Zusammenhang zwischen biologischer Aktivität und lokalen

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Fischer, Gunter et al. | Zusammenhang zwischen biologischer Aktivität und lokalen ...
Tätigkeitsbericht 2005
Struktur- und Zellbiologie
Zusammenhang zwischen biologischer Aktivität und lokalen
Konformationsänderungen in Proteinen
Fischer, Gunter; Bordusa, Frank
Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung, Halle/Saale
Forschungsbereich - Enzymologie der Proteinfaltung
Korrespondierender Autor: Fischer, Gunter
E-Mail: fi[email protected]
Zusammenfassung
Die Aufrechterhaltung normaler physiologischer Funktionen einer Zelle oder von Zellverbänden ist direkt mit der Sicherung der nativen, funktionalen Konformation zellulärer Proteine verbunden. Konformativ abweichende Proteine können ihre Funktion nicht erfüllen und sind im schlimmsten Falle sogar
zelltoxisch. Unter diesen Umständen spielen sie oft für die molekulare Pathogenese vieler Erkrankungen beim Menschen eine entscheidende Rolle. Der Zusammenhang zwischen Konformation und
biologischer Aktivität eines Proteins wird durch ein außerordentlich komplexes Netzwerk intra- und
intermolekularer Wechselwirkungen bestimmt. Globale Konformationsänderungen in einem Protein
sind durch Membraninsertion, Denaturantien, Stabilisatoren und andere Zusatzstoffe leicht zu erzielen.
Immer sind Hunderte von chemischen Bindungen im Protein gleichzeitig von Konformationsänderungen betroffen. Bisher weiß man wenig über die Beziehungen zwischen definierten Konformationsänderungen und der dadurch bedingten Modifizierung der Proteinfunktion. Als Ursache gilt, dass es nur
unzureichend gelingt, schnelle, selektive Konformationsänderungen einzelner Atomgruppen in einem
Protein zu bewirken, an einem vorbestimmten Ort der Polypeptidkette zu platzieren und den biologischen Effekt dieser Änderungen unmittelbar zu untersuchen. Gunter Fischer und seine Mitarbeiter
haben neue Verfahren entwickelt, um den Einfluss der Konformation einer einzelnen Peptidbindung
auf die enzymatische Aktivität von RNase S und die Strukturbildung bei einer Polyprolin II-Helix zu
messen. Neben der gezielten „Umschaltung“ einer lokalen Konformation in Proteinen steht die Frage
der Induktion nativer Proteinkonformationen durch intermolekulare Wechselwirkungen im Fokus
der Untersuchungen. Durch dieses Verfahren kann es gelingen, nicht-native Faltungszustände wieder
funktional werden zu lassen. Die Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie
der Proteinfaltung haben das IANUS-Verfahren (IANUS: : Induced orgANization of strUcture by matrix-assisted togethernesS) entwickelt. Dabei werden Bibliotheken von Peptidpaaren auf einer planaren
Matrix synthetisiert, die aus binären Protein-Protein-Komplexen abgeleitet sind. Unter den Bedingungen des IANUS-Verfahrens kann man aus den Peptidpaaren die Architektur der Protein-Protein-Interaktionsstellen bestimmen.
Abstract
Preservation of the functional conformation of proteins may be critical for maintaining the physiological function of cells and tissues. Being toxic in the extreme case, proteins with aberrant conformational properties lack proper functioning in cells. More specifically, a defective protein conformation was
shown to play a major role in the molecular pathogenesis of many human diseases. A highly complex
array of intra- and intermolecular interactions determines the relationship between conformation and
biological activity of a protein. Denaturants, membrane insertion, stabilizers and other additives were
considered suitable for inducing conformational changes of a protein on the global scale. However,
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the conformational process involves the simultaneous switching of hundreds of chemical bonds. Until
now deciphering the relationship between a local conformational change and the function of the
protein involved is restricted to a few cases. Major limitations are (1) a lack of fast methods to switch
a limited polypeptide segment to another position, (2) to position the conformational change at a
predetermined site (3) to directly probe the new conformational state for biological activity. Gunter Fischer and colleagues have developed new methods for measuring the effect of a very local conformational change, predisposing a single peptide bond in the polypeptide chain, on the enzymatic activity
of RNaseS and the structure formation of a polyproline II helix. In addition, methods for induction of
native protein conformation by external forces, which relate to conformational switching at local sites
on the molecular level, have been investigated. It can be hypothesized that a ligand complementary to
the binding site of a native protein induces a functional protein state in a non-native protein. A group
at the Max-Planck-Research Unit for Enzymology of Protein Folding created the IANUS procedure
(IANUS: Induced orgANization of strUcture by matrix-assisted togethernesS). A library of matrixbound peptide pairs characterizes the IANUS experiment where a low resolution three-dimensional
picture of protein-protein interaction sites can be evaluated on the basis of sequence information only.
