Sonderdruck überreicht vom Verfasser 1980 Heft 2 33 ELEMENTE DER NATURWISSENSCHAFT INHALT: ]osef Thaimann Qualitätsbeurteilung von Graskomposten anhand der Entwicklung von Radieschen, Bohnen, Koriander und Kresse Hermann Bauer Stufen des Wärmegeschehens Werner Schneider Verschiedene einander benachbarte Waldgesellschaften im ] ahresla uf Goetheanismus Literatur-Überschau Stufen des Wärmegeschehens Hermann Bauer I. Wärmeerlebnis und Wärmewirklichkeit Den Ausgangspunkt jeder Wärmelehre bilden die Wahrnehmungen, die wir mit den Begriffen «warm>> und «kalt» bezeichnen. Eigenartig ist nun, dass schon der Übergang von diesen Einzelbegriffen zu einer gerraueren Charakterisierung zu deutlich unterschiedlichen Ausdrucksweisen führt. Wir sagen «das ist warm» oder «dies ist kalt», doch können dieselben Erfahrungen auch mit den Sätzen «das wärmt» oder «dies kühlt» ausgedrückt werden. Es ist dabei klar, dass man im ersten Fall mehr auf die Körper draussen, im zweiten mehr auf den eigenen Leib achtet. Fasst man z. B. einen Stein an, der in der prallen Sonne lag, so wird man wohl sagen: «Der ist aber warm!» Tritt man an einem Februartag in den Sonnenschein hinaus, so sagt man vielleicht: «Die Sonne wärmt schon ganz schön.» Wesentlich ist aber, dass weder im Erleben, noch im Sprachgebrauch eine scharfe Grenze zwischen diesen beiden Aspekten gezogen werden kann, vielmehr findet man sie bei gerrauer Beobachtung stetsbeidein den Grunderfahrungen «warm» und «kalt». Betrachten wir zur Verdeutlichung eine zweite Erfahrung, nämlich dass wir uns kalt fühlen, also z. B. klamme Finger haben, die wir nicht geschmeidig bewegen können und die kraftlos erscheinen. Berühren wir jetzt eine warme Heizung, so können wir sofort feststellen, dass sie «warm ist», doch ist damit unser Zustand des «Kaltseins» noch keineswegs beendet. Wir erleben also zuerst mehr den einen Aspekt der Grunderfahrung. Doch beginnt im allgemeinen gleichzeitig der andere deutlich zu werden. Wenn sich dann nach einiger Zeit die Erstarrung löst, wenn die Finger wieder beweglicher und kräftiger werden, weich und durchblutet sind, dann fühlen wir unsere Hand wirklich erwärmt, fühlen wir, wie unsere Leiblichkeit gleichsam in dem Wärmeerlebnis aufgeht. - Ist man umgekehrt erhitzt, so kühlt der erste Kontakt mit einem kalten Körper noch kaum, sondern wir spüren das Abgekühltsein erst nach einiger Zeit als eine gewisse Geformtheit und Ruhe der eigenen Leiblichkeit. Dies führt nun weiter zu der bekannten eigentümlichen Tatsache, dass man dasselbe Wasser (bei entsprechender «Vorbehandlung» der Hände) mit der einen Hand als warm und mit der anderen als kühl erleben kann. Die daraus von den Physikern gezogenen Schlüsse auf die Subjektivität unseres Wärmeerlebnisses sind von R. Steiner (1920, S. 11) widerregt worden; es scheint mir aber wichtig, diese Frage noch in etwas weiterem Zusammenhang zu betrachten. Zunächst muss man ja festhalten: Die Urteile: «dieses Wasser ist warm» und «dieses Wasser ist kalt» widersprächen sich, wenn warm und kalt prinzipiell voneinander verschieden wären, denn dann würde dem gleichen Wasser durch den Begriff «ist» miteinander unvereinbare Eigenschaften zugeschrieben. Man muss also doch sagen, dass Wasser sei warm für die eine und kalt für die andere Hand. Die Begriffe «warm» und «kalt» werden also auf das Verhältnis des Wassers zu den Händen bezogen, und man spricht besser von «wärmend» und «kühlend». Nun muss man aber weiter fragen, was «wärmend» objektiv bedeuten soll. Es kann nur heissen, dass die Hand Wärme bekommt, oder dass Wärme in ihr hervorgerufen wird. Nun wäre alles klar, wenn wir eine solche «Wärme» kennen würden, die bei ihrem Herankommen oder Auftauchen das Erlebnis «warm» hervorruft. Wir kennen aber bezüglich der Aussenwelt nur das geschilderte Wärmeerlebnis, bei dem «Warmsein» eines 15 anderen Körpers und "Warmwerden" des eigenen eine völlige Einheit sind. Diese Einheit des Herankoromens einer Entität und dieser Entität selber, des Werdens und des Seins ist erkenntnistheoretisch gar nicht leicht zu durchdringen. Es ist etwa so, wie wenn man die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des eigenen Leibes als das gleiche ansehen sollte oder die Höhe beim Aufsteigen als das gleiche wie die Aufwärtsbewegung. Zunächst scheint es allerdings bei anderen Sinneserfahrungen ähnliches zu geben. Blickt man z. B. mit einem Auge in grelles Licht, während man das andere zuhält, so kann man hinterher dieselbe graue Fläche mit dem einen Auge als dunkel, mit dem anderen als hell erleben. Im Laufe einiger Zeit gleicht sich das wieder aus. Entscheidend ist aber, dass man selbstverständlich dieses Heller- bzw. Dunklerwerden des Eindrucks von den Sinnesempfindungen «hell» und «dunkel» klar unterscheidet, während beim Wärmeerlebnis das Warmwerden und die Empfindung «warm•• identisch sind 1 . Das Wärmeerlebnis steht also im Reich unserer Erfahrungen der Sinneswelt ganz einzigartig rätselhaft da. Sucht man die Lösung innerhalb des physikalischen Gebietes zu finden, so entgeht man schwer der Versuchung, die Wärme als ein für uns unerfahrbares, objektives Etwas anzusehen, das bei seinem Einwirken auf unseren Leib das Wärmeerlebnis hervorruft. Damit ist aber dieses Erlebnis als subjektiv charakterisiert.