Die Dürreperiode 2003 in Sachsen Aktuelle Information Erstellt durch: LfUG, R 41; Wilfried Küchler Vorbemerkung Vorliegender Bericht beschäftigt sich mit der Trockenheit 2003 – einem Jahrhundertereignis. Rückblickend betrachtet war das Jahr 2003 ein weit überdurchschnittlich warmes, sonnenscheinreiches und vor allem sehr niederschlagsarmes Jahr. Insbesondere die Monate Juni und August waren insgesamt die wärmsten seit über 100 Jahren in Deutschland. Für den Zeitraum der meteorologischen Messungen (seit 1761) muss der Sommer 2003 (Monate Juni, Juli, August) als äußerst extremes – und statistisch gesehen nahezu „unmögliches“ - Ereignis gewertet werden (Temperaturanomalie 3,5 K; bisheriger Rekord 1947 mit 2,3 K). Auch im Vergleich zu den historischen Trockenjahren 1943, 1976 und 1982 in Sachsen war das Jahr 2003 insofern besonders ungünstig für Land- und Forstwirtschaft, als die für die beginnende Pflanzenentwicklung außerordentlich wichtige Vegetationsperiode I (Monate April, Mai, Juni) verbreitet als trockenste seit 100 Jahren in die Annalen einging. Vor allem durch den frühzeitigen Beginn des Trockenstresses und den alle Rekorde brechenden Dürremonat August sank der Bodenwassergehalt extrem stark ab. In weiten Teilen Sachsens trockneten die Waldböden völlig aus. Auf zahlreichen Standorten reichte der vorhandene Wasservorrat nicht mehr aus, um die Bäume ausreichend zu versorgen. Laubgehölze reagierten auf die Trockenheit mit massiven, vorzeitigen Blattverlusten, Vergilbung und Verbraunung (Trockenfärbung). Wärme und Trockenheit begünstigten darüber hinaus Entwicklung und Ausbreitung von Insekten und Schadpilzen. Auf vielen Standorten wurde die Vegetationszeit wegen des Wassermangels schließlich vorzeitig beendet. Selbst in östlichen Regionen des Erzgebirges war ein markantes Wasserdefizit zu verzeichnen. Erhebliche Verluste und Schäden registrierte auch die sächsische Landwirtschaft, insbesondere in Nord- und Ostsachsen. Bis zum Jahresende hatte sich infolge unterdurchschnittlicher Niederschläge in weiten Teilen Sachsens das Niederschlagsdefizit sogar noch weiter erhöht. Entwicklung der Niederschlagssummen im Jahresverlauf 2003 an der Station Dresden-Klotzsche Niederschlagssumme in mm 800 700 600 241 mm 500 Durchschnittswert 1961-1990 400 DEFIZIT 300 Niederschlag 2003 200 100 Dezember November Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar 0 Regionaler Klimawandel und meteorologische Extremereignisse Die Frage, ob extreme Niederschlagsereignisse oder Trockenperioden im Rahmen des globalen Klimawandels häufiger und/oder extremer werden, ist hinsichtlich der Auswirkungen (Überschwemmungen, Dürren) von enormer ökonomischer, ökologischer und sozialer Bedeutung. Die extremen Niederschlagsereignisse in Deutschland, in jüngerer Zeit insbesondere die Sommerhochwasser an Elbe (August 2002) und Oder (Juli 1997) sowie die in den letzten Jahrzehnten zunehmende Tendenz zur Frühsommertrockenheit stellen die Frage, ob es sich hierbei bereits um regionale Ausprägungen des globalen Klimawandels handelt. Deshalb ist es eine vordringliche Forschungsaufgabe, der Frage nachzugehen, ob wir uns bereits in einer Phase des Klimawandels mit zunehmenden Extremereignissen befinden bzw. wie sich dieser Wandel in Sachsen im Detail beschreiben lässt. Bekannt ist, dass bei einer globalen Erwärmung der Atmosphäre die Extreme weltweit zunehmen. Das bedeutet auch, dass sowohl lang anhaltende Trockenperioden als auch extrem starke Niederschläge typische Anzeichen für einen Klimawandel sind. Weitgehend unbeantwortet bleibt vorerst noch die wichtige Frage nach den Wetterlagen bzw. der Abfolge von Wetterlagen, die zu längeren Dürreperioden führen können. 2 Im Hinblick auf die voraussichtliche Entwicklung von Extremereignissen (Trockenperioden; Starkniederschläge) wird im Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie der Trockenheit besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da nach den bisher realisierten Klimamodellszenarien in weiten Teilen Sachsens damit zu rechnen ist, dass sich vor allem die diagnostizierten Rückgänge der Niederschläge in der Vegetationsperiode (Monate April bis Juni) in der Zukunft verstärkt fortsetzen werden. Diese regionale Tendenz stützt auch eine Kernaussage des IPCC, nach der der globale Klimawandel mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Zunahme der kontinentalen Sommertrockenheit und der damit verbundenen Dürregefahr über den meisten Regionen der innerkontinentalen Landmassen mittlerer Breite begleitet wird. Bei der Darstellung von Dürreperioden sind Informationen über Niederschlagsmengen und die Temperatur allein nicht ausreichend, vielmehr wären genauere Kenntnisse über die räumlich-zeitliche Niederschlagsverteilung und die Niederschlagsintensität wichtig. Das Erzgebirge modifiziert infolge seiner Ausrichtung und Höhe die Strömung und damit auch die Luftmasseneigenschaften und übt infolge dessen auch einen wesentlichen Einfluss auf die Ausprägung der Extremereignisse in Sachsen aus. Die Dürreperiode 2003 in Sachsen in meteorologischen Daten Witterung im Jahr 2003 Die Witterung des Jahres 2003 in Sachsen kann im Hinblick auf die Klimaelemente Lufttemperatur, Sonnenscheindauer und Niederschlag in aller Kürze wie folgt charakterisiert werden: Lufttemperatur Monate Februar und Oktober deutlich zu kalt, ansonsten alle Monate zu warm. Deutliche Überschreitungen der langjährigen Mittelwerte im Mai, Juni und August. 