Klinische Psychologie (A) WS 2004/2005 Vorlesung mit Diskussion (# 1768) Montags, 14-16 Uhr, HS 8 Thema 5 (Teil A) Ausgewählte Störungen Symptomatologie, Syndromatik, Differentialdiagnostik, Epidemiologie, Ätiologie, Prognose und Behandlung, Untersuchungs- und Fallbeispiele Universität Trier FB I - Psychologie Abt. Klinische Psychologie, Psychotherapie und Wissenschaftsforschung gkrampen Prof. Dr. Günter Krampen 1 Klinische Psychologie (A) - Überblick: Themenplan 1 2 3 4 Klinische Psychologie: Grundlagen Störungs- und Krankheitsmodelle, Paradigmen Klassifikationssysteme und klinisch-psychologische Diagnostik Klinisch-psychologische Forschungsmethoden: Ätiologie-, Epidemiologie- und Interventionsforschung 5 Ausgewählte Störungen 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 Angst- und Zwangsstörungen sowie Belastungs- und Anpassungsstörungen Affektive Störungen (Manie, Depression, inclusive Suizidalität) Somatoforme, dissoziative und psychophysiologische Störungen Persönlichkeitsstörungen Substanzinduzierte Störungen Sexuelle Störungen und Dysfunktionen Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen Entwicklungsstörungen sowie Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit/Jugendalter 5.9 Geriatrische Störungen sowie Organische, symptomatische psychische St. 5.10 Exkurs: Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle gkrampen Exkurs: Intelligenzminderungen 2 Allgemeine Literaturhinweise zu Thema 5: Ausgewählte Störungsbilder Basisliteratur B&P, Kap. 34 bis 41; D&N, Kap. 6 bis 16 Ergänzungslektüre ICD-10 DSM-IV-TR Vertiefungsliteratur Ollenschläger, G., Bucher, H.C., Donner-Banzhoff, N., Forster, J., Gaabel, W., Kunz, R., Müller, O.-A. & Steurer, J. (Hrsg.). (2003). Kompendium evidenzbasierte Medizin: Clinical Evidence Consise (2. Aufl.). Bern: Huber. Hilfsmittel Bandelow, B., Bleich, S. & Kropp, S. (2000). Handbuch Psychopharmaka. Göttingen: Hogrefe. Dilling, H. (Hrsg.). (2002). Lexikon zur ICD-10 - Klassifikation psychischer Störungen. Bern: Huber. Köhler, T. (2002). Pharmakotherapie in der Psychotherapie: Ein Kompendium für Psychologen und psychologische Psychotherapeuten. Lengerich: Pabst. Müßigbrodt, H., Kleinschmidt, S., Schürmann, A., Freyberger, H.J. & Dilling, H. (1996). Psychische Störungen in der Praxis: Leitfaden zur Diagnostik und Therapie in der Primärversorgung nach dem Kapitel V (F) der ICD-10. Bern: Huber. Pschyrembel, W. (Hrsg.). (1994). Pschyrembel Klinisches Wörterbuch (257. oder neuere Auflage). Berlin: de Gruyter. gkrampen 3 5.0 Ausgewählte Störungsbilder: Systematik • • Phänomenologie: Symptomatologie und Syndromatik Differentialdiagnostik – diagnostische Leitlinien im Überblick – psychometrische Hilfsmittel • • • • • epidemiologische Befundlage Theorien und Befundlage zur Ätiologie Prognose und Behandlung Untersuchungsbeispiel(e) Fallbeispiel(e) – – – – – – – – – – – gkrampen Patienten/innen-Code: z.B. K051250 Angaben zu den Beschwerden Lebensgeschichte und Krankheitsanamnese Psychischer Befund (und medizinischer Konsiliarbericht) Verhaltens- und Bedingungsanalyse (Hypothesen zur Entstehung und aufrechterhaltenden Bedingungen) Diagnose nach ICD-10 Therapieziele und Prognose Erstantrag Behandlungsplan Behandlungsverlauf Verlängerungsantrag Behandlungsergebnis Katamnese Abschlussbericht 4 Klinische Psychologie (A) Vorlesung mit Diskussion (# 1764) Montags, 8.30 s.t. - 10.00, HS 8 Thema 5.1 Angst- und Zwangsstörungen sowie Belastungs- und Anpassungsstörungen Universität Trier FB I - Psychologie Abt. Klinische Psychologie & Psychotherapie Prof. Dr. Günter Krampen gkrampen WS 2003/2004 5 Literaturhinweise zu Thema 5.1: Angst- und Zwangsstörungen sowie Belastungs- und Anpassungsstörungen Basisliteratur B&P, Kap. 37; D&N, Kap. 6 Ergänzungslektüre ICD-10: F40, F41, F42, F43, F62 DSM-IV-TR: 300.01, 300.21, 300.29, 300.23, 300.3, 309.81, 308.3, 300.02, 300.00 (Achse I) Vertiefungsliteratur Becker, E. & Margraf, J. (2002). Generalisierte Angststörung: Ein Therapieprogramm. Weinheim: PVU. Butollo, W., Rosner, R. & Wentzel, A. (1999). Integrative Psychotherapie bei Angststörungen. Bern: Huber. Delumeau, J. (1985). Angst im Abendland: Die Geschichte kollektiver Ängste in Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts (Bd. 1 und 2). Hamburg: Rowohlt. Ferring, D. & Filipp, S.-H. (1994). Teststatistische Überprüfung der Impact of Event-Skala. Diagnostica, 40, 344-362. Krampen, G. (1988). Competence and control orientations as predictors of test anxiety in students: Longitudinal results. Anxiety Research, 1, 185-197. Margraf, J. & Schneider, S. (1990). Panik, Angstanfälle und ihre Behandlung (2. Aufl.). Berlin: Springer. Reinecker, H.S. (1991). Zwänge: Diagnose, Theorien und Behandlung. Bern: Huber. Stangier, U., Heidenreich, T. & Peitz, M. (2003). Soziale Phobien: Ein kognitivverhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual. Weinheim: PVU. gkrampen 6 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen Phänomenologie: Symptomatologie und Syndromatik Angstreaktionen: Phänomenologie und psychologische Konzepte I • Begriffssystematik • (situative) Furcht: konkrete Reaktion auf eindeutige, „klare“ Gefahrenquellen mit Bewältigungsoption (state fear) • soziobiologisch als Schutz- und Warnreflex universell oder kulturspezifisch verankert • (situative) Angst: ein hochgradig unangenehm erlebter Erregungsanstieg angesichts der (subjektiven) Wahrnehmung von komplexeren, unbestimmten, unvorhersehbaren Gefahrenmomenten (state anxiety) • individuell ontogenetisch überformter soziobiologisch verankerter Schutz- und Warnreflex • Ängstlichkeit: Persönlichkeitseigenschaft als generalisierte Disposition, zeit- und situationsübergreifend Angst zu zeigen (trait anxiety) • bereichsspezifische Ängstlichkeit (z.B. Prüfungsängstlichkeit) • psychologische Teilkomponenten der Angst und Ängstlichkeit • Aufgeregtheit (arousal): Interozeption der affektiven und physiologischen Erregung • psychophysiologisch: subjektives Erleben von Symptomen der Sympathikus-Aktivierung und Parasympathikus-Hemmung