- Man muss, um etwas Entsprechendes zu dieser eigentümlichen Einheit von Zustand und Geschehen zu finden, auf höhere Gebiete hinblicken. Betrachten wir die Sympathie, die ein Mensch für einen anderen hat, so kann dieser sie nur erleben, indem er sie zugleich innerlich aufnimmt, während jener sie nur realisieren kann, indem er sie dem anderen gleichsam zuströmen lässt. SympathieHaben, Sympathie-Geben und Sympathie-Empfangen bilden, wenn sie volle Wirklichkeit sind, eine Einheit. Man kann Sympathie nicht aufbewahren und im zweiten Schritt erst weitergeben; sie müsste dann etwas anderes werden, denn ihr Wesen ist Geben und Nehmen, was sich in dem verwandten Begriff «Hingabe» noch deutlicher ausspricht. Eine Steigerung der Sympathie ist Opferkraft, die noch stärker die Einheit von Sein und Geschehen in sich trägt. In diesem Sinne können wir sagen, dass sich die Wärme im Gebiet der Physik ähnlich verhält wie die Sympathie im Seelischen, während die Kälte der Antipathie entspricht. Wenn ich mit einem Menschen Kontakt habe und seine Sympathie zu mir erlebe, so kann ich auch sagen, dass er mir seine Sympathie schenkt. Entsprechend kann ich von einem Körper, den ich bei Berührung als warm erlebe, behaupten, dass er Wärme in mir zum Dasein bringt. Nur in diesem Sinne wollen wir im weiteren von Wärme sprechen. Der wesentliche Schritt in die Physik der Wärme geschieht dadurch, dass wir nun das Wärmegeschehen auch dort betrachten, wo es der Mensch nicht unmittelbar erlebt. Ausgangspunkt kann der folgende Versuch sein: Man taucht die rechte Hand in kaltes, die linke in warmes Wasser und bringt dann die Handflächen zusammen. Dann wird die rechte Hand «warm» und die linke «kalt» fühlen. Die erwärmende Hand wird also selber gekühlt, die kühlende erwärmt. Es ist nun konsequent zu sagen: Wenn der Stein in meiner Hand diese erwärmt, so wird er selber gekühlt, wenn er die Hand kühlt, so wird er erwärmt, oder- anders ausgedrückt - die Hand gibt ihm Wärme. Damit ist der erste Schritt getan, die Wärmebegriffe auf die physikalischen Körper zu übertragen. Um den zweiten zu tun, muss man nach Kriterien suchen, die uns erlauben, die Erwärmung eines Körpers auch dann zu konstatieren, wenn wir nicht im Wärmekontakt mit ihm sind. Ein solches Kriterium ist für die meisten Stoffe die räumliche Ausdehnung. Beobachten wir eine solche Ausdehnung, so schliessen wir, da wir keinen anderen Grund für 16 sie erkennen können, auf eine Erwärmung zurück. Dann kann man auch davon sprechen, dass physikalische Körper einander erwärmen oder abkühlen. Es bleibt noch die Frage, inwiefern wir den Körpern selber Wärme bzw. Kälte zuschreiben dürfen, auch wenn gerade kein Erwärmungs- oder Abkühlungsprozess stattfindet. Streng genommen besteht dann nur die Möglichkeit des Erwärmens und Abkühlens, etwa entsprechend einem Menschen, der die Fähigkeit hat, Sympathie zu entfalten, dem aber gerade die Gelegenheit dazu fehlt. Dennoch ist diese Fähigkeit als Realität anzusehen, und ebenso ist es mit dem «Erwärmenkönnen». Dieses ist aber keineswegs identisch mit dem tatsächlichen Wärmegeschehen, sondern ist eine Vorstufe, eine Tendenz, die an der Schwelle zur Erscheinungswelt steht, bereit, sie zu überschreiten, wobei man nicht unerwähnt lassen sollte, dass völlige «Wärmeisolation» kaum zu erreichen ist.- Im Sinne dieser Ausführungen können wir nun auch von Wärme sprechen, die mit den Körpern verbunden oder sogar in ihnen «enthalten» ist, wobei aber zu beachten ist, dass genausogut Kälte in jedem Körper ist. Dies führt zu der Frage, wie sich die Erwärmungs- und Abkühlungstendenzen quantitativ zueinander verhalten. II. Die Temperatur Wenn es uns zu warm oder zu kalt ist, wenn wir also schwitzen oder frieren, -sö fühlen wir uns zu stark erwärmt bzw. abgekühlt, d . h. wir haben das Beailrfnis, gekühlt, bzw. erwärmt zu werden. Diesen Zustand erleben wir allerdings nicht als blosse Wahrnehmung, sondern er ist mit Unbehagen verbunden, das sich zu Schmerz und Sich-gefährdet-fühlen steigern kann. Besonders deutlich wird das, wenn diese Zustände aus dem Innern des Organismus als Fieber oder Untertemperatur auftauchen, wobei sie unmittelbar Ausdruck eines Krankheitsgeschehens sind. Man hat bei Fieber den Eindruck, dass man als seelisch-geistiges Wesen zu sehr mit seinem Leib, insbesondere mit dem rhythmischen System beschäftigt ist, während man sich bei Untertemperatur zu teilnahmslos dem Leibe gegenüber empfindet. Wir charakterisieren nun diese Zustände, indem wir von zu hoher und zu niedriger Temperatur sprechen. Aber auch bei anderen Körpern bezeichnen wir deren Wärmezustand verschieden, indem wir von heiss, warm, lau, kühl, kalt, eisig sprechen. Offenbar haben solche Körper verschieden starke Tendenzen, unsere Hand zu wärmen bzw. zu kühlen. Diese Tendenzen sind es, die wir durch die Sätze : Die Körper haben eine höhere bzw. eine niedrigere Temperatur als unsere Hand charakterisieren. Dazwischen liegt ein Zustand, bei dem wir (jedenfalls im ersten Moment) weder Wärme- noch Kälteempfindung haben. Wir sprechen dann von Temperaturgleichheit Es ist nun im Prinzip leicht, den Temperaturbegriff von dem Bezugspunkt «Hand» zu lösen und eine Ordnung der Körper nach steigender Temperatur festzulegen, die sich dann in der Erfahrung als eindeutig erweist. Es zeigt sich weiter, dass im allgemeinen die Temperatur von Stoffen bei Erwärmung steigt, dass also die Erwärmung ihre Tendenz, selber zu erwärmen, steigert und dass zwischen Körpern, die miteinander in Wärmekontakt sind, der Wärmeprozess nach einiger Zeit zum Stillstand kommt, also Temperaturgleichheit eintritt. Auf diesen Tatsachen und der Volumenvergrösserung beim Erwärmen beruht das Thermometer. Es ist dabei nicht unwichtig zu bemerken, dass man sich mit ihm einen weiteren Schritt vom unmittelbaren Wärmeerleben entfernt. Deshalb ist die Temperaturmessung keinesfalls ein Ausgangspunkt für eine goetheanistische Wärmelehre (s . v. Makkensen 1979, S. 225 ff). 