Performance Measurement Frameworks Performance Measurement Frameworks: Konzeption, Einführung und Betrieb von IT-gestützten Leistungsmessungssystemen von Dirk Böckmann und Anna-Katrin Eggersmann Ohne einen regelmäßigen Soll-Ist-Vergleich ist ein systematisches Controlling nicht möglich. Performance Measurement Systeme sollen sicherstellen, dass verschiedene Aspekte der Unternehmensleistung ausgewogen gemessen werden, damit das Management eine ganz­ heitliche Sicht auf den aktuellen Leistungs­ stand der Organisation hat. Ziele setzen, messen und anschließend optimieren sind grundlegende Managementaktivitäten, die seit jeher hohe Bedeutung haben. Dieser Artikel beschreibt die historischen Ursprünge und alternative Frameworks für die Leistungsmessung. Final wird eine allgemeingültige Vorgehensweise für die Leistungsmessung in Unternehmen vorgestellt und die Bedeutung einer integrierten IT-Architektur erläutert. Ursprünge und Wesen des Performance Measurements Lord Kelvin (1824 – 1907) – eigentlich für seine Fähigkeiten als Physiker, Ingenieur und Erfinder bekannt – legte den Grundstein für die quantitative Analyse von Qualitätsproblemen. Obwohl sich seit seiner Zeit Vieles geändert hat, gilt der von Kelvin stammende Leitsatz: „Was Du nicht messen kannst, kannst Du auch nicht verbessern“ wohl auch heute noch. Ziel und Zahl sind rationale Managementwerkzeuge für die Lenkung arbeitsteilig agierender Organisationen. 38 Um das Management mit den quantitativen Daten für die Messung der Zielerreichung zu versorgen, braucht es Leistungsmessung oder auf neudeutsch „Performance Measurementsysteme“. Performance Measurement ist der Prozess, in dem Leistungskenngrößen designed, deren Messung implementiert und das Monitoring und die Berichterstattung durchgeführt werden. In diesem Prozess werden neue Kennzahlen definiert, Daten beschafft, bereinigt, verglichen und bewertet und somit zu Botschaften verwandelt und dann einfach dargestellt und kommuniziert. Performance Measurement Systeme sind vorkonfigurierte Zusammenstellungen von Leis­ tungskennzahlen, die aus den Zielen und Programmen des (Performance) Management-Sys­ tems abgeleitet sind. ➡➡ Kausale Transparenz: Performance Mea-­ s­ ­urement Systeme sollten es ebenfalls ermöglichen, die Strukturen und Abhängigkeiten von unterschiedlichen Messgrößen zu verstehen und somit das bewusste Managen von unvermeidlichen Konflikten zu fördern. ➡➡ Ausgewogenheit: Die finanziellen und die nicht-finanziellen Messgrößen sollten in einem Performance Measurement System integriert werden. ➡➡ Richtiger Detailgrad: Performance Mea- An Performance Measurement Systeme werden verschiedene Anforderungen gestellt: s­urement Systeme sollten Daten verlässlich und in einem notwendigen Detailgrad zur Verfügung stellen. ➡➡ Vollständigkeit: Performance Measurement ➡➡ Kontextgerecht: Die Gestaltung des Per- Systeme müssen die wesentlichen Aspekte aller Unternehmensprozesse ganzheitlich abbilden. Nur so kann eine zielführende Optimierung erreicht werden – Suboptimierungen einzelner Ziele zum Schaden der Organisation als Ganzes sind zu vermeiden. formance Measurement Systems sollte organisatorische, kulturelle und verhaltenspsychologische Aspekte berücksichtigen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, sollte das Performance Measurement System vier Bausteine enthalten: ➡➡ Kaskadierung: Performance Measurement Systeme sollten ein Instrument zur Verfügung stellen, um Unternehmensziele und –strategien auf allen Hierarchiestufen der Organisation herunterzubrechen und somit die Integration zu maximieren. ➡➡ Externe Ziele: