben (Phoca groenlandica) aus dem Nordpolarmeer das Virus eingeschleppt haben könnten. Morbilliviren wurden auch bei Mitgliedern der Wale (Cetacea) nachgewiesen. 1990–1992 starben im Mittelmeer, ausgehend von der spanischen Küste, Tausende von Blauweißen Delfinen (Stenella couruleoalba) an einer Virusinfektion. Der Erreger wurde als Dolphin Morbillivirus (DMV) bezeichnet. 2007 kam es, wieder vor der spanischen Küste, zu einem erneuten Ausbruch. Ähnlich der Situation beim Seehund stehen Lungenveränderungen und lymphoide Depletion, häufig auch Enzephalitiden im Vordergrund des klinischen und pathologischen Bildes. Morbillivirusinfektionen sind auch bei anderen Delfinarten, z. B. dem Großen Tümmler, beschrieben. Der Erreger wird hier als Porpoise Morbillivirus (oder Porpoise Distemper Virus) bezeichnet. Aufgrund ihrer engen Verwandtschaft werden die Delfinviren gegenwärtig als Stämme der Spezies Cetacean Morbillivirus (CeMV) angesehen. Ein weiteres Morbillivirus wurde bei gestrandeten Langflossen-Grindwalen (Pilotwal, Globicephala melas) nachgewiesen, die ebenfalls zu den Delfinen zählen, und der Erreger vorläufig als Pilot Whale Morbillivirus (PWMV) bezeichnet. Die markantesten pathologischen Veränderungen waren im ZNS und dem lymphatischen System zu beobachten. Phylogenetisch steht das PWMV dem DMV am nächsten, eine Interspezies-Übertragung wird diskutiert. ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Antikörpern im Serum ist nur sinnvoll, wenn Impfungen anamnestisch sicher ausgeschlossen werden können. Verlaufskontrollen der Kinetik CDV-neutralisierender Antikörper können allerdings prognostisch interpretiert werden, wobei ein innerhalb der ersten 14 Tage post infectionem rasch ansteigender Titer auf Werte > 100 (ND50) als günstig bewertet wird. Post mortem kann der Virusantigennachweis mittels Immunfluoreszenztest oder immunhistochemisch in lymphatischen Geweben, in der Lunge, im ZNS oder im Übergangsepithel der Harnblase geführt werden. Differenzialdiagnosen sind abhängig von der vorherrschenden Symptomatik und umfassen die infektiöse Tracheobronchitis, bakterielle Pneumonien, Hepatitis contagiosa canis, kanine Parvovirus- und kanine Coronavirusinfektion, bakterielle Enteritis, hepatische Enzephalopathie, Tollwut, Vergiftungen etc. RNA-Viren 553 27 RNA-Viren 554 !!Beachte: Anzeigepflicht (Hendra- und Nipahvirus) Das Genus Henipavirus enthält zwei eng verwandte Spezies, Hendravirus und Nipahvirus. Sie sind strukturell gekennzeichnet durch ein großes Genom, epidemiologisch durch ein relativ breites Wirtsspektrum sowie ein beträchtliches zoonotisches Potenzial, wobei der Mensch als Endwirt gilt. Als Reservoir für beide Virusarten werden fruchtfressende Fledermäuse (Pteropus-Spezies, Flughunde, Flying Foxes) angesehen. Hendravirus (HeV) wurde erstmals 1994 als Todesursache bei Pferden mit schweren akuten respiratorischen Erscheinungen in Australien beschrieben. Hierbei erkrankten auch zwei Menschen, von denen einer starb. Das bisher unbekannte Virus wurde zunächst als Equine Morbillivirus bezeichnet. Im gleichen Jahr kam es zu einem weiteren Todesfall bei einem Trainer im Verlauf eines Krankheitssausbruchs bei Pferden. Bis 2009 sind weitere Todesfälle bei Pferden und zwei tödliche Erkrankungen bei zwei Tierärzten (2008) in Queensland und New South Wales aufgetreten. Das Virus konnte bei einheimischen Fruchtfledermäusen (Pteropus species) nachgewiesen werden. Katzen und Meerschweinchen können experimentell infiziert werden. Nipahvirus (NiV) wurde erstmals bei Menschen mit Enzephalitis während einer Epidemie 1998–1999 in Malaysia beschrieben. In diesen Fällen konnte ein Kontakt zu Schweinen (Amplifying Hosts) nachgewiesen werden, bei denen sich deutliche respiratorische Symptome, Husten und gelegentlich neurologische Symptome zeigten. Empfänglich sind jedoch auch Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Pferde. Als Reservoir gelten auch hier PteropusFledermäuse. Experimentelle Infektionen mit NiV bei Fledermäusen führten zu keiner Erkrankung; Virus wurde über den Urin ausgeschieden. Das Virus konnte 2001– 2008 bei sieben Ausbrüchen in Bangladesch bei Menschen mit Enzephalitis nachgewiesen werden. Hier gab es, neben Kontakt mit landwirtschaftlichen Nutztieren, auch Evidenz für eine direkte Mensch-zu-Mensch- sowie Fledermaus-Mensch-Übertragung. Antikörper gegen NiV fanden sich auch bei Fledermäusen in Nordindien. Das Arbeiten mit Henipaviren ist nur bei einem Biosafety Level 4 (BSL4) möglich. Die Viren können in verschiedenen Zellkulturen (z. B. Vero- oder RK13-Zellen) angezüchtet werden. Auch PCR-Protokolle existieren. Für den Antikörpernachweis werden der VNT und ELISA eingesetzt. Genus Avulavirus (Unterfamilie Paramyxovirinae) Newcastle-Krankheit Synonyme: atypische Geflügelpest, Newcastle Disease !!Beachte: Anzeigepflicht Die Newcastle-Krankheit (NK) ist eine global verbreitete, hoch kontagiöse, generalisierte Erkrankung besonders der Hühnervögel von größter ökonomischer Bedeutung, die der Anzeigepflicht unterliegt. Es besteht eine enorme Variation in der Ausprägung der Erkrankung. Der Erreger hat ein geringes zoonotisches Potenzial (Konjunktivitis, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen). Ätiologie Alle Stämme der NK gehören dem Genus Avulavirus, Spezies aviäres Paramyxovirus 1 (APMV-1) an, gelegentlich auch als NDV (Newcastle Disease Virus) bezeichnet. Es wurde lange angenommen, dass alle Stämme einheitlich sind. Jedoch konnte, zunächst mit monoklonalen Antikörpern, später dann aufgrund detaillierter phylogenetischer Studien, eine beträchtliche Variation innerhalb von APMV-1-Stämmen und -Isolaten nachgewiesen werden. Das APMV-1 hat, vermittelt durch das HN-Oberflächenprotein, eine hämagglutinierende Aktivität mit verschiedenen Erythrozytenspezies, gleichzeitig auch eine Neuraminidasefunktion, was beim Hämagglutinationstest zu beachten ist. APMV-1-Stämme weisen, basierend auf der Infektion von Hühnern unter Laborbedingungen, deutliche Unterschiede der Virulenz auf und werden so aufsteigend in apathogene, lentogene, mesogene und velogene Pathotypen eingruppiert; Letztere werden manchmal noch weiter in viszerotrop-velogene und neurotrop-velogene APMV-1 unterteilt. Nur die velogenen Stämme sind von Bedeutung, wenn man von der atypischen Geflügelpest oder der Newcastle-Krankheit im engeren Sinne spricht. Seit Ende der 1970er-Jahre hat sich bei Tauben eine APMV-1-Variante entwickelt, die auch als Pigeon Paramyxovirus Type 1 (PPMV-1) bezeichnet wird. In der humanen Krebstherapie hat das NDV aufgrund der Tatsache, dass es sich in bestimmten menschlichen Krebszellen bevorzugt vermehrt, Interesse gefunden und wurde bereits in klinischen Studien eingesetzt (onkolytische Virustherapie). Epidemiologie Über 250 Spezies von Vögeln gelten nach natürlicher oder experimenteller Infektion als empfänglich für das APMV1. Hierzu zählen besonders Hühnervögel, wie Haushuhn und Pute, während Tauben, Enten und Gänse weniger deutlich erkranken. Das Virus dürfte weltweit verbreitet sein, da jedoch in vielen Ländern Impfungen erfolgen, ist eine genaue Abschätzung schwierig. Für eine Einschleppung sind inapparent infizierte Tiere oder Tiere, die sich am Ende der Inkubationszeit befinden, aber schon Virus ausscheiden, von besonderer Gefahr. Für die Verbreitung ist die horizontale Übertragung am wichtigsten. Hier zeigt sich eine Abhängigkeit von dem Organsystem, in dem sich das NDV bevorzugt vermehrt. Bei einer respiratorischen Symptomatik wird der Erreger über Tröpfchen und Aerosole ausgeschieden Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Genus Henipavirus (Unterfamilie Paramyxovirinae) 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren 555 Pathogenese APMV-1-Viren besitzen ein breites Spektrum aviärer Wirte und Gewebe. Eintrittspforten sind die Epithelien des Respirations- und Digestionstraktes. In Abhängigkeit von der Virulenz des Virus entwickeln sich lokale oder unterschiedlich schwer verlaufende systemische Infektionen („atypische Geflügelpest“). Bei Letzteren ist das Virus nach 1–2 Tagen im Blut nachweisbar. Es vermehrt sich in Milz und RHS und gelangt in einer zweiten Virämiephase zu den Manifestationsorganen, wie oberer Atmungstrakt, Darm und ZNS. rus vermehrt sich im Gastrointestinaltrakt. Bei Puten ist die Symptomatik prinzipiell ähnlich, aber mit abgeschwächten Krankheitserscheinungen. Bei Gänsen und Enten sind inapparente Verlaufsformen, jedoch mit deutlicher Erregerausscheidung, möglich. Bei Tauben stehen bei der Infektion mit dem PPMV-1 wässrige Harnausscheidungen und zentralnervöse Störungen im Vordergrund. Das mesogene Virus kann auch bei Hühnern ähnliche Symptome auslösen. Pathologisch-anatomisch hängen die Läsionen vor allem von der Verlaufsform ab. Es gibt keine pathognomonischen Veränderungen, jedoch sind Blutungen, besonders in der Mukosa des Proventriculus, in Dünn- und Dickdarm und den Blinddärmen ein Hinweis auf eine Infektion mit einem hoch virulenten Virus. Es können auch diphteroide Entzündungen im Ösophagus und Kropf auftreten. In aller Regel sind am ZNS keine makroskopischen Veränderungen zu beobachten. Histologisch zeigen sich bei einer Infektion mit einem virulenten Erreger unter anderem Entzündungen und Ödeme in der Mukosa des oberen Respirationstraktes, Zilienverlust der Trachealschleimhaut, lymphoide Depletion (Milz, Thymus, Lymphknoten, Bursa Fabricii), Vaskulitis, Entzündungen im Reproduktionstrakt mit Atresie von Follikeln sowie gelegentlich eine nicht eitrige Enzephalitis mit neuronaler Degeneration. Klinik und Pathologie Der klinische Verlauf ist sehr variabel und hängt vor allem vom Pathotyp des Virus, aber auch von der Virusdosis und Applikationsart, der betroffenen Tierspezies (Hühner sind besonders empfänglich), dem Alter (generell erkranken junge Tiere schwerer), dem Immunstatus, Stressfaktoren sowie der Mitbeteiligung anderer Erreger ab. Bei Hühnern nimmt eine Infektion mit einem hoch virulenten, velogenen AMPV einen (per)akuten Verlauf. Charakteristisch ist eine rasche Herdendurchseuchung, nicht selten mit plötzlichen