Immun-Zelltherapie gegen Krebs…

Werbung
biomed_Heft_0703
16
16.11.2007
16:11 Uhr
Seite 16
schwerpunkt onkologie
Erratum
Zum Artikel „Entwicklungsbiologie – wo sich Tumorgenese
und Stammzellforschung treffen“, biomed austria , Nr.
2/2007, S. 24-26
Selbstverständlich hat der Fadenwurm oder Nematode,
der uns auch für die Tumorbiologie so viele Erkenntnisse liefert, den wunderschönen Namen Caenorhabditis elegans.
Er sollte eigentlich
nur mit einem Bild in
der letzten Ausgabe
vertreten sein, sorry –
Urlaubspanne. Ich
möchte Ihnen aber zu
meinem Artikel eine
Ansicht von Marburg
nicht schuldig bleiben.
Marianne Fliesser
zytenaktivität anheizt und den Tumor
necrosis factor (TNF) boostet bzw. wird
angenommen, dass die eigentlich aktive Substanz Interleukin-12 (IL-12) ist.
Ralf Steinman sah als erster die den…bedeutet, das Immunsystem kompetent und scharf
tritischen
Zellen (dendritic cells, DC) als
machen gegen das Ungeheuer Krebs.
Hoffnungsgebiet in der Krebstherapie.
1995 wurden erstmals DCs eingesetzt.
Der Ausgangspunkt der Immun-Zelltherapie liegt also in
Am 24. Mai 2007 veranstaltete der Verein zur
Förderung von Frauengesundheit ein Sympo- den dendritischen Zellen, Grund genug, mehr über diese gesium, das vom Life Science Unternehmen Cell- heimnisumwobenen Zellen zu erfahren.
med in Krems unterstützt wurde. Das Thema
Schwerpunkt
der Veranstaltung „Adulte Stammzellen in der
Zelltherapie“ beinhaltete mehrere Beiträge von namhaften Referenten (siehe Literatur) zur Immun- oder Dendritischen
Zelltherapie bei verschiedenen Tumoren und lieferte u.a. die
Vorlage zu diesem Artikel.
Vor einiger Zeit gingen in den Medien im Zusammenhang mit der Immun-Zelltherapie die Wellen hoch. Auch
wenn man das Gefühl hat, dass bei diesen öffentlich geführten Diskussionen nicht immer das Wohl der PatientInnen im
Vordergrund steht, ist interessant herauszuarbeiten, was diese Therapiemethode leisten kann und wo die unbekannten
und limitierenden Faktoren liegen.
Immun-Zelltherapie gegen Krebs…
Zur Geschichte der Immuntherapie
Immunologische Behandlung von Krebs geht in eine Zeit
zurück, in der man noch nichts über das Immunsystem wusste.
1893 wurde vom US-amerikanischen Arzt William Coley
erstmals die erfolgreiche Behandlung von Krebs durch Verabreichung einer Mischung aus abgeschwächten Bakterien,
nämlich Streptococcus pyogenes und Serratia marcescens beschrieben. Es trat eine massive Immunreaktion auf (hohes
Fieber, deshalb auch Fiebertherapie genannt) und in vielen Fällen eine Tumorrückbildung. Wegen der Gefährlichkeit im
Umgang mit lebenden Bakterien wurden später nur mehr die
Toxine verwendet. 1943 konnte man zeigen, dass die biologische Wirkung durch LPS (Lipopolysaccharid, Bestandteil der
Zellwand gram-negativer Bakterien) hervorgerufen wird.
Lange Zeit war Coleys Toxin die einzige schulmedizinische
Krebsbehandlung, sie wurde in den USA bis zum Verbot 1963
durch die FDA (Food and Drug Administration) angewendet.
In Deutschland wurde Coleys Toxin bis 1990 von der pharmazeutischen Firma Südmedica hergestellt. 2006 berichtete
die deutsche Firma MBVax über die Genehmigung von MBVax (Coley-Toxin) für klinische Studien. Noch heute wird
diese Behandlungsmethode in alternativmedizinischen Einrichtungen durchgeführt. Das Rezept für die Herstellung von
Coleys Toxin kann man im Internet nachlesen.