Ein Bestandteil sollte auf die ➡➡ Optimierungsorientiert: Performance ➡➡ Interne Erfolgsfaktoren: Ein weiterer Be- Measurement Systeme müssen in Übereinstimmung mit den strategischen Zielen des Unternehmens den kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterstützen. standteil ist auf die internen Prozesses gerichtet. Hier werden die internen Erfolgsfaktoren, welche für die Erreichung der externen Ziele notwendig sind, aufgelistet. Unternehmensstrategie oder die wesentlichen Kundenanforderungen gerichtet sein. Diese Sicht beschreibt, was extern erreicht werden muss. CM November / Dezember 2010 ➡➡ Kennzahlen: Der dritte Bestandteil sind die Performance Messgrößen, die dann -- prozessorientiert sind, -- quantitativ und somit messbar sind, -- in Verbindung mit übergeordneten Zielkennzahlen stehen -- und auf die Unternehmensstrategie oder die Kundenanforderungen bezogen sind. ➡➡ Ordnungsstruktur: Der letzte Bestandteil ist der ganzheitliche Ordnungsrahmen, in dem aggregierte Informationen zur Verfügung gestellt und bis in die Details hin ausgewertet werden können. SMART System Modell Die Vision Geschäftseinheiten Marktseitige Finanzielle Messgrößen Messgrößen Ziele Kundenzufriedenheit Qualität Flexibilität Liefertreue Produktivität Durchlauf -zeiten Kosten Messgrößen Operative Einheiten Abteilungen und Arbeitsteams Operative Heutzutage existiert eine Vielzahl von Frame­ works für Performance Measurement Sys­ teme. Allerdings enthalten nicht alle die 4 beschriebenen Komponenten. Wichtige Systeme sind: ··Konzernvision und -strategie (Vision) ··Geschäftseinheiten (Business Units) markt- ··SMART (Strategic Measurement Analysis ··Operative Einheiten (Business Operations and Reporting Technique) ··The Balanced Scorecard ··TOPP ··AMBITE (Advanced Manufacturing Business Implementation Tool for Europe) ··ENAPS (European Network for Advanced Performance Studies) SMART und die Balanced Scorecard wurden entwickelt, um einen ganzheitlichen Blick auf die Unternehmensperformance zu ermöglichen und somit der Optimierung einzelner Teile zu Lasten des Ganzen entgegenzuwirken. Diese Systeme repräsentieren die erste Generation von neuen Performance Measurement Systemen. SMART Die Firma Wang Laboratories entwickelte aufgrund der Unzufriedenheit mit bestehenden Performancemessgrößen das SMART System. Das Ziel von SMART ist es, die Unternehmensstrategie mit der operativen zu verbinden. Dies geschieht, indem Unternehmensziele von oben nach unten übersetzt und von unten nach oben gemessen werden (vgl. Abbildung 1). Das System definiert Ziele und Messgrößen für vier organisatorische Ebenen: Abb. 1: SMART System Modell – Die Performance Pyramide Durchlaufzeit, Kosten und Liefertreue zu bestimmen. seitige und finanzielle Messgrößen Units) - Kundenzufriedenheit, Flexibilität und Produktivität ··Abteilungen und Arbeitsteams (Department and Work Centers) – Qualität, Liefertreue, Durchlaufzeiten und Kosten Die Darstellung zeigt, dass die Unternehmensvision in zwei Dimensionen der Performance gesplittet ist – die marktseitige Performance und die finanzielle Performance. Beide Dimensionen korrelieren mit Effektivität und Effizienz. Neben Flexibilität und Produktivität ist die Kundenzufriedenheit eine der drei treibenden Kräfte, um die langfristige Vision zu erreichen. Diese drei Kräfte sind darüber hinaus kritische Indikatoren für das Unternehmen, da sie sowohl das kurzfristige als auch das langfristige Wohlbefinden des Unternehmens anzeigen. Qualität und Liefertreue sind wiederum repräsentative Einflussgrößen der Kundenzufriedenheit, während die Durchlaufzeit