sowie von Spannung und Panik • Besorgtheit (worry): Sorgen und Bedrohungsgefühle sowie Kognitionen ohne Bedeutung für die Problemlösung und „coping“ (task irrelevant cognitions) • kognitiv, emotional und motivational: Hilflosigkeitsgefühle, Versagensängste, Verlustbefürchtungen, perseverierende Kognitionen; Erstarrung in Raum und Zeit • Behavioral-motorische Komponente: ggfs. Flucht- und Vermeidungsreaktionen • unspezifische periphere Muskelspannung, motorische Inhibitation und Verkrampfung gkrampen • evtl. Artikulationsstörungen und Sprechhemmung (Blackout) 7 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen Phänomenologie: Symptomatologie und Syndromatik Angstreaktionen: Phänomenologie und psychologische Konzepte ff • S. Freud (1856-1939): tiefenpsychologische Angstkomponenten/-theorie • Realangst: nicht-pathologisch •Flucht oder Vermeidung, wenn ICH in Umwelt Vorgänge perzipiert, die aufgrund früherer Erfahrungen mit wahrscheinlichen Bedrohungen oder Beeinträchtigungen verbunden sind • Neurotische Angst: pathologisch •resultieren psychodynamisch aus ES-ICH-Konflikten, da ES-Impulse in Realität nicht ausagiert werden können; ES-Impulse werden ins Unbewusste verdrängt •Resultat: Phobien, frei flottierende Angst, Zwangsneurosen, Hysterie • (moralische) ÜBER-ICH-Angst: evtl. pathologisch •Angstquelle sind Normen, Verbote und Gebote, die mit erlebten Gedanken und Vorstellungen nicht vereinbar sind •Resultat: Scham- oder Schuldgefühle, antizipierte Gefahr/Bedrohung, Verlust an sozialen Kontakten (etwa Prüfungsängstlichkeit) • Lazarus & Folkman (1984): kognitive Angstkomponenten/-theorie • primary appraisal: Situationsbewertung (Valenz) •ist (antizipierte) Situation subjektiv (1) irrelevant, (2) positiv, (3) stressrelevant? •bei (3): ist (antizip.) Sit. (3a) Schädigung/Verlust, (3b) Bedrohung, (3c) Herausforderung? • secondary appraisal: Ressourceneinschätzung (Erwartung) •Erwartung/Einschätzung personaler und sozialer Ressourcen für „coping“ führt zu (1) gkrampen instrumentellem „coping“, (2) palliativem „coping“ oder (3) „reappraisal“ 8 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Differentialdiagnostik andauernde Persönlich- analog zu Persönlichkeitsstörungen, jedoch mit Beginn nach Extrembelastung keitsänderung oder nach psychischer Erkrankung Ausschluss: Persönlichkeitsstörung Ausschluss: in Folge einer Schädigung oder Erkrankung des Gehirns gkrampen 9 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Differentialdiagnostik Differentialdiagnostik: klassifikatorische Diagnostik nach der ICD-10 • eingeordnet in F4x: sehr heterogene Gruppe von „neurotischen“ Störungen, Belastungsstörungen und somatoformen Störungen • trotz Aufgabe der Theoriengebundenheit des Neurosenbegriffs ist in ICD-10: F4x die Nosologie von S. Freud unverkennbar: • „neurotische Störungen“ (F40-42): Phobie, neurot. Angst, frei flottierende Angst, Zwänge • „Belastungs- und Anpassungsstörungen“ (F43): alle sind Folgen von (Kindheits-)Traumata und Traumata/zu starken Belastungen im Erwachsenenalter, die zur Regression führen • „dissoziative“ und „somatoforme Störungen“ (F44-45): Konversionsstörung, Hysterie • häufig übersehene Untergruppe in F6x („Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“) • Persönlichkeitsveränderungen aufgrund von Extrembelastungen (Trauma) oder psychischen Störungen (F62.x) • Leitprinzipien der Differentialdiagnostik • psychische Verursachung in allen Störungen gemeinsam • Differentialdiagnostik erfolgt nach dem vorherrschenden Syndrom • Phobien sind die primären Störungen • Panikattacken zeigen den Schweregrad einer Phobie an gkrampen 10 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Phobien Phobien (ICD-10: F40.x) • Allgemeines – beeinträchtigendes, angstvermitteltes Vermeidungsverhalten, das in keinem Verhältnis zu realer oder antizipierter Gefahr steht – Angst „geht von“ gemiedenem realen oder antizipiertem Gegenstand oder Situation aus – Störungseinsicht: „Grundlosigkeit“ der Vermeidung wird von Pat. erkannt – Leidensdruck: je nach Alltagsrelevanz von Gegenstand / Situation • Spezifische (auch „Isolierte“, früher „Einfache“) Phobien (ICD-10: F40.2) – w.o.; ausgelöst durch antizipierte oder reale spezifische Gegenstände oder Situationen – Feindiagnostik nach • • • • Körperbezogene~: wie etwa Blut~, Spritzen~, Verletzungs~ Situationsbezogene ~: wie Flug~, Aufzug~, Klaustro~, Examen~ (Universitäts~, Bibliotheks~ ??) Tier~: wie etwa Schlangen~, Hunde~ Umwelt~: wie etwa Höhen~/Akro~, Wasser~, Strahlungs~ – Epidemiologie • • • • Lebenszeitprävalenz: 16% bei Frauen, 7% bei Männern Ein-Jahres-Prävalenz: 9% (Frauen:Männer = 3:1) Prävalenz bei nahen Familienangehörigen: erhöht Risikoalter für Störungsbeginn: variabel • Soziale Phobien (ICD-10: F40.1) => ff gkrampen 11 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Phobien Phobien (ff) – beeinträchtigendes, angstvermitteltes Vermeidungsverhalten, das in keinem Verhältnis zu realer oder antizipierter Gefahr steht – Angst „geht von“ gemiedenem realen oder antizipiertem Gegenstand oder Situation aus – Störungseinsicht: „Grundlosigkeit“ der Vermeidung wird von Pat. erkannt – Leidensdruck: je nach Alltagsrelevanz von Gegenstand / Situation • Spezifische (auch „Isolierte“, früher „Einfache“) Phobien (s.o.) • Soziale Phobien (ICD-10: F40.1) – w.o.; an antizipierte oder reale Anwesenheit anderer Menschen gebunden – Epidemiologie • • • • Lebenszeitprävalenz: 15% bei Frauen, 11% bei Männern Ein-Jahres-Prävalenz: 8% (F:M = 3:2) Prävalenz bei nahen Familienangehörigen: erhöht Risikoalter für Störungsbeginn: späte Kindheit bis frühes Erwachsenenalter – hohe Komorbiditätsrate zu generalisierten Angstst., spezifischen Phobien, Panikst., vermeidend-unsicherer Persönlichkeitsstörung, affektive Störungen – markante Kulturunterschiede in der Ausprägung gkrampen • etwa Japan: soziale Phobie „jemanden zu kränken und zu beleidigen“ • etwa USA: soziale Phobie von anderen negativ beurteilt zu werden (extreme Bewertungsängstlichk.) • „moderne Variante bei