Aus heutiger Sicht ist die Tumorrückbildung durch Coleys
Vakzine ein kollateraler Effekt des LPS, das die Lympho-
Abb 1: Dendritische Zelle im Blutausstrich
Die dendritischen Zellen
Sie begegnen uns nicht oder kaum in unserer Ausbildung,
sind selten Bestandteil des Blutbildes und kein Parameter in
der hämatologischen Routine. Eine Abordnung dieser dendritischen Zellen in der Haut wird Langerhanszellen genannt.
Schon ihre Herkunft ist nicht so eindeutig zu klären. Der
Hauptanteil der DC entstammt dem myeloischen System, einige haben lymphoide Vorläuferzellen.
Ihre normale Funktion ist die Aufrechterhaltung der Immuntoleranz. Unser Körper muss schon in der frühen Entwicklung lernen, fremd und eigen zu unterscheiden. T-Zellen
mit körpereigenen, so genannten „Selbst-Antigenen“ werden im Thymus aussortiert und zerstört. Den dendritischen
Zellen kommt beim Erwerb der Immunkompetenz die Schlüsselrolle zu. Sie patrouillieren in unserem Organismus auf der
Suche nach Zielantigenen.
Im Falle einer Infektion oder dem Auftreten einer nicht als
eigene erkannten Zelle, z.B. mit Fremdeiweiß, findet Kontakt mit einer naiven („unbeladenen“) DC statt. Diese phagozytiert den Eindringling und wird zu einer antigenpräsentierenden Zelle (antigen presenting cell, APC) – sie bietet das
Fremdmolekül an ihrer Oberfläche den naiven T-Zellen (TH1Zellen oder CD4+ T-Lymphozyten) an. Von allen APCs haben
biomed_Heft_0703
16.11.2007
16:11 Uhr
Seite 17
schwerpunkt onkologie
die dendritischen Zellen die höchste Kapazität zur Aktivierung
naiver T-Zellen. Kommt eine DC mit einem „danger signal“
in Berührung, reagiert sie mit der Freisetzung von IL-12, dies
mündet in T-Zellaktivierung.
Methode der Gewinnung dendritischer
Zellen
Da im Körper DCs nur in sehr geringer Zahl zur Verfügung stehen, müssen diese aus peripheren Monozyten ex vivo differenziert werden. Die Gewinnung von Monozyten erfolgt durch Leukopherese. Diese CD 14-positiven „Stammzellen“ werden zumeist aus dem peripheren Blut (mittels Zellseparation, Magnetic Beads) gewonnen. Die Reinheit der so
gewonnenen Monozyten muss hoch sein, als ergänzende CDMarker für die Separation können CD 2 und CD 19 verwendet werden.
Profil der reifen DC und Priming
Reife MoDCs sind nun CD 14 neg, CD 1a+, CD 83+, CD
80+, CD 86+, HLA-DR+++ (auch HLA-II, das Genprodukt des
MHC II Gens, HLA und MHC werden häufig nicht korrekt
synonym verwendet).
Am sechsten Tag der Kultur erfolgt das Priming mit Tumorlysat, gewonnen aus frischem oder eingefrorenem Tumormaterial oder gereinigten Tumorantigenen autologer Herkunft. Ebenso wird ein Priming mit allogenen Tumorzellen
oder -antigenen sowie eine tumorspezifische Peptidbeladung
der MoDC erprobt. Therapien mit semimaturen, zur TH1-Stimulierung mit IFNγ + LPS kultivierten DCs werden durchgeführt, wenn kein Tumor verfügbar ist, sowie bei Behandlung
von PatientInnen außerhalb einer Phase I-Studiensituation
(siehe ethische Problematik). Häufig ist ein Tumor die Folge
eines mutierten Tumorsuppressorgens, dabei werden veränderte, nicht funktionelle Proteine gebildet, die die Zellteilung
anheizen. In diesen Fällen können mit Mutationspeptiden
geprimte Zellen zur Vakzination verwendet werden.