3 Abweichung der Monatsmittelwerte der Lufttemperatur von den langjährigen Mittelwerten 1961-90 im Jahr 2003 in Sachsen 3,9 4,0 3,8 Abweichung in K 2,5 2,0 1,9 2,0 1,4 1,1 0,9 0,7 0,0 0,0 -2,0 -2,6 -3,5 Dezember November Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar -4,0 Abb. 1: Abweichung der Lufttemperatur in Sachsen im 1. Halbjahr 2003 vom langjährigen Mittel 1961 – 1990 4 Sonnenscheindauer Das Jahr 2003 war insgesamt in Sachsen außergewöhnlich sonnenscheinreich. Mit Ausnahme der Monate Januar und Oktober zeigten alle Monate eine überdurchschnittliche Sonnenscheindauer. Deutliche Überschreitungen der langjährigen Mittelwerte waren im Februar, Juni, November und Dezember zu verzeichnen. Abweichung der Monatssummen der Sonnenscheindauer von den langjährigen Mittelwerten 1961-90 im Jahr 2003 in Sachsen 120 96 Abweichung in % 100 81 82 80 60 41 53 47 44 31 40 11 20 5 0 Dezember Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar November -14 -12 -20 Abb. 2: Abweichung der Sonnenscheindauer in Sachsen im 1. Halbjahr 2003 vom langjährigen Mittel 1961 – 1990 Niederschlag Mit Ausnahme der Monate Januar, Juli und Oktober waren alle Monate zu trocken. Als markant zu trocken sind dabei die Monate Februar und August einzustufen. 5 Abweichung der monatlichen Niederschlagshöhen von den langjährigen Mittelwerten 1961-90 im Jahr 2003 in Sachsen Abweichung in % 80 40 35 20 6 0 -12 -40 -41 -30 -47 -44 -44 -48 -80 -80 -80 Dezember November Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar -120 Abb. 3: Abweichung der Niederschlagshöhen in Sachsen im Jahr 2003 vom langjährigen Mittel 1961 – 1990 Aus der Kombination der drei Klimaparameter Lufttemperatur (zu warm), Sonnenscheindauer (überdurchschnittlich) und Niederschlag (sehr trocken) resultierten insgesamt sehr hohe Verdunstungsraten, die aufgrund des fehlenden Wasservorrates im Boden im Juni zu äußerst extremen Stresssituationen für die Pflanzen führten. Selbst in Gebieten, in denen vergleichsweise viel Regen fiel, war die Situation sehr kritisch, da die registrierten Niederschläge fast ausschließlich in Verbindung mit Schauern und Gewittern innerhalb weniger Stunden auftraten und damit nicht tief in den ausgetrockneten Boden eindringen konnten. 6 Die Trockenheit der Monate Februar, März und April setzte sich im Mai fort. Im Juni erhöhten sich die erheblichen Niederschlagsdefizite in Kombination mit Hitze und viel Sonnenschein weiter. Im Juli verringerte sich das Defizit vorübergehend, nahm dann aber im August aufgrund extremer Niederschlagsarmut drastisch zu. Im September führten gebietsweise ergiebige Regenfälle im westlichen Sachsen zu einer partiellen Entschärfung der Dürre, während sich beispielsweise im Elbtalgebiet die kritische Situation noch weiter verschärfte. Diese Differenzierung kommt in Abb.3 aufgrund der Mittelung über mehrere Stationen nicht zum Ausdruck. Jahr und Sommerhalbjahr in Deutschland und Sachsen Vergleich der Niederschlagshöhen im Jahr 2003 mit den Referenzwerten 1961-90 Niederschlagssummen in % 100 75 69 75 64 61 Dresden Görlitz 50 25 0 Deutschland Sachsen Abb. 4: Vergleich der Niederschlagshöhen im Jahr 2003 mit dem langjährigen Mittel 1961– 1990 Das Jahr 2003 war in Deutschland mit 75 % des langjährigen Mittelwertes des Jahresniederschlages wesentlich zu trocken (Abb.4). Die Gebietsmittel für Sachsen im gleichen Zeitraum lagen im Durchschnitt noch 6 % unter diesem Wert, wobei einige Regionen noch deutlichere Abweichungen zeigen (z. B. in Ostsachsen/ Görlitz mit 401 mm lediglich 61 % des langjährigen Mittels). Das erste Halbjahr des Jahres 2003 war in Deutschland mit 72 % des langjährigen Mittelwertes wesentlich zu trocken (Abb. 5). Die Gebietsmittel für Sachsen im gleichen Zeitraum lagen 7 noch um 10 % unter diesem Wert, wobei einige Regionen noch deutlichere Abweichungen zeigten (z. B. Gebiete in Nord- und Ostsachsen teilweise mehr als 20 % unter dem Gebietsmittel für Deutschland). Im 1. Halbjahr 2003 fiel somit in Sachsen gebietsweise nur etwa die Hälfte des Niederschlags-Referenzwertes für 1961-1990. Vergleich der Niederschlagshöhen im 1. Halbjahr 2003 mit den Referenzwerten 1961-90 Niederschlagssummen in % 100 72 75 62 54 53 50 25 0 Deutschland Sachsen Dresden Görlitz Abb. 5: Vergleich der Niederschlagshöhen im 1. Halbjahr 2003 mit dem langjährigen Mittel 1961–1990 Das zweite Halbjahr des Jahres 2003 war in Deutschland mit 77 % des langjährigen Mittelwertes ebenfalls sehr trocken (Abb. 6). Die Gebietsmittel für Sachsen im gleichen Zeitraum lagen lediglich 4 % unter diesem Wert, auch die regionale Differenzierung innerhalb Sachsens war weit schwächer ausgeprägt als im 1. Halbjahr. Es wurden im Allgemeinen mehr als 2/3 des Niederschlags-Referenzwertes erreicht. 8 Vergleich der Niederschlagshöhen im 2. Halbjahr 2003 mit den Referenzwerten 1961-90 100 Niederschlagssummen in % 77 73 73 75 68 50 25 0 Deutschland Sachsen Dresden Görlitz Abb. 6: Vergleich der Niederschlagshöhen im 2. Halbjahr 2003 mit dem langjährigen Mittel 1961–1990 Die Vegetationsperioden I und II in Deutschland und Sachsen Das Sommerhalbjahr umfasst die Monate April bis September, die Vegetationsperiode I (VP I) die Monate April, Mai und Juni und die Vegetationsperiode II (VP II) die Monate Juli, August und September. Die VP I stellt den witterungsseitig sensibelsten Abschnitt der GesamtVegetationsperiode dar. In diese Zeit fällt das Hauptwachstum der meisten Feldfrüchte, insbesondere der Getreidearten. Typisch für den Witterungsverlauf in der Vegetationsperiode (Monate April bis September) waren vor allem in den Monaten Juni und August zu beobachtende lang anhaltende warme, strahlungsreiche und sehr trockene Witterungsabschnitte in Verbindung mit blockierenden stabilen Hochdruckwetterlagen, die ein Übergreifen atlantischer Wetterfronten von Westen her verhinderten. Die resultierende Witterung hatte – zeitlich und regional differenziert – gravierende Wasserstress-Erscheinungen für die Pflanzen zur Folge. Abb. 9 unterstreicht die räumliche Differenzierung der Niederschlagshöhen in Sachsen im Sommerhalbjahr, die allerdings noch keine grundlegenden Aussagen über die Konsequenzen in den einzelnen Regionen Sachsens zulässt. Eine detaillierte Betrachtung relevanter Witterungsepisoden im Detail ist unerlässlich, um eine Einschätzung des potentiellen Trockenstresses für die Vegetation vorzunehmen (folgende Kapitel). 