uns“: Competitive Stress Disorder (CSD) = Protzen mit viel Arbeit, Hektik und Eile, um zu zeigen, wie gefragt, begehrt und unentbehrlich man/frau ist ... = Art sozialer Phobie vor Nicht-Wichtig-Erscheinen oder Nicht-Wichtig-Sein (evtl. ICD-10: F40.9 - NNB) 12 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Phobien Ätiologie-Modelle der Phobien • Tiefenpsychologie: Phobie = Abwehr von Angst vor verdrängten Traumata – Phobie: Möglichkeit, Konfrontation mit wirklichem Problem (Trauma) zu meiden – S. Freud (1904): Abwehr der Angst vor verdrängten ES-Impulsen • berühmte Kasuistik „Kleiner Hans“: ödipaler Konflikt - Furcht vor Vater auf Pferde übertragen => spezifische Tierphobie und soziale Phobie (Angst vor Straßen ...) – Arieti (1979): Abwehr der Angst vor einem bestimmten verdrängten zwischenmenschlichem Konflikt aus der Kindheit • Lerntheorie: Phobien = gelernte Extrem-Reaktionen – Vermeidungskonditionierung • „Modell“-Phobie durch klassisches Konditionieren: Watson & Raynor (1920) - „Little Albert“ • Zwei-Faktoren-Theorie (Mowrer, 1947; von ihm selbst später abgelehnt!): ... im Einzelfall – 1. klassische Konditionierung der Auslösereize ... oft schwer nachzuweisen – 2. operante Konditionierung des Vermeidungsverhaltens ... immer nachzuweisen • kognitiv-behaviorale Liberalisierungen der Zwei-Faktoren-Theorie – Liberalisierung des 1. Faktors: auch reales oder verbales Modell-Lernen • allg. Voraussetzungen: subjektive Bedeutung/Status des Modells, subjektive Ähnlichkeit zum Modell, kognitive Repräsentanz des Modellverhaltens .... • Experimente an Rhesusaffen belegen dies; Human-Untersuchung: Mumme & Fernald (2003) – physiologische Bereitschaft (1. Faktor): best. Reize werden leichter als Auslöser gelernt • Evolutionstheoretisch: Spinnen, Schlangen, Berghöhen sind objektive Lebensrisiken (gewesen) und leichter konditionierbar als Hasen, Schafe, Sandstrand etc. • bestimmter Geschmack (NS) kann leicht mit Übelkeit (UCS) konditioniert werden, schwerer dagegen mit einem Stromschlag (UCS) => UCR/CR = phobisches Vermeidungsverhalten – dispositionelles Risiko: angeborene oder erworbene Diathese für 1. Faktor • kognitive Diathese: (subj. irrationaler) Glaube, dass sich traumat. Ereignisse (etwa Hundebiss) wiederholen; durch Vermeidungsverhalten wird der Reiz (Hund) unvollständig verarbeitet ... gkrampen • kognitiv-behaviorale Diathese: Unfähigkeit, eigene Umwelt zu kontrollieren 13 • genetische Diathese: erhöhte ANS-Labilität (Erregbarkeit; auch Schmerzsensibilität); A-U-Interaktion 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Phobien Prognose und Behandlung der Phobien • Tiefenpsychologische Behandlung – Versuch, verdrängte Konflikte aufzudecken („Was Es war, muss Ich werden“) • klassisch: zunächst keine direkte Behandlung der Phobie (Symptom), da dadurch Konfrontation mit dem zugrundeliegenden Konflikt („biographische psychodynamische Ursache“) vermieden würde • klassisch analytisch: Analyse freier Assoziationen/Träume auf Hinweise auf die Phobie und dann auch Ermunterung „sich der Angst zu stellen“ • neoanalytisch: z.T. auch direkte Konfrontation mit der Phobie – Prognose: wenig empirische Wirksamkeitsbelege • Verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze – Klassisch nach Wolpe (1958): Systematische Desensibilisierung • direkte Konfrontation ist bei adäquater Pat.Vorbereitung zumeist in-sensu-Konfrontation überlegen • keine Entspannungselemente (PR, AT) bei Blut-/Spritzenphobien wegen Dekompensationsgefahr bei Blutdruckabfall nach phobischer Attacke (stattdessen: gezielte Muskelanspannung!) – – – – – Training sozialer Kompetenzen:bei sozialen Phobien zum Aufbau von social skills Modell-Lernen: Konfrontation mit gefilmte oder realen Modellen Reizüberflutung (flooding): direkte, volle Konfrontation mit stärkstem phobischem Reiz operante Verfahren: op. Konditionierung von Annäherungsverhalten - shaping Prognose: viele empirische Belege für hohe Wirksamkeit • Kognitiv-behaviorale Behandlungsansätze • Invasive (psychopharmakologische) Behandlung gkrampen => ff => ff 14 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Phobien Prognose und Behandlung der Phobien ff • Tiefenpsychologische Behandlung (s.o.) • Verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze (s.o.) • Kognitiv-behaviorale Behandlungsansätze – Behandlung irrationaler Überzeugungen (Erwartungen und Bewertungen) • spezifische Phobien: wegen gegebener subj. Irrationalität der Angst wenig wirksam und eher kontraindiziert • soziale Phobien: indiziert bei verzerrten Wahrnehmungen sozialer Situationen und Personen • meist in Kombination mit Konfrontationsbehandlung – Prognose: in Kombination mit VT-Methoden gute Wirksamkeit • Invasive (psychopharmakologische) Behandlung – Beruhigungsmittel: Anxiolytica, Sedativa, Tranquilizer (wegen Suchtpotential vermeiden) – Antidepressiva: Monoaminooxidase-Hemmer (MAOI) - z.T. unangenehme Nebeneffekte (wie Insomnie, sex. Störungen, Bluthochdruck, Gewichtszunahme) – Prognose: bei Suchtpotential und/oder Nebeneffekten kurzfristig gute Wirksamkeit in Symptomreduktion (vergleichbar zu VT-Behandlung), aber hohe Rückfallwahrscheinlichkeit nach Absetzen der Medikation (Dauermedikation ist kontraindiziert!) – „die Anwendung der oben beschriebenen Methoden (= Psychotherapie; Ergänzung durch gk) macht bei vielen Patienten eine medikamentöse Behandlung überflüssig“ (Müßigbrodt et al. (1996, S. 69). gkrampen 15 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie • Panikstörung (ICD-10: F41.0; auch „episodisch paroxysmale Angst“) – plötzliche, unerklärliche starke Angstanfälle mit • massiven Symptomen wie Atemnot und Erstickungsgefühle, Herzrasen, Übelkeit und Erbrechen, Schmerzen und Beklemmungen im Brustraum, Schwindel, Schwitzen, Zittern • starker Besorgnis, panischer Angst, Gefühlen des drohenden Unheils; • evtl. auch situative Gefühle der Depersonalisation und De-realisation, des Kontrollverlusts, der Todesangst und „Angst den Verstand zu verlieren“ – einmal pro Woche oder häufiger; meist für einige