Otto Donner und die „Forschungsstelle für Wehrwirtschaft“ 1939 bis

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Oliver Werner
Otto Donner und die „Forschungsstelle für Wehrwirtschaft“ 1939 bis 1945
Die Studien von Volkswirten und Finanzökonomen im Rahmen der
Wehrwirtschaftsforschung waren unverzichtbare, thematisch breit angelegte Expertisen, die
unmittelbar in die Beurteilung der feindlichen Kriegswirtschaft und ab 1939 in die konkrete
Gestaltung der deutschen Besatzungspolitik in Europa einflossen. An ihnen wird der hohe
Stellenwert erkennbar, den die jeweilige institutionelle Einbettung und Anbindung an
wirtschaftspolitische Entscheidungszentren für die Durchsetzungsfähigkeit einer
Forschungseinrichtung besaß. Förderlich waren weiterhin eine große inhaltliche
Anpassungsbereitschaft sowie die Fähigkeit, politische und wissenschaftliche Netzwerke für
die eigene Wehrwirtschaftsforschung zu mobilisieren.
Die „Forschungsstelle für Wehrwirtschaft“ (FfW) 1939 bis 1942
Hjalmar Schacht war bereits im November 1937 als Reichswirtschaftsminister
zurückgetreten, und das Ministeramt wurde bis zur Neubesetzung durch den wenig
einflussreichen Walther Funk kommissarisch von Hermann Göring verwaltet. Funk suchte
nach seinem Dienstantritt im Februar 1938 Wege, um die relativ schwache politische
Position seines Ministeriums auszubauen, und fand im Reichsminister für Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, einen Verbündeten. Rust verkündete am
7. Januar 1939 per Runderlass die Bildung einer „Forschungsstelle für Wehrwirtschaft“. Beim
Reichswirtschaftsministerium angesiedelt, allerdings der Funktion des
„Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft“ (GBW) zugeordnet, sollte die Forschungsstelle
der „wissenschaftlichen Bearbeitung aller mit der Vorbereitung und Durchführung einer
Kriegswirtschaft zusammenhängenden Fragen“ dienen. Sie wurde u. a. beauftragt,
„Verbindung mit den Hochschulen aufzunehmen, um die dortigen Arbeiten für Zwecke der
Verwaltung nutzbar zu machen, sowie andererseits Anregungen und Vorschläge der
Verwaltung an die Hochschulen gelangen zu lassen“.
Während der Konflikt zwischen Göring und Funk weiter schwelte, wurde die FfW offenbar
rasch als Akteur wahrgenommen. Bereits im April 1939 vereinbarte die „Volkswirtschaftliche
Abteilung“ der IG Farben mit der Forschungsstelle einen „Informations- und
Erfahrungsaustausch“. Heinrich Hellmer vom Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt stellte im
Sommer 1939 die zu erwartenden wissenschaftlichen und publizistischen Aufgaben der
Forschungsstelle zusammen. Hier findet sich auch eine Übersicht über die geplanten
Referate und die gewünschten Wissenschaftler der FfW, darunter die Ökonomen Hans
Langelütke (Referat Gewerbliche Wirtschaft), Eberhard Scherbening (Referat Arbeitseinsatz),
Otto Donner (Referat Finanzwesen) und Alexander Görner (Referat Ausland). Auch wenn
sich die personelle Zusammensetzung noch mehrfach ändern sollte, erwies sich die FfW
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doch zu Kriegsbeginn als derart arbeitsfähig, dass sie auf Anregung von Achim von Arnim,
seit 1933 Professor für Wehrwissenschaften an der Technischen Hochschule BerlinCharlottenburg, langjähriger Rektor der TH Berlin und bis zum seinem Tod im Juni 1940
Kurator der FfW, „ein Merkblatt über die ‚Wehrwirtschaft des Auslandes‘ als Lehrmaterial
für Hochschullehrer zu wehrwirtschaftlichen oder allgemeinen volkswirtschaftlichen
Vorlesungen“ verfasste.
Der „Sachzwang des Krieges“ bot schließlich im Dezember 1939 den entscheidenden Impuls
für Göring, die Dienststelle des GBW aufzulösen und wesentliche Aufgaben der
Vierjahresplanbehörde zu übertragen. Damit verfestigte sich deren „machtpolitisches
Übergewicht gegenüber den Wehrmachtsstäben“, und die gerade erst etablierte FfW fiel als
weitere wehrwirtschaftliche Kompetenz an Görings Behörde.
