Editorial 431 I m Vergleich zu anderen Störungsgruppen, Essstörungen“ kodiert werden können: die „Purging- sind die Änderungen im DSM-5 im Bereich Störung“ und das „Night-Eating-Syndrom“ (NES). Die der Essstörungen überschaubar. Die kindli- Purging-Störung bezeichnet wiederkehrende kompen- chen Fütterstörungen Pica und Ruminations- satorische Verhaltensweisen (Erbrechen, Laxanzien störung wurden um eine weitere Störung („Störung etc.), um Gewicht und Figur zu beeinflussen, jedoch mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungs- ohne das Auftreten von Essanfällen. Die Störung ist der aufnahme“) ergänzt und mit den Essstörungen in BN daher ähnlich. Beim NES kommt es zum Essen nach einem gemeinsamen Kapitel zusammengefasst, das dem Erwachen aus dem Schlaf oder zu übermäßiger nun Fütter- und Essstörungen genannt wird. Die dia- Nahrungsaufnahme nach dem Abendessen. Ob sich gnostischen Kriterien der Anorexia nervosa (AN) und diese beiden Störungen als eigenständige Krankheits- Bulimia nervosa (BN) sind nur gering verändert wor- bilder durchsetzen werden, wird die Forschung der den. Formulierungen, die den Patienten absichtliches nächsten Jahre zeigen. oder willkürliches Verhalten unterstellen, wurden abgeschafft. Auf das diagnostische Kriterium der Ame- In den letzten Jahren wurde die Operationalisierung norrhö wurde ganz verzichtet, da das Ausbleiben der des Essverhaltens nach bariatrischer Chirurgie (z. B. Menstruation vorrangig eine organische Folge der AN „loss of control eating“) vorangetrieben. Postoperativ darstellt. Bei der BN wurde die notwendige Frequenz treten zudem Auffälligkeiten im Essverhalten auf, die der Essanfälle von zwei- auf einmal pro Woche über als Komplikation der bariatrischen Chirurgie gelten einen Zeitraum von 3 Monaten reduziert, da man keine können, wie z. B. das craving nach und der Verzehr klinischen Unterschiede in Abhängigkeit von der Fre- von Eiswürfeln bei Eisenmangelanämie, was als Pica- quenz der Essanfälle gefunden hat. Die Aufteilung in Syndrom einzuordnen ist. Zuletzt, auf der Suche nach „purging“ und „non-purging“ BN wurde aufgegeben. Gründen für die ansteigende Prävalenz von Adipositas, Die Binge-Eating-Störung (BES) wird im DSM-5 erst- wurde das Suchtkonzept herangezogen und eine „Food mals als eigenständige Essstörung gelistet. Im ICD-10 Addiction“ propagiert. Allerdings gib es bislang keine findet sich die BES nicht und kann nur als „Andere oder Hinweise darauf, dass bestimmte Nahrungsmittel nicht näher bezeichnete Essstörung“ kodiert werden. beim Menschen eine Abhängigkeit im Sinne einer Es ist aber davon auszugehen, dass das ICD-11 dem „Substanzabhängigkeit“ erzeugen und bislang hat DSM-5 hier folgen wird. dieses Konzept für die Behandlung keine Relevanz. Es sind neue Fütter- und Essstörungen hinzugekom- Das alles wird in der Leitlinie zu Essstörungen, die unter men, die noch wenig bekannt sind. Die „Störung der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Psy- mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungs- chosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie aufnahme“, die unter der Abkürzung ARFID (avoidant/ gerade revidiert wird, aufgearbeitet. State-of-the-Art- restrictive food intake disorder) bekannt wurde, Vorträge zu diesen Themen wird es auch auf dem Kon- bezeichnet eine v. a. im Säuglings- und Kleinkindalter gress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie vorkommende Nahrungsablehnung, die zu ernsthaf- geben, der vom 22. – 24.3.2017 mit dem Thema „Psy- tem Untergewicht und zu Mangelerscheinungen führt. che – Soma/Mensch – System“ in Berlin stattfinden Das DSM-5 nennt zudem 2 weitere Essstörungen, die wird. mit nur gering ausdifferenzierten diagnostischen Kriterien unter „Andere näher bezeichnete Fütter- und PSYCH up2date 10 Martina de Zwaan, Hannover ê 2016 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-117437 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die Anzahl der Essstörungsdiagnosen nimmt zu