Leseprobe - Christiani

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TEIL II
Rahmenbedingungen des
Marketing
3
Das Umfeld des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135
4
Das Internet – Herausforderungen und Chancen
für das Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
Marketing und Gesellschaft: Gesellschaftliche
Verantwortung und Ethik im Marketing . . . . . . . . . . . . . .
219
Die Welt als Marktplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
5
6
II
RAHMENBEDINGUNGEN DES MARKETING
Einführung in Teil 2
Teil 2 des Buches beschreibt das Umfeld und die Rahmenbedingungen des Marketing.
Diskutiert werden neue Herausforderungen für das Marketing wie z. B. das Internet,
die Forderung nach Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, ethische Fragestellungen oder die Auswirkungen der Globalisierung auf das einzelne Unternehmen.
Kapitel 3 betrachtet das Umfeld des Marketing aus zwei Blickrichtungen: einerseits
aus der Perspektive des Mikro-Umfelds, das im Wesentlichen aus den Kräften innerhalb des Unternehmens und den engen Partnern des Unternehmens wie Lieferanten und Konkurrenten besteht, und andererseits aus dem Blickwinkel des MakroUmfelds, das die Kräfte umfasst, die unsere Gesellschaft prägen, wie Politik, Umwelt
usw. Die Globalisierung der Märkte führt in diesem Kontext zu einer zunehmenden
Komplexität der Rahmenbedingungen für das Marketing.
Kapitel 4 thematisiert den beträchtlichen Einfluss, den das Internet und andere neue
Kommunikationstechnologien heute auf das Verhalten von Anbietern und Konsumenten ausüben. Jedes Unternehmen benötigt eine Strategie, um die neuen Technologien
optimal in sein Geschäftsmodell und sein Marketing zu integrieren. Vor diesem Hintergrund gilt es, die klassischen Marketinginstrumente und -aktivitäten durch neue
Praktiken zu ergänzen.
Kapitel 5 wirft die Frage nach der Rolle und Verantwortung von Marketing in unser
Gesellschaft auf. Es thematisiert die Gratwanderung von Unternehmen zwischen
ihren eigenen Interessen und denen der Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen das
Streben der Anbieter nach Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden und die Erwirtschaftung eines angemessenen Gewinns, und auf der anderen Seite das berechtigte
Interesse der Bevölkerung an Themen wie Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit oder
Menschenrechten.
Kapitel 6 zeigt auf, dass Unternehmen durch die Globalisierung der Märkte zunehmend mit Aspekten des internationalen Marketing konfrontiert sind. Die zentralen
Entscheidungsfelder, die einem Engagement in ausländischen Märkten vorangehen,
werden hier diskutiert. Dazu gehören die Analyse des globalen Umfelds, die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen ein internationales Engagement, die Festlegung
des internationalen Marketing-Programms und die Bestimmung der globalen Organisationsform.
134
Das Umfeld des Marketing
3.1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
3.2
Das Mikro-Umfeld des Marketing . . . . . . . . . . . . . . 140
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
3.2.6
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142
143
144
144
Das Makro-Umfeld des Unternehmens . . . . . . . . . . 147
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.3.4
3.3.5
3.3.6
Die demografische Entwicklung . . . . .
Volkswirtschaftliche Rahmendaten und
Umwelt und Ressourcen . . . . . . . . . .
Das technologische Umfeld . . . . . . . .
Das politische Umfeld . . . . . . . . . . . .
Das kulturelle Umfeld . . . . . . . . . . . .
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Konsum
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162
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168
3.4
Interaktion mit dem Marketing-Umfeld . . . . . . . . . 174
3.5
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
ÜBERBLICK
3.3
Das Unternehmen . . . . . . . .
Die Lieferanten . . . . . . . . .
Die Marketing-Mittler . . . . .
Die Kunden und die Märkte
Die Konkurrenten . . . . . . . .
Die Öffentlichkeit . . . . . . . .
3
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, können Sie . . .
. . . diejenigen Einflusskräfte aus dem Umfeld des Marketing beschreiben, die
die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Kunden zu bedienen, beeinflussen
oder beeinträchtigen können.
. . . erklären, wie Veränderungen im demografischen und wirtschaftlichen
Umfeld Marketing-Entscheidungen beeinflussen.
. . . die wesentlichen Trends im natürlichen und technologischen Umfeld eines
Unternehmens bestimmen.
. . . die wichtigsten Veränderungen erklären, die im politischen oder im kulturellen Umfeld eines Unternehmens eintreten können und auf das Marketing
einwirken.
. . . erörtern, wie Unternehmen auf das Marketing-Umfeld reagieren können
und sollten.
3.1
Einführung
Marketing agiert nicht in einem Vakuum, sondern in einer komplexen Umgebung, die
einem ständigen Wandel unterliegt. Unternehmen sind so lange erfolgreich, wie sie in
der Lage sind, ihr Angebot an Produkten und Dienstleistungen auf das gegenwärtige
Marketing-Umfeld abzustimmen. Tatsächlich wirkt das Marketing mehr und mehr in
einer eng vernetzten Welt. Unternehmen müssen heutzutage sehr aufmerksam sein
und auf die Interessen und Anliegen verschiedener Akteure eingehen. Dieses Kapitel
beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Gruppen im Umfeld eines Unternehmens –
Lieferanten, Marketing-Mittlern, Kunden, Wettbewerbern, der Öffentlichkeit und
anderen – sowie mit relevanten Entwicklungen im Umfeld von Unternehmen – demografische, ökonomische, ökologische, technologische, politische und kulturelle. Um
effektive Marketing-Strategien zu entwickeln und implementieren zu können und um
Beziehungen mit Kunden und internen sowie externen Partnern zu managen, müssen
Marketing-Verantwortliche zunächst den Kontext verstehen, in welchem das Marketing handelt, und die wichtigsten Einflussfaktoren dieser Umgebung identifizieren.
Das Marketing-Umfeld besteht aus den Kräften und den Akteuren außerhalb der
Marketing-Funktion, die die Fähigkeit des Managements beeinflussen, erfolgreiche
und dauerhafte Geschäftsbeziehungen mit den Kunden der Zielgruppen aufzubauen
und aufrecht zu erhalten. Das Umfeld des Marketing bietet einerseits Chancen,
Geschäfte abzuschließen, andererseits aber auch Risiken und Bedrohungen für die
Geschäftstätigkeit. Erfolgreiche Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, das Umfeld
fortwährend zu beobachten und sich den ständig ändernden Bedingungen und Trends
anzupassen. Geschieht dies nicht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Strategien, Strukturen, Systeme und die Unternehmenskultur den aktuellen Anforderungen nicht
136
3.1 Einführung
mehr gewachsen sind. Selbst Großunternehmen wie IBM oder General Motors konnten in der Vergangenheit Krisen nicht ausweichen, weil sie wichtige Veränderungen
in ihrem Umfeld zu lange nicht wahrhaben wollten und einfach ignorierten.
Wie sieht Marketing in Zukunft aus? Am Anfang des neuen Jahrtausends fragen
sich Verbraucher ebenso wie viele Marketing-Profis, wie die Zukunft wohl konkret
aussehen möge. Nach wie vor verändert sich das Marketing-Umfeld grundlegend
und mit rasanter Geschwindigkeit. Denken Sie einmal darüber nach, wie Sie heute
Ihre Lebensmittel und die Artikel des täglichen Bedarfs einkaufen. Glauben Sie,
dass ihr Einkaufsverhalten in zehn oder zwanzig Jahren noch genauso ablaufen wird
wie heute? Was würden diese Veränderungen für das heute praktizierte Marketing
bedeuten? Einige Zukunftsforscher sagen voraus, dass es den Einkauf in großflächigen Supermärkten, wie wir ihn heute kennen, im Jahre 2025 nicht mehr geben wird.
Das Wachstum des E-Commerce und die rapide Ausbreitung des Internets werden
dazu führen, dass nahezu alle Produkte für den Haushalt online bestellt werden. Einzelhändler werden sich dahingehend betätigen, dass sie Produkte aus verschiedenen
Quellen zu großen Gesamtlieferungen zusammenstellen, die jeder Haushalt an die
Türschwelle geliefert bekommt. Strukturpolitisch bedeutet dies, dass Versandhäuser,
Logistikunternehmen und klassische Einzelhändler zu neuartig kombinierten Unternehmensstrukturen fusionieren werden. Niemand wird mehr Zeit aufwenden müssen, um das preisgünstigste Angebot zu suchen. Automatisierte Abläufe, so genannte
Online-Agenten, werden das für die Verbraucher erledigen.
Eine andere Prognose besagt, dass uns im Jahr 2025 smarte Computer zu Diensten
stehen werden, die fast so intelligent wie wir Menschen sind. Konsumenten werden diese Computer nutzen, um Informationen mit elektronischen Agenten auszutauschen, die im Internet in den Internetangeboten und -listen des Handels nach den
vorteilhaftesten Angeboten Ausschau halten. Da der Haushalt der Zukunft rechnergesteuert sein wird und alle Artikel vom Toilettenpapier über Milch, Butter, Brot
bis hin zum Rasierschaum und zum Katzenfutter Meldungen an den HaushaltsZentralrechner senden, wenn vorher definierte Mindestbestände unterschritten werden, werden auch die Dispositionen und Bestellungen des Haushalts automatisch
getätigt. Da der Einkaufsrechner vorher alle Angebote vergleicht, ist sichergestellt,
dass jede einzelne Position beim jeweils günstigsten Partner bestellt wird.
Einführende Fallstudie:
Retro-Marketing – Altbewährtes wiederentdeckt
Immer deutlicher ist eine gewisse Retro-Welle zu beobachten. Ob Vintage-Mode,
Kühlschränke im Design der 60-er Jahre, Parties der 80-er Jahre oder Nostalgieprodukte wie Creme 21, Ahoi-Brause und Tri Top-Getränke, die Rückbesinnung
auf Vergangenes hat sich inzwischen auf viele Konsumbereiche ausgedehnt.
Die Überlegungen, die zu derartigen Konzepten führen, sind teilweise in
der heutigen Konsumentenstimmung begründet. Die neue Retro-Tendenz ist die
137
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Abbildung 3.1: Beispiele für Nostalgieprodukte, hier Creme 21, Ahoi Brause, Tri Top und Elefanten Schuhe
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von www.kdbusch.com.
Antwort auf die wachsende Unzufriedenheit und Zukunftsangst der Bevölkerung
angesichts der anhaltenden Wirtschaftsflaute. Viele Menschen sehnen sich nach
besseren Zeiten gemäß des Mottos „früher war alles besser“ zurück. Ein weiterer
Grund ist die immer komplexere Technologisierung der Umwelt. Die unzähligen
Informationen und Eindrücke durch Digitalfernsehen, Internet und Mobiltelefonie können schnell zu einer Reizüberflutung führen, bei vielen Menschen sogar zu
einem Gefühl von Werteverlust. Es entsteht der Wunsch, die Uhr etwas zurückzudrehen und die Dinge langsamer anzugehen. An die Stelle von kurzlebigem
Vergnügen ohne tiefere Bedeutung tritt die Suche nach Orientierung, Glaubwürdigkeit und Tradition. Revivals und Retro-Produkte verkörpern genau die Sehnsucht nach den Zeiten, in denen vermeintlich alles noch etwas ruhiger zuging.
Sie fungieren als nostalgische Erinnerungsträger, obwohl sich unter der RetroDesign-Oberfläche meist modernste Technik verbirgt.
138
3.1 Einführung
Ein Beispiel für erfolgreiches Retro-Marketing ist die Neuauflage des MINI Coopers, der im April 2001 auf den Markt kam. Der alte MINI Classic, der seit 1957
gebaut wurde, galt als Symbol für einen jungen und weltoffenen Lebensstil, doch
hatte die Automobilmarke Ende der 90er Jahre nur noch niedrige Marktanteile.
Daher stellte sich nach der Übernahme der englischen Rover-Gruppe bei BMW die
Frage, wie das Marketing für den MINI in Zukunft aussehen sollte. Neben einer
zeitgemäßen Rundum-Erneuerung des Retro-Looks wurde auch eine erfolgreiche
Werbekampagne ins Leben gerufen, um den Kultstatus des englischen Kleinwagens hervorzuheben. Dabei sollten insbesondere Fahrspaß und Emotionen vermittelt und eine regelrechte Mini-Mania bei der trendbewussten Zielgruppe der
18- bis 35-Jährigen ausgelöst werden.
Dem Trend, Altbewährtes neu aufzulegen, ist auch der Schuheinzelhändler Deichmann gefolgt, indem er die Traditionsmarke „Elefanten“ übernommen
hat. Der alt eingesessene Kinderschuhhersteller aus Kleve hatte 2004 aufgrund
schlechter Absatzzahlen den Betrieb eingestellt. Selbst das positive Image und
der hohe Qualitätsanspruch konnten Elefanten nicht vor dem Niedergang bewahren. Doch gerade in diesem ideellen Markenwert sah Deichmann seine Chance
und kaufte im Mai 2005 die Markenrechte an den Kinderschuhen. Die Vorteile
dieses Retro-Marketing liegen auf der Hand. Die traditionelle Marke Elefanten
ist den Kunden bereits bekannt. Zudem weckt sie positive Assoziationen, denn
viele der heutigen Eltern haben als Kinder selbst Elefanten-Schuhe getragen. Aufgrund dieses emotionalen Bezugs erhofft sich Deichmann, die Vorstellungen, die
mit Elefanten verbunden sind, auf sich übertragen und so neue Kundengruppen
erschließen zu können.
Fragen:
1. Welche Faktoren sind Ihrer Ansicht nach für Erfolg oder Nichterfolg von
„Retro-Design“ und einem Marketing, das auf Nostalgie setzt, entscheidend?
2. Tendenzen, Trends und Stimmungen bei den Konsumenten aufzunehmen, zu
deuten und mit passenden Angeboten darauf zu reagieren, ist eine Möglichkeit
für ein Unternehmen, erfolgreiche Beziehungen zu den Kunden aufzubauen
und zu pflegen. Welche weiteren Faktoren und Akteure sollten für diese Aufgabe ebenfalls in Betracht gezogen werden?
3. Inwieweit können Unternehmen künftige Trends im Marketing-Umfeld voraussehen?
Quelle:
BMW Group, Webseite MINI unter: www.mini.de, [01.03.2006];
Deichmann, Presseinformation: „Deichmann erwirbt von Clarks Markenrechte an
,elefanten‘ “, Webseite Deichmann unter: www.deichmann.de, [15.03.2006];
Sanz Grossón, Ulrike: „Retro-Welle: Produkte für Zeitflüchtige“, in: Der Handel,
Nr.11/2004;
Wallbraun, Swantje: „Dem Käufer auf den Fersen“, in: Financial Times Deutschland (24.03.2006).
139
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Die besondere Verantwortung des Marketing bei der Anpassung an Zukunftstrends Bei derartigen Zukunftsbildern kommen die heutigen Strategen des Marketing natürlich ins Grübeln. Dem Marketing kommt in Unternehmen die größte
Verantwortung zu, Veränderungen und Umbrüche in der Gesellschaft und im Kaufverhalten zu erkennen und Strategien dafür zu entwerfen. Obwohl jeder Manager in
einer Organisation das Umfeld beobachten muss, können insbesondere MarketingVerantwortliche Trends und Chancen aufspüren, denn sie eignen sich hierfür in zweierlei Hinsicht. Zum einen stehen nur ihnen die entsprechenden Instrumente der
Marktforschung zur Verfügung, zum anderen sind sie diejenigen, die sich ständig im
Umfeld von Kunden und Konkurrenten bewegen (im Gegensatz zu Ingenieuren, die
häufig relativ abgeschlossen in den Entwicklungsabteilungen tätig sind). Mittels systematischer Beobachtung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfelds sind
die Marketing-Verantwortlichen in der Lage, Marketing-Strategien ständig an neue
Herausforderungen und Chancen anzupassen und zielgerichtet zu überarbeiten.
Das Marketing-Umfeld besteht aus zwei Bereichen:
Das Mikro-Umfeld des Marketing ist das engere Umfeld des Unternehmens, das
aus den Kräften innerhalb des Unternehmens und aus den Partnern des Unternehmens besteht. Im Mikro-Umfeld entstehen die Voraussetzungen dafür, wie die
Käufer bedient werden können. Zum engeren Umfeld gehören das Unternehmen
selbst mit allen Teilbereichen, mit seinen Lieferanten und seinen Partnern in den
Vertriebswegen, die Kunden, die Wettbewerber und die am Unternehmen oder an
der Branche gezielt interessierte Öffentlichkeit.
Das Makro-Umfeld des Marketing besteht aus den Kräften, die in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang stehen, wie die demografische Entwicklung,
Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, technologische Entwicklung, Natur und Umwelt
sowie Politik und Kultur. In diesem Abschnitt werden zunächst das Mikro- und
anschließend das Makro-Umfeld untersucht.