Minuten, selten länger – reizgebundene Panikattacken: an best. Sit gebunden => spezifische Phobie (F40.2) – unabhängige Panikattacken: nicht an best. Sit. gebunden, unerwartet und nicht vorhersehbar (ggfs. auch in subj. angenehmen Sit.) => Panikstörung (F41.0) – Epidemiologie • • • • • Lebenszeitprävalenz: 5% bei Frauen, 2% bei Männern Ein-Jahres-Prävalenz: 2% (Frauen:Männer = 5:2) Prävalenz bei nahen Familienangehörigen: erhöht Risikoalter für Störungsbeginn: spätes Jugend- und frühes Erwachsenenalter (15-35 J.) Kulturunterschiede in Prävalenzraten – Asien: sehr selten (Tabuisierung?); Afrika: 6% bei Frauen, 1% bei Männern – „Kajak-Panikstörung“ in Westgrönland; „Nervenattacke“ in Puerto Rico • häufige Komorbidität zu depressiven Störungen, generalisierter Angststörung, Phobien, Zwangsstörungen, Drogenabusus, Alkoholabhängigkeit und histrionischen sowie dependenten Persönlichkeitsstörungen => schlechtere Prognose • Agoraphobie gkrampen (ICD-10: F40.x) => ff 16 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie • Panikstörung (ICD-10: F41.0; auch „episodisch paroxysmale Angst“) - s.o. • Agoraphobie (ICD-10: F40.x) – Ängste vor weiten Plätzen („agora“; gr. Marktplatz) und davor, keine Fluchtmöglichkeit zu haben oder keine Hilfe zu erhalten, wenn man in Not gerät • typisch sind Ängst vor Reisen, Einkaufen, Menschenmengen – Differentialdiagnostik nach • Agoraphobie ohne Panikstörung (ICD-10: F40.00) • Agoraphobie mit Panikstörung (ICD-10: F40.01) – Epidemiologie • • • • gkrampen Lebenszeitprävalenz: 16% bei Frauen, 7% bei Männern Ein-Jahres-Prävalenz: 3% (Frauen:Männer = 2:1) Prävalenz bei nahen Familienangehörigen: nein Risikoalter für Störungsbeginn: frühes und mittleres Erwachsenenalter (20-40 J.) 17 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie Untersuchungsbeispiel [Schneider & Hensdiek (2003), ZfKPP, 32(3), 219-227] • Panikanfälle und Angstsensitivität im Jugendalter • N = 1268 12-16-jährige Schülerinnen und Schüler • Fragebogen zu Panikanfällen im Jugendalter (FPJ), Children Anxiety Sensitivity Index (CASI), Fragebogen zur Angst vor körperlichen Symptomen (BSQ), Fear Survey Schedule (FSS) und Depressions-Inventar für K&J (DIKJ) • Hauptbefunde: – 55% der Jugendlichen hatten bereits eine Panikattacke erlebt – Jugendliche mit plötzlichen Panikanfällen zeigen signifikant häufiger kognitive Symptome, die die Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit beinhalten, als Jugendliche mit situationsgebundenen Attacken – Jugendliche mit plötzlichen Panikattacken und einer Panikstörung i.e.S. weisen erhöhte Werte in Maßen der Angstsensitivität und der Depression auf • Fazit – plötzliche Panikattacken sind risikoreicher für die Entwicklung einer Panikstörung als situationsgebundene – hohe Relevanz verzerrter Kognitionen („kognitive Symptome“) für plötzliche Panikattacken – sehr hohe Auftrittshäufigkeiten von Panikanfällen (mit Chronifizierungsgefahren) gkrampen 18 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie Exkurs: Massen-Panik Historisches • Gustave Le Bon (1895): „Psychologie der Massen“ – Konstituenten der Masse •Nivellierung interindividuelle Unterschiede in Einstellungen und Verhalten •erhöhte Erregbarkeit, Affektivität und Irrationalität – Massenphänomene •Ausschaltungen individuelle Eigenschaften durch das Aufgaben in der Masse (als eigenständige soziopsychische Struktur) •1. Gesetz der Masse: „Wer sich auf die Masse einläßt, bleibt nicht, wer er vorher war.“ •2. Gesetz der Masse: „Je mehr Menschen zusammen sind, um so weniger Kontakt haben sie miteinander. Um so stärker vereinsamt der einzelne.“ • Erklärungsansätze – S. Freud (1921): „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ •Theorie der Urhorde (Herdentrieb): Regression der einzelnen auf phylogenetisch und ontogenetisch früher erworbene, primitivere Verhaltensweisen, die vielen gemeinsam sind •Abwehrmechanismus der „anlehnenden Identifikation“ mit einer „großen Idee“, „dem Führer“, „dem, was alle wollen“ zur Überwindung indiv. Hilflosigkeit, Minderwertigkeit – A. Bandura (1960): Nachahmung •Lernen am Modell des Nachbarn: alle gucken nach oben, alle...; einige rennen los, alle ...; einer wirft den ersten Stein, .... – Ansatz der Heterosuggestion: „Massenhypnose“ oder „Massenpsychose“ •Pathologisierung - häufig bei schwer erklärbaren sozialen und indiv. Phänomenen => ff gkrampen 19 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie Exkurs: Massen-Panik ff Aktuelleres zum Verhalten von Menschenmengen ... und Panik • Abwesenheit regulierenden Wechselwirkungen zwischen Menschen in der Masse führt leicht zu – – – – – – Illusion der Macht: Selbstermächtigung des einzelnen in der Masse Illusion der Universalität: alle sind/müssen gleich sein, das gleiche tun gegenseitiger Ansteckung, die zu Taten führt Nivellierung der manifesten Verhaltensweisen (Herdentrieb) affektive Fusion: ähnliche Affekte => Euphorie vs Panik vs Verzweiflung Identifikation mit einem Führer, Vor-Läufer • aktuelle Forschung (u.a. wegen Massenveranstaltungen, z.B. Fußball-WM) – Computeranalysen von Massenpanik und deren Bedingungen (Helbing, 2003) •Glaube, dass Gefahr vorhanden ist => Adrenalin => Fluchtinstinkt & max. Erregung •Verengung der Wahrnehmung => Tunnelblick, evtl. Hörsturz, Schmerzunempfindlichkeit •Herdentrieb= Eigendynamik der Masse <=> rücksichtsloser Überlebenskampf des einzelnen •Panik-Flucht: drängeln, schieben, stoßen => verkeilen und gegenseitige Behinderung •typisch ist: (1) Flucht auf dem bekannten Weg des Eingangs •typisch ist: (2) die meisten flüchten schräg nach rechts – Optimierung der Nutzung von Fluchtwegen gkrampen •Computersimulationen und Optimierung von Fluchtwegen => Abb. 20 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie Ätiologie-Modelle: Panikstörung und Agoraphobie • Psychologische Ansätze – „Angst-vor-der-Angst“-Modell (Goldstein & Chambless, 1978) • Agoraphobie ist nicht wirklich die Angst vor Plätzen o.