Otto Donner als Leiter der FfW
Offenbar wusste man allerdings bei der Vierjahresplanbehörde vorerst nicht viel mit der
Forschungsstelle anzufangen. Die ursprüngliche Referatsstruktur wurde jedenfalls rasch
fallengelassen, einige Wissenschaftler sprangen ab, sodass im Frühjahr 1940 nur die
Ökonomen Otto Donner und Eberhard Scherbening an der FfW verblieben. Leiter der Stelle
wurde zunächst kommissarisch Otto Donner, dessen Position nach dem Kriegstod Achim von
Arnims im Mai 1940 verstetigt wurde.
Otto Donner, 1902 in Berlin geboren, hatte Volkswirtschaft in Berlin studiert und von 1925
bis 1933 am Berliner Institut für Konjunkturforschung (unter Ernst Wagemann) sowie dann
bis 1934 unter Jens Jessen am Kieler Institut für Weltwirtschaft gearbeitet. Anschließend war
er im Statistischen Reichsamt und beim Reichskommissar für das Kreditwesen beschäftigt.
Donner, der sich vor allem mit konjunktur- und währungspolitischen Fragen befasste, gilt als
innovativer Volkswirtschaftler, der sich bereits früh mit der finanzökonomischen Dynamik
des „deficit spending“, aber auch mit der statistischen Generierung saisonbereinigter Daten
befasste. Ab 1937 hatte er Lehrstühle in Hamburg und Berlin inne, zuletzt an der dortigen
Wirtschaftshochschule.
Für Donners Leitungstätigkeit erwies sich vor allem seine Vernetzung mit wissenschaftlichen
und außerwissenschaftlichen Stellen wie dem Mitteleuropäischen Wirtschaftstag als
förderlich, dessen „Volkswirtschaftlichem Ausschuss“ er ab 1940 angehörte. Die engen
Kooperationskontakte zur „Volkswirtschaftlichen Abteilung“ der IG Farben prädestinierten
ihn zudem für das Umfeld der Vierjahresplanbehörde. Die finanzielle Ausstattung des FfW
erlaubte es Donner, Wissenschaftlern, an deren Mitarbeit er interessiert war, verlockende
finanzielle Angebote machen. Beides – seine Vernetzung und der materielle Hintergrund der
Vierjahresplanbehörde – boten beste Voraussetzungen, mit einem kleinen Stamm an
Mitarbeitern wissenschaftliche Expertise zu akquirieren.
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Das Aufgabenfeld der FfW
Die Forschungsstelle war innerhalb der Vierjahresplanbehörde dem Devisen-Referat von
Friedrich Kadgien zugeordnet und bestand durchgängig aus nur wenigen festen
Mitarbeitern, die zumeist über Kooperationsverträge und wissenschaftliche Netzwerke
zusätzliche Expertise heranzogen. Paul Körner, Staatssekretär in der Vierjahresplanbehörde
und ‚rechte Hand’ Görings, charakterisierte die FfW nach dem Krieg gegenüber alliierten
Vernehmungsoffizieren etwas abschätzig als „kleine nichtssagende statistische Abteilung“,
die neben ihrem Leiter „vielleicht noch 3 bis 4 Mitarbeiter“ gehabt habe.
Tatsächlich arbeiteten an der FfW neben Otto Donner ab dem Frühjahr 1940 noch fünf
weitere Wirtschaftswissenschaftler: Neben Eberhard Scherbening wurden neu eingestellt:
Otto Barbarino, Wilhelmine Dreißig, Wilhelm Marquardt und Gottlieb Klauder. Dreißig,
Marquardt und Klauder erhielten erstmals im Juli 1940 Lesesaalkarten der Preußischen
Staatsbibliothek für eigene Recherchen, Barbarino folgte im Januar 1941. Donners Stelle –
und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die der übrigen Mitarbeiter – wurden über den
preußischen Staatshaushalt finanziert.
