Dürfen deutsche Forscher mit Mensch/Tier-Cybriden

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21.08.2008
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EDITORIAL
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„OB DIE SCNT-TECHNIK IM EINKLANG MIT GESETZLICHEN UND
ETHISCHEN RAHMENBEDINGUNGEN STEHT, WIRD DERZEIT IN
DEUTSCHLAND DISKUTIERT.“
Frank Emmrich
Dürfen deutsche Forscher mit
Mensch/Tier-Cybriden arbeiten?
ó Es ist möglich geworden, aus einer Eizelle den Zellkern zu entfernen und diesen durch
den Zellkern einer Körperzelle (somatische
Zelle) zu ersetzen. Diese Technik ist auch
unter der Bezeichnung Somatic Cell Nuclear
Transfer (SCNT) bekannt. Nach spezifischer
Aktivierung kann sich daraus ein Blastozystenstadium entwickeln, welches den kindlichen Anteil (Embryoblast) und den zukünftigen Plazentaanteil (Trophoblast) enthält.
Aus dem embryonalen Anteil – genauer
gesagt aus einem polar angeordneten Zellhaufen in seinem Inneren (inner cell mass) –
könnten mit herkömmlichen Techniken
embryonale Stammzellen (ES-Zellen) gewonnen werden. Auch tierische Eizellen sind für
die SCNT-Technik verwendbar1. Derartige
Hybride aus menschlichem Zellkern und tierischer Eizelle werden als „Cybride“ bezeichnet.
Vor kurzem machte ein Experiment Schlagzeilen, das in Großbritannien nach Genehmigung durch die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) unter
Verwendung von Rinder-Eizellen durchgeführt wurde. Ziel dieser Arbeiten war es,
einen technisch und ethisch unbedenklichen
Weg für die Herstellung von pluripotenten
embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) zu zeigen. ES-Zellen sind als Ausgangsmaterial für
die Zell- und Gewebezucht in vitro verheißungsvoll, und zwar nicht nur für den Gewebeersatz, sondern auch zum Aufbau zellulärer Krankheitsmodelle.
Die SCNT-Technik zur Herstellung von
Kerntransfer-Eizellen kollidiert in Deutschland bei Verwendung menschlicher Eizellen
und menschlicher Zellkerne mit dem Embryonenschutzgesetz (ESchG), sofern daraus ein
menschlicher Embryo entsteht.
1 Beyhan, Z., Iager, A. E., Cibelli, J. B. (2007): Interspecies Nuclear Transfer: Implications for Embryonic
Stem Cell Biology. Cell Stem Cell 1: 502–512.
BIOspektrum | 05.08 | 14. Jahrgang
Ein etwas anderer Sachverhalt besteht,
wenn tierische Eizellen verwendet werden
sollen. Üblicherweise wird für die Kerntransfertechnik eine ganze Reihe von Eizellen
benötigt, ehe eine Zellvermehrung gelingt.
Bei Verwendung tierischer Eizellen wäre es
nicht mehr erforderlich, dass mehrere Frauen nach hormoneller Vorbehandlung und
durch einen gynäkologischen Eingriff Eizellen spenden.
Trotzdem dürfte auch diese Vorgehensweise in Deutschland auf rechtliche Bedenken stoßen. Grund hierfür ist das im § 6 des
ESchG strikt formulierte Klonungsverbot.
Zwar könnte man sich auf den formalrechtlichen Standpunkt stellen, dass es sich bei
der Verbindung von menschlichem Zellkern
und tierischer Eizelle nicht um einen menschlichen Embryo handelt. Im § 6 ESchG ist explizit stets von menschlichen Embryonen die
Rede. Demzufolge könnte das Verfahren mit
nicht-menschlichen Embryonen erlaubt sein.
Allerdings ist der eingesetzte Zellkern komplett menschlichen Ursprungs und enthält
alle Wesensmerkmale für ein menschliches
Individuum. Schon innerhalb weniger Tage
werden in der Cybridzelle nahezu alle Proteine von der menschlichen DNA bestimmt. Es
verbleiben nur ein winziger Rest mitochondrialer tierischer DNA und wenige tierische
Proteine, die aber keine Wesensmerkmale
und übergeordnete Funktionen des potenziell
entstehenden Individuums bestimmen. Es
wäre also zu fragen, ob nicht aus der Cybridzelle ein menschlicher Embryo entstehen
könnte.
Wenn man beginnt, die potenzielle
„Menschlichkeit“ eines Cybrid-Embryos zu
diskutieren, gerät man schon bald in die Verbote des ESchG. Die erhebliche Rechtsunsicherheit jedenfalls und die hohe Strafbewehrung führen dazu, dass niemand im Gel-
tungsbereich des deutschen ESchG derartige
Arbeiten beginnen wird.
Etwas anders erscheint die Situation, wenn
der Import von ES-Zellen aus dem Ausland
betrachtet wird, die unter Verwendung von
Cybriden hergestellt wurden. Würde man diese Zellen den klassischen ES-Zellen gleichstellen, wäre aufgrund des kürzlich überarbeiteten Stammzellgesetzes (SZG) ein Import
nur erlaubt, sofern die Zellen vor dem
01.05.2007 hergestellt worden sind. Dies ist
faktisch unmöglich, da menschliche CybridES-Zellen noch nicht verfügbar sind.
Allerdings war es eine wichtige Überlegung
vor Einführung des Gesetzes, die zweckdienliche Herstellung von embryonalen Stammzellen unter Verwendung von menschlichen
Eizellen im Ausland nicht zu forcieren. Dieses
Problem besteht zweifellos bei der Verwendung von tierischen Eizellen nicht mehr. Die
für den Import bestimmten Cybrid-ES-Zellen
wären nicht totipotent, d. h. es würde bei Einpflanzung in eine natürliche Gebärmutter
kein menschliches Individuum entstehen. Bei
Wichtung dieser Argumente wäre die Schlussfolgerung naheliegend, dass der Import von
ES-Zellen aus Cybriden nach Deutschland
zulässig ist.
ó
Frank Emmrich
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Frank Emmrich
Fraunhofer Institut für Zelltherapie und
Immunologie Leipzig
Perlickstraße 1
D-04103 Leipzig
Tel.: 0341-97-25500
Fax: 0341-97-25509
[email protected]
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