ä., sondern die Angst vor einer Panikattacke in der Öffentlichkeit • Diathese: – biologisch: übererregbares, labiles ANS – psychisch: habitualisierte Deutung autonomer Erregung als Gefahrenzeichen • = Teufelskreismodell der Angst: ANS-Erregung => Deutung der Körpersignale als Gefahr => Panik => steigert ANS-Erregung => steigert Panik => steigert ANS-Erreg... – „Angst-vor-Kontrollverlust“-Modell • entscheidend ist die Wahrnehmung von Kontrollverlust (durch eine Attacke in der Öffentlichkeit): geringe wahrgenommene Kontrolle => 80% Panikattacken in Exp. mit (angeblich) manipulierter Kohlendioxid-Konzentration (CO(2)) im Versuchsraum • Biologische Ansätze: Hypothesen – genetische Diathese? • erhöhte Konkordanz in Familien und bei EEZ als bei ZEZ – noradrenerge Aktivität? • übermäßige Aktivität des noradrenergen Neurotransmitter-Systems (Locus cerulus in der Pons oder GABA-Neuronen)? – Hyperventilations-Experimente • Hyperventilation aktiviert ANS ...? – Zunahme der Laktat-Intensität (Salz der Milchsäure) in Folge von Hyperventilation ...? – überempfindliche CO(2)-Rezeptoren lösen Hyperventilation aus ...? • Biopsychosoziales Modell nach Klein & Fink (1962) erweitert nach Wittchen (1996) => ff gkrampen 21 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie Biopsychosoziales Modell der Panik und ihrer Chronifizierung sowie Depravation nach Klein & Fink (1962) erweitert nach Wittchen (1996) gkrampen 22 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Panikstörung und Agoraphobie Prognose und Behandlung der Panikstörung und Agoraphobie • Allgemeines – oft schwankender Verlauf mit leichten vs schweren Attacken, z.T.auch attackenfreien Phasen – Achtung: erhöhte Parasuizid-Rate • Psychologische Behandlungsverfahren – Verhaltenstherapie: Konfrontation mit Auslösern • direkte Konfrontation ist bei adäquater Pat.Vorbereitung in-sensu-Konfrontation überlegen • widersprüchliche Befunde zum therapeutischen Wert von Entspannung in Konfrontation • Prognose: gute Wirksamkeitsbelege – systemische Behandlung / Familientherapie • Einbezug von nicht-phobischen Partnern/innen, die keine Rücksicht mehr auf Störung nehmen sollen (wegen Krankheitsgewinn für beide oft sehr schwer umzusetzen) • schrittweise Konfrontation mit Partnerunterstützung führt aber zu Zunahme der Partnerschaftszufriedenheit (siehe etwa Löhr et al., 2003, ZfKPP, 32(1), 10-13) • Prognose: gute Wirksamkeitsnachweise – kognitiv-behaviorale Therapie: Konfrontation mit auslösenden inneren (Körper-)Reizen • 3-Stufenprogramm nach Barlow (1988): 1. Entspannungstraining, 2. kognitiv-behaviorale Intervention nach Beck und Ellis, 3. Konfrontation mit inneren Reizen, die Panik auslösen • Prognose: sehr gute Wirksamkeitsnachweise; langfristig Psychopharmakabehandlung überlegen • Invasive (psychopharmakologische) Behandlung – Beruhigungsmittel: Anxiolytica, Sedativa, Tranquilizer (mit Suchtpotential und Nebenwirkungen wie Gedächtnisschwäche, Konzentrationsprobleme) – Antidepressiva: selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und trizyklische Antidepressiva mit z.T. unangenehmen Nebeneffekten (wie Zittern, Herzrasen, Bluthochdruck, Gewichtszu.) – ca. 50% der Patienten brechen Medikation wegen Nebenwirkungen ab – Prognose: bei Suchtpotential und/oder Nebeneffekten kurzfristig gute Wirksamkeit in gkrampenSymptomreduktion , aber regelmäßig Rückfall nach Absetzen der Medikation (Dauermedikation ist kontraindiziert!) 23 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: generalisierte Angststörung • Generalisierte Angststörung (GAD, GAS; ICD-10: F41.1) – persistierende Ängstlichkeit in vielen Lebensbereichen und Situationen • Freud (1907): „frei flottierende Angst“ • chronische und unkontrollierbare Besorgtheit um alles mögliche mit Symptomen wie Konzentrationsstörungen, Ermüdbarkeit, Ruhelosigkeit, Gereiztheit, Muskelverspannungen und schmerzen – Epidemiologie • • • • • Lebenszeitprävalenz: 5% (F:M = 2:1); Ein-Jahres-Prävalenz: 4% (F:M = 2:1) Prävalenz bei nahen Familienangehörigen: erhöht Risikoalter für Störungsbeginn: spätes Jugendalter, oft früher (etwa bei Schikaniert-werden in K.) ätiologisch ist häufig ein belastendes Lebensereignis nachweisbar häufige Komorbidiät zu anderen Angststörungen und affektiven Störungen – Ätiologie • Psychoanalyse – unbewusster Konflikt zwischen ICH und sexuellen oder aggressiven ES-Impulsen => führt zu generalisierter unbewusster Angst vor Bestrafung wegen allem möglichem (ohne Projektion der Angst auf ein Objekt oder eine Situation wie beim Phobiker) • Kognitiv-behaviorale Theorie – Wolpe (1958): klassische Konditionierung mit extremer Reizgeneralisierung – kognitive Lerntheorie: extrem generalisierte Angst vor Kontrollverlust und Hilflosigkeit – Borkovec et al. (1995): Sorgen wirken als negative Verstärker, da sie von negativen Emotionen ablenken • Biologische Hypothesen – Genetisches? - erhöhte Konkordanz in Familien, aber nicht bei EEZ im Vergleich zu ZEZ – neurobiologisches Modell der generalisierten Angststörung: Defekt im angst-hemmenden Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA-System) • Angst und depressive Störung, gemischt (ICD-10: F41.2): eher subklinisch gkrampen • andere gemischte Angststörungen (ICD-10: F41.3): eher subklinisch 24 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: generalisierte Angststörung Prognose und Behandlung der generalisierten Angststörung • Allgemeines – Behandlungsaufnahme eher selten, da häufig als Ich-syntone Störung erlebt („war schon immer so ...