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Hals
16
Äußerer Hals
18
16.1
Anatomie des äußeren Halses 282
18.1
16.2
Leitsymptome und Untersuchungsmethoden des äußeren Halses 287
Klinische Stimmphysiologie und
Diagnostik 349
18.2
Klinik der Stimmstörungen 353
16.3
Fehlbildungen des Halses 289
16.4
Entzündungen des Halses 297
16.5
Tumoren im Bereich des Halses 301
19
Sprech- und Sprachstörungen
17
Larynx und Trachea
17.1
Embryologie, Anatomie und Physiologie
von Larynx und Trachea 305
17.2
Leitsymptome und Untersuchungsmethoden von Larynx und Trachea 312
17.3
Fehlbildungen von Larynx und Trachea 316
17.4
Infektionskrankheiten von Larynx
und Trachea im Kindesalter 319
17.5
Entzündliche Erkrankungen von Larynx
und Trachea im Erwachsenenalter 323
17.6
Fremdkörperaspiration und Verletzungen
von Larynx und Trachea 327
17.7
Tumoren von Larynx und Trachea 333
17.8
Sicherung der Atemwege 343
17.9
Neurogene Störungen im Bereich
des Kehlkopfes 345
Stimmstörungen
19.1
Grundlagen der normalen und gestörten
Sprachentwicklung 360
19.2
Wichtige Formen der Sprachstörungen 362
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D
282
Äußerer Hals
16.1
Anatomie des äußeren Halses
Der Hals als Bindeglied zwischen Kopf und Stamm birgt
lebenswichtige Leitungsbahnen (Arterien, Venen, Nerven
und Lymphgefäße) auf engstem Raum. Sein Stütz- und
Bewegungsapparat muss deren Schutz sowie eine größtmögliche Beweglichkeit des Kopfes und den koordinierten
Ablauf von Ventilation, Schluck- und Sprechakt gewährleisten. Zahlreiche Lymphknoten und eine hohe Lymphgefäßdichte sind ein besonderes Kennzeichen des Halses. Die
genaue Kenntnis der anatomischen Verhältnisse am Hals
ist eine unabdingbare Voraussetzung für Diagnostik und
operative Therapie.
16.1.1
Topographie
Der Hals ist kranial durch den Unterrand der Mandibula,
die Spitze des Warzenfortsatzes und die Protuberantia
occipitalis externa begrenzt. Konturbildend und palpatorisch erfassbar sind beidseits die Mm. sternocleidomastoidei und die Ränder der Mm. trapezii und medial das
Abb. 16.1
Topographie des Halses
Zungenbein, die Schildknorpelplatte, der Ringknorpel sowie im Falle eines vergrößerten Organs die Schilddrüse
(Abb. 16.1).
Halsmuskeln, Halseingeweide wie Kehlkopf, Trachea,
Pharynx und Ösophagus, Gefäße und Nerven werden
von flächigen Bindegewebszügen (Faszien) umgeben.
Hierbei wird ein oberflächliches, mittleres und tiefes Blatt
unterschieden (s. u.).
Exkurs: Faszienlogen im Hals
Halsfaszien
Die Blätter der Halsfaszie unterteilen den Hals in Kompartimente,
die gegeneinander leicht verschieblich sind. Die oberflächliche
Halsfaszie (Fascia colli superficialis, Synonym: Lamina superficialis
fasciae cervicalis, Abb. 16.2 gelb) unterzieht das Platysma und damit auch das Unterhautfettgewebe, umgibt den gesamten Hals und
umscheidet den M. sternocleidomastoideus und den M. trapezius.
Dieser Faszienzug inseriert am Os hyoideum und spannt sich nach
kranial zum Unterkieferrand und nach kaudal zum Manubrium sterni
und zur Klavikula. Sie ist in der Mittellinie mit der mittleren Halsfaszie (Fascia colli media, Synonym: Lamina praetrachealis fasciae
cervicalis, Abb. 16.2 grün) verwachsen. Diese Faszienschicht spannt
sich zwischen Zungenbein, Rückseite des Manubrium sterni, Klavikula sowie nach lateral bis zum M. omohyoideus und der Skapula
aus. Sie umscheidet die infrahyoidale Muskulatur und grenzt sämtliche Halseingeweide nach vorne ab.
Von den Dornfortsätzen der Halswirbelkörper ausgehend bildet die
tiefe Halsfaszie (Fascia colli profunda, Synonym Lamina praevertebralis fasciae cervicalis, Abb. 16.2 blau) einen straffen Schlauch um
die tiefe Halsmuskulatur, der an seiner Rückseite mit der den M.
trapezius umscheidenden oberflächlichen Halsfaszie verbunden ist.
Abb. 16.2 a Die Faszienlogen im Hals (transversale Darstellung).
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16
16.1 Anatomie des äußeren Halses
283
Exkurs: Sinus caroticus und Paraganglion caroticum
Im Bereich der Teilungsstelle der A. carotis communis (Karotisbifurkation) ist der Karotissinus (Sinus caroticus) lokalisiert: die Ausbuchtung der Karotiswand ist mit Mechanorezeptoren versehen, die
Blutdrucksteigerungen aufgrund von Änderungen der Gefäßwandspannung registrieren und reflektorisch über den N. glossopharyngeus im Bereich der Formatio reticularis blutdrucksenkende Reaktionen auslösen.
In der Karotisbifurkation befindet sich darüber hinaus das wenige
Millimeter große, den nicht-chromaffinen Paraganglien zuzurechnende Paraganglion caroticum. Es enthält Chemorezeptoren, die
bei Änderungen des arteriellen pO2, pCO2 und pH-Wertes ebenfalls
über den N. glossopharyngeus im Bereich der Formatio reticularis
die Atmung modulieren können.
Die Faszienlogen im Hals (sagittale Darstellung).
Diese prävertebrale Schicht ist Teil eines Fasziensystems, das kontinuierlich von der Schädelbasis bis zum kaudalen Ende der Wirbelsäule zieht (prävertebrale Senkungsabszesse).
Gefäß-Nerven-Scheide
A. carotis, V. jugularis interna sowie N. vagus verfügen über eine
eigene bindegewebige Umhüllung (Abb. 16.2 a rot), die im Bereich
der Sehne zwischen Venter inferior und Venter superior des M.
omohyoideus mit der mittleren Halsfaszie verbunden ist, so dass
Kontraktionen dieses Muskels zum Aufspannen dieser sog. GefäßNerven-Scheide und insbesondere der V. jugularis interna führen.
Präformierte Räume
Während der Verschieberaum zwischen oberflächlichem und mittlerem Blatt der Halsfaszie nach kaudal abgeschlossen ist (gemeinsame Insertion an Manubrium sterni und Klavikula), besteht im
Bereich des Eingeweideraumes des Halses zwischen mittlerem
und tiefem Blatt der Halsfaszie eine offene Verbindung zum Mediastinum, so dass sich z. B. Abszesse der Halsweichteile ungehindert nach intrathorakal ausbreiten können.
16.1.2
Blutversorgung
Arterielle Blutversorgung: Die sich in Höhe des Schildknorpeloberrandes (entspricht ungefähr dem 4. Halswirbelkörper) in ihre beiden Hauptstämme Aa. carotis externa und interna aufteilende A. carotis communis entspringt links aus dem Aortenbogen und rechts aus dem
Truncus brachiocephalicus. Die wesentliche Blutversorgung des unteren Halsbereiches erfolgt über den der A.
subclavia entstammenden Truncus thyrocervicalis. Die
Äste der A. carotis externa versorgen Hals und Gesicht,
während die Arteria carotis interna im Halsverlauf keinerlei Äste abgibt.
Der venöse Rückstrom aus dem Kopf-Hals-Bereich erfolgt über die oberflächlichen unmittelbar in die V. subclavia einmündenden Hautvenen (V. jugularis externa und
V. jugularis anterior) sowie insbesondere über die weitaus
großlumigere V. jugularis interna. Die Vv. vertebrales und
die venösen Plexus im zervikalen Wirbelkanal führen
normalerweise ungefähr 30 % des zerebralen Rückflusses.
Lymphabfluss
Aus Quellgebieten („tributären“ Gewebsarealen) führen
Lymphbahnen zu regionären Lymphknoten bzw. Lymphknotengruppen. Die Lymphknoten am Hals sind als biologische Filterstationen in dieses Netz von Lymphkapillaren und -gefäßen eingegliedert.
Von den etwa 1 000 Lymphknoten des Menschen befinden sich ungefähr 300 im Kopf-Hals-Bereich, wobei die
bedeutsamsten zwischen mittlerer und tiefer Halsfaszie
lokalisiert sind.
Aufgrund des definierten Verlaufes der Lymphbahnen
erhalten die Lymphknoten des jugulofazialen Venenwinkels (s. u.) Lymphe aus nahezu allen Anteilen des KopfHals-Bereichs und stellen bei einem Großteil der malignen Kopf-Hals-Tumoren die Stelle der bevorzugten lymphogenen Metastasenmanifestation dar (Abb. 16.3).
Im Bereich des großen subklaviojugulären Venenwinkels mündet die Lymphe des Halses links zusammen mit
dem Ductus thoracicus in die V. subclavia und rechts
zusammen mit dem Ductus thoracicus dexter in den rechten großen Venenwinkel.
Eintrittspforten zu diesem System sind unter anderem
die lymphatischen Organe von Nasopharynx und Oropharynx (Waldeyer-Rachenring).
sind die Lymphknoten des Halses weder zu
! Normalerweise
sehen noch zu tasten.
Bei normal konfiguriertem Hals sind Lymphknotenschwellungen ab einem Durchmesser von etwa 1 cm palpabel.
Exkurs: V. jugularis mit großem und kleinem Venenwinkel
Die V. jugularis interna entsteht aus dem Zusammenfluss von Sinus
sigmoideus und Sinus petrosus inferior und ist im Bereich des Foramen jugulare zum Bulbus venae jugularis erweitert. Als kleinen
(jugulofazialen) Venenwinkel versteht man den Zufluss der V.
facialis in die V. jugularis interna und als großen (subklaviojugulären) Venenwinkel den Zusammenfluss von V. jugularis interna und
V. subclavia zur V. brachiocephalica hinter dem Sternoklavikulargelenk.
Diese Venenwinkel sind aufgrund der Ansammlung wichtiger
Lymphknotengruppen bedeutsam.
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16.1.3
Abb. 16.2 b
16 Äußerer Hals
16.1.4
Abb. 16.3 Zervikales Lymphgefäßsystem
Topographie der Halslymphknoten; s. auch Abb. 16.8. Die Gruppe
der Nn. ll. cervicales lat. profundi ist dunkelgrün, die der Nn. ll.
cervicales lat. superficiales blau dargestellt.
Abb. 16.4
Verlauf des N. glossopharyngeus (IX).
Innervation
Die sensible, nicht metamer angeordnete Versorgung des
äußeren Halses erfolgt über den Plexus cervicalis
(C 1 – C 4), der am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus an die Oberfläche tritt (Erb-Punkt).
Motorische Anteile des Plexus cervicalis (Radix inferior)
vereinigen sich mit motorischen Fasern des Plexus cervicalis, die sich streckenweise dem N. hypoglossus angelagert haben (Radix superior) zur Ansa cervicalis und versorgen die infrahyoidale Muskulatur sowie den M. geniohyoideus. Der N. hypoglossus verlässt durch den Canalis n.
hypoglossi die Schädelhöhle und überkreuzt die Äste der
A. carotis externa.
N. glossopharyngeus, N. vagus und N. accessorius gelangen gemeinsam durch das Foramen jugulare in den
Bereich des Halses (s. Exkurs u. Abb. 16.4 – 16.7). Bei
Raumforderungen in diesem Bereich (z. B. Paragangliome,
Neurinome) kann das Foramen jugulare-Syndrom mit
Ausfall der genannten Hirnnerven resultieren.
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284
285
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16.1 Anatomie des äußeren Halses
Abb. 16.5
Verlauf des N. vagus (X).
Der Halsteil des Truncus sympathicus (Grenzstrang)
liegt hinter der Gefäßnervenscheide zwischen den Lamellen der tiefen Halsfaszie auf der prävertebralen Muskulatur. Die Lage der drei dazugehörigen Ganglien ist in
Tab. 16.1 beschrieben.