9 Niederschlagshöhen im Sommerhalbjahr 2003 in Sachsen 500 400 220 200 231 228 198 178 170 270 263 Plauen 315 300 Leipzig Niederschlagssumme in mm 433 216 182 143 100 Forchheim Chemnitz Roda Salbitz Nossen Pommritz Dresden Görlitz Spröda Köllitsch Oschatz 0 Abb. 9: Niederschlagshöhen im Sommerhalbjahr 2003 in Sachsen Quellen: DWD (dunkelgrün); Agrarmeteorologisches Netz (hellgrün) Nach dem Vegetationsbeginn setzte bereits Anfang Mai ein Austrocknungsprozess im Oberboden ein. Auf den Sandstandorten in Nordsachsen wurde bereits im Juni der permanente Welkepunkt erreicht und damit war das pflanzenverfügbare Bodenwasser im Hauptwurzelraum der Bäume verbraucht. Stärkere Niederschläge konnten dann gebietsweise lediglich Ende Juli verzeichnet werden. Diese führten vorübergehend zur Entspannung der StressSituation für die Pflanzen. Eine in Deutschland bisher beispiellose Hitze- und Dürreperiode folgte im August. Dabei erreichten die Temperaturmaxima in Sachsen bei weitem nicht die Ausprägung wie in West- und Südwestdeutschland. Aber die Trockenheit war ohne Beispiel. So wurde an der Wetterstation in Görlitz mit einer Monatssumme von lediglich 3 mm (langjähriges Mittel 74 mm) ein neuer Minusrekord der vergangenen 100 Jahre erreicht. Insgesamt akkumulierten sich infolgedessen bis Ende August 2003 die Jahres-Niederschlagsdefizite in Sachsen gebietsweise bereits auf etwa 200 mm (das sind immerhin 20 Eimer Wasser pro Quadratmeter). Markantes Anzeichen für den teils nahezu vollständigen Verbrauch der Bodenwasservorräte zu dieser Zeit war die an bestimmten Standorten schlagartige Verfärbung (Trockenfärbung im Unterschied zur Herbstfärbung) oder gar Vertrocknung des Laubes der Bäume etwa ab Mitte August. Dass im Tiefland dennoch zunächst Trockenschäden in größerem Umfang nicht sichtbar wurden, resultiert vermutlich aus den im Vorjahr und Winter besonders gut gefüllten 10 Grundwasservorräten und einem kapillaren Wasseraufstieg bis in den Wurzelraum der Bäume auf tiefgründigen Standorten. Für verschiedene Schaderreger, wie zum Beispiel den Borkenkäfer, boten der Witterungsverlauf und die eingeschränkte Vitalität der Waldbestände ausgesprochen günstige Enwicklungsbedingungen. Die nachfolgende, ausführlichere Diskussion der Witterungscharakteristiken des Sommerhalbjahres und damit im Detail auch der VP I und VP II soll jedoch zeigen, dass die vorstehende zusammenfassende Beurteilung der Witterung im Hinblick auf Trockenstress und Dürrefolgen in Land-, Forst- und Wasserwirtschaft und für die Vegetation lediglich erste Anhaltspunkte bietet. Insofern dürfte eine komplexere (Berücksichtigung weiterer Klimaelemente) und zeitlich detaillierte (Witterungsepisoden) Betrachtung der Vegetationsperioden sehr aufschlussreich sein. Vegetationsperiode I Eine Beurteilung der räumlichen Ausdehnung und Ausprägung kann je nach Fragestellung anhand realer Niederschlagshöhen aber auch auf der Basis von Abweichungen gegenüber den langjährigen klimatologischen Mittelwerten erfolgen. Eine vergleichende Darstellung ausgewählter Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Deutschland für beide Varianten ist auf Grundlage der Abbildungen 5 und 7 möglich. Hinsichtlich der Abweichungen von den Normalwerten nehmen die Bundesländer Sachsen und Brandenburg mit einem Gebietsmittel von jeweils 55 % eine unrühmliche Spitzenposition ein. 11 Gebietsmittel des Niederschlags in Deutschland 2003 Vegetationsperiode I (April, Mai, Juni) 125 111 Niederschlag in % 100 77 78 75 78 78 78 74 55 72 69 65 61 55 61 50 25 0 SH MV NI ST BB NRW HE TH SN RP/S BW BY-N BY-S D Abb. 5: Gebietsmittel des Niederschlags in der Vegetationsperiode I in den Bundesländern Deutschlands 2003 / Abweichungen von den Referenzwerten 1961-1990 Die Betrachtung der Niederschlagsdefizite (klimatologische Sicht) an ausgewählten Stationen Deutschlands (Abb. 6) zeigt, dass die extrem hohen Werte für sächsische Klimastationen nur noch in Süddeutschland erreicht (München) oder überboten wurden (Freiburg). Niederschlagsdefizit in der Vegetationsperiode I in Deutschland 2003 157 150 76 78 78 80 Frankfurt/Main 70 Stuttgart 100 Hannover 108 Düsseldorf Niederschlagsdefizit in mm 200 110 113 51 50 Freiburg Dresden München Görlitz Potsdam Ueckermünde 0 Abb.6: Niederschlagsdefizit in der Vegetationsperiode I des Jahres 2003 in Deutschland Vergleich zum langjährigen Mittel 1961 – 1990 (Datenquelle: DWD) 12 Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die langjährigen Durchschnittswerte in diesen Gebieten auch meist deutlich über den entsprechenden sächsischen Werten liegen. Damit kommt andererseits eben auch die ausgeprägte Dürresituation in weiten Teilen Brandenburgs nicht zum Ausdruck, weil gerade in diesen Gebieten im langjährigen Mittel im Kontrast zu Süddeutschland sehr niedrige monatliche Niederschlagssummen zu verzeichnen sind (Beispiel Ückermünde). Für Land- und Forstwirtschaft aussagekräftiger sind die in der Vegetationsperiode I insgesamt beobachteten realen Niederschlagshöhen. Hier