17 Ahnlieh steht es mit dem Begriff der «Wärmemenge». Zunächst ist es sinnvoll zu sagen, dass ein bestimmter Körper umso mehr Wärme besitzt, je stärker seine Tendenz ist, andere zu erwärmen, d. h. je höher seine Temperatur ist. Stellt man nun das Postulat auf, dass beim Wärmeausgleich (z. B. zwischen zwei Flüssigkeiten) die wärmere Substanz eine ganz bestimmte Wärmemenge verliert und die andere eine gleichgrosse gewinnt und dass diese Wärmemenge bei gegebenen Substanzen nur von den Temperaturänderungen (ßit) und den Massen (m) dieser Substanzen abhängt, so zeigt eine genauere Untersuchung, dass dieses Postulat nur durch eine Grösse der Gestalt m.c.ßit erfüllt werden kann, wobei c für die jeweilige Substanz spezifisch ist. Auf diese Weise kann die Kalorik unabhängig vom Energiebegriff entwickelt werden. III. Latente Wärme Wird eine Substanz erwärmt, so erhöht sich im allgemeinen ihre Temperatur. Es gibt aber Ausnahmefälle. Hat man z. B. Eis, das zu schmelzen beginnt, so kann man das Schmelzwasser erwärmen und dann abwarten. Das Wasser wird nicht wieder abkühlen, während das Eis nicht wärmer wird, sondern schmilzt. Ist genügend Eis vorhanden, und ist die Umgebung nicht zu warm, so haben schliesslich Wasser und Eis die gleiche Temperatur 0°C. Die Grunderscheinung, dass ein sich abkühlender Körper (hier das Wasser) gleichzeitig einen Körper erwärmt, erfährt hier eine Ausnahme. Das Eis schmilzt, anstatt wärmer zu werden. Man kann also sagen: Die Wärme, die im Eis auftauchen sollte, tritt nicht in das Gebiet der Erscheinungen, sondern verschwindet aus der W ahrnehmbarkeit im Raum, geht in ein ausserräumliches Dasein über (R. Steiner, 1920, 3. Vortrag). Entsprechendes geschieht bekanntlich bei vielen Umwandlungen von Aggregatzuständen und Modifikationen der Stoffe. Man kann für die aus dem Raum verschwindende Wärme durchaus die übliche Bezeichnung «latente Wärme» verwenden, wenn man bedenkt, dass sich diese Wärme vor der räumlichen Beobachtung verbirgt. Wärme, wie wir sie bisher behandelt haben, welche die Temperatur erhöht, wollen wir erscheinende Wärme nennen. Dabei bedeutet Latentwerden von Wärme oft erscheinende Kälte, wie die Verdunstungskälte zeigt. Wichtig ist, dass die Wärme beim Latentwerden nicht einfach verschwindet wie elektrische Ladungen beim Ladungsausgleich. Sie erscheint zwar nicht im Raum, ist aber in ihm wirksam. Sie erhält ja den höheren Aggregatzustand, wirkt den Gestaltungs- oder Kältekräften entgegen und schliesst dadurch die Stoffe für die Wirkungen der ganzen Erde und des Kosmos auf (R. Steiner, 1920, 5. Vortrag). Die Wärme ist sogar intensiver im Räumlichen wirksam, greift tiefer in das materielle Geschehen ein; aber sie wirkt vom ausserräumlichen in das räumliche Sein. Als Vergleich könnte man an einen Menschen denken, der durch geistige Bemühungen seinen Leib feiner strukturieren möchte. Um die Bedeutung der latenten Wärme noch deutlicher werden zu lassen, ist es zunächst wesentlich, darauf hinzuschauen, dass es Körper gibt, bei denen das Schmelzen kontinuierlich vor sich geht, also kein fester Schmelzpunkt festzustellen ist. Bekanntlich kann auch Wasser unter einem Druck von 195 at (kritischer Druck) verdampft werden, ohne dass eine Siedephase mit konstanter Temperatur und deutlichem Latentwerden von Wärme auftritt. Man kann dies nur so deuten, dass in diesen Fällen ständig ein Teil der zugeführten Wärme latent wird, also keine Temperaturerhöhung bewirkt. Dies führt zu der Frage, ob das nicht bei jeder Erwärmung die Regel ist und ob es sich nachweisen lässt. 18 Hier spielt nun die sogenannte "Wärmeausdehnung» eine wichtige Rolle. Bekanntlich haben nicht nur Gase, sondern auch Flüssigkeiten und feste Körper meist eine höhere spezifische Wärme bei konstantem Druck als bei konstantem Volumen. Die Differenz cP - Cv wird in älteren Büchern (Ch. Briot 1871 , S. 43) «latente Wärme der Ausdehnung» genannt. Dies ist durchaus sinnvoll, diese Wärme dient nicht der Temperaturerhöhung, sondern bewirkt eben die räumliche Vergrösserung. Spannt man einen festen Körper bei Erwärmung ein, so dass die Ausdehnung verhindert wird, so genügt eine geringere Wärmemenge für eine bestimmte Temperaturerhöhung. Allerdings treten dann starke Spannungskräfte auf, die zeigen, dass man das Übergehen der Wärme ·in das Ausserräumliche nur mit Gewalt verhindern kann. - Die Wärmeausdehnung wird leicht als e ine bloss äusserliche, lediglich quantitative Veränderung der Stoffe angesehen, doch zeigt gerade der Zusammenhang mit den elastischen Kräften, dass durch Kälte und Wärme Volumenveränderungen hervorgerufen werden können, die durch elastische Druckoder gar Zugkräfte kaum zu erreichen sind. Schon die gewöhnlichen elastischen Kräfte sind aber durchaus nicht leicht durchschaubar, da sie zu den konstituierenden Kräften der Materie gehören (R. Steiner 1919, 6. Vor trag). So ist die Dichte einer Substanz keineswegs etwas nur Äusserliches, sondern durchaus «spezifisch» für ihn und sein Verhältnis zur Erde. Die Veränderung der Dichte durch Wärme und Kälte greift also tief in die materiellen Substanzen ein. Nicht unwichtig ist es zu erwähnen, dass die Wärmeausdehnung nicht durch den Teil der Wärme verursacht wird, der die Temperatur erhöht, sondern durch latente Wärme, die nicht unmittelbar als wärmend wahrgenommen wird. Die Wärmeausdehnung wird also gar nicht durch das bewirkt, was man gewöhnlich als Wärme bezeichnet, sondern gerade durch das, was aus diesem Bereich ins Ausserräumliche entschwindet. Sie steht aber in Bezug zu einer anderen Wesensseite der Wärme : Ihren Zusammenhang mit der Energie. IV. Wärme und Energie Es herrscht heute weitgehend die Ansicht, der Energiebegriff sei leicht zu fassen und könne sogar an den Anfang des Physikunterrichtes gestellt werden, denn , so argumentiert man, Energie "braucht» man, um Maschinen in Bewegung zu setzen, sie kostet meist etwas, sie kann knapp werden und Krisen auslösen. Im Schüler wird dann die Vorstellung erweckt, dass die Energie in der Kohle, im Öl, in den Atomkernen fast wie eine Art Fluidum «enthalten» sei