Ausschaltung des Grenzstranges durch Medikamentenap! Die
plikation, Tumorinfiltration oder Traumatisierung führt zum
Horner-Symptomenkomplex: Miosis, Ptosis und Enophthalmus.
Tab. 16.1 Ganglien des Truncus sympathicus
Ganglion
Lage
Segmente
Ganglion cervicale superius
hinter der A. carotis interna
C1–4
Ganglion cervicale medium
(inkonstant)
an der Umbiegungsstelle der A. thyroidea inferior
C5–6
Ganglion cervicale inferius
zwischen dem Querfortsatz des 7. Halswirbels und
dem Köpfchen der ersten Rippe
C 7 – 8; meist verschmolzen mit dem Ggl. cervicothoracicum (Synonym: Ggl. stellatum)
16 Äußerer Hals
Abb. 16.6 Verlauf des N. accessorius (XI).
Exkurs: Verlauf der Nn. glossopharyngeus, vagus und accessorius
N. glossopharyngeus (IX)
Der N. glossopharyngeus bildet im Foramen jugulare das kleinere
Ganglion superius und unterhalb des Foramen jugulare das größere Ggl. inferius, verläuft zwischen A. carotis interna und V. jugularis interna zum M. stylopharyngeus und gelangt zur Zunge und zur
seitlichen Rachenwand. Vom Ggl. inferius zieht der N. tympanicus
in die Paukenhöhle (sensible Innervation von Paukenhöhlenschleimhaut und Tuba auditiva), vereinigt sich mit Ästen des N. intermedius
(N. facialis, s. S. 263) und sympathischen Fasern des Plexus caroticus
internus zum N. petrosus minor und gelangt zum Ggl. oticum
(Jacobson-Anastomose) für die parasympathische Versorgung der
Ohrspeicheldrüse. Der N. glossopharyngeus innerviert darüber hinaus sensorisch das hintere Drittel der Zunge, sensibel den Zungengrund, die Tonsillenregion und große Anteile des Pharynx sowie
motorisch die Gaumenbogen- und Anteile der Pharynxmuskulatur.
N. accessorius (XI)
Der N. accessorius weist als Besonderheit einen spinalen sowie einen
kranialen Wurzelanteil auf. Nach Durchtritt durch das Foramen
jugulare lagern sich die kranialen Wurzelanteile mit speziellen
viszeromotorischen Fasern dem N. vagus an, die rein motorischen
spinalen Wurzelfasern ziehen hinter der V. jugularis interna vor
dem Querfortsatz des Atlas in den M. sternocleidomastoideus,
werden am oberen Drittel des Hinterrrandes des M. sternocleidomastoideus sehr oberflächlich (hier Verletzungsgefahr bei operativen Eingriffen!), überqueren das hintere Halsdreieck und erreichen
den M. trapezius.
N. vagus (X)
Der N. vagus bildet kaudal des Foramen jugulare ein Ggl. superius
(jugulare) sowie in Höhe des Zungenbeins das Ggl. inferius (nodosum), empfängt im weiteren Verlauf Fasern aus dem kranialen
Anteil des N. accessorius und zieht – in der Gefäßscheide zwischen
V. jugularis interna und A. carotis interna bzw. communis dorsal
gelegen – nach kaudal. In seinem Halsverlauf werden Äste zum
Pharynx, zum Larynx (N. laryngeus superior) sowie zum Herzen
(Rr. cardiaci cervicales superiores et inferiores) abgegeben. Der
für die Kehlkopfinnervation sehr bedeutende N. laryngeus inferior
(recurrens) hat zwar im Halsbereich auf beiden Seiten den gleichen
Verlauf zwischen Ösophagus und Trachea, verläuft aber nach Abgang vom N. vagus rechts um den Truncus brachiocephalicus und
links um den Aortenbogen.
Der N. vagus innerviert sensibel Anteile des äußeren Gehörganges
(R. auricularis – vagal vermittelter Hustenreflex bei Untersuchung
des Ohrs wird hierdurch erklärbar!), den unteren Anteil des Pharynx,
den Larynx sowie die kranialen Abschnitte von Trachea und Ösophagus.
Motorisch versorgt der N. vagus große Anteile der Gaumen- und
Pharynxmuskulatur sowie den Kehlkopf.
Parasympathisch werden die Brust- und Baucheingeweide vom N.
vagus innerviert.
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286
Abb. 16.7
Verlauf des N. hypoglossus (XII).
16.2
Leitsymptome und
Untersuchungsmethoden
des äußeren Halses
Die topographischen Verhältnisse am Hals erlauben es,
viele Befunde zu ertasten. Die Palpation des Halses darf
daher bei keiner körperlichen Untersuchung fehlen. Die
modernen bildgebenden Verfahren können vielfach differenzialdiagnostische Hinweise geben und helfen bei der
Therapieplanung. Allerdings wird man in manchen Fällen
nicht auf eine operativ-diagnostische Halsexploration verzichten können.
16.2.1
Leitsymptome
Bei Erkrankungen des äußeren Halses werden von den
Patienten als Symptome sehr häufig Formveränderungen
des Halses durch umschriebene oder diffuse Schwellungen bzw. Resistenzen, Schmerzen, die sich ggf. bei Kopfbewegungen verändern sowie Bewegungseinschränkungen des Halses angegeben. Von diesen Beschwerden zu
unterscheiden sind die sich in den Bereich der Schluckstraße hineinprojizierenden und dort meist auch ihre Ursachen findenden Schluckstörungen.
16.2.2
Untersuchungsmethoden
Anamnese
Es interessieren insbesondere Dauer, Erscheinungsbild
und zeitlicher Verlauf der Symptome (akut oder chronisch), Schmerzhaftigkeit, konstante, zunehmende oder
wechselnde Größe von Schwellungen, Erkrankungen im
Bereich des oberen Aerodigestivtraktes, weitere Lymph-
knotenvergrößerungen an anderen Körperregionen und
die Eigenanamnese bezüglich früherer ähnlicher Beschwerden. Im Rahmen der Anamnese sollte auch nach
Tierkontakten, Auslandsaufenthalten und Nahrungsgewohnheiten gefragt werden.
Inspektion
Die sich anschließende Inspektion orientiert über die profilgebenden Strukturen des Halses und äußere Veränderungen der bedeckenden Haut wie Gefäßzeichnung, Venenstauungen, Radioderm und Hauttumoren. Auch nach
Fistelöffnungen, die Hinweise auf branchiogene (laterale)
Fisteln, mediane Halsfisteln oder eine Aktinomykose liefern können, sowie nach Schwellungen und Indurationen
(Lymphknoten, Abszesse) muss gesucht werden. Darüber
hinaus ist auf die Stellung und Beweglichkeit des Kopfes
und Halses zu achten (Schonhaltung z. B. bei Abszessen,
Schiefhals).
Palpation
Die Palpation der Halsweichteile wird entweder von vorn
oder besser von hinten bimanuell und alternierend-seitenvergleichend am sitzenden Patienten ausgeführt. Der
Kopf des Patienten sollte hierbei zur Entspannung der
Halsweichteile leicht nach vorne geneigt sein. Es empfiehlt sich zunächst die einzelnen Lymphknotengruppen
in einer bestimmten Reihenfolge abzutasten (Beispiel
Abb. 16.8).
Neben diesen Lymphknotengruppen muss die gesamte
Halsregion palpiert werden. Zu achten ist auf Anzahl,
Größe (Zahlenangabe in Zentimeter), Druckschmerz, Verschieblichkeit gegenüber Haut und Unterlage, Konsistenz
sowie insbesondere die topographische Beziehung palpabler Raumforderungen zu den umgebenden Halsstrukturen.
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16.2 Leitsymptome und Untersuchungsmethoden des äußeren Halses
16 Äußerer Hals
Abb. 16.8 Palpation der
Halslymphknoten.
Die Pfeile in der Abbildung zeigen ein Beispiel für einen sinnvollen Palpationsweg: von submental nach submandibulär,
dann entlang des M. sternocleidomastoideus und der Gefäßscheide nach supraklavikulär
und anschließend wieder nach
kranial entlang des Verlaufes
des N. accessorius nach nuchal.
sollte insbesondere bei älteren Patienten gleichzeitig auf
! Nie
beiden Halsseiten tief palpiert werden, da hierbei die Gefahr
der Auslösung eines Karotissinusreflexes mit vagovasaler Synkope besteht.
Bei pulsierenden Tumoren (Paraganglien, Gefäßaneurysmen) sollte neben der Palpation auch eine Auskultation
des Prozesses durchgeführt werden.
Darüber hinaus sollte auch die Beweglichkeit der Halswirbelsäule in allen Ebenen sowie des Schultergürtels
überprüft werden.
Bildgebende Verfahren
Die zweidimensionale B-(Brightness-)mode-Sonographie
kann als die Standarduntersuchungsmethode bei Abklärung von Weichteilprozessen des Halses angesehen werden. Aufgrund sonomorphologischer Kriterien kann die
Ultraschalluntersuchung Hinweise auf die Artdiagnose
entsprechender Veränderungen ergeben.
sichere Unterscheidung von benignen und
! Eine
Raumforderungen ist allerdings nicht möglich.
malignen
Eine besondere Bedeutung kommt der Sonographie der
Halsweichteile im Rahmen der Tumornachsorge bei malignen Erkrankungen im oberen Aerodigestivtrakt zum
Aufsuchen möglicher Rezidive zu. Aus physikalischen
Gründen – ausgeprägte Schallwellenreflexion an lufthaltigen und knöchernen Grenzschichten – ist allerdings eine
sonographische Beurteilung von an Knochen, Pharynx
oder Larynx angrenzenden Veränderungen nur bedingt
möglich.
Mithilfe der Sonographie und insbesondere der farbkodierten Duplex-Sonographie gelingt eine genaue Beurteilung der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße (Stenosen, Tumorinfiltration) sowie gefäßreicher Tumoren
(Paragangliom, Hämangiom).
Die Computertomographie (CT) in axialer Aufnahmetechnik, ggf. mit Applikation von Kontrastmitteln, ermög-
licht die genaue Darstellung entzündlicher, raumfordernder, infiltrierender oder destruierender zervikaler Raumforderungen.
Verdacht auf Schilddrüsentumoren darf kein jodhaltiges
! Bei
Kontrastmittel verabreicht werden, um die nachfolgende Diagnostik nicht zu erschweren.
In gewissen Grenzen erlaubt die CT eine Artdiagnose. Die
CT ist insbesondere dann indiziert, wenn eine Beteiligung
knorpeliger oder knöcherner Strukturen (Kehlkopf, Halswirbelsäule, Mandibula) zu erwarten ist, die sich mit Hilfe
der Magnetresonanztomographie (MRT) nur bedingt abbilden lassen.
Die Magnetresonanztomographie ermöglicht eine bessere Weichteildarstellung als die Computertomographie
und erleichtert – ggf. nach Applikation von paramagnetischen Kontrastmitteln – die differenzialdiagnostische Unterscheidung tumoröser, narbiger und entzündlicher Veränderungen. Koronare und sagittale Rekonstruktionen ermöglichen eine topographisch eindeutige Darstellung von
Weichteilprozessen.
Röntgennativaufnahmen in antero-posteriorer oder seitlicher Projektion zur Beurteilung der Halsweichteile werden in der klinischen Routine nur noch selten eingesetzt
und sind durch die oben beschriebenen bildgebenden
Verfahren weitgehend verdrängt worden. Mittels der
Röntgennativaufnahmen können prävertebrale Weichteilschwellungen, Kalkeinlagerungen (z. B. tuberkulöse
Lymphknoten), Emphyseme nach Verletzung der oberen
Luftwege und schattendichte Fremdkörper nachgewiesen
werden. Bei der Beurteilung der Halswirbelsäule und ggf.
des Kehlkopfskelettes (Frakturnachweis) hat die Röntgennativaufnahme weiterhin einen großen Stellenwert.
Die Positronenemissionstomographie (PET) bzw. die
PET-CT, die sich zur Bilderzeugung den vermehrten Uptake von injizierter 18Fluordeoxyglucose (18FDG) in stoffwechselaktivem Gewebe (Tumor, Entzündung) zu Nutze
machen, sind die jüngsten bildgebenden Verfahren und
haben gegenwärtig ihren Schwerpunkt in der Tumordiagnostik. Mittels der 18F-Dopa-PET können neuroendokrine
Tumoren und Paragangliome visualisiert werden.