ein Indikator für die Unternehmensflexibilität ist. Die Produktivität wird von der Durchlaufzeit und den Kosten beeinflusst. Die große Stärke des SMART Sys­ tems ist, dass es Unternehmensziele mit operativen Performance Indikatoren verbindet. Aber, und das ist die Schwäche, es bietet keinen Mechanismus bzw. kein Vorgehen, um die Key Performance Indicators (KPIs) für Qualität, Balanced Scorecard Um ein Gleichgewicht (Balance) zwischen finanziellen und nicht finanziellen Kennzahlen in Unternehmen herzustellen, entwickelten Ka­ plan und Norton die Balanced Scorecard. Die Balanced Scorecard bietet eine Grundlage, um die Unternehmensstrategie zu operationalisieren. In der Balanced Scorecard wird das Gesamtunternehmen nach 4 unterschiedlichen Perspektiven betrachtet: ··Kundensicht ··Interne Prozesssicht ··Potentiale / Lernen und Entwicklung ··Finanzielle Sicht Eine Schwäche der Balanced Scorecard ist, dass sie für die unterste operative Ebene wenig wertvoll ist, da sie in erster Linie für Senior Manager von Unternehmen entwickelt wurde. Dieses Konzept muss sich somit auch den Vorwurf gefallen lassen, dass es operativ wenig verändert. Ruhtz hat in einer Befragung deutscher Unternehmen, die die Balanced Scorecard einführten, beispielsweise herausgefunden, dass Verbesserungen bei operativen Steuerungsprozessen und finanzielle Ver­ besserungen in nur 10 % der befragten Un­ ternehmen auftraten. 39 Performance Measurement Frameworks Kaplan und Norton, die „Erfinder“ der Scorecard, entwickelten ihr Konzept mehrfach weiter, um die Schwächen abzumildern. In ihrer letzten Veröffentlichung „The Execution Pre­ mium“ beschreiben sie, dass nur diejenigen Unternehmen, welche bei der Einführung der Scorecard bestimmte Prinzipien (Veränderungsorientierung, operative Kennzahlen, Integration und Abstimmung, Motivation und regelmäßige Strategiekontrolle) berücksichtig­ ten und diese durch robuste Managementprozesse am Leben erhalten, mit der BSC erfolgreich sind. Die sogenannte zweite Generation von Performance Measurement Systemen unterscheidet sich von der eben beschriebenen ersten Generation (SMART, Balanced Scorecard), eben dadurch, dass diese stärker prozessorientiert sind. Das Beispiel der Scorecard zeigt, dass nur eine durchgängige Prozessorientierung die notwendige Ganzheitlichkeit sicherstellt. Measurement Systeme der zweiten Generation sind beispielweise TOPP, AMIBTE und ENAPS. TOPP Das TOPP System ist das Ergebnis aus einer Untersuchung der NTNU (Technisch-Naturwis­ senschaftliche Universität Norwegens) und der SINTEF (eine von Europas größten, unab­ hängigen Forschungsanstalten), die sich mit der Produktivitätsverbesserung in norwegischen Industriebetrieben befasst hat. Hierzu wurden mehr als 40 Unternehmen über 3 Jahre befragt. Das TOPP System besteht aus 3 Teilen: einer Person beantwortet werden), -- die operativen Abläufe und Details zu verstehen und einen Überblick zu erhalten (dieser Fragebogen sollte bei etwa 20 Personen beantwortet werden) und -- Fertigungsbereiche mit Verbesserungspotenzial zu identifizieren. ➡➡ Einem Performance Modell mit drei Di­ mensionen (siehe Abbildung 2) -- Effizienz: Wie wirtschaftlich werden die Unternehmensressourcen eingesetzt? -- Effektivität: Zu welchem Grad werden Kunden- (oder Stakeholder-) nutzen erfüllt? -- Anpassungsfähigkeit: Wie gut ist das Unternehmen für zukünftige Veränderungen aufgestellt? ➡➡ Der TOPP Performance Measurement Methode, die einen 3 Phasen Ansatz beinhaltet: -- Selbsteinschätzung: Eine Vorprüfung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. -- Externe Einschätzung: Beinhaltet