KLINIK UND POLIKLINIK FÜR INNERE MEDIZIN I Gebiet: Infektiologie Abklärung einer Tuberkulose Ausrichtung: diagnostisch Version: Gültig ab: Revision: Verfasser: Geprüft: Genehmigt: 3.0 (5 Seiten) 01.10.2010 01.10.2012 FHI BS JS (2.0) Grundsätzliches Tuberkulose (TBC): Infektionskrankheit, verursacht durch Erreger des Mycobacterium-tuberculosis (MTB ) -Komplexes: M. tuberculosis verantwortlich für >98% der Fälle in Mitteleuropa, M. bovis, M. africanum, M. microti, M. canetti, M.pinnipedi, M.caprae, BCG. Unterschieden werden: Primärinfekt (Erstinfektion, Konversion des Tuberkulintests), Reinfektion und postprimäre TBC. Primärinfekt: Inhalation von Erregern (meist in Aerosol) Infektion von Alveolarmakrophagen T- Zell-abhängige lokale Granulombildung. Bei 90% aller infizierten Menschen sistiert die Infektion in diesem Stadium, d.h. die Mykobakterien werden dezimiert und im Granulom eingekapselt. Reinfektion: Neuinfektion nach bereits früher stattgehabter Primärinfektion – gleicher Infektionsweg, aber keine Konversion des Tuberkulintests, da vorher bereits positiv. Postprimäre TBC: Verursacht durch Reaktivierung „dormanter“ Mykobakterien im primären Granulom. Dabei in 85-90% Lungentuberkulose = häufigste Organmanifestation. Extrapulmonale Lokalisationen der TBC (verursacht durch hämatogene und/oder lymphogene Aussaat) in Reihenfolge ihrer Häufigkeit: Lymphknoten, Pleura, Urogenitaltrakt, Knochen / Gelenke, Meningen, Peritoneum, Darm und andere. Schlechte Resistenzlage = unzureichende Granulombildung: prädestiniert für generalisierte Ausbreitung der TBC über den Primärherd hinaus ( Miliartuberkulose, Landouzy- Sepsis). Anamnese / Klinik Anamnese zur Evaluation (1) des Infektionsrisikos (2) einer möglichen Reaktivierung sowie (3) des Übertragungsrisikos auf andere: TBC in der Vergangenheit? Herkunft des Patienten bzw. seines Umfeldes? Reiseanamnese? Immunsuppression? Manifestationen der Tbc: Pulmonale TBC: Pulmonale Symptome wie Husten, Auswurf (teilweise auch Hämoptysen) und Dyspnoe evtl. in Verbindung mit Allgemeinsymptomen wie subfebrile Temperaturen, Gewichtsverlust, Nachtschweiß und Schwäche (DD chronisch-konsumierende Erkrankung). Extrapulmonale TBC: Evtl. Fieber, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß, zusätzlich: Pleuritis exsudativa: Häufigste Manifestationsform der Tuberkulose bei jungen Patienten (oft subklinisch und zunächst selbstlimitierend). Kann initial als Pleuritis sicca mit atemabhängigen Schmerzen und Pleurareiben auftreten, im Verlauf Dyspnoe bei Exsudat. Bei einem Pleuraerguss, insbesondere wenn er einseitig oder bei jungen Patienten auftritt immer an TBC denken! - Lymphknoten-TBC: Vergrößerte, teilweise druckdolente Lymphknoten (Fistelbildungen). - Urogenital-TBC: Trüber Urin, sterile Leukozyturie. - Ossäre Manifestation der TBC: Bild einer Spondylodiszitis (vor allem BWS) oder Osteomyelitis mit fehlendem Nachweis typischer Erreger. - Tuberkulöse Meningitis: Oft schleichender Verlauf, typischer Liquorbefund (s.u.). - Darmtuberkulose in Deutschland (sehr selten): Kann das Bild eines Morbus Crohn