Die beiden wesentlichen Aufgaben der FfW mochten aus dem Zusammenhang des GBW
herrühren und waren spätestens im Frühjahr 1939 festgelegt: Sie sollte zum einen Material
zur statistischen Unterfütterung wirtschaftlicher Planungen und politischer
Argumentationen bereitstellen und zum zweiten „wehrwirtschaftliche Lehrgänge“ sowie
„Hochschullehrer-Tagungen“ durchführen. Die Lehrgänge und Tagungen fanden zunächst in
enger Zusammenarbeit mit dem federführenden Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt statt,
etwa im Februar und März 1939 zur „Fühlungnahme mit einem ausgewählten Kreis von
Hochschullehrern, denen ein Ausschnitt aus den wehrwirtschaftlichen Arbeiten gezeigt
werden sollte“.
Es lag schon aus Gründen der Geheimhaltung nahe, dass sich die Forschungsstelle nach
Kriegsbeginn auf ihre zweite Aufgabe konzentrierte, wehrwirtschaftlich relevantes Material
statistisch aufzubereiten und in Form von Studien und Expertisen deutschen Behörden und
militärischen Dienststellen zur Verfügung zu stellen. Die Expertisen der FfW fanden durchaus
weite Verbreitung und sind heute nicht nur in den Beständen der Vierjahresplanbehörde
archiviert, sondern auch beim Reichswirtschaftsministerium, beim Reichsfinanzministerium,
beim Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt, beim Statistischen Reichsamt sowie bei der
Reichsstelle für Raumordnung. Thematisch reichen die Studien von der wirtschaftlichen
Bedeutung einzelner Länder und deren Kriegsfinanzierung über die Möglichkeiten, von den
deutschen Truppen besetzte Länder optimal für die deutsche Kriegswirtschaft auszubeuten
bis hin zu Studien über Entwicklungspotentiale europäischer Regionen unter der Prämisse
einer vom Deutschen reich dominierten „Großraumwirtschaft“.
Insgesamt bleibt es schwierig, die genauen Anteile einzelner Wissenschaftler an den
jeweiligen Expertisen zu ermitteln, zumal die Kooperation mit anderen
Forschungseinrichtungen nur kursorisch dokumentiert ist. Eine Liste des Kieler Instituts für
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Weltwirtschaft vom 1940 führt beispielsweise 157 Forschungsarbeiten für diverse
Auftraggeber auf. Zwar entstand ein Großteil im Auftrag des OKW, aber auch mindestens
15 Expertisen wurden für die FfW erstellt, die diese Arbeiten dann offenbar weiterreichte
bzw. in eigene Recherchen einfließen ließ – eine Vorgehensweise, die in der deutschen
Wehrwirtschaftsforschung offenbar üblich war. Nachweisbar ist auch die Beteiligung der
FfW an Forschungen des Dortmunder Instituts für landwirtschaftliche Arbeitswissenschaft.
Die Forschungsstelle für Wehrwirtschaft konzentrierte sich also keineswegs „von vornherein
auf die bevölkerungspolitischen Aspekte der Wirtschaftspolitik in Südosteuropa“, auch wenn
die Expertise über die wirtschaftliche Ausbeutung Südosteuropa vom Januar 1941 die in der
historischen Forschung bekannteste Studie ist. Sie wurde bereits 1973 von Wolfgang
Schumann veröffentlicht und seitdem immer wieder zitiert. In ihr kommt die durchgängige
Ausbeutungsbereitschaft und Geringschätzung der Verfasser für europäische Nachbarvölker
zum Ausdruck. Zugleich wird eine Logik der verkürzten Perspektive erkennbar, die im Verlauf
des Krieges immer mehr in den Vordergrund rückte: Die deutsche Wirtschaft und die
Besatzungsverwaltung sollten sich „weniger für die Inangriffnahme sozialer Maßnahmen und
großer Wirtschaftsprojekte mit langer Reifezeit einsetzen“, sondern vielmehr auf
Produktionen konzentrieren, „die schnelle Erträge erwarten“ ließen und „eine kurze
Anlaufzeit“ hätten.
Es bleibt allerdings zu prüfen, in welchem Umfang solche Überlegungen tatsächlich
konzeptionelle Vorausplanungen darstellten. Auch ist die Autorenschaft keineswegs
eindeutig: Otto Donner zeichnete zwar als Leiter der FfW für die anonymisierten Expertisen
verantwortlich. Aber seine Fachkenntnisse lagen in erster Linie in der westeuropäischen
Finanzpolitik, während sich Otto Barbarinos Tätigkeit in der FfW nach einiger Zeit „auf das
besetzte Griechenland“ konzentrierte, bei ihm demnach eher Kenntnisse der
südosteuropäischen Wirtschaft anzunehmen sind.