Conformational induction of native-like polypeptide segments forms the molecular basis of the IANUS
method.
Die Bioaktivität eines Proteins ist direkt an dessen Faltungszustand gekoppelt und somit mit der Konformation der Polypeptidkette verknüpft. Die globale bioaktive Konformation eines Proteins ist eine
gut zugängliche Größe und wird durch dessen dreidimensionale Struktur im nativen Zustand charakterisiert. Die Zusammenhänge zwischen der Konformationsdynamik und der biologischen Aktivität sind
weniger gut untersucht, obwohl Konformationsänderungen zwangsläufig ein Bestandteil der Adaption
der Proteine an ihre zelluläre Funktion sind. Noch wesentlich unschärfer sind Informationen darüber,
inwieweit streng lokalisierte Konformationsänderungen – etwa innerhalb des Radius einer einzelnen
funktionellen Gruppe oder Bindung – biologische Aktivitäten tangieren. Globale, sich über Hunderte
und Tausende von Bindungen erstreckende simultane Konformationsänderungen sind leicht zu erreichen, wie man aus Faltungs/Entfaltungsexperimenten der Proteine gut ableiten kann. Allerdings ist
auch bei diesen Experimenten die Zuordnung eines bestimmten Faltungszustandes zur biologischen
Aktivität des Proteins in den meisten Fällen nicht gelungen.
Gunter Fischer und Frank Bordusa haben mit der Substitution einer Peptidbindung durch die isostere
Thioxopeptidbindung einen universell anwendbaren, photoaktivierbaren konformationellen Schalter in
eine Polypeptidkette eingeführt. Durch UV/Vis-Bestrahlung eines Thioxopeptids, das eine sekundäre
Thioxoamid-Peptidbindung enthält, wird der ursprüngliche Gehalt am cis-konformeren Peptid von
zirka 0,2 auf bis zu 20 % mit einer Zeitkonstanten im Pikosekundenbereich erhöht. Alle übrigen Bindungen in einer Polypeptidkette bleiben konformativ unbeeinflusst. Somit wird eine genau definierte
Konformationsänderung in einem eng begrenzten Bereich einer Polypeptidkette erreicht, bei dem sich
der Abstand der C-alpha-Atome der durch die Thioxopeptidbindung verbundenen Aminosäuren um
zirka 0.8 Ảngström verkürzt.
Bei der Photoschaltung der Thioxopeptidbindung von trans nach cis zwischen den Aminosäuren Ala4
und Ala5 des S-Peptides von RNase S gelang es nachzuweisen, dass die enzymatische Aktivität der
RNAse S komplett verloren geht. Dies geschieht, obwohl die photoinduzierte Konformationsänderung
relativ weit entfernt vom aktiven Zentrum des Enzyms stattfindet. Schaltet man die Peptidbindung in
die ursprüngliche Konformation zurück, wird das Enzym wieder voll aktiv.
In einem zweiten Beispiel haben die Wissenschaftler die für Protein-Protein-Wechselwirkungen äußerst bedeutsame Polyprolin II-Helix mittels der photoschaltbaren Thioxosonde untersucht. Hier stand
der bisher offene Bildungsmechanismus für diese Sekundärstruktur zur Diskussion. Fischer und sein
Team haben herausgefunden, dass Konformationsänderungen innerhalb der Helix räumlich gerichtet
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sind. Alle Rotationsbewegungen in bereits gebildeten Helixbereichen verlangsamen das Kettenwachstum, wenn sie C-terminal zu einem noch nicht in die Helix eingebundenen Prolinrest lokalisiert sind.