“) – eingeschränkte Prognose: nur 18% Symptomfreiheit in 5-Jahres-Katamnese • Psychologische Behandlungsverfahren – Psychoanalyse: aufdeckend (ähnlich wie bei Phobien) – kognitiv-behaviorale Psychotherapie • evtl. systematische Desensibilisierung (häufiges Problem: Angsthierarchie-Aufbau) • Entspannungstherapie im Einzelsetting (PR, AT) – Prognose: gute Wirksamkeitsbelege • Modell-Lernen und operante Verfahren zum Aufbau von Selbstwirksamkeit • Entkatastrophieren der Sorgen durch Konfrontation („blow-up“-Methode nach Lazarus, 1971) • Prognose: Symptomreduktionen werden erreicht, aber nur bei 18% der Pat. Symptomfreiheit – keine diff. Wirksamkeitsnachweise im Vergleich zu Placebo und GPT – kognitiv-behaviorale Therapie ist Pharmakotherapie und Kombinationsbehandlung überlegen – Gesprächspsychotherapie (GPT) • klassisches klient-zentriertes Vorgehen im hic et nunc mit VEE, Empathie und Wertschätzung • Prognose: Symptomreduktionen werden erreicht, aber nur bei 18% der Pat. Symptomfreiheit – keine diff. Wirksamkeitsnachweise im Vergleich zu Placebo und kognitiv-beh. Therapie • Invasive (psychopharmakologische) Behandlung – Beruhigungsmittel: Anxiolytica und Tranquilizer (mit Suchtpotential und Nebenwirkungen wie Gedächtnisschwäche, Konzentrationsprobleme) – Antidepressiva (wie Trofanil®) mit z.T. unangenehmen Nebeneffekte (wie Zittern, Herzrasen, Bluthochdruck, Gewichtszunahme) – Prognose: bei Suchtpotential und/oder Nebeneffekten kurzfristig gute Wirksamkeit in Symptomreduktion , aber regelmäßig Rückfall nach Absetzen der Medikation (Dauermedikation ist kontraindiziert!) – Prognose: kurzfristige Wirksamkeit ist in Doppelblindstudien gegen Placebo belegt gkrampen 25 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Zwangsstörungen • Zwangsstörungen (ICD-10: F42.x) – Unterform der Angststörungen, da „Zwänge“ der Angstreduktion dienen • Freud (1905): Zwangsneurose • beständige, unkontrollierbare Gedanken und/oder repetitive Handlungen überfluten den Pat., die als irrational, „dumm und absurd“ erlebt werden (Ich-dyston) • hoher Leidensdruck und starke Beeinträchtigungen im Lebensalltag – Epidemiologie • Lebenszeitprävalenz: 1-2% (F:M = 2:1); Ein-Jahres-Prävalenz: 2% (F:M = 1:1) • Beginn bei Männern häufig früher und mit Kontrollzwängen • Beginn bei Frauen häufig später und mit Waschzwängen • Prävalenz bei nahen Familienangehörigen: erhöht • Risikoalter für Störungsbeginn: Kindheit bis frühes Erwachsenenalter (4-25 Jahre) • ätiologisch ist häufig ein belastendes Lebensereignis nachweisbar • häufige Komorbidiät zu anderen Angststörungen (vor allem Panikst. und Phobien), Persönlichkeitsstörungen, Tourette-Syndrom und depressiven Störungen • vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang (ICD-10: F42.0) – sich aufdrängende, perseverierende Gedanken, die als irrational und unkontrollierbar erlebt werden (= Obsessionen) – häufig sind dabei Infektionsängste, hypochondrische Ängste, extremes Zweifeln, Zaudern und Unschlüssigkeit, Angst vor sex. oder aggressivem Impulsausdruck • vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) (ICD-10: F42.1) – Verhaltensweisen und geistige Handlungen, die immer wieder ausgeführt werden, um Leid zu mildern oder Unheil abzuwehren (= Rituale) – irrational (keine Beziehung zw. Handlung und gewolltem Effekt), total übertrieben – häufiger sind Sauberkeits- und Ordnungszwänge, Farb-Vermeidungs-Zwänge, magische Zwänge (Talismann, toi-toi-toi), Kontrollzwänge – differentialdiagnostische Abgrenzung zu „Störungen der Impulskontrolle“ (F63), die Ichsynton sind • Zwangsgedanken gkrampen und -handlungen, gemischt (ICD-10: F42.2) – am häufigsten und mit schlechterer Prognose 26 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Zwangsstörungen • Ätiologie der Zwangsstörungen – Psychoanalyse • Freud (1907): Ursache sind verdrängte sex. oder aggressive ES-Impulse, die aufgrund einer Fixation in der analen Phase nicht kontrolliert werden können – Zwangssymptome sind Manifestationen des Kampfes zwischen ES und Abwehrmechanismen, wobei manchmal das ES die Oberhand behält (z.B. bei Tötungsgedanken) und manchmal der Abwehrmechanismus (z.B. bei Waschzwängen) • Adler (1912): Kinder entwickeln Zwangsrituale, um ontogenetischen Minderwertigkeitskomplex (Gefühl der Inkompetenz), die durch zu nachgiebige oder zu dominante Eltern vermittelt wird, durch einen kontrollierbaren Bereich zu beherrschen – Kognitiv-behaviorale Theorie • Zwang = gelerntes Verhalten zur Angstreduzierung (analog zur liberalisierten 2-Fakt.-Theorie) • Kontrollzwänge resultieren aus Schwäche des Gedächtnisses und der Info-Verarbeitung – ungenaue Erinnerung an best. Handlung oder Unfähigkeit zwischen realem und vorgestelltem Handeln zu differenzieren => GMC-Symptom bei Demenzen (ICD-10: F00-F03) – mangelnde Fähigkeit, Reize zu diskriminieren und zu ignorieren („Sensitizer“) – „Eisbär-Paradox“ »UV: Instruktion zuerst an Eisbär und danach nicht mehr an Eisbär zu denken (et vice versa) »AV: Glocke betätigen, wenn an Eisbär gedacht wird »Versuch, an etwas bestimmtes (Eisbär) nicht zu denken, fällt allen sehr schwer »paradoxer (zwanghafter) Effekte: Gruppe, die zuerst Gedanken an Eisbär unterdrücken sollte, dachte danach mehr an Eisbär als die andere Gruppe – Biologische Hypothesen • Frontallappen und Basalganglien (Nucleus caudatus, Putamen, Globus pallidus, Amygdala)? – PET-Studien weisen auf erhöhte Aktivitäten bei Zwangspatienten – das Putamen ist bei Zwangspatienten kleiner • niedriger Serotoninspiegel oder weniger Serotoninrezeptoren? – Exp. Befunde sprechen dagegen: Stimulierung der Serotoninrezeptoren führt zu Symptomdepravationen nicht zu Symptomlinderungen gkrampen • Genetische Komponente? – erhöhte Konkordanz (10%) bei Verwandten 1. Grades 27 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Zwangsstörungen Prognose und Behandlung der Zwangsstörungen • Allgemeines • anfangs (1-9 Jahre) oft anfallsartiger Verlauf, der chronifiziert, ohne Therapie bei ca. 40% der Pat. teil-remittiert • allgemein hoher Leidensdruck (Ich-dyston) und Behandlungsnachfrage • relat. häufige Behandlungsabbrüche (Zaudern, Angst vor Veränderungen, Sorge vor Kontrollverlust) • eingeschränkte Prognose: nur 20% Symptomfreiheit in 20-Jahres-Katamnese • Psychologische Behandlungsverfahren – Psychoanalyse: aufdeckend (ähnlich wie bei Phobien und generalisierter Angst) • auch psychoanalytisch schwierig, da die Zwänge das ICH vor dem verdrängten Konflikt schützen – Verhaltenstherapie: Exposition mit Reaktionsverhinderung • • • • Meyer (1966): typ. Zwangssituation mit Zwangsverhinderung => Löschung der Angst wird teilweise stationär unter restriktiven Klinikbedingungen (Ritualverhinderung) durchgeführt