Der Niedergang der Forschungsstelle im totalen Krieg 1942 bis 1945
Im Frühjahr 1942 veränderten sich für die Forschungsstelle für Wehrwirtschaft die
Rahmenbedingungen grundlegend. Ausschlaggebend war der Machtantritt Albert Speers als
Reichsminister für Bewaffnung und Munition im Februar 1942. Zwar blieb die FfW vorerst
bestehen. Allerdings wurde ihre Existenz prekär und letztlich an die erodierende
Machtposition Hermann Görings gebunden. Auch Otto Donner antizipierte den
Bedeutungsverlust seiner Forschungsstelle und nutzte in den folgenden Monaten und Jahren
seine zahlreichen Kontakte, um seinen Unabkömmlichkeitsstatus erfolgreich zu erhalten.
Donner war darüber hinaus offenbar schon seit 1940/41 bereit gewesen, der USamerikanischen Botschaft in Berlin Details seiner Tätigkeit mitzuteilen. 1938 hatte er die USAmerikanerin Jane Esch geheiratet, eine Nichte von Mildred Harnack. Über deren Ehemann
Arvid Harnack kam Donner in Kontakt mit einem Mitarbeiter der US-Botschaft, Donald R.
Heath, der für das US-Finanzministerium „Informationen über die deutsche Wirtschaft
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besorgen sollte“. In der Folge gehörte Otto Donner neben Arved Harnack zu einer
wesentlichen Quelle für Wirtschaftsinformationen und berichtete etwa 1941 davon, dass er
„eine statistische Ausarbeitung über die Sowjetunion anfertigen“ sollte. Er gehörte damit zu
den Menschen, die mindestens indirekt der sowjetischen Führung im Frühjahr 1941
Hinweise auf einen bevorstehenden deutschen Angriff gaben. Die Enttarnung des
Widerstandsnetzwerkes „Rote Kapelle“ überstand Otto Donner offenbar unbeschadet, auch
wenn sein Name in Vernehmungen durch die Gestapo auftauchte.
Selbst wenn Otto Donner lange „Görings finanzpolitischer Berater“ (Götz Aly) gewesen sein
mag, spätestens ab 1943 sicherte ihm das nicht mehr die berufliche Existenz und schützte
ihn schon gar nicht vor der Einziehung durch die Wehrmacht. Andere Stellen vergaben nun
Unabkömmlichkeitsstellungen und Donner konnte diese Stellen für sich interessieren. Sein
wichtigster Kontakt war Hugo Fritz Berger, Ministerialrat im Reichsfinanzministerium, der
Donner im Sommer 1943 über das Auswärtige Amt eine Stelle beim Delegierten der
Reichsregierung für Wirtschafts- und Finanzfragen bei der französischen Regierung, Hans
Hemmen, verschaffte. Hier blieb er ein Jahr, „um ein Gutachten anzufertigen über die
Steuerpolitik in Frankreich“, und reiste anschließend – wieder in Bergers Auftrag – im Herbst
1944 nach Budapest, „um die Möglichkeiten einer strafferen Steuerpolitik und stärkeren
Kaufkraftabschöpfung in Ungarn zu untersuchen“.
Diese letzte Expertise Otto Donners ist ein Dokument seines beruflichen Opportunismus.
Während er in Budapest kaum relevante Gesprächspartner fand und keine aussagekräftigen
Unterlagen zur Ansicht erhielt, wog er in seinem „Gutachten“ die Einnahmemöglichkeiten
der ungarischen Regierung ab, wobei er vom „Wert des beschlagnahmten jüdischen
Vermögens“ nur „die leicht realisierbaren Vermögensteile“ ins Kalkül zog, nicht hingegen
den enteigneten jüdischen Grundbesitz. Daher werde nach ungarischer Ansicht „die dem
Budget 1944 zugute kommende Ausbeute kaum ins Gewicht fallen“, was indes auch an „der
abwartenden und einen scharf antijüdischen Kurs bewusst ablehnenden Politik“ der
gegenwärtigen ungarischen Regierung liegen könnte.