Abb 2: Zytokininduzierte Reifungswege und spezifische Marker bei
der ex vivo-Differenzierung von immuntherapeutisch einsetzbaren
dendritischen Zellen (korr. Abb. aus: Katalog von BD Biosciences)
Für die folgende Differenzierung und IL-12-Freisetzung
steht nur ein schmales Zeitfenster von einigen Tagen zur Verfügung. Danach kommt es zur Anschaltung eines kontraagierenden immunsuppressiven Mechanismus mit proapoptotischer Wirkung. Da Wachstums- und Hemmfaktoren
des Serums die Reifung der DC aus Monozyten (MoDC) unkontrolliert beeinflussen können, erfolgt die Kultur im serumarmen oder -freien Medium durch Zugabe der Zytokine GMCSF und IL-4 sowie nach verschiedenen Protokollen TNFα,
INFγ, IL-1b, IL-6 u.a.
Abb 4: Scanning Electronenmikroskopische Aufnahme zeigt die
Kontaktaufnahme zwischen DC und T-Lymphozyt
Vakzination
Die geprimten MoDCs werden in mehreren Zyklen, jeweils 10 Millionen Zellen subkutan, meist in die Nähe oder
auch direkt in den Lymphknoten injiziert. Das ist vor allem
bei semimaturen DCs wegen ihrer geringeren Mobilität erforderlich. Die DCs müssen einen LK erreichen, wo sie auf naive T-Lymphozyten (CD 4+) treffen.
Tumorbekämpfung
A: Dendritische Zellen,
5 Tage ex vivo kultiviert mit
IL-4 und GM-SCF
B: Tag 6 der Kultur, Zellen
adherieren an PlastikKulturschale
C: bereits abgelöste DCs im
Überstand, kleine Dendriten
sind zu sehen
Abb 3: (Balken = 50µm)
Das Ziel jeder Immuntherapie ist die Aktivierung von Immun-Effektorzellen, das sind:
■ TH1 Lymphozyten
■ Cytotoxische T-Zellen, T-Killerzellen genannt
■ NK-Zellen (natural killer cells)
Die Zerstörung des Tumors mit Hilfe dieser Immun-Effektorzellen ist ein multifaktorielles Geschehen, das in seinen Einzelheiten noch nicht voll verstanden ist.
Notwendige Voraussetzungen sind:
1. Expression von Tumorantigenen, die vom Immunsystem
(IS) erkannt werden können.
2. Tumorantigene müssen vom IS als fremd bzw. „gefährlich“ erkannt werden.
3. Antigenspezifische Effektorzellen müssen adäquat aktiviert
und an den Zielort –Tumor – rekrutiert werden.
17
biomed_Heft_0703
18
16.11.2007
16:11 Uhr
Seite 18
schwerpunkt onkologie
Abb 5: Darreichung eines zytokingekoppelten Tumorantigens, das
über den Zytokinrezeptor in die naive DC aufgenommen, dort prozessiert wird und als kompetente DC nach Rückführung in den Patienten über T-Zellvermittlung zur Tumorzellzerstörung führt (übersetzt aus Review von Preeti Gokal Kochar).
ad 1. MHC I assoziierte Peptide werden von zytotoxischen T-
Zellen erkannt, MHC II assoziierte Peptide von T-HelferZellen, Nicht-Proteinstrukturen können über „nicht-klassische“ MHC Moleküle den γδ-Rezeptor-expremierenden TZellen präsentiert werden. Oberflächenassoziierte Tumorantigene können durch Antikörper, gebildet von B-Zellen auf
dem Weg des humoralen IS, gebunden werden. Diese „Markierung“ auf den Tumorzellen löst ein Signal zur Eliminierung
über T-Killerzellen aus, ein Mechanismus, den auch die AKTherapie z.B. mit Herceptin bei Brustkrebs, wenn Her2neuÜberexpression vorliegt, zu nützen versucht. Zudem erkennen die Effektorzellen des angeborenen IS, die NK-Zellen,
Veränderungen auf den Oberflächenstrukturen von Tumorzellen.
ad 2. Das Tumorantigen muss gleichzeitig ein Gefahrensignal
aussenden, um die erkennenden T-Zellen zu aktivieren. Das
„danger signal“ wird durch eine Entzündungsreaktion ausgelöst, die bei ex vivo-Differenzierung von naiven zu tumorkompetenten DCs durch Zugabe proinflammatorischer Zytokine (GM-CSF, TNFα, IL-6 …) ins Kulturmedium simuliert
wird.
ad 3. Auch die Rekrutierung der bereits gebildeten Effektorzellen in den Tumor benötigt eine örtliche Entzündungsreaktion durch lokale Freisetzung inflammatorischer Zytokine
und Chemokine sowie die Öffnung der Tumorgefäßendothelien zum Durchtritt der tumorspezifischen Lymphozyten.