Zytologische bzw. histologische Untersuchung
Bei unklaren und suspekten zervikalen Raumforderungen
ist eine Artdiagnose durch Gewebeentnahme erforderlich.
Bei zystischen Raumforderungen kann im Rahmen einer
Punktion Material zur zytologischen und/oder mikrobiologischen Untersuchung gewonnen werden. Diese diagnostische Punktion ist grundsätzlich zu unterscheiden
von einer ggf. nachfolgenden therapeutischen Inzision,
z. B. bei abszedierenden Veränderungen.
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16.3 Fehlbildungen des Halses
289
Bei soliden Raumforderungen kann, ggf. unter sonographischer Kontrolle, eine Feinnadelpunktion zur Gewinnung zytologischen Materials durchgeführt werden. Dieses diagnostische Verfahren setzt eine große Erfahrung
bei Entnahme und Beurteilung des Präparates voraus
und ist aufgrund der Gefahr falsch negativer Befunde
nur bei einem positiven Befund verwertbar; negativen
Befunden ist mit Vorbehalt zu begegnen.
Im Rahmen einer Grobnadelbiopsie steht aufgrund des
größeren Durchmessers der eingesetzten Nadeln Gewebe
für eine histologische Untersuchung zur Verfügung („Gewebszylinder“). Allerdings gilt auch hierbei, dass lediglich
positive Befunde verwertbar sind.
Die sicherste Methode zur Artdiagnose länger bestehender und auf konservative Therapie sich nicht verändernder zervikaler Raumforderungen stellt die offene
Biopsie dar, bei der ein Teil des Tumors oder besser der
gesamte „Knoten“ zur histologischen und ggf. weiterführenden Untersuchung exstirpiert wird. Im Rahmen der
präskalenischen Biopsie (Synonym: Daniel-Biopsie) erfolgt eine Entnahme von Lymphknoten im Bereich des
subklaviojugulären Venenwinkels als letzte Durchflussstation für die Lymphe des Gesamtorganismus.
Abb. 16.9 Unterschiede zwischen Zyste, Sinus und Fistel.
Alle Veränderungen sind mit Epithel ausgekleidet.
16.3.1
Laterale Halszysten und -fisteln
engl.: branchial cleft cyst
16.3
Fehlbildungen des Halses
In die Gruppe der Fehlbildungen gehören laterale und
mediane Halszysten und -fisteln, vaskuläre Fehlbildungen
wie Hämangiome und Lymphangiome, muskuloskelettale
Fehlbildungen sowie dysontogenetische Tumoren.
Definitionen: Unter einer Zyste (engl.: cyst) versteht man
einen epithelausgekleideten Hohlraum ohne jegliche Öffnungen nach innen oder außen. Als Sinus (engl.: sinus)
bezeichnet man einen epithelausgekleideten Hohlraum
mit Öffnung entweder nach innen (gebräuchliches, aber
unrichtiges Synonym: innere inkomplette Fistel) oder
nach außen (Synonym: äußere inkomplette Fistel) und
unter einer Fistel (engl.: fistula) einen epithelausgekleideten Gang mit Öffnung sowohl nach innen als nach außen
(Abb. 16.9).
Ätiologie und Pathogenese: Die embryologischen Grundlagen werden im Exkurs erläutert.
Nach der klassischen Theorie entstehen laterale Halszysten und -fisteln auf dem Boden einer Persistenz, d. h.
unvollständigen Rückbildung des Sinus bzw. der Vesicula
cervicalis (Zervikalsinustheorie); es wird daher auch von
einer Hemmungsfehlbildung gesprochen. Nach innen
geöffnete Sinus („innere inkomplette Fisteln“) werden
analog als Relikt der 2. Schlundtasche und nach außen
geöffnete Sinus („äußere inkomplette Fisteln“) als Relikt
der 2. Kiemenfurche – jeweils mit Anschluss an den Sinus
cervicalis – angesehen; (komplette) Fisteln können nur
entstehen, wenn sowohl das Entoderm der Schlundtasche
als auch das Ektoderm der Kiemenfurche Anschluss an
den Sinus cervicalis bekommt und die Verschlussmembran einreißt.
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Pulsierende Halstumoren (Paragangliom, Gefäßaneu! Cave:
rysma!) dürfen nicht punktiert werden.
16 Äußerer Hals
Exkurs: Embryologie und Fehlbildungen des Kiemenapparates
Embryologie
Der Kiemenapparat setzt sich zusammen aus 6 mesodermalen
Kiemenbögen (Synonym: Branchialbögen; engl.: branchial arch; die
Kiemenbögen 5 und 6 sind beim Menschen rudimentär), 5 entodermalen Schlundtaschen (Synonym: Kiementaschen, innere Kiemenfurchen; engl.: branchial pouch) und 4 ektodermalen Kiemenfurchen
(Synonym: Schlundfurchen; engl.: branchial groove). Mesenchymfreie ento-/ektodermale Epithelduplikaturen, sog. Verschlussmembranen (Synonym: Kiemenmembranen) trennen bei den Säugetieren
an den Kiemenbogengrenzen die inneren Schlundtaschen von den
äußeren Kiemenfurchen, während diese bei den Fischen einreißen
und es somit zur Ausbildung von Kiemen kommt. Jeder Kiemenbogen besteht aus Arterie, Knorpelspange, Muskelelement und
Nerv.
Theorien zur Entstehung von Fehlbildungen
Die 2 wichtigsten Theorien zur Entstehung von Fehlbildungen des
Kiemenapparates werden an dieser Stelle vorgestellt:
Klassische Theorie: Nach der klassischen Theorie vergrößert sich der
2. Kiemenbogen in der 5. Woche überproportional und wächst über
den 3. und 4. Kiemenbogen hinweg, so dass eine als Sinus cervicalis
(benannt nach W. His) bezeichnete ektodermale Höhle entsteht, die
vom Operculum umgeben wird (Abb. 16.10 a). Nachfolgend engt
sich der Sinus cervicalis zunehmend ein, bis schließlich ein als
Vesicula cervicalis bezeichneter ektodermaler Einschluss im Mesoderm entstanden ist, der sich im weiteren Verlauf vollständig zurückbildet (Abb. 16.10 b). Diese klassische Theorie, die laterale
Halszysten und -fisteln als Hemmungsfehlbildung, d. h. Persistenz
des Sinus bzw. der Vesicula cervicalis ansieht, weist jedoch einige
Unzulänglichkeiten auf, die durch das aktuelle Modell von Otto
beseitigt werden konnten:
Theorie von Otto: Einen Abschluss des Sinus cervicalis zur Vesicula
cervicalis mit anschließender vollständiger Resorption des eingeschlossenen Epithels gibt es nach dieser Theorie nicht (es soll sich
um Schnitt- bzw. Präparationsartefakte handeln), vielmehr werden
alle im Sinus cervicalis eingeschlossenen ektodermalen Epithelanteile an die Oberfläche zurückverlagert. Hierbei durchläuft die Entwicklung nach dem Stadium der Verschlussmembranen (zwischen
Kiemenfurche und Schlundtasche, Abb. 16.10 c) ein Stadium der
inneren und äußeren Verbindungslamellen, bis es schließlich zur Rückverlagerung der äußeren und der inneren Verbindungslamellen auf
die äußere bzw. innere Körperoberfläche kommt (Abb. 16.10 d).
Nach Otto entsteht am Ort einer Verschlussmembran bzw. Verbindungslamelle, also im Bereich einer Mesenchymlücke, eine lokale
interepitheliale Adhäsion (LIAD), repräsentiert durch Desmosomen und Interdigitationen (Abb. 16.10 d). Findet an dieser LIAD
keine zeitgerechte mesenchymale Fusion statt, können Epithelretentionen und -proliferationen als Überschussfehlbildungen entstehen.
Pathogenese lateraler Halszysten und -fisteln: Diese für die gesamte embryologische Entwicklung gültige LIAD-Theorie bedeutet
übertragen auf laterale Halszysten und -fisteln, dass sich im Bereich
der Verschlussmembranen 2, 3 oder 4 eine persistierende LIAD
ausbildet. Durch das weitere Wachstum kommt es zu einer Ortsverlagerung der ekto- bzw. entodermalen Epithelanteile, wobei die
LIAD in die Länge gezogen und als Fistelgang „mitgeschleift“ wird
(Abb. 16.10 e).
Bleibt die LIAD vollständig erhalten, entsteht eine (komplette) Fistel
(Abb. 16.10 f), reißt der Fistelgang von einem der beiden Oberflächenepithelverbände ab, entsteht ein innerer bzw. äußerer Sinus
und reißt der Fistelgang von beiden Oberflächenepithelverbänden
ab, entsteht eine laterale Halszyste.
Zur Pathogenese medialer Halszysten und von Fehlbildungen der
Schilddrüse s. u.
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Abb. 16.10 Entstehung von Fehlbildungen im Kiemenapparat.
16.3 Fehlbildungen des Halses
Topographie: Halsfisteln und -zysten treten bevorzugt an
der Kiemenbogengrenze 2 auf, da die 2. Kiemenbogengrenze räumlich am größten ist und während der Embryonalentwicklung am längsten bestehen bleibt. Eine
hier entstehende Halszyste bzw. -fistel hat eine enge
Lagebeziehung zur Karotisgabel; im Falle eines inneren
Sinus ist die innere Öffnung in der Fossa supratonsillaris
lokalisiert. Der Zystensack liegt immer lateral der V. jugularis interna und kaudal vom Venter posterior des M.
digastricus (Abb. 16.11).
Fehlbildungen der 3. und 4. Kiemenbogengrenze (zur
Lokalisation s. Exkurs) sind erheblich seltener.
Epidemiologie: Laterale Halszysten und -sinus manifestieren sich bei ausgeglichenem Geschlechtsverhältnis in der
Regel zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, während laterale Halsfisteln meist bereits unmittelbar nach der Geburt auffallen. Laterale Halszysten sind hierbei etwa um
den Faktor vier häufiger als laterale Halsfisteln, also vergleichsweise häufig und im Kindesalter eine der Hauptursachen einer Halsschwellung.
Maligne Entartungen lateraler Halszysten sind extrem
seltene Ereignisse.
Symptomatik und Diagnostik: Die Anamnesedauer bei lateralen Halszysten ist in der Regel kurz. Die Patienten
bemerken eine schmerzlose, prallelastische Schwellung
im Bereich des Trigonum caroticum zwischen Os hyoideum und M. sternocleidomastoideus. Nicht selten macht
eine akute Entzündung, die differenzialdiagnostisch eine
Abgrenzung zu einem Halsabszess schwierig machen
kann, erstmals auf eine laterale Halszyste aufmerksam.
Neben der Palpation ist die B-Bild-Sonographie diagnostische Methode der Wahl, wobei sich laterale Halszysten
als echoarme bis echoleere, homogene, glatt begrenzte
Raumforderungen mit typischer Topographie darstellen;
der Inhalt akut infizierter Zysten kann sich durch dickflüssiges, eitriges Sekret echoreich darstellen.
Sinus („inkomplette Fisteln“) mit Öffnung nach innen sind
häufiger als komplette Fisteln und entsprechen – wenn sie
nicht asymptomatisch sind – in der Symptomatik lateralen Halszysten.
Halsfisteln haben ihre äußere Fistelöffnung immer am
Vorderrand des M. sternocleidomastoideus (meist 1 – 2
Querfinger oberhalb des Sternoklavikulargelenks) und
können sich durch die Sekretion eines klaren, bernsteinfarbenen Sekrets auszeichnen. Akute Infektionen mit den
typischen Entzündungszeichen Schmerz, Rötung und eitriger Sekretion sind gängig. An der Fistelöffnung können
akzessorische Knorpel vorkommen. Diagnostisch bietet
Abb. 16.11 Laterale Halszyste der 2. Kiemenbogengrenze
Bei der im Bild gezeigten Struktur handelt es sich um die häufigste Lokalisation einer lateralen Halszyste (eigentlich korrekte Bezeichnung: lateraler innerer Halssinus), ausgehend von
der 2. Kiemenbogengrenze. Die
innere Öffnung liegt im Bereich
der Fossa supratonsillaris.
sich eine Röntgendarstellung mit Kontrastmittel an; nach
dem pharyngealen Fistelostium (Fossa supratonsillaris,
Gaumenbogen, laterale Pharynxwand, Recessus piriformis) muss gesucht werden.
