Projektseminar „Freiheit im 21. Jahrhundert“ – Gruppe 2 Der Umgang mit Fragen der Bioethik in Forschung und Medizin am Beispiel der Diskussionen über „Designerbabys“ und „Social Freezing“ Autoren: Tamara Meister, Anne Müller, Moritz Nichterlein, Franziska Barbara Piontek 1. „Designerbaby“ Dem Begriff des „Designerbaby“ können zwei Bedeutungen zugeordnet werden. a. „Rettungsgeschwister“ Einerseits werden derzeit Kinder als Designerbabys bezeichnet, die künstlich gezeugt und nach passendem Erbmaterial ausgewählt werden, um ihren kranken Geschwistern zu helfen. Sie werden deshalb auch „Rettungsgeschwister“ genannt. Bei den kranken Geschwistern handelt es sich meist um Kinder, die eine kaum behandelbare Krankheit wie Krebs haben, und nur durch eine Knochenmarkstammzellenspende überleben können. Diese Stammzellen sind im Nabelschnurblut des potenziellen Rettungsgeschwisters vorhanden. Um ein solches zu erzeugen, werden mehrere Embryos mit den Ei‐ und Samenzellen der Eltern befruchtet und wachsen etwa eine Woche im Labor heran. Anschließend werden sie von Wissenschaftlern unter dem Mikroskop und teilweise auch per DNA – Screening untersucht und in Klassen eingeteilt. Es handelt sich dabei um die sogenannte Präimplantationsdiagnostik. Der Embryo, welcher keine sichtbaren Erkrankungen oder Erbkrankheiten aufweist und genetisch mit seinem Geschwister kompatibel ist, wird ausgewählt und von der Mutter ausgetragen. Kurz nach der Geburt wird dann das Nabelschnurblut entnommen und dem Geschwister transplantiert.1 Das erste Designerbaby kam am 17.06.2003 in Großbritannien zur Welt. Sein Name ist Jamie Whitacker.2 Die genetischen Untersuchungen wurden allerdings in den USA durchgeführt, da solche Verfahren 2003 in Europa noch verboten waren.3 Heute ist es jedoch in Ländern wie Großbritannien oder Spanien legal, derartige Designerbabys zu erschaffen. In der Kritik steht dieses Thema, da es sich zum einen um einen großen Eingriff in die Natur handelt. Zudem ist nicht sicher, ob das künstlich erzeugte Kind von den Eltern nur als Zellspender für sein Geschwister angesehen wird, oder als gleichwertiges Kind. Außerdem wird den Embryos, die genetisch nicht mit dem kranken Geschwistern übereinstimmen, eine Chance auf das Leben genommen. In Deutschland gibt es sehr strenge Gesetze, welche die Präimplantationsdiagnostik nur erlauben, 1 Vgl. Ridderbusch 2016. 2 Vgl. Kulke 2003. 3 Vgl. Spiegel (Hrsg.) 2003. wenn schwere Erbkrankheiten, Tot‐ oder Fehlgeburten sehr wahrscheinlich sind. Deshalb gehen deutsche Eltern, die verzweifelt ihr krankes, bereits lebendes Kind heilen wollen, ins Ausland um die genetischen Untersuchungen durchzuführen und den passenden Embryo auszuwählen.4 Aufgrund dieser Tatsache steht das Thema auch in Ländern, wie Deutschland, wo derartige genetische Untersuchungen an Embryonen politisch reguliert sind, im Fokus. b. „social sexing“ Eine weitere Form von Designerbabys wird individuell nach den Wünschen der Eltern kreiert. Erzeugt werden sie auf dem gleichen Weg, wie die Rettungsgeschwister. So wird derzeit in Amerika und Asien, so genanntes „social sexing“ oder „family balancing“ durchgeführt, also das Auswählen von Embryonen mit dem erwünschten Geschlecht. Es lässt sich festhalten, dass die Forschung noch lange nicht soweit ist, die Möglichkeit zu geben, Babys aus einem Katalog herzustellen. Das Geschlecht ist schon frei wählbar, was sehr kritisch beäugt wird, da man in dem Moment das Geschlecht wie eine Anomalie, eine Krankheit ansieht. Die Eingriffe an Embryonen und Keimzellen werden nicht untersagt, jedoch eingeschränkt auf Eingriffe für Zellen, die zum Zwecke der Forschung dienen und damit in keinem Zusammenhang mit der Herbeiführung einer Schwangerschaft stehen.5 Seit längerem gehen Gerüchte um, dass es möglich sei, Erbgut menschlicher Embryonen verändern zu können. Eigentlich war dies gedacht, um Krankheiten zu behandeln, doch dieser Fortschritt kann missbraucht werden um ein Designerbaby zu schaffen. Internationale Forscher haben es geschafft, mehrere Embryonen zu manipulieren. Ihre Anwendung sei so einfach, dass Genforscher nun den Missbrauch der Methode in Kinderwunschzentren befürchten. Die Forscher nutzen bestimmte Enzyme, die festgelegte Sequenzen