Sind die Helixbereiche N-terminal vorhanden, sind sie weitgehend ohne Einfluss auf die Kettenverlängerung (Dirk Wildemann, Stephan Wawra, Christian Lücke).
Die Forschergruppe in Halle untersuchte weiterhin die Möglichkeit, aus den Interaktionsdaten kurzkettiger Oligopeptide – abgeleitet aus den Aminosäuresequenzen zweier interagierender Proteine oder
eines Proteins und eines Peptides – die Architektur der Interaktionsstellen im Proteinkomplex abzuleiten. Während kurzkettige Peptide durch automatisierte chemische Synthese leicht zugänglich sind,
müssen zur Herstellung von Proteinen aufwändige biologische Verfahren angewandt werden. In manchen Fällen sind native Proteine in den Mengen, die zur Charakterisierung von Protein-Protein-Wechselwirkungen notwendig sind, überhaupt nicht zugänglich. Eine einfache Methode, die in der Lage
ist, ein dreidimensionales Bild der Wechselwirkungsstellen und der daran beteiligten Sequenzbereiche
zu liefern, ist daher für biologische und pharmakologische Forschungen außerordentlich hilfreich. Zu
diesem Zwecke wurde das IANUS-Verfahren entwickelt und am Streptavidin-Strep-tag II-Komplex
erprobt.
Abb. 1: Prinzip der IANUS-Methode: Zwei an ein bifunktionelles Templatmolekül gebundene Oligopeptide werden auf definierten Spots auf einer Zellulosemembran synthetisiert. Oligopeptid I ist aus der Aminosäuresequenz
eines interagierenden Proteins A (IPA) und Oligopeptid II aus der Aminosäuresequenz seines Interaktionspartners Protein B (IPB) abgeleitet. Die IANUS-Peptidmembran wird mit Protein IPA inkubiert und auf Bindung
des Proteins IPA an den jeweiligen Spot mittels Western-blot-Analyse getestet. (A) Nativähnliche Interaktion
innerhalb des Oligopeptidpaares unterdrückt die Bindung des Antikörpers an den jeweiligen Spot. Es ist keine
Spotfärbung zu beobachten. (B) Falls keine Interaktion im Peptidpaar zu verzeichnen ist, wird der Antikörper
gebunden. Der Spot wird dunkel gefärbt.
Urheber: Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung
Zur Lösung des Verteilungsproblems der multiplen Peptidkonformationen wurde die effektive Konzentration der potenziell interagierenden Oligopeptide durch intramolekulare Anordnung beider Ketten
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auf einem matrixfixierten bifunktionalen gabelförmigen Molekül (Templat) so erhöht, dass eine konformationelle Induktion erfolgen kann. Die in den Peptidpaaren induzierten nativ-ähnlichen Interaktionen wurden über ein antikörpergestütztes Detektionssystem von nicht-interagierenden Oligopeptidpaaren unterschieden (Abb. 1). Beim IANUS-Verfahren wird die gesamte Kollektion der potenziellen
Interaktionsstellen in einem Spot-Array erfasst. Ein Peptidblock umfasst somit die gesamte Aminosäuresequenz des jeweiligen Proteins in Form von überlappenden, gleich langen Oligopeptiden.
Für den Streptavidin-Strep-tagII-Komplex, dessen dreidimensionale Struktur durch Röntgenstrukturanalyse bekannt ist, wurde mit der IANUS-Methode die nahezu vollständige Bindefläche beider
Moleküle erfasst. Es wurde vor allem keine falsch-positive Interaktionsstelle identifiziert. Diese neue
Strategie der Bindeflächenerkennung von Proteinkomplexen, die auf der konformativen Induktion
komplementärer molekularer Oberflächen von Oligopeptidpaaren beruht, ist erweiterungsfähig. Durch
Fluoreszenzmarkierung gelang es bereits, komplementäre Oberflächen der IANUS-Peptidpaare direkt
zu detektieren. Damit kann man eine Interaktionsanalyse durchführen, die als Informationsbasis
ausschließlich die Primärstrukturen der interagierenden Proteine nutzt. Die Herstellung eines Proteins
in Substanz ist dann nicht mehr erforderlich (Cordelia Schiene-Fischer, Günther Jahreis, Chao Yu,
Miroslav Malesevic, Mike Schutkowski).