Differenzialdiagnose: Es kommen bei Halszysten alle anderen zervikalen Raumforderungen infrage; bei Fisteln muss
an das Vorliegen einer Lymphknotentuberkulose oder einer Aktinomykose gedacht werden.
Therapie: In der Regel besteht die Indikation zur operativen Therapie.
Vermeidung von Rezidiven darf kein Epithelrest zurück! Zur
bleiben.
Fisteln werden nach intraoperativer Färbung mit blauem
Farbstoff (Patentblau) umschnitten. Die topographischanatomischen Verflechtungen der Fistelgänge mit den
Halsgefäßen und Nerven sowie entzündliche Verwachsungen machen den Eingriff oft schwierig.
Auch bei der Exstirpation vermeintlicher Zysten muss
sorgfältig nach einem Gang zur Fossa supratonsillaris gesucht werden, der ggf. verfolgt und umschnitten werden
muss, da andernfalls Rezidive drohen. Aus diesem Grunde
wird obligat auch eine gleichzeitige Tonsillektomie durchgeführt. Peritonsillarabszesse nach erfolgter Tonsillektomie sind in der Regel auf das Vorhandensein von entodermalen Gangrelikten (sog. His-Gang) in der Fossa supratonsillaris zurückzuführen.
Akut entzündete Zysten oder Fisteln sollten zunächst konservativ antibiotisch anbehandelt werden, um den nachfolgenden Eingriff zu erleichtern.
bzw. Inzisionen lateraler Halszysten sind nur in
! Punktionen
Ausnahmefällen bei massiven Schmerzen indiziert.
16.3.2
Mediane Halszysten und -fisteln
engl.: thyroglossal (duct) cyst/fistula
Ätiologie und Pathogenese: Die Pathogenese medianer
Halszysten und -fisteln ist eng mit der embryologischen
Entwicklung der Schilddrüse verknüpft (s. u.).
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Exkurs: Fehlbildungen der 3. und 4. Kiemenbogengrenze
Fehlbildungen der 3. Kiemenbogengrenze haben ihre innere Öffnung an der lateralen Wand des Recessus piriformis ventral der Plica
nervi laryngei superioris in Höhe des Ringknorpels und die sehr
seltenen Fehlbildungen der 4. Kiemenbogengrenze an der Spitze
des Recessus piriformis, wobei bei Letzteren der Fistelgang den
Verlauf der Nn. recurrentes imitiert.
291
16 Äußerer Hals
Abb. 16.12 Laterale Halszyste.
a Die Schwellung am Hals des 17jährigen Mädchens stellt sich in der
Sonograpie (b B-Bild, Querschnitt)
als scharf begrenzte Raumforderung
mit homogenem Inhalt und distaler
Schallverstärkung dar. Es konnte
keine Fistelöffnung nachgewiesen
werden.
Exkurs: Embryologie und Fehlbildungen der Schilddrüse
Embryologie (Abb. 16.13 a)
Am 24. Tag entsteht am Boden des entodermalen Schlunddarmes
eine mediane Epithelverdickung dorsal des späteren Tuberculum
impar; hieraus entwickelt sich der Ductus thyroglossus, an welchem
die Schilddrüsenknospe nach kaudal vorwächst (Deszensus der
Schilddrüse). Gegen Ende der 7. Woche hat die Schilddrüse ihre
prätracheale Lage erreicht; der Ductus thyroglossus obliteriert
bzw. wird resorbiert. Das Foramen caecum in der Zungengrundmitte und der Lobus pyramidalis der Schilddrüse werden als Relikte
(Enden) des Ductus thyroglossus angesehen. Das Zungenbein entwickelt sich später; demzufolge sind die Lagebeziehungen zum
Ductus thyroglossus variabel.
Pathogenese
Mediane Halszysten und Fehlbildungen der Schilddrüse
Klassische Theorie: Die Entstehung medianer Halszysten wird nach
der klassischen Theorie mit der unvollständigen Obliteration bzw.
Resorption des Ductus thyroglossus erklärt.
Theorie von Otto: Nach neueren Untersuchungen wird der Deszensus der Schilddrüse infrage gestellt und stattdessen die Entstehung
der Schilddrüsenanlage in Herznähe mit nachfolgender Ausbildung
eines Verbindungsstranges zwischen Schilddrüse und Mundbodenepithel (Ductus thyroglossus) angenommen; es resultiert also ein
Aszensus des Kopfes unter Mitnahme der Schilddrüse. Der Ductus
thyroglossus enthält demnach zwei Epithelarten: kranial findet sich
Mundbodenepithel (Pars epithelialis), kaudal Schilddrüsenepithel
(Pars thyroidea). Mitte der 6. Woche soll die Differenzierungsgrenze
zwischen beiden Epithelarten (lokale interepitheliale Adhäsion;
LIAD, s. S. 290) zerreißen (Abb. 16.13 a).
Ausgehend von dieser Theorie können alle Fehlbildungen im Bereich
der Schilddrüse erklärt werden:
Reißt der Ductus thyroglossus nicht in Höhe der Differenzierungsgrenze, sondern zu weit unten, d. h. in der Pars thyroidea ein, verbleibt beim nachfolgenden Aszensus des Kopfes Schilddrüsengewebe am kranialen Teil des Ductus thyroglossus; somit können
Schilddrüsenektopien oder eine Zungengrundstruma entstehen
(Abb. 16.13 b). Reißt der Ductus thyroglossus dagegen zu weit
oben, d. h. in der Pars epithelialis ein, verbleibt nichtthyroidales
Epithelgewebe zwischen Zungengrund und Schilddrüse und kann
Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Epithelzyste (= mediane
Halszyste) sein. In diesen Epithelzysten kann auch Schilddrüsengewebe enthalten sein (Abb. 16.13 c). Die Prävalenz von Fehlbildungen
beträgt ca. 7 %, wobei der größte Anteil ein persistierender Lobus
pyramidalis ist.
Mediane Hals“fisteln“ (korrekter: -sinus) entstehen durch eine (entzündungsbedingte) Perforation einer medianen Halszyste nach außen oder im Gefolge ärztlicher Maßnahmen (z. B. Punktion), treten
also nicht primär auf.
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Abb. 16.13 Entwicklung und mögliche Fehlbildungen der
Schilddrüse.
16.3 Fehlbildungen des Halses
293
Epidemiologie: 75 % der medianen Halszysten manifestieren sich vor dem 6. Lebensjahr, bevorzugt im ersten Lebensjahr. Maligne Entartungen medianer Halszysten sind
eine Rarität.
Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose wird durch Inspektion
und Palpation gestellt (Abb. 16.14 a, Abb. 16.15); bei medianen Halszysten findet sich obligat eine Schluckverschieblichkeit.
Sonographisch kann der Verdacht weiter erhärtet werden; hier zeigt sich eine glatt begrenzte, ovaläre, echoarme bis -leere Raumforderung mit distaler Schallverstärkung (Abb. 16.14 b).
sollte sichergestellt werden, dass eine regelrecht ent! Immer
wickelte Schilddrüse vorhanden ist.
Von diagnostischen Punktionen ist abzusehen.
Mediane Halsfisteln können durch eine Röntgenkontrastdarstellung verifiziert werden.
Differenzialdiagnose: Es kommen Lymphangiome, Dermoidzysten, Lymphome, Teratome der Schilddrüse und
die seltene Bursitis praehyoidea in Betracht.
Therapie: Nur eine operative Therapie ist möglich. Die
Sklerosierung von Fisteln und die Inzision von Zysten im
entzündungsfreien Zustand sind kontraindiziert.
Nach Möglichkeit sollte der Eingriff im entzündungsfreien Intervall, erforderlichenfalls nach antibiotischer
Vorbehandlung, durchgeführt werden.
Eine mediane Halszyste wird typischerweise über eine
quere suprahyoidale Inzision operiert; wichtig ist hierbei,
Reste des Ductus thyroglossus aufzusuchen und ggf. bis
zum Foramen caecum zu verfolgen und zu exzidieren, da
im Falle des Zurücklassens von Epithelresten ein Rezidiv
(als Zyste oder Fistel) vorprogrammiert ist. Aus gleichem
Grund wird die Resektion des Zungenbeinkörpers als notwendiger Bestandteil des Eingriffs gefordert, da hier häufig Epithelreste im oder am Knochen vorhanden sind.
Unterbleibt die Resektion des Zungenbeins, muss man
mit Rezidiven in bis zu 50 % der Fälle rechnen; andernfalls
Abb. 16.14 Mediane Halszyste
a Die Schwellung am Hals stellt sich in der Sonograpie (b B-Bild,
Querschnitt) als eine scharf begrenzte Raumforderung mit homogenem Inhalt und distaler Schallverstärkung dar.
c Operationspräparat einer medianen Halszyste mit anhängendem
Zungenbeinresektat.
in weniger als 5 %. Die Resektion des Zungenbeinkörpers
hat keinerlei funktionelle Nachteile; die Schluckfähigkeit
wird nicht beeinträchtigt, da die funktionell relevanten
Zungenbeinmuskeln an den Zungenbeinhörnern inserieren.
Mediane Halsfisteln werden ovalär umschnitten und in
toto exstirpiert; empfehlenswert ist die intraoperative
Darstellung des Fistelganges mit Patentblau.
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Symptomatik: Häufig wird von den Eltern eine prallelastische Raumforderung in der Medianlinie zwischen Kinn
und Schilddrüse (ganz selten auch suprasternal) bemerkt;
nicht selten kann eine mediane Halszyste erst durch einen
Entzündungsprozess auf sich aufmerksam machen. Die
Schwellung kann intermittierend oder dauernd vorhanden sein; Schluckprobleme sind eher die Ausnahme.
Mediane Halsfisteln fallen meist durch die Fistelöffnung
(meist in Höhe der Incisura thyroidea gelegen) und die
hieraus stattfindende Sekretion auf; Entzündungen mit
Sekretverhalt und Abszedierung können vorkommen.
16 Äußerer Hals
16.3.3
Vaskuläre Fehlbildungen
Lymphangiom
Abb. 16.15 Mediane Halsfistel bei einem 11-jährigen Jungen
Synonym: zystisches Hygrom
engl.: lymphangioma
Lymphangiome sind Sequestrierungen der ab der
6. Woche der Embryonalentwicklung ausknospenden
lymphatischen Anlagen, die keinen Anschluss an das venöse System erhalten haben und zu zystischen Hohlräumen degenerieren. Sie sind durch ein expansives, infiltrierendes Wachstum charakterisiert.
90 % der Lymphangiome manifestieren sich in den ersten beiden Lebensjahren; häufig sind sie schon bei Geburt
vorhanden und können ein Geburtshindernis darstellen.
Typischerweise sind Lymphangiome am seitlichen Hals
lokalisiert (Abb. 16.16).
Der Tastbefund ist weich und kissenartig; infolge des
infiltrativen Wachstums unterschätzt man bei der Palpation in der Regel die wahre Ausdehnung. Die B-Bild-Sonographie verschafft hier eine bessere Übersicht. Durch das
lokal expansive Wachstum können Symptome wie Dyspnoe und Stridor verursacht werden.
Therapie: Im Gegensatz zu Hämangiomen kommen spontane Regressionen bei Lymphangiomen extrem selten vor,
so dass in der Regel ein abwartendes Verhalten nicht gerechtfertigt und eine operative Therapie erforderlich ist.
Alternativ kann auch ein Therapieversuch mit der lokalen
Injektion von kristalliner Corticosteroidlösung oder von
Picibanil (ein Lyophylisat von Streptokokken) unternommen werden.
Hämangiom
Abb. 16.16 Lymphangiom bei einem Säugling
engl.: hemangioma
Bei Hämangiomen handelt es sich um wachsende Gefäßveränderungen (Gefäßektasien), die zur Gruppe der
Hamartome (= dysontogenetisches Wachstum normal angelegten Gewebes) gezählt werden.
Epidemiologie: Die Inzidenz von Hämangiomen wird mit
10 % im 1. Lebensjahr angegeben; Frühgeborene sind häufiger betroffen. Bei oberflächlichen Hämangiomen dominiert das weibliche Geschlecht.
Symptomatik: Hämangiome können am gesamten Körper
vorkommen. Klinisch imponiert eine weiche, rötlichlivide Schwellung (Abb. 16.17). Große Hämangiome können hämodynamisch relevant sein.