der DNA löschen oder überschreiben können. Die Methode lautet: CRISPR/Cas9, die sogenannte „Genschere“. Das Vorgehen wird von Forschern stark kritisiert. Die Forschung schreitet immer weiter voran um ein Designerbaby herstellen zu können. Edward Lanphier, Vorsitzender des Bündnisses für regenerative Medizin in Washington D.C. erläutert deutlich, menschliche Embryonen grundsätzlich nicht zu verändern. Den Bedarf sich über Ethik und Sicherheit auf diesem Gebiet in einer internationalen Diskussion auszutauschen sieht er als notwendig. Es besteht die Befürchtung von einem nicht seriösen Umgang und Missbrauch für nicht‐therapeutische Maßnahmen.6 Dr. Michael Doyle, der Arzt und Gründer von CT FERTILITY einer Fortpflanzungsklinik mit Sitz in Bridgeport (Connecticut, USA) teilt mit, dass ein beachtlicher Teil seiner Patienten aus Europa 4 Vgl. Biocom AG o.J. 5 Vgl. Müller‐Jung 2015. 6 Vgl. Schorsch 2015. komme. 2015 kamen Patienten oder Kunden, wie er sie abwechselnd nennt, aus 31 Ländern zu ihm. Er betreut homosexuelle wie heterosexuelle Paare, und alleinstehende Männer. Die Samenspende ist in Deutschland nur unter Auflagen erlaubt, die Eizellspende und Leihmutterschaft sind komplett verboten. Sogar die Beihilfe zur Eizellspende, also die Empfehlung einer Klinik im Ausland ist nach dem Embryonenschutzgesetz von 1991 streng untersagt.7 2. Social Freezing Beim Social Freezing lassen sich Frauen unbefruchtete Eizellen (Oozyten) entnehmen und einfrieren. Durch diese Methode kann in gewisser Weis der natürlichen Unfruchtbarkeit der Frau entgegengewirkt werden. Der Kinderwunsch ist dann auch ab der Menopause möglich. Die Gründe für einen solchen Eingriff sind oft Karrierepläne, ein fehlender Partner oder das Gefühl, für die Familiengründung noch nicht bereit zu sein.8 Die Idee Eizellen zu konservieren war anfangs für junge, krebsleidende Frauen gedacht. Vor einer Chemo‐ oder Strahlentherapie können die Eizellen entnommen und eingefroren werden, um diese vor Schäden durch die Krebsbehandlung bewahren zu können.9 Das Thema Social Freezing wurde schon vor einiger Zeit in den Medien und der Gesellschaft besprochen und diskutiert. Damals haben große Konzerne wie „Facebook“ und „Apple“ ihren Mitarbeiterinnen angeboten, die Kosten für solch einen Eingriff teilweise oder ganz zu bezahlen. a. Ablauf Für die Vorbereitung der Eizellenentnahmen müssen sich Patientinnen etwa zehn bis vierzehn Tage lang mit Gonadotropin ins Fettgewebe spritzen. Durch die Injektion dieses Sexualhormons, werden die Anzahl und das Größenwachstum der Oozyten erhöht. Die Patientin ist anschließend bereit für die die Entnahme ihrer Eizellen.10 Bei diesem Eingriff wird mittels einer feinen Hohlnadel durch die Scheidewand der Patientin gestochen. Die reifen Oozyten können somit direkt aus den Eierstöcken gesaugt werden. Nach der Isolation der Eizellen werden diese in flüssigem Stickstoff schockgefrostet.11 Bei Normdruck (1bar = 1013,25hPa) besitzt flüssiger Stickstoff eine Temperatur von ‐196°C.12 Der Vorgang des Schockfrostens geschieht also sehr schnell. Kristallbildungen, welche die Zelle zerstören würde, können somit verhindert werden. Die gefrorenen Zellen werden dann wiederum bei ‐196°C in bestimmten Metallbehältern gelagert. Der Vorgang unbefruchtete oder befruchtete Eizellen einzufrieren, wird als Kryokonservierung bezeichnet. Angesichts fehlender Daten kann noch nicht gesagt werden, wie lange Eizellen maximal aufbewahrt werden können. Ist der 7 Vgl. Ridderbusch 2016. 8 Vgl. Nawroth 2015: 3. 9 Vgl. Cadenbach 2013: 44. 10 Vgl. ebd.: 44. 11 Vgl. Nawroth 2015: 9 ff. 12 Vgl. Christen 1977: 11. Kinderwunsch der Frau geweckt, können die eingefrorenen Oozyten jeder Zeit aufgetaut werden. Im Anschluss werden die Eizellen künstlich befruchtet und können dann in die Gebärmutter der Patientin eingesetzt werden.13 b. Erfolgschancen Den Auftauprozess überstehen etwa 80 – 90 Prozent der Eizellen unbeschadet. Bei der anschließenden Befruchtung der noch intakten Eizellen liegt die Erfolgsrate bei 60 – 70 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dann eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter einnistet, wodurch ein gesunder Embryo heranwachsen kann, liegt bei nur acht bis zehn Prozent.14 