wird deutlich, dass insbesondere Nord- und Ostsachsen sowie größere Gebiete in Brandenburg und Sachsen-Anhalt von der lang anhaltenden Dürre am stärksten betroffen worden sind. In Sachsen war ein erheblicher Teil des neu angepflanzten Baumbestandes der Trockenheit bereits im Frühjahr zum Opfer gefallen. Größere Schäden konnten auch in nicht standortangepassten Waldgebieten ausgemacht werden. In einigen Regionen Sachsens hat sich die Dürreperiode infolge der noch im Frühjahr zu beobachtenden hohen Grundwasserstände (Folge der starken Niederschläge im August und November 2002) offensichtlich weniger deutlich auf die Vegetation ausgewirkt. Niederschlagshöhen in der Vegetationsperiode I in Deutschland 2003 142 148 München Freiburg 107 Hannover 78 102 Frankfurt/M 77 97 Potsdam 100 Dresden 150 136 Düsseldorf 163 Görlitz Niederschlagssumme in mm 200 89 50 Stuttgart Ueckermünde 0 Abb. 7: Niederschlagshöhen in der Vegetationsperiode I des Jahres 2003 in Deutschland 13 Ein Vergleich ausgewählter Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Sachsen ist auf Grundlage der Abbildung 8 möglich. Niederschlag in der Vegetationsperiode I in Sachsen 2003 im Vergleich zum langjährigen Mittel 1961-90 Niederschlagssummen in % 100 73 75 50 35 38 Oschatz Dresden 64 61 Chemnitz Plauen 42 25 0 Leipzig Görlitz Abb. 8: Niederschlagshöhen in Sachsen im Zeitraum April bis Juni 2003 im Vergleich zum langjährigen Mittel 1961 – 1990 (Datenquelle: DWD) Es wird deutlich, dass bei den langjährigen Referenzwerten für das nördliche Sachsen gebietsweise offensichtlich noch größere Abweichungen als in Dresden und Görlitz aufgetreten sind (Oschatz 35 %). Unterstützt wird diese Annahme insbesondere durch die an den agrarmeteorologischen Messstationen Köllitsch und Spröda für die Monate April, Mai und Juni erfassten Monatssummen (s. Abb. 9). Im größten Teil des Erzgebirgsraumes dagegen war die Dürreperiode wesentlich schwächer ausgeprägt als in den anderen Regionen Sachsens. Auch beispielsweise in Zwickau führten im Juni 2003 ergiebigere Niederschläge zu einer Monatssumme von immerhin 55 mm, während an der nur etwa 15 km entfernten Messstelle in Meerane im Juni lediglich 19 mm gemessen wurden. Exemplarisch kommt damit die für Dürreperioden im Sommerhalbjahr charakteristische erhebliche räumliche Differenzierung der Niederschlagsverhältnisse infolge räumlich eng begrenzter Regengüsse (Schauer und Gewitter) zum Ausdruck. Andererseits unterstreicht dieses Beispiel auch, dass für eine umfassendere Beurteilung der Dürre im Jahr 2003 alle verfügbaren meteorologischen Daten des DWD herangezogen werden müssen. 14 Niederschlagshöhen in der Vegetationsperiode I in Sachsen 2003 197 200 150 115 Plauen 95 112 Leipzig 90 Roda 83 Salbitz Spröda 82 Nossen 63 78 Pommritz 62 77 Dresden 57 Köllitsch 100 Görlitz 135 Oschatz Niederschlagssumme in mm 250 50 Forchheim Chemnitz 0 Abb. 9: Niederschlagshöhen in Sachsen im Zeitraum April bis Juni 2003 Quellen: DWD (dunkelgrün); Agrarmeteorologisches Netz (hellgrün) Witterung im Juni Seit Anfang Juni bestimmten ununterbrochen tropische Luftmassen aus Afrika das Wettergeschehen vor allem im Süden und Südwesten Deutschlands. Bereits in der ersten Junidekade trat eine zu dieser Jahreszeit ungewöhnliche Hitzewelle mit Maxima der Lufttemperatur um 32 °C auf. Zwei Faktoren waren aus meteorologischer Sicht dabei kennzeichnend: ¾ Die wetterbestimmende Hochdruckzone reichte von Nordskandinavien bis Südeuropa, bildete eine Blockierung der Westdrift, wenngleich nicht in Form einer klassischen „Omega-Lage“ (Abb.11). ¾ Diese Konstellation stellte sich bereits Anfang Juni ein (Zeitpunkt des Auftretens bislang ohne Beispiel. Üblicherweise treten ähnliche Situationen erst zu den so genannten Hundstagen auf), war außergewöhnlich stabil und bestimmte das Wettergeschehen in Deutschland. 15 Abb. 11: Berliner Wetterkarte vom 03.06.2003 / Höhenwetterkarte 500 hPa 01 Uhr MEZ Die Grenze zwischen feuchteren und trockeneren Luftmassen erstreckte sich dabei von Nord nach Süd mitten über Deutschland hinweg, so dass Niederschläge vor allem in Westdeutschland beobachtet wurden. In Ostdeutschland blieb es meist trocken, so dass sich insbesondere in diesen Regionen die Dürresituation erheblich verschärfte. Die erwähnten Niederschläge traten meist am Nachmittag als lokale Gewitter – oft als Unwetter – auf, was typisch für feuchtlabile tropische Luftmassen ist. Diese meteorologische Situation führte in der Folge dazu, dass selbst in Westdeutschland – wenn auch nicht so großflächig wie in Ostdeutschland – gebietsweise erhebliche Niederschlagsdefizite registriert wurden. 16 Vegetationsperiode II Die Vegetationsperiode II umfasst die Monate Juli, August und September. Eine vergleichende Darstellung ausgewählter Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Deutschland für beide Varianten ist auf Grundlage der Abbildungen A und B möglich. Es können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: Gebietsmittel des Niederschlags in Deutschland 2003 Vegetationsperiode II (Juli, August, September) 100 87 Niederschlag in % 81 85 80 80 75 75 72 72 71 67 60 58 54 59 50 25 0 SH MV NI ST BB NRW HE TH SN RP/S BW BY-N BY-S D Abb. A: Gebietsmittel des Niederschlags in der Vegetationsperiode II in deutschen Bundesländern 2003 / Abweichungen von den Referenzwerten 1961-1990 (Datenquelle: DWD) Für Land- und Forstwirtschaft aussagekräftig sind die in der Vegetationsperiode insgesamt beobachteten realen Niederschlagshöhen (Abb. B). Hier wird deutlich, dass in VP II Sachsen vergleichsweise offensichtlich weniger in Mitleidenschaft gezogen wurde als beispielsweise Gebiete in Brandenburg, Baden-Württemberg und Bayern. Aus Abb. C ist zu ersehen, dass bei näherer Betrachtung der räumlichen Niederschlagsverteilung in Sachsen diese Einschätzung nur partiell gültig ist. Denn gebietsweise lagen die gemessenen Regenmengen erheblich niedriger als in Dresden und Görlitz. Gestützt wird diese Annahme insbesondere durch die an den agrarmeteorologischen Messstationen Köllitsch und Salbitz. 