und durch Verbrennung oder andere Prozesse herausgeholt werden könne (S. Harbeck , 1977, S. 8-11) . Der richtige Begriff der Energie ist die «Arbeitsfähigkeit••, und als solche wird sie, wenigstens in älteren Physikbüchern, meist ganz richtig eingeführt. Es liegt also folgendes vor : Eine Konfigura tion der physikalisch-chemischen Welt hat die Möglichkeit, in einen anderen Zustand überzugehen und dabei einen Vorgang zu bewerkstelligen, der auch durch mechanische Arbeit, z. B. eines Menschen, bewirkt werden kann . Wenn man von Energie spricht, blickt man also stets auf den Übergang von einem w irklichen in einen möglichen Zustand , und insofern ist die Energie niemals in ersterem schon fertig vorhanden oder «enthalten•• . Nehmen wir als ein sehr einfaches Beispiel zwei Kinder, die auf einer Wippe schaukeln. Dann hat jeweils das obere Kind Lageenergie, weil es die Möglichkeit hat, abzusinken und dabei das andere emporzuheben. Selbstverständlich «steckt•• die Energie nicht in irgendeiner Weise in jenem Kinde, denn die Höhe über dem Erdboden und die Möglichkeit abzusinken , gehören wesentlich zu ihr. Überdies zeigt 19 dieses elementare Beispiel auch, wie wenig man sich die Energie als transportables Fluidum vorstellen darf, denn im Idealfalle verliert das eine Kind genau so viel Lageenergie, wie das andere gewinnt. Man hat also einen "Energieübergang••, der den Zwischenraum einfach überspringt. Man kann natürlich fragen: Worin besteht nun aber das Gemeinsame, Wesenhafte, Reale, Qualitative aller Energie? Die Antwort kann nur sein : Da Energie in Zusammenhang mit allen physikalisch-chemischen Erscheinungen auftreten kann, gibt es ein solches Gerneinsames nicht. Die Energie ist tatsächlich nur eine Zahlengrösse, welche die möglichen Übergänge der physikalischen Erscheinungen ineinander quantitativ bestimmt. Insofern ist die Energie ein norninalistischer Begriff wie z. B. der Preis einer Ware. Eigenartigerweise zeigt sich also folgendes: Die unmittelbare Messbarkeit wurde von der Physik als ein wesentliches Kriterium für die Realität einer Sache aufgestellt. Die Energie ist nun nur messbar und trotzdem oder gerade deswegen nicht real. Kehren wir nun zur Wärme zurück, so bemerken wir wieder etwas Auffallendes bei der begrifflichen Bestimmung: Während man sonst bei Körpern, Konfigurationen und Feldern sagt, dass sie Energie haben, wird die Wärme schlechthin als Energie oder als Energieform bezeichnet. Man sagt also nicht "Wärme hat Energie», sondern «Wärme ist Energie». Dies hängt mit dem Wesen der Wärme zusammen. Zunächst ist zu sagen, dass bei den Wärmekraftmaschinen das Gas die entscheidende Rolle spielt. Die Arbeit wird unmittelbar vorn Druck des heissen Gases bzw. Dampfes vollbracht. Dieses "hat» also im üblichen Sprachgebrauch (an den wir uns hier anschliessen wollen) die Energie, und zwar infolge seines Ausdehnungsbestrebens, also seiner Tendenz, sich allseitig auszubreiten, bis es mit der Erdatmosphäre ein Ganzes bildet. Schliesst man das Gas allseitig durch feste Wände ein, so findet dieses Ausdehnungsbestreben im Gasdruck seinen «Ausdruck», und zwar nur an den Grenzflächen. Ist nun eine der Begrenzungsflächen beweglich, also z. B. der Kolben einer Dampfmaschine, und es ist innen und aussen gleichartige Luft, so bewegt sich zunächst nichts, denn auch die äussere Luft hat das Bestreben, in den Kolben einzudringen. Drückt man aber das Gas zusammen, indem man den Kolben nach innen bewegt, so nimmt das Ausdehnungsbestreben, d. h . der Druck zu*. Das Gas hat die Möglichkeit, den Kolben wieder nach aussen zu bewegen und dabei Arbeit zu leisten, die Konfiguration besitzt also Energie. Die Situation ist mit einer zusammengepressten Feder zu vergleichen, die ja auch Ausdehnungsbestreben und insofern Energie hat. Vollzieht man die Vorgänge adiabatisch (d. h. praktisch möglichst schnell und wärrneisoliert) , so ist zum Zusammenpressen des Gases gerade so viel Arbeit erforderlich, wie dann geleistet werden kann. Der Vergleich mit der Feder stimmt also auch in dieser Hinsicht. Der wesentliche Unterschied ist aber, dass sich das Gas beim Komprimieren erwärmt und beim Expandieren wieder abkühlt. Würde man nun sagen, dass die Wärme Energie hat, so würde beim Kornprimieren mehr Energie entstehen als Arbeit geleistet wird, da ja die Arbeitsfähigkeit ausschliesslich im komprimierten Gas zu suchen ist, und nun noch «Wärmeenergie» hinzukommen soll. Dies macht verständlich, warum man die Wärme als Energie schlechthin bezeichnet hat. Man müsste dann nur sagen: Die Wärme ist die Energie, welche das Gas besitzt. Die Wärme entspräche dann in diesem Falle etwa dem Fluidum, das man sich gerne unter der Energie vorstellt. Nun haben wir aber bereits deutlich gemacht, dass die Wärme nicht in dieser Weise als ein in den Körpern befindliches Etwas angesehen werden darf. • Siehe G. Maier, 1980. 20 Eine wirkliche Einsicht scheint mir nur möglich zu sein, wenn man das Auftreten und Verschwinden der Wärme als ihr Erscheinen und Latentwerden auffasst, das die Arbeitsvorgänge zwar begleitet, aber auf einer höheren Stufe steht, denn diese Vorgänge sind auch verständlich, wenn man gar nicht auf die Wärmeprozesse achtet. Wieder ist es sinnvoll, einen Vergleich aus dem Bereich des Seelischen heranzuziehen: Wenn wir die Handlungen eines Menschen betrachten, so sind sie als rein äusserliches Geschehen in Raum und Zeit aus den Prozessen und Kräften des Leibes heraus in gewissem Sinne verständlich. Im Hintergrunde dieses Geschehens lebt aber das Seelisch-Geistige des Menschen, seine Absichten, sein Verlangen, seine Sehnsucht, seine Sympathien und Antipathien. Sie stehen auf einer höheren Stufe als die leiblichen Kräfte, bilden aber zugleich eine Einheit mit ihnen. Auch die Wärmevorgänge