3.2
Das Mikro-Umfeld des Marketing
Die Aufgabe der Marketing-Abteilung ist es, durch die Befriedigung von Kundenbedürfnissen und die Schaffung von Kundenwert neue Kunden zu akquirieren und dauerhafte Beziehungen sowohl zu ihnen als auch zu bestehenden Kunden aufzubauen.
Der Erfolg wird jedoch nicht nur vom Marketing, sondern auch von anderen Akteuren
seines Mikro-Umfelds abhängen, die auf die Angebotserstellung einwirken. Hierzu
gehören die anderen Abteilungen des Unternehmens, die Lieferanten, die MarketingMittler, die Kunden selbst, die Konkurrenten und andere, die gemeinsam das Wertschöpfungsnetzwerk des Unternehmens ausmachen (siehe Abbildung 3.2).
3.2.1 Das Unternehmen
Wenn die Marketing-Abteilung mit dem Aufstellen von Marketing-Plänen beginnt,
muss sie die Ansichten der anderen Funktionsbereiche im Unternehmen berück-
140
3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketing
Marketingmittler für:
- Absatz
- Lagerung
- Lieferung
- Werbung
- Finanzen
Unternehmen
Lieferanten
Konkurrenzunternehmen
Kunden
Öffentlichkeit
Abbildung 3.2: Die wichtigsten Akteure im Mikro-Umfeld des Unternehmens
sichtigen. Dazu gehören z. B. die Geschäftsleitung, der Finanzbereich, die Abteilung Forschung und Entwicklung, die Beschaffungsabteilung, die Produktion und
das Rechnungswesen. Diese miteinander in Beziehung stehenden Bereiche bilden
das unternehmensinterne Umfeld (Abbildung 3.3). Die Geschäftsleitung gibt die
Unternehmensmission, die Ziele und die groben Strategien vor. Das Marketing trifft
Entscheidungen innerhalb des vorgegebenen Plans, allerdings müssen die MarketingPläne wiederum die Zustimmung der Geschäftsleitung erhalten, bevor sie umgesetzt
werden dürfen.
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Abbildung 3.3: Das Unternehmen und seine interne Struktur als Teil des Mikro-Umfelds
Darüber hinaus sollte auch mit den anderen internen Abteilungen eine enge und konstruktive Zusammenarbeit gesucht werden. Das Marketing ist z. B. von der Finanzabteilung abhängig, da diese Marketing-Projekte mittels geeigneter Finanzierung
unterstützen oder durch fehlende Finanzierung scheitern lassen kann. Die Abteilung Forschung und Entwicklung ist dafür zuständig, sichere und attraktive Produkte
zu entwickeln. Die Beschaffung kümmert sich um Material und Vorprodukte, während die Produktion dafür verantwortlich ist, dass die angeforderten Mengen in der
angestrebten Qualität produziert werden. Das Rechnungswesen schließlich legt Einnahmen und Kosten dar und unterstützt das Marketing bei der Überwachung der vorgegebenen Ziele. Die einzelnen Abteilungen wirken also zusammen und haben alle
einen Einfluss auf die Pläne und Aktionen des Marketing und auf seine Fähigkeit, die
Bedürfnisse der Konsumenten zu befriedigen.
141
3
DAS UMFELD DES MARKETING
3.2.2 Die Lieferanten
Lieferanten sind sowohl Firmen als auch Einzelpersonen, die Waren liefern oder
Dienste leisten, damit das Unternehmen seine Güter oder Dienstleistungen erstellen
kann. Daher sind sie ein wichtiges Bindeglied im Wertschöpfungssystem des Unternehmens. Unzuverlässigkeiten hinsichtlich Qualität, Mengen und Lieferterminen bei
den Lieferanten können das Marketing ernsthaft beeinflussen oder behindern. Die
Marketing-Verantwortlichen sollten daher ein wachsames Auge auf die Verfügbarkeit
aller Vorleistungen haben. Lieferengpässe oder Lieferverzögerungen, Streiks und ähnliche Ereignisse können kurzfristig den Absatz mindern, langfristig beeinträchtigen
sie die Kundenzufriedenheit, sodass die Kunden an der Lieferzuverlässigkeit zweifeln
und Lieferverträge nicht ausschöpfen oder gar kündigen. Marketing-Manager sollten
auch immer über die Preise ihrer wichtigsten Rohstoffe informiert sein. Höhere Lieferkosten oder ungünstige Wechselkursentwicklungen bei Importgütern können zu
Preiserhöhungen zwingen, die wiederum Umsatzeinbußen nach sich ziehen. Die Lieferanten werden daher in der Wertschöpfungskette zunehmend als bedeutender Partner zur Generierung von Kundenwert angesehen.
3.2.3 Die Marketing-Mittler
Marketing-Mittler unterstützen das Unternehmen bei Werbung, Vertrieb und Auslieferung an die Kunden sowie bei der Finanzierung und Zahlungsabwicklung. Hierzu
gehören alle Handelsunternehmen wie Großhändler, selbstständige Handelsvertreter,
aber auch Kaufhauskonzerne und große Versandhäuser, Werbeagenturen, Paketdienste, Speditionen und ähnliche Unternehmen sowie Finanzinstitutionen wie Banken und Leasinggesellschaften. Diese Akteure übernehmen Aufgaben des Versands
oder machen durch Bereitstellung von Finanzmitteln Transaktionen erst möglich.
Handel Der Handel umfasst alle Unternehmen, die Waren der Produzenten kaufen
und distribuieren, sie helfen, die Ware an den Kunden zu bringen. War der Handel früher durch mittelständische Familienunternehmen geprägt, haben sich heute in vielen
Branchen bedeutende Unternehmen des Groß- und Einzelhandels, Kaufhauskonzerne
und Großversandhäuser zwischen den Produzenten und den Käufern positioniert. An
dieser Stelle sei das Problem der Marktmacht des Handels erwähnt: Die großen Handelskonzerne haben einen wesentlichen Einfluss darauf, welche Produzenten zum
Zuge kommen und bestimmen weitgehend Preise und Konditionen.
Logistikunternehmen Diese Unternehmen bieten ein breites Angebot für die Lagerung der Ware und für deren Transport auf Schienen, auf der Straße, auf Wasserwegen und in der Luft. Bei der Entscheidung über Lagerhaltung und Transport gilt es,
für jedes Produkt ein optimales Gleichgewicht zu finden unter Berücksichtigung von
Kosten, Art der Auslieferung, Geschwindigkeit und Sicherheit.
Dienstleistungsunternehmen Zu dieser Gruppe gehören Marktforschungsinstitute,
Werbeagenturen und Marketing-Beratungen, die dem Unternehmen helfen, die für
seine Produkte wichtigen Zielmärkte zu finden und zu analysieren. Möchte man die
Dienste einer solchen Agentur in Anspruch nehmen, sollte vorher und auch während
der Geschäftsbeziehung eine sorgfältige Auswahl und Kontrolle erfolgen, denn gerade
142
3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketing
diese Dienstleister unterscheiden sich sehr stark in Kreativität, Qualität, Betreuung
und Preis.
Finanzinstitutionen Hierzu gehören Banken, Finanz- und Leasinggesellschaften, Versicherungen und andere Unternehmen, die sich daran beteiligen, Transaktionen zu
finanzieren oder gegen die Risiken zu versichern, die mit dem Kauf und Verkauf
von Gütern verbunden sind. Die meisten Unternehmen und Privatkunden sind darauf
angewiesen, ihre Käufe zu finanzieren. Die Arbeit des Marketing kann durch die Erhöhung von Kreditzinsen oder die Limitierung eines Kredits enorm eingeschränkt werden, wenn z. B. die Finanzierung einer Produktentwicklung oder einer Markteinführung ansteht.
Ebenso wie die Lieferanten bilden die Marketing-Mittler eine wichtige Komponente des Wertschöpfungssystems eines Unternehmens. Im Bestreben, zufrieden stellende Kundenbeziehungen aufzubauen, muss das Unternehmen nicht nur die eigene
Leistung optimieren, sondern auch effektiv mit Lieferanten und Marketing-Mittlern
zusammenarbeiten, um die Leistung des gesamten Systems zu optimieren.
3.2.4 Die Kunden und die Märkte
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Jedes Unternehmen muss seine unterschiedlichen Märkte sorgfältig analysieren.
Abbildung 3.4 kategorisiert diese nach der Art ihrer Käufer in sechs Typen.
Abbildung 3.4: Grundlegende Typologie der Märkte
Endverbrauchermärkte Endverbrauchermärkte bestehen aus Einzelpersonen und
Haushalten, die Güter und Dienstleistungen zum persönlichen Verbrauch erwerben.
Industriegütermärkte Hier werden Güter oder Dienstleistungen erworben, um als
Industriegüter in den Produktionsprozess einzufließen – sei es als Vorprodukt oder
als Investitionsgut.
Handelsmärkte Auf Handelsmärkten werden Güter gekauft, um in der Regel ohne
weitere Produktions- oder Verarbeitungsschritte unmittelbar weiterverkauft zu werden.
143
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Märkte öffentlicher Institutionen Hier treten Schulen, Krankenhäuser, Altenheime
und andere Institutionen als Käufer auf. Sie erwerben Güter und Dienstleistungen für
die Betreuung der ihnen anvertrauten Personen.
Staatliche Nachfragemärkte Der Staat ist ein vielfältiger Kunde, er kauft Bauleistungen, Militärgüter, Wissenschaftsausrüstung, Computer, PKWs und LKWs und vieles
andere mehr, um öffentliche Dienstleistungen zu erstellen.
Internationale Märkte Die internationalen Märkte bestehen aus Käufern in anderen
Ländern einschließlich der dortigen Verbraucher, der Industrie, dem Handel und den
staatlichen Stellen.
Für jeden dieser Markttypen gelten spezielle Regeln. Ein Marketing-Plan muss in den
meisten Fällen bei mehreren Gruppen ansetzen: Eine Brauerei beispielsweise schaltet Werbung direkt für den Endverbraucher. Gleichzeitig wird der Außendienst beim
Handel um Regalplatz, die Abnahme von Aktionsmengen und die Durchführung von
Sonderaktionen werben. Andere Außendienstmitarbeiter besuchen die Gastronomie
und bemühen sich um langfristige Lieferverträge.
3.2.5 Die Konkurrenten
Das Konzept des Marketing besagt, dass ein Unternehmen, um erfolgreich zu sein,
die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden besser als die Konkurrenz bedienen sollte.
Aus diesem Grund genügt es nicht, dass das Angebot den Bedürfnissen der Zielgruppe
lediglich angepasst wird. Um einen strategischen Vorteil zu erzielen, muss das eigene
Angebot so positioniert werden, dass es eine klare Stellung in den Köpfen der Konsumenten einnimmt und sich von der Konkurrenz differenziert.
Für eine Marketing-Strategie, die es ermöglicht, sich von den Wettbewerbern abzuheben, kann es kein allgemeingültiges Patentrezept geben. Jedes Unternehmen muss
entsprechend seiner Größe und seiner Stellung in der Branche eine angemessene
Strategie erarbeiten. Großunternehmen mit einer beherrschenden Stellung in ihrer
Branche können bestimmte Strategien anwenden, die sich kleine Unternehmen nicht
leisten können. Aber Größe allein reicht nicht aus. Es gibt sehr erfolgreiche Strategien
großer Unternehmen, allerdings gibt es auch genügend Beispiele für Strategien, die
sich als totale Fehlschläge erwiesen haben. Ebenso können kleine Unternehmen ausgeklügelte Strategien entwickeln, die ihnen im Vergleich zu größeren Mitbewerbern
weit höhere Renditen verschaffen. In Kapitel 12 werden die Konkurrenzanalyse und
verschiedene Wettbewerbsstrategien näher betrachtet.
3.2.6 Die Öffentlichkeit
Zum Mikro-Umfeld des Marketing gehören auch einzelne Gruppierungen der Öffentlichkeit, denen sich das Unternehmen gegenübersieht. Als Öffentlichkeit in diesem
Sinne soll jede Gruppe verstanden werden, die ein aktuelles oder potenzielles Interesse an oder einen Einfluss auf das Handeln des Unternehmens und dessen Fähigkeit
zur Zielerreichung hat.
Nach dieser Definition gehören folgende Gruppierungen zur engeren Öffentlichkeit
eines Unternehmens (siehe Abbildung 3.5):
144
3.2 Das Mikro-Umfeld des Marketing
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Bürgerinitiativen
Abbildung 3.5: Gruppierungen der Öffentlichkeit im Umfeld des Unternehmens
Finanzsektor Der Finanzsektor beeinflusst die Möglichkeiten des Unternehmens,
sich Finanzmittel zu beschaffen. Banken, Investmentbanken und Aktionäre gehören
zu diesem Kreis.
Medien Medien verbreiten Nachrichten, alle Arten von Informationen und gelegentlich pointierte Meinungen der Herausgeber. Zu ihnen gehören insbesondere Zeitungen und Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen sowie das Internet.
Staat Die Unternehmensleitung muss die Auflagen des Staates berücksichtigen. Häufig werden die Anwälte des Unternehmens zu Rate gezogen, wenn es um Produktsicherheit, Wahrheit in der Werbung oder ähnliche Themen geht.
Bürgerinitiativen Die Marketing-Entscheidungen eines Unternehmens können zum
Beispiel von Verbrauchergruppen, Umweltschützern, Minderheiten und anderen
Gruppen angegriffen werden. Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit kann versuchen,
vorbeugend und aufklärend zu wirken. Dies kann allerdings nur dann erfolgreich
sein, wenn sich das Unternehmen bei seinen Aktivitäten in allen Bereichen an hohen
Standards orientiert.
Lokale Interessengruppen Jedes Unternehmen begegnet auch einer lokalen Öffentlichkeit wie kommunalen Organisationen oder Anwohnern. Große Unternehmen
benennen gewöhnlich einen Verantwortlichen für kommunale Beziehungen, der Fragen beantwortet, Versammlungen beiwohnt und bei lohnenswerten Anlässen mitwirkt.
Allgemeine Öffentlichkeit (landes-, bundes-, europaweit) Ein Unternehmen muss
Aufmerksamkeit auf sich ziehen und in Bezug auf seine Produkte und seine Aktivitäten in der Öffentlichkeit Beachtung finden. Das Bild, das aktuell in der öffentlichen Meinung verbreitet ist, beeinflusst sehr stark das Kaufverhalten der Kunden
und Interessenten. Viele Unternehmen investieren daher bedeutende Summen in eine
professionell durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit, die das Image des Unternehmens
pflegt.
UnternehmensinterneÖffentlichkeit Hierzu sind die Mitarbeiter, der Betriebsrat, leitende Manager und die Geschäftsleitung zu rechnen. Viele Großunternehmen nutzen
Mitarbeiterzeitschriften oder Newsletters, um ihre unternehmensinterne Öffentlich-
145
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Abbildung 3.6: Beispiel einer Werbeanzeige von DaimlerChrysler, die das Engagement des Unternehmens im Kampf
gegen AIDS thematisiert
Quelle: DaimlerChrysler AG Stuttgart/Auburn Hills.
keit zu informieren und zu motivieren. Wenn die Mitarbeiter ein gutes Gefühl in
Bezug auf das Unternehmen haben, überträgt sich diese positive Einstellung auf die
externe Öffentlichkeit.
146
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Für jeden dieser Teilbereiche der Öffentlichkeit, die das Unternehmen auf ihre
Weise begleiten, kann man Marketing-Pläne vorbereiten wie für seine Produkte und
Marken. Es kommt immer wieder vor, dass ein Unternehmen auf eine bestimmte Reaktion einer Gruppe der Öffentlichkeit angewiesen ist. Meist strebt es einfach „goodwill“, also eine positive Aufnahme seiner Vorhaben in der Öffentlichkeit und positive Mund-Propaganda an. In besonderen Fällen geht es aber auch darum, dass einer
Organisation Spenden überlassen oder Zeit geopfert werden soll (z. B. Rotes Kreuz).
Das Unternehmen muss daher der Öffentlichkeit ein Angebot machen, das attraktiv
genug ist, damit diese in der gewünschten Weise reagiert.
3.3
Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Alle Unternehmen und Organisationen agieren in einem größeren gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang, wodurch sich einerseits Chancen bieten, andererseits aber
auch Bedrohungen entstehen können. Abbildung 3.7 zeigt die sechs einflussreichsten
Kräfte im Makro-Umfeld des Unternehmens. In den verbleibenden Abschnitten dieses
Kapitels beschäftigen wir uns mit diesen Kräften und zeigen, wie sie die MarketingPlanung beeinflussen.