17 Niederschlagshöhen in Vegetationsperiode I und II in Deutschland 2003 250 Niederschlag in mm 200 VPI 178 149 138 150 136 135 89 78 77 142 140 148 148 163 133 106 100 VPII 97 107 102 91 77 50 Stuttgart Freiburg München Düsseldorf Hannover Frankfurt/M Potsdam Ueckermünde Dresden Görlitz 0 Abb. B: Niederschlagsdefizit in den Vegetationsperioden I und II des Jahres 2003 in Deutschland Vergleich zum langjährigen Mittel 1961 – 1990 (Datenquelle: DWD) 236 250 180 200 143 150 153 158 146 115 113 148 121 115 92 81 100 50 Forchheim Chemnitz Plauen Leipzig Röda Salbitz Nossen Pommritz Dresden Görlitz Spröda Köllitsch 0 Oschatz Niederschlagssumme in mm Niederschlagshöhen in der Vegetationsperiode II in Sachsen 2003 Abb. C: Niederschlagsdefizit in der Vegetationsperiode II des Jahres 2003 in Deutschland Vergleich zum langjährigen Mittel 1961 – 1990 (Datenquelle: DWD) 18 Vorwiegend in der letzten Julidekade verursachten Wellenbildungen an einer Kaltfront kleinräumige aber intensive Starkregengebiete in weiten Teilen Sachsens. In Verbindung damit kam es zu örtlich ergiebigen Regenmengen, die in der Summe vielerorts zu einer Verringerung des kumulativen Niederschlagsdefizits führten. Witterung im August Im August bestimmte ein stabiler Höhenhochkeil über West- und Mitteleuropa die Witterung in Deutschland (Abb.12). Abb. 12: Berliner Wetterkarte vom 09.08.2003 / Höhenwetterkarte 500 hPa 01 Uhr MEZ Infolge des Blockierungseffektes gegenüber atlantischen Wetterfronten setzte sich die Trockenheit in Deutschland damit weiter fort. Bereits Mitte August wiesen viele Flüsse Pegelstände in der Nähe der historischen Tiefststände auf und es traten standortabhängig verbreitet Trockenfärbungen von Bäumen auf. Insbesondere in der ersten Dekade des August trat eine im Ausmaß bislang nicht beobachtete Hitzeperiode über West- und Südeuropa auf. Diese Hitzewelle hat auch in Deutschland Rekordtemperaturen und eine extrem lange Andauer von heißen Tagen gebracht. Allein in Frankreich forderte diese extreme Hitzewelle offiziell etwa 15.000 Hitzeopfer. Glücklicherweise waren die über Deutschland liegenden Luftmassen - vor allem im Osten Deutschlands - deutlich trockener als in Frankreich oder im Mittelmeerraum. 19 Infolgedessen konnte die Übersterblichkeit offensichtlich auch nicht das Ausmaß erreichen wie z.B. in Frankreich. Während dieser Zeit wurden in Sachsen auch keine mit West- und Südwestdeutschland vergleichbaren Monatsmittel (Abb. 13) und Maxima der Lufttemperatur erreicht, da in Verbindung mit einer nordöstlichen Bodenströmung zeitweise etwas kühlere Luft einsickern konnte (Beispiele Monatsmaxima: Dresden und Leipzig 36 °C; Freiburg 40,2 °C; Frankfurt 38,7 °C). Monatsmittelwerte der Lufttemperatur und Abweichungen vom Normalwert im August 2003 7 28 6 Lufttemperatur in °C 27 26 in °C 5,8 5,4 6 in K 25,5 5 4,2 25 4 3,5 23,7 24 3,3 23 23 3 22,4 2 22 21,2 21 20,8 21 20 Abweichung in K 6,3 1 0 Freiburg Stuttgart München Frankfurt Erfurt Leipzig Dresden Abb. 13: Monatsmittelwerte der Lufttemperatur und Abweichungen von den Referenzwerten 1961-1990 im August 2003 Aus Abb. 14 ist zu ersehen, dass Ostsachsen – wie auch Gebiete im Norden Sachsens – von der Trockenheit im August besonders betroffen worden ist. In einigen Regionen Sachsens wurde insgesamt der seit Beginn meteorologischer Aufzeichnungen trockenste August registriert (z.B. Görlitz nur 3 mm im Jahr 2003 / bisher Minimum 11 mm im Jahr 1942). Aufgrund anhaltend warmer und extrem trockener Witterung im August in weiten Teilen Sachsens wurden die gebietsweise durch ergiebigere Niederschläge im Juli in der oberen Bodenschicht vorhandenen Wasservorräte sehr rasch aufgebraucht und in der Folge konnte sich die Dürre in den Böden reaktivieren und die hiermit verbundene Stresssituation für die Vegetation sogar noch erheblich verstärken. Ausdruck für diese Entwicklung war die vielerorts plötzlich einsetzende Trockenfärbung zahlreicher Laubgehölze etwa Mitte August. Auch für Nadelgehölze bedeutete die lange Trockenheit Gift: ein starker Abfall von Nadeln und das Absterben von Ästen konnte in vielen Gebieten Deutschlands, nicht nur in Sachsen, beobachtet werden. 20 Ausgewählte Niederschlagssummen im August 2003 in Deutschland Niederschlag in mm 60 40 20 Freiburg München Düsseldorf Ueckermünde Stuttgart Hannover Dresden Görlitz Potsdam Frankfurt/M 0 Abb. 14: Monatssummen des Niederschlags an ausgewählten Stationen in Deutschland im August 2003 (Quelle: DWD) Betrachtet man hingegen die über die gesamte Vegetationsperiode II prozentualen Niederschläge, so kommt diese sehr kritische Situation in Sachsen nicht zum Ausdruck (Abb. l5). Die Ursache hierfür liegt bei im Juli und im September gebietsweise aufgetretenen ergiebigeren Regenfällen. So führten diese im September im westlichen Sachsen zu einer partiellen Entschärfung der Dürre, während sich beispielsweise in der Elbtal-Region die kritische Situation noch weiter verschärfte, da stärkere Niederschläge hier ausblieben. An diesem Beispiel zeigt sich, dass eine summarische Betrachtung der Niederschläge über das Jahr, die Halbjahre, ja selbst über die Vegetationsperioden allein keine zuverlässigen Schlussfolgerungen hinsichtlich Dürrefolgen erlaubt. Wesentlich aussagekräftiger sind Darstellungen des kumulativen Niederschlagsdefizits im Monats- und Jahresverlauf. Einige Beispiele werden im nächsten Abschnitt dargestellt und diskutiert. 