imitieren. Technische Untersuchungen Diagnostik, allgemein Nachweis einer aktiven Tuberkulose ist möglich durch Nachweis des Erregers bzw. durch Histologie. Ein indirekter Nachweis (vorhandene Infektion, keine sichere Korrelation zur Erkrankung) kann durch Nachweis der zellulären Immunität gegen Mykobakterienproteine im Hauttest bzw. Interferonproduktion aus dem peripheren Blut erfolgen Diagnostik, Spezielles: Direkter Nachweis einer aktiven Tuberkulose (1) Mikroskopie: Direktnachweis säurefester Stäbchen in der Ziehl-Neelsen- oder Auramin-Färbung (CAVE: nicht spezifisch für MTB!). Der Nachweis im Sputum definiert die offene pulmonale TBC; die semiquantitative Erfassung der Keimzahl erlaubt die Einschätzung der Infektiosität des Patienten. (2) Kulturverfahren: Ergebnis nach 1 bis 8 Wochen unerlässlich für Speziesdifferenzierung und Resistenzanalyse, aber keine Relevanz für die Akutdiagnostik und Therapieeinleitung. (3) TBC-PCR: Schnellster Nachweis für eine offene, ansteckungsfähige Tuberkulose < 12h. Schnellste Methode, aber im Gegensatz zu anderen Erregern ist hier die Sensitivität des Nachweises nicht höher (eher niedriger) als durch die Kultur. Sinnvoll zur raschen Speziesidentifizierung, kann auch zur Resistenzdiagnostik eingesetzt werden (insb. bei V.a. auf multiresistente TB nach RS mit dem AvD der Mikrobiologie möglich, Testung auf INH und RIF Resistenz, diese aber niemals Ersatz für Kultur, da aktuell noch zu unsicher). Sinnlos zur Verlaufskontrolle unter Therapie, da auch avitale Mykobakterien nachgewiesen werden. Definition des labordiagnostischen Nachweises einer TBC: Positiver Befund mit mindestens einer der beiden folgenden Methoden (direkter Erregernachweis): Kulturelle Isolierung von M.-tuberculosis-Komplex oder mikroskopischer, färberischer Nachweis säurefester Stäbchen, bestätigt durch Nukleinsäure-Nachweis (PCR) in Material des gleichen Organsystems (auch histologisch). V.a. pulmonale TBC: 3 x Sputum wenn möglich von verschiedenen Tagen Mikroskopie, Kultur anlegen. - Bei negativem Befund und weiter bestehendem Verdacht CT-Thorax und Interferon-y-Test (ggf. vorher noch THT überlegen). Bei weiter bestehendem Verdacht (positiver CT-Befund) invasive Diagnostik (Bronchoskopie mit BAL) - Bei positivem Befund sofortige Therapieeinleitung; diagnostisch weitere Kultivierung veranlassen, bei unzureichender Plausibilität Erregerspezifizierung durch PCR (Vorabresistenztestung via PCR nach RS mit dem Dienstarzt der Mikrobiologie möglich, s.o.). V.a. Pleuritis exsudativa: Erregernachweis im Pleurapunktat gelingt nur in 20% der Fälle (DD: Begleitpleuritis einer postprimären pulmonalen Tuberkulose). V.a. Urogenitaltuberkulose (Erhärtung des Verdachts bei „steriler“ Leukozyturie): 3 x Morgenurin Mikroskopie und Urinkultur auf Spezialnährböden. V.a. ossäre Tuberkulose MRT; Biopsiegewinnung für Mikrobiologie und Pathologie. V.a. tuberkulöse Meningitis: Liquorpunktion nach CCT; typischer Befund: Zellzahl 50-1000/µl, Lymphozyten prädominant, Eiweiß >100mg/dl, Glukose<30% der Serumglukose, Mikroskopie, TBCPCR zur schnellen Diagnosesicherung. CAVE: initial häufig granulozytär Indirekter Nachweis einer Tuberkulose (durch Nachweis einer zellulären Immunreaktion auf Mykobakterienproteine) (1) Tuberkulin-Haut-Test (THT) nach Mendel-Mantoux: Streng intrakutane Injektion von 2 IE des PPT-RT-23-Tuberkulins (entsprechend 5 IE PPD-S = international standardisiertes Tuberkulin) an der Beugeseite des Unterarms. Ablesung der Induration (nicht des Erythems!) nach 48-72 Stunden (spätestens nach sieben Tagen) in der Querachse des Unterarms. Der Vorhersagewert ist abhängig von der Prävalenz der TBC-Infektion in der untersuchten Population (d.h. hohe Prävalenz niedriger Grenzwert): (I) (II) (III) Induration > 5mm Induration > 10mm Induration > 15mm - HIV - i.v.-Drogenabusus - Kontakt zu offener TBC - Diabetes mellitus, maligne GE nicht zu (I) oder (II) - Radiologisch inaktive TBC - Immigranten <5 Jahre seit Einreise gehören. - Immunsuppressive Thera- - Heimbewohner, Haftinsassen pie Organtransplantation, Prednisolontherapie - Alle Personen, die - Heranwachsende mit Kontakt zu Personen der Risikogruppe (I) oder (II) >15mg täglich über einen - Kinder < 4Jahre Monat) - Mitarbeiter im Gesundheitswesen CAVE: THT falsch positiv u.a. bei Z.n. TBC oder BCG-Impfung (mindestens) innerhalb der letzten 10 Jahre, bei Kreuzreaktivität mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien; falsch negativ u.a. bei Primärinfektion mit MTB-Infektion in den letzten 8 Wochen, Lebendimpfungen in den letzten 6 Wochen, bei HIV infizierten Individuen oder anderen Immunsuppressionen. (2) Test mit Nachweis der intrazellulären Produktion von Interferonen auf MTb-Proteine: Messen die INF-y Produktion in Vollblut nach Stimulation mit spezifischen MTB- Antigenen spezifisch für MTB. Hierzu gibt es zwei verschiedene Testssysteme. Quantitative Bestimmung der Interferon-Produktion mittels ELISA (Quantiferon-Test) und Bestimmung des Anteils Interferon-produzierender Zellen im ELISPOT Vorteil: keine Störeinflüsse durch BCG-Impfung; Durchführung für ungeübte Untersucher einfacher, Dauer<24h (Quantiferon-Test); weniger Kreuzreaktion mit anderen Mykobakterienspezies. Nachteil: Sensitivität ähnlich ansonsten wie Hauttest. Aufgrund der einfacheren Durchführung und der etwas besseren Spezifität ist vor allem der Quantiferon-Test als Suchtest für die Diagnose einer kürzlich erworbenen Infektion mit Tuberkulose dem Hauttest vorzuziehen. Dies gilt vor allem für immunsupprimierte Patienten. Beide Testsysteme, der Hauttest sowie der Nachweis der Interferonproduktion sind nicht in der Lage zwischen einer älteren (auch abgeheilten) und einer klinisch aktiven Infektion zu differenzieren!! CAVE Negativer Quantiferontest schließt TB nicht aus! (bei aktiver TB: Quantiferon „nur“ in 55-88% positiv) Anforderungen an Untersuchungsmaterialien: idR Nativmaterial (!) Material Menge Bemerkung Am besten Morgensputum, nativ, gegebenenfalls Sputum (kein Speichel!) BAL Pleurapunktat Morgenurin Liquor 5-10 ml 3 x 10 ml 10-20 ml 50 ml 3 x 2 ml Biopsie (LK, Knochen) Provokation mit Salzlösung Nativ Nativ, sensitiver Pleura-Biopsie Nativ, Transport bei 