Todesfällen, sowie rapider Legeleistungsabfall, häufig mit dünnschaligen bis schalenlosen Eiern sowie wässrigem Eiklar und eine hohe Mortalität (> 90 %). Bei etwas protrahierterem Verlauf zeigen sich Abgeschlagenheit, Fieber, gesträubtes Gefieder, bläulich verfärbte Kämme, grünlich-wässriger Durchfall, Ödeme und Entzündungen im Kopfbereich. Dyspnoe sowie – meist etwas verzögert – zentralnervöse Symptome (Lähmungen, Tremor, Opisthotonus, Torticollis). Mesogene Erreger verursachen meist deutliche respiratorische Symptome. Es können nervöse Störungen wie Torticollis oder Ataxie und Produktion von Eiern minderer Qualität vorkommen. Die Mortalität beträgt 5–50 % und ist besonders vom Alter abhängig. Lentogene Virusinfektionen sind häufig symptomlos oder nur mit milden respiratorischen Erscheinungen, gelegentlich vorübergehender Abnahme der Legeleistung und Futteraufnahme, vergesellschaftet. Bei der asymptomatischen Diagnose Bei Verdacht ist ein Erregernachweis erforderlich. Am lebenden Tier ist hierzu eine Tupferprobe aus Pharynx und Kloake durchzuführen. Vom toten Tier sind Darm und Trachea sowie Organe mit offensichtlichen Veränderungen zu entnehmen. Die Virusisolierung ist im embryonierten SPF-Hühnerei durchzuführen: Das Virus wird nach positivem Hämagglutinationstest nachfolgend mithilfe des HAH-Testes serotypisiert. Der Nachweis der Virulenz eines nachgewiesenen AMPV-1 erfolgt anschließend mittels Tierversuch, insbesondere über die Bestimmung des intrazerebralen Pathogenitätsindexes (ICPI), wobei tierseuchenrechtlich NK dann vorliegt, wenn bei Eintagsküken ein intrazerebraler Pathogenitätsindex von > 0,7 festgestellt wird. Alternativ kann eine Sequenzierung des Genbereiches für die Spaltstelle des F0-Proteins in das F1- und F2-Protein erfolgen. Velogene Stämme besitzen multiple basische Aminosäuren am C-Terminus des F2- und ein Phenylalanin am N-Terminus des F1-Proteins. Diese Situation erinnert an die Virulenzdeterminanten von Influenzaviren, im Zusammenhang mit der Spaltung des HA-Vorläuferproteins. Das nationale Referenzzentrum für NK in Deutschland ist das Friedrich-Loeffler-Institut, Insel Riems. Antikörper können mittels HAH-Test und kommerziell erhältlicher ELISA-Testkits nachgewiesen werden. Dies ist sinnvoll für Monitoring-Untersuchungen sowie als Erfolgskontrolle nach Impfungen. RNA-Viren Form zeigen sich keine klinischen Erscheinungen, das Vi- ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. und direkt von empfänglichen Tieren durch Inhalation aufgenommen. Hier zeigt sich oft eine rasante Ausbreitung. Wird das Virus bevorzugt über den Darm ausgeschieden, wie z. B. bei avirulenten Erregern oder der Taubenvirusvariante, kann die Verbreitung verzögert verlaufen. Hierbei dürfte auch der indirekten Verbreitung eine höhere Bedeutung zukommen (Geräte, Futter, Einstreu etc.). Beschrieben ist auch eine transovarielle Virusübertragung, bei der das AMPV-1 über kontaminierte Eier zum Schlupf infizierter Küken führt. Das Virus ist zwar behüllt, doch kann seine Tenazität in gestorbenen Tieren, in Fäzes und bei feuchter Umgebung beträchtlich sein, besonders bei kühlen Temperaturen. 27 RNA-Viren Differenzialdiagnostisch kommen alle Erkrankungen mit Beteiligung des Respirationstraktes und/oder zentralnervöser Symptomatik in Betracht. Die wichtigste Bedeutung hat dabei die klassische Geflügelpest, daneben sind die infektiöse Laryngotracheitis, die aviäre Enzephalomyelitis und Kokzidiosen zu berücksichtigen. Verhütung und Bekämpfung Die NK ist nach Tierseuchengesetz und in allen EU-Mitgliedstaaten anzeige- und bekämpfungspflichtig. Für die Prophylaxe haben Schutzimpfungen – neben einer strikten Betriebshygiene – eine herausragende Bedeutung. Für alle (!) Hühner- und Putenbestände sind regelmäßige Impfungen vorgeschrieben, derart, dass jederzeit ein belastbarer Impfschutz vorliegt. Hierbei kommen schwach virulente, lentogene APMV-1-Stämme (z. B. La Sota, Hitchner B1, Ulster) zum Einsatz, die über Trinkwasser, mittels Sprayverfahren oder Augentropfmethode appliziert werden können. Auch inaktivierte Vakzinen sind erhältlich. Für Tauben existieren zugelassene Impfstoffe. Infektionen mit dem aviären Paramyxovirus Typ 2 und Typ 3 Synonyme: Yucaipa Disease Das aviäre Paramyxovirus Typ 2 (APMV-2) hat mit einer Größe von 14 904 Basen das kleinste Genom innerhalb der Subfamilie Paramyxovirinae. Phylogenetisch steht es dem APMV-6 nahe. Eine Infektion mit dem PMV-2 kann zu milden Erkrankungen, besonders bei Huhn und Pute, führen. Das Virus kann auch bei einheimischen Vogelarten, insbesondere Sperlingen, nachgewiesen werden und wird nicht selten bei importierten Papageienvögeln vorgefunden. Unkomplizierte Verläufe bei Huhn und Pute gehen mit milden respiratorischen Erscheinungen und reduzierter Legeleistung einher, können aber durch Sekundärinfektionen kompliziert werden. Eine Diagnose erfolgt über den Erregernachweis und die Serologie (HAH-Test). Die Therapie erfolgt symptomatisch. Als Prophylaxe sind hygienische Maßnahmen zur Verhütung der Erregereinschleppung von Bedeutung. Ein Impfstoff ist nicht verfügbar. Aviäres Paramyxovirus Typ 3 (APMV-3) wurde bei Puten in verschiedenen Ländern nachgewiesen. Sie konnten auch bei Psittaciden in Quarantäne diagnostiziert werden. Sperlingsvögel sind ebenfalls empfänglich. Es gibt Hinweise auf antigen unterschiedliche Stämme. Lance-Virus, FDLV, bezeichnet) isoliert werden konnte. Eine spätere Analyse des Genoms des FDLV zeigte zwischen dem N- und P-Gen einen neuartigen, als U-Gen bezeichneten Genomabschnitt. Phylogenetische Analysen ließen keine eindeutige Zuordnung zu bekannten Genera zu; daher ist das Virus taxonomisch noch nicht klassifiziert. Vorgeschlagen wurde ein eigenes Genus Ferlavirus. Die Symptome der Erkrankung sind abhängig vom Virusstamm und der betroffenen Wirtsspezies. Möglich sind sowohl ein perakuter wie auch ein protrahierter Verlauf. Es zeigen sich respiratorische Symptome mit offenem Maul, erschwerter Atmung, ein Aufblähen im Kehlbereich und Würgen mit blutig-eitrigem Exsudat in der Maulhöhle. Häufig sind auch ZNS-Störungen, wie Krämpfe, Opisthotonus, Koordinations- und Orientierungsschwierigkeiten, zu beobachten. Sekundäre bakterielle Infektionen scheinen nicht selten zu sein. Pathologisch-anatomisch typisch sind proliferative Pneumonie (Typ-II-Pneumozyten), Enzephalitis, Lebernekrose und eine Hyperplasie des Pankreas. Offenbar können jedoch auch inapparente Verlaufsformen vorkommen. Die Übertragung geschieht vermutlich aerogen, das Virus wird jedoch auch mit dem Kot ausgeschieden. Die Diagnose kann beim lebenden Tier mithilfe eines Rachen- oder Kloakentupfers gesichert werden. Die Virusanzucht kann auf verschiedenen Zelllinien bei 28–30 °C erfolgen, alternativ ist eine RT-PCR möglich. Bei toten Tieren eignen sich Lunge, Niere, Darm und Leber zum Erregernachweis, beispielsweise mit dem Immunperoxidase-Test. Für serologische Untersuchungen, z. B. bei Schlangen mit unbekanntem Infektionsstatus, ist ein Hämagglutinationshemmungstest beschrieben. Die Möglichkeit einer Impfung existiert nicht. Auch bei Echsen und Leguanen wurden Paramyxoviren nachgewiesen. Bei Krokodiltejus (Dracaena guianensis) wurde eine proliferative interstitielle Pneumonie beschrieben, und mittels eines OMPV-Antiserums wurde virales Antigen in der Lunge nachgewiesen. Genus Pneumovirus (Unterfamilie Pneumovirinae) Infektion mit dem bovinen respiratorischen Synzytialvirus (BRSV) Das BRSV ist der vermutlich wichtigste Erreger des Enzootische-Bronchopneumonie(EBP)-Komplexes des Rindes, einer Faktorenkrankheit, die neben Durchfallerkrankungen die größten Verluste in der Kälberaufzucht verursacht. Paramyxovirusinfektionen bei Reptilien Ätiologie Paramyxoviren der Schlangen (Ophidian Paramyxoviruses, oPMV) verursachen bei Vipern, aber auch Riesenschlangen, Nattern und Klapperschlangen Erkrankungen. Die Erstbeschreibung einer Paramyxovirusinfektion erfolgte 1976, als in dem Serpentarium eines Pharmaunternehmens das Virus aus einer verstorbenen Lanzenotter (Bothrops atrox, Fer-de-Lance, daher auch als Fer-de- Das BRSV gehört der Ordnung Mononegavirales, Familie Paramyxoviridae, Subfamilie Pneumovirinae, Genus Pneumovirus an. Es gibt antigen und genetisch unterschiedliche Stämme (Untergruppen A, B, AB sowie untypisiert) und möglicherweise auch solche mit unterschiedlicher Virulenz. Es bestehen deutliche Parallelen zur Infektion des Menschen mit dem Respiratory syncytial Virus (RSV). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 556 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren BRSV ist weltweit verbreitet. Die serologische Prävalenz beträgt innerhalb der deutschen Rinderpopulation etwa 60–80 %. Hauptvirusreservoir ist das Rind, jedoch können auch Schaf und Ziege mit BRSV infiziert werden, wobei die epidemiologische Bedeutung ungeklärt ist. Die Infektion wird im Bestand schnell verbreitet. Die Übertragung erfolgt vermutlich mit der Atemluft über Aerosole und Tröpfchen aus dem Respirationstrakt infizierter Rinder. Ausbrüche sind eher zu erwarten bei einer hohen Rinderdichte, besonders jüngerer Tiere. Umweltund Hygieneeinflüsse, wie Temperatur und Ventilation, sind von großer Bedeutung. In der kalten Jahreszeit sind daher vermehrt Erkrankungen zu erwarten. Pathogenese Nach aerogener Aufnahme durch Tröpfcheninfektion bei empfänglichen Rindern kommt es nach primärer Virusvermehrung zur lymphohämatogenen und kanalikulären Ausbreitung bis in die Lungenalveolen. Die Folge sind gewöhnlich nur leichte Broncheolitis und interstitielle Pneumonie. Bei experimentell infizierten Kälbern verursacht das Virus 8–10 Tage nach der Infektion einen vollständigen Verlust des Flimmerepithels der Atemwege, sodass die mukoziliäre Clearance beeinträchtigt ist. Zudem können Alveolarmakrophagen geschädigt werden. BRSV spielt eine Rolle als „Wegbereiter“ für bakterielle Infektionen. Bei schweren Verlaufsformen finden sich Komplementaktivierung, erhöhte Konzentration vasoaktiver Substanzen, Ödeme, Emphysem der Lunge (bes. kaudodorsal), Eosinophilie, BRSV-spezifisches IgE im Serum, Th2-Zytokinprofil (erhöhte