Der Gemeinderat regiert in Holz

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ARCHITEKTUR
Mischbauweise
Der Gemeinderat regiert in Holz
Die Gemeinde Hörgertshausen in der Hallertau wollte ihren 2000
Einwohnern einen attraktiven Ortskern bieten. Die Mischung
aus viel (Kreuzlagen-)Holz, Glas und etwas Massivbau ließ ein
Rathaus entstehen, das die Bürger gerne besuchen.
er Gemeinderat schrieb im
Jahr 2002 einen beschränkten Architektenwettbewerb
zum Neubau des Rathauses aus.
Das bestehende Rathaus aus dem
Jahre 1949 war zu klein geworden
und befand sich zudem in einem
baufälligen Zustand. Obwohl die
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Bebauung im Ortskern relativ eng
ist, also wenig Platz zur Verfügung
stand, sollte das neue Rathaus an
gleicher Stelle direkt an der Hauptstraße in unmittelbarer Nähe zu
Maibaum und Wirtshaus errichtet
werden. Der Siegerentwurf führt
mit (Kreuzlagen-)Holz als Baustoff
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für Decken, Stützen, Dach, Fassadenelemente und Fenster die traditionelle ländliche Bauweise zeitgemäß weiter. Das neue Gebäude
nimmt die typische Winkelform
der ortsüblichen Höfe auf und platziert das Gebäude ganz am Rand
des Grundstücks.
den Rückbau eines überdimensionierten Anbaus an das angrenzende Gebäude der Dorfwirtschaft
vor. Das gesamte Rathaus orientiert und öffnet sich zum Dorfplatz.
Das Gebäude und der Außenraum
greifen durch Dach, Glasfassade
und Bodenbelag optisch ineinander. So werden direkte Einblicke
und vielfältige Ausblicke mit Signalwirkung möglich: Die Ereignisse, Verhandlungen und Entscheidungen im Rathaus sollen für den
Bürger transparent und überschaubar sein.
Flexibel tagen
Das Rathaus öfnet
sich zum Dorfplatz
hin. Mit seiner
Winkelform und
Holz als Baustoff
knüpft es an lokale
Traditionen an
Aus einem Guss
So entsteht eine ganz neue Raumsituation: Der Raum für die neue
Ortsmitte. Der einheitliche Pflasterbelag über die Hauptstraße integriert den Maibaum, die Dorfl inde,
die Grünfläche und den Bach in
dieses Zentrum. Der Entwurf sah
Im Erdgeschoss befi ndet sich der
Sitzungssaal, der auch als Raum
für Eheschließungen dient. Vorzimmer und Bürgermeisterbüro
präsentieren sich bürgernah, auf
kürzestem Wege erreichbar und
besitzen einen direkten Bezug zum
Dorfplatz. Der Saal kann mit
mobiler Trennwand komplett zum
Foyer geöffnet werden und bietet
so genügend Platz. Selbst für größere Veranstaltungen.
Der Dorfplatz ist schlicht möbliert: Sitzbank und Trinkbrunnen
unter einer Linde. Ein gehfreundlicher Pflasterbelag aus hellem, sandgestrahltem Granit zieht sich homogen um das gesamte Gebäude.
Das quadratische Stützenraster
verleiht den Verwaltungsflächen im
Erd- und Obergeschoss viel Flexibilität. Leichte Trennwände in Trockenbauweise erlauben eine nahezu beliebige Einteilung. Darauf
sind sämtliche Fensteröffnungen
und Einbaumöbel abgestimmt. Flächen für Besprechung und Präsentation am zentralen Luftraum über
dem Foyer und Aufenthaltsraum
mit Teeküche ergänzen das Raumangebot. Das Dachgeschoss bietet
Raum für das Vereinsleben, Ausstellungen oder sonstige Veranstaltungen. Das flächige Sparrendach
spannt ohne Stützen und Pfetten
über das Gebäude und den Vorbereich als einladende Geste des neuen Gemeinde- und Rathauses.
Heizen mit Holz
Holz dient in Form von Pellets auch
als Brennstoff. Ein runder Kamin
durchdringt als freistehende verputzte Säule das gesamte Rathaus.
Die Ausrichtung des Gebäudes bedingt das konstruktive Gefüge.
Massive Wände schließen die
Rückseiten. Das warme, hölzerne
Innenleben öffnet sich zum Dorfplatz und durchdringt die gläserne
Fassade.
Decken und Dach wurden als
zeitgemäße Umsetzung von traditionellem Sparren und Deckenbalken als massive Brettsperrholzelemente ausgeführt. Die Dachelemente lagern nach dem Prinzip des
Sparrendaches in Kerven der außenseitigen Zugbalken und der Deckenplatten. Im Bereich der Dachkehle bilden die angrenzenden
Dachplatten ein tragendes Faltwerk, lediglich unterstützend wurde darin ein Y-förmiger Stahlträger
eingefügt.
K R EUZL AGENHOL Z ( K LH )
Kreuzlagenholz (KLH) besteht aus kreuzweise übereinander gestapelten
Fichtenbrettern. Für die Verleimung der einzelnen Bretterlagen wird lösungsmittel- und formaldehydfreier Klebstoff eingesetzt. Je nach Einsatzbereich bzw. statischer Anforderung erfolgt der Aufbau in 3, 5, 7
oder mehr Schichten bis zu einer Maximalstärke von 60 cm. Die Längsund Querlamellen sind kreuzweise angeordnet. Das reduziert das Quellen und Schwinden in der Plattenebene deutlich. Damit steigen sowohl
die statische Belastbarkeit als auch die Formstabilität. KLH verspricht
neue Möglichkeiten der Lastabtragung, da die Lasten nach allen Seiten
abgeleitet werden können.