und die Gasprozesse bilden eine Einheit, ohne gleichartig zu sein. Vielmehr ist das Wärmegeschehen mit dem Seelisch-Geistigen vergleichbar. Wird das Gas zusammengedrückt, so «möchte>> es sich wieder ausdehnen. Dieses "Verlangen>> tritt in der Wärme gleichsam in Erscheinung, und zwar an der Grenze des räumlich-physikalischen Geschehens, denn die Wärme tritt aus dem Überräumlichen in Erscheinung und ist bereit, sogleich wieder in diese Sphäre zu entschwinden, indem sie latent wird. Es ist nicht unwichtig zu bemerken, dass dabei kein strenger quantitativer Zusammenhang zwischen Kompressionsarbeit und erscheinender Wärme besteht. Dies ist nur bei den idealen Gasen theoretisch der Fall. Schon bei den realen Gasen (nach van der Waals) erscheint mehr Wärme als bei den idealen, und in viel höherem Masse gilt das für Flüssigkeiten und feste Körper. Diese haben also gleichsam einen stärkeren «Ausdehnungswillen» nach der Kompression, als sich äusserlich im Druck zeigt. Man kann allerdings keine Wärmekraftmaschine bauen, die nur auf adia- , batischen Vorgängen beruht, sondern muss noch den folgenden wesentlich anderen Vorgang hinzunehmen: Das Gas im Zylinder der Dampfmaschine wird von aussen (z. B. durch eine luftdicht eingeführte elektrische Heizspirale) erwärmt (s. G. Maier, 1980, S. 32). Dadurch wächst der Gasdruck und kann den Kolben unter Arbeitsleistung nach aussen bewegen, wobei die Temperatur abnimmt. Das Entscheidende dabei ist: Durch die Erwärmung hat das Gas Energie bekommen, d. h. die Wärme gibt dem Gas Energie. Stellen wir uns vor, die Erwärmung geschieht letztlich dadurch, dass ein anderes Gas abgekühlt wird, so haben wir eine Energieübertragung von einem Gas auf das andere nur durch die Wärme. Hier wird also das Geschehen im niedrigeren Bereich, dem Bereich des Gases und seiner Energie durch das Geschehen in dem höheren Wärmegebiet bestimmt, ja verursacht. Im Sinne unseres Vergleiches entspräche dem, dass die seelisch-geistigen Absichten, Wünsche usw. von einem_ Menschen auf den anderen übergingen und dass dadurch dieser Mensch zugleich auch die äusseren Kräfte und Energien erhielte, die Absichten zu verwirklichen. Es geht hier natürlich nicht darum, ob dies möglich ist, sondern es soll nur deutlich gemacht werden, dass ein dementsprechender «magischer>> Vorgang im Bereich der Wärme unablässig stattfindet. Nur die "Vermaterialisierung>> dieses erstaunlichen Wesenszuges der Wärme durch die kinetische Theorie hat ein Bewusstwerden seiner Bedeutung verhindert. Genau genommen finden wir ihn bei jeder Erwärmung und Abkühlung. Wenn z. B. ein fester Körper erwärmt wird, so kann er irrfolge der Wärmeausdehnung im Prinzip Arbeit leisten. Durch die «Formkräfte>> des festen Körpers wird allerdings verhindert, dass diese Arbeit ins Gewicht fällt. Man darf aber trotzdem sagen, dass auch ein erwärmter fester Körper Energie 21 besitzt, dass sie aber nicht unmittelbare Arbeitsfähigkeit ist, sondern gleichsam durch die Formkräfte gefesselt erscheint. Erwärmt nun der feste Körper ein Gas, so erhält dieses Energie, die unmittelbare Arbeitsfähigkeit darstellt, während die gefesselte Energie abnimmt. Wir haben also auch hier den «magischen» Energieübergang, bei dem allerdings kein einfacher Energieerhaltungssatz gilt. Eine relativ einfache Energiebilanz liegt z. B. beim Carnotschen Kreisprozess vor. Im Idealfalle wird dort eine ganz bestimmte Wärmemenge latent, wenn z. B. die Arbeit 1 Nm geleistet wird. Das Latentwerden der Wärme findet also ein Äquivalent in der geleisteten Arbeit. Damit haben wir eine dritte Art des Latentwerdens der Wärme dargestellt. Alle drei finden wir schon in der Grunderfahrung des Erwärmtwerdens (Kap. I) angedeutet. Die erste Art war verbunden mit der Umwandlung der Aggregatzustände. Sie greift am intensivsten in die Stoffprozesse ein. Die zweite ist die Wärmeausdehnung. Bei der dritten Möglichkeit wird durch die Wärme entweder Bewegung bewirkt, oder es wird Arbeit gegen eine Kraft geleistet, wobei man als Urbild einer solchen Arbeit die Hubarbeit gegen die Schwere der Körper ansehen kann. Ganz allgemein darf man daher sagen: Das Latentwerden der Wärme bewirkt, dass Isolation, Starrheit, Dichte, Unbeweglichkeit und Schwere in der physischen Welt abnehmen oder überwunden werden. Nun kann man weiterhin bemerken, dass eine gewisse Tendenz des Naturgeschehens in Richtung des Latentwerdens der Wärme vorhanden ist, was man verkürzt so aussprechen kann: Die Wärme hat eine gewisse Tendenz, latent zu werden. Der Gasdruck ist, wie wir sahen, unmittelbarer Ausdruck dieser Tendenz, ebenso die Wärmeausdehnung der anderen Körper, wenn auch in abgeschwächter Art. Sie zeigt sich aber auch im Verdunsten der Flüssigkeiten und im Sublimieren fester Stoffe bei Temperaturen unterhalb des Schmelzpunktes. Bildlich gesprochen h:eisst das: Die Wärme kann nicht nur die geschilderten Wirkungen vollbringen, sondern sie will das auch. Sie hat gleichsam eine Weltenaufgabe in dieser Richtung. Entgegen stehen der Wärme die Formkräfte, aber nicht diese allein. Wo die Wärme Bewegung bewirkt, wirken ihr die Reibungskräfte entgegen. Auf diese müssen wir daher jetzt noch eingehen. V. Reibungswärme Durch die Reibungskräfte besteht zwischen Energie und Wärme ein weiterer Zusammenhang, der sich von dem behandelten grundlegend unterscheidet. Es ist die Entstehung der Reibungswärme beim Abbremsen eines bewegten Körpers. Das Eigentümliche eines solchen Vorganges besteht darin, dass er nicht umkehrbar ist. Es kann nämlich grundsätzlich nicht erreicht werden, dass die Wärme wieder verschwindet und dafür der Körper wieder seine ursprüngliche Geschwindigkeit erhält. (Nur wenn ein Kältereservoir auf der Temperatur des absoluten Nullpunktes einbezogen werden könnte, wäre das möglich.) Diese Besonderheit führt uns zu der Frage, ob die Reibung ein Urphänomen ist, oder ob sie aus ursprünglicheren Erscheinungen abgeleitet werden kann. Um sie zu beantworten, versuchen wir zunächst, die Wirkungen der Reibung in das Innere der Körper hineinzuverfolgen. Die bremsende Unterlage muss ja auf den gebremsten Körper Kräfte ausüben, die ihn schliesslich zum Stillstand ·bri~gen . Folglich übt der Körper auch Kräfte auf die Unterlage aus, die zunächs-t ·zu l'Okalen Bewegungen . in dieser führen müssen. Was wird aber aus diesee'-'ßewegungen? 