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Abbildung 3.7: Einflussreiche Kräfte im Makro-Umfeld des Unternehmen
3.3.1 Die demografische Entwicklung
Unter Demografie versteht man die Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung an
Hand der statistischen Dimensionen Größe, Bevölkerungsdichte, Niederlassungsverhalten, Alter, Geschlecht, Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, berufliche Tätigkeit und weiterer geeigneter Merkmale. Die demografische Entwicklung ist für die
Aufgaben des Marketing von allergrößter Bedeutung, da es hier um die unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung geht, die entsprechend bestimmter Auswahlkriterien
Märkte darstellen. Wir werden im Folgenden die wichtigsten demografischen Kriterien und ihre Trends auf den Märkten der Welt ansprechen.
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3
DAS UMFELD DES MARKETING
Bevölkerungsgröße und Wachstumstrends
Grundsätzlich können für jeden geografisch definierten Markt die Bevölkerungsgröße
und ihr Wachstumstrend benutzt werden, um das Absatzpotenzial für eine Vielzahl
von Gütern und Dienstleistungen grob abzuschätzen. Die Europäische Union in ihrem
heutigen Umfang zusammen mit den verbleibenden Staaten der früheren EFTA hat
insgesamt ungefähr 471 Mio. Einwohner. Mit weiteren 53 Mio. Einwohnern aus den
übrigen Staaten Osteuropas und dem ehemaligen Jugoslawien und 204 Mio. aus dem
europäischen Gebiet der früheren Sowjetunion ist das erweiterte Europa deutlich größer als die so genannte Nordamerikanische Freihandelszone aus den USA, Kanada
und Mexiko mit insgesamt 435 Mio. Einwohnern, oder Japan mit 127 Mio. Einwohnern. Viele Unternehmen sehen auch in Indien (1,1 Mrd. Einwohner) und in China
(1,3 Mrd. Einwohner) lukrative Wachstumsmärkte.
Die gesamte Weltbevölkerung beträgt heute ungefähr 6,5 Milliarden Menschen.
Vorhersagen der United Nations Population Division prognostizieren, dass die Weltbevölkerung bis 2050 um 40 Prozent auf 9,1 Milliarden Menschen anwachsen wird.
Allein sechs Länder sind für die Hälfte dieses Wachstums maßgeblich verantwortlich:
Indien für 21 Prozent, China für 12 Prozent, Pakistan für 5 Prozent, Bangladesch, Nigeria und die USA jeweils für 4 Prozent. Die Bevölkerung Indiens wächst in einer Woche
stärker als die der EU in einem Jahr! Das Bevölkerungswachstum ist dabei nicht auf
eine erhöhte Geburtenrate zurückzuführen, diese wird in den nächsten Jahrzehnten
auf allen Kontinenten außer Europa stetig fallen. Vielmehr liegt der Hauptgrund der
Weltbevölkerungszunahme in der steigenden Lebensdauer. Trotz hoher Sterberaten
in Ländern, die von AIDS betroffen sind (beispielsweise im südlichen Afrika), nimmt
die Lebenserwartung insgesamt stark zu.
Obwohl die Bevölkerungsentwicklung nicht über eine längere Periode vorhergesagt werden kann, so deutet dennoch alles darauf hin, dass die Menschheit der
Zukunft sich erheblich von der heutigen unterscheiden wird. So wird beispielsweise
die Bevölkerungszahl in Asien, Afrika und Lateinamerika erheblich steigen, während
sie in Europa rückläufig ist. Innerhalb Asiens wird sich zudem die Verteilung zwischen den Ländern beachtlich ändern: Während die Bevölkerungszahl in Japan sinken wird, wächst Indien zahlenmäßig zur stärksten Bevölkerungsgruppe heran und
übertrifft sogar China.
Eine wachsende Bevölkerung bedeutet, dass es mehr menschliche Bedürfnisse
gibt, die es zu befriedigen gilt. In Abhängigkeit von der Kaufkraft ergeben sich aus
dem Bevölkerungswachstum möglicherweise auch zunehmende Marktchancen. Die
Bevölkerungsentwicklung kann dem Marketing gleichzeitig als Frühindikator für die
Nachfrage nach bestimmten Gütern und Dienstleistungen dienen. Die chinesische
Regierung hat beispielsweise Gesetze zur Regulierung des Bevölkerungswachstums
erlassen, die pro Familie jeweils nur ein Kind vorsehen. Dies hat zur Folge, dass chinesische Kinder sehr verwöhnt werden und mehr Aufhebens um sie gemacht wird
als je zuvor. Sie werden überschüttet mit Süßigkeiten bis hin zu Computern, da im
Normalfall sechs Erwachsene – die Eltern und zwei Großelternpaare – die Kinder
verhätscheln. Dies wurde als das „Sechs-Taschen-Syndrom“ bekannt. In einem durchschnittlichen Haushalt in Peking geben Eltern ungefähr 40 Prozent ihres Einkommens
für ihr geliebtes und einziges Kind aus. Dieser Trend regte Spielzeughersteller wie die
148
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
dänische Lego-Gruppe und das amerikanische Unternehmen Mattel dazu an, in den
chinesischen Markt einzutreten.
Veränderung der Altersstruktur in der Bevölkerung
Die wichtigste demografische Strukturverschiebung in Europa, den Vereinigten Staaten und in den reicheren Staaten Asiens ist die Veränderung der Altersstruktur in
der Bevölkerung. In diesen drei Regionen veraltet die Bevölkerung und es ist abzusehen, dass sich diese Situation über die nächsten fünfzig Jahre verstärken wird.
Diese Entwicklung beschränkt sich jedoch nicht ausschließlich auf Industrienationen. In Lateinamerika wird sich der Anteil der über 60-Jährigen von heute bis 2030
auf 16 Prozent verdoppeln. In China wird ihr Anteil in dieser Zeit von zehn Prozent
auf ungefähr 24 Prozent wachsen.
Die Bevölkerung wird aus zwei Gründen älter:
eine langfristige Abnahme der Geburtenrate ist zu beobachten und
die durchschnittliche Lebenserwartung erhöht sich.
Durch die langfristige Abnahme der Geburtenrate verschiebt sich das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Da es nach einer Generation auch weniger potenzielle Elternpaare gibt, tritt eine Verstärkung des Effekts ein. In allen entwickelten und einkommensstarken Ländern (mit Ausnahme der USA) sinken die Geburtenraten, d. h. pro
Frau werden immer weniger Babies geboren. Die Geburtenrate in Deutschland liegt
bei 1,39 Kindern, in Spanien sind es 1,28. In allen Staaten Westeuropas liegen die
4
3
weniger entwickelte Regionen
2
Industriestaaten
1
0
19952000
200520010
20152020
20252030
20352040
20452050
Abbildung 3.8: Prognose der Geburtenraten in den Industriestaaten und in weniger entwickelten Regionen für den
Zeitraum 1995 bis 2050
Quelle: Population Division of the Department of Economic and Social Affairs of the United Nations Secretariat, World
Population Prospects: The 2004 Revision and World Urbanization Prospects: The 2003 Revision, unter: esa.un.org/unpp,
[24 February 2006].
149
3
DAS UMFELD DES MARKETING
45,0
53,6
64,5
68,7
53,7
45,6
44,2
45,8
4,2
−1,0
−2,3
−11,1
22,5
−3,7
0
%Veränderungen bei den
Anteilen der Altersgruppe
der über 64-Jährigen
−9,3
−7,3
−3,1
−4,8
27,1
−4,6
−8,9
−12,4
−6,3
−14,7
26,8
39,4
49,0
39,2
58,0
66,8
71,8
77,2
98,9
% Veränderung
in Prozent
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
−10
−20
−30
l
lien ien nd ich nd urg de ga ien nd ien ich nd eiz ark en en
Ita Span tschla sterre henla xemb derlan Portu Belg Finnla itann ankre Irla Schw änem hwed orweg
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De
G
Gro
%Veränderungen bei den
Anteilen der Altersgruppe
der 15- bis 59-Jährigen
Abbildung 3.9: Europas alternde Bevölkerung (Prognosen von 2005 bis zum Jahr 2030) – In allen Ländern Europas
sind bei den Anteilen der Altersgruppe der über 64-Jährigen starke Zunahmen und bei den Anteilen der Altersgruppe
der 15- bis 59-Jährigen meist Rückgänge zu erwarten.
Geburtenraten unter dem in den USA vorherrschenden Wert von 2,1. Auch in den
entwickelten Wirtschaften Asiens wie Singapur und Südkorea sind die Geburtenraten
in den letzten Jahrzehnten durchweg gesunken. In Entwicklungsländern liegen die
Geburtenraten im Durchschnitt bei 2,9 Kindern pro Frau und damit über dem erforderlichen Reproduktionswert. Indiens Geburtenrate liegt momentan bei 2,78, jedoch
Land
2000
2015
2030
2050
Deutschland
23,9
32
46
55,8
Frankreich
24,6
29,5
40,7
47,9
Italien
26,8
31,2
48,3
48,3
Großbritannien
24,0
34,3
45,2
66
EU
23,4
28,9
40,3
52,8
Tabelle 3.1: Altersabhängigkeitsverhältnis (in Prozent): Dieser Indikator gibt das Verhältnis der über 64-Jährigen
(Bevölkerungsanteil, der normalerweise im Ruhestand ist) zu den 15- bis 64-Jährigen (Bevölkerungsanteil, der normalerweise arbeitet) an, d. h. 100 Menschen im Erwerbsalter (von 15 bis 64 Jahren) stehen X Personen im Rentenalter
(ab 64 Jahren) gegenüber.
Quelle: Eurostat, Webseite von Eurostat unter: http://epp.eurostat.cec.eu.int, [01.03.2006].
150
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
auch dieser Wert bedeutet im Vergleich zu den 80er Jahren, als die Rate 4,5 betrug,
einen Rückgang.
Das Geburtendefizit gegenüber früheren Zeiträumen und der damit verbundene
Trend zur Kleinfamilie hat seinen Ursprung im Wunsch der Menschen, einen höheren
Lebensstandard zu genießen, im Wunsch der Frauen nach Berufstätigkeit und in der
wirkungsvollen Anwendung von Schwangerschaftsverhütung.
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung erhöht sich auch, weil die durchschnittliche Lebenserwartung zugenommen hat. Vor einem halben Jahrhundert lag diese noch
unter 50 Jahren, bis zum Jahr 2000 stieg sie im Weltdurchschnitt auf 64,6 Jahre an. Für
Exkurs
Die Zielgruppe 50+
Der knapp 500.000 Euro teure Ferrari Enzo beschleunigt in weniger als vier
Sekunden auf 100 Stundenkilometer, bevor er eine atemberaubende Spitzengeschwindigkeit von 355 km/h erreicht. Eine Fahrt, die dem Autofreund mit Herzschrittmacher nicht unbedingt zu empfehlen ist. Und doch gehört der italienische
Hersteller sportlicher Nobelkarossen zu einem von vielen Unternehmen, die sich
heute bewusst demografischen Veränderungen und einer alternden Bevölkerung
annehmen möchten. Beim Einsteigen in den Enzo werden Sie die kleinen Änderungen gar nicht bemerken, die aus Rücksicht auf „übergewichtige, arthritische
Pensionäre“ an dem Prachtstück vorgenommen wurden. Während den Technikern von Ferrari vor allem ein sportliches Produkt vorschwebt, dessen kraftvolle
Marke auf dem Image junger Rennfahrer beruht, die auf den Formel-1-Strecken
dieser Welt zu Hause sind, fordert das neue Kundenprofil, auf Merkmale wie
Bequemlichkeit und Funktionalität zu achten. Dabei darf die sportliche Note
nicht vernachlässigt werden. Anders als die Formel-1-Piloten Michael Schumacher und Rubens Barrichello, beide etwas über 30, geht der durchschnittliche
Ferrari-Käufer auf die 50 zu und wird immer älter. Die Ferrari-Designer reagieren
darauf, indem sie das Platzangebot für den mittlerweile etwas beleibteren Fahrer
erhöhen und seine spröden Knie schonen. Ganz dezent wird dazu die Türhöhe
geändert und beim Öffnen zugleich ein Teil des Dachs und des unteren Türrahmens verschoben, um den Ein- und Ausstieg zu erleichtern. Diese Änderungen im
Design wurden jedoch so dezent angebracht, dass sie kaum wahrnehmbar sind.
Ferrari-Kunden wollen schließlich nicht bevormundet oder durch ihr Auto an ihr
fortgeschrittenes Alter erinnert werden.
Manche Unternehmen wie der britische Reiseveranstalter, Zeitschriftenverlag
und Finanzdienstleister Saga, der sich speziell mit dem Alterssegment der über
50-Jährigen beschäftigt, können da ziemlich kreativ werden. In einer Ausgabe
des Saga-Magazins finden sich Werbeschaltungen für Bose HiFi-Anlagen und für
einen roten Mazda MX-5 gleich neben den Bildern von Treppenliften und Hühneraugenpflastern. Saga Holidays bietet Wildwasser-Raftingtouren in Kanada und
Dschungel-Trekking in Borneo an. Offensichtlich weiß man bei Saga genau: Die
Oldies von heute lassen sich nicht in den Ruhestand verbannen.
151
3
DAS UMFELD DES MARKETING
die Industriestaaten Nordamerikas, Westeuropas und Asiens lag die Lebenserwartung
in dieser Zeit sogar bei 74,8 Jahren und man erwartet hier bis zum Jahr 2050 einen
Anstieg auf 82,1 Jahre. Auch in den Entwicklungsländern soll die Lebenserwartung
von 63,4 Jahren auf 74 Jahre steigen.
Die Weltbevölkerung wird in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts schneller altern
als je zuvor, was sich auf Länder mit niedrigen Geburtenraten umso stärker auswirkt.
Dementsprechend wird die Bevölkerung in diesen Ländern erheblich stärker altern.
Offizielle Vorhersagen für Europa gehen davon aus, dass bis zum Jahre 2050 34,5
Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein werden – im Jahre 2003 waren es
noch 20,3 Prozent. Der Historiker und Bevölkerungsexperte Peter Laslett fasst diese
Entwicklung folgendermaßen zusammen: „Die westlichen Länder werden älter und
sie werden nie wieder jünger werden.“
Für das Marketing hat die hier dargestellte Entwicklung wichtige Konsequenzen.
Die Zunahme älterer Konsumenten und der korrespondierende Mangel an jungen
Käufern stellt für Unternehmen und das Marketing nicht zwangsläufig ein Problem
dar. Indessen sollten Marketing-Verantwortliche demografische Trends und Entwicklungen verfolgen, um neue Produkte und Marktchancen zu identifizieren.
Die zunehmend alternde Bevölkerung impliziert z. B. eine höhere Nachfrage nach
Gesundheitsprodukten und Dienstleistungen, die auf die Bedürfnisse dieser Konsumentengruppe zugeschnitten sind. So sind die über 60 Jahre alten Menschen
heute wohlhabender und aktiver und haben einen Lebensstil, der eher einem 40bis 50-Jährigen gleichkommt. Sowohl der Gesetzgeber als auch die Industrie können
diese einflussreiche Gruppe nicht mehr ignorieren und müssen die Dienstleistungen
und Richtlinien, die ältere Menschen betreffen, unter die Lupe nehmen. Einige Unternehmen setzen sich bereits mit den demografischen Veränderungen auseinander und
passen ihre Produkte den Bedürfnissen der älteren Konsumenten an.
Der sich wandelnde Familienbegriff
Das Idealbild der Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern hat etwas von seinem
Glanz verloren. Die Tendenz geht dahin, später zu heiraten und weniger Kinder zu
haben. Wenn auch die Zahlen von Land zu Land schwanken mögen, ist der allgemeine
Trend zu beobachten, dass weniger Paare heiraten und Kinder aufziehen. Paare ohne
Kinder im schulpflichtigen Alter machen einen wachsenden Prozentsatz der Bevölkerung aus. Dies sind Trends, die nicht nur in Europa und Amerika, sondern auch in den
wohlhabenden Staaten Asiens wie Japan, Singapur und Hongkong zu erkennen sind.
Der Anteil der arbeitenden Frauen und auch der arbeitenden Mütter nimmt ebenfalls zu. Dieser Trend erzeugte vielfältige Marktchancen für Kindertagesstätten, Unternehmen der Reinigungs- und Bewirtungsbranche, Fertignahrungsmittelhersteller und
Textilunternehmen, die speziell Mode für berufstätige Frauen entwerfen. MarketingAnstrengungen für Autos, Versicherungen, Reisen und Finanzdienstleistungen richten sich zunehmend an Frauen im Beruf. Bei bestimmten Produkten wie z. B. teurem
Schmuck, der traditionell von Männern für ihre Frauen gekauft wurde, kann im Handel beobachtet werden, dass berufstätige Frauen sich den Schmuck nun selbst zu
ihrem eigenen Vergnügen kaufen. Als Ergebnis dieser Verschiebungen in den Wertvorstellungen und der Abkehr vom traditionellen Rollendenken übernehmen die Ehemänner oder männlichen Partner zunehmend häusliche Aufgaben wie Einkaufen oder
152
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Kinderbetreuung. Daher sprechen die Marketing-Anstrengungen für Güter des täglichen Bedarfs oder für langlebige Konsumgüter zunehmend auch die Männer an.
