ARCHITEKTUR Mischbauweise Der Gemeinderat regiert in Holz Die Gemeinde Hörgertshausen in der Hallertau wollte ihren 2000 Einwohnern einen attraktiven Ortskern bieten. Die Mischung aus viel (Kreuzlagen-)Holz, Glas und etwas Massivbau ließ ein Rathaus entstehen, das die Bürger gerne besuchen. er Gemeinderat schrieb im Jahr 2002 einen beschränkten Architektenwettbewerb zum Neubau des Rathauses aus. Das bestehende Rathaus aus dem Jahre 1949 war zu klein geworden und befand sich zudem in einem baufälligen Zustand. Obwohl die D 34 Bebauung im Ortskern relativ eng ist, also wenig Platz zur Verfügung stand, sollte das neue Rathaus an gleicher Stelle direkt an der Hauptstraße in unmittelbarer Nähe zu Maibaum und Wirtshaus errichtet werden. Der Siegerentwurf führt mit (Kreuzlagen-)Holz als Baustoff mikado 1-2/2006 für Decken, Stützen, Dach, Fassadenelemente und Fenster die traditionelle ländliche Bauweise zeitgemäß weiter. Das neue Gebäude nimmt die typische Winkelform der ortsüblichen Höfe auf und platziert das Gebäude ganz am Rand des Grundstücks. den Rückbau eines überdimensionierten Anbaus an das angrenzende Gebäude der Dorfwirtschaft vor. Das gesamte Rathaus orientiert und öffnet sich zum Dorfplatz. Das Gebäude und der Außenraum greifen durch Dach, Glasfassade und Bodenbelag optisch ineinander. So werden direkte Einblicke und vielfältige Ausblicke mit Signalwirkung möglich: Die Ereignisse, Verhandlungen und Entscheidungen im Rathaus sollen für den Bürger transparent und überschaubar sein. Flexibel tagen Das Rathaus öfnet sich zum Dorfplatz hin. Mit seiner Winkelform und Holz als Baustoff knüpft es an lokale Traditionen an Aus einem Guss So entsteht eine ganz neue Raumsituation: Der Raum für die neue Ortsmitte. Der einheitliche Pflasterbelag über die Hauptstraße integriert den Maibaum, die Dorfl inde, die Grünfläche und den Bach in dieses Zentrum. Der Entwurf sah Im Erdgeschoss befi ndet sich der Sitzungssaal, der auch als Raum für Eheschließungen dient. Vorzimmer und Bürgermeisterbüro präsentieren sich bürgernah, auf kürzestem Wege erreichbar und besitzen einen direkten Bezug zum Dorfplatz. Der Saal kann mit mobiler Trennwand komplett zum Foyer geöffnet werden und bietet so genügend Platz. Selbst für größere Veranstaltungen. Der Dorfplatz ist schlicht möbliert: Sitzbank und Trinkbrunnen unter einer Linde. Ein gehfreundlicher Pflasterbelag aus hellem, sandgestrahltem Granit zieht sich homogen um das gesamte Gebäude. Das quadratische Stützenraster verleiht den Verwaltungsflächen im Erd- und Obergeschoss viel Flexibilität. Leichte Trennwände in Trockenbauweise erlauben eine nahezu beliebige Einteilung. Darauf sind sämtliche Fensteröffnungen und Einbaumöbel abgestimmt. Flächen für Besprechung und Präsentation am zentralen Luftraum über dem Foyer und Aufenthaltsraum mit Teeküche ergänzen das Raumangebot. Das Dachgeschoss bietet Raum für das Vereinsleben, Ausstellungen oder sonstige Veranstaltungen. Das flächige Sparrendach spannt ohne Stützen und Pfetten über das Gebäude und den Vorbereich als einladende Geste des neuen Gemeinde- und Rathauses. Heizen mit Holz Holz dient in Form von Pellets auch als Brennstoff. Ein runder Kamin durchdringt als freistehende verputzte Säule das gesamte Rathaus. Die Ausrichtung des Gebäudes bedingt das konstruktive Gefüge. Massive Wände schließen die Rückseiten. Das warme, hölzerne Innenleben öffnet sich zum Dorfplatz und durchdringt die gläserne Fassade. Decken und Dach wurden als zeitgemäße Umsetzung von traditionellem Sparren und Deckenbalken als massive Brettsperrholzelemente ausgeführt. Die Dachelemente lagern nach dem Prinzip des Sparrendaches in Kerven der außenseitigen Zugbalken und der Deckenplatten. Im Bereich der Dachkehle bilden die angrenzenden Dachplatten ein tragendes Faltwerk, lediglich unterstützend wurde darin ein Y-förmiger Stahlträger eingefügt. K R EUZL AGENHOL Z ( K LH ) Kreuzlagenholz (KLH) besteht aus kreuzweise übereinander gestapelten Fichtenbrettern. Für die Verleimung der einzelnen Bretterlagen wird lösungsmittel- und formaldehydfreier Klebstoff eingesetzt. Je nach Einsatzbereich bzw. statischer Anforderung erfolgt der Aufbau in 3, 5, 7 oder mehr Schichten bis zu einer