Im ungünstigsten Falle müssen also 26 Eizellen unbeschadet eingefroren werden. Die Anzahl isolierter Eizellen pro Entnahme kann stark variieren. Mindesten zehn sollten es jedoch sein.15 Hierbei gilt: Je mehr desto besser. Für einen erfolgreichen Social Freezing Eingriff ist jedoch nicht nur die Anzahl der Eizellen ausschlaggebend. Eine noch viel wichtigere Rolle spielt die Qualität der Eizellen. Diese hängt direkt davon ab, wie alt die Patientin währen der Eizellenentnahme ist. Im Optimalfall sollte sie zwischen 20 und 30 Jahren alt sein. Ab dem dreißigsten Lebensjahr verschlechtert sich die Qualität und Eizellreserve einer Frau signifikant.16 c. Kosten Natürlich ist es für die meisten Patientinnen eine Kostenfrage, wie viele Eizellen sie sich einfrieren lassen. Mit dem Medikamentenbedarf, der Eizellenentnahme und dem Schockfrosten können die Kosten pro Behandlungszyklus bei etwa 3000 bis 4000 Euro liegen. Ebenfalls fallen ab einem bestimmten Zeitpunkt regelmäßig Gebühren für die Lagerung an. Diese betragen in der Regel etwa 240 Euro im Jahr. Auch für die Befruchtung und für das Einsetzen der befruchteten Eizellen in die Gebärmutter muss extra gezahlt werden und beläuft sich auf etwa 2000 Euro. Bislang tragen die Krankenkassen in Deutschland keine dieser Eingriffe.17 d. Gefahren Bevor ein solcher Eingriff stattfinden kann, ist ein Beratungsgespräch notwendig. Neben dem Ablauf und den Chancen werden auch mögliche Komplikationen besprochen. Da es sich beim Social Freezing um einen medizinischen Eingriff handelt, besteht auch ein medizinisches Risiko. Das können zum Beispiel Infektionen oder Blutungen sein, welche durch notwendige Injektionen ausgelöst werden. Das medizinische Risiko ist aber als sehr gering einzustufen. Gleiches gilt für die Hormonbehandlung. Heute ist die Wahrscheinlichkeit schwerer Schädigungen aufgrund dieser kleiner als ein Prozent. Zu 13 Vgl. Nawroth 2015: 9 ff. 14 Vgl. Cadenbach 2013: 44. 15 Vgl. Nawroth 2015: 32. 16 Vgl. ebd.: 27. 17 Vgl. Gottschling 2013: 100.; Cadenbach 2013: 44. Beginn des Social Freezing traten wegen der Hormonbehandlung des Öfteren Komplikationen auf. Bei den Patientinnen kam es vor allem zu Wasseransammlung in der Bauchregion. Ein großer Faktor, der sich auf das Gefahrenrisiko bezieht, ist das (biologische) Alter der Patientin während der Geburt. Ab dem 35. Lebensjahr kann schon von einer Risikoschwangerschaft gesprochen werden. Es kommt dann vermehrt zu Fehlgeburten, Fehlbildungen des Kindes und im Allgemeinen zu mehr Komplikationen während der Geburt. Mit erhöhtem Alter steigt nicht nur das Gefahrenrisiko der Patienten, auch die Gesundheit des Embryos ist dann stark gefährdet. 18 e. Bedeutung Es kann als biologische Ungerechtigkeit beschrieben werden, dass bei Frauen die Unfruchtbarkeit relativ schnell einsetzt, wohingegen der Mann noch bis ins hohe Alter Kinder zeugen kann. Aufgrund biologischer Faktoren liegt der beste Zeitpunkt schwanger zu werden zwischen den 20er bis 30er Jahren der Frau. In der Regel ist genau das die Zeit, in der die meisten wichtigen Lebensentscheidungen getroffen werden. Junge Frauen entscheiden sich für einen Auslandsaufenthalt, gehen Studieren und wollen Praxiserfahrungen sammeln. Zwischen Kariere‐ Planung, Selbstfindungsphase und dem „normalem“ Leben muss auch noch die Frage der Familienplanung beantwortet werden und das alles innerhalb von zehn Jahren. Nicht zu Unrecht wird dieser Teil auch als „Rush‐hour des Lebens“ bezeichnet.19 Das Social Freezing bietet also die Möglichkeit sowohl den zeitlichen, als auch psychischen Druck während dieser Phase zu reduzieren. Dadurch besteht ein hohes Potential für das Social Freezing, ein Bestanteil unseres gesellschaftlichen Alltags zu werden. Dennoch ist zu sagen, dass es durch das Social Freezing zu keiner hundertprozentigen Garantie einer Elternschaft kommt, lediglich steigen dadurch die Chancen, schwanger zu werden und ein Kind zu bekommen.20 Darum ist es umso wichtiger, dass Mädchen/junge Frauen über dieses Thema informiert werden und darüber sprechen. Dadurch erkennen sie, welche Möglichkeiten und Chancen ihnen für die Zukunft bereitstehen. 18 Vgl. Nawroth 2015: 12 ff. 19 Vgl. Cadenbach 2013: 44. 20 Vgl. Gottschling 2013: 100 ff.