Abb. 16.17 Hämangiom. Ausgedehntes Hämangiom von Wange
und Hals bei einem 9 Monate alten Mädchen.
Krankheitsverlauf: Im Gegensatz zu Lymphangiomen bilden sich Hämangiome in bis zu ca. 80 % der Fälle spontan
zurück.
Der Krankheitsverlauf ist phasenhaft: auf eine zweiteilige Phase der Proliferation folgt ungefähr im 1. Lebensjahr ein statisches Intervall mit Wachstumsstillstand. Die
Involutionsphase folgt entweder im 1. – 2. Lebensjahr oder
in der Pubertät.
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294
16.3 Fehlbildungen des Halses
weiteren Hämangiomen an den inneren Organen (Lunge,
! Nach
Leber usw.) ist stets zu suchen.
Therapie: Wegen der hohen Spontanregressionsrate kann
ein abwartendes Verhalten erwogen werden, es sei denn,
die Hämangiome verursachen aufgrund ihrer Lokalisation
oder Ausdehnung Symptome oder zeigen eine rasche Volumenzunahme.
Als therapeutische Möglichkeiten stehen je nach Lokalisation, Ausdehnung und Wachstumsverhalten die lokale
oder systemische Corticosteroidtherapie (antiinflammatorischer und angiostatischer Effekt), die lokale Sklerosierung bzw. Embolisierung, die Spickung mit Magnesiumdraht, die Laserbehandlung (Farbstofflaser, Argon-Laser,
Neodym-YAG-Laser) sowie die chirurgische Exzision zur
Verfügung. Eine Radiatio kommt heute wegen der Gefahr
radiogener Spätschäden allenfalls in begründeten Ausnahmefällen in Betracht.
Exkurs: Sonderformen von Hämangiomen
Bei der Kasabach-Merritt-Sequenz (Synonym: ThrombopenieHämangiom-Syndrom) kommt es durch thrombotische Vorgänge
in den meist großen Hämangiomen („Riesenhämangiomen“) zu
einer disseminierten intravasalen Gerinnung mit Verbrauchskoagulopathie. Betroffen sind fast ausschließlich junge Säuglinge.
Eine seltene Entität ist auch das autosomal-dominant vererbte
Blue-rubber-bleb-naevus-Syndrom mit meist multiplen, tiefblauen, gummiartig eindrückbaren Hämangiomen am Integument,
die keine Rückbildungstendenz zeigen; gastrointestinale Manifestationen können zu rezidivierenden Blutungen führen.
16.3.4
Paragangliom
Synonym: Chemodektom
engl.: paraganglioma
Nichtchromaffine (s. u.) Paraganglien, die als Chemorezeptoren fungieren, sind am Hals im Bereich der Karotisgabel als Paraganglion caroticum, am N. vagus als Paraganglion vagale, an der V. jugularis interna als Paraganglion jugulare sowie am Kehlkopf als Paraganglion laryngeum lokalisiert. Neoplasien, die sich aus Paraganglien
ableiten, werden als Paragangliome bezeichnet. Die früheren Bezeichnungen Glomusorgan bzw. -tumor sollten
nicht mehr verwendet werden.
Epidemiologie: Paragangliome sind überwiegend benigne;
maligne Entartungen kommen in bis zu 10 – 20 % vor. Bei
Bewohnern höherer Lagen sollen Paragangliome gehäuft
auftreten. Ebenso gibt es Paragangliom-Syndrome, die auf
einer Mutation des Gens für das Emzym Succinatdehydrogenase beruhen. Paragangliome treten familiär gehäuft
auf und können auch multipel vorkommen.
Exkurs: Bedeutung des Ausdrucks „nichtchromaffin“
Die Bezeichnung „nichtchromaffin“ geht auf die historische Beobachtung zurück, dass sich die Zellen der Paraganglien nicht mit
der zum Nachweis von Katecholaminen eingesetzten ChromaffinFärbung anfärben lassen.
Paragangliom caroticum
engl.: carotid paraganglioma
Symptomatik: Leitsymptom ist die schmerzlose, evtl. pulsierende Raumforderung am Hals; Hustenreiz (durch Irritation des N. vagus), Heiserkeit (durch Vagus- resp. Rekurrensläsion), Horner-Syndrom (durch Irritation des
Grenzstranges) können ebenso wie ein Schmerzempfinden vorkommen.
Diagnostik: Bei der Palpation imponiert eine weich bis
prall elastische, teilweise pulsierende Raumforderung in
Höhe der Karotisgabel, die sich charakteristischerweise
nicht in kraniokaudaler, sehr wohl aber in mediolateraler
Richtung verschieben lässt; auskultatorisch ist meist ein
schwirrendes Geräusch zu hören. In der B-Bild-Sonographie zeigt sich das Paragangliom als echoarme Raumforderung, die die Karotisgabel aufweitet.
Differenzialdiagnostisch kann nicht immer eine Abgrenzung gegenüber lateralen Halszysten, Neurinomen
und vergrößerten Lymphknoten vorgenommen werden.
Hier hilft die farbkodierte Duplexsonographie weiter, die
die reiche Vaskularisation der Paragangliome eindrucksvoll darstellt (Abb. 16.18). Die Magnetresonanztomographie („Salz-Pfeffer-Muster“) ermöglicht ebenso wie
die18F-DOPA-PET in der Regel eine klare Artdiagnose.
Vor einer operativen Maßnahme sollte eine Angiographie erfolgen.
sollten wegen des Gefäßreichtums der Para! Probepunktionen
gangliome unterbleiben.
Therapie: Die Therapie der Wahl bei Paragangliomen der
Karotisgabel besteht in der chirurgischen Entfernung. Das
operative Vorgehen wird dadurch erschwert, dass der
Tumor die Adventitia der A. carotis infiltriert; der Eingriff
erfordert in Einzelfällen eine Eigenblutspende und/oder
die intraoperative Verwendung eines Zellsavers.
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Diagnostik: Neben der B-Bild-Sonographie, die einen
Überblick über die Größenausdehnung des Prozesses
gibt, hat sich vor allem die farbkodierte Duplexsonographie als wertvolles Diagnostikum erwiesen.
295
16 Äußerer Hals
Exkurs: Paragangliom vagale
Paraganglien des N. vagus sind den kaudal des Foramen jugulare
liegenden Ganglien dieses Hirnnerven meist unmittelbar benachbart. Tumoren des Paraganglion vagale sind vergleichsweise selten
(ca. 3 % der Paragangliome).
Leitsymptom ist die Vagusparese mit Heiserkeit und Aspiration;
ausgedehnte Tumoren können ein Foramen-jugulare-Syndrom (Synonym: Avellis-Syndrom) hervorrufen; eine intrakranielle Ausdehnung (Eieruhr- bzw. Hanteltumor) ist vor allem bei Paragangliomen
in der Nähe des Ganglion vagale superius häufig.
Diagnostisch kommen wie beim Paragangliom caroticum B-BildSonographie, farbkodierte Duplex-Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie und ggf. Angiographie in
Betracht. Differenzialdiagnostisch ist insbesondere an ein VagusNeurinom zu denken.
Die chirurgische Tumorentfernung stellt die Methode der Wahl dar;
der betroffene N. vagus muss in der Regel geopfert werden. Ausgedehnte Tumoren erfordern neben einem transzervikalen einen
transmastoidalen Zugang.
16.3.5
Schiefhals
engl.: torticollis
Ein Schiefhals kann angeboren (konnatal, Synonym:
Torticollis connata) oder erworben sein. Die möglichen
Ursachen sind in Tab. 16.2 aufgeführt. Die Diagnostik
und Therapie erfolgt in der Regel durch Neonatologen
bzw. Orthopäden.
16.3.6
Abb. 16.18 Paraganglion caroticum
a Doppler-sonographisches Bild eines ausgedehnten Paraganglioms, das in die V. jugularis interna eingewachsen war. Durch
die Farbkodierung ist die Vaskularisation des Tumors gut sichtbar.
b Paragangliom am linken Hals oberhalb der Karotisbifurkation
(Pfeile); die V. jugularis interna ist von dem Tumor nicht tangiert.
Dysontogenetische Tumoren
Embryonale Tumoren leiten sich von unreifem, primitivem Gewebe ab; maligne Wachstumsformen sind infolge
der Pluripotenz dieser Zellen häufig. Im Halsbereich
kommt aus dieser Gruppe insbesondere das embryonale
Rhabdomyosarkom, das sich von den Anlagen der quer
gestreiften Skelettmuskulatur ableitet, vor. Die Therapie
erfolgt nach den Behandlungsprotokollen für Weichteilsarkome der pädiatrischen Onkologie; chirurgische Maßnahmen erfolgen in Absprache mit dem pädiatrisch-onkologischen Zentrum.
Teratome (engl.: teratoma) sind durch das Vorkommen
von Zellelementen aller drei Keimblätter (Ektoderm, Mesoderm, Entoderm) gekennzeichnet, wobei unterschiedliche Differenzierungen von unreifem embryonalem Gewebe bis hin zu ausgereiften Elementen (z. B. Knorpel,
Knochen, Zähne) vorhanden sein können. Zervikale Teratome stellen rund 5 % der konnatalen Teratome dar; sie
manifestieren sich meist vor dem 2. Lebensjahr. Differenzialdiagnostisch hilfreich sind die Röntgen-Nativaufnahme des Halses und die CT, die häufig kalkdichte Einschlüsse zeigen. Wegen der potenziellen malignen Entartung sollten Teratome operativ entfernt werden; dies
gilt insbesondere für im Erwachsenenalter auftretende
Teratome, die eine hohe maligne Entartungspotenz („Teratokarzinome“) haben.
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16.4 Entzündungen des Halses
Ursachen eines Schiefhalses
angeboren
erworben
muskulär
I
I
I
häufig: geburtstraumatologisch durch Einrisse und Hämatombildung im Bereich des M. sternocleidomastoideus
seltener: kongenitaler fibröser Umbau von Muskelgewebe
Muskeldystrophien
ossär
I Klippel-Feil-Syndrom mit Halswirbelsynostosen
I
I
Goldenhar-Syndrom mit Fusion und/oder Fehlen von Halswirbeln
I
I
I
I
I
I
radikale Neck dissection mit Entfernung des M. sternocleidomastoideus
Traumata der Halswirbelsäule
Funktionsstörungen der Augenmuskulatur (okulärer Schiefhals)
schmerzreduzierende Schonhaltung bei Halsabszessen und ausgeprägten Lymphadenitiden
rheumatisch
Akzessoriusparese
Torticollis atlantoepistrophealis (Epistropheus = Axis) nach Entzündung, Operation, Bestrahlung im Nasenrachenraum (Synonym: Grisel-Syndrom)
Dermoide (engl.: dermoid) bestehen im Gegensatz zu den
Teratomen überwiegend aus ektodermalen Anteilen, entodermale Anteile fehlen völlig.
Dermoide entstehen durch Einkapselung ektodermaler
Epithelverbindung während der Entwicklung und stellen
somit in das Mesenchym versprengtes Epithel dar. Aufgrund der ektodermalen Herkunft des Gewebes finden
sich histologisch oft Hautanhangsgebilde (Haarfollikel,
Talgdrüsen, Schweißdrüsen) und abgeschilfertes amorphes Material. Die Therapie besteht in der operativen Entfernung.
Hamartome (engl.: hamartoma) entstehen durch das
überschießende, tumoröse Wachstum eines in der Regel
normal differenzierten Gewebes an der ontogenetisch
vorgesehenen Stelle. Am Hals kommt das als Hamartom
anzusehende Hämangiom am häufigsten vor (s. o.).
16.4
Entzündungen des Halses
Grundsätzlich werden sowohl aus differenzialdiagnostischen als auch aus therapeutischen Gründen Entzündungsreaktionen der zervikalen Lymphknoten (Lymphadenitis) von „tiefen“ – umschriebenen (Halsabszess) und
diffusen (Halsphlegmone) – Entzündungen der Halsweichteile unterschieden. Auf Entzündungen der Haut soll nicht
weiter eingegangen werden.
16.4.1
Entzündungen der zervikalen
Lymphknoten
Die Halslymphknoten sind überproportional häufig von
(erregerbedingten) Entzündungen betroffen. Dies liegt
zum einen daran, dass aufgrund der topographischen Verhältnisse am Hals auch kleine Raumforderungen diagnostiziert werden und zum anderen an dem Umstand, dass
der obere Aerodigestivtrakt als häufige Eintrittspforte für
entsprechende Erreger dient.