Eine weitere Entwicklung ist die Zunahme der Single- und Zwei-PersonenHaushalte. Diese umfassen Singles, die alleine leben, Erwachsene, die ohne Trauschein zusammen leben, Wohngemeinschaften, allein erziehende Elternteile, kinderlose Ehepaare oder junge Erwachsene, die das Elternhaus frühzeitig verlassen und
sich eine eigene Wohnung nehmen. Immer mehr verheiratete Paare lassen sich scheiden oder trennen sich, viele entschließen sich dazu, gar nicht oder später zu heiraten
und keine Kinder zu bekommen. In Ländern wie Deutschland, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Finnland oder Dänemark haben die Ein-Personen-Haushalte
heute schon einen Anteil zwischen 32 und 38 Prozent an der Gesamtzahl der Haushalte. Spitzenreiter in Europa ist Schweden mit einem Anteil von 46,5 Prozent. Diese
Zielgruppe hat bei vielen Produkten und Dienstleistungen abweichende Bedürfnisse.
Sie braucht kleinere Wohnungen, energiesparende und etwas kleinere Hausgeräte und
kleinere Packungseinheiten bei Lebensmitteln. Das Marketing muss diese besonderen
Bedürfnisse zunehmend berücksichtigen, da diese Lebensformen inzwischen schneller wachsen als traditionelle Haushalte.
Höheres Bildungsniveau in der Bevölkerung
Der Anteil der Bevölkerung mit einer höherwertigen Ausbildung variiert zwischen
den Ländern. Allerdings kann in der EU und in anderen Industrienationen ein allgemeiner Trend beobachtet werden: Laut einer Statistik der OECD verkleinert sich der
Abstand zwischen Männern und Frauen, die einen Universitätsabschluss haben, in
den Mitgliedstaaten zunehmend. In den meisten Ländern wurde bereits eine Gleichverteilung des Bildungsniveaus zwischen Männern und Frauen im Alter von 25–34
Jahren erreicht.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass das Bildungsniveau der Bevölkerung zunimmt.
Da sich auch die Volkswirtschaften in Osteuropa und Asien weiterentwickeln werden,
ist anzunehmen, dass auch dort zunehmend in den Bildungssektor investiert werden
kann und die Bevölkerung besser ausgebildet wird. Aus dem höheren Anteil gebildeter und interessierter Menschen ist eine erhöhte Nachfrage nach Qualitätserzeugnissen, Büchern, Zeitschriften, Reisen, Computern und Internetdiensten zu erwarten.
Zunehmende Betonung von Individualität und Verschiedenartigkeit
Im neuen Jahrtausend wird die europäische Einigung weiter energisch vorangetrieben. Die erweiterte EU besteht nunmehr aus 25 Mitgliedstaaten: Frankreich,
Luxemburg, Italien, Deutschland, die Niederlande, Belgien, Dänemark, Irland, Großbritannien, Griechenland, Spanien, Portugal, Schweden, Österreich und Finnland
und seit Mai 2004 Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei, Litauen, Lettland, Slowenien, Estland, Zypern und Malta. Politisch hat die Einigung Europas nach wie vor
große Priorität. In vielen Staaten Mittel- und Osteuropas, z. B. in Bulgarien, Rumänien
und der Türkei, besteht der Wunsch, sich der Europäischen Union anzuschließen.
Die Europäische Union in ihrem heutigen Umfang oder in Zukunft mit noch mehr
Mitgliedsstaaten stellt als Ganzes eine enorme Herausforderung und Chance für inländische und internationale Anbieter dar. Die Besonderheiten des Marketing für inter-
153
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Exkurs
Die USA heute – ein heterogener Markt
Viele Jahre lang wurden die USA von Soziologen als „Schmelztiegel der Nationen“ bezeichnet, wo sich angeblich die verschiedenen Gruppen unterschiedlicher Herkunft zu einem homogenen Ganzen vermischen würden. Aber dieses Verschmelzen hat nicht stattgefunden und die Vereinigten Staaten von heute geben
eher das Bild einer Salatschüssel ab, in der sich zwar die unterschiedlichen Gruppen innerhalb eines gemeinsamen Rahmens gemischt haben, trotzdem aber wichtige kulturelle und ethnische Besonderheiten beibehalten haben und in hohem
Ansehen halten.
Das Marketing sieht die USA heute als heterogenen und nicht als homogenen Markt an. Viele Unternehmen betreiben Mikro-Marketing. Bei diesem Ansatz
wird zunächst eine Bestandsaufnahme an Hand von Kriterien wie Wohnort, Zugehörigkeit zu kulturellen und ethnischen Gruppen und demografischen Kriterien
durchgeführt, dann erfolgt eine gezielte Ansprache genau definierter Gruppen
von Kaufinteressenten. Die Schweppes-Getränke werden in den USA von etwa
150 Lizenznehmern vertrieben, von denen jeder einzelne eine andere MarketingStrategie benutzt, um den Unterschieden der Märkte und Zielgruppen gerecht zu
werden. Amerikas große schwarze Minderheit (37 Mio.) und die 41 Mio. starke
Gruppe der Spanisch sprechenden US-Amerikaner haben Medien, die sich speziell an ihre Mitglieder wenden. Über diese Medien, die sowohl Druckmedien
wie auch Radio- und Fernsehstationen umfassen, richten sich maßgeschneiderte
Marketing-Aktionen an diese Gruppen.
Quelle: U.S. Census Bureau: „Race and Hispanic Origin in 2004“, unter:
www.census.gov/population/pop-profile/dynamic/RACEHO.pdf, [01.03.2006].
nationale Märkte werden wir in diesem Buch noch gründlicher erörtern. Wir können
aber vorwegnehmen, dass Anbieter, die auf dem europäischen Gesamtmarkt tätig
sein wollen, in vielen Fällen auf die Besonderheiten der europäischen Regionen zwischen Lappland im Norden und Lissabon oder Sizilien im Süden eingehen müssen.
Doch die Vereinigung geht über die bloße wirtschaftliche Integration wie die Einführung des Euro als Einheitswährung im Januar 1999 hinaus. Bis heute haben elf
EU-Nationen den Euro eingeführt. In den kommenden Jahren wird die europäische
Union die Vereinheitlichung und gegenseitige Anerkennung von Vorschriften, Zulassungen und Zertifikaten anstreben, was die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit
erleichtern wird. Viele Marketing-Fachleute glauben, dass die Vereinigung Europas zu
einem großen Markt auch die Annäherung des Geschmacks der Konsumenten mit sich
bringt. Weltweit tätige Werbeagenturen wie Young & Rubicam oder Saatchi & Saatchi haben versucht, einen „Euro-Konsumenten“ zu konstruieren. Doch die Bedürfnisse der Käufer, ihre Wertvorstellungen und Einstellungen sowie ihre Gewohnheiten
sind schon innerhalb der großen nationalen Märkte (z. B. Frankreich, England, Italien,
Deutschland) unterschiedlich und erst recht im Rahmen Europas. Das Gleiche gilt für
154
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
die Kaufkraft und Verbrauchergewohnheiten. Europa bleibt ein Potpourri verschiedener Kulturen, das immense Marketing-Möglichkeiten für die Anbieter eröffnet.
Unternehmen werden gut beraten sein, wenn sie diese lokal-regionalen und nationalen Unterschiede identifizieren und ihre Marketing-Strategien auf diesen Unterschieden aufbauen. In den Fällen, wo ähnlich orientierte Verbraucher in ganz Europa
auftreten, gilt es trotzdem zu bedenken, ob eine paneuropäische Marketing-Strategie
wirklich effizienter in Bezug auf die Kosten ist als einzelne regional oder national
ansetzende Strategien. Die internationale Vermarktung bestimmter exklusiver Produkte wie zum Beispiel der Uhren von Rolex oder Schmuck von Cartier an einen
kleinen und gleichgesinnten Kreis von Konsumenten, lassen gesamteuropäisches
Marketing und gesamteuropäische Werbung sinnvoll erscheinen. Auch bestimmte
Jugend-Kultprodukte wie die Uhren von Swatch oder Mode von Benetton bieten sich
für eine standardisierte Werbestrategie für alle europäischen Märkte an.
Für viele Märkte gilt jedoch mehr denn je, dass mit einer für alle Regionen einheitlichen Marketing-Strategie die Chancen, die eine Anpassung an regionale oder nationale Eigenheiten bietet, verschenkt werden. Selbst Coca-Cola, ein Vorkämpfer der
einheitlichen Marketing-Strategie für alle Märkte, macht inzwischen maßgeschneiderte Angebote für viele nationale Märkte. Die Biermarke „Kronenbourg“, Frankreichs
meistverkauftes Bier, verwendet für den heimischen Markt den französischen Lebensstil in ihrem Image, während in England für das „Kronenbourg“-Bier eine Positionierung als schickes Getränk für den erfolgreichen, smarten und gut verdienenden „Yuppie“ gelang. Unilever individualisiert seine Werbung für das Body-Spray Impulse: In
Großbritannien schenkt ein attraktiver junger Mann der Frau neben ihm, deren Deodorant er gerade vernommen hat (Impulse), einen Strauß Blumen. In der italienischen
Version schenkt Romeo der Frau eine Rose.
Letztendlich müssen Marketing-Experten den zentralen Marketing-Grundsatz verinnerlichen: Erkenne die Bedürfnisse der Konsumenten und gehe auf sie ein. Unternehmen, die die Vielfalt auf Grund ihrer globalen oder gesamteuropäischen Strategie außer Acht lassen, sollten ihre Standardisierungsstrategien sorgfältig überarbeiten
und weiterentwickeln.
3.3.2 Volkswirtschaftliche Rahmendaten und Konsum
Für einen Markt sind nicht nur die Menschen an sich wichtig, sondern auch ihre
Kaufkraft. Das ökonomische Umfeld besteht aus Faktoren, die sowohl die Kaufkraft
als auch die Verbrauchergewohnheiten beeinflussen. So unterscheiden sich Länder bisweilen stark in der Höhe und der Verteilung Ihres Einkommens. MarketingVerantwortliche müssen dies und die hieraus resultierenden Marktchancen sowohl
im eigenen Markt als auch in anderen Märkten sehr aufmerksam beobachten.
Einkommensverteilung und Kaufkraft
Die derzeitigen Umbrüche in Technologie und Kommunikationstechnik haben teilweise eine Verlagerung des weltwirtschaftlichen Gleichgewichts vom Westen (insbesondere den USA, Kanada und Westeuropa) in Richtung der schnell expandierenden Wirtschaftsnationen des pazifischen Beckens mit sich gebracht. Bis zur asiatischen Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 1997 konnten viele der asiatischen
155
3
DAS UMFELD DES MARKETING
„Tigerstaaten“ wie z. B. Südkorea, Taiwan, Thailand, Indonesien und Singapur jährliche Zuwachsraten von mehr als sieben Prozent, im Vergleich zu zwei bis drei Prozent in Westeuropa und den USA, verzeichnen. Offizielle Statistiken haben diese
Wachstumsraten für die erste Dekade des 21. Jahrhunderts nach unten korrigiert.
Nichtsdestotrotz wird die rasante wirtschaftliche Erholung in Singapur, Taiwan und
Südkorea zu höheren verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen als in den USA und Westeuropa führen.
Im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Überseemärkte als Fundament für
das Wachstum westlicher Geschäfte hat das unsichere Wirtschaftsklima in Asien
große Auswirkungen auf das internationale Marketing. Die Marketing-Verantwortlichen müssen herausfinden, wie das veränderte Einkommen die Kaufkraft beeinflusst
und inwiefern daraus Bedrohungen oder Chancen entstehen können.
In Ländern, in denen das verfügbare Einkommen z. B. durch eine Wirtschaftskrise
oder eine Rezession gefallen ist, wählen finanziell angeschlagene Konsumenten Produkte und Dienstleistungen tendenziell sorgfältiger aus und erwarten einen höheren Gegenwert. So haben in Japan in Zeiten der Rezession z. B. Second Hand-Läden
einen wahren Boom durchlebt. Value Marketing wird deshalb für viele MarketingLeiter zur Parole. Anstatt qualitativ hochwertige Ware zu hohen Preisen oder mindere
Qualität zu Niedrigstpreisen anzubieten, müssen Marketing-Experten Wege finden,
preisbewussten Konsumenten ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis im Sinne einer
geeigneten Kombination aus Produktqualität und gutem Service zum fairen Preis anzubieten.
Marketing-Verantwortliche sollten darüber hinaus ihre Aufmerksamkeit sowohl
auf die Einkommensverteilung als auch auf das durchschnittliche Einkommen richten. Bei den Konsumenten mit dem größten verfügbaren Einkommen, die in der Regel
höheren sozialen Schichten angehören, gibt es kaum Veränderungen des Kaufverhaltens in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Im Gegensatz dazu reagieren die unteren
Einkommensgruppen sehr empfindlich auf Einkommenseinbrüche.
Obere Einkommensschichten Die oberen Einkommensschichten sind dementsprechend eine attraktive Zielgruppe für teure Luxusgüter.
Mittlere Einkommensschichten Die Mittelschicht achtet mehr auf ihre Ausgaben,
wenngleich sie in der Lage ist, sich hier und da etwas Luxus zu gönnen.
Untere Einkommensschichten Die unteren Einkommensschichten können sich meistens gerade eine ausreichende Ernährung, Bekleidung und einfachen Wohnraum
leisten.
Einkommen an und unterhalb der Armutsgrenze In jedem Staat gibt es eine Schicht
der Bevölkerung, die an oder unterhalb der Armutsgrenze lebt. Je nach Ausprägung
des Systems sozialer Sicherung oder der Wohlfahrt lebt diese Gruppe dauerhaft von
Transferleistungen oder ist mehr oder weniger auf sich selbst gestellt. Diese Gruppe
hat wenig Kaufkraft und oft Schwierigkeiten, auch nur die elementarsten Bedürfnisse
befriedigen zu können.
156
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Deutschland
Italien
11,7
14,5
8,9
14,4
Alkoholische Getränke,
Tabak und Betäubungsmittel
3,6
2,4
3,9
3,3
Bekleidung und Schuhe
5,4
8,9
6,1
4,5
Wohnung,Wasser, Strom, 23,8
Gas
20,5
18,7
24,1
Nahrungsmittel und
alkoholfreie Getränke
Großbritannien Frankreich
Hausrat und laufende
Instandhaltung der
Wohnung
7,1
8,8
6,4
5,9
Gesundheit
4,7
2,9
1,8
3,7
13,8
12,1
15,0
14,7
Telekommunikation
2,9
3,2
2,3
2,4
Freizeit und Kultur
9,4
7,4
12,7
9,0
Erziehung und Unterricht
0,7
1,0
1,4
0,6
Restaurants und Hotels
5,2
9,6
11,4
7,6
Verschiedene Waren und 11,8
Dienstleistungen
8,7
11,4
9,7
Verkehr
Tabelle 3.2: Anteile wichtiger Ausgabenpositionen am Budget eines Haushalts in verschiedenen Ländern Europas
2004 (Frankreich 2003)
Quelle: Eurostat, Webseite von Eurostat unter: http://epp.eurostat.cec.eu.int, [01.03.2006].
Kaufverhalten bei unterschiedlichen Haushaltseinkommen
Im Allgemeinen unterscheiden sich die Ausgabenanteile für bestimmte Produktgruppen zwischen den Haushalten je nach Einkommen voneinander, wobei die Positionen Ernährung, Wohnung und Verkehrsmittel in vielen Fällen den größten Anteil
am Haushaltseinkommen beanspruchen. So zeigen Konsumenten mit unterschiedlichen Einkommen ein unterschiedliches Ausgabeverhalten. Einige dieser Unterschiede wurden schon vor mehr als einem Jahrhundert von Ernst Engel beschrieben.
Engel hatte beobachtet, dass sich der Bedarf mit steigendem Einkommen auf andere
Schwerpunkte verlagerte. Er fand heraus, dass bei steigendem Einkommen der Anteil
des Einkommens, der für Nahrung ausgegeben wird, sinkt, jener, der für das Wohnen
ausgegeben wird, gleich bleibt und jener für alle anderen Ausgabenkategorien und für
das Sparen steigt. Diese Regel, in der Volkswirtschaftslehre auch als das Engelsche
Gesetz bekannt, wurde bisher durch nahezu alle nachfolgenden wissenschaftlichen
Untersuchungen bestätigt.