21 Vergleich der Vegetationsperioden I und II Sehr aufschlussreich ist ein Vergleich der Vegetationsperioden I und II (VPI und VPII) des Sommerhalbjahres 2003. Vergleich mit Niederschlags-Referenzwerten 1961-1990 Beide Zeitabschnitte unterscheiden sich, was den Vergleich mit den für Deutschland berechneten Abweichungen sowie die räumliche Differenzierung innerhalb Sachsens angeht, erheblich voneinander (Abb. 7 und Abb. 8). Zunächst erkennt man, dass die Witterung sowohl in der VPI als auch in der VPII in Deutschland bei nahezu gleichen Abweichungen vom langjährigen Mittel insgesamt deutlich zu trocken war. Während das Sachsenmittel für die VPI um 17 % unter dem Deutschlandmittel liegt, ist für die VPII diesbezüglich keine nennenswerte Abweichung festzustellen. Aus Abb. 7 ist weiterhin zu erkennen, dass innerhalb Sachsens in der VPI darüber hinaus eine deutliche regionale Differenzierung der Niederschläge kennzeichnend gewesen ist. So sind in weiten Teilen Nord- und Ostsachsens sogar weit weniger als 50 % der Normalwerte registriert worden. Vergleich der Niederschlagshöhen in der VPI des Jahres 2003 mit den Referenzwerten 1961-90 Niederschlagssummen in % 100 72 75 55 41 50 42 25 0 Deutschland Sachsen Dresden Görlitz Abb. 7: Vergleich der Niederschlagshöhen in der Vegetationsperiode I des Jahres 2003 mit dem langjährigen Mittel 1961–1990 22 Vergleich der Niederschlagshöhen in der VPII des Jahres 2003 mit den Referenzwerten 1961-90 Niederschlagssummen in % 100 76 71 72 75 70 50 25 0 Deutschland Sachsen Dresden Görlitz Abb. 8: Vergleich der Niederschlagshöhen in der Vegetationsperiode II des Jahres 2003 mit dem langjährigen Mittel 1961–1990 Entwicklung des kumulativen Niederschlagsdefizits Eine Grundlage zur Beurteilung der Dürreperiode 2003 sind die kumulativen Niederschlagsdefizite im Jahresverlauf. Aus Abb. 6 ist erkennbar, dass im Jahr 2003 an der Station Dresden lediglich der Monat Juli einen nennenswerten Niederschlagsüberschuss – Verringerung des kumulativen Defizits - aufwies. Für die entsprechenden Monatssummen des Niederschlags an der Station Görlitz ergibt sich ein analoges Bild (Abb. 7). Seit Februar führten alle anderen Monate zu einer mehr oder weniger deutlichen Erhöhung des summarischen Niederschlagsdefizits. 23 Niederschlagsüberschuss und -defizit im Jahr 2003 Station Dresden Defizit/ Überschuss in mm 100 50 13 0 -50 -19 -100 Monat -150 Kumulativ -33 -73 -93 -106 -146 -200 -172 -193 -250 -204 -223 -241 Dezember November Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar -300 Abb. 9: Niederschlagsüberschuss und –defizit im Jahr 2003 (Vergleich mit dem langjährigen Mittel 1961–1990) Das kumulative Niederschlagsdefizit von Jahresbeginn bis Ende Juni lag in Görlitz und Dresden bei etwa 145 mm, erhöhte sich bis Ende September (Ende des Sommerhalbjahres bzw. der VP II) auf mehr als 200 mm und erreichte schließlich zum Jahresende verbreitet ein Defizit von etwa 250 mm (Abb. 6). Entwicklung des Niederschlagsdefizits im Jahr 2003 Station Görlitz 50 7 Defizit in mm 0 -25 -50 -35 -62 -100 -95 Monat -150 -121 -144 Kumulativ -200 -192 -202 -204 -250 -231 -255 Dezember November Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar -300 Abb. 7: Entwicklung des Niederschlagsdefizits im Jahr 2003 an der Station Görlitz (Basis: Vergleich mit dem langjährigen Mittel 1961–1990) 24 Die Dürreperiode 2003 im historischen Kontext Die Definition von Trockenheit und Dürre ist kompliziert und vor allem auch davon abhängig, ob man hierbei klimatologische oder ökologische bzw. wirtschaftliche Aspekte (Wasser-, Land- und Forstwirtschaft) betrachtet. So könnte perspektivisch ein Index, der sich auf den niedrigsten mittleren Abfluss kleinerer und mittlerer Bäche und Flüsse in der betrachteten Region bezieht, als kumulativ aussagekräftiges Maß für Trockenheit entwickelt werden. Niedrigwasser-Situationen der Elbe sind in diesem Sinne kaum repräsentativ für Sachsen, da sich die Haupteinzugsgebiete des Flusses in Tschechien befinden. Vorerst werden ausschließlich Niederschlagsdaten zur Einschätzung der Trockenheit 2003 herangezogen. Für viele Regionen Mitteleuropas wird das Jahr 1947 (Dürresommer) als trockenstes Jahr des 20. Jahrhunderts dargestellt. Durch die vorliegenden Niederschlags-Zeitreihen von Zwickau (Westsachsen) und Görlitz (Ostsachsen) wird diese Feststellung für Sachsen jedoch nicht bestätigt. Als bislang insgesamt trockenstes Jahr in weiten Teilen Sachsens kann das Jahr 1982 bezeichnet werden (Jahressummen: Görlitz 398 mm; Zwickau 438 mm; Meerane 335 mm). Diese Summen stellen nur etwa 50-60 % der nach dem langjährigen Mittel zu erwartenden Jahresniederschlagssummen dar. Aus klimatologischer Sicht kann für das östliche Sachsen die 100-jährige Niederschlagsreihe der Station Görlitz betrachtet werden. Richtet man nun den Blick auf die Monate April, Mai, Juni (Vegetationsperiode I), so trat die bisher extremste Trockenheit innerhalb dieses Zeitabschnittes im Jahr 2003 auf (42 % des langjährigen Mittelwertes). Es folgen die Jahre 1976 mit 44 % und 1934 mit 48 %. Einen Vergleich der kumulativen Niederschlagshöhen in Jahren mit extrem trockenen Vegetationsperioden I liefert Abbildung 10. Integriert wurden auch die entsprechenden Werte für 1947 und für den Referenzzeitraum 1961-1990 zum Vergleich. 