Bis zu diesem Punkt erscheint eine Immun-Zelltherapie als
großes Hoffnungsgebiet für KrebspatientInnen. Tatsächlich
sind die Erfolge aber relativ bescheiden, auch wenn spektakuläre Fälle mit kompletter Heilung bei sehr weit fortgeschrittenen und mit konventionellen Methoden nicht mehr beherrschbaren Tumoren mit Metastasen beschrieben werden.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Da Tumorzellen sich
nicht wesentlich von den gesunden Körperzellen unterscheiden, werden sie vom IS toleriert bzw. ignoriert. Zudem hat der
Tumor Mechanismen entwickelt, um dem IS zu entkommen.
In der folgenden Tabelle sind bisher bekannte „escape“-Mechanismen aufgelistet: (Siehe Tab. 1)
Überdies ist vieles im immunologischen Kampf gegen Krebs
noch unbekannt. Mehrere Faktoren für eine günstige Prognose wurden am Symposium und in der Literatur diskutiert.
■ Hohe Il-12/IL-10 ratio: die Expression von IL-12 muss
hoch sein, IL-10 möglichst niedrig, wirkt kontraagierend
auf die Antigenpräsentation, da IL-10 die Expression von
CD 80 und CD 86 auf den DCs reduziert, Co-Faktoren für
T-Zellaktivierung, andernfalls bleiben sie „blind“ gegenüber Tumorantigenen. IL-10 deaktiviert auch Makrophagen, die ihrerseits zur IL-12-Produktion beitragen.
■ Calreticulin-Translokation vom Endoplasmatischen Retikulum an die Zellmembran der dendritischen Zellen bewirkt eine Erhöhung ihrer antigenpräsentierenden Fähigkeit. Dies kann durch Chemotherapie mit Anthrazyklinen
(apoptoseinduzierend) forciert werden.
■ Adjuvantien, die allgemeine „Booster“-Effekte auf die
Immunität haben; erprobt werden LPS, auch BCG (bacille
Calmette-Guerin) sowie Curcumin aus der Gelbwurz (Gewürzpflanze), dessen tumorstatische Wirkung bereits bekannt ist u.a.m.
■ Co-Faktoren für Vermehrung kompetenter cytotoxischer
T-Zellen (CD 8+)
■ Rolle des Toll-like Rezeptors (TLR-4, Element des angeborenen IS), Erhöhung der Phagozytosefähigkeit von DC
Tab. 1
1.
2.
„escape“-Mechanismen
Defekt
Konsequenz
Antigen- od. Epitopverlust
MHC Klasse I Defekt
beta2-Mikroglobulin
MHC I globaler od. allelspezifischer Verlust
keine spez. T-Zellerkennung
Peptid-Transporter
Preoteasomdefekt
MHC Klasse II Defekt
MHC II globaler od. allelspezifischer Verlust
Störung in den Komponenten des MHC II-Weges
MHC II Peptid-Prozessierungsstörung
4. veränderte co-stimulatorische Moleküle
5. T-Zellrezeptor (TZR) zeta-Ketten Verlust
6. Reifung von APCs ist von Tumorassoziierten Faktoren
beeinflusst
7. Suppression von Selektinen im Tumorendothel
8. immunsuppressive Faktoren wie IL-10, TGF-beta
9. Fas-Ligand Expression auf Tumorzellen
10. Expression aberranter Restriktionsmoleküle HLA-G
keine Expression der MHC I Antigene
individuelle Restriktionselemente für T-Zellen können fehlen
Verlust der Beladung der MHC-Antigene mit Peptiden, keine TZellerkennung
keine Bereitstellung antigener Peptide
3.