In dieser Zeit hatte Donner kaum noch etwas mit der stagnierenden FfW zu tun, deren Arbeit
sich darin erschöpfte, statistisches Material aufzubereiten, beispielsweise für einen Bericht
über die „finanziellen Leistungen der besetzten Gebiete bis Ende März 1944“. Eine
statistische Zusammenstellung des Planungsamts im Speer-Ministerium vom Sommer 1944
bediente sich eher der Unterlagen der Forschungsstelle, als dass hier noch deren
eigenständige Mitarbeit erkennbar wäre.
In der partiell zusammenbrechenden Gesamtwirtschaft des Dritten Reiches entwickelten
verschiedene Reichsstellen neue Ambitionen. So war das erwähnte Planungsamt im Frühjahr
1944 bestrebt, „zur Erkundung der feindlichen Wehrwirtschaft“ eine „wissenschaftliche
Nachrichtenstelle“ aufzubauen. Im Reichswirtschaftsministerium organisierte Staatssekretär
Otto Ohlendorf mit Blick auf mögliche Nachkriegsplanungen eine „Jagd nach
vagabundierenden wirtschaftspolitischen Informationsträgern“. Sein Mitarbeiter Heinrich
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Willy Lück wurde beauftragt, in einem „Sonderreferat“ den Grundstock für eine
nachkriegsorientierte volkswirtschaftlich-statistische Abteilung aufzubauen. Donner, der
inzwischen eine Professur an der Wirtschaftshochschule Berlin angetreten hatte, machte
sich diesen Impuls zunutze und bot Ohlendorf den Überrest der Forschungsstelle an, der sie
im Dezember 1944 ins Reichswirtschaftsministerium übernahm.
Auf diese Weise wieder unabkömmlich gestellt, überlebte Donner den Krieg. Obwohl er
seiner Funktionen im „Dritten Reich“ unter „automatic arrest“ gestellt wurde, gelang es ihm
mit Hilfe der Familie seiner Frau, 1947 in die USA überzusiedeln. Eine zweite Karriere führte
ihn im selben Jahr an die Georgtown University in Washington und in den 1950er Jahren zum
Internationalen Währungsfonds. 1954 wurde er schließlich Exekutivdirektor der Weltbank,
eine Funktion, die er bis 1968 innehatte. Otto Donner starb 1981 in Washington.
Resümee
Die berufliche Nachkriegsentwicklung Otto Donners führt uns aus dem Bereich der NSWehrwirtschaftsforschung heraus, belegt aber seine hohe Adaptionsfähigkeit und
Anpassungsbereitschaft, die eben auch ein wichtiges Element der Mobilisierung von
Wissenschaftsressourcen im Nationalsozialismus darstellte.
Die FfW eignete sich als kleine Agentur in besonderer Weise, Anpassungsfähigkeit und
persönliche Netzwerke in wissenschaftliche Expertise zu transformieren. Zugleich blieb sie
flexibel und konnten ohne großen Aufwand erweitert oder reduziert und schließlich
abgewickelt werden. Die Forschungsstelle funktionierte in dieser Dynamik solange als
Kompetenzzentrum, wie sich die angestellten und assoziierten Wissenschaftler auf die rasch
wechselnden politischen und militärischen Expertise-Erwartungen einstellen konnten. Dabei
spielte die Stellung und Ausstattung der hinter ihnen stehenden Wehrwirtschaftsakteure
eine entscheidende Rolle, nicht nur für ihre wissenschaftliche Durchsetzungsfähigkeit,
sondern für ihre pure Existenz. Der schwindende Einfluss Hermann Görings reduzierte ab
1942 die Fähigkeit der Forschungsstelle für Wehrwirtschaft, Aufträge zu akquirieren und –
ebenso wichtig – ihren Wissenschaftlern Unabkömmlichkeit zu bescheinigen.
Schon deshalb bildeten die Netzwerke der einzelnen Wissenschaftler eine wichtige
Voraussetzung für die Fortführung der Forschung unter den Bedingungen des „totalen
Krieges“. Hier war Otto Donner erfolgreich, und sein Beispiel zeigt, wie wichtig die Bildung
paralleler Netzwerke und Informationswege als eine – durchaus riskante – Absicherung in
alle Richtungen sein konnte. Donner ermöglichte den Krieg – seine Expertisen zu
lohnenswerten sowjetischen Zielen für deutsche Luftangriffe flossen unmittelbar in die
militärischen Planungen ein – und im selben Augenblick versuchte er, die
Kriegsanstrengungen des Deutschen Reiches zu unterminieren.
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