25 Niederschlagshöhen in der Vegetationsperiode I Dürrejahre und langjähriges Mittel / Station Görlitz Niederschlagshöhe in mm 200 185 150 116 100 77 82 89 2003 1976 1934 50 0 1982 Mittel Abb. 10: Niederschlagssummen der Vegetationsperiode I in Dürrejahren an der Station Görlitz (Datenquelle: DWD) Die Dürreperiode 2003 ist somit, wie auch schon das Starkregenereignis im August 2002, als Jahrhundert-Ereignis einzuordnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Einstufung aufgrund der hauptsächlich durch konvektive Niederschläge geprägten Witterung in diesem Zeitabschnitt nicht für alle Orte in Sachsen gleichermaßen zutrifft. Einen Beleg hierfür liefern die charakteristischen Niederschlagshöhen für die Vegetationsperiode I in Zwickau. Als bislang trockenste Vegetationsperiode I seit 1901 tritt hier das Jahr 1942, gefolgt vom Jahr 1918 hervor. Das Jahr 2003 erscheint erst an 8. Stelle. Die Dürreperiode in weiten Teilen insbesondere Ostdeutschlands im Frühsommer 2003 kann zusammenfassend als folgenschwerste Dürreperiode für Land- und Forstwirtschaft seit 50 bis 100 Jahren eingeschätzt werden. Maßgebend für dieses Resümee ist insbesondere die bislang einmalige extreme Witterungsperiode im Juni in Verbindung mit der insgesamt seit März (Frühjahrsbeginn) beobachteten zu warmen und zu trockenen Witterung. 26 Trockenheit im Blickwinkel sächsischer Klimaanalysen und -szenarien Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass seit April 2000 alle Monate der Vegetationsperiode I ohne Ausnahme im Vergleich zu den langjährigen Mittelwerten zu trocken gewesen sind. Diese aktuelle Tendenz fügt sich insgesamt in die Grundaussagen der Sächsischen Klimastudien ein. Klimadiagnose Mit den sächsischen Vorhaben CLISAX I und II wurden umfangreiche statistische Untersuchungen regionaler Klimatrends für die Zeitspanne 1950 – 2000 in Sachsen durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Analysen lassen sich folgende Aussagen zur Niederschlagsentwicklung treffen: Auffallend ist eine markante Niederschlagsabnahme in Nordsachsen von etwa 10 bis 30 %. Besonders in diesen Regionen nehmen Andauer und Häufigkeit von Trockenperioden in der Vegetationsperiode I zu. Winterniederschläge zeigen vielerorts eine Tendenz zur Zunahme, während gleichzeitig die Dauer und Mächtigkeit der Schneedecke in den sächsischen Mittelgebirgen abgenommen hat. Hinsichtlich der Entwicklung der Wetterextreme zeichnen sich gegenwärtig folgende Tendenzen in Sachsen ab: ¾ In den Monaten April, Mai und Juni (Vegetationsperiode I) nimmt sowohl die Häufigkeit als auch die maximale Länge von Trockenperioden in Sachsen im Mittel zu. Am stärksten ausgeprägt ist dieser Trend in Nordsachsen und am Westrand des Erzgebirges. ¾ Für Starkregen (≥10 mm und ≥20 mm) ist in den Monaten Juli und August eine signifikante Zunahme der Häufigkeit zu beobachten. In der historischen Betrachtung ist aufgrund des großen Flusseinzugsgebietes der Elbe in der Regel kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Elbwasserstand und Dürreperioden im Sommerhalbjahr in Sachsen erkennbar (z. B. 1947: geringster Elbwasserspiegel seit 100 Jahren im Sommer, aber keine extreme Trockenperiode in Sachsen; 1982: extreme Trockenperiode in Sachsen, aber kein extremer Niedrigwasserstand der Elbe). 27 Klimaprojektion Auf der Basis von regionalen Klimaszenarien können auch Fragestellungen beantwortet werden, mit welchen Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation und damit auch der Häufigkeit der für Starkniederschläge und Dürren relevanten Großwetterlagen voraussichtlich zu rechnen ist. Alle Klimasimulationen für Sachsen basieren auf dem Regionalisierungsverfahren WEREX sowie Modelloutputs des globalen Modells des DKRZ des Max-Planck-Instituts Hamburg ECHAM4/OPYC3. Temperaturänderung [K] 4 3,0 3 2,0 1,8 2 1,0 0,9 1 0 Winter Frühling Sommer Herbst Jahr Abb. 1: Szenario der Änderung der Lufttemperatur in der Dekade 2041-2050 gegenüber der Referenzperiode 1981/2000 (Basis: Modell WEREX) Die Zahl der Sommertage und heißen Tage nimmt deutlich zu (Abb. 2). Im Sommer können Temperaturmaxima bis zu 42° C erreicht werden. 28 30 16 Anzahl der Tage 20 10 4 0 -10 -20 -21 -30 -31 -40 Eistage Frosttage Sommertage Heiße Tage Abb. 2: Szenario der Änderung der Anzahl der Ereignistage in der Dekade 2041-2050 gegenüber der Referenzperiode 1981/2000 (Basis: Modell WEREX) Gemäß Klimaszenario ist im Winter ist eine deutliche Zunahme der monatlichen Niederschlagssummen zu erwarten (Abb. 3), wobei sich im Zusammenhang mit einer verstärkten Südwestanströmung insbesondere Lee-Effekte nördlich des Erzgebirges widerspiegeln. 30 24 20 Änderung in mm 12 10 10 0 -3 -10 -20 -23 -30 Winter Frühjahr Sommer Herbst Jahr Abb. 3: Szenario der Änderung der Niederschlagshöhen in der Dekade 2041-2050 gegenüber der Referenzperiode 1981/2000 in Sachsen (Basis: Modell WEREX) 29 Ein markanter Rückgang der monatlichen Niederschlagssummen zeigt sich im Sommer. Die Simulationen für Sachsen lassen auch erkennen, dass die Veränderungen des Niederschlages in den einzelnen Regionen Sachsens recht differenziert ausfallen werden. So zeichnen sich in Nord- und Ostsachsen markante Rückgänge der Regenmengen in den Sommermonaten Juni, Juli und August um 15 bis 30 % ab, während beispielsweise im Vogtland und Westerzgebirge in der Regel keine signifikanten Veränderungen festzustellen sind. Hinsichtlich der voraussichtlichen Entwicklung von Extremereignissen (Trockenperioden; Starkniederschläge) werden folgende Veränderungen erwartet: Obwohl es im Sommerhalbjahr insgesamt trockener wird, nehmen die Tage mit extremen Niederschlägen in diesem Zeitabschnitt zu. Hieraus kann auf eine Verstärkung der Intensität lokaler Schauer und Gewitter in den kommenden Jahrzehnten geschlossen werden. Im Winter sind hingegen trotz im Mittel zunehmender Niederschlagshöhen keine signifikanten Veränderungen extremer Niederschlagsereignisse zu erkennen (Abb. 4). 