22 Unmittelbar einzusehen ist, dass sie in weitere Bewegungen und in reversible elastische Deformationen übergehen, dass also der Unterlagekörper in feine und vielfältige elastische Schwingungen gerät, die dann auch mit Wärmeprozessen einhergehen. Das Wichtigste ist aber nun, zu erklären, wie diese Schwingungen zur Ruhe kommen. Dies kann nur dadurch geschehen, dass der Unterlagekörper nicht vollkommen elastisch ist, sondern eine gewisse Plastizität besitzt, die man als eine Art innerer Reibung ansehen muss. Diese Reibung gleicht Geschwindigkeitsunterschiede aus und bringt dadurch Bewegung zur Ruhe, ohne dass elastische Deformationen entstehen. Ein solches Verhalten ist uns bei den Flüssigkeiten wohlbekannt. Rührt man eine Flüssigkeit um, so kommt sie durch ihre Zähigkeit nach einiger Zeit wieder zur Ruhe. Man kann daher sagen, dass die nicht-elastischen Prozesse in festen Körpern eine Annäherung an die Gesetzmässigkeit des Flüssigen darstellen. Nicht umsonst spricht man ja auch bei starken unelastischen Verzerrungen eines Körpers (z. B. eines Drahtes), die ihn dem Zerreissen nahe bringen, vom «Fliessen» des Materials. Dieses «Flüssigwerden» der festen Körper scheint mir der entscheidende Vorgang zu sein, der bei allen elastischen Deformationen (da sie ja nie ideal sind) eine gewisse Plastizität und dadurch die Dämpfung von Schwingungen bewirkt. Freilich handelt es sich dabei nicht um eine wirkliche Verflüssigung, bei der Wärme latent werden müsste, sondern um eine Art Gegenbild, bei dem gerade Wärme in Erscheinung tritt. Kann man nun die Reibung in Flüssigkeiten auf einfachere Phänomene zurückführen? Bekanntlich wird sie durch die ideelle Zerlegung in dünne Schichten, die aneinander vorbeigleiten und dabei Kräfte aufeinander ausüben, erklärt. Schon die Bildung dieser Schichten, die an ihren sich berührenden Begrenzungsflächen, die doch identisch sind, verschiedene Geschwindigkeiten haben sollen, ist gedanklich kaum nachzuvollziehen und wird durch den Übergang zu «unendlich dünnen•• Schichten nicht einleuchtender. Überdies ist aber eine Kraftrichtung z. B. durch eine exakte (da ideelle) Ebene hindurch, bei der die Kraftrichtung in dieser Ebene liegt, noch schwerer verständlich, da nach unserem Xrafterlebnis Kraftrichtung und Angriffsfläche der Kraft senkrecht zueinander stehen müssen (s. H. Bauer 1976, s. 55). So erklärt man ja auch die Gleitreibung eines festen Körpers auf einem anderen durch die mikroskopische «Rauhigkeit» der Berührungsflächen, die zu Verhakurrgen und Verformungen der ineinander greifenden winzigen Unebenheiten führen. Beliebt ist der Vergleich mit zwei Bürsten, die mit ihren Borsten aufeinander «gleiten». Gerade dieser Vergleich zeigt aber, dass die Erklärung nicht zu Ende gedacht ist, denn die Borsten werden in Schwingungen geraten, die durch die eben geschilderte flüssigkeitsähnliche innere Reibung zur Ruhe kommen können, wobei man aber nun keine Rauhigkeit der geüachten Flächen annehmen kann. Man kann, wenn man in dieser Weise vom Differentiellen ins Ganze denkt, schliesslich "beweisen», dass es gar keine Reibung gibt. Dies wäre ein typischer «Achilles~Schildkröten-Schluss». Um ihm zu entgehen, muss man nun endgültig die Reibung zuammen mit dem Verschwinden der Bewegung und dem irreversiblen Erscheihen der Wärme in das Gebiet der Urphänomene aufnehmen. Man kann sie zwar .,quantitativ aus differentiellen Elementen aufbauen, qualitativ muss sie als die·~ ltrscheinung des Widerstandes gegen alles «Aneinandervorbeibewegen•• als ~wls Grundlegendes akzeptiert werden. Die «Bremswirkungen» sind von anderer Art, aber genauso ursprünglich wie die gewöhnlichen Kraftwirkungen, d. h. Druckund Zugwirkungen. 23 Diese Überlegungen erscheinen mir deswegen so wichtig, weil man ohne sie durch die Schwierigkeit, das Verschwinden der Bewegung und das Auftauchen der Wärme gedanklich zu erfassen, zu einer naiven molekularen Erklärung getrieben wird. Es ist überaus verlockend, einfach in Gedanken eine Gesamtbewegung in eine ungeordnete Molekularbewegung übergehen zu lassen und so die Reibung durch die kinetische Theorie zu erklären. Im Sinne unserer Ausführungen ist das aber nicht vernünftiger, als wenn man wegen des Achilles-Schildkröten-Paradoxons Raum- und Zeitatome einführen würde. Es bleibt die Frage, welche Bedeutung die Reibungswärme im Naturgeschehen hat. Beim Latentwerden der Wärme dringt sie tiefer in den Weltprozess ein. Wie ist es bei Auftauchen von Reibungswärme? Bedenkt man, dass Verdunsten und Aufsteigen von Wasser sowie die Windbewegungen durch latentwerdende Wärme bedingt sind, so erkennt man, dass alle Bewegungen der unbelebten Natur, insbesondere der Technik auf dem Latentwerden von Wärme beruhen. Wird nun eine solche Bewegung abgebremst, so wird die Wärme gleichsam wieder aus dem tieferen Weltprozess herausgedrängt, ohne auf dem gleichen Weg wieder in ihn eintauchen zu können. Da jede solche Bewegung schliesslich gebremst wird, kann man sagen: Der Weltprozess nimmt hier die Tätigkeit der Wärme nicht wirklich auf, s~hdern weist sie letztlich zurück. Dies muss nun noch in weiterem Zusammenhang -betrachtet werden. VI. Wärmeausgleich- Wärmeleitung Die Reibungswärme ist lediglich ein