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Editorial
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I
m Vergleich zu anderen Störungsgruppen,
Essstörungen“ kodiert werden können: die „Purging-
sind die Änderungen im DSM-5 im Bereich
Störung“ und das „Night-Eating-Syndrom“ (NES). Die
der Essstörungen überschaubar. Die kindli-
Purging-Störung bezeichnet wiederkehrende kompen-
chen Fütterstörungen Pica und Ruminations-
satorische Verhaltensweisen (Erbrechen, Laxanzien
störung wurden um eine weitere Störung („Störung
etc.), um Gewicht und Figur zu beeinflussen, jedoch
mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungs-
ohne das Auftreten von Essanfällen. Die Störung ist der
aufnahme“) ergänzt und mit den Essstörungen in
BN daher ähnlich. Beim NES kommt es zum Essen nach
einem gemeinsamen Kapitel zusammengefasst, das
dem Erwachen aus dem Schlaf oder zu übermäßiger
nun Fütter- und Essstörungen genannt wird. Die dia-
Nahrungsaufnahme nach dem Abendessen. Ob sich
gnostischen Kriterien der Anorexia nervosa (AN) und
diese beiden Störungen als eigenständige Krankheits-
Bulimia nervosa (BN) sind nur gering verändert wor-
bilder durchsetzen werden, wird die Forschung der
den. Formulierungen, die den Patienten absichtliches
nächsten Jahre zeigen.
oder willkürliches Verhalten unterstellen, wurden
abgeschafft. Auf das diagnostische Kriterium der Ame-
In den letzten Jahren wurde die Operationalisierung
norrhö wurde ganz verzichtet, da das Ausbleiben der
des Essverhaltens nach bariatrischer Chirurgie (z. B.
Menstruation vorrangig eine organische Folge der AN
„loss of control eating“) vorangetrieben. Postoperativ
darstellt. Bei der BN wurde die notwendige Frequenz
treten zudem Auffälligkeiten im Essverhalten auf, die
der Essanfälle von zwei- auf einmal pro Woche über
als Komplikation der bariatrischen Chirurgie gelten
einen Zeitraum von 3 Monaten reduziert, da man keine
können, wie z. B. das craving nach und der Verzehr
klinischen Unterschiede in Abhängigkeit von der Fre-
von Eiswürfeln bei Eisenmangelanämie, was als Pica-
quenz der Essanfälle gefunden hat. Die Aufteilung in
Syndrom einzuordnen ist. Zuletzt, auf der Suche nach
„purging“ und „non-purging“ BN wurde aufgegeben.
Gründen für die ansteigende Prävalenz von Adipositas,
Die Binge-Eating-Störung (BES) wird im DSM-5 erst-
wurde das Suchtkonzept herangezogen und eine „Food
mals als eigenständige Essstörung gelistet. Im ICD-10
Addiction“ propagiert. Allerdings gib es bislang keine
findet sich die BES nicht und kann nur als „Andere oder
Hinweise darauf, dass bestimmte Nahrungsmittel
nicht näher bezeichnete Essstörung“ kodiert werden.
beim Menschen eine Abhängigkeit im Sinne einer
Es ist aber davon auszugehen, dass das ICD-11 dem
„Substanzabhängigkeit“ erzeugen und bislang hat
DSM-5 hier folgen wird.
dieses Konzept für die Behandlung keine Relevanz.
Es sind neue Fütter- und Essstörungen hinzugekom-
Das alles wird in der Leitlinie zu Essstörungen, die unter
men, die noch wenig bekannt sind. Die „Störung
der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Psy-
mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungs-
chosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie
aufnahme“, die unter der Abkürzung ARFID (avoidant/
gerade revidiert wird, aufgearbeitet. State-of-the-Art-
restrictive food intake disorder) bekannt wurde,
Vorträge zu diesen Themen wird es auch auf dem Kon-
bezeichnet eine v. a. im Säuglings- und Kleinkindalter
gress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
vorkommende Nahrungsablehnung, die zu ernsthaf-
geben, der vom 22. – 24.3.2017 mit dem Thema „Psy-
tem Untergewicht und zu Mangelerscheinungen führt.
che – Soma/Mensch – System“ in Berlin stattfinden
Das DSM-5 nennt zudem 2 weitere Essstörungen, die
wird.
mit nur gering ausdifferenzierten diagnostischen Kriterien unter „Andere näher bezeichnete Fütter- und
PSYCH up2date 10
Martina de Zwaan, Hannover
ê 2016 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-117437
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Die Anzahl der Essstörungsdiagnosen
nimmt zu
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