3,5 1980-2000 3,0 2001-2010 2011-2020 Anzahl Tage [d] 2,5 2021-2030 2031-2040 2041-2050 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 Frühling Sommer Herbst Winter Abb. 4: Szenario der Anzahl der Tage mit mehr als 55 mm Tagesniederschlag für verschiedene Dekaden bis 2050 (Basis: Modell WEREX) 30 Grundsätzlich werden in Sachsen nach den Ergebnissen der bislang durchgeführten Klimaprojektionen bis 2050 Extremereignisse, insbesondere Dürreperioden und lokal eng begrenzte Starkniederschläge deutlich zunehmen. Diese Entwicklung wird auch durch die oben erwähnten Ergebnisse der Klimadiagnose der letzten 50 Jahre bestätigt. Projizierte saisonale Änderung der Niederschlagshöhen 2040-2050 Vergleich zu Referenzwerten 1981-2000 30 24 20 Änderung in mm 12 10 10 0 -3 -10 -20 -23 -30 Winter Frühjahr Sommer Herbst Jahr Betrachtet man die Änderung der monatlichen Niederschlagssummen in der Dekade 20412050 gegenüber der Referenzperiode 1981/2000 für den Winter, so ist zu erkennen, dass im Lee-Bereich des Erzgebirges eine gegenüber anderen Regionen im Südwesten und Norden Sachsens deutlich verringerte Niederschlagszunahme zum Ausdruck kommt. 31 Abb Projizierte saisonale Änderung der Niederschlagshöhen 2040-2050 Vergleich zu Referenzwerten 1981-2000 50 Änderung in mm 25 42 33 30 15 11 0 -8 -25 -6 -15 -50 Görlitz -59 Carlsfeld -75 -78 -100 Winter Frühjahr Sommer Herbst Jahr 32 Für den Sommer zeigen die entsprechenden Modellsimulationen ein völlig anderes, recht diffuses Bild. Auf kleinstem Raum treten teilweise erhebliche Unterschiede in der Änderung der Niederschlagssummen auf. Diese sind letztendlich ein Beleg dafür, dass verstärkt konvektive Niederschläge (Schauer und Gewitter) die räumliche Variabilität in Sachsen prägen werden. Die Niederschlagscharakteristiken der oben skizzierten Dürreperiode 2003 unterstreichen exemplarisch diese nach den Modellsimulationen zu erwartende generelle Entwicklung. Das aufgrund der globalen Erwärmung anwachsende Niederschlagspotenzial wird darüber hinaus die Gefahr intensiver lokal eng begrenzter Starkniederschläge (konvektive Niederschläge) deutlich verstärken (z. B. Pockau/Erzgebirge/1999 lokales Ereignis). Insofern dürften lokale Hochwasserereignisse bezüglich Häufigkeit und Intensität in den nächsten Jahrzehnten eine zunehmende Rolle spielen. Regional bedeutsame Hochwasserereignisse in Sachsen im Sommer (Beispiel Augusthochwasser 2002) sind hingegen in der Regel an die so genannten V-b-Wetterlagen gebunden. Nach ersten Untersuchungen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie lassen diese Wetterlagen mit Blick auf das vergangene Jahrhundert eine zunehmende Tendenz für den Sommer erkennen. Setzt sich diese Entwicklung fort, müssten auch diese hinsichtlich ihrer Auswirkungen noch bedeutsameren Ereignisse zunehmend in Betracht gezogen werden. Detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen zu diesen Fragestellungen stehen gegenwärtig noch aus. Die Dürreperiode 2003 – regionales Indiz für den globalen Klimawandel? Die Dürreperiode 2003 fügt sich ein in die zunehmend wärmere und durch erhöhte Erhaltungsneigung gekennzeichnete Witterung der vergangenen Jahre in Mitteleuropa und die damit offensichtlich verbundene Tendenz zu häufigeren Extremereignissen. Grundsätzlich dürfen einzelne Wetterereignisse für sich genommen nicht als Signale einer Klimaänderung bewertet werden. Erst wenn eine genügend lange Beobachtungsreihe von Wetterereignissen vorliegt, lässt sich ein Klimatrend berechnen. Weder die Starkniederschläge im August 2002 in Tschechien und Sachsen noch die aktuelle Dürreperiode in weiten Teilen Europas stellen, für sich betrachtet, ein Signal für Klimaänderung dar. Allerdings erscheint der Zusammenhang zwischen der Zunahme von Dürreperioden und Starkniederschlägen in vielen Regionen der Erde einerseits sowie der Erwärmung der bodennahen Luftschicht (globale Erwärmung) andererseits physikalisch plausibel und wird von vielen Klimamodellen 33 wiedergegeben. Man kann also mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass bei der zunehmenden Erwärmung der Atmosphäre solche Extremereignisse in Zukunft häufiger auftreten werden. Das einzelne Extremereignis kann aber niemals als Beweis für diese Kausalität angeführt werden. Auf der Basis von regionalen Klimaszenarien können auch Fragestellungen beantwortet werden, mit welchen Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation und damit auch der Häufigkeit der für Starkniederschläge und Dürren relevanten Großwetterlagen voraussichtlich zu rechnen ist. Im Vordergrund müssen deshalb künftig • der klimatologische Vergleich zwischen der Modellrechnung und einer Beobachtungsstatistik im Hinblick auf Extremereignisse, • die Einschätzung der daraus resultierenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen aufgrund von z. B. Überschwemmungen oder Dürren und • die Realisierung von Anpassungsmaßnahmen zur Verminderung der Auswirkungen dieser Extremereignisse stehen, um den aus der globalen Erwärmung folgenden regionalen Problemen wirksam zu begegnen. Diese Information aus aktuellem Anlass zeigt, dass eine detaillierte Untersuchung aller vorliegenden meteorologischen Daten des Jahres 2003 für Sachsen unerlässlich ist, um die hohe regionale Variabilität und die daraus resultierende gravierende räumliche Differenzierung besser bewerten zu können. 34