Das Leitsymptom ist nahezu immer die tastbare zervikale Raumforderung (Abb. 16.19), „gesunde“ Lymphknoten sind weder palpatorisch noch sonographisch nachweisbar; ein Dauer- bzw. Druckschmerz ist ein typisches
Abb. 16.19 Zervikale Lymphknotenschwellungen. Differenzialdiagnostisch bedeutsam sind Wachstumsgeschwindigkeit, Allgemeinbefinden, Konsistenz und Verschieblichkeit.
Zeichen einer (meist akuten) Entzündung, jedoch kann
dieses Symptom auch fehlen. Zusätzliche Symptome
bzw. Befunde, wie Hals-, Zahn- und Ohrenschmerzen,
Fieber, Störungen des Allgemeinbefindens, Schwellungen
der Speicheldrüsen, Hautveränderungen usw. können differenzialdiagnostische Hinweise liefern.
Möglichkeiten der Einteilung sind in Tab. 16.3 dargestellt.
Exkurs: Kawasaki-Syndrom
Das Kawasaki-Syndrom (Synonym: mukokutanes Lymphknotensyndrom) ist eine im Kindesalter auftretende diffuse Vaskulitis mit den
Symptomen Fieber, Haut- und Schleimhautmanifestationen und
Halslymphknotenschwellungen; gefürchtet ist die in 1/4 der Fälle
auftretende Herzbeteiligung in Form einer Myokarditis und/oder
Koronariitis. Eine bakterielle Ätiologie wird vermutet, jedoch konnte
bislang kein Erreger isoliert werden. Bei entsprechendem Krankheitsverdacht ist unverzüglich eine pädiatrische Untersuchung zu
veranlassen.
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Tab. 16.2
297
16 Äußerer Hals
Tab. 16.3
Einteilung der zervikalen Lymphadenitis
Einteilung
Beispiel bzw. Befund
. . . nach dem zeitlichen Verlauf
akut
Symptomdauer < 4 Wochen
Lymphadenitis bei bakterieller Tonsillitis
chronisch
Symptomdauer > 4 Wochen
siehe nachfolgende Aufzählung
viral
zahlreiche Erreger, u. a. EBV (infektiöse Mononukleose, Pfeiffer-Drüsenfieber), CMV, Röteln, HIV
bakteriell-unspezifisch
z. B. Streptokokken, Staphylokokken
bakteriell-spezifisch
Tuberkulose, atypische Mykobakterien, Katzenkratzkrankheit, Yersiniose
. . . nach der Ätiologie
erregerbedingt
fungal
selten, v. a. bei Immundefizienz
parasitär
z. B. Toxoplasmose
z. B. Sarkoidose, Fremdkörperreaktion, KawasakiSyndrom, Kikuchi-Lymphadenitis (Yersinia enterocolitica? systemischer Lupus erythematodes?),
Rosai-Dorfman-Syndrom
nicht-erregerbedingte Lymphadenitis sowie Lymphadenitis
unbekannter Ätiologie
. . . nach dem mikrobiologischen bzw. histologischen Befund
serologische Tests
Erregeranzucht und -nachweis
histologische Untersuchung
Mononukleose
anti-EA, anti-VCA, anti-EBNA
Toxoplasmose
Sabin-Feldmann-Test, IgG, IgM
Brucellose
Agglutinationstest, IgG, IgM
Tularämie (Synonym: Hasenpest)
Agglutinationstest, IgG, IgM
Syphilis (Synonym: Lues)
TPHA, FTA-Abs, IgM
Zytomegalie
IgG, IgM: relativ unzuverlässig
HIV-Infektion
ELISA, Immunfluoreszenz, Western-Blot, PCR
Katzenkratzkrankheit (engl.: cat scratch disease)
IgG, IgM
Tuberkulose
Kultur, DNA-Nachweis durch PCR
Listeriose
Kultur
Zytomegalie
Virusisolierung
Katzenkratzkrankheit (engl.: cat scratch disease)
PCR
unspezifische Lymphadenitis
das verursachende Agens ist anhand des histologischen Befundes nicht zu eruieren
spezifische Lymphadenitis
der histologische Befund liefert Hinweise auf das
verursachende Agens
– retikulär-abszedierende Lymphadenitis
(Granulome vom Pseudotuberkulosetyp)
Yersinia pseudotuberculosis, Yersinia enterocolitica, Francisella tularensis, Bartonella henselae
– epitheloidzellige Lymphadenitis
Toxoplasmose, Sarkoidose, Tuberkulose, atypische Mykobakteriose, Sarkoid-like reaction
– nekrotisierende histiozytische Lymphadenitis
Kikuchi-Lymphadenitis
– Sinushistiozytose mit Hämophagozytose
Rosai-Dorfman-Syndrom
– angiofollikuläre Lymphknotenhyperplasie
Castleman-Lymphom
EA = early antigen; VCA = virus capsid antigen; EBNA = Epstein Barr nuclear antigen;TPHA = Treponema pallidum Hämagglutinin; FTA
Abs = Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptions-Test.
Akute Lymphadenitis colli
engl.: cervical lymphadenitis
Ätiologie und Pathogenese: Akute Lymphadenitiden treten
meist reaktiv in zeitlichem Zusammenhang mit einem
Infekt der oberen Luftwege (virale oder bakterielle Rhinitis, Sinusitis, Pharyngitis, Tonsillitis), der Zähne und der
parodontalen Strukturen, der Speicheldrüsen oder der
Gesichts- und Halshaut (z. B. Erysipel, Impetigo contagiosa) auf und bereiten kaum differenzialdiagnostische
Schwierigkeiten.
Bei Kindern ist die häufigste Ursache der akuten
Lymphadenitis colli ein Streptokokkeninfekt der Gaumenmandeln. Ferner können Röteln- und Zytomegalieviren
(CMV) sowie in letzter Zeit zunehmend atypische Myko-
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298
16.4 Entzündungen des Halses
Symptomatik: Typischerweise liegt eine systemische Entzündungsreaktion mit Fieber und Krankheitsgefühl vor;
die zervikalen Raumforderungen sind meistens von weicher Konsistenz und dolent. Je nach Lokalisation der zugrundeliegenden Organinfektion sind die (meist multiplen) Lymphknoten ein- oder beidseitig lokalisiert.
Die infektiöse Mononukleose ist durch eine Tonsillitis
und eine meist ausgeprägte (voluminöse), schmerzhafte
zervikale Lymphadenitis gekennzeichnet (s. S. 107).
Bei der Primärinfektion mit dem HI-Virus kommt es nach
einer Inkubationszeit von 1 – 3 Wochen zur sog. akuten
HIV-Krankheit mit Symptomen eines grippalen Infekts,
einem juckenden Exanthem sowie zu einer generalisierten Lymphadenitis.
Diagnostik: Beim Vorliegen einer akuten Lymphadenitis
colli muss zunächst nach der auslösenden Ursache, d. h.
einer Organinfektion gesucht werden (HNO-ärztliche
Spiegeluntersuchung, ggf. zahnärztliches Konsil). Die BBild-Sonographie des Halses ist hilfreich zum Nachweis
bzw. Ausschluss einer abszedierenden Lymphadenitis
(zentrales Echo = Einschmelzung) und kann das Ausmaß
der Lymphadenitis im Vergleich zum Tastbefund besser
quantifizieren (Verlaufs- und Therapiekontrolle).
Differenzialdiagnose: Es muss bei akuten Lymphadenitiden
auch an das Vorliegen einer akut entzündeten (medianen
oder lateralen) Halszyste gedacht werden, wobei sich hier
meistauch begleitende (reaktive)Lymphadenitiden zeigen.
Bei wiederholten zervikalen Lymphadenitiden kommt
es nicht selten zu einer Persistenz tastbarer Lymphknoten
über die Phase der akuten Entzündung hinaus; dies ist mit
einer entzündlichen Fibrosierung zu erklären und kann
differenzialdiagnostische Probleme bereiten.
Therapie: Die Therapie richtet sich vornehmlich nach der
zugrundeliegenden Organinfektion. So stellt bei einem
Streptokokkeninfekt die Gabe von Penicillin die Therapie
der Wahl dar. Bei ausgeprägter Allgemeinsymptomatik
muss ebenso wie bei abszedierenden Lymphadenitiden
eine parenterale Verabreichung der Antibiotika in Betracht gezogen werden. Bei Letzteren sind engmaschige
Befundkontrollen und ggf. eine Inzision erforderlich.
Chronische Lymphadenitis colli
engl.: chronic cervical lymphadenitis/lymphadenopathy
Ätiologie: In Tab. 16.3 sind Erkrankungen aufgeführt, die
mit einer Lymphadenitis einhergehen können.
Auch diverse Pharmaka wie Antiepileptika, Tuberkulostatika, Heparin, Phenazetin, Salizylate und andere
nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID), Allopurinol, Antibiotika, Gold, Methyldopa usw. können eine Lymphadenopathie auslösen.
Diagnostik und Therapie:
chronische, d. h. mehr als vier Wochen bestehende Hals! Die
lymphknotenschwellung bereitet häufig diagnostische Schwierigkeiten, da sie immer von einer malignen Erkrankung (malignes Lymphom, Halslymphknotenmetastase) abgegrenzt werden muss.
Bei der Wahl des diagnostischen Vorgehens müssen neben der Wachstumskinetik das Alter des Patienten, das
Vorliegen von Risikofaktoren für Malignome (z. B. Nikotinabusus) sowie etwaige Begleitsymptome (z. B. Fieber,
Nachtschweiß und ungewollter Gewichtsverlust als sog.
B-Symptome; s. auch S. 302) berücksichtigt werden.
Anamnese: Um ein weiteres sinnvolles diagnostisches
Vorgehen zu ermöglichen, müssen anamnestisch die Risikofaktoren für die in Tab. 16.3 aufgeführten möglichen
Ursachen eruiert werden. Es ist zu fragen nach
I Haustieren: Hunde, Katzen, Nagetiere, Weidetiere usw.,
I beruflichem Tier- bzw. Tierproduktekontakt: Schlachter, Metzger, Fleischverkäufer, Käseherstellung und
-verkauf, Landwirtschaft, Gärtner,
I Ernährungsgewohnheiten: Genuss von rohem Fleisch,
Schafskäse,
I Fernreisen,
I Erkrankungen im Umfeld: medizinisches Personal, Altenpfleger, Kindergärtnerinnen.
Die Palpation (Konsistenz, Verschieblichkeit gegenüber
Unterlage und Haut) und die B-Bild-Sonographie können
erste differenzialdiagnostische Hinweise liefern.
Probatorischer Therapieversuch: Da zervikale Lymphknotenvergrößerungen relativ häufig bakteriell bedingt sind,
kann vor der Einleitung einer serologischen oder invasiven Diagnostik beim Fehlen offensichtlicher Hinweise auf
eine maligne Grunderkrankung ein probatorischer Therapieversuch mit einem (Breitband-)Antibiotikum (z. B.
Doxycyclin, Makrolid) unternommen werden.
Patient ist jedoch auf eine obligate Befundkontrolle hinzu! Der
weisen.
Serologie: Wegen der Fülle der infrage kommenden Erreger muss eine patientenspezifische Auswahl getroffen
werden (entsprechend Anamnese, s. auch Tab. 16.3).
Histologie: In aller Regel gilt, dass eine exakte Diagnosestellung am zuverlässigsten anhand eines chirurgisch entfernten Lymphknotens möglich ist. Bei Patienten mit bekannter Immundefizienz (z. B. HIV-Infektion) bzw. unter
immunsuppressiver Therapie sollte wegen der Vielfalt
möglicher (auch atypischer) Erreger sowie der erhöhten
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bakterien für akute zervikale Lymphadenitiden verantwortlich sein.
Die infektiöse Mononukleose (Synonyme: Pfeiffer-Drüsenfieber, Kissing disease; engl.: mononucleosis, s. S. 107)
ist eine akute Erkrankung des lymphatischen Systems,
hervorgerufen durch das Epstein-Barr-Virus, ein DNA-Virus, das der Gruppe der Herpesviridae zuzuordnen ist.
299
16 Äußerer Hals
Inzidenz maligner Tumoren primär eine histologische Abklärung erfolgen.