IL-4-Konzentrationen) etc. Immunsubversive und immunpathologische Prozesse scheinen daher bei der Pathogenese eine wichtige Rolle zu spielen. Die Infektion der epithelialen Zellen der Luftwege sowie der Alveolarmakrophagen führt zu einer ausgeprägten Induktion proinflammatorischer Chemokine und Zytokine (wie IL-12, IFN-γ, IL-6, IL-8, IL-18, TNF-α). Eventuell spielen hierbei die Interaktion des viralen F-Proteins mit dem Toll-like Receptor 4 (TLR4) und die Interaktion von doppelsträngiger RNA mit TLR3 eine Rolle. Diese führen zur Aktivierung von NFkB, das die Expression proinflammatorischer Zytokine induziert. Komponenten der angeborenen Immunantwort wie IFN-α/β werden durch die Wirkung der viralen NS1- und NS2Proteine gehemmt. Beim humanen RSV konnte gezeigt werden, dass diese Proteine auch die Reifung von dendritischen Zellen inhibieren können und damit zu einer verminderten Antigenpräsentation und T-LymphozytenAktivierung führen. Das F-Protein scheint noch weiter in die Pathogenese involviert zu sein. Bei der für die Infektion essenziellen Spaltung des F0-Vorläuferproteins in die beiden F1- und F2-Untereinheiten durch eine Furin-Endoprotease wird ein kleines Peptid von 27 Aminosäuren Größe freigesetzt. Dieses pep27 wird in infizierten Zellen in ein Virokinin konvertiert. Virokinine gehören zur Tachykinin-Familie und können die Kontraktion glatter Muskulatur induzieren und so zur Bronchokonstriktion beitragen. Es wird auch eine Rolle des Peptides bei der Rekrutierung von eosinophilen Granulozyten diskutiert. Da die Produkte dieser Zellen die respiratorische Mukosa schädigen und eine Ziliostase erzeugen können, könnte dies die Replikation des BRSV fördern. Weiterhin wurde dem F-Protein eine hemmende Wirkung auf die Proliferation von Lymphozyten zugeschrieben. Auch das G-Protein scheint in die Pathogenese, besonders im unteren Respirationstrakt, involviert zu sein. Es wird vermutet, dass eine sezernierte Form des G-Proteins mit Surfactant-Molekülen um die Bindung an Virionen kompetitiert und somit die Aufnahme und Inaktivierung der Partikel durch Alveolarmakrophagen reduziert. Vielleicht kann dieses lösliche Protein auch wie ein „Köder“ neutralisierende Antikörper binden und somit deren Interaktion mit infektiösen Viruspartikeln verhindern. Die Infektion mit dem BRSV führt daher zu einer nur wenig ausgeprägten Immunität, sodass nach der Genesung innerhalb kurzer Zeit wieder Reinfektionen möglich sind, die jedoch häufig ohne oder nur mit milder Erkrankung verlaufen. Klinik und Pathologie Häufig ist ein subklinischer Verlauf. In Abhängigkeit von Alter, Haltung, Hygiene, Sekundärinfektionen etc. kann es jedoch zur Erkrankung kommen. Die deutlichsten Symptome treten dabei im Alter von ca. 1–5 Monaten auf, Krankheitssymptome können jedoch mitunter auch bei adulten Tieren beobachtet werden. Nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen sind als frühe Zeichen (akuter Verlauf) Fieber, Inappetenz, Depression, seromuköser Nasen- und Augenausfluss, Tachypnoe und Husten zu beobachten. Hierauf tritt die Rekonvaleszenz ein oder es kommt, gelegentlich nach einer Phase der scheinbaren Besserung, zu schweren Verlaufsformen (Hypersensitivitätsreaktionen) mit exspiratorischer Dyspnoe, Maulatmung mit starkem, nicht produktivem Husten, Speicheln und gelegentlich dem Auftreten eines subkutanen Emphysems. Bakterielle Sekundärinfektionen, besonders mit Mannheimia haemolytica sowie Pasteurella multocida, können zu ausgeprägten Bronchopneumonien führen. Im Allgemeinen ist die Morbidität hoch (60–80 %) und die Mortalität variiert von 1–30 %. Pathologisch zeigt sich eine interstitielle Pneumonie. Die ventralen Bezirke der Lunge sind konsolidiert, während sich kaudodorsal oft ein interlobuläres und lobäres, subpleurales Emphysem (z. T. mit Bullae) zeigt. Bei bakterieller Sekundärinfektion findet sich eine (fibrinös-)eitrige Bronchopneumonie. Mikroskopisch zeigen sich eine proliferative und exsudative Bronchiolitis, alveolärer Kollaps und peribronchiale Infiltration mononukleärer Zellen. Ein cha- ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Epidemiologie RNA-Viren 557 27 RNA-Viren 558 Diagnose Am lebenden Tier kann aus Nasentupferproben in der frühen (!) Krankheitsphase die kulturelle Isolierung von BRSV in bovinen und ovinen Zellkulturen versucht werden. Charakteristisch sind Synzytienbildung und zytoplasmatische Einschlusskörperchen. Infizierte Zellkulturen können spezifisch mittels IFT erkannt werden. Die kulturelle Virusisolierung ist jedoch schwierig und zeitaufwendig. Routinemäßig kann der direkte Infektionsnachweis durch einen fluoreszenzmikroskopischen BRSV-Antigennachweis (IFT) in Nasenschleimhautzellen erfolgen, die mithilfe eines Nasentupfers gewonnen werden. Sicherer ist ein Nachweis des Genoms mittels RT-PCR. Am toten Tier kann in Kryostatschnitten von Lungengewebe Virusantigen mittels IFT nachgewiesen werden. Zum indirekten Infektionsnachweis mittels Antikörper kann ein ELISA oder (seltener) ein Neutralisationstest eingesetzt werden. Bekämpfung Die Therapie muss möglichst früh einsetzen. Sie umfasst gegen Sekundärinfektionen gerichtete antibiotische Maßnahmen, die Gabe von Bronchospasmolytika und die Verabreichung von nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAIDs). Eine Bekämpfung der EBP muss in erster Linie die Verbesserung von Hygiene und Management anstreben, insbesondere die Optimierung der Belüftung. Nur im Zusammenhang mit einem solchen Herdenmanagementprogramm ist der prophylaktische Einsatz von Impfstoffen sinnvoll! Auf dem Markt sind sowohl inaktivierte als auch Lebendimpfstoffe gegen BRSV-Infektionen erhältlich, häufig als Kombinationsvakzinen. Genus Metapneumovirus (Unterfamilie Pneumovirinae) Infektion mit dem aviären Metapneumovirus Synonyme: Turkey Rhinotracheitis, Swollen Head Syndrome Es handelt sich um eine akute, hoch kontagiöse Erkrankung der oberen Atemwege bei der Pute (Rhinotrache­ itis). Beim Huhn verursacht das Virus das Swollen Head Syndrome (SHS). Ätiologie Der Erreger, das aviäre Metapneumovirus (aMPV), wird dem Genus Metapneumovirus, Subfamilie Pneumovirinae, der Paramyxoviren zugeordnet. Das aMPV besitzt keine Hämagglutinin- und Neuraminidaseaktivität. Es ist relativ empfindlich gegenüber Wärme und üblichen Desinfektionsmitteln, aber aktiv im pH-Bereich 3–9. Es existieren mehrere Subtypen (A, B, C und D); in Europa und vielen Teilen der Welt kommen besonders A und B vor, C in den USA und F in Frankreich. Der Subtyp C ist am engsten mit dem humanen Metapneumovirus (hMPV) verwandt und wird als Vorläufer des hMPV diskutiert. Epidemiologie Das Virus ist offenbar weltweit verbreitet (Ausnahme sind z. B. Australien oder Kanada). Die Einschleppung erfolgt mit infizierten Jungputen, seltener indirekt. Eine vertikale Übertragung ist nicht bekannt. Der Übertragungsweg ist aerogen. Das Virus wird nur wenige Tage ausgeschieden, ein Trägerstatus ist nicht beschrieben. Die Immunität ist nicht sehr belastbar, Reinfektionen sind möglich. Natürliche Wirte für das aMPV sind Pute und Huhn, es wurde daneben auch bei Fasanen und Enten sowie einigen Wildvögeln nachgewiesen. Klinik und Pathologie Die Inkubationszeit der Rhinotracheitis beträgt zwischen 3 und 7 Tagen. Alle Altersklassen können betroffen sein, wobei Puten im Alter von 4–9 Wochen die deutlichsten Symptome aufweisen. Die Erkrankung breitet sich schnell aus. Es zeigt sich Niesen und ein zunächst seröser Nasen- und Augenausfluss mit Konjunktivitis. Später wird der Ausfluss mukopurulent. Ödeme im Kopfbereich können auftreten. Futter- und Wasseraufnahme sind erniedrigt. Die Morbidität kann sehr hoch sein (bis 100 %), die Mortalität variiert, in Abhängigkeit vom Alter und der Konstitution der Herde, den Hygiene- und Haltungsbedingungen sowie besonders von viralen und bakteriellen Sekundärinfektionen (wie Bordetella, Pasteurella, Mykoplasmen, E. coli) zwischen 0,4 % und 50 %. Beim Huhn kommt es zu Schwellungen im Kopfbereich, Tortikollis und Opisthotonus. Die Symptome werden häufig von einer sekundären Infektion mit E. coli verstärkt. Es erkranken nur wenige Tiere, und die Mortalität übersteigt selten 2 %. Die pathologischen Befunde entsprechen der Klinik. Diagnose und Differenzialdiagnosen Klinik und Pathologie können nur eine Verdachtsdiagnose ergeben. Die Virusanzucht ist unsicher, alternativ kann eine RT-PCR versucht werden. Häufiger wird der Nachweis über Antikörper, besonders mittels ELISA, eingesetzt. Differenzialdiagnostisch müssen Newcastle-Krankheit, APMV-3-Infektion, infektiöse Bronchitis und aviäre Influenza berücksichtigt werden sowie bakterielle Erkrankungen. Therapie und Prophylaxe Die Therapie ist symptomatisch und vor allem auf Bekämpfung der sekundären Infektionen gerichtet. Eine Verbesserung des Herdenhygienemanagements kann Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. rakteristischer histologischer Befund ist das Auftreten von Synzytialzellen (daher der Name des Erregers) in der Lunge, gelegentlich mit intrazytoplasmatischen Einschlusskörperchen. 