Sonderfall der bei fast jedem physikalischen Vorgang irreversibel auftauchenden Wärme. Diese Wärme soll nach Auffassung der Physik schliesslich den ccWärmetod» der Welt herbeiführen, d. h. einen Zustand, in dem alle Energie zugunsten einer einheitlichen Welttemperatur verschwunden ist. Die Wärme hätte dann keine Möglichkeit mehr, durch Latentwerden in das Weltgeschehen einzudringen. Die erscheinende Wärme wäre endgültig in die Erscheinung gebannt. Nach den heute erforschten physikalischen Gesetzen bewegt sich der Weltprozess auch tatsächlich in Richtung auf einen solchen Zustand. R. Steiner sieht den Gedanken des Wärmetodes als durchaus berechtigt an 2 . Auch der Wärmeausgleich ist ein irreversibler Vorgang (siehe Kap. II), denn ·ein Körper, der einen anderen erwärmt hat, kann das nicht einfach cczurücknehmen» . Das Problem der Nichtumkehrbarkeit tritt uns also schon bei der Grundtatsache der Erwärmung entgegen. Nun ist es aber im Prinzip möglich, einer reversiblen Wärmeübertragung beliebig nahe zu kommen, indem man Carnotsche Kreisprozesse einschaltet. Es wird dabei aber immer ein ganz bestimmter Teil der zu übertragenden Wärme ccunterwegs» latent, und als Äquivalent wird eine bestimmte Arbeit geleistet. Wegen der Tendenz der Wärme zum Latentwerden möchte ich das folgendermassen charakterisieren: Bei jeder Wärmeübertragung ist die Tendenz vorhanden, dass ein Teil der Wärme latent wird und dafür ein entsprechendes Quantum Arbeit geleistet wird. In bestimmten Fällen kommt diese Tendenz auch voll zum Zuge, z. B. bei der Wärmeübertragung durch Mischen zweier Gase. Es sei Luft in zwei durch eine Wand getrennten, wärmeisolierten Gefässen. Die Luft in einem wird erwärmt und dann die Wand plötzlich weggenommen. Dann wird das Gas sich unter heftigen Bewegungen durclullischen und schliesslich zur Ruhe kommen, wobei sich die aus der Kalorik folgende Mischtemperatur einstellt. Es ist aber ganz klar, dass sich die Luft beim Zur-Ruhe-~ommen durch Reibung erwärmt hat. Also war die Temperatur vorher niedriger. Dieses ist auch völlig 24 einleuchtend. Wenn das eine Gas in das andere eindringt, so erhält es kinetische Energie, es wird also Arbeit geleistet, was sich in einer Temperaturerniedrigung zeigen muss. Wärmeausgleich und gleichzeitiges Entstehen von Reibungswärme führen dann zur resultierenden Mischtemperatur 3• Das Eigenartige ist also, dass zuerst ein Teil der Wärme latent wird, um dann als Reibungswärme wieder aufzutauchen, wodurch die Irreversibilität des Gesamtvorganges verständlich wird (s. v . Baravalle, 1955 I E. Hegelmann, 1955, S. 141 ff). Wie steht es mit dem anderen Extrem des Wärmeausgleiches, der reinen «Wärmeleitung», wenn man also z. B. zwei Eisenstücke verschiedener Temperatur in Berührung miteinander bringt? An den Berührungsstellen herrscht jedenfalls ein hohes Temperaturgefälle, das einen relativ starken Wärmeübergang und eine entsprechende Wärmeausdehnungsbewegung zur Folge hat. Die entstehenden Schwingungen mögen noch so winzig sein, sie sind jedenfalls vorhanden und können nur durch innere Reibung wieder abklingen. Daraus ersieht man, wie auch hier die Irreversibilität nicht ohne Zusammenhang mit der Reibungswärme ist. Nun wird deutlich, dass die Wärmeleitung kein einfaches Fortflie~sen von Wärme ist. Sowe.i t dabei Wärmeausdehnungen und -zusammenziehungen auftreten, ist prinzipiell ein - wenn auch noch so kleines Quantum - Reibungswärme mit im Spiel. Es treten von latentwerdender Wärme begleitete Schwingungen auf, die beim Abklingen diese Wärme wieder in die Erscheinung zurückwerfen. Man kann noch einen Schritt weitergehen und sagen: Die Verhinderung der von der Wärme intendierten Bewegung durch die Formkräfte der festen Körper ist ein der Reibung verwandter Vorgang. Die Gestaltungskräfte der Materie ersticken die Auflösungs- und Bewegungstendenzen der Wärme weitgehend im Keim und stossen sie irreversibel in die Erscheinung zurück. Es handelt sich also um das Folgende. Die Eigentendenz der Wärme ist das Auflösen der Dichte- und Formkräfte der Materie, wobei sie selber in das Überräumliche oder das «Innere des Raumes» verschwindet, um von dem Inneren in das Aussere im Sinne ihrer Eigentendenz hineinzuwirken. Die Formkräfte der flüssigen und insbesondere der festen Körper halten die Eigentendenz, diesen «Saugeffekt» der Wärme auf und stossen oder «spiegeln» die Wärme in die Erscheinung zurück, d . h . sie wird beim Eintreten in das Gebiet des Überräumlichen, des «<mponderablen•• in das Reich des Räumlich-Ponderablen zurückreflektiert Dies ist es , was R. Steiner (1920), wie ich glaube, im «Wärmekurs•• mit den Worten ausspricht : «Wenn Sie sich nun vorstellen, dass wir es zu tun haben mit dem Vorgange, den wir vor ein paar Tagen hier als Wärmeleitung bezeichneten, so müssen Sie daran die andere Vorstellung knüpfen, dass diese Wärmeleitung ja an die ponderable Materie gebunden ist, im Gegensatz zu dem, was wir ja auch aufgezeigt haben als die sich ausbreitende Wärme selbst. Die sich ausbreitende Wärme selbst finden wir ja jetzt als dasjenige, was da herausquillt, wenn der Raum zerreisst. Wie will denn diese Wärme wirken? Sie will aus de r Intensität des Raumes in die Extensivität hineinwirken. Sie will gewissermassen aus dem Inneren des Raumes in sein Aussenwerk hineinwirken . Wenn sie in Wechselwirkung tritt mit einem materiellen Körper, so sehen wir die Erscheinung auftreten , die darin besteht, dass die Eigentendenz der Wärme aufgehalten wird, ihr Saugeffekt in einen Druckeffekt umgewandelt wird, dass sich der Weltentendenz de r Wä rme entgegenstellt die individualisierende Tendenz des Materiellen, die im festen Körper dann die gestaltende Kraft wird. Wir haben also in der Wärme, in dem Erscheinen der Wärme, sofern dieses Erscheinen