4ºC Nativ für Mikrobiologie: in 0,9% NaCl, für Pathologie: in Formalin Blut für INF-y-Test 10-20ml Heparin-Röhrchen, Eiltransport Bildgebung: Röntgen-Thorax, Sonographie, CT (MRT) sind erforderlich, um die Ausdehnung der Erkrankung und den Sekundärbefall weiterer Organe zu erfassen. Konsequenzen Antituberkulöse Therapie: (siehe hierzu gesonderte SOP). Isolationsmaßnahmen: Bereits beim V. a. eine offene (= infektiöse) TBC sind unmittelbar Schutzmaßnahmen zu veranlassen. Diese werden im Detail über die Pflege / Krankenhaushygiene umgesetzt. Bezüglich der Aufhebung der Einzelisolation bzw. der Maßnahmen bei Entlassung muss mit dem zuständigen Gesundheitsamt Rücksprache gehalten werden. Verlaufskontrolle: monatliches Sputum mit Mikroskopie und Kultur, bis zwei konsekutive Sputa negativ Meldepflicht IfSG: Eine namentliche Meldung an das Gesundheitsamt muss innerhalb von 24 Stunden erfolgen bei: (1) begründetem V.a. Tuberkulose, (2) Beginn einer antituberkulösen Therapie, (3) vorzeitigem Behandlungsabbruch, (4) Tod. Patienten mit nachgewiesener oder vermuteter ansteckungsfähiger Tuberkulose unterliegen der Überwachung durch das Gesundheitsamt! Häufige Fehler - Unzureichende Schutz-/ Isolationsmaßnahmen - Unterlassene Meldepflicht (Insbesondere fehlende Meldung bei TBC-Verdacht oder bei vorzeitigem Therapieabbruch) - Fehlende Umgebungsuntersuchungen der Kontaktpersonen inkl. des medizinischen Personals - Unnötige Verzögerung des Therapiebeginns (Eine mikrobiologische Keimsicherung ist bei TBC auch noch Tage nach Beginn der antituberkulösen Therapie möglich) - Keine Resistenzanpassung nach Erhalt des Antibiogramms (CAVE: Entlassung, Arztwechsel) - Fehlende konsequente Nachbeobachtung Non-Adhärenz wird nicht erkannt Sowohl die Diagnostik als auch die Therapie sollten immer in Kooperation mit der Infektiologie bzw. Pneumologie erfolgen! © Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Regensburg, 30.09.2010 Ansprechpartner E-mail: [email protected] Hausfunk: 1511 Literatur AWMF Leitlinien: Leitlinien Kinderheilkunde/Pneumologie: Tuberkulose Empfehlungen Krankenhaushygiene: Infektionsverhütung bei Tuberkulose Internationale Leitlinien: http://www.who.int/tb/en/ http://www.cdc.gov/nchstp/tb/pubs/mmwrhtml/maj_guide.htm http://www.health.vic.gov.au/ideas/diseases/tb_mgmt_guide.htm http://www.nhsplus.nhs.uk/clinical-guidelines/consensus.asp Aktuelle Übersichtsartikel: Schaberg T et al., Richtlinien zur medikamentösen Behandlung der Tuberkulose im Erwachsenen- und Kindesalter. Pneumologie 2001; 55: 494-511. Bergstermann H et al. Tuberkulose. Der Internist 2002; 43: 861871. Kubica T et al. Die Tuberkulose wird unterschätzt. Deutsches Ärzteblatt 2004; 101: 906-907. Grünhage F et al. Tuberkulose - Aktuelle Therapie. Dtsch Med Wochenschr 2005; 130: 159-164. Lange C et al, Aktueller Stand der Tuberkulosediagnostik. Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 341-347. Laifer G et al, Diagnostik der pulmonalen Tuberkulose beim Erwachsenen. Internist 2007; 48; 489-496. Empfehlungen ohne Gewähr, Verantwortung liegt bei behandelnder Ärztin/Arzt!