Veränderungen bei wichtigen ökonomischen Größen wie Einkommen, Kosten
der Lebenshaltung, Zinssätzen und Spar- und Ausleihverhalten haben bedeutende
Auswirkungen auf die Märkte. Viele Unternehmen nutzen deshalb Prognosen zur
157
3
DAS UMFELD DES MARKETING
wirtschaftlichen Entwicklung für ihre Planung. Mittels so genannter Frühwarnindikatoren kann man erkennen, wie sich für das Unternehmen relevante wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändern werden, und dies in der Strategie berücksichtigen, um aus den Veränderungen resultierende Chancen zu nutzen.
3.3.3 Umwelt und Ressourcen
Zum natürlichen Umfeld des Unternehmens gehören die Ressourcen der Natur, die als
Input dienen und durch die Tätigkeit des Unternehmens berührt oder beeinträchtigt
werden können. Maßnahmen zum Schutz der Umwelt haben in den vergangenen drei
Jahrzehnten stetig an Bedeutung gewonnen. Der Schutz der natürlichen Umwelt wird
auf lange Sicht eines der wichtigsten Themen für Unternehmen und die Öffentlichkeit
bleiben. Weltweit haben in vielen Großstädten und Ballungsräumen Luft- und Wasserverschmutzung gefährliche Werte angenommen. Ozonloch, Treibhauseffekt und eine
damit verbundene bedrohlich zunehmende Erwärmung der Erdatmosphäre sind zu
ernsthaften Problemen geworden. In Zusammenhang mit dem Verhältnis des Menschen gegenüber der Umwelt wirken sich vier Trends auf das Marketing aus:
Verknappung der natürlichen Ressourcen
Steigende Energiekosten
Zunehmende Umweltverschmutzung
Umweltpolitische Interventionen staatlicher und supranationaler Institutionen
Verknappung der natürlichen Ressourcen
Luft und Wasser scheinen unerschöpfliche Ressourcen zu sein, aber besonders hier
sind auf lange Sicht Gefahren zu erkennen. Die Luftverschmutzung erstickt viele der
weltgrößten Städte und die Wasserknappheit ist ein großes Problem in weiten Teilen
der Welt. Die nachwachsenden Ressourcen wie Nahrungsmittel oder Hölzer müssen
ebenfalls überlegt eingesetzt werden. Der Bedarf an einigen nicht nachwachsenden
Rohstoffen wie Erdöl, Kohle und sonstigen Bodenschätzen führt zu Schwierigkeiten
und Engpässen. Unternehmen, deren Produkte diese immer knapperen Rohstoffe zur
Herstellung benötigen, sehen sich hohen Kostensteigerungen gegenüber, selbst wenn
die Rohstoffe noch verfügbar bleiben. Häufig ist es schwierig, diese Kosten über den
Verkaufspreis an die Käufer weiterzugeben. Eine Entspannung dieser Situation ist nur
durch die Erforschung und Entwicklung von Ersatzstoffen oder durch die Entdeckung
neuer Rohstoffvorkommen zu erwarten.
Steigende Energiekosten
Eine der nicht erneuerbaren Ressourcen, das Rohöl, stellt den derzeit größten Engpass für künftiges Wirtschaftswachstum dar. Die großen Industriestaaten der Welt
sind zu einem erheblichen Anteil vom Öl abhängig. Bis Ersatzprodukte entwickelt
sind, wird Erdöl für die internationale Wirtschaft und Politik ein Schlüsselprodukt
bleiben. Immer größere Bedeutung kommt deshalb der Entwicklung alternativer Energiequellen wie Wind- und Solarenergie zu. Andere Unternehmen konzentrieren ihre
Forschungs- und Entwicklungsbemühungen mehr auf die Schaffung von energie-
158
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
effizienten Technologien. So hat z. B. der Reifenproduzent Michelin einen Reifen auf
den Markt gebracht, der fünf Prozent weniger Treibstoff benötigt als ein herkömmlicher. Automobilkonzerne arbeiten intensiv an neuen Antriebstechnologien und energiesparenden Kompaktwagen.
Zunehmende Umweltverschmutzung
Die Industrie wird weltweit für die Schäden an der natürlichen Umwelt verantwortlich gemacht. Die „grüne Bewegung“ lenkt die Aufmerksamkeit auf die Verschmutzung der Umwelt durch die Industrie: Die Entsorgung chemischer und nuklearer
Abfälle, der hohe Quecksilbergehalt in den Meeren, chemische Rückstände im Boden
und in der Nahrung und die Verschmutzung der Umwelt durch biologisch nicht
abbaubare Materialien sind nur einige der diskutierten Themen.
Viele Unternehmen, besonders jene am schmutzigeren Ende der Produktionskette,
beklagen sich über die Kosten, die sich aufgrund der Umweltgesetzgebung oder der
Verpflichtung, neue, umweltgerechte Produktionsmethoden einzuführen, ergeben.
Auf der anderen Seite haben sich aufmerksame Manager den Sorgen der Öffentlichkeit in Bezug auf die Umwelt durch die Herstellung umweltschonender Produkte,
recyclebarer oder biologisch abbaubarer Verpackungen sowie verbesserter Produktionsprozesse angenommen.
Die Einhaltung von Umweltrichtlinien mag zwar eine Belastung darstellen, bietet
jedoch auch die Chance, neue Absatzpotenziale zu erschließen. Die steigende Nachfrage nach einer ökologischen Abfallentsorgung – dem Einsammeln, Transportieren,
Beseitigen und Recyclen von festen Abfällen – hat einen stetig wachsenden Wirtschaftszweig geschaffen, der Milliarden von Euros umsetzt. Europas Abfallindustrie
hat in den vergangenen zehn Jahren ein enormes Wachstum erlebt. Die Komplexität der EU-Umweltrichtlinien und nationalen Gesetze hat einen regelrechten Boom
bei Umweltberatungsunternehmen, insbesondere bei der Umweltanalyse und dem
Risiko-Management ausgelöst. Da das Umweltgeschäft seit einiger Zeit floriert, haben
clevere Unternehmer gelernt, wie man mit Abfall viel Geld verdient.
Nischenmärkte für Produkte, die besonders umweltfreundlich sind und für die
einige Verbraucher Höchstpreise zu zahlen bereit sind, haben sich in vielen Branchen
gebildet, angefangen bei Kosmetik und Hygiene-Artikeln bis hin zu Automobilen. Die
meisten Kaufinteressenten werden jedoch auch in Zukunft bei ihrer Kaufentscheidung einen Kompromiss zwischen Umweltbelangen einerseits und Leistungsfähigkeit
und sonstigen Qualitäten eines Produkts andererseits suchen.
So hat eine international durchgeführte Befragung ergeben, dass zwei Drittel der
Befragten in Venezuela sowie die Hälfte der Befragten in China, Indien und Ägypten bereit wären, zehn Prozent mehr für ein umweltgerechtes Produkt zu bezahlen. Es scheint jedoch deutlich einfacher zu sein, derartige Antworten im Rahmen
einer Befragung zu bekommen, als die Konsumenten dazu zu bringen, ihre offenbarte Einstellung in tatsächliches Kaufverhalten umzusetzen. Das Unternehmen „The
Body Shop“, das für seine umweltbewussten Produkte bekannt ist, hatte mit seiner
umweltbewussten Strategie gemischten Erfolg. Bei der Kaufentscheidung sind den
Konsumenten immer noch andere Attribute wichtiger als die Schonung der Umwelt.
Obwohl sich die Umweltauflagen mit Sicherheit auch weiter verschärfen werden,
müssen die anbietenden Unternehmen einen Weg finden, wie sie die Erwartungen
159
3
DAS UMFELD DES MARKETING
der Verbraucher in Bezug auf Preiswürdigkeit und Leistungsfähigkeit der Produkte
mit der Erfüllung der ökologischen Zielvorgaben in Einklang bringen können.
Umweltpolitische Interventionen staatlicher und
supranationaler Institutionen
Die Regierungen verschiedener Länder unterscheiden sich stark in ihren Bemühungen, eine saubere Umwelt zu fördern. Einige verabschieden schärfere Leitlinien und
Gesetze, die einen positiven und dauerhaften Einfluss auf die Umwelt haben als
andere. Ein Bericht, der verschiedene Länder an Hand von fünf Kriterien hinsichtlich
ihrer Umweltverträglichkeit einschätzt, setzt die nordischen Länder an die Spitze.
Bewertungskriterien sind z. B., inwiefern sich die Umweltbemühungen in den wichtigsten Industriezweigen entwickeln und ob Kooperationen mit anderen Ländern
bestehen, um gemeinsame ökologische Probleme zu lösen. Im Gegensatz zu den nordischen Ländern schneiden Belgien, Italien und Griechenland auffällig schlecht ab
(siehe Abbildung 3.10). Während manche Nationen die Umweltproblematik energisch
verfolgen, kümmern sich andere, vor allem weniger wohlhabende Länder, nur mäßig
darum. Der Grund dafür liegt sowohl in dem Mangel an finanziellen Mitteln, als auch
am politischen Willen. Aber auch reichere Nationen sind oftmals nicht willens oder
in der Lage, die gewaltigen finanziellen Mittel aufzuwenden, die nötig wären, um
wirksame Maßnahmen zugunsten der Umwelt umzusetzen.
Die allgemeine Hoffnung ist, dass sich die Unternehmen dieser Welt ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden und dass kostengünstigere Verfahren gefunden werden, um die Umweltverschmutzung zu kontrollieren und einzudämmen.
In vielen Ländern wurde die Wirtschaft eher dazu gezwungen als überzeugt, sich
Umweltschutzprogrammen anzuschließen. Umweltschutzbehörden wurden eingerichtet, um Verschmutzungsrichtlinien durchzusetzen und Studien über Umweltbelastungen durchzuführen. Die Umweltgesetzgebung ist in den vergangenen Jahren
erheblich verschärft worden und es ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung in
der Zukunft fortsetzt. Die Regierungen haben darüber hinaus das Potenzial freiwilliger Abkommen mit der Industrie erkannt. Ziel ist es, den Unternehmen zu helfen, die
Umweltstandards kosteneffizient umzusetzen.
Als Beispiel für erfolgreiche Selbstverpflichtungsabkommen kann der Nationale
Plan für Umweltpolitik der Niederlande (National Environment Policy Plan – NEPP)
gelten. Einige Branchen stimmten schärferen Umwelt- und Verschmutzungskontrollen zu, wofür ihnen die Regierung im Gegenzug etwas mehr zeitliche Flexibilität bei
der Einführung der Kontrollen gewährte. Obwohl die Unternehmen wussten, dass ein
Scheitern der Abkommen eine striktere Gesetzgebung nach sich ziehen würde, bot die
NEPP-Vereinbarung die Möglichkeit für eine Kooperation und den Dialog zwischen
Wirtschaft und Regierung. Im Rahmen des Programms wurden genaue Pläne verabschiedet, die nahezu 70 Prozent der umweltschädlichen Emissionen der Niederlande
erfassten. Vereinbarungen mit den großen Raffinerien der Region Rotterdam ermöglichten es, Smog und die Schwefeldioxidemissionen abzubauen. Absprachen mit der
Verpackungsindustrie führten zu einem Rückgang des Haushaltsmülls.
Absprachen mit der Regierung über Pläne zum Umweltschutz kommen eher in
den großen, organisierten Branchen der westlichen Industriestaaten wie der Mineralölindustrie, der chemischen Industrie, der pharmazeutischen Industrie oder im
160
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
40
50
60
70
40
Finnland
Norwegen
Uruguay
Schweden
Island
Kanada
Schweiz
Guyana
Argentinien
Österreich
Brasilien
Gabun
Australien
Neuseeland
Lettland
Peru
Paraguay
Costa Rica
Kroatien
Bolivien
Irland
Litauen
Kolumbien
Albanien
Zentralafrikanische
Republik
Dänemark
Estland
Panama
Slowenien
Japan
Deutschland
Maximalwert = 100
Abbildung 3.10: Umweltverträglichkeitsindex verschiedener Länder
161
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Nahrungsmittelsektor zustande. Manche Unternehmen gehen sogar über die Regierungsauflagen hinaus. Sie entwickeln umweltverträgliche Strategien und Maßnahmen
und gehen den Wünschen der Konsumenten nach ökologisch sicheren Produkten,
recyclebaren oder biologisch abbaubaren Verpackungen, besseren Verschmutzungskontrollen sowie energie-effizienteren Verfahren nach. Viele dieser Unternehmen, von
IKEA, LEGO, McDonald’s, IBM, 3M bis hin zu BMW erkennen den Zusammenhang
zwischen einer sauberen Umwelt und einer florierenden Wirtschaft.
3.3.4 Das technologische Umfeld
Das technologische Umfeld ist vielleicht die wichtigste Kraft, die unsere Zukunft
formt und gestaltet. Die Technologie hat Wunder wie das Penicillin, Organverpflanzungen, Notebooks und das Internet hervorgebracht, aber auch so grauenvolle Anwendungen wie die Atombombe, chemische Kriegführung oder das Maschinengewehr.
Auch Produkte wie Automobile, Fernsehgeräte oder Kreditkarten, denen manche
durchaus kritisch gegenüberstehen, sind erst durch Technologie-Einsatz möglich
geworden. Unsere persönliche Einstellung zur Technologie hängt davon ab, ob wir
uns mehr für die Erfolge begeistern oder von den Problemen und Risiken verunsichern lassen. Das technologische Umfeld ändert sich rapide. Marketing-Experten
sollten daher kommende Technologietrends intensiv beobachten.
Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts
Ein Großteil der heute alltäglichen Produkte waren vor hundert Jahren noch nicht
verfügbar: Fernseher, PCs, CD-Player, DVDs, Mobiltelefone und vieles mehr. Die Liste
kann beliebig fortgeführt werden. Dabei schaffen neue Technologien stets neue Märkte
und Absatzmöglichkeiten. Zumeist ersetzt eine neue Technologie eine ältere. Transistoren dezimierten die Industrie für Elektronenröhren, Kopierautomaten machten der
Industrie für Durchschlagpapier den Garaus, Automobile auf Autobahnen erwiesen
sich als Konkurrenz gegenüber den Bahnsystemen und Düsenflugzeuge setzten sich
gegenüber den Propellermaschinen durch. Immer, wenn traditionelle Industrien neue
Technologien ignorierten oder bekämpften, wurden sie zu Verlierern. Unternehmen,
die nicht in der Lage waren, technologische Veränderungen vorherzusehen und mit
ihnen Schritt zu halten, wurden schnell überholt und unterlagen im Wettbewerb.
Mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten ist heute in vielen Branchen schwieriger denn je. Die Lebenszyklen von Technologien sind typischerweise viel kürzer geworden. Als Beispiel kann die Schreibmaschine dienen. Die erste Generation moderner mechanischer Schreibmaschinen dominierte etwa 25 Jahre lang den
Markt. Die folgenden Generationen hatten kürzere Lebenszyklen: 15 Jahre bei elektromechanischen Modellen, sieben Jahre bei elektronischen Versionen und fünf Jahre
bei den ersten mikroprozessorgesteuerten Modellen. Heutige Computersoftware hat
häufig Produktlebenszyklen von weniger als einem Jahr.
Überdies können technologische Trends sehr unbeständig sein. Betrachtet man die
sich ständig ändernde Welt der Computerspiele, so stellt man fest, dass zunächst Kids
aller Altersstufen verrückt nach der Sega Dreamcast waren. Daraufhin wurde Sonys
Play Station zum absoluten Hit. Bereits Weihnachten 2000 wurde sie abgelöst durch
Nintendos Dolphin und Microsofts X-Box-System. Mittlerweise dominieren der Game
162
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Cube von Nintendo, die X-Box 360 von Microsoft und die Play Station 3 den Markt
und man kann sich sicher sein, dass diese schon sehr bald durch andere Systeme
ersetzt werden.
Unternehmen müssen sich umfassend über die technologischen Trends ihrer Branche informieren und darüber befinden, ob eintretende Änderungen die Fähigkeit ihrer
Produkte, die Bedürfnisse der Käufer optimal befriedigen zu können, in Frage stellen.
Auch Technologien, die in nicht verwandten Branchen erarbeitet werden, können
das Schicksal des Unternehmens dramatisch beeinflussen. Die Industrie der klassischen mechanischen Uhren z. B. wurde von der Initiative der Elektronikindustrie,
alles anbieten zu wollen, praktisch überrollt, als überall preiswerte Quarzuhren auftauchten. Unternehmen müssen stets ihre Hand am Puls der neuesten technologischen Entwicklung halten, um neue Produkt- und Marktchancen zu entdecken und
zu nutzen.