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren Paramyxovirusinfektionen des Menschen Beim Menschen sind mehrere seit Langem bekannte, aber auch neu aufgetretene Erreger der Paraymxovirusfamilie (siehe auch ▶ S. 554) von großer medizinischer Bedeutung. Das Virus der Masern (Measles Virus, MV) gehört zum Genus Morbillivirus und ist mit den animalen Morbilliviren eng verwandt. Weltweit sterben jährlich etwa eine halbe Million Kinder an den Folgen einer Maserninfektion. Die WHO hat daher ein Eradikationsprogramm ins Leben gerufen. Die Übertragung des MV erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Die Inkubationszeit beträgt 8–12 Tage. Das Prodromalstadium, während dem die Infektiosität am höchsten ist, ist durch Fieber, Schnupfen, Konjunktivitis, Pharyngitis und das Auftreten der KoplikFlecken auf der meist stark geröteten Wangenschleimhaut gekennzeichnet. Dann erscheinen die typischen makulopapulösen, bräunlich-rosafarbenen Exantheme hinter Ohr und Stirn, darauf an Hals, Stamm und Extremitäten. Sie sind Ausdruck einer zellulären Immunreaktion gegen das MV. Die katarrhalischen Erscheinungen, wie Husten und Konjunktivitis, bestehen weiter. Nach einigen Tagen kommt es zur Abblassung und Entfieberung. Selten kann bei sonst gutartigem Verlauf ein hämorrhagisches Exanthem auftreten. Masernvirusinfektionen hinterlassen regelmäßig eine transiente Immunschwäche, die einige Wochen andauern kann. Das Virus wird mit Nasen-Rachen-Sekret, Sputum, Urin und Tränenflüssigkeit ausgeschieden. Es ist hoch kontagiös. Natürliche Masernvirusinfektionen haben eine hohe Komplikationsrate (ca. 20 %), z. B. Pneumonie, Laryngitis und Otitis media, darunter aber auch lebensbedrohliche Erkrankungen wie die Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis (MIBE) oder die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Es gibt hoch wirksame Impfstoffe, jedoch sind gegenwärtig in Deutschland die Impfraten insgesamt ungenügend. Ein anderer, seit Langem bekannter Erreger ist das Mumpsvirus aus dem Genus Rubulavirus. Infektionen mit dem Mumpsvirus sind weltweit endemisch verbreitet und betreffen vor allem Kinder und Jugendliche. Der Mensch ist das einzige Erregerreservoir. Die Übertragung erfolgt vor allem aerogen (Aerosole, Tröpfchen) oder über virushaltigen Speichel. Die Inkubationszeit beträgt 11–25 Tage. Mumps ist eine systemische Infektionskrankheit. Ansteckungsgefahr besteht etwa 7 Tage vor bis 9 Tage nach dem Auftreten klinischer Erscheinungen. Das typische Krankheitsbild ist eine Entzündung der Speicheldrüsen (Sialadenitis, Parotitis endemica), wobei besonders die Glandula parotis betroffen ist, in Verbindung mit Fieber. Die Krankheitsdauer beträgt meist 3–8 Tage. Mit zunehmendem Alter werden schwerere Verlaufsformen beobachtet. Etwa 40–50 % der Fälle verlaufen aber klinisch symptomlos, das Virus wird jedoch ausgeschie- den. Zwar verläuft Mumps meist ohne Komplikationen und führt in der Regel zu lebenslanger Immunität, sodass Zweiterkankungen selten sind, aber wenn Komplikationen auftreten, sind sie gefürchtet. So sind Meningitis, Taubheit, Pankreatitis, Orchitis, Epididymitis, Oophoritis und Nierenentzündungen beschrieben. Im ersten Trimester einer Schwangerschaft sind Aborte möglich. Die wirksamste präventive Maßnahme ist die Schutzimpfung, häufig kombiniert mit Masern- und Rötelnvirus als trivalente Vakzine (MMR), die von der Ständigen Impfstoffkommission (STIKO) empfohlen wird. Zu der Subfamilie Pneumovirinae, Genus Pneumovirus, zählt das Respiratory Syncytial Virus (RSV). Es ist der wichtigste Erreger von Infektionen der Atemwege bei Säuglingen und Kleinkindern. Es gibt zwei Subgruppen A und B aufgrund genetischer und antigener Unterschiede. Im Verlauf der ersten beiden Lebensjahre werden etwa 65 % aller Kinder infiziert. Eine langfristige Immunität besteht nicht und Reinfektionen sind häufig. Eine Häufung der Krankheit wird in Mitteleuropa von November bis April beobachtet. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion bei engem Kontakt, seltener über kontaminierte Gegenstände oder Oberflächen. Die Inkubationszeit beträgt 2–8 Tage. Die höchste Infektiosität besteht während der ersten Tage der Erkrankung. Eine typische RSV-Symptomatik existiert nicht. Die Erkrankung beginnt mit Fieber, Husten und keuchender Atmung. Das klinische Bild der Bronchiolitis (mit massiver Zytokinproduktion) ist gekennzeichnet durch beschleunigte Atmung, Husten, Hypoxämie und oft Ernährungsschwierigkeiten. Die häufigsten Komplikationen sind Pneumonien, die eine stationäre Aufnahme nötig machen. Infektionen mit RSV beim Säugling können zu einem Keuchhustenähnlichen Bild (Pseudokrupp) führen. Risikopatienten sind Frühgeborene mit vorgeschädigter Lunge sowie Kinder mit Herzfehlern oder Immundefekten. Schwere Infektionen können jedoch auch bei Erwachsenen (z. B. in Altersheimen) auftreten. Die Pathogenese ist nicht schlüssig geklärt. Ähnlich wie bei der Infektion mit dem bovinen respiratorischen Synzytialvirus scheinen immunpathologische Mechanismen eine Rolle zu spielen. Eine Immunprophylaxe ist nicht möglich. Ein erst 2001 in den Niederlanden identifiziertes Paramyxovirus ist das humane Metapneumovirus (hMPV). Es wurde von einem Kind mit einer Infektion des Respirationstraktes isoliert. Serologische Studien lassen vermuten, dass das Virus schon mindestens 50 Jahre zirkuliert. Der Erreger ist verwandt mit dem aviären Meta‑ pneumovirus, das die Rhinotracheitis der Pute verursacht. Basierend auf Sequenzanalysen lassen sich mindestens zwei Gruppen (A und B) sowie vier Subgruppen (A1, A2, B1, B2) unterscheiden. Das epidemiologische Profil des hMPV ist ähnlich dem des RSV; hMPV-Infektionen treten in allen Altersstufen auf, die schwersten Erkrankungen finden sich bei Kindern unter 2 Jahren. Im Alter von 5–10 Jahren haben praktisch alle Kinder ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. wesentlich zur Reduzierung von Verlusten beitragen. Die Schwere von Feldinfektionen kann durch den Einsatz von Lebend- und Totvakzinen gemindert werden. RNA-Viren 559 27 RNA-Viren 560 Antikörper gegen das Virus gebildet. Die Übertragung geschieht vor allem als Tröpfcheninfektion und Handzu-Mund-Kontakt mit kontaminierten Oberflächen. Die klinischen Symptome sind sehr ähnlich denen der RSVInfektion. Sie reichen von leichten Erkältungen bis hin zu schweren Erkrankungen des unteren Atmungstraktes, wie Bronchiolitis und Pneumonie. Koinfektionen, z. B. mit RSV, Influenzavirus oder Streptokokken, sind nicht selten. Ein Impfstoff ist nicht verfügbar. 27.3.5 Familie Arenaviridae Martin Pfeffer Familienmerkmale Die Arenaviren werden mit Ausnahme des Tacaribe-Virus durch Nagetiere auf den Menschen übertragen. Ihr Name leitet sich von dem lateinischen Wort arenosus: sandig ab und weist damit auf die von der Wirtszelle stammenden Ribosomen hin, die sich elektronenoptisch wie Sandkörner im Virion darstellen (▶ Abb. 27.23, ▶ Abb. 27.24). Taxonomie Die Familie besitzt nur das Genus Arenavirus mit der Typspezies Lymphozytäre-Choriomeningitis-Virus (LCMV). Derzeit sind ca. 25 Arten beschrieben (▶ Abb. 27.25), wobei allein in den letzten 3 Jahren neun neue Arenaviren in Nagetieren entdeckt wurden. ▶▶ Abb. 27.23 Arenavirus, Ultradünnschnitt © Dr. habil. H. Granzow, Friedrich-Loeffler-Institut, Insel Riems. Nukleokapsid (NK), G1 und G2, und das L-Segment (large) kodiert mit ca. 7200 Nukleotiden für die virale Polymerase und ein als Z (Zinkkationenbindendes) bezeichnetes Protein mit noch unbekannter Funktion. Replikation und Transskription erfolgen auf beiden Genomsegmenten in Ambisense-Orientierung. Die positivsträngige mRNA für die L- und NK-Gene wird von der viralen RNA-Matrize gebildet, während die mRNA der Z- und G1/G2-Gene in gegenläufiger Orientierung vom intermediären Positivstrang der viralen RNA stammt, die bei der Replikation synthetisiert wird. Terminiert werden sämtliche mRNAs über eine als „Stem-Loop“ bezeichnete Sekundärstruktur der RNA, die zum Abfallen der Polymerase von der jeweiligen RNA-Matrize führt. Initiiert wird die RNA-Synthese durch revers-komplementäre, 19 Nukleotide lange RNASequenzen an den 3ʼ- und 5ʼ-Termini beider Segmente (▶ Abb. 27.26). Virusstruktur und Replikation Arenaviren besitzen eine sphärische bis pleomorphe Gestalt mit einem Durchmesser zwischen 50 und 300 nm (im Durchschnitt 120 nm). In der Virushülle sind die beiden glykosylierten G1- und G2-Proteine jeweils als Homotetramere lokalisiert, die durch rezeptorvermittelte Endozytose die Infektion der Wirtszelle ermöglichen. Innerhalb der Virushülle können Ribosomen und auch RNA von der Wirtszelle gefunden werden, wobei die Bedeutung hiervon unklar ist. Ebenfalls im Virion befinden sich die beiden einzelsträngigen RNA-Segmente, die als helikale Nukleokapside zirkulär mit jeweils einer viralen Polymerase assoziiert vorliegen. Das S-(small)Segment kodiert mit ca. 3200 Nukleotiden für die 3 Strukturproteine ▶▶ Abb. 27.24 Schema eines Arenavirus. Das Virion der Arenaviren enthält neben den zwei Genomsegmenten A und B auch zelluläre Ribosomen. Das Genom trägt pro Segment ein Molekül der RNAPolymerase (L) und ist durch Nukleoproteine (N) komplexiert. In der Virushülle eingelagert finden sich die viralen Glykoproteine, die ein Heterodimer aus den Proteinen G1 und G2 darstellen. Die Glykoproteine interagieren mit dem viralen Matrixprotein (Z). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Steckbrief ●●Einzelstrang-RNA-Genom mit 2 Segmenten mit ca. 7200 und 3400 Nukleotiden ●●Ambisense-Orientierung, 3 Strukturproteine, 2 Nichtstrukturproteine ●●pleomorphe Virionen (50–300 nm) mit helikalem Nukleokapsid und sphärischer Hülle ●●Infektion direkt durch Kontakt mit persistent infizierten Nagetieren oder indirekt durch deren Se- und Exkrete ●●Erreger schwerer hämorrhagischer Fieber beim Menschen 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren 561 Das Lymphozytäre-Choriomeningitis-Virus (LCMV) Ätiologie Die Typspezies LCMV ist das am besten untersuchte Arenavirus. Bezüglich seiner Pathogenese ist es möglicher- weise nicht repräsentativ für das Genus, da es pathogen im Reservoirwirt sein kann. Ein Vergleich von Nukleinund Aminosäuresequenzen in Teilen der Strukturproteine ergab genetische Unterschiede allein bei Labor- und Wildmäusen in England von über 20 %, sodass bei LCMV ▶▶ Abb. 27.26 Genomstruktur und Genexpression der Arenaviren. Die zwei Genomsegmente werden unabhängig voneinander transkribiert. Von dem größeren Segment A werden die RNA-Polymerase (L) und das Matrixprotein (Z) abgelesen. Das kleinere Segment B kodiert das Nukleoprotein (NP) und die Glykoproteine G1 und G2, die aus einem Vorläuferprotein (G) hervorgehen. Die Genomsegmente weisen am 5ʼ-Terminus eine Cap-Struktur auf. ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. RNA-Viren ▶▶ Abb. 27.25 Genetische Verwandtschaft der Arenaviren und ihre Verbreitung. 