Die topographischen Verhältnisse am Hals erlauben einen solchen Eingriff mit relativ geringem Risiko meist in
Lokalanästhesie. Da sich einige Erkrankungen, allen voran
die malignen Non-Hodgkin-Lymphome, nur bzw. besser
anhand der Histoarchitektur des Lymphknotens diagnostizieren lassen, sollte eine Totalexstirpation eines (repräsentativen) Lymphknotens und keine Teilexzision oder
Grob- bzw. Feinnadelpunktion durchgeführt werden.
Sonderformen und Differenzialdiagnosen: Aktinomykose
(engl.: actinomycosis): Sie wird ausgelöst durch das grampositive anaerobe Bakterium Actinomyces israelii und verursacht in ihrer zervikofazialen Verlaufsform eine „brettharte“ Infiltration der Subkutis mit derben Knoten, Fisteln
und Ulzerationen. Die Therapie besteht in einer lang dauernden antibiotischen Therapie und fakultativen chirurgischen Maßnahmen.
Rosai-Dorfman-Syndrom (Synonym: hämophagozytische
Sinushistiozytose, engl.: sinushistiocytosis with massive
lymphadenopathy): Diese im Kindes- und jungen Erwachsenenalter auftretende, im Prinzip gutartige Erkrankung,
ist durch eine (monströse) Halslymphknotenvergrößerung gekennzeichnet. Bei unbekanntem, vielleicht infektiösem Agens, kommt es zu einer exzessiven Phagozytose
von hämatolymphatischen Zellen (bevorzugt Lymphozyten). Der Verlauf ist innerhalb mehrerer Wochen meist
selbstlimitierend; aggressive Verläufe kommen jedoch
vor. Steroide und das Zytostatikum Cladribin wurden als
wirksam beschrieben.
Castleman-Lymphom (Synonym: angiofollikuläre Lymphknotenhyperplasie): Von diesem histologisch definierten
Krankheitsbild, das in einer durch einen benignen Verlauf
gekennzeichneten lokalisierten Form und einer aggressiveren multizentrischen Form vorkommt, kann sich vor
allem die letztgenannte Entität auch an zervikalen
Lymphknoten manifestieren. Pathogenetisch scheinen
HHV-8 (humanes Herpesvirus 8) und eine Dysregulation
der IL-6-Produktion zugrunde zu liegen; dementsprechend kann ein Therapieversuch mit Corticosteroiden
oder monoklonalen Antikörpern (Tocilizumab = Anti-Interleukin 6-Rezeptor-AK, Rituximab = Anti-CD 20-AK) unternommen werden.
16.4.2
Tiefe Halsinfektionen
Parapharyngealabszess
engl.: parapharyngeal abscess
Ätiologie: Halsabszesse können entstehen aus:
I tonsillogenen Infektionen, Peritonsillarabszessen
(s. S. 108),
I abszedierenden Lymphadenitiden,
I Mastoiditis: Bezold-Abszess (s. S. 228),
I dentogenen Infektionen: Mundbodenphlegmone
(Angina ludovici),
I Schleimhautläsionen des Pharynx (Retropharyngealabszess, Fremdkörper).
Symptomatik: Die charakteristischen Symptome von Halsabszessen sind hohes Fieber, Druckdolenz, ggf. Schonhaltung und möglicherweise die entsprechenden Symptome
der auslösenden Grunderkrankung.
Diagnostik: Diagnostisch wegweisend ist der meist klare
klinische Befund, stark erhöhte Entzündungsparameter
(Leukozyten, BSG, CRP, Procalcitonin) sowie der sonographische bzw. computertomographische Abszessnachweis.
Therapie: Die Therapie umfasst die an die Grundkrankheit
adaptierte antibiotische Behandlung und obligat eine chirurgische Abszessdrainage.
Abszesspunktion ist beim Parapharyngealabszess in aller
! Eine
Regel nicht ausreichend!
Halsphlegmone
engl.: cervical phlegmon
Im Gegensatz zu den umschriebenen Halsabszessen ist
unter Halsphlegmonen eine diffuse Entzündung der Halsweichteile zu verstehen.
der anatomischen Verhältnisse der Halsweichteile
! Aufgrund
mit Kommunikation des Parapharyngealraumes mit dem Mediastinum stellt die Halsphlegmone eine vital bedrohliche Erkrankung dar (s. S. 283).
Abb. 16.20 Halsphlegmone als Komplikation eines Parotisabszesses. Gezeigt ist der Zustand nach operativer Fasziotomie
bei einem 17-jährigen Patienten. Über die liegenden Drainagen
erfolgt eine Spülbehandlung bei dem kontrolliert beatmeten septischen Patienten.
Ätiologie: Halsphlegmone können primär bei prädisponierenden Grunderkrankungen, aber auch als Komplikation
einer Infektion der oberen Luft- und Speisewege entstehen.
Symptomatik: Die betroffenen Patienten sind zumeist in
einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand mit hochfieberhaften Temperaturen. Die Halsweichteile sind diffus
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300
16.5 Tumoren im Bereich des Halses
301
druckschmerzhaft; umschriebene Entzündungsherde
sind auch mit bildgebenden Verfahren nicht darstellbar.
Die Halsweichteile erscheinen deutlich aufgelockert; gelegentlich sind Strukturen nicht mehr voneinander abgrenzbar.
16.5
Tumoren im Bereich des Halses
Gutartige Tumoren am Hals sind vergleichsweise selten.
Außer den ab S. 295 bereits abgehandelten Paragangliomen müssen als häufigste benigne Tumoren am Hals die
Lipome genannt werden. Eine Sonderform ist der Madelung-Fetthals. Sehr seltene Erkrankungen sind die desmoide Fibromatose, die fibrosierende Zervizitis und das
Rhabdomyom, die an dieser Stelle nicht weiter erläutert
werden sollen. Bei der Differenzialdiagnose von Raumforderungen am Hals muss immer an das Vorliegen einer
malignen Erkrankung gedacht werden. Die Planung der
Diagnostik hat diesem Umstand Rechnung zu tragen, d. h.
bei entsprechenden anamnestischen oder klinischen Hinweisen bzw. bei Erfolglosigkeit einer probatorischen (antibiotischen) Therapie sollte eine histologische Diagnosesicherung erfolgen.
16.5.1
Benigne Tumoren
Lipom
engl.: lipoma
Klinisch finden sich umschriebene weiche, indolente
Raumforderungen. Das sonographische Bild ist charakteristisch: oberflächliche (subkutane) Lipome sind meist
umkapselt, während tiefe Lipome zu einem infiltrativen,
mehr aggressiven Wachstum tendieren. Bei einer kosmetischen Beeinträchtigung kommt nur eine chirurgische
Entfernung in Betracht.
Abb. 16.21 Madelung-Fetthals. Symmetrische Lipomatose des
Halses bei einem 33-jährigen Mann (bei Alkoholkrankheit in der
Anamnese), die sich bei der Palpation weich (z. B. wie eine adipöse
Bauchdecke) anfühlt.
mit zungenförmigen Ausläufern in umgebendes Gewebe,
wobei es sich um eine Neoplasie des braunen Fettgewebes
handeln könnte. Die Veränderungen lassen sich schlecht
vom umgebenden Gewebe abgrenzen.
Verlauf: Beim häufigsten Hals-Nacken-Typ findet sich eine
sich innerhalb von 1 – 2 Jahren schubweise entwickelnde
symmetrische Fettgewebsvermehrung am Hals (Abb.
16.21), im Nacken („Büffelhöcker“) und/oder an den Oberarmen („Puffärmel“).
Die Therapie besteht in einer chirurgischen Entfernung
des überschüssigen Fettgewebes; Rezidive sind nicht selten. Festgestellte Stoffwechselerkrankungen sollten einer
entsprechenden Behandlung zugeführt werden.
entsprechende Risikoprofil (wegen Noxen erhöhtes Malig! Das
nomrisiko!) erfordert eine HNO-ärztliche Überwachung.
Neurinom
engl.: neurinoma
Neurinome gehen von den Schwann-Zellen des nervenumhüllenden Bindegewebes aus und werden auch als
Schwannome bezeichnet. Die Tumoren sind überwiegend
solitär, umkapselt und umschrieben.
Die häufigsten Lokalisationen am Hals sind der Plexus
cervicalis, der Plexus brachialis und der N. vagus; außerdem können der Truncus symphaticus, der N. glossopharyngeus, der N. accessorius und der N. hypoglossus Ausgangspunkt des Tumors sein.
Madelung-Fetthals
Synonyme: symmetrische zervikale Lipomatose, LaunoisBensaude-Syndrom
engl.: horse-collar
Diese Sonderform tritt vorwiegend bei Männern in der
4. – 6. Lebensdekade auf und steht fraglich in Zusammenhang mit (exzessivem) Alkoholkonsum (60 – 90 % der
Patienten). Hyperurikämie, Diabetes mellitus und/oder
Fettstoffwechselstörungen sowie ein obstruktives SchlafApnoe-Syndrom sind häufig gleichzeitig vorhanden.
Histologisch handelt es sich um eine ungekapselte, nicht
septierte, diffuse Proliferation univakuolärer Lipozyten
Symptomatik: Gelegentlich verursacht der Tumor lokale
Schmerzen, die sich durch Palpation akzentuieren lassen; hinzukommen fakultativ Symptome seitens der Dysfunktion des betroffenen Nervs.
Diagnostik: Stellen sich in der bildgebenden Diagnostik
(Ultraschall oder CT/MRT) spindelförmige Raumforderungen dar, sollte an ein Neurinom gedacht werden.
Therapie: Sie besteht in der chirurgischen Resektion, ggf.
mit entsprechender Rekonstruktion des Nervs.
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Therapie: Es muss unmittelbar eine Therapie mit Breitspektrumantibiotika (Cephalosporine der 2. und 3. Generation, Clindamycin, Aminopenicilline + b-Lactamaseinhibitor, bei immunsuppressiver Grundkrankheit auch Imipenem oder Meropenem) und einer großzügigen Eröffnung aller Halslogen, ggf. mit einer Drainage des
Mediastinums eingeleitet werden (Abb. 16.20).
16 Äußerer Hals
Differenzialdiagnose: Histologisch müssen Neurinome klar
von Neurofibromen unterschieden werden; Letztere treten insbesondere bei der autosomal-dominant vererbten
Neurofibromatose von Recklinghausen auf. Im Gegensatz
zu Neurinomen kommt es bei Neurofibromen nicht selten
zu einer malignen Entartung.
16.5.2
Maligne Tumoren der Halslymphknoten
Malignome im Halsbereich manifestieren sich überwiegend in den zervikalen Lymphknoten. Vom lymphatischen
System ausgehende Malignome wie Morbus Hodgkin und
Non-Hodgkin-Lymphome müssen von Tumormetastasen
anderer histologischer Herkunft abgegrenzt werden.
Weichteiltumoren (Sarkome), die ihren Ursprung von Bindegewebe, Muskulatur oder Gefäßen nehmen, sind vergleichsweise selten.
Maligne Lymphome
engl.: malignant lymphomas
Bestimmte Subtypen maligner Lymphome manifestieren sich bevorzugt im Kopf-Hals-Bereich. Je nach Subtyp
und Stadium der Erkrankung können solitäre oder multiple Lymphknoten(-stationen) befallen sein. Extranodale
Manifestationsorte wie z. B. Milz, Leber, Lunge, Skelett,
Schleimhäute (MALT-Lymphom = mucosa associated lymphatic tissue), Organe des Waldeyer-Rachenrings (insbesondere bei B-Zell-Lymphomen) sowie Haut (insbesondere bei T-Zell-Lymphomen) sind nicht selten.
Diagnostik: Anamnese und klinischer Befund können Hinweise auf das Vorliegen eines malignen Lymphoms geben.