individuelle Restriktionselemente für T-Zellen können fehlen
verändertes Peptidrepertoire, u.a. Verlust von Zellepitopen
verändertes Peptidrepertoire, u.a. Verlust von Zellepitopen
ineffektive T-Zellaktivierung
mangelnde TZR-Expression und Effektorfunktion
mangelnde Initiierung einer zellulären Immunantwort
verhindert die Invasion von T-Zellen in die Tumorläsion
ineffektive T-Zellantwort
„Gegenattacke“ auf T-Zellen, Apoptose der Effektorzellen
Hemmung der NK-Lyse durch HLA-G
biomed_Heft_0703
16.11.2007
16:11 Uhr
Seite 19
schwerpunkt onkologie
■ starke Expression von den co-stimulatorischen Faktoren
CD 80 und CD 86, die für die Interaktion von DC und TLymphozyten erforderlich sind
Ungünstige Faktoren:
■ Tumorzellen produzieren NO und H2O2, Oxidantien, die
DCs in den Zelltod dirigieren.
Ethische und rechtliche Fragen
In den Diskussionsbeiträgen des Symposiums zeigten sich
auch die Probleme hinsichtlich ethischer und rechtlicher
Grundlagen der Immuntherapie, die nicht an den strengen Anforderungen der chemischen Therapien gemessen werden
kann. So befinden sich die AnwenderInnen dieser Therapie in
einem großen Dilemma. Die momentan aussichtsreichste Methode, die Verwendung von autologem Tumormaterial,
scheint unüberwindbare rechtliche Hürden vor sich zu haben.
Standardisierung, wie für ein Pharmakon, ist in diesem Ansatz nicht möglich, da ein Immuntherapeutikum für jede/n PatientIn individuell produziert werden muss, quasi als bedsideMethode oder in kleinen Labors. Dies widerspricht massiv den
Interessen der Pharmaindustrie. Zudem liefern die vorhandenen Daten eine sehr dünne Evidenz für random biased studies (Doppelblindstudien), eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Zulassungsverfahren.
Derzeit kann diese Therapie in Österreich nur als Phase IStudie an PatientInnen durchgeführt werden, deren Tumorerkrankung bereits sehr weit fortgeschritten ist. Dadurch ergeben sich zusätzliche Probleme, die einer erfolgreichen DCTherapie im Wege stehen, wie:
■ vorliegende Schädigungen des Immunsystems, PatientInnen
haben oft mehrere erfolglose Chemotherapien hinter sich
■ es können keine Monozyten gewonnen werden
■ kein Tumormaterial zur Verfügung
Immun-Zelltherapie heute/in Anwendung
Prof. Thurnher präsentierte Überlebensdaten einer Phase
I-Studie von 94 PatientInnen mit Hypernephrom, einem sehr
aggressiven Tumor. Es gab keinen Fall einer Remission, jedoch
eine Erhöhung der mittleren Überlebensdauer mit DC-Therapie auf 20 Monate (6 Monate mit Tyrosinkinasehemmern)
bei vergleichbar wenig Nebenwirkungen.
Prof. Frank zeigte Ergebnisse von Pankreas-Ca-PatientInnen mit schlechter Prognose, die nach subkutaner Vakzination mit autologen, mit Peptidsegmenten angereicherten Tumorlysat geprimten DCs zwar keine komplette, aber eine
partielle Remission mit fünf bis sechs Monaten Lebensverlängerung gegenüber derzeit üblicher Oxadiplatintherapie
erreichten.
Ähnlich sind die Ergebnisse von Prof. Friedl bei der Behandlung von fortgeschrittenem Thyroidcarcinom.
Die Berichte über Behandlungserfolge bei Melanom sind
widersprüchlich, einerseits zeigten Studien eine immuntherapeutische Beeinflussung des Tumorwachstums. Andererseits wurden in den USA von der FDA zwei randomisierte Studien abgelehnt, eine in Deutschland laufende Studie wurde,
da wirkungslos, abgebrochen.
