beschluss - Verfassungsgerichtshof des Saarlandes

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Lv 1/11
VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES SAARLANDES
BESCHLUSS
In dem Organstreitverfahren
der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands – NPD – Landesverband
Saarland, vertreten durch den Landesvorsitzenden
- Antragstellerin -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
gegen
1. die Christlich Demokratische Union – CDU – Landesverband Saar, vertreten durch die Landesvorsitzende
- Antragsgegnerin zu 1) -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
2. die Regierung des Saarlandes, vertreten durch die Ministerpräsidentenin
Annegret Kramp-Karrenbauer, Am Ludwigsplatz 14, 66117 Saarbrücken,
- Antragsgegnerin zu 2) -
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hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes unter Mitwirkung
des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Roland Rixecker
des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Rudolf Wendt
des Verfassungsrichters Ulrich André
der Verfassungsrichterin Kerstin Herrmann
der Verfassungsrichterin Dr. Anke Morsch
der Verfassungsrichterin Heidrun Quack
des Verfassungsrichters Prof. Dr. Stephan Weth
des Verfassungsrichters Henner Wittling
am 18.11.2011
beschlossen:
1. Der Antrag ist, soweit er sich gegen die Antragsgegnerin zu 1.)
richtet, eingestellt. Im Übrigen wird der Antrag verworfen.
2. Das Verfahren ist kostenfrei.
Gründe:
I.
Am 30.08.2009 fanden die Wahlen zum 14. Landtag des Saarlandes statt.
Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat durch Urteil vom 01.07.2010 –
Lv 4/09 – festgestellt, dass die vorherige Landesregierung dadurch gegen das
verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf und den
verfassungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen verstoßen
hat, dass sie vor der Landtagswahl durch die Publikation der Broschüre „Saarland – aber sicher“ und durch die Veröffentlichung der Anzeigenserie „Der Ministerpräsident informiert“ sowie durch den Brief des Ministerpräsidenten, der
den Gehaltsabrechnungen der Beschäftigten des Landes beigefügt war, werbend in den Wahlkampf eingegriffen hat.
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Die Antragstellerin meint, dass damit der Antragsgegnerin zu 1) ein vermögensmäßiger Vorteil, welcher auf ca. 100.000 € geschätzt werde, zugeflossen
sei, den die Antragsgegnerin zu 2) nicht zurückgefordert habe.
Mit ihrem am 18.01.2011 bei dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes eingegangenen Antrag machte die Antragstellerin geltend, die Antragsgegnerin zu
1) sei verpflichtet, den ihr durch die verfassungswidrigen Wahlwerbemaßnahmen der damaligen CDU-Landesregierung entstandenen geldwerten Vorteil
durch Zahlung an das Land zurückzuführen, und die Antragsgegnerin zu 2) sei
verpflichtet, dies von der Antragsgegnerin zu 1) zu verlangen.
Mit Schriftsatz vom 15.09.2011 hat die Antragstellerin die gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Anträge zurückgenommen.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin zu 2) die Rechte der Antragstellerin aus Art. 63 Abs. 1 SVerf i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG
dadurch verletzt hat, dass sie es unterlassen hat, die von ihr im
Landtagswahlkampf 2009 an den CDU-Landesverband Saarland
durch unzulässige steuergeldfinanzierte Wahlwerbemaßnahmen
mittelbar zugewendeten Vermögenswerte an die Landeskasse
zurückzufordern.
Die Antragsgegnerin zu 2) beantragt,
den Antrag zu verwerfen, jedenfalls zurückzuweisen.
Nach Auffassung der Antragsgegnerin zu 2) ist der Antrag der Antragstellerin
unzulässig, da es sich in vorliegendem Fall nicht um eine verfassungsrechtliche,
sondern um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art
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handele, für die nicht der Verfassungs-, sondern der Verwaltungsrechtsweg
statthaft sei.
Der Antrag sei auch mangels Antragsbefugnis unzulässig, da die Antragstellerin
nicht geltend machen könne, durch Unterlassungen der Antragsgegnerinnen in
ihren Verfassungsrechten verletzt oder gefährdet zu sein. Der unzulässige Antrag sei jedenfalls unbegründet, weil die Voraussetzungen eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs nicht gegeben seien.