27 RNA-Viren 562 Epidemiologie LCMV kommt als einziges Arenavirus weltweit vor, da auch sein Hauptreservoir, die Hausmaus Mus musculus, weltweit verbreitet ist. Bekämpfung Die Expositionsprophylaxe ist bei LCMV im Gegensatz zu den anderen Arenaviren problematisch, da eine Infektion oft nicht durch wilde Nager, sondern von als Haustieren erworbenen Mäusen (und Hamstern) akquiriert wird. Ein Impfstoff ist nicht verfügbar. Viren des Tacaribe-Komplex Pathogenese Ätiologie Intrauterine oder neonate Infektionen mit LCMV werden von den Mäusen toleriert, sodass sich eine persistente Infektion ausbilden kann, die betroffenen Tiere werden zu symptomlosen Dauerausscheidern. Im Laufe des weiteren Lebens wird diese wahrscheinlich T-Zell-basierte Toleranz durchbrochen und es kommt zu komplementvermittelter Bildung von Immunkomplexen und in der Folge zu Glomerulonephritiden. Bei der Infektion von immunkompetenten, erwachsenen Mäusen kommt es zu einer akuten Infektion mit der Klinik der Choriomeningitis. Im Tacaribe-Komplex sind 4 Arenaviren zusammengefasst, die in ▶ Abb. 27.25 fett hervorgehoben sind. Es sind dies die Erreger des Argentinischen (Junin-Virus), des Bolivianischen (Machupo-Virus), des Brasilianischen (Sabia-Virus) und des Venezuelanischen hämorrhagischen Fiebers (Guanarito-Virus) des Menschen. Alle 4 Erreger sind in die höchste Sicherheitsstufe 4 eingruppiert. Klinik und Pathologie Die klinische Bedeutung beim Menschen ist gering, da die meisten Infektionen subklinisch verlaufen. Nur in etwa einem Drittel der Fälle kommt es zu milden grippeähnlichen Symptomen. Selten kommt es zu einer neurologischen Beteiligung in Form einer Choriomeningitis. Zu schweren Komplikationen kann es bei einer Infektion in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft für den Fetus kommen. Hier sind psychomotorische Schäden, Mikroenzephalus, Hydrozephalus, Chorioretinitis, Blindheit bis hin zum Fruchttod möglich. Diagnose Im Lauf der LCMV-Infektion werden IgM- und IgG-Antikörper gegen die drei Strukturproteine gebildet, die mittels ELISA nachweisbar sind. Aufgrund der genetischen Heterogenität der LCMV sind die verfügbaren EchtzeitRT-PCRs nicht unproblematisch in der Beurteilung negativer Ergebnisse. Epidemiologie Die jeweiligen Viren werden von persistent infizierten Mäusen mit den Se- und Exkreten ausgeschieden. Innerhalb der Nagetierpopulationen werden die Viren v. a. vertikal intrauterin übertragen, aber auch horizontal z. B. bei Revierkämpfen der Männchen. Die Infektion des Menschen erfolgt fast ausnahmslos aerogen durch Inhalation von kontaminierten Stäuben und häuft sich daher in der Erntezeit von Getreide. Bei Sabia-Virus ist das Nagetierreservoir noch unbekannt und bislang sind nur eine natürliche Infektion und 2 Laborinfektionen beschreiben. Bei den Machupo- (Calomys callosus) und GuanaritoViren (Zygodontomys brevicaudis und Sigmodon alstoni) kommt es in den Verbreitungsgebieten immer wieder zu kleineren Ausbrüchen, zahlenmäßig am häufigsten sind jedoch die von Calomys musculinus (auch C. laucha und Akodon azarae) übertragenen Junin-Virusinfektionen mit etwa 100 Fällen pro Jahr. Vor Einführung der Impfung (s. u.) Anfang der 1990er-Jahre waren es über 1 000 Fälle jährlich. Pathogenese Immunologie Die Immunologie der LCMV-Infektion bei adulten Mäusen und beim Menschen ist die Ursache für die Erkrankung, da die akute Phase fast ausschließlich immunpathologisch begründet ist. Während der Infektion werden MHC-Klasse-I-Antigene auf infizierten Zellen exprimiert, die durch antigenspezifische, zytotoxische CD8-positive T-Lymphozyten erkannt werden. Dies geschieht im Konzert mit Zytokinen, v. a. Tumornekrosefaktor α und Interferon γ, die von entsprechenden, aus CD4-positiven Zellen hervorgegangenen Th-1-Zellen sezerniert werden und den Entzündungsprozess unterhalten. Durch die Aktivität der CD8-positiven T-Zellen wird ohne auffällige morphologische Änderungen die Blut-Hirn-Schranke durchlässig und die Schädigung von Neuronen, aber auch der weichen Hirnhäute (Leptomeningen) möglich. Am Ort der Infektion, i. d. R. der Lunge, findet eine initiale Virusvermehrung statt, die über infizierte Makrophagen im Körper disseminiert und v. a. Zellen des retikuloendothelialen Systems erreicht. Welche Faktoren zur erhöhten Permeabilität der Blutgefäße und damit zur namensgebenden Hämorrhagie führen, ist nicht bekannt. Klinik und Pathologie Nach einer Inkubationszeit von bis zu 3 Wochen kommt es zu hohem Fieber mit Muskelschmerz und petechialen Blutungen v. a. im Mund-Rachen-Bereich. Das klinische Bild einer Hepatitis und/oder Enzephalitis wird bei schweren Verläufen beobachtet. Kommt es zu schweren hämorrhagischen Verläufen, beträgt die Letalität 15– 30 %. Beim Bolivianischen hämorrhagischen Fieber sind Alopezien häufig beschrieben. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. generell eine starke genetische Heterogenität zu existieren scheint. 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren Klinik und Pathologie Neben einer entsprechenden Klinik und (Reise-)Anamnese ist der direkte Erregernachweis mittels Virusisolierung oder RT-PCR möglich. Beim Argentinischen und beim Bolivianischen hämorrhagischen Fieber sind neutralisierende Antikörper ca. 3 Wochen nach der Infektion im ELISA oder IFT nachweisbar. Die Serologie im Nagetierreservoir ist nicht aussagekräftig, da ein gleichzeitiges Vorhandensein von Virus nicht ausgeschlossen ist. In epidemiologischer Hinsicht bietet die Serologie jedoch eine gute Möglichkeit, die Verbreitung und das Vorkommen der jeweiligen Viren zu erfassen. Die Klinik beginnt nach einer Inkubationszeit von 6–21 Tagen mit Fieber und unspezifischer Schmerz- und Respirationssymptomatik. Ausgeprägte Ödeme v. a. bei Kleinkindern werden als „Swollen-Baby“-Syndrom bezeichnet. Zusammen mit Ikterus, Proteinurie, Hypotonie, Bluterbrechen und blutigem Stuhl sind Ödeme erste Zeichen eines schweren Verlaufes, der über hämorrhagische Manifestation zum Multiorganversagen mit einer Letalität von 10–20 % führen kann. Immunologie Außer bei Junin- und Machupo-Virusinfektionen, scheinen auch nach Guanarito-Virusinfektionen neutralisierende Antikörper gebildet zu werden, wobei nicht bekannt ist, ob diese auch vor einer Infektion oder einer Erkrankung schützen. Allgemein wird in Analogie zu LCMV- und LassaVirusinfektionen davon ausgegangen, dass der zellulären Immunantwort hier eine wichtige Rolle zukommt. Bekämpfung Präventiv sollte die Exposition zu infizierten Nagetieren durch geeignete Maßnahmen vermieden werden. Die Erkrankung selber muss meist intensiv-supportiv nach der jeweilig vorherrschenden Klinik behandelt werden. Ribavirin hat bei zeitlich früher Applikation antivirale Wirkung bei Junin-Virusinfektionen gezeigt. Eine als Kandidat #1 bezeichnete, attenuierte Lebendvakzine hat sich als sicher und wirkungsvoll gegen das Argentinische hämorrhagische Fieber erwiesen. Lassa-Fieber Ätiologie Verantwortlich für das Lassa-Fieber des Menschen ist das gleichnamige Lassa-Virus, das mit mindestens 4 antigenetischen Varianten im westlichen Afrika vorkommt. Epidemiologie Die Vielzitzenmaus Mastomys natalensis ist der Reservoirwirt für Lassa-Viren. Die Infektion wird analog den bereits ausgeführten Arenaviren zwischen den Nagern und auf den Menschen übertragen. In bestimmten Gebieten Westafrikas sind Seroprävalenzen von über 25 % bei der Bevölkerung festgestellt worden, was neben der hohen Durchseuchungsrate auf die Existenz wenig virulenter Stämme hinweist. Die Zahl an Neuinfektionen wird auf über 100 000 pro Jahr geschätzt. Pathogenese Nach aerogener Aufnahme der Viren kommt es zur Vermehrung in Lungengewebe und ortsständigen Makrophagen. Während einer ausgeprägten Virämie werden zunächst die retikuloendothelialen Organe befallen. Fokale Nekrosen führen zu entsprechenden Funktionseinschränkungen bzw. -verlusten. Diagnose Während des hohen Fiebers erlaubt eine ausgeprägte Virämie den Erregernachweis im Blut durch Isolierung oder mittels Elektronenmikroskopie oder RT-PCR. Der Virusnachweis gelingt auch aus dem Urin oder anderem klinischen Material während dieser Phase. Durch die hohe genetische Heterogenität besteht hier jedoch die Gefahr von falsch negativen Ergebnissen und die entsprechenden Teste sollten immer gemäß den neuesten Sequenzdaten angepasst werden. Spezifische Antikörper (IgM, IgG) sind ab dem 10. Krankheitstag mit IFT, ELISA oder Neutralisationstest nachweisbar. Auch Lassa-Virus ist ein Erreger der Sicherheitsstufe 4 und ein Arbeiten mit infektiösem Virus nur unter entsprechenden Sicherheitsbedingungen erlaubt. Immunologie Spezifische IgM- und IgG-Antikörper werden nach einer Infektion mit Lassa-Viren gebildet. Sie allein sind nicht ausreichend für eine protektive Wirkung gegen eine (Neu)Erkrankung. Bekämpfung Konsequente Nagerbekämpfung führt zu deutlicher Reduktion der Inzidenz von Lassa-Fieber in den betroffenen Regionen. Ribavirin hat sich bei der Therapie von LassaFieber gut bewährt, es muss allerdings sehr früh gegeben werden, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Im Gegensatz zum Junin-Virus ist es in den letzten 30 Jahren nicht gelungen, einen Impfstoff auf Basis eines attenuierten Lassa-Virus zu etablieren. Dies ist in Hinblick auf die angesprochenen Seroprävalenzdaten mit fehlender Klinik erstaunlich. Rekombinant hergestellte virale Glykoproteine befinden sich derzeit in der Erprobung. 