Maximalstärke von 60 cm. Die Längsund Querlamellen sind kreuzweise angeordnet. Das reduziert das Quellen und Schwinden in der Plattenebene deutlich. Damit steigen sowohl die statische Belastbarkeit als auch die Formstabilität. KLH verspricht neue Möglichkeiten der Lastabtragung, da die Lasten nach allen Seiten abgeleitet werden können. mikado 1-2/2006 35 ARCHITEKTUR In dem Gebäude wurden heimische und ortsübliche Materialien verbaut Stützen und Decken Stützen und Decken dienen gleichzeitig als Unterkonstruktion der Glasfassade. Damit zeichnet sich das Tragwerk des Gebäudes direkt nach außen ab. Die Aufbauten der Fußböden im Ober- und Dachgeschoss sind um Stützenbreite zurückversetzt. Im Zwischenraum sitzt ein Rippenrohrheizkörper. Die schachtartige Einbausituation verbessert dessen Leistung klar. Im Erdgeschoss zieht sich der Steinboden hinaus in den überdachten Bereich. Seine Fugen beziehen sich auf das Grundraster der Stützen. Der Innen- und Außenbereich verbinden sich, Barrieren werden aufgelöst. Dabei bleibt das konstruktive Gefüge des Hauses stets spürbar. Die Elementdecken präsentieren sich ursprünglich, Rohbauoberflächen bleiben sichtbar. Die Trennungen zwischen Bauteilen sind deutlich erkennbar. DEPPISCH ARCHITEKTEN Licht prägt Räume Das quadratische Stützenraster verleiht den Räumen Flexibilität 36 mikado 1-2/2006 Den Sonnenschutz der verglasten Giebelflächen übernehmen Holzlamellen im Scheibenzwischenraum. Das gefi lterte Sonnenlicht prägt den gesamten Innenraum. Sogar die Möblierung folgt den Grundsätzen „Flexibilität“ und „Funktionalität“. Die Einbaumöbel entsprechen dem Grundraster des Gebäudes und passen sich den veränderten Raumgrößen und -situationen an. Für das ganze Gebäude wurde ein zeitloses Tischsystem gewählt, das sich jederzeit kombinieren lässt und sich für unterschiedlichste Nutzungen des Gebäudes eignet. Holzlamellen und Stoffrollos dienen als Sichtschutz im Saal und in den Büros. Im Rathaus wurden nur heimische, im ländlichen Bereich bekannte Materialien verbaut. Deren natürliche Texturen bleiben sichtbar und erhalten lediglich durch dünne Öl-, Wachs- oder Lasurschichten ihren Schutz. Dominik Wowra/cm, Gersthofen D AT E N B L AT T J A N U A R - F E B R U A R / 0 6 Grundriss Obergeschoss Grundriss Dachgeschoss STECKBRIEF Objekt: Rathaus in Hörgertshausen Bauherr: Gemeinde Hörgertshausen Baubeginn: Mai 2004 Einweihung: 2005 Bruttorauminhalt: 2745 m3 Nutzfläche: 475 m2 Planung und Bauleitung: Deppisch Architekten Dipl.-Ing. Michael Deppisch (BDA) Mitarbeit: Dipl.-Ing. Johannes Dantele D-85354 Freising Grundriss Kellergeschoss Grundriss Erdgeschoss Zimmererarbeiten: Holzbau Schmid D-86368 Gersthofen Tragwerksplanung: Brandl + Eltschig Beratende Ingenieure D-85354 Freising Heizung Lüftung Sanitär: Vogt + Partner D-85354 Freising Decken/Dach: Brettsperrholz Fichte, lasiert Holzstützen/Träger: Brettschichtholz Lärche, gewachst Fenster, Türen, Öffnungsflügel: Lärche, klar lasiert Schnitt durch das Gebäude Außenanlagen: Deppisch Architekten mit Helmut Leuker BDLA, Freising Belag Dorfplatz: Granit gelbgrau sandgestrahlt Brunnen, Bank: Granit gelbgrau gestockt Belag EG, KG, Sockelbereich, Fensterbänke: Jura Kalkstein, diamantgeschliffen mikado 1-2/2006 37 D AT E N B L AT T J A N U A R - F E B R U A R / 0 6 Schnitt durch das Gebäude Dachaufbau (innen nach außen) 27 mm Bretterlage (F30) KLH 128 mm 120 mm Dämmung (puren dio 028) Dachlattung Dacheindeckung Wandaufbau I Deckenaufbau II Wandaufbau II Glasfassade: Unterkonstruktion = Primärkonstruktion (BSH Lärche) Wärmeschutzverglasung 12/20/8 Fixierung durch Alu-Pressleiste, vorgeblendet Lärchenleiste Öffnungsflügel: geschlossene Paneele, Lärche. geölt Fenster: nach außen öffnend, Lärche, lasiert Industrieparkett 16 mm Korkmatte 5 mm Zementestrich 50 mm TSD 35–5 mm Schüttung 30 mm KLH 208, Oberfläche sichtbar Mauerwerk verputzt, bestehend aus HLZ Außenputz: Kalkzementputz, gebürstet, gestrichen Innenputz: Lehmputz, Kalkfarbe Treppenhauswände: Stahlbeton, gespachtelt, gestrichen Deckenaufbau I Kalkstein Jura, diamantgeschliffen ZE 60 mm TSD 25–5 Schüttung 50 mm PE-Folie Bodenplatte StB-Bodenplatte Teilunterkellerung WU-Beton, auftriebssicher 38 mikado 1-2/2006