II.
Nachdem die Antragstellerin ihre Anträge gegen die Antragsgegnerin zu 1) zurückgenommen hat, ist das Verfahren insoweit eingestellt.
Der ausdrücklich aufrechterhaltene Antrag der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 2) ist unzulässig. Er kann daher gemäß § 17 des Gesetzes
über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss verworfen werden.
1.
Die Antragstellerin, eine politische Partei, ist in Organstreitverfahren gemäß
Art. 97 Nr. 1 der Verfassung des Saarlandes – SVerf § 9 Nr. 5, § 39 VerfGHG –
grundsätzlich als Antragstellerin beteiligungsfähig.
Zwar sind politische Parteien in diesen Vorschriften nicht ausdrücklich als mögliche Beteiligte eines Organstreits genannt. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 4, 27 (31); E 60, 53 (61); E 92,
80 (88)), der sich der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes angeschlossen
hat (Beschluss vom 12.10.1994 – Lv 10/94; zuletzt Urteil vom 01.07.2010 – Lv
4/09) können jedoch auch politische Parteien „andere Beteiligte“ im Sinne von
Art. 93 des Grundgesetzes – GG –, Art. 97 Nr. 1 SVerf sein, wenn sie Rechte
geltend machen, die sich aus ihrem in Art. 21 GG beschriebenen verfassungsrechtlichen Status ergeben (vgl. BVerfGE 79, 379 (383).
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2.
Der von der Antragstellerin ausdrücklich aufrechterhaltene Antrag gegen die
Antragsgegnerin zu 2) ist jedenfalls wegen fehlender Antragsbefugnis im Organstreitverfahren gemäß § 40 Abs. 1 VerfGHG unzulässig.
Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag nur zulässig, wenn die Antragstellerin geltend macht, dass sie durch eine Maßnahme oder Unterlassung der Antragsgegnerinnen in ihren durch die Verfassung übertragenen Rechten oder Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. E 60, 53
(60 ff.); E 103, 81 (86)) bedeutet dies, dass im Organstreit das – hier geltend
gemachte – Unterlassen einer Maßnahme, nämlich die Erstattung oder Rückforderung von durch unzulässige Wahlwerbemaßnahmen zugewendeten Vermögenswerten, nur dann zulässig wäre, wenn eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Vornahme der unterlassenen Maßnahmen nicht ausgeschlossen
werden kann. Fehlt dies, so ist der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Unterlassens unzulässig (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1112).
So liegt es bei dem Antrag der Antragstellerin.
Mit dem Antrag macht sie geltend, dass die Antragsgegnerin zu 2) – die Regierung des Saarlandes – aus den genannten Verfassungsbestimmungen ihr gegenüber verpflichtet sei, die in diesem Wahlkampf – wie sie behauptet – dem
Landesverband Saar der CDU durch unzulässige Öffentlichkeitsarbeit zugewendeten Vermögenswerte von diesem zurückzufordern.
Eine Grundlage für diese von der Antragstellerin behaupteten verfassungsrechtlichen Verpflichtungen der Antragsgegnerinnen ist jedoch in den von der Antragstellerin genannten Verfassungsbestimmungen – Art. 63 Abs. 1 SVerf i.V.m.
Art. 21 Abs. 1 GG – nicht ersichtlich. Die Vorschriften regeln die verfassungs-
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rechtlichen Rechte und Pflichten der Parteien: Sie wirken bei der politischen
Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei und ihre innere Ordnung
muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft
und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft
geben. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch einer politischen Partei auf Rückzahlung einer Zuwendung, die eine andere politische Partei erhalten hat, ergibt
sich aus ihnen – erkennbar – nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 26 Abs. 1 VerfGHG.
gez. Prof. Dr. Rixecker
Prof. Dr. Wendt
Herrmann
Dr. Morsch
Prof. Dr. Weth
André
Quack
Wittling
Ausgefertigt
(Dörr)
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
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