die Analyse der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auf verschiedenen Ebenen. -- Kennzahlenanalyse: Evaluiert und fasst die Kernfaktoren zusammen, die Einfluss auf die Unternehmensperformance in jedem individuellen Fall haben. Das TOPP System ermöglicht einen integrierten Blick auf die Profitabilität des Unternehmens sowie die kundengerichtete Performance, indem Effizienz, Effektivität und Anpassbarkeit als Hauptindikatoren betrachtet werden (vgl. Abbildung 3). Die treibenden Faktoren werden über den Einfluss auf die heutige und zukünftige Perspektive des Unternehmens identifiziert. ➡➡ Dem TOPP Fragebogen für 3 verschiedene Unternehmensebenen, mit dem Ziel, AMBITE men zu erlangen (der Fragebogen sollte von Das AMBITE System wurde von der Computer Integrated Manufacturing Research Unit (CIMRU) der Universität Galway, Irland, ent­ wickelt. Das Modell bietet eine Technik für das Senior Management, um den Einfluss von strategischen Entscheidungen abschätzen zu können. -- einen Gesamtüberblick über das UnternehEffizienz Performance Anpassungsfähigkeit Effektivität 40 Abb. 2: TOPP Performance Modell nehmensfunktionen, Prozesse, Materialund Informationsflüsse sowie die Beziehungen untereinander. ➡➡ Das AMBITE Performance Measure­ ment Rahmenmodell: Es ermöglicht einen 3-dimensionalen Blick auf die Unternehmenstypologie, Prozesse und kritische Performance Messgrößen. Das System besteht aus 2 Hauptelementen: ➡➡ Dem AMBITE Geschäftsmodell: Es ist prozessorientiert und beschreibt die Unter- Wie die Abbildung 4 zeigt, wurden 5 Haupt­ prozesse (übergeordnete Prozesse) identifiziert. Diese sind: ➡➡ Leistungserstellungsprozess: Beinhaltet alle Aktivitäten, die direkt mit der physischen Erstellung der Dienstleistungen/ Produkte verbunden sind. ➡➡ Beschaffungsprozess: Beinhaltet alle Aktivitäten, die direkt mit der Koordination der Zulieferkapazitäten und der Planung und Erfüllung der Anforderungen aus dem Leis­ tungserstellungsprozess verbunden sind. ➡➡ Vertriebsprozess: Umfasst die Planung, Steuerung und Koordination der Kundenanforderungen mit dem Leistungserstellungsprozess und dem Lieferprozess zum Kunden. ➡➡ Forschungs- und Entwicklungsprozess (F&E): Umfasst alle Aktivitäten, die mit der Entwicklung der Dienstleistungen/ Produkte (und der dazugehörigen Leistungserstellungsprozesse) gemäß der Kundenanforderungen verbunden sind. ➡➡ Kombinierter Beschaffungs- und F&EProzess: Umfasst die Koordination der Zuliefererkapazitäten innerhalb des F&E-Prozesses für den späteren Leistungserstellungsprozess. Das AMBITE Performance Measurement Rah­ menkonzept (vgl. Abbildung 5) ist ein Würfel, bestehend aus 3 Dimensionen: ➡➡ Hauptprozesse (übergeordnete Prozesse), die im AMBITE Business Model beschrieben sind. ➡➡ Übergeordnete Messgrößen, die die finanzielle und nicht finanzielle, statische und dynamische, kurzfristige und langfristige Performance beschreiben. Dies sind Zeit, Kosten, Qualität, Flexibilität und Umwelt. ➡➡ Unternehmenstypologie, die die Identifikation von Produktentkopplungspunkten aus dem Leistungserbringungsprozess beinhaltet. CM November / Dezember 2010 Hier gibt es vier unterschiedliche Typologien: -- MTS (Make To Stock) -- ATO (Assemble To Order) -- MTO (Make To Order) -- ETO (Engineering To Order) Das AMBITE System unterstützt die Zuordnung von Unternehmensprozessen zu relevanten Messgrößen für jede Unternehmenstypologie. Es dient hierbei als Schnittstelle zwischen der Unternehmensstrategie und den -zielen sowie den Bereichen, die direkten Kontakt zu Lieferanten und Kunden haben. Unternehmen – Umsatz Kosten Bestehende