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ARCHITEKTUR
In dem Gebäude
wurden heimische
und ortsübliche
Materialien verbaut
Stützen und Decken
Stützen und Decken dienen gleichzeitig als Unterkonstruktion der
Glasfassade. Damit zeichnet sich
das Tragwerk des Gebäudes direkt
nach außen ab. Die Aufbauten der
Fußböden im Ober- und Dachgeschoss sind um Stützenbreite
zurückversetzt. Im Zwischenraum
sitzt ein Rippenrohrheizkörper.
Die schachtartige Einbausituation
verbessert dessen Leistung klar.
Im Erdgeschoss zieht sich der
Steinboden hinaus in den überdachten Bereich. Seine Fugen beziehen sich auf das Grundraster der
Stützen. Der Innen- und Außenbereich verbinden sich, Barrieren
werden aufgelöst. Dabei bleibt das
konstruktive Gefüge des Hauses
stets spürbar. Die Elementdecken
präsentieren sich ursprünglich,
Rohbauoberflächen bleiben sichtbar. Die Trennungen zwischen
Bauteilen sind deutlich erkennbar.
DEPPISCH ARCHITEKTEN
Licht prägt Räume
Das quadratische
Stützenraster
verleiht den
Räumen Flexibilität
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Den Sonnenschutz der verglasten
Giebelflächen übernehmen Holzlamellen im Scheibenzwischenraum.
Das gefi lterte Sonnenlicht prägt
den gesamten Innenraum. Sogar
die Möblierung folgt den Grundsätzen „Flexibilität“ und „Funktionalität“. Die Einbaumöbel entsprechen dem Grundraster des Gebäudes und passen sich den veränderten
Raumgrößen und -situationen an.
Für das ganze Gebäude wurde ein
zeitloses Tischsystem gewählt, das
sich jederzeit kombinieren lässt
und sich für unterschiedlichste
Nutzungen des Gebäudes eignet.
Holzlamellen und Stoffrollos
dienen als Sichtschutz im Saal und
in den Büros. Im Rathaus wurden
nur heimische, im ländlichen Bereich bekannte Materialien verbaut. Deren natürliche Texturen
bleiben sichtbar und erhalten lediglich durch dünne Öl-, Wachs- oder
Lasurschichten ihren Schutz.
Dominik Wowra/cm,
Gersthofen
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Grundriss Obergeschoss
Grundriss Dachgeschoss
STECKBRIEF
Objekt: Rathaus in
Hörgertshausen
Bauherr: Gemeinde
Hörgertshausen
Baubeginn: Mai 2004
Einweihung: 2005
Bruttorauminhalt: 2745 m3
Nutzfläche: 475 m2
Planung und Bauleitung:
Deppisch Architekten
Dipl.-Ing. Michael Deppisch
(BDA)
Mitarbeit: Dipl.-Ing.
Johannes Dantele
D-85354 Freising
Grundriss Kellergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Zimmererarbeiten:
Holzbau Schmid
D-86368 Gersthofen
Tragwerksplanung:
Brandl + Eltschig
Beratende Ingenieure
D-85354 Freising
Heizung Lüftung Sanitär:
Vogt + Partner
D-85354 Freising
Decken/Dach:
Brettsperrholz Fichte, lasiert
Holzstützen/Träger:
Brettschichtholz Lärche,
gewachst
Fenster, Türen,
Öffnungsflügel:
Lärche, klar lasiert
Schnitt durch das Gebäude
Außenanlagen:
Deppisch Architekten
mit Helmut Leuker BDLA,
Freising
Belag Dorfplatz:
Granit gelbgrau
sandgestrahlt
Brunnen, Bank:
Granit gelbgrau gestockt
Belag EG, KG, Sockelbereich, Fensterbänke:
Jura Kalkstein, diamantgeschliffen
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Schnitt durch das Gebäude
Dachaufbau (innen nach außen)
27 mm Bretterlage (F30)
KLH 128 mm
120 mm Dämmung (puren dio 028)
Dachlattung
Dacheindeckung
Wandaufbau I
Deckenaufbau II
Wandaufbau II
Glasfassade:
Unterkonstruktion =
Primärkonstruktion
(BSH Lärche)
Wärmeschutzverglasung 12/20/8
Fixierung durch
Alu-Pressleiste,
vorgeblendet
Lärchenleiste
Öffnungsflügel:
geschlossene Paneele,
Lärche. geölt
Fenster: nach außen
öffnend, Lärche,
lasiert
Industrieparkett 16 mm
Korkmatte 5 mm
Zementestrich 50 mm
TSD 35–5 mm
Schüttung 30 mm
KLH 208, Oberfläche sichtbar
Mauerwerk
verputzt,
bestehend
aus HLZ
Außenputz:
Kalkzementputz,
gebürstet,
gestrichen
Innenputz:
Lehmputz,
Kalkfarbe
Treppenhauswände:
Stahlbeton,
gespachtelt,
gestrichen
Deckenaufbau I
Kalkstein Jura, diamantgeschliffen
ZE 60 mm
TSD 25–5
Schüttung 50 mm
PE-Folie
Bodenplatte
StB-Bodenplatte
Teilunterkellerung WU-Beton, auftriebssicher
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