27.3.6 Familie Bunyaviridae Martin Pfeffer Steckbrief ●●Negativstrang-RNA-Genom mit 3 Segmenten (S, M u. L) ●●sphärische Virionen (80–120 nm) mit helikalen Nukleo­kapsiden und 2 glykosylierten Hüllproteinen (G1 u. G2) (▶ Abb. 27.27, ▶ Abb. 27.28) ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Diagnose RNA-Viren 563 27 RNA-Viren 564 Familienmerkmale Alle Bunyaviren werden in der Natur durch Vektoren übertragen oder haben ein mehr oder minder spezifisches, tierisches Reservoir. Alle Bunyaviren besitzen 3 Segmente einer Negativstrang-RNA, deren Positivstrangsynthese durch 5ʼ-Cap-Strukturen initiiert wird, die von zellulären mRNAs stammen. Die Nachkommenviren werden durch Budding in die Golgizisternen entlassen. Ihr Name leitet sich von dem Ortsnamen Bunyamwera in Uganda ab, wo die Typspezies des Genus Orthobunyavirus isoliert worden ist, das früher einfach nur Genus Bunyavirus hieß (▶ Tab. 27.7). Taxonomie Die Familie besitzt 5 Genera, wobei im Genus Tospovirus nur Pflanzenpathogene zusammengefasst sind, die allerdings auch durch Gliederfüßler (Thripsen, Fransenflügler) übertragen werden. Im Genus Orthobunyavirus sind über 150 Arten gelistet, die über Stechmücken, Gnitzen, Zecken oder Wanzen auf Mensch und Tier übertragen werden. Die über 50 verschieden Viren im Genus Phlebovirus werden vornehmlich durch Stechmücken und Sandmücken (Phlebotomen) übertragen. Die Viren im Genus Nairovirus nutzen v. a. Zecken zu ihrer Übertragung, während die Viren im Genus Hantavirus schließlich durch virushaltige Se- und Exkrete von Nagetieren zu Infektionen beim Menschen führen. Virusstruktur und Replikation ▶▶ Abb. 27.27 Bunyavirus, Ultradünnschnitt © Dr. F. Weiland, Friedrich-Loeffler-Institut, Tübingen. ▶▶ Abb. 27.28 Schema eines Bunyavirus. Das behüllte Bunyavirus enthält 3 Segmente eines Negativstrang-RNA-Genoms verpackt durch zahlreiche Moleküle des Nukleoproteins zum Nukleokapsid. An das Genom angelagert findet sich die RNA-abhängige RNAPolymerase. In die Virushülle eingelagert ist das Glykoprotein, das aus zwei Molekülen (Gn und Gc) besteht. Bunyaviren besitzen für jedes der drei RNA-Segmente ein helikales Nukleokapsid, an denen je eine virale RNA-Polymerase gebunden ist. Die 3ʼ- und 5ʼ-Enden der RNA-Segmente haben revers-komplementäre Nukleotidsequenzen, sodass die Nukleokapside zirkulär vorliegen. In der Hülle sind die beiden glykosylierten G1- und G2- Proteine (manchmal auch als Gn und Gc bezeichnet) durch eine Transmembrandomäne verankert. Da Bunya­ viren keine Matrixproteine besitzen, die eine Stabilisierung von helikalem Nukleokapsid mit der kubischen Hülle vermitteln, können sich Bunyaviren in ihrer Gestalt durchaus pleomorph mit Größen von bis zu 200 nm darstellen. Über die Glykoproteine startet die Infektion der Zelle via rezeptorvermittelte Endozytose. Nach Fusion der Membranen und Freisetzung der viralen RNA ins Zytoplasma beginnt die virale RNA-Polymerase mit der Plusstrangsynthese. Diese wird von 5ʼ-Cap-Strukturen initiiert, die vorher durch die Endonukleaseaktivität der viralen Polymerase von den mRNAs der infizierten Wirtszelle abgetrennt und an das 3ʼ-Ende der viralen Negativstrang-RNA transferiert wurden (sogenanntes CapSnatching). In der zeitlichen Abfolge werden zu Beginn vornehmlich das L-Segment und im Verlauf der Infektion dann die S- und M-Segmente in dieser Art transkribiert und durch die gestohlenen 5ʼ-Cap-Strukturen die Translation der entsprechenden Proteine gestartet. Dieser Ablauf ermöglicht den Viren, initial große Mengen der zur weiteren Transkription und Replikation benötigten Polymerase zu bilden und später dann die für die Morphogenese benötigten Strukturproteine (▶ Abb. 27.29). Diese findet im Golgiapparat statt und die fertigen Nachkommenviren budden in Golgizisternen. Mit diesen Vesikeln werden sie zur Zellmembran transportiert und exozytotisch freigesetzt. Eine Infektion von Invertebratenzellen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ●●größte bekannte Virusfamilie mit über 350 animalen Viren in 4 Genera ●●Übertragung bei Viren der Genera Nairo-, Phlebo- und Orthobunyavirus durch den Stich blutsaugender Gliederfüßler (Arboviren) ●●Übertragung bei Viren des Genus Hantavirus durch Se- und Exkrete persistent infizierter Nagetiere ●●wenige wichtige Tierpathogene, aber als Zoonose­ erreger beim Menschen von großer Bedeutung 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren ▶▶ Abb. 27.29 Schema der Genomorganisation und Genexpression der Bunyaviren. Die drei Segmente des Bunyavirusgenoms werden unabhängig transkribiert und translatiert. Von dem S-Segment wird das N-Protein abgelesen, das M-Segment trägt den ORF für das Glykoprotein, das als Vorläuferprotein synthetisiert wird und posttranslational in die Proteine Gn und Gc gespalten wird. Das L-Segment schließlich kodiert für die RNA-Polymerase. Die Segmente tragen nahe dem 3ʼ-Terminus eine Hair-Pin-Struktur, die zum Ende der Transkription führt. Die RNA besitzt eine Plusstrang-Cap-Struktur. verläuft dabei ohne zytopathogenen Effekt und es kann monatelang Virus in den Zellkulturüberstand abgegeben werden. Vertebratenzellen hingegen sterben ab. Rifttal-Fieber !!Beachte: Anzeigepflicht Ätiologie Das Rifttal-Fieber der Wiederkäuer wird durch das gleichnamige Rifttal-Virus aus dem Genus Phlebovirus verursacht. Epidemiologie 1931 wurde die erste große Epidemie von Rifttal-Fieber in Kenia dokumentiert. Wahrscheinlich war ein ähnliches Seuchengeschehen im Jahr 1912 ebenso dem RifttalVirus geschuldet. Seither kommt es in unregelmäßigen Abständen zu großen Rifttal-Fieberepidemien im Afrika südlich der Sahara. 1977 kam es zur ersten Epidemie mit 18 000 infizierten Menschen (ca. 600 Toten) nördlich der Sahara in Ägypten und im Jahr 2000 hat das Virus den Sprung auf die Arabische Halbinsel geschafft und im Jemen und Saudi-Arabien zu Erkrankungen bei Haustieren geführt. Großen Epidemien geht immer eine Periode von ungewöhnlich starken Regenfällen voraus. Durch diese Wassermassen kommt es zur Flutung von Bodendepressionen, die gemeinhin als „Dambo“ bezeichnet werden. Die Eier von Stechmücken, die hier abgelegt wurden, schlüpfen und es kommt nach der aquatischen Entwicklungsperiode zu einem Massenschlupf an Stechmücken. Ein Teil dieser Stechmücken trägt das Virus bereits in sich, da sie aus Eiern geschlüpft sind, die transovariell von infizierten Stechmückenweibchen gelegt wurden. Das Rifttal-Virus hat die Entwicklungsstadien der Stechmückenlarven und -puppen transstadial überdauert und kann bei der ersten Blutmahlzeit auf empfängliche Tiere übertragen werden. Diese Infektkette wird als endemischer Zyklus bezeichnet. Da die Dambos auch als Tränke genutzt werden, werden zeitgleich viele Tiere infiziert und es kommt zu einer weiteren Infektionswelle (epidemischer Zyklus), bei der die gefürchteten Abortstürme und Infektionen bei den Menschen beobachtet werden, die mit den Tieren umgehen. Das Rifttal-Virus ist in hohem Maße promisk in Bezug auf die Stechmückenvektoren und wurde bereits aus fast 50 verschieden Stechmückenarten und sogar Sandmücken, Gnitzen und Zecken isoliert, wobei deren Rolle in der Epidemiologie des Rifttal-Fieber sicher zu vernachlässigen ist. Bislang wurde kein Reservoirtier für das Rifttal-Virus identifiziert, sodass es die Zeiten zwischen den großen Epidemien sehr wahrscheinlich einzig in den Vektoren überdauert. Dies scheint interessanterweise auch bei den humanpathogenen Phleboviren der Fall zu sein, die außer bei menschlichen Erkrankungen nur in Phlebotomen gefunden werden (▶ S. 569). Sowohl die bisherige geographische Expansion als auch die Fähigkeit, von vielen verschiedenen Arthropodenarten übertragen zu werden, hat die OIE dazu veranlasst, Rifttal-Fieber als länderübergreifende Zoonose mit sehr hohem Ausbreitungspotenzial („Transboundary Disease“) einzustufen. ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. RNA-Viren 565 27 RNA-Viren 566 Pathogenese Immunologie Im Anschluss an den Stich durch eine infizierte Stechmücke findet die erste Virusreplikation des Rifttal-Virus vermutlich in den Zellen um die Einstichstelle und in den lokalen Lymphknoten statt. Die Viren treten danach in die Blutbahn über und gelangen schon innerhalb der ersten 3 Tage in die parenchymatösen und lymphoretikulären Organe, in denen es zu massiven Nekrosen kommt. Hauptzielorgan ist die Leber, deren normale Textur fast vollständig zerstört wird. Die Milz ist vergrößert und im Darm kommt es zu Hämorrhagien. Thrombozytopenien, Vaskulitis und intravasale Verbrauchskoagulopathien führen zur Minderdurchblutung in der Peripherie und sind wahrscheinlich durch Plazentanekrose ursächlich für die Aborte. Die Aborte erfolgen gleichermaßen in allen Trächtigkeitstadien. Der Mensch kann sich oronasal durch den Konsum virushaltigen Fleisches oder durch Verletzungen beim Schlachten moribunder Tiere infizieren. Diese Übertragungswege machen viele der humanen Fälle aus, da die betroffenen Bauern und Nomaden noch versuchen, die todkranken Tiere zu verwerten. Die Pathogenese nach derartiger Aufnahme unterscheidet sich nicht wesentlich von der durch einen Stich übertragenen Infektion. Die Produktion von IgM- und IgG-Antikörpern wird früh nach der Infektion initiiert. Eine überstandene Infektion verleiht einen wahrscheinlich lebenslangen, belastbaren Schutz vor einer Reinfektion. Diese Immunität basiert vornehmlich auf der ausreichenden Präsenz von neutralisierenden Antikörpern. Das Rifttal-Virus vermehrt sich sehr schnell und die Klinik setzt nach einer entsprechend kurzen Inkubationszeit von 2–4 Tagen mit plötzlich einsetzendem Fieber und Abgeschlagenheit ein. Die Tiere zeigen Nasenausfluss, blutigen Durchfall, Anorexie und Rückgang der Milchleistung. In empfänglichen Herden abortieren 90–100 % der tragenden Tiere, die Mortalität bei Neugeborenen liegt ebenfalls bei fast 100 %. Die Letalitäten bei Rind, Ziege und Schaf unterscheiden sich während einer Epidemie nicht. Bei humanen Infektionen kommt es ebenfalls zum plötzlichen Eintreten von Schüttelfrost, biphasischem Fieber, Übelkeit, Konjunktivitis, Kopf- und Gliederschmerzen. Der weitere Krankheitsverlauf kann als unkompliziertes, grippeähnliches Fieber vorübergehen oder aber als hämorrhagisches Fieber mit schwerer Leberbeteiligung (fulminante Hepatitis), wie sie bei den Tieren auftritt, Enzephalitis mit Verwirrungszuständen, Koma und bleibenden neuronalen Schäden oder schließlich als okulare Form mit Retinablutungen, Ödemen und teilweise bleibendem Sehverlust. Die Letalität beim Menschen beträgt 1–3 %. Diagnose Die Verdachtsdiagnose kann durch Virusisolierung, Echtzeit-RT-PCR oder Immunofluoreszenztest (IFT) im Serum oder am frischtoten Tier bestätigt werden. Ein ELISA zum Nachweis virusspezifischer IgM-Antikörper ist im südlichen Afrika sehr gebräuchlich. Serologisch können sonst IgG-Antikörper mittels ELISA, neutralisierende Antikörper im Neutralisationstest oder hämagglutinierende Antikörper im Hämagglutinationshemmtest nachgewiesen werden. Die Expositionsprophylaxe ist bei Arboviren generell der wirksamste Schutz vor