Hoher Kapitalbedarf für Forschung und Entwicklung
Spitzentechnologien und Innovationen erfordern umfangreiche Investitionen in Forschung und Entwicklung. In der pharmazeutischen Industrie gilt es heute als normal,
dass die Entwicklung eines neuen Medikaments 500 Mio. Euro verschlingt. Auch
andere Branchen sind durch hohe Forschungs- und Entwicklungskosten geprägt, wie
z. B. die Automobilindustrie, die Telekommunikations- oder Computerindustrie, die
Luft- und Raumfahrt, der Maschinenbau und die Unterhaltungselektronik. Der stetig
wachsende Forschungs- und Entwicklungsaufwand führt dazu, dass sogar größere
Unternehmen Schwierigkeiten haben, mehrere Technologien gleichzeitig zu führen.
Um diese Hürde zu überwinden, bilden Unternehmen strategische Allianzen, um
gemeinsam neue Produkte und Technologien zu entwickeln, oder kaufen Lizenzrechte für Technologien, die von anderen Unternehmen entwickelt wurden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Akquisition kleinerer, innovativer Unternehmen, die
keine ausreichenden finanziellen Mittel für die eigene Vermarktung neuer Technologien haben.
Tendenz zu kleineren Innovationsschritten
Infolge der hohen Kosten, die für die Entwicklung neuer Produkte anfallen, begnügen
sich viele Unternehmen damit, minimale Produktverbesserungen anstelle riskanter
Produktinnovationen vorzunehmen. Die hohen Kosten und Risiken einer falschen
Vermarktung lassen die Unternehmen vorsichtig an Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen herangehen. Sie investieren lediglich, um erfolgreiche Konkurrenzprodukte zu kopieren oder minimale Änderungen an Verpackung oder Aussehen vorzunehmen. Forschung und Entwicklung sind häufig eher defensiv als offensiv ausgerichtet.
Zunehmende staatliche Regulierung
Da technische Erzeugnisse immer komplexer werden, müssen sich die Käufer darauf
verlassen können, dass diese Produkte sicher sind. Aus diesem Grund sind offizielle Stellen damit beauftragt, Produkte auf Sicherheit und Zuverlässigkeit zu untersuchen und unsichere Produkte aus dem Verkehr zu ziehen. In der Europäischen Union
163
3
DAS UMFELD DES MARKETING
ebenso wie in den Vereinigten Staaten existieren zum Beispiel komplexe Regulierungen für die Zulassung neuer Medikamente, Maschinen oder Fahrzeuge. Eigene Prüforganisationen wie der Technische Überwachungsverein (TÜV), die DEKRA AG, der
VDI (Verein Deutscher Ingenieure) und der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) setzen in der Bundesrepublik Sicherheits- und Qualitätsstandards. Sie überwachen und vergeben Prüfsiegel oder Qualitätszertifikate für
einwandfreie Produkte und ziehen im Gegenzug gefährliche oder unsichere Produkte
aus dem Verkehr. Deutlich verschärfte Vorschriften haben teilweise zu Zulassungsverfahren geführt, die hohe Kosten verursachen und den Zeitraum von der Produktidee
Exkurs
Gefährliche Produkte – der Fall „Contergan“
Gegen 1961 kam die pharmazeutische Industrie Deutschlands mit dem Präparat
„Contergan“ und seinen Folgen zu trauriger Berühmtheit. Seit 1953 hatte man
einen Wirkstoff namens Thalidomid entwickelt, der 1957 unter dem Markennamen „Contergan“ als Beruhigungs- und Schlafmittel auf den Markt kam. Da
der Wirkstoff nicht der Klasse der so genannten Barbiturate angehörte, hielt man
ihn selbst bei Überdosierung für besonders sicher. Für die Einnahme während
der Schwangerschaft wurde das Mittel nicht nur als geeignet vermarktet, sondern sogar empfohlen. Es dauerte ziemlich lange, bis die Ärzte und Krankenhäuser bemerkten, dass die Zahl bestimmter Missbildungen bei Neugeborenen
drastisch angestiegen war. Zu diesen Missbildungen gehörten eine zu kleine Ausprägung von Armen oder Beinen (teils waren die Hände ohne Arm an der Schulter angewachsen), Nerven- und Sinnesschädigungen sowie schwere Schäden des
Verdauungstraktes. Als die Öffentlichkeit von diesen Zusammenhängen erfuhr,
waren bereits 10.000 Kinder mit Missbildungen geboren worden, von denen
nur 5.000 langfristig überleben sollten. Glücklicherweise blieb die Katastrophe
auf Deutschland und Großbritannien (mit etwa 600 Fällen) beschränkt. Die USGesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) hatte die Zulassung
damals noch etwas hinausgezögert, sodass in den USA nahezu keine Missbildungen aus dieser Ursache zu beklagen waren. Der Fall „Contergan“ führte langfristig
dazu, dass Arzneimittelentwicklungen heute mit einer Vielzahl von Tests begleitet werden müssen, um die Unschädlichkeit nachzuweisen.
Arzneimittelwirkungen und die Reinheit von Lebensmitteln sind sehr heikle
Gebiete, in denen Pannen und Katastrophen in der Vergangenheit mehrfach nicht
verhindert werden konnten. Man denke dabei an das Medikament „Lipobay“, an
die BSE-Krise oder im Mai 2002 an die Kontaminierung von Nahrungsmitteln mit
dem an sich seit mehr als zehn Jahren verbotenen Pflanzenschutzmittel Nitrofen.
Quelle: Aktuelle Berichterstattung Ende Mai/Anfang Juni 2002 in allen Medien,
u. a. o. V.: „Nitrofen im Weizen stammt aus altem DDR-Giftlager“, in: Welt am
Sonntag, Online-Ausgabe unter: www.die-welt.de, (02.06.2002).
164
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
bis zur Markteinführung verlängern. Die Verantwortlichen im Marketing müssen sich
hierüber und über die zu beachtenden Bestimmungen und Regelungen im Klaren sein.
Wer im Marketing tätig ist, muss tiefe Einblicke in die angewandten Technologien
und in die Technologie-Entwicklung seiner Branche haben und verstehen, auf welche Weise neue Techniken dem Kunden weiterhelfen und menschliche Bedürfnisse
befriedigen könnten. Es empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit der MarketingAbteilung mit den Forschungs- und Entwicklungsbereichen, um die Entwicklung
marktorientiert zu gestalten. Gleichzeitig muss das Bewusstsein aller Beteiligten dafür
geschärft werden, welche negativen Folgen neue Produkte mit sich bringen könnten,
die den Nutzern schaden oder das Unternehmen in die Kritik bringen könnten. Man
denke dabei nur an die aktuelle Diskussion über die Gentechnik.
3.3.5 Das politische Umfeld
Entscheidungen im Marketing werden auch stark von Entwicklungen in der Politik beeinflusst. Das politische Umfeld besteht aus dem gesetzlichen Regelwerk, aus
Behörden und politischen Gruppen, die auf den einzelnen Bürger und auf Organisationen in einer Gesellschaft einwirken und diese in ihren Entscheidungen und Aktivitäten einzuschränken vermögen.
Wirtschaftsrelevante Gesetzgebung
Selbst die liberalsten Verteidiger einer freien Wirtschaft räumen ein, dass eine Gesellschaft ohne ein Mindestmaß an Gesetzen nicht auskommen kann. Gut abgestimmte
Regulierungen und Gesetze können den Wettbewerb stärken und faire Marktbedingungen schaffen. Nahezu jede Marketing-Entscheidung unterliegt deshalb einer Vielzahl von Gesetzen und Bestimmungen.
In den meisten Industriestaaten nimmt die Gesetzgebung, welche die unternehmerische Betätigung reguliert, stetig zu. In der EU existiert eine Vielzahl an Gesetzen, die
das Wettbewerbsverhalten, die Produktstandards, die Produktzuverlässigkeit und die
finanziellen Transaktionen der Länder innerhalb der EU regeln. Auch die Vereinigten Staaten haben viele Gesetze, die sich um Angelegenheiten wie den Wettbewerb,
Umweltschutz und Produktsicherheit, aber auch Ehrlichkeit bei Werbeanzeigen, Verpackungen und Beschriftungen sowie um die Sicherstellung einer fairen Preissetzung
kümmern. Norwegen z. B. verbietet viele Arten der Verkaufsförderung, wie Sammelpunkte und Wettbewerbe mit der Begründung, dies seien unangemessene oder unfaire
Methoden der Absatzförderung. Thailand verlangt von Lebensmittelverarbeitungsbetrieben, nationale Marken zu Niedrigpreisen anzubieten, damit auch Konsumenten
mit geringem Einkommen in der Lage sind, diese zu kaufen. In Indien müssen Unternehmen, die ein Produkt auf den Markt bringen wollen, das bereits in ähnlicher Form
existiert (z. B. ein weiteres Cola-Getränk), ein spezielles Prüfverfahren durchlaufen.
Es ist nicht einfach, alle gesetzlichen Regelungen zu verstehen und zu berücksichtigen, die mit einer Marketing-Maßnahme einhergehen. Zunächst gibt es viele Gesetze
auf unterschiedlichen administrativen Ebenen: In der Europäischen Union sind dies
die Ebene der EU-Bestimmungen, die nationale Gesetzgebung (in der Bundesrepublik
oder in Österreich handelt es sich hier um die Gesetzgebung auf Bundesebene) und
165
3
DAS UMFELD DES MARKETING
die Gesetzgebung der Länder. Es folgen schließlich die Regelungen der regionalen
oder lokalen Behörden (Kommunale Ebene – Städte und Gemeinden). In vielen Staaten sind die Regelungshierarchien ähnlich aufgebaut. Häufig besteht Regelungskonkurrenz, die zum Teil durch Rechtsprioritäten (z. B. Bundesrecht bricht Landesrecht,
EU-Recht bindet auch den Bundesgesetzgeber) aufgelöst wird, zum Teil bleiben aber
konkurrierende Regelungen so lange bestehen, wie sie nicht auffallen oder stören.
Zum zweiten ändern sich diese Regelungen laufend. Was im letzten Jahr noch
erlaubt war, könnte in diesem Jahr vielleicht schon verboten sein. Im vereinten Europa
sind umfangreiche Neuregelungsvorhaben mit den Zielen der Öffnung von Monopolen, der Harmonisierung und der Rechtsangleichung im Gang. Diese Projekte brauchen ihre Zeit. Bis zur vollständigen Umsetzung wird ein Zustand stetigen Wandels
herrschen, der für das national und international orientierte Marketing Herausforderung und Unsicherheit zugleich bedeutet. Es wird daher viel zusätzliche Arbeit zu
leisten sein, um angesichts dieser Veränderungen der Gesetzgebung und der zugehörigen Interpretationen stets auf dem Laufenden zu sein.
Es existieren mehrere Gründe, warum die Regelung unternehmerischer Tätigkeit so
wichtig genommen wird:
Schutz der Unternehmen untereinander Der erste Grund ist, dass die Unternehmen
untereinander geschützt werden sollen. Obwohl Unternehmer den Wettbewerb in der
Regel als wichtig bezeichnen, versuchen sie manchmal, ihn auszuschalten, wenn er
ihnen nicht genehm ist. Aus diesem Grund gibt es Regelungen und Gesetze, die den
unlauteren Wettbewerb definieren und ihn verhindern sollen. Kartellaufsichtsbehörden, Monopolkommissionen und ähnliche Institutionen wachen über die Einhaltung
der Bestimmungen (in der Bundesrepublik das Bundeskartellamt mit Sitz in Bonn,
für den Bereich der EU die Dienststellen des zuständigen EU-Kommissars). Diese
Gesetze haben vielerlei Ziele wie z. B. bessere Wettbewerbspreise durch die Öffnung
des Telekommunikationsmarktes für neue Anbieter. Um eine zu große Marktmacht zu
verhindern, hat die EU-Wettbewerbsbehörde beispielsweise einen Zusammenschluss
der beiden großen schwedischen Lastwagenhersteller Volvo und Scania verboten.
Schutz der Verbraucher vor unfairen Geschäftspraktiken Der zweite Grund für
eine Wirtschaftsgesetzgebung ist, die Verbraucher vor unfairen Geschäftspraktiken zu
schützen. Es gibt Unternehmen, die ohne Aufsicht und ohne Androhung von Konsequenzen schlechte Produkte liefern, in der Werbung Übertreibungen oder Lügen
verbreiten und die Kunden mit Verpackung und Preisen in die Irre leiten würden.
Was unfaire Geschäftspraktiken im Detail sind, ist festgeschrieben und wird von
unterschiedlichen Institutionen durchgesetzt. In diesem Zusammenhang wurde die
EU-Richtlinie zum Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation
beschlossen, die den entsprechenden Behörden die Möglichkeit gibt, hart gegen Missbrauch und „Spam-Mails“ vorzugehen und Unternehmen, die derartige Mails versenden, zu bestrafen.
Schutz der Interessen der Gesellschaft Der dritte Grund ist, dass die Interessen
der Gesellschaft insgesamt geschützt werden sollen. Eine Gewinn bringende Unternehmenstätigkeit muss noch nicht eine bessere Lebensqualität für alle bedeuten.
Verschiedene Regelungen setzen deshalb dort an, wo nach heutigem Verständnis
166
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Unternehmen die Verantwortung und die Lasten für soziale Kosten aus ihrer Tätigkeit
tragen sollen.
Mit weiteren neuen Gesetzen und Verordnungen und ihrer Durchsetzung ist in zunehmendem Umfang zu rechnen. Alle, die im Unternehmen Verantwortung tragen,
müssen diese Entwicklungen bei der Planung von Produkten und MarketingProgrammen im Auge behalten. Jeder, der im Marketing tätig ist, muss über die
wichtigsten Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs, der Verbraucher und der Gesellschaft Bescheid wissen. Wer darüber hinaus im internationalen Marketing tätig
wird, sollte zusätzlich die nationalen, regionalen und lokalen Bestimmungen der Zielmärkte kennen, soweit sie Auswirkungen auf die internationale Marketing-Tätigkeit
haben könnten.
Die wachsende Bedeutung von Interessenverbänden
Anzahl und Macht von Interessenverbänden haben in den letzten beiden Jahrzehnten erheblich zugenommen. Verbraucherschutzorganisationen, die ihre Wurzeln in
den USA haben, sind inzwischen in ganz Westeuropa und grundsätzlich in allen entwickelten Ländern etabliert. Hunderte anderer Verbraucherinitiativen sind auf allen
Ebenen, lokal, regional, national, europaweit usw. anzutreffen, zum Teil privat, zum
Teil als Stiftungen oder Vereine, die mehr oder weniger stark durch den Staat unterstützt werden.
Andere Interessengruppen, die das Marketing in seine Planungen einbeziehen
muss, sind Umweltschutzinitiativen und Verbände, die sich die Förderung und Unterstützung von Teilen der Gesellschaft zum Ziel gemacht haben. Dies sind z. B. Initiativen zur Frauen- und Kinderförderung, zum Schutz ethnischer Minderheiten, zur
Unterstützung von Senioren oder zur Integration Behinderter.
Zunehmende Forderung nach ethisch und sozial verantwortungsvollem
Handeln
Nicht jeder Missbrauch des Marketing-Instrumentariums kann vorausgesehen und
durch gesetzliche Regelungen verboten werden. Bestehende Gesetze weisen möglicherweise Lücken oder Schlupflöcher auf oder sind aus praktischen Gründen schwer
durchsetzbar. Daher kommt jenseits aller geschriebenen Gesetze und Vorschriften
auch sozialen und ethischen Normen eine hohe Bedeutung zu. Gesellschaftlich verantwortlich handelnde Unternehmen ermutigen ihre leitenden Mitarbeiter, zu hinterfragen, was hinter den gesetzlichen Regelungen steht, und geben ihnen den Spielraum, ethisch und moralisch einwandfrei zu handeln und einfach „das Richtige zu
tun“. Solche Unternehmen suchen aktiv nach Methoden und Wegen, die langfristigen
Interessen ihrer Käufer und einer lebenswerten Umwelt zu schützen.
Die zunehmende Besorgnis über die Umwelt und Probleme, die sich z. B. aus der
Globalisierung ergeben, haben das Interesse an Fragen der Ethik, der Moral und der
Verantwortung für unsere Gesellschaft in der Bevölkerung neu geweckt. Marketing
kommt fast immer mit irgendeinem dieser Aspekte in Berührung. Weil oftmals gegensätzliche Interessenbereiche tangiert werden, können gelegentlich auch gut gemeinte
Aktivitäten in einer bestimmten Situation den Organisatoren entgleiten und eine
Eigendynamik entwickeln. Um die anstehenden Probleme verantwortungsbewusst zu
167
3
DAS UMFELD DES MARKETING
lösen, aber auch, um die interessierte Öffentlichkeit kompetent zu informieren, haben
Unternehmen, Branchen-, Industrie- oder Berufsverbände begonnen, Richtlinien für
einwandfreies Handeln zu entwickeln.