zur Wärmeleitung führt, zu suchen eine jetzt nicht in Strahlen, sondern nach allen Seiten sich bildende Ausbreitungstendenz, wir haben zu suchen ein 25 Spiegeln der imponderablen Materie an der ponderablen Materie, oder des Imponderablen an der ponderablen Materie. Der Körper, welcher uns die Wärme leitet, der bringt ja eigentlich fortwährend Wärme zum Vorschein, indem er im Grunde intensiv zurückstösst - nicht extensiv, wie beim Licht, das aber nur in seinen Bildern uns entgegentritt - die auf sein Materielles aufstossende imponderable Wärme.» Jede Wärmeleitung zeigt also in besonders eindrucksvoller Weise das Zusammenwirken des Wärmewesens in seiner Eigentendenz mit den Formkräften der Materie, zeigt, wie zwei Weltentendenzen sich zu einer der wichtigsten Erscheinungen im Weltgeschehen vereinigen. VII. Zusammenfassung Die Wärme zeigt ihre Eigentendenz, ihr Eigenwesen im Weltgeschehen am deutlichsten dort, wo sie Festes in Flüssiges und Flüssiges in Gasförmiges verwandelt. Dort wirkt sie als Kraft der Weltensympathie, der Weltenhingabe in besonders intensiver Weise. Wo eine solche Verwandlung nicht möglich ist, ruft die Wärme mannigfaltige Gestaltsveränderungen und Bewegungen hervor, die in mehr bildhafter Weise (z. B. bei den Luftströmungen) ausdrücken, was das Wesen der Wärme ist. Um in dieser Weise zu wirken, geht die Wärme in das Innere des Raumes über. Bei der Reibungswärme, allgemein bei der irreversibel auftauchenden Wä rme, insbesondere im Zusammenhang mit der Wärmeleitung wird die Eigentendenz der Wärme aufgehalten und durch die Materie-Kräfte in den äusseren Raum zurückgeworfen. Durch diesen Vorgang, der überall im Naturgeschehen eine Rolle spielt, tendiert dieses zum Wärmetod der Welt. Seine gedankliche Erfassung drängte die Wissenschaft in besonders starker Weise zur mechanistischen Auffassung der Wärme und damit der Welt überhaupt. Insofern führt sie auch das Denken in einen Todesprozess. Andererseits ist gerade diese Seite der Wärme unerlässlich dafür, dass sie überhaupt in der Welt äusserlich auftritt und spürbar wird, d. h . nur sie gibt der Wärme die Möglichkeit, im Erdgeschehen Bedeutung und Sinn zu finden. Nur wenn die Wärme vom Todesprozess berührt wird, kann sie erscheinen, sonst würde sie alle Materie auflösen und aus dem Raum verschwinden. Man kann diese Stufen des Wärmegeschehens mit den Ausführungen R. Steiners (1911) in dem Zyklus «Die Evolution vom Gesichtspunkt des Wahrhaftigen» in Zusammenhang bringen, indem man in allem Wärmegeschehen einen Nachklang der grossen Weltevolution zu erahnen sucht. Freilich ist das nicht als logische Folgerung oder als absolute Behauptung zu verstehen, sondern als gedankliche Anregung, die weiterbewegt und weitergeführt werden kann. Anmerkungen 1 Natürlich kann m an auch b eobachten, dass z. B. eine Heizung wärmer w ird. Das ist dann aber zugleich ein e Steigerung unseres Erlebens des Erwärmtwerdens. Die geschilderte Einheit bleibt also unberührt. 2 In dem Vortragszyk lus von R. Steiner (1913/ 14) «Aus der Akashaforschung. Das fünfte Evangelium» heisst es : «Dieses Schicksal der physischen Erde wird j a heute schon von den Physikern a n erkannt. Es wird von den Physikern als richtig anerkannt, dass di e Erde als physisches Wesen einmal dem sogenannten Wärmetod verfallen wird. Das Verhältnis der 26 Wärme zu den anderen physikalischen Kräften der Erde ist so, dass einmal in einer gewissen Zukunft der Zeitpunkt eintreten wird- das ist heute schon ein physikalisches Ergebnis -, wo alles in eine gewisse gleichmässige Wärme übergegangen sei n wir<!. Dann wird nichts mehr da sein, was an Ereignissen und Verrichtungen auf der Erde ge s chehen könnte in ihrem physischen Bereich. Die ganze Erde wird dem Wärmetode verfalle n sein. Diejenigen, die Materialisten sind, müssen natürlich als selbstverständlich annehmen denn sonst sind sie nicht konsequent -, dass mit diesem Wärmetode alles, auch was sie menschliche Kultur, menschliches Denken. Sinnen und Trachten nennen, aufhören müsse, dass das ganze menschliche Leben in der gleichmässigen Erdenwä :rme verschwinden müsse. Wer die Verhältnisse durchschaut, wie sie die geisteswissenschaf tliche Lehre geben kann, der weiss, wie dieser Wärmetod bedeutet, dass die physische Erde vvie ein Leichnam abfallen wird von ihrem Geistigen. das zu ihr gehört, wie der m enschliche physische Leichnam von dem abfällt, was vom Menschen durch die Pforte des Todes schreitet." Der Versuch von Gay-Lussac (Ausdehnung eines Gases ins Vakuum) und seine Variation durch Joule bestätigen unseren Gedankengang (s. auch Ch. Briot l S. 71, S. 54 f, wo die Erscheinung auch in unserer Weise erklärt wird) . 3 LITERATUR Baravalle, H. v. (1955): Physik als reine Phänomenologie, zweites B ~ch. Bern. Dauer, H. (1976): Gibt es eine Schwerkraft? Math. Phys. Korresp<mdenz Nr. 100, Sommer. Dornach. Briot, Ch. (1871) : Lehrbuch der mechanischen Wärmetheorie. De 'Utsch herausgegeben von H. Weber, Leipzig. Harbeck, S. (1977) : Physik und Chemie in unserer Welt 5/6. Düsse l dorf, Braunschweig. Hegelmann, E.: zitiert in H. v. Baravalle (1955): Physik als reine Phänomenologie, zweites Buch. Bern. Mackensen, M. v. (1979): Klang, Helligkeit und Wärme usw. Kassel. Maier, G. (1980): Ein Versuch zur Mechanik eingeschlossener Gase . Elemente d. N. 32, 33--40. Steiner. R. (1911): Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen. GA 132, Dornach 1979. (1913/ 14): Aus der Akasha-Forschung. Das fünfte Evangeliun1. Vortrag vom 10.2.1914. GA 148, Dornach 1975. (1919): Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Päd a gogik. GA 293, Dornach 1980. (1920): Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs (Wärrnekurs) _ GA 321, Domach 1972. Hermann Bauer Vinkelgasse 21 D-5305 Bornheim-Brenig 27