einer Ansteckung. Im Zuge der großen Epidemien wurden Impfstoffe entwickelt, von denen einige aber teratogene und abortive Nebenwirkungen zeigten. In den betroffenen Gebieten Afrikas wird teilweise mit diesen durch Mutagenese hergestellten Lebend- oder Formalin-inaktivierten Totimpfstoffen geimpft. Da wie oben ausgeführt überdurchschnittliche Regenfälle den großen Seuchenzügen vorangehen, versucht man seit geraumer Zeit über Klimadaten eine Risikoabschätzung zu entwickeln. Eine wichtige Beobachtung und Voraussetzung zur Entwicklung eines derartigen Vorhersagemodells ist die Korrelation eines extrem negativen sogenannten ENSO(El-Nino/Southern-Oscillation)Index mit großen Rifttal-Fieberepidemien. Beim ENSOIndex fließen neben Klimadaten auch Satellitendaten zur Erdoberfläche mit Vegetationsindex und Habitatidentifikation ein. Die kalkulierten Risikokarten haben sich für Ostafrika sehr gut bewährt, scheinen aber für Westafrika und z. B. Madagaskar nicht zur Vorhersage von RifttalFieberausbrüchen nützlich. Ein möglicher Grund hierfür könnte in der unterschiedlichen Populationsdynamik der hauptsächlich an Rifttal-Fieberepidemien beteiligten Stechmückenarten liegen. Ein Impfstoff für die Anwendung beim Menschen ist nicht zugelassen, eine Kausaltherapie ist nicht bekannt. Akabane-Krankheit Ätiologie Die Akabane-Krankheit der Rinder, Schafe und Ziegen wird durch das Akabane-Virus aus dem Genus Orthobunyavirus verursacht. Von den weniger bekannten Peaton-, Douglas, Tinaroo- und Aino-Viren (alle aus dem Genus Orthobunyavirus) sind im gleichen Verbreitungsgebiet (Australien, Asien) ähnliche Krankheitsbilder beschrieben. In Westafrika wird eine von der AkabaneKrankheit nicht unterscheidbare Arthrogryphose durch das sehr nahe verwandte Shamonda-Virus hervorgerufen. Epidemiologie Das Akabane-Virus kommt in Australien und in Asien von Japan bis in die Türkei und Israel vor. Es wird durch den Stich von Stechmücken (in Australien wohl vorwiegend durch Gnitzen) auf die Tiere übertragen. Je nach Klima innerhalb des Verbreitungsgebietes kommt es somit nur saisonal oder ganzjährig zu Infektionen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Klinik und Pathologie Bekämpfung 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren 567 Pathogenese Nairobi Sheep Disease Das Virus gelangt über den Stich in die Blutbahn der Tiere und erreicht so bei trächtigen Tieren den Fetus. Bei den geringen Mengen Virus, die über den Stich einer Stechmücke übertragen werden, muss das AkabaneVirus entweder hoch kontagiös sein, einen selektiven Organtropismus aufweisen oder vorher im Muttertier an einem bislang noch nicht bekannten Ort eine initiale Vermehrungsphase durchlaufen. Im Fetus hat das Virus einen ausgeprägten Neurotropismus und führt zu einer Polyomyelitits und Enzephalomyelitis. Ätiologie Abhängig vom Zeitpunkt der Infektion während der Trächtigkeit kommt es zur Geburt lebensschwacher Tiere, die verschiedene neuronale Defekte im Bereich der Motorik oder Sensorik aufweisen (erstes Drittel). Im zweiten Drittel der Trächtigkeit kommt es zur Geburt von pathognomonisch arthrogrypotischen Tieren. In der Folge der Polyomyelitis kommt es zum Verlust der spinalen Motoneurone und die Gliedmaßen der Tiere sind in unphysiologischen Haltungen fixiert. Hierbei kommen Beugungen wie Streckungen vor, die auch im Halsbereich (Tortikollis) oder im Bereich des Rückens (Kyphose, Skoliose) beobachtet werden können. Daneben finden sich Mikroenzephalus (bei normalem Kleinhirn) und Hydrozephalus. Im letzten Drittel der Trächtigkeit scheint das Virus keine Embryopathien mehr zu verursachen. Die Muttertiere zeigen keinerlei Symptomatik. Diagnose Neben einer typischen Klinik/Pathologie der neugeborenen Kälber können Antiköper im Serum der Kälber bzw. ein Anstieg der virusspezifischen Antikörper beim Muttertier mittels ELISA nachgewiesen werden. Virus kann aus abortierten Feten oder der Plazenta isoliert oder durch einen Immunfluoreszenztest dargestellt werden. Aus dem gleichen Material kann die virale RNA durch eine RT-PCR amplifiziert werden. Immunologie Bei der Akabane-Virusinfektion werden neutralisierende Antikörper induziert, die für das Neugeborene aufgrund der Missbildungen nicht mehr relevant sind, aber beim Muttertier den Fetus bei der nächsten Trächtigkeit vor einer Infektion schützen. Bekämpfung In den Endemiegebieten in Australien und Japan werden Muttertiere vor der Belegung mit Erfolg mit einem inaktivierten Impfstoff vakziniert. Ansonsten bleiben Stechmückenbekämpfung und Expositionsprophylaxe, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Bei Gnitzen-übertragener Akabane-Krankheit genügt eine Aufstallung der Pferde zur Prävention. Die Erkrankung ist v. a. aus Ostafrika bekannt, wo sie durch Zeckenbiss auf kleine Wiederkäuer übertragen wird. Vergleichbare Erkrankungen werden in Indien durch das Ganjam-Virus verursacht und in Westafrika durch das zoonotische Dugbe-Virus. Die Viren werden in den Rhipicephalus-Zecken transstadial und transovarial übertragen, sodass die Zecken nicht nur Vektoren, also Virusüberträger, sondern auch Virusreservoir sind. Ein Wildtierreservoir für Nairobi Sheep Disease Virus ist bislang noch nicht bekannt. Pathogenese Nach Infektion durch den Biss einer infizierten Zecke kommt es wahrscheinlich zur ersten Vermehrung der Viren im regionalen Lymphknoten und zur anschließenden Virämie, mit der die Viren etliche weitere Organe wie den Darmtrakt und die Reproduktionsorgane erreichen. Genaueres zu den pathogenetischen Mechanismen ist nicht bekannt und wird nur im Analogieschluss zum Rifttal-Virus vermutet. Klinik und Pathologie Die Klinik bei Schafen und Ziegen ist schwer und kann mit Mortalitäten von bis zu 90 % einhergehen. Nach einer kurzen Inkubationsperiode von maximal einer Woche kommt es zu hohem Fieber, hämorrhagischen Durchfällen und dem Rifttal-Fieber vergleichbaren „Abort-Stürmen“. Diagnose Das seuchenhafte Verwerfen in Endemiegebieten vergesellschaftet mit blutigen Durchfällen beim kleinen Wiederkäuer sind relativ typisch für die Nairobi Sheep Disease. Die Pathologie sowie die Virusanzucht und der Immunfluoreszenztest aus Abortmaterial bestätigen in der Regel den klinischen Verdacht. Immunologie Spezifische virusneutralisierende Antikörper werden nach einer Infektion mit Nairobi Sheep Disease Virus gebildet. Sie allein sind ausreichend für eine protektive Wirkung gegen eine (Neu)Erkrankung. Bekämpfung In den Endemiegebieten werden regelmäßig Akarizide meist via Tauchbecken appliziert. Saisonal werden diese Maßnahmen durch Impfungen mit Lebendvakzinen oder Totimpfstoffen verstärkt. RNA-Viren Epidemiologie ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Klinik und Pathologie Verantwortlich für die Nairobi Sheep Disease ist das gleichnamige Virus, das auch namensgebend für das Genus Nairovirus war. 27 RNA-Viren 568 Ätiologie Das Genus Hantavirus ist nach dem Fluss Hantaan benannt, der Nord- und Südkorea trennt und wo nach einem größeren Ausbruch das namensgebende Hantaan-Virus erstmals isoliert wurde. Eine eigenständige Spezies ist dann gerechtfertigt, wenn die Aminosäuresequenzen der Strukturproteine um mindestens 7 % von allen anderen Hantaviren divergieren. Viele der mittlerweile bekannten Hantaviren sind für teilweise schwer verlaufende Erkrankungen des Menschen verantwortlich. Epidemiologie Hantaviren führen bei ihren Reservoirtieren zu einer persistenten Infektion und man geht derzeit von einer lebenslangen, permanenten Virusausscheidung v. a. durch den Nagetierurin, aber auch via Kot und Speichel aus. Die infizierten Tiere selbst zeigen keinerlei Anzeichen einer Erkrankung. Der Mensch infiziert sich in der Regel durch Inhalation virushaltigen Staubes, Infektionen durch direkten Biss sind sehr selten. Nur beim Andes-Virus ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung bekannt, ansonsten stellt der Mensch einen Sackgassenwirt dar, von dem die Infektion nicht mehr weiter verbreitet wird. Hantaviren sind ein klassisches Beispiel für eine sogenannte Ko-Evolution. Man geht davon aus, dass im Verlauf der Entwicklung die Hantaviren sich zusehends an ihren bevorzugten Wirt angepasst haben und dass diese Spezialisierung zu der beobachteten Diversität der Hantaviren geführt hat. Klassischerweise werden bestimmte Hantaviren nur von einer Nagetierart übertragen und springen nur in sehr seltenen Fällen auf sympatrisch vorkommende, nahe verwandte Spezies über. Konsequenterweise können Hantavirusinfektionen nur innerhalb des Verbreitungsgebietes der jeweiligen Nagetierspezies akquiriert werden. Die Infektion der Nagetiere selbst erfolgt horizontal innerhalb des Baus und bei Revierkämpfen der Männchen sowie horizontal bei der Aufzucht der Jungen. Als behüllte Viren bleiben die Hantaviren im trockenen Staub nur wenige Tage infektiös, wenn sie vor UV-Strahlung geschützt sind. Pathogenese Hantaviren werden mit der Atmung aufgenommen und gelangen so in den Nasen-Rachen-Raum, wo sie Endothelzellen und ortsständige Makrophagen infizieren. Über eine Virämie gelangen sie in sämtliche Organe, wobei die Hantaviren der Alten und die der Neuen Welt einen deutlich unterschiedlichen Tropismus zeigen. Bei den Neuwelt-Hantaviren kommt es zu einer starken interstitiellen Lungenentzündung mit hoher zytotoxischer T-Zell-Aktivität, Nekrosen und Apoptosen, die zu einem lebensbedrohlichen Lungenödem durch Transsudation führen. Die Hämorrhagie bei den Altwelt-Hantaviren ist wahrscheinlich eine Folge direkter Endothelschädigungen der Blutgefäße. Es kommt zu Thrombozytopenien und Verbrauchskoagulopathien in den Endstrombahnen der Niere. In der Folge kommt es zu Proteinurie und konsequenterweise zur Polyurie mit Gefahr eines Volumenmangelschocks. Durch die Nephropathie wird auch der Säure-Basen-Haushalt gestört. Interessanterweise sind Hämorrhagie und Nierenversagen negativ korreliert, d. h., je stärker die Nierenkomponente, desto geringer das hämorrhagische Fieber. Klinik und Pathologie Die Hantaviren der Neuen Welt (durch Nagetiere der Sigmontodinae übertragen) verursachen eine als Hantavirus-pulmonales-Syndrom (HPS) bezeichnete akute Lungenerkrankung, die einer Intensivbehandlung bedarf. Nach initialem Fieber führt eine schwere interstitielle Pneumonie zum Lungenödem, das in zunehmendem Maße den Gasaustausch verhindert, Tachypnoe und Schweratmigkeit sind die Folge. Meist kommt es auch zu Tachykardie mit entsprechender Herz-Kreislauf-Symptomatik, weshalb die Bezeichnung HPS mehr und mehr durch Hantavirus-kardiopulmonales-Syndrom (HCPS) ersetzt wird. Die Hantaviren der Alten Welt zeigen ein völlig anderes klinisches Bild beim Menschen. Hier herrscht je nach verusachendem Virus die hämorrhagische Komponente vor. Die in Europa vorkommenden Hantaviren führen aber weniger zu Hämorrhagien, hier ist das Fieber mit einer unterschiedlich starken Nierenerkrankung vergesellschaftet, die in bis zu 50 % der Erkrankten zu einer vorübergehenden Dialysepflicht führt. Allerdings ist bei entsprechender Versorgung eine Restitutio ad integrum die Regel. Letalitäten der schweren hämorrhagischen Fieber können 15 % erreichen, die Letalität der durch das Puumala-Virus verursachten Nephropathia epidemica in Europa liegt bei 1–2 %. Diagnose Die Diagnose wird in der Regel serologisch gestellt, da das Zeitfenster zum Nachweis durch Virusisolierung (sehr schwierig) oder Nachweis viraler RNA durch RTPCR sehr klein ist. Es bestehen z. T. starke Kreuzreaktivitäten zwischen einzelnen Hantaviren, sodass die Serologie keine 100 %ige ätiologische Diagnose erlaubt. Durch die bekannten Verbreitungsgebiete engt sich jedoch die Anzahl der möglichen Hantaviren deutlich ein. Zur Identifizierung von Endemiegebieten kann in den Nagetieren serologisch und mittels RT-PCR die Prävalenz bestimmt werden. Über eine Sequenzierung der Amplifikate ist eine genaue ätiologische Zuordnung möglich. Immunologie Es wird die Bildung von IgM- und IgG-Antikörpern schon früh nach der Infektion induziert. Die IgG-Antikörperfraktion ist sehr langlebig und verleiht wahrscheinlich Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Genus Hantaviren 27.3 Einzelstrang-RNA-Viren 569 Humanpathogene Bunyaviren einen Schutz gegenüber einer Reinfektion mit demselben oder möglicherweise einen partiellen Schutz gegenüber einer Infektion mit einem nahe verwandten Hantavirus. Es kommt zur Bildung von Immunkomplexen, die über den Urin ausgeschieden werden. Die Schwere der Nierenschädigung und damit der Klinik korreliert nicht mit der Menge der gebildeten Immunkomplexe. Neben den oben beschriebenen Hantaviren (▶ S. 568) gibt es eine Vielzahl von Bunyaviren aus den drei anderen Genera, die humanpathogen sind. ▶ Tab. 27.7 fasst die wichtigsten Vertreter mit einigen ihrer Eigenschaften zusammen. Bekämpfung Epidemiologie Eine gezielte Bekämpfung ist nicht möglich, da es für keines der humanpathogenen Hantaviren einen zugelassenen Impfstoff gibt und eine Kausaltherapie nicht bekannt ist. Die Maßnahmen beschränken sich somit auf die Verhinderung der Exposition bzw. das Tragen von Respiratoren, wenn eine Exposition nicht zu verhindern ist. Die humanpathogenen Bunyaviren haben die in der Tabelle dargestellten Verbreitungsgebiete und Überträger. Im Rahmen der steigenden globalen Reise- und Transport‑ aktivität erhöhen sich die Chancen, dass exotische Viren nach Mitteleuropa eingeschleppt werden. Die ebenfalls steigenden globalen Temperaturen lassen darüber hinaus für unsere gemäßigten Breiten befürchten, dass für Genus Virus Überträger Vorkommen Häufigkeit Orthobunyavirus California encephalitis Stechmücken westliches Nordamerika selten Meningoenzephalitis La Crosse Stechmücken Nordamerika, Russland häufig Enzephalitis im mittleren Westen und Osten der USA Jamestown Canyon Stechmücken Nordamerika vereinzelt Meningoenzephalitis Tahyna Stechmücken Europa, Russland selten ZNS-Symptomatik in Zentralund Osteuropa Keystone Stechmücken Nordamerika vereinzelt Meningoenzephalitis Snowshoe Hare Stechmücken Nordamerika, Russland, China selten Meningoenzephalitis Trivittattus, Tensaw Stechmücken Nordamerika vereinzelt Meningoenzephalitis Bunyamwera, Bwamba, Germiston Stechmücken Afrika möglicherweise vereinzelt Meningo­ enzephalitis Rifttal-Fieber Stechmücken Afrika, Arabische Halbinsel häufig hämorrhagisches Fieber, Hepatitis; selten Retinitis, Meningo­ enzephalitis Toscana Sandfliegen Südeuropa, Nordafrika, Vorder-, Mittelasien häufige Form der Meningitis in Südeuropa; selten Meningoenzephalitis/ Enzephalitis Sandfly Sicilian, Sandfly Naples Sandfliegen Südeuropa, Nordafrika, Vorder-, Mittelasien häufig fieberhafter Infekt mit meningitischer Reizung; selten Meningitis Krim-Kongo-hämorrhagisches Fieber* Schildzecken Südosteuropa, Asien, Afrika häufig hämorrhagisches Fieber, Hepatitis; selten Meningoenzephalitis Dugbe Schildzecken, Stechmücken, Gnitzen Afrika evtl. vereinzelt Fieber mit Meningitis Erve Schildzecken Europa Fieber, selten Enzephalitis Bhanja Schildzecken Südeuropa, Asien vereinzelt Meningitis im Rahmen von Laborinfektionen Phlebovirus Nairovirus unklassifiziert * Erreger der höchsten biologischen Laboratoriums-Sicherheitsstufe BSL4. ss RNA, negativ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶▶ Tab. 27.7 Wichtige humanpathogene Bunyaviren und einige ihrer Eigenschaften. RNA-Viren Ätiologie 27 RNA-Viren 570 einige dieser Viren die klimatischen Voraussetzungen zu ihrer Etablierung bald gegeben sein werden. Auf der anderen Seite könnten auch die „exotischen“ Vektoren bei den entsprechenden klimatischen Bedingungen hier heimisch werden. in bekannten Endemiegebieten. Für keinen der gelisteten Erreger ist ein Impfstoff für die Anwendung am Menschen zugelassen. Pathogenese Martin Beer Klinik und Pathologie Die Bandbreite humaner Bunyavirus-Infektionen reicht von milden grippeähnlichen Symptomen („Sommergrippe“ bei Tahyna-Virus) über febrile Erkrankungen mit Muskel- und Gliederschmerzen bis hin zu schweren Meningoenzephalitiden oder hämorrhagischen Fiebern. Kinder scheinen für verschiedene enzephalitische Bunya­viren besonders empfänglich zu sein. Bei dieser Altersgruppe gibt es auch die meisten mit bleibenden neuronalen Schäden nach der Infektion. Diagnose Die Diagnostik gestaltet sich aus mehreren Gründen schwierig. Es handelt sich um hierzulande wenig bekannte und selten vorkommende Erkrankungen, dementsprechend selten wird der Verdacht geäußert oder daraufhin untersucht. Durch die genetische und antigenetische Vielfalt innerhalb der Familie sind die direkten Erregernachweise mit den entsprechenden Schwierigkeiten (falsch negative Ergebnisse) behaftet. Serologische Kontrollreagenzien und Teste sind nur in Speziallaboren verfügbar. Immunologie Nach der Infektion mit den meisten der gelisteten Bunya­ viren wird eine belastbare Immunität aufgebaut, deren Dauer aber in den meisten Fällen nicht bekannt ist. Bekämpfung Eine Expositionsprophylaxe oder die Anwendung wirksamer Repellenzien ist der beste Schutz vor Ansteckung Familie Orthomyxoviridae Steckbrief ●●segmentiertes Einzelstrang-RNA-Genom, Negativstrangorientierung, 10–15 Kbp ●●behüllt, unregelmäßig, 80–120 nm Durchmesser, auch fadenförmig ●●6–8 helikale Nukleokapsidsegmente ●●8 Strukturproteine, 3 Nichtstrukturproteine ●●hohe genetische Variabilität („Antigenic Drift“), Reassortment möglich („Antigenic Shift“) ●●bedeutende Krankheitserreger bei Geflügel, Schwein, Pferd, Mensch Familienmerkmale Orthomyxoviren besitzen ein segmentiertes RNA-Genom. Sie sind behüllte, pleomorphe Partikel mit einem Durchmesser von ca. 80–120 nm; filamentöse Formen können bis zu mehrere Mikrometer lang sein. Die Nukleokapside sind helikal-symmetrisch und 50–150 nm lang (▶ Abb. 27.30, ▶ Abb. 27.31). Die Virionen enthalten 6 (Thogotovirus), 7 (Influenza-C-Virus) oder 8 (Influenza-Aund -B-Viren, Isavirus) Segmente einzelsträngiger RNAnegativer Polarität. Die Segmentgröße liegt zwischen ca. 870 und 2 400 Basenpaaren, die Genomgröße damit zwischen 10 000 und 14 600 Basenpaaren. Sie kodieren für maximal 11 Struktur- und Nichtstrukturproteine. Die segmentierte Genomstruktur begünstigt die Entstehung von Reassortanten, d. h. von Viren, deren genomische Segmente von zwei verschiedenen Elternviren abgeleitet sind. Diese Kombinationsvielfalt führt dazu, dass v. a. reassortante Influenzaviren zu sogenannten pandemischen Infektionen führen können (Pandemie = weltweite Epidemie), da keine Immunität gegen die neu zusammengestellten Nachkommenviren vorhanden ist. Der Vorgang des Reassortments wird auch „Antigenic Shift“ genannt. Orthomyxoviren replizieren mittels einer viruseigenen RNA-abhängigen RNA-Polymerase, die keine Proofreading-Aktivität besitzt. So kann es zum weniger exakten Ablesen des Elternstrangs und damit auftretenden Punktmutationen im Genom der Nachkommenviren kommen. Werden diese Mutationen auch durch den Austausch von Aminosäuren phänotypisch wirksam, spricht man von der „Antigenic Drift“. „Antigenic Drift“ ist ebenfalls ein Grund für die hohe Variabilität dieser Viren und bedingt, dass es sich bei den Viruspartikeln in einem infizierten Wirt und in einem infizierten Bestand stets um eine Population sehr nah verwandter Viren, einer sogenannten Quasispezies handelt, deren Einzelvirionen sich minimal unterscheiden. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Nach der Inokulation der Bunyaviren mit dem Stich der blutsaugenden Arthropoden kommt es meist zu einer ersten lokalen Virusvermehrung und einer darauf folgenden Infektion weiterer Organe. Mit Ausnahme des Krim-Kongo-hämorrhagischen-Fiebers entstehen dabei keine hochtitrigen Virämien, die Infizierten stellen also Sackgassenwirte dar, da sich andere blutsaugende Arthropoden an ihnen nicht wieder mit dem Virus infizieren können. Entsprechend sind nur beim Krim-Kongo-hämorrhagischenFieber-Virus nosokomiale Infektionen von Bedeutung. Auffallend ist der Neurotropismus bei den humanpathogenen Bunyaviren, wobei die Enzündung der Hirnhäute und des Hirns oft nicht die alleinigen pathogenetischen Verursacher der entsprechenden Krankheitserscheinungen sind (▶ Tab. 27.7). Beim Rifttal-Fieber (s. o.) und dem Krim-Kongo-hämorrhagischen-Fieber stehen die hämorhagischen Diathesen im Vordergrund. 27.3.7