Auch der Boom im E-Commerce und dem Internet-Marketing hat neue soziale und
ethische Fragestellungen aufgeworfen. Der Wahrung der Privatsphäre gilt dabei die
größte Sorge. So müssen Nutzer des Internets oft persönliche Daten preisgeben, die
dann von unseriösen Anbietern missbraucht werden. Darüber hinaus werden sowohl
Microsoft als auch Intel beschuldigt, sich mithilfe spezieller Software und Mikrochips
Daten von Kunden zu verschaffen, um sie für Marketing-Zwecke zu gebrauchen.
Ein weiteres Problem liegt im Zugang und der Nutzung des Internets durch unautorisierte Gruppen wie z. B. Minderjährige. Es hat sich erwiesen, dass es sehr schwierig
ist, diese Gruppen von der Nutzung altersbeschränkter Seiten auszuschließen. Das
Internetauktionshaus ebay wurde Opfer eines 13-jährigen Jungen, der für mehr als
drei Millionen Dollar Antiquitäten und seltene Kunstgegenstände eingekauft hatte.
Zwar hat ebay strikte Richtlinien, in denen es Jugendlichen unter 18 Jahren untersagt, am Handel teilzunehmen, jedoch arbeitet ebay nach dem Ehrenprinzip (positive/negative Bewertung des Käufers/Verkäufers nach einer Transaktion), das wenig
gegen die Cyberspace-Einkaufstour dieses Jugendlichen ausrichten konnte.
In Kapitel 5 werden die öffentlichen und sozialen Werte, die eine MarketingEntscheidung beeinflussen, die gesetzlichen Bestimmungen, die Marketing-Experten
kennen sollten, sowie allgemeine ethische und soziale Fragestellungen, denen sie sich
regelmäßig gegenübersehen, nochmals vertieft aufgegriffen.
3.3.6 Das kulturelle Umfeld
Das kulturelle Umfeld des Marketing besteht aus Institutionen und anderen Kräften,
die die Grundwerte der Gesellschaft, die Präferenzen und das Verhalten prägen. Jeder
Mensch wächst in einer Gesellschaft auf, die seine Grundüberzeugungen und Werte
bestimmt. Dabei wächst in ihm ein Weltbild, das seine Beziehungen zu anderen und
seine Einstellung sich selbst gegenüber beeinflusst. Es ist dabei wichtig für das Marketing, diese bestimmte kulturelle Charakteristik in seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Marketing-Fachleute müssen diese kulturellen Einflüsse kennen und wissen, wie sie von Gesellschaft zu Gesellschaft, die das Unternehmen als Zielmarkt
bedient, variieren.
Die Beständigkeit kultureller Werte
Menschen, die einer bestimmten Gesellschaft angehören, haben viele Überzeugungen
und Wertvorstellungen. Deren Kern ist in hohem Maße beständig und konstant. Zum
Beispiel sind viele von uns davon überzeugt, dass man fleißig sein und arbeiten sollte,
dass es gut sei, zu heiraten und dass man für gute Zwecke spenden und ehrlich sein
sollte. Diese Grundüberzeugungen und Werte, die Eltern an ihre Kinder weitergeben,
werden z. B. durch die Schule oder religiöse Gruppen weiter gefestigt.
Sekundäre Überzeugungen können sich hingegen leichter ändern. Der Glaube
an die Ehe an sich ist eine Grundüberzeugung, der Glaube daran, dass Menschen
früh heiraten sollten, ist hingegen eine sekundäre Überzeugung. Marketing-Experten
168
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
haben eine realistische Chance, sekundäre Überzeugungen zu beeinflussen, jedoch
eine verschwindend geringe Chance, eine Grundüberzeugung zu ändern.
Veränderungen kultureller Werte
Auch wenn Grundüberzeugungen sehr überdauernd sind, finden durchaus kulturelle Veränderungen statt. Man denke dabei an den Einfluss populärer Musikgruppen, Filmstars, das Hairstyling oder sexuelle Normen. Marketing-Experten möchten
derartige Veränderungen vorhersehen, um neue Chancen und Bedrohungen für das
Unternehmen zu entdecken. Marktforschungsunternehmen haben die Aufgabe, derartige Entwicklungen zu antizipieren und zu dokumentieren. So hat zum Beispiel
der Prozentsatz der Personen, die Fitness und Wohlbefinden als sehr wichtige Werte
angeben, in den letzten Jahren stetig zugenommen. Derartige Erkenntnisse sind den
Marketing-Fachleuten sehr willkommen, da sie zu beurteilen helfen, welche Produkte
gute Chancen haben und welche Werbebotschaft die richtige ist.
Die grundsätzlichen Wertvorstellungen in einer Kultur werden darin ausgedrückt,
wie die Menschen sich selbst und andere, ihre Institutionen und Organisationen, die
Gesellschaft an sich, die Natur, die Erde und das Universum sehen.
Das Bild der Menschen von sich und ihren Mitmenschen Die Menschen variieren
stark darin, wie sehr sie ausschließlich für ihre eigenen Lebensvorstellungen und
Lebensziele arbeiten und inwieweit sie für die Gemeinschaft zu leben bereit sind.
Einige setzen persönliches Vergnügen, Spaß und Abwechslung an die erste Stelle.
Andere erstreben Selbstverwirklichung durch Religionsausübung, durch Freizeitaktivitäten oder sie verfolgen ambitionierte Karriere- oder andere Lebensziele. Die Menschen benutzen Produkte, Marken und das Dienstleistungsangebot als Instrument zur
Selbstverwirklichung und sie kaufen die Produkte und Dienstleistungen, die ihre Vorstellungen am besten zum Ausdruck bringen.
In den 80er Jahren nahmen die Phänomene persönlichen Ehrgeizes und des Egoismus
sehr zu, was auch entscheidende Umorientierungen im Marketing nötig machte. In
einer „Ich-Gesellschaft“ kaufen die Leute ihre „Traum-Automobile“ und streben einen
„Traum-Urlaub“ an. Diese Menschen verbringen mehr Zeit bei sportlicher Betätigung
im Freien (Jogging, Tennis), mit Kunst, Kultur und Kunsthandwerk.
Heutzutage hingegen streben Menschen wieder nach konservativeren Zielen und
Verhaltensweisen. Nach der „Ich-Gesellschaft“ glauben einige Soziologen auch wieder einen Trend zu mehr „Wir-Gesellschaft“ festgestellt zu haben, in der sich die
Menschen wieder mehr zusammenschließen und füreinander da sein wollen. Zu
Beginn des 21. Jahrhunderts sind Materialismus, demonstrative Geldverschwendung
und ausschweifender Genuss einem umsichtigeren Konsumverhalten sowie einem
gemeinschaftsbezogenen, familiären Verhalten mit sozialer Verantwortung gewichen.
Sparsamkeit, Sorge um die Familie und Gemeinsinn sind wieder auf dem Vormarsch.
Neuere Studien zeigen, dass sich wieder mehr Menschen für Wohltätigkeitsorganisationen, ehrenamtliche Arbeit und in der Hilfe für andere engagieren als noch vor
einigen Jahren. Dies bedeutet auch verbesserte Marketing-Perspektiven für Produkte
und Dienste, die gemeinschaftsorientiert sind wie Gesundheitszirkel, Familienferien
(z. B. das „Center-Parc“-Konzept), Gesellschaftsspiele oder auf dem Automobilmarkt
das Konzept der „Vans“ und „Minivans“. Zu erwarten ist auch ein wachsender Markt
169
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Abbildung 3.11: Beispiel einer Werbeanzeige von Chiquita, die das Gleichgewicht von Natur und Ökonomie als
Unternehmensziel thematisiert
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Chiquita Banana Company B.V.
für Produkte, die als „Gemeinschaftsersatz“ oder „Gemeinschaftsergänzung“ angesehen werden können. Dies können Produkte wie Videokameras oder Computer mit
Internetverbindung sein, die Menschen, die allein sind, darüber hinweghelfen können, indem doch Gemeinschaft mit anderen hergestellt wird.
Die Einstellung der Menschen gegenüber Organisationen Individuen haben sehr
unterschiedliche Ansichten über große Organisationen wie Unternehmen, Behörden, Gewerkschaften oder dem Bildungssystem und Hochschulen. Im Großen und
170
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
Ganzen arbeiten Menschen gerne in Organisationen, wobei sie aber erwarten, dass
diese ihre Funktionen und Aufgaben in der Gesellschaft erfüllen. Allerdings hat sich
eine gewisse Skepsis gegenüber den Autoritäten und großen Organisationen eingestellt. Skandale bei großen Unternehmen haben dieses Misstrauen verstärkt und dafür
gesorgt, dass man diesen nicht mehr blind vertraut. Es wird öfter nach der Sinngebung
und den Methoden gefragt. Am Arbeitsplatz selbst ist ein starker Rückgang in der
Loyalität zum Arbeitgeber festzustellen. Viele Menschen betrachten die Arbeit heute
nicht als Quelle der Befriedigung, sondern vielmehr als Quelle des Gehalts, um die
Stunden zu genießen, in denen man nicht arbeiten muss.
Dieser Trend bedeutet für diese Organisationen, dass sie neue Wege finden müssen,
das Vertrauen der Menschen zu erringen. Sie müssen ihre Werbung und Öffentlichkeitsarbeit einer kritischen Prüfung unterziehen, damit ihre Botschaft auch unter den
veränderten Umständen noch als „ehrlich“ aufgenommen werden kann. Sie müssen
auch ihre Aktivitäten kritisch untersuchen, damit sie nach wie vor als „nützliche Mitglieder der Gesellschaft“ angesehen werden. Immer mehr Unternehmen unterstützen
öffentliche Belange, damit über sie zusammen mit positiven Aktivitäten berichtet werden kann, was schließlich zu einem positiven Image in der Öffentlichkeit führt.
Die Einstellung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft Wir finden auch ganz
unterschiedliche Einstellungen gegenüber der Gesellschaft vor. Die Spannweite reicht
von den Patrioten, für die das Gemeinwesen alles ist, über Reformer, die die Gesellschaft verändern wollen, bis hin zu Unzufriedenen oder Aussteigern, die unsere
Gesellschaft lieber heute als morgen verlassen würden. Die Einstellungen des Einzelnen gegenüber Gemeinwesen und Gesellschaft bestimmen auch seine Reaktionen auf
das Marketing und sein Konsumverhalten, seine Sparneigung und seine Einstellung
gegenüber Markt und Marktwirtschaft.
In den reicheren Staaten Asiens, die gerade eine tief greifende Industrialisierung erleben, strebt der überwiegende Teil der Einwohner nach dem Lebensstandard und dem
Lebensstil, wie ihn die westlichen Industriestaaten vorleben. Die anzutreffende Zurschaustellung exklusiven Konsums und Stolz auf teure Importprodukte aus Europa
oder Amerika als Kennzeichen dafür, dass „man etwas erreicht hat“ und dass man
westlich gebildet ist, sind dort ein typisches Verhalten. Patriotismus beim Einkauf
ist dort nicht üblich, weil die eigenen Produkte als den ausländischen unterlegen
und weniger erstrebenswert als die Importwaren empfunden werden. Die Vorliebe
für westliche Produkte lässt eine größere Nachfrage nach im Westen produzierten
Waren vermuten und birgt damit Marketing-Chancen für Anbieter dieser Produkte. Im
Gegensatz dazu ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten in den entwickelten westlichen Industrienationen ein Zuwachs an nationalem Konsumentenpatriotismus zu
beobachten. Viele Konsumenten hoffen, dass der Kauf lokaler Produkte ihnen selbst
zu Gute kommt und lokale Arbeitsplätze sichert.
Insbesondere in den USA konnte man diese Entwicklung beobachten und hat entsprechende Kampagnen gestartet, so zum Beispiel eine Werbekampagne des Automobilherstellers Chevrolet, der behauptete, Chevrolet sei „der Herzschlag Amerikas“.
Viele Produkte tragen US-Flaggen oder markante „Made in USA“-Aufdrucke wie die
171
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Werkzeuge von Black & Decker. Diese Entwicklung wurde durch die Ereignisse des
11. September 2001 (Terroranschlag auf das World-Trade-Center) nachhaltig verstärkt.
Die Einstellung der Menschen gegenüber der Natur Auch hier kann man die
unterschiedlichsten Einstellungen vorfinden. Die einen fühlen sich von der Natur
beherrscht, andere finden sich im Einklang mit der Natur und wieder eine andere
Gruppe will die Natur zähmen. Lange Zeit herrschte in Verbindung mit einer gewissen
Technologiegläubigkeit die Ansicht vor, dass die Menschheit sich mithilfe der Tech-
Marketing-Highlight: Marimekko – Einfachheit verkauft sich gut!
In den 1960er Jahren machte Marimekko, ein kleines finnisches Unternehmen,
das Bekleidung, Taschen, Wohnraumtextilien und Accessoires herstellt, in den
USA Schlagzeilen. Warum? Nun, Jacqueline Kennedy, die damalige First Lady,
hatte über einen amerikanischen Zwischenhändler ihre Schwangerschaftsmode
bei dem noch kaum bekannten finnischen Designer bestellt. Später, nach der
Übernahme durch den finnischen Konzern Amer im Jahr 1985 schrieb das Unternehmen allerdings sechs Jahre lang rote Zahlen.
1991 kaufte Kirsti Paakkanen Marimekko zurück und stellte die Finanzstärke
des Unternehmens erfolgreich wieder her. Sie profitierte dabei von der bekannten Marke mit ihren akzentuierten Farben, bunten Mustern und unverwechselbaren Streifen. Marimekko sieht sich selbst als ein Lifestyle-Unternehmen, als
Synonym für finnisches Design in höchster Qualität, das auf Einfachheit und
Inspirationen aus der finnischen Natur setzt. Die schlichten, horizontal gestreiften T-Shirts stehen bei Marimekko für Qualität, Funktion und Bequemlichkeit.
Wie Kirsti Paakkanen sagt, besteht das Geheimnis des Unternehmens heute in
seinem klar definierten Wertekonzept: Gemeinschaftsgeist, Respekt und Mitgefühl – Werte, die auch im Jahresbericht von Marimekko klar und deutlich aufgezeigt werden. Das Unternehmen kann auf die loyale Unterstützung seiner Belegschaft zählen, die es vor allem der Weigerung der Geschäftsführung verdankt, die
Kreativität der Designer in irgendeiner Weise einzuschränken. Wahrscheinlich ist
dies der Grund, warum so viele Mitarbeiter treu zu Marimekko stehen: Rund 40
Prozent der Beschäftigten, die schon in den 1950er und 1960er Jahren zu dem
Unternehmen stießen, arbeiteten auch 2000 noch dort. Sein 50-jähriges Firmenjubiläum feierte Marimekko im Jahr 2001 vor dem Hintergrund ausgezeichneter
Wachstumsprognosen, ob zu Hause oder auf ausländischen Märkten in der EU,
den USA und in Japan.
Bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass Marimekko gerade im Ausland
höhere Umsätze erzielt, während viele Handelsketten, sobald sie außerhalb ihrer
Landesgrenzen expandieren, zu kämpfen haben. Bunt und frisch, groß und
gewagt – Marimekko hat das Zeug dazu, gleich nach Nokia eine der international bekanntesten finnischen Marken zu bleiben. Das belegt wohl nichts besser als
die Schlagzeile, die in der New York Times einen Artikel über skandinavisches
Design zierte: „Marimekko, I think I love you.“
172
3.3 Das Makro-Umfeld des Unternehmens
nik die Natur unterwerfen sollte. Dazu kam die Einstellung, dass sich die Menschheit
unbegrenzt aus der Natur alles holen kann, was sie braucht. Hier hat ein Einstellungsund Wertewandel eingesetzt, seit wir verstehen, dass die Natur anfällig für Störungen
ist, nicht als unerschöpflich angesehen werden darf und sehr wohl durch menschliches Handeln geschädigt oder zerstört werden kann.
Die zunehmende Liebe zur Natur hat zu einer wachsenden Popularität von Aktivitäten wie Camping, Bergsteigen, Bootswandern und Segeln oder Angeln geführt.