Prof. Neßlhut berichtete von einigen Fällen einer Komplettremission und beschrieb dies auch in Fallstudien seiner
Publikationen an einer Brustkrebspatientin und einem Patienten mit Colon Carcinom, beide mit Therapiebeginn in einem fortgeschrittenem, metastasiertem Stadium. Er zeigte
auch die rechtlich einschränkenden Probleme in Deutsch-
land auf. DC-Therapie kann als „Eigentherapie“ gelten, dabei ist allerdings die Verwendung von Tumorlysat nicht erlaubt. Für Immuntherapie mit autologen tumormaterialgeprimten DCs will das Paul Ehrlich Institut (deutsche Pharmazulassungsstelle) die Genehmigung entziehen. Einen Ausweg könnte der Einsatz von „unloaded cells“ darstellen,
rechtlich analog einem Thrombozytenkonzentrat.
Anwendung findet Immun-Zelltherapie auch bei Ovarialund Mammakarzinom, wobei die Herstellung der kompetenten dendritischen Zellen für den Patientinnenkreis von
Prof. Huber und Prof. Leodolter bei Firma Cellmed erfolgt.
Auch hier wurden Fälle mit Komplettremission berichtet.
Umfassende Forschungsarbeit an Tiermodellen und in vitroVersuche sind gefordert sowie die Möglichkeit, Phase II- und IIIStudien an PatientInnen durchzuführen. Es gilt, weitere prognostische Faktoren zu finden, die den Einsatz dieser an sich viel
versprechenden Therapiemethode in Zukunft ermöglichen.
Entscheidender Vorteil ist die universelle Anwendbarkeit, gegen
jeden auch sehr seltenen, für die Pharmaindustrie nicht interessanten Tumor kann eine Vakzine hergestellt werden. Gegenüber
Chemotherapie, aber auch verglichen mit den neu entwickelten
Antikörpertherapien ist die gute Verträglichkeit ein wichtiges Kriterium. Bei der Vakzination können Symptome ähnlich einem
grippalen Infekt (starke Impfreaktion) auftreten, sehr selten
wurde die Ausbildung einer Autoimmunerkrankung (bei priming mit Tumorgewebe) beobachtet.
Nach Meinung der Experten wird es mindestens noch
zehn Jahre dauern, um das fehlende Wissen zu ergänzen und
die Immun-Zelltherapie effektiv anwenden zu können und ihr
zum Durchbruch zu verhelfen.
■
Literatur/Zitate
(1) Vorträge des Symposiums „Adulte Stammzellen in der
Zelltherapie“, 2007:
(a) Dr. Thomas Felzmann, Wien: Dendritic cells as adjuvants in
cancer immune therapy: from bench to bedside
(b) Prof. Dr. Christoph Huber, Mainz: Adoptive immunotherapy
with T-cells
(c) Dr. Jean-Marie Andrieu, Paris: Cell based vaccine
(d) Prof. Dr. Martin Thurnher, Innsbruck: DC therapy with
patients with hypernephroma
(e) Dr. Sebastian Kreiter, Mainz: Intranodal immunization with RNA
(f) Prof. Dr. Josef Friedl, Wien: DC therapy by medullar thyroid gland
(g) Prof. Dr. Frank Gansauge, Neuulm: DC therapy by pancreas
carcinoma
(h) Dr. Thomas Nesselhut, Duderstadt: Cell therapy by
neurological tumors
(2) Janeway, Charles A.: Immunobiology, Garland Sciences
Publishing, New York 2005
(3) Schadendorf, Dirk: Aktuelle Aspekte der Immuntherapie in
der Dermatoonkologie, UNI-MED Verlag AG, Bremen 2005
(4) WJ Storkus & LD Falo Jr: A „good death“ for tumor
immunology, Nature Medicine, Vol 13, No. 1, 2007
(5) Preeti Gokal Kochar: Review aus Cancer Vaccines, 2006
(6) T. Nesselhut et al.: Cancer Therapy with Immature Monocyte-derived Dendritic Cells in Patients with Advanced Breast Cancer, 2005
(7) T. Nesselhut et al.: Cancer Therapy with Tumor Cell Lysate pulsed Monocyte-derived Dendritic Cells in Patients with Metastatic Colon Cancer , Improvement by Danger Signals, 2006
Marianne Fliesser
Biomedizinische Analytikerin
Medizinische Universität Wien, Zentrum für Anatomie und
Zellbiologie, Abt. Kern-, Entwicklungsbiologie und
funktionelle Mikroskopie
Dank an den UNI-MED Verlag!
19
Herunterladen