Aufgrund der anatomischen Verhältnisse fallen zervikale
Lymphknotenvergrößerungen vergleichsweise frühzeitig
auf. Die sog. B-Symptome (unerklärlicher Gewichtsverlust
von > 10 % des Ausgangsgewichtes innerhalb von 6 Monaten und/oder Fieber unklarer Genese > 38 °C und/oder
Tab. 16.4 Häufigkeit von Halslymphknotenmetastasen bei
Karzinomen des oberen Aerodigestivtraktes
Tumorlokalisation
Inzidenz von Halslymphknotenmetastasen bei
Diagnosestellung
Mundhöhle
30 – 65 %
Oropharynx
39 – 83 %
Nasopharynx
60 – 90 %
Hypopharynx
52 – 72 %
Supraglottis
35 – 54 %
Glottis
7–9%
innere Nase und Nasennebenhöhlen
10 – 20 %
Speicheldrüsen
25 – 50 %
Schilddrüse
18 – 84 %*
* abhängig von Alter und histologischem Subtyp
Nachtschweiß), sind natürlich nicht spezifisch, können
jedoch im Zusammenhang mit einer Halslymphknotenschwellung als richtungsweisend angesehen werden und
müssen ohne Verzögerung zu einer histologischen Untersuchung führen. Nur so ist die Diagnosestellung und die
meist therapeutisch und prognostisch relevante Zuordnung in Subgruppen möglich. In der Regel werden immunhistochemische und/oder molekularbiologische Techniken angewendet.
Im Bereich der Schleimhäute des oberen Aerodigestivtraktes und vor allem in den lymphatischen Organen des
Waldeyer-Rachenrings muss nach (extranodalen) Lymphommanifestationen gesucht werden.
Weiteres Vorgehen: Sobald die Diagnose eines malignen
Lymphoms histologisch gesichert ist, sollte der betroffene
Patient umgehend an ein hämatoonkologisches Zentrum
überwiesen werden. Dort wird dann das Staging zur Feststellung des Krankheitsstadiums (gemäß der Ann-ArborKlassifikation; s. Lehrbücher der Inneren Medizin) sowie
die Therapie durchgeführt.
Lymphknotenmetastasen
engl.: lymph node metastases, malignant lymphadenopathy
Ätiologie: Lymphknotenmetastasen sind überwiegend
epithelialen Ursprungs, da die lymphatische Metastasierung mesenchymaler Tumoren (Sarkome) vergleichsweise selten ist. Als ursächlich für Halslymphknotenmetastasen kommen primär Karzinome tributärer Schleimhautareale des oberen Aerodigestivtraktes, der Speicheldrüsen und der Schilddrüse in Betracht (Tab. 16.4). Aber
auch alle anderen Organtumoren können potenziell in die
zervikalen Lymphknoten metastasieren. Nicht selten sind
insbesondere Halslymphknotenmetastasen von Lungen-,
Mamma-, Magen-, Nieren-, Zervix- und Prostatakarzinomen. Die sog. „Virchow-Drüse“ in der linken Supraklavikulargrube soll eine gewisse Spezifität für das Magenkarzinom haben.
Entsprechend der Lymphabflusswege kann aus dem
Sitz einer Halslymphknotenmetastase in gewissen Grenzen auf die Lokalisation des Primärtumors geschlossen
werden (s. Abb. 16.3).
Symptomatik: Halslymphknotenmetastasen machen sich
in der Regel als schmerzlose, mehr oder minder schnell
wachsende ein- oder beidseitige Schwellung bemerkbar
(Abb. 16.22). Symptome des zugrunde liegenden Organtumors können fehlen oder sind erst bei gezielter Befragung eruierbar. Angaben der Patienten über die Dauer der
Symptome sind häufig nicht sehr zuverlässig.
Diagnostik: Bei der klinischen Untersuchung ist auf Zahl
und Größe der vergrößerten Lymphknoten sowie die
Verschieblichkeit gegenüber der Umgebung zu achten.
Die B-Bild-Sonographie ermöglicht eine exakte Größenbe-
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302
16.5 Tumoren im Bereich des Halses
303
sich histologisch um ein Plattenepithelkarzinom), so
spricht man von einem „Carcinoma of unknown primary“ (CUP-Syndrom, s. u.). Der häufigste Manifestationsort des CUP-Syndroms ist ein solitärer zervikaler
Lymphknoten.
Abb. 16.22 Ausgedehnte Halslymphknotenmetastasen (N3).
Bei einem 55-jährigen Patienten mit Tonsillenkarzinom steht der
Tumor kurz vor der Exulzeration.
stimmung sowie Angaben zur Beziehung der Raumforderungen zu den großen Gefäßen und zur Halsmuskulatur.
Die farbkodierte Duplex-Sonographie ist hilfreich zur Abklärung einer Gefäßkompression bzw. -infiltration.
Primärtumorsuche: Bei jedem metastasenverdächtigen
Halslymphknotenbefund muss nach einer Primärtumormanifestation im oberen Aerodigestivtrakt durch HNOSpiegeluntersuchung, Endoskopie und B-Bild-Sonographie gesucht werden.
Findet sich ein primärtumorverdächtiger Befund, erfolgt die weitere Diagnostik, wie sie auf S. 85, S. 101
u. S. 339 beschrieben wird.
I Lässt sich bei der klinischen Untersuchung kein Primärtumor auffinden, so sollte primär eine histologische
Untersuchung eines auffälligen Lymphknotens angestrebt werden, deren Ergebnis die Richtung für die
weitere Diagnostik weist. Im Falle eines Plattenepithelkarzinoms umfasst die erforderliche Diagnostik
neben der Spiegeluntersuchung ggf. eine genaue Panendoskopie (Nasenrachenraum, Pharynx, Larynx, Trachea, Bronchialsystem und Ösophagus). Da sich im Bereich des Zungengrundes, der Tonsillen und des Nasopharynx Karzinome befinden können, die sich wegen
ihres submukösen Wachstums eines direkten visuellen
Nachweises entziehen, sind hier neben einer genauen
Palpation routinemäßige tiefe Biopsien, eine Tonsillektomie sowie im Nasenrachenraum eine Kürretage indiziert. Auch Sonographie, MRT und 18FDG-PET können
zum Auffinden eines Primärtumors herangezogen
werden. Da Halslymphknotenmetastasen auch bei Primärtumorlokalisationen außerhalb des oberen Aerodigestivtraktes vorkommen können, muss bei negativem
Ausfall der Tumorsuche in diesem Gebiet die Diagnostik
auf andere Primärtumorlokalisationen ausgedehnt
werden, wobei insbesondere die 18FDG-PET-CT-Untersuchung sehr hilfreich ist.
I Findet sich trotz adäquater Suche (s. o.) kein Primärtumor (dies ist in rund 5 – 10 % der Fall; meist handelt es
Die Ätiopathogenese des CUP-Syndroms ist ungeklärt. Es gibt im
Wesentlichen vier Theorien:
1. Ein initial existenter Primärtumor in der Schleimhaut des oberen
Aerodigestivtraktes induziert eine regionäre Metastasierung und
fällt dann einer Regression anheim, während die regionären Metastasen proliferieren (disappeared primary).
2. Der Primärtumor weist eine geringe lokale Wachstumspotenz
auf, verfügt aber über eine ausgeprägte Metastasierungsneigung:
der Primärtumor entzieht sich infolge seiner geringen Ausdehnung
dem klinischen Nachweis mit den üblichen Methoden, wäre aber
theoretisch mit verfeinerter Methodik aufspürbar (hidden primary).
3. Ein ektoper epithelialer Gewebeverband innerhalb eines Lymphknotens entartet.
4. Es handelt sich nicht um eine Lymphknotenmetastase, sondern
um ein primär branchiogenes Karzinom.
Therapeutisch werden bei einem CUP-Syndrom Chirurgie (Neck
dissection), Radiotherapie und ggf. Chemotherapie eingesetzt. Die
5-Jahres-Überlebensrate liegt um bzw. über 50 %. Bei den Tumornachsorgeuntersuchungen ist auf metachrone Manifestationen des
Primärtumors zu achten.
Staging: Tab. 16.5 zeigt, wie der regionäre Lymphknotenbefall bei Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes im
Rahmen der TNM-Klassifikation eingeteilt wird.
Behandlung des zervikalen Lymphabflussgebietes bei KopfHals-Tumoren: Die meisten Karzinome des oberen Aerodigestivtraktes haben bei Diagnosestellung bereits in den
zervikalen Lymphknoten Metastasen gebildet (s.
Tab. 16.4). Daher muss der zervikale Lymphabfluss in die
primäre Therapieplanung einbezogen werden.
Neck dissection: In den meisten Fällen erfolgt simultan
mit der operativen Behandlung des Primärtumors die
chirurgische Therapie des Halses. Bei der Indikationsstellung zur Neck dissection muss neben Lokalisation und
Ausbreitung des Primärtumors der klinische Halslymphknotenstatus berücksichtigt werden. Bei klinisch positivem Halslymphknotenstatus (N+) spricht man von einer
therapeutischen, bei N0-Status von einer elektiven Neck
dissection. Die Notwendigkeit einer elektiven Therapie
des Halslymphabflusses ergibt sich aus der Tatsache,
dass die Rate okkulter Halslymphknotenmetastasen bei
vielen Primärtumorlokalisationen (selbst bei Tumoren
niedriger T-Kategorien) hoch ist.
I Die modifiziert-radikale Neck dissection umfasst die
komplette Ausräumung der Halslymphknoten einer
Seite (Abb. 16.23 a) und ist als Weiterentwicklung aus
der unten beschriebenen radikalen Neck dissection
hervorgegangen.
I Im Rahmen der radikalen Neck dissection werden zusätzlich M. sternocleidomastoideus, V. jugularis interna
und N. accessorius – unabhängig davon, ob eine Tumorinfiltration vorliegt oder nicht – reseziert
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Exkurs: CUP-Syndrom („carcinoma of unknown primary“)
16 Äußerer Hals
Tab. 16.5
Klassifikation der regionären Lymphknotenmetastasierung von Kopf-Hals-Tumoren (TNM-Klassifikation)
alle Kopf-Hals-Tumoren (außer Nasopharynxkarzinom, für das es eine gesonderte Klassifikation gibt)
NX
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, 3 cm in größter Ausdehnung
N2
Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, > 3 cm, aber nicht > 6 cm in größter Ausdehnung oder in bilateralen
oder kontralateralen Lymphknoten, keiner > 6 cm in größter Ausdehnung:
a
Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, > 3 cm, aber nicht > 6 cm in größter Ausdehnung
b
Metastasen in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, keiner > 6 cm in größter Ausdehnung
c
Metastasen in bi- oder kontralateralen Lymphknoten, keiner > 6 cm in größter Ausdehnung
N3
Lymphknotenmetastase(n) > 6 cm in größter Ausdehnung
M
s. S. 338
(Abb. 16.23 b). Aus dieser Operationstechnik resultieren insbesondere eine Bewegungseinschränkung des
Kopfes und der Schulter durch die Resektion von N.
accessorius und M. sternocleidomastoideus. Die Resektion einer V. jugularis interna bleibt in der Regel folgenlos, da sich kompensatorisch der venöse Rückfluss
in den Vv. vertebrales, den paravertebralen Plexus und
der V. jugularis interna der Gegenseite erhöht.
Da diese Kompensationsmechanismen Zeit benötigen, dürfen
! niemals
gleichzeitig beide Vv. jugulares internae reseziert werden, da dies infolge akuter bilateraler venöser Abflussbehinderung mit konsekutivem Anstieg des Hirndrucks (Monroe-KellieDoktrin) zu hoher Letalität führen könnte.
I
Nach einseitiger Jugularisresektion hat der extrajuguläre venöse Abfluss innerhalb mehrerer Wochen ausreichend an Kapazität gewonnen, sodass auch eine
Resektion der kontralateralen V. jugularis interna mit
geringerem Risiko möglich ist.
Die Halslymphknotenausräumung kann in Abhängigkeit von Lokalisation und Ausdehnung des Primärtumors auf bestimmte Regionen beschränkt werden
(selektive Neck dissection).
Strahlentherapie: Je nach Ausdehnung von Primärtumor
und Ausmaß der Halslymphknotenmetastasierung wird
eine postoperative (adjuvante) Radiotherapie durchgeführt. Bei sehr ausgedehntem (inoperablem) Tumorwachstum bzw. bei kleineren Tumoren ohne klinische
Hinweise auf eine Halsmetastasierung können die Halsweichteile ausschließlich radiotherapeutisch, ggf. in Kombination mit einer systemischen Chemotherapie behandelt werden.
f Abb. 16.23 Neck dissection
a Bei der modifiziert-radikalen Neck dissection werden nur die Halslymphknoten der entsprechenden Seite entfernt.
b Bei der radikalen Neck dissection werden außerdem M. sternocleidomastoideus, V. jugularis interna und N. accessorius reseziert.
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