Die entsprechenden Branchen haben auf dieser Welle mehr Bergsteigerausrüstungen, Campingausstattungen, Insektenschutz, Mountainbikes und weitere Produkte für
die Naturbegeisterten entwickelt und verkauft. Reisebüros bieten „Trekking Tours“,
Reisen in wilde, unberührte Gebiete an. Nahrungsmittelhersteller haben wachsende
Märkte für „naturbelassene Produkte“ entdeckt wie „Natur-Frühstücksflocken“, „natürliche Eiskrem“ und eine Reihe von Produkten mit dem Zusatz „Land“ wie Landschinken, Landbrot, Landmilch usw. Gesundheitsorientierte Waren und Lebensmittel weisen überdurchschnittliche Wachstumsraten auf, in der Werbung spielen die
Natur und ein gesundes ländliches Umfeld eine wichtige Rolle. Einige Unternehmen
konnten durch die Inspiration aus der Natur und die Betonung der Schlichtheit große
wirtschaftliche Erfolge erzielen.
Die Einstellung der Menschen gegenüber dem Universum und der Religion Schließlich bleibt festzustellen, dass die Menschen sehr unterschiedliche Ansichten über den
Ursprung der Welt und ihre Rolle darin haben. Religionsausübung ist in vielen Teilen
der Welt ein wichtiger Bestandteil des Lebens geblieben. In den Vereinigten Staaten
und in Westeuropa wurde jedoch der Anteil der regelmäßigen Kirchgänger Jahr für
Jahr immer kleiner. Wenn die Menschen ihre religiöse Orientierung verlieren, suchen
sie Güter und Erfahrungen, die ihnen ein schnelleres Glücksgefühl in Aussicht stellen.
Während der 90er Jahre wurde der Erfolg zunehmend an Hand beruflicher Karriere,
Wohlstand und Besitz gemessen.
Einige Zukunftsforscher sagten jedoch voraus, dass das Interesse an der Religion wieder zunehmen würde als Teil einer Suche nach einer inneren Zweckbestimmung und
einem neuen Sinn des Lebens. Zum Jahrtausendwechsel hin, so glaubten sie, würde
sich eine Umorientierung ergeben weg vom Materialismus und einer Hai-frisst-HaiMentalität, hin zu mehr langfristig gültigen Werten und einer konsequenteren Unterscheidung dessen, was gut oder schlecht ist. Einige Experten stellen fest, dass dieser
Trend eine neue Spiritualität widerspiegelt, die die Konsumenten in allem beeinflusst,
von der Fernsehshow, die sie sich ansehen, über die Bücher, die sie lesen, zu den Produkten und Dienstleistungen, die sie kaufen. Weil die Konsumenten ihren Glauben
und ihre Werte nicht vor der Tür lassen, so sagt ein amerikanischer Experte, beziehen sie ihr Bewusstsein bei der Entscheidung über die Marke, die sie kaufen, mit ein.
Diese Erkenntnis stellt für ein Unternehmen eine einzigartige Marketing-Chance dar.
Auf vielen Märkten jedoch wird von diesem Wertewandel nicht viel zu spüren sein.
Indien, China und Südostasien sind Gesellschaften, in denen wirtschaftlicher Erfolg
und materieller Besitz einfach die Maßstäbe des gesellschaftlichen Wertesystems sind.
Solche Wertvorstellungen gelten auch in den Schwellenländern Europas wie zum
Beispiel in der Türkei sowie in einigen Staaten Lateinamerikas.
173
3
DAS UMFELD DES MARKETING
3.4
Interaktion mit dem Marketing-Umfeld
Viele Unternehmen sehen in ihrem Marketing-Umfeld eine nicht steuerbare, unbeeinflussbare Größe, die sie hinnehmen und an die sie sich anpassen müssen. Sie nehmen
das Marketing-Umfeld als gegeben hin und versuchen gar nicht erst, es zu ändern. Sie
analysieren die Kräfte aus dem Umfeld und entwickeln Strategien, die es dem Unternehmen ermöglichen sollen, die Bedrohungen zu überstehen und die Gelegenheiten
zu nutzen, die es bietet.
Andere Unternehmen versuchen in gewisser Weise auf das Umfeld einzuwirken
(„environmental management perspective“). Sie beobachten und reagieren nicht nur,
sie ergreifen die Initiative, um die Öffentlichkeit und die Kräfte in ihrem MarketingUmfeld in ihrem Sinne zu beeinflussen. Derartige Unternehmen heuern Lobbyisten
an, um die Gesetzgebung, die ihre Branche und ihre Aktivitäten berührt, mitzugestalten. Sie organisieren große publikumswirksame Auftritte in den Medien, um eine vorteilhafte Berichterstattung in Gang zu bringen. Sie schalten Anzeigen und Werbespots,
die redaktionellen Beiträgen täuschend ähnlich sehen, um die öffentliche Meinung zu
formen. Sie führen Gerichtsverfahren und reichen Beschwerden bei Aufsichts- und
Kontrollinstitutionen wie zum Beispiel beim Bundeskartellamt ein, um Konkurrenten einzuschüchtern. Sie versuchen, ihre Vertriebspartner durch sehr eng ausgelegte
Verträge zu binden, um auf diese Weise ihre Vertriebskanäle besser kontrollieren zu
können.
Häufig können Unternehmen einen Weg finden, um die scheinbar unkontrollierbaren Einschränkungen der Geschäftstätigkeit durch das Umfeld zu überwinden, wie
folgendes Beispiel zeigt:
Die Cathay Pacific Airline stellte fest, dass viele Fluggäste einen Bogen um den Zwischenstopp Hong Kong machten, weil dort erfahrungsgemäß sehr lange Wartezeiten
am Einreiseschalter zu erwarten waren. Anstatt dieses Problem einfach als unlösbar
hinzunehmen, fragten Cathay Pacific Manager die Regierung in Hong Kong, wie diese
Wartezeiten verhindert werden könnten. Nach längeren Verhandlungen einigte sich
die Fluggesellschaft mit der Regierung auf die jährliche Zahlung eines finanziellen
Zuschusses. Im Gegenzug wurde mehr Personal für die Abwicklung der Einreiseformalitäten eingestellt, die vorrangig für Fluggäste von Cathay Pacific zur Verfügung
standen. Die reduzierte Wartezeit erhöhte den Kundennutzen und stärkte dadurch
den Wettbewerbsvorteil der Airline.
Auch ein aktives Marketing kann und darf jedoch nicht immer auf das MarketingUmfeld einwirken. Häufig muss es sich damit zufrieden geben, einfach zu beobachten
und in geeigneter Weise zu reagieren. Zum Beispiel hätte ein Unternehmen sicherlich
große Schwierigkeiten, Bevölkerungsentwicklungen zu beeinflussen. Das Gleiche gilt
für das wirtschaftliche Umfeld oder grundlegende Werte und Einstellungen, die ihre
Verankerung in der Kultur einer Nation haben. Doch wann immer es möglich ist,
werden clevere Marketing-Manager proaktiv handeln und die Dinge selbst in die Hand
nehmen, anstatt dem Marketing-Umfeld nur reaktiv zu begegnen.
174
3.5 Zusammenfassung
3.5
Zusammenfassung
Um neue Geschäftsmöglichkeiten zu entdecken und Bedrohungen abzuwehren, muss
ein Unternehmen das eigene Marketing-Umfeld ständig beobachten und sich ihm
anpassen. Dieses Marketing-Umfeld besteht aus allen Akteuren und allen Kräften, die
die Fähigkeit des Unternehmens beeinflussen, effiziente Geschäftsbeziehungen mit
den Zielkunden einzugehen.
Für das Umfeld des Unternehmens bietet sich eine Unterteilung in das MikroUmfeld und das Makro-Umfeld an. Diese Einteilung der Bestimmungsgrößen erfolgt
in Analogie zu der in den Wirtschaftswissenschaften verwendeten Einteilung in
Mikro-Ökonomie und Makro-Ökonomie.
Das Mikro-Umfeld umfasst Akteure, die in unmittelbarer Beziehung zum Unternehmen stehen und gemeinsam das Wertschöpfungsnetzwerk des Unternehmens bilden.
Dazu zählen sechs Größen:
Das interne Umfeld des Unternehmens beinhaltet die innere Organisationsstruktur
mit ihren Abteilungen und Hierarchiestufen, die die Entscheidungen des Marketing
beeinflussen.
Die Lieferanten und Marketing-Mittler wie die Zulieferer, die Handelspartner,
freien Handelsvertreter, Speditionen und Logistikpartner, Finanzintermediäre wie
Absatzfinanzierungs- und Leasingunternehmen, Werbeagenturen usw. kooperieren
miteinander, um Kundenwert zu schaffen.
Die Märkte, auf denen das Unternehmen agiert, definieren gleichzeitig die entsprechenden Kunden – Endverbrauchermärkte, Industriegütermärkte, Handelsmärkte,
Märkte öffentlicher Institutionen, staatliche Nachfragemärkte und internationale
Märkte.
Die Konkurrenten fordern das Unternehmen bei der Befriedigung von Kundenbedürfnissen und bei der Gewinnung von deren Gunst heraus.
Verschiedene Teilbereiche der Öffentlichkeit haben ein aktuelles oder potenzielles Interesse sowie einen Einfluss auf die Zielerreichung des Unternehmens. Hierzu
gehören insbesondere Finanzinstitutionen, die Medien, der Staat, Bürgerinitiativen,
lokale Interessengruppen sowie die allgemeine und die unternehmensinterne Öffentlichkeit.
Das Makro-Umfeld des Unternehmens besteht aus den Kräften, die einerseits Chancen für die Unternehmenstätigkeit schaffen, andererseits aber auch das Unternehmen
bedrohen und in seiner Existenz gefährden können. Hierzu gehören Entwicklungen,
die in der Bevölkerungsdynamik, in der Wirtschaft, in der Natur, in der Technik sowie
in Politik und Kultur begründet sind und das gesamte Mikro-Umfeld betreffen.
Das demografische Umfeld zeigt in vielen Ländern Europas, Amerikas und Asiens
eine enorme Dynamik in Form sich ändernder Wachstumsraten, Altersstrukturen,
Familienformen und Ausbildungsniveaus und übt damit einen starken Einfluss auf
das Marketing aus.
Das wirtschaftliche Umfeld wirkt mit sich änderndem Realeinkommen und verändertem Kaufverhalten auf das Marketing ein. Konsumenten streben verstärkt eine
geeignete Kombination aus Produktqualität und gutem Service zum fairen Preis an.
Im Hinblick auf die Umwelt liegen die wichtigsten Veränderungen in der Knappheit bei bestimmten Rohstoffen, steigenden Energiekosten, zunehmender Verschmut-
175
3
DAS UMFELD DES MARKETING
zung der Umwelt, sich ausweitenden staatlichen Regulierungen bei Rohstoff-/
Abfallkreisläufen und in einem grundsätzlich steigenden Interesse der Bevölkerung
an diesen Themen.
Das technologische Umfeld ist durch einen rapiden technischen Fortschritt, tendenziell steigende Kosten für Forschung und Entwicklung, eine Konzentration auf
kleinere Innovationsschritte anstelle großer technologischer Neuerungen und zunehmend durch regulierende Eingriffe des Staates gekennzeichnet.
Auch im Rahmen des politischen Umfelds ist eine Zunahme der Gesetzgebungsaktivitäten zu beobachten, die sich auf das Marketing und die Unternehmenstätigkeit
beziehen. Öffentliche Interessengruppen (Gewerkschaften, Bürgerinitiativen) dürften
weiterhin an Bedeutung gewinnen und gleichermaßen Druck auf die Unternehmen
und die Politik ausüben. Ethik und gesamtgesellschaftlich verantwortliches Handeln
werden zu Maßstäben, an denen die Unternehmen gemessen werden.
Dies leitet über zum kulturellen Umfeld des Marketing. Es sieht so aus, als ob wir
langfristig einen Umschwung zu einer „wir“-orientierten Gesellschaft erleben könnten, mit weniger Loyalität gegenüber und innerhalb von Organisationen, mit zunehmender Wertschätzung für die heimatliche Region und eine intakte Natur und einer
höheren Bedeutung von eher konservativen Wertemustern.
Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden, um auf das MarketingUmfeld einzugehen. Es kann das Marketing-Umfeld als unbeeinflussbar und gegeben ansehen und sich darauf einstellen, Bedrohungen auszuweichen und Chancen
zu realisieren, oder es kann versuchen, proaktiv an der Veränderung des Umfelds
mitzuwirken, indem es die Perspektive des „environmental management“ einnimmt.
ANREGUNGEN ZUR DISKUSSION
1. Nehmen Sie das Beispiel eines
Freizeit- und Abenteuerparks. Welche Faktoren werden das MarketingUmfeld des Unternehmens beeinflussen? Welche Trends werden auf
den Erfolg des Parks in den nächsten
Jahren einwirken? Nehmen Sie an,
Sie wären in verantwortlicher Stelle
im Marketing eines derartigen Parks
tätig. Was würden Sie sich einfallen
lassen, um auf diese Zeitströmungen
zu reagieren?
2. Die Senioren sind das am stärksten
wachsende Segment in der Bevölkerung der weiter entwickelten
Nationen. Wenn Sie der MarketingVerantwortliche eines Unternehmens im Gesundheitssektor wären,
176
wie würden Sie den potenziellen
Marktchancen durch diese Konsumentengruppe begegnen?
3. Interessengruppen, Lobbyisten und
Bürgerinitiativen spielen eine wichtige und vielfach positive Rolle
dabei, die Interessen der Gemeinschaft zu vertreten. Greifen Sie sich
eine Gruppe heraus, die Sie gut
kennen, und beschreiben Sie ihre
Ziele. Zeigen Sie Lösungsmöglichkeiten auf, wie ein Anbieter von
Gütern und Dienstleistungen, den
die von Ihnen gewählte Gruppe im
Visier hat, befriedigend auf die Forderungen oder den Druck dieser
Gruppe reagieren sollte.
3.5 Zusammenfassung
4.
5.
Viele jüngere Mitmenschen sind
sehr besorgt über die Zerstörung
der Umwelt. Wie beeinflusst
dieser Trend ein Unternehmen,
das bisher Frühstücksbeutel aus
Plastik hergestellt hat? Diskutieren Sie Probleme, Lösungswege
und Zukunftsaussichten für dieses Unternehmen.
Viele Zielvorstellungen des Marketing, zum Beispiel höhere
Qualität, erfordern vorbehaltlose Unterstützung von einer
wichtigen internen Gruppe, den
Mitarbeitern des Unternehmens.
Andererseits weiß man, dass
es in zahlreichen Unternehmen
Konflikte zwischen Unternehmensleitung und den Mitarbeitern gibt und dass Loyalität gegenüber einem Unternehmen nicht selbstverständlich ist.
Wie würde Ihrer Ansicht nach
ein Konzept des nach innen
gerichteten Marketing für die
Mitarbeiter aussehen, um mit
deren Unterstützung die Unternehmensziele zu erreichen?
ANWENDUNG DER KONZEPTE
1. Veränderungen im Umfeld des Marketing bedeuten, dass die Unternehmen Bedürfnisse des heutigen Käufers bedienen müssen, die sich teilweise sehr von jenen in der Vergangenheit unterscheiden. An diesen
Änderungen im Umfeld des Marketing lässt sich verfolgen, wie Unternehmen ihre Produkte im Laufe der
Zeit angepasst und modifiziert haben.
Stellen Sie eine Liste von Produkten auf, die behaupten, besonders wenig oder besonders viel von
einem bestimmten Inhaltsstoff zu
beinhalten. Beispiele sind: wenig
Kalorien, wenig Alkohol, wenig
Fett, wenig Cholesterin, viel frische
Milch, hoher Anteil an ungesättigten Fettsäuren usw.
Stellen Sie daneben eine Liste von
Produkten auf, die nach diesen Produktkriterien genau das Gegenteil
zu bieten scheinen und stellen Sie
diese Produkte zu Produktpaaren
zusammen!
Welche Produkte, glauben Sie,
kamen zuerst? Glauben Sie, dass
man hier eine wirkungsvolle Antwort auf ein sich änderndes Umfeld
des Marketing finden kann? Warum
oder warum nicht?
2. Das politische Umfeld kann direkten Einfluss auf die Verantwortlichen des Marketing und ihre Pläne
haben. Denken Sie über einen kürzlich erfolgten wesentlichen politischen Richtungswechsel in einem
Land Ihrer Wahl nach.
Nennen Sie drei Branchen, deren
Marketing-Pläne und -Strategien
durch einen politischen Wechsel
getroffen würden!
Nennen Sie für jede der drei Branchen, die Sie aufgeführt haben, drei
mögliche Strategien, um die sich
anbahnenden bzw. stattgefundenen Veränderungen im politischen
Umfeld abzufangen! Obwohl politische Richtungsänderungen wahrscheinlich sind, treten sie wirklich
ein? Wie sollen sich Unternehmen
in solchen Situationen verhalten?
177
3
DAS UMFELD DES MARKETING
Literatur und Quellen
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