Konformative Erkennungsprozesse werden auch bei hochspezifischen Antikörper-Antigen-Reaktionen
realisiert. Molekulare Basis dieser Erkennungsprozesse ist im Falle von peptidischen Epitopen primär
die Abfolge der im Epitop vorhandenen individuellen Aminosäuren (Primärsequenz). Diese können
aufeinanderfolgend auf der Polypeptidkette angeordnet sein (lineares Epitop) oder aber infolge der
Strukturierung des proteinogenen Bindungspartners ein so genanntes nicht-lineares Epitop ausbilden,
bei dem die durch den Antikörper selektiv erkannten Aminosäuren in der Primärsequenz weit voneinander entfernt positioniert sein können. Damit liefert die Analyse derartiger Interaktionen Strukturdaten, die neben einer rein diagnostischen Anwendung auch Relevanz für Konformationsuntersuchungen
in Proteinen besitzen. Letztere ist besonders bedeutsam, weil die konformationsspezifische Identifizierung von Xaa-Pro-Bindung (Xaa steht für eine beliebige Aminosäure) in Proteinen unter Zellbedingungen noch ungelöst ist, aber besonders für im Zellzyklus verankerte Proteine von hoher Relevanz
wäre. Voraussetzung für den effizienten Einsatz dieser Sonden ist jedoch ein analog sensitives Detektionssystem für den Antikörper selbst. Ideal hierfür wäre die Dekoration des Antikörpers mit bereits
in geringer Konzentration nachweisbaren Reportergruppen. Die Einführung solcher Funktionalitäten
führt allerdings wegen der fehlenden Selektivität chemischer Modifizierungsreaktionen in aller Regel
zu einer Modifizierung der Epitop-bindenden Bereiche des Antikörpers und damit zu dessen Inaktivierung. Die Forscher der Max-Planck-Forschungsstelle lösten dieses Problem durch die Verwendung
einer so genannten ,Restriktionsligase’. Dieses, durch den Austausch von vier Aminosäuren aus der
Serinprotease Trypsin erhaltene Enzym, erkennt selektiv die Tetraaminosäure-Sequenz Tyr-Arg-HisAla und katalysiert in einer Transamidierungsreaktion die Abspaltung der Teilsequenz Arg-His-Ala
unter Ersatz mit einer analogen, jedoch die Reportergruppe enthaltenden Peptidsequenz. Der Einbau
dieser Erkennungssequenz in die C-terminale Region der beiden Fab-Fragmente (Fab: Antigen-bindende
Region des Antikörpers) führt demzufolge neben der Abspaltung der für die Epitop-Bindung verantwortlichen Fab-Fragmente gleichzeitig zu deren C-terminaler Modifizierung mit der entsprechenden
Reportergruppe (Abb. 2). Das Produkt dieser Reaktion, ein funktionell auf die Bindung des Epitops
verkürzter und selektiv am C-Terminus markierter Antikörper, lässt sich direkt für Faltungsstudien
einsetzen (Frank Bordusa, Sandra Liebscher in Kooperation mit Roche Diagnostics).
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Abb. 2: Strategie zur selektiven Abspaltung der Epitop-bindenden Fab-Fragmente von Antikörpern unter gleichzeitiger C-terminaler Markierung (6-CF: 6-Carboxyfluorescin) mittels einer von der Serinprotease Trypsin
abgeleiteten synthetischen ,Restriktionsligase’. Als Produkt dieser Reaktion werden funktionale und selektiv mit
Reportergruppen markierte Antikörper-Fragmente für Konformationsuntersuchungen erhalten.
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