Behandlungsverweigerung bei bis zu 25% der Pat. Prognose: wirkt etwa bei 50% der Pat. zumindest teilweise (d.h., symptomlindernd) und auch besser als Entspannungstherapie (PR), die ohne relativ kontraindiziert ist – kognitiv-behaviorale Psychotherapie • Beck / Ellis: Analyse irrationaler Kognitionen (Persuasionsmethoden) und nachgeschaltete Exposition mit Reaktionsverhinderung • Prognose: einige Belege für Wirksamkeit – Familientherapie • Zwangsstörung ist Ausdruck von Beziehungsproblemen und Ersatz für Ehekonflikt, weswegen Paartherapie ergänzend zur Einzeltherapie indiziert ist • Invasive Behandlung – frontale Lobotomie (oder Leukotomie) • 50er- bis 70er Jahre des 20. Jahrh.: neurochir. Durchtrennung frontothalamischer Faserverbindungen • negative Prognose - wegen Nebeneffekten (hirnorg. Psychosyndrom, Persönlichkeitsveränderungen, affektive und motivationale Verflachung) inzwischen kontraindiziert – Psychopharmakabehandlung • Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und trizyklische Antidepressiva zur Erhöhung des Serotoninspiegels gkrampen • Prognose: nur kurzfristige, lindernde Wirksamkeit mit Rückfall nach Absetzen der Medikation 28 • weniger wirksam als VT (Exposition mit Reaktionsverhinderung) und als Kombinationsbehandlung 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen Reaktionen auf schwere Belastungen/Anpassungsstörungen (F43.x) • Allgemeines – Nachweis von außergewöhnlich belastendem Lebensereignis oder einer anhaltend negativen Lebensveränderung notwendig (kritischen Lebensereignis-Forschung) – dysfunktionales Coping und Symptomentwicklung – ggfs. verbunden mit parasuizidalen Handlungen oder Suizidversuch (Kodierung ICD-10: Xxx) • akute Belastungsreaktion (auch „akute Krise“, „Frontneurose“; ICD-10: F43.0) – vorübergehende affektiv-behaviorale Störung mit beträchtlichem Schweregrad und Symptommischung oder Symptomwechsel zw. Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität, Rückzug – schnelle Symptomremission (wenige Std.), wenn Entfernung aus Belastung möglich ist – Remission nach 24-28 Std. bis maximal 3 Tagen, wenn Belastung bestehen bleibt – bei Chronifizierung: => PTSB (etwa 25% bei Belastung mit körperlicher Verletzung) • Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSB; ICD-10: F43.1) => ff • Anpassungsstörungen (ICD-10: F43.2x) => ff gkrampen 29 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen Reaktionen auf schwere Belastungen & Anpassungsstörungen (F43.x) • Allgemeines: s.o. • akute Belastungsreaktion (auch „akute Krise“, „Frontneurose“; ICD-10: F43.0): s.o. • Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSB; ICD-10: F43.1) – extreme Reaktion auf sehr starke Belastung mit Angst, Vermeidungsverhalten, emotionaler Einschränkung, Hilflosigkeit – historisch: Diagnose von „Kriegsschüttlern“ im 1. Weltkrieg – 3 diagnostische Leitsymptome • 1. flashbacks (Nachhall-Erinnerungen; Intrusionen): Wiedererleben des traumatischen Ereignisses (in der Erinnerung sowie in Tag- und Nachträumen) • 2. Rückzug und Teilnahmslosigkeit: Meidung der mit dem Ereignis verbundenen Reize oder Einschränkung der Reaktivität bis hin zur Amnesie (dann Fluktuation mit 1. Symptom), Anhedonie, geringes Interesse an anderen, Entfremdungsgefühle • 3. gesteigerte Erregung (wie Einschlaf-/Durchschlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Hypervigilanz) – Symptomdauer: alle drei Leitsymptome müssen 1 Monat oder länger anhalten – bei späten (Jahre danach), chronifizierten Folgen => andauernde Pers.-Veränderung (F62.0) – Epidemiologie • Lebenszeitprävalenz in Population: 1-3% (F:M = 2:1); Ein-Jahres-Prävalenz: 0,5% • berufsspezifische Prävalenzraten: 20% bei Kriegsveteranen, Polizisten, Rettungsdiensten • ereignisspezifische Prävalenzraten: 3% bei körperlichem Angriff auf Zivilperson; 20% bei Tod eines geliebten Menschen; 50% bei Opfern von Vergewaltigungen; 50% bei Kriegsgefangenen • Anpassungsstörungen gkrampen (ICD-10: F43.2x) => ff 30 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen Reaktionen auf schwere Belastungen & Anpassungsstörungen (ICD-10: F43.x) • Allgemeines: s.o. • akute Belastungsreaktion (auch „akute Krise“, „Frontneurose“; ICD-10: F43.0): s.o. • Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSB; ICD-10: F43.1): s.o. • Anpassungsstörungen (ICD-10: F43.2x) – hoher Leidensdruck, emotionale, soziale und leistungsbezogene Beeinträchtigungen während der Anpassung an entscheidende Lebensveränderung / kritisches Ereignis – Störungsbeginn: innerhalb eines Monats nach Ereignis / Lebensveränderung – Vorhandensein von belastendem Ereignis, Situation oder Lebenskrise muss eindeutig nachgewiesen sein – Differentialdiagnostik nach dem klinischen Erscheinungsbild: • • • • • • • gkrampen ... mit kurzer depressiver Reaktion (F43.20) ... mit längerer depressiver Reaktion (F43.21) ... mit Angst und depressiver Reaktion, gemischt (F43.22) ... mit vorwiegender Beeinträchtigung anderer Gefühle (F43.23) ... mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens (F43.24) ... mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten (F43.25) andere spezifische Anpassungsstörung (F43.28) 31 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen • Ätiologie der Belastungs- und Anpassungsstörungen – Risikofaktorenansatz aus der PTSB- und Ereignisforschung • Empirisch belegte Risikofaktoren: Erleben einer Lebensbedrohung; intensive psychophysiologische Erstreaktion auf Ereignis; weibliches Geschlecht; frühe Trennung von Eltern; familiäre Belastung durch psychische Störung; frühere Traumata; vorliegende psychische Störung; intensive psychophysiologische Erstreaktion auf Trauma; dissoziative Symptome während des Traumas; Unterdrücken der Erinnerung an Trauma und dissoziative Symptome; intern-stabile Attributionen bei Misserfolgen; emotionale Labilität • Empirisch belegte Schutzfaktoren: hohe Intelligenz und problemzentriertes Coping; hohe wahrgenommene soziale Unterstützung; Risikofaktoren vice versa – Kognitiv-behaviorale Theorie • Mowrer (1947): Zwei-Faktoren-Theorie – Klassisches Konditionieren und Vermeidungslernen ..., ggfs. in liberalisierter Form – Psychodynamischer Ansatz • Horowitz (1986): Erinnerungen an Trauma sind so schmerzhaft, dass sie entweder bewusst unterdrückt (etwa durch Ablenkung) oder verdrängt werden • PTSB = Versuch, das Trauma in eigene Vorstellung über sich und die Welt zu integrieren und damit zu verstehen ... dieser Versuch benötigt alle Lebensenergie – Biologische Hypothesen • Noradrenerge System? – Trauma aktiviert noradrenerge System, wodurch Borepinephrinspiegel erhöht wird, was schreckhafter macht und Emotionsausdruck steigert • Genetische Komponente? – leicht erhöhte Konkordanz bei EEZ – Biopsychosoziales Modell der PTSB gkrampen • Rosenzweig et al. (2001) => ff 32 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen Prognose und Behandlung der Belastungs- und Anpassungsstörungen • Allgemeines – (konfliktzentrierte) Krisenintervention möglichst schnell nach der Belastung ... – PTSB ist ohne Behandlung/bei Abbruch bei 40% der Pat. 6 Jahre danach noch manifest – Ressourcenaktivierung im privaten und beruflichen Umfeld • Verhaltenstherapie: Extinktion – VT mit Konfrontation: strukturierte in vivo oder in sensu Exposition mit dem Ziel der Löschung oder Neuinterpretation – Prognose • häufig sind schwankende Therapieverläufe mit anfänglichen Depravationen und Abbruchrisiko • günstig ist VT-Beginn erst einige Wochen nach dem Ereignis (Biological Psychiatry, 2003, 53, 817) • Hinweise auf höhere Wirksamkeit als Pharmakabehandlung, Förderung der sozialen Unterstützung und therapeutische Sicherheitsvermittlung • Psychodynamische Psychotherapie: aufdeckend – Horowitz (1988): Analyse (1) der Interaktionen des Traumas mit der prämorbiden Persönlichkeit des Pat., (2) von Abwehr und Übertragungsphänomenen – Prognose: erste Hinweise auf Wirksamkeit • Kognitiv-behaviorale Psychotherapie: umdeutend – Foa & Meadows (1997): intensive Ereignis-Rekonstruktion in Gruppensetting – Foa et al. (1995): Exposition, Entspannung und Neuinterpretation • Kombination von in sensu Exposition, Entspannungstraining und Reattributions-Training – Prognose: empirische Belege für Wirksamkeit • Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR): => ff • Systemische Behandlung: => ff gkrampen • Invasive Behandlung: => ff 33 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen Prognose und Behandlung der Belastungs- und Anpassungsstörungen • • • • Allgemeines: s.o. Verhaltenstherapie: s.o. Psychodynamische Psychotherapie: s.o. Kognitiv-behaviorale Psychotherapie: s.o. • Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) – Shapiro (1989): Augenbewegungs-Desensibilisierung • 1. Vorstellung der kritischen Situation und schnelle Augenbewegungen (links-rechts nach Finger des Th.) bis Furcht nachlässt • 2. danach negative Gedanken verbalisieren (und schnelle Augenbewegungen erneut realisieren) • 3. Ermutigung an etwas Positives zu denken (und erneut schnelle Augenbewegungen) – Prognose: wissenschaftlich sehr strittiges Verfahren - Meinungen reichen von „Hokuspokus“ (wie Handauflegen) bis zu schneller (1-2 Sitzungen) und effektiverer Wirksamkeit als Konfrontationsbehandlung • Systemische Behandlung – Ressourcenaktivierung im privaten und beruflichen Umfeld des Pat. – therapeutische Vermittlung von Sicherheit • Debriefing (Nachbesprechung): therapeutische Sofortmaßnahme direkt nach Trauma – Prognose: ungünstig • Metaanalyse: 3 x positive Effekte; 6 x keine pos. Effekte; 2 x negative Effekte: mehr PTSD bei Debrief. drei Jahre nach Trauma (siehe: www.update-software.com/abstracts/ab000560.htm) • Invasive Behandlung – Narkosynthese • Grinkler & Spiegel (1944): Behandlung von Soldaten im 2. WK ohne Traumaerinnerung durch eine drogenunterstützte Karthasis sensu Breuer (1890) • wiederholte sachliche Konfrontation mit Front-Situation durch Th. während Pat. schläfrig und ruhig ist (leichtes Betäubungsmittel), wodurch Pat. Trauma erinnert und emotional heftig durchlebt .... • Prognose: einige Wirksamkeitsnachweise vorhanden (auch aus dem zivilen Bereich) – Psychopharmakabehandlung gkrampen • Antidepressiva und Tranquilizer (vor allem bei ausgeprägten Schlafstörungen) • Prognose: bescheidene Wirknachweise für Antidepressiva 34 5.1 AngstAngst- und Zwangsstörungen sowie BelastungsBelastungs- und Anpassungsstörungen: Persönlichkeitsänderungen Andauernde Persönlichkeitsänderung, nicht Folge einer Schädigung oder Erkrankung des Gehirns (ICD-10: F62.x) • Allgemeines – Ausschlussdiagnose: Persönlichkeitsstörung i.e.S. (F60, F61) – Ausschlussdiagnose: Persönlichkeitsstörung aufgrund einer Schädigung oder Erkrankung des Gehirns (F07.0) – Veränderung in Verhalten und Erleben aufgrund einer nachweisbaren Extrembelastung oder psychischen Erkrankung minimal 2 Jahre danach – unflexibles, fehlangepasstes Verhalten in allen Lebensbereichen (mit fremdanamnestischer Bestätigung) • andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10: F62.0) – diagnostische Leitlinien • alle Symptome müssen vorhanden und neuartig sein: feindliche und misstrauische Einstellung; sozialer Rückzug; Gefühl der Leere oder Hoffnungslosigkeit; chronische Nervosität; Entfremdung • Zeitdauer: minimal 2 Jahre nach der Extrembelastung • andauernde Persönlichkeitsänderung nach psychischer Erkrankung (F62.1) – diagnostische Leitlinien • Zeitdauer: minimal 2 Jahre nach einer schweren psychischen Erkrankung, die die die traumatische Erfahrung ist • Symptome wie die Folgenden müssen vorhanden und neuartig sein: hochgradiger soziale Abhängigkeit und Anspruchshaltung gegenüber anderen; sozialer Rückzug und Überzeugung, durch Krankheit stigmatisiert zu werden; Passivität und Interessenverlust; ständiges Klagen und Hypochondrie; dysphorische oder labile Stimmung; soziale und berufliche Beeinträchtigungen • Ätiologie: Chronifizierung von PTSB bzw. einer Anpassungsstörung • Epidemiologie: weitgehend unbekannt, da zumeist mit Pers.-Störungen diagnostiziert • Behandlung und Prognose: => siehe Thema 5.4: Persönlichkeitsstörungen gkrampen 35