Treiber = Gewinn Zukünftige Treiber Anpassungsfähigkeit Effektivität Effizienz Zukünftige Treiber Bestehende Treiber – Umsatz Kosten Bestehende Treiber = Bestehende Treiber Gewinn Kunde Abb. 3: Gleichgewicht zwischen Kundenperformance und Profitablität ENAPS Das ENAPS Projekt wurde von der Europä­ ischen Kommission ins Leben gerufen. Es zielt auf die Verbesserung der Unternehmens­ performance durch den Aufbau einer einheitlichen europäischen Datenbank, die für Benchmark-Zwecke genutzt werden soll. Darüber hinaus stellt es Methoden und Werkzeuge für das Performance Measurement und das Benchmarking zur Verfügung. Im ENAPS Model werden bestehende Performance Measurement Systeme integriert (insbesondere TOPP und AMBITE). Marketing Forschung & Entwicklung Beschaffung + F&E Leistungserstellung Lieferanten Planung und Steuerung der Leistungserbringung Abb. 4: Das AMBITE Geschäftsmodell und 2 sekundäre Geschäftsprozesse identifiziert. ➡➡ Erweitertes Geschäftsmodell, das einen Ausbau des AMBITE Geschäftsmodells darstellt. Es beschreibt die Richtungen des Material- und Informationsflusses. ➡➡ Performance Measurement Würfel, der ebenfalls an dem AMBITE Rahmenkonzept angelehnt ist. In der Dimension der über­ geordneten Messgrößen wurde „Umfang“ ergänzt. Der Vorteil einer solch konkreten, an den Geschäftsprozessen orientierten Mess-Systematik liegt u.a. auch darin, dass Vorschläge mit Basisdaten beinhaltet sind. Abbildung 8 listet einige hiervon auf. Diese Basisgrößen können dann genutzt werden, um verschiedene abge- Kunden Vertrieb Beschaffung Das ENAPS Modell hat drei Bestandteile (siehe Abbildungen 6 + 7): ➡➡ Generisches Rahmenkonzept, das 4 primäre Hauptprozesse Produkt- und Prozessgestaltung Vertrieb Beschaffung Leistungserstellung Forschung & Entwicklung Beschaffung + F&E Zeit ETO (Engineer to Order) MTO (Make to Order) ATO (Assemble to Order) MTS (Make to Stock) Kosten Qualität Flexibilität Umwelt Abb. 5: AMBITE Performance Measurement Rahmenmodell 41 Performance Measurement Frameworks leitete Relativzahlen (Kennzahlen im engeren Sinne) zu berechnen. Materialfluss Technische Informationen Betriebswirtsch. Informationen Marketing Gestaltung Vergleich der unterschiedlichen Systeme Neben der Balanced Scorecard gibt es mehrere Systeme, die ein integriertes Set von Leistungsindikatoren nutzen. Jedes System hat seine Schwerpunkte und, daraus resultierend, seine spezifischen Vor- und Nachteile. Diese sind in Abbildung 9 zusammengefasst. Da Unternehmensziele von der Unternehmens­ umwelt sowie den eigenen Ressourcen und Kernkompetenzen abhängen, ist es wichtig, dass ein Konzept nicht ungesehen übernommen wird, sondern dass jedes Unternehmen ein System entwickelt, das auf die individuellen Unternehmensbedürfnisse ausgerichtet ist. Planung, Steuerung der Leistungserbringung Produktentwicklung Herstellung Lieferanten Zus.stellung Kundenbedarfe Vertrieb Kunde Recycler Entsorgung WiederverRecycle wendung Kundenservice Auftragserfüllung Dienstleister Abb. 6: Erweitertes ENAPS Business Modell Arrangement nach Maß Anfertigung nach Maß Typologie Zusammenstellung nach Maß Kosten Zeit Lagerfertigung Qualität Flexibilität Prozessmodell für die Implementierung Business level Für die Implementierung und Optimierung eines solchen Systems (vgl. Abbildung 10) ist es wichtig, zunächst die Erfolgsfaktoren des Unternehmens zu identifizieren (Schritt 1) sowie diese in Performance Messgrößen zu übersetzen (Schritte 2+3). Anschließend werden die neu definierten Messgrößen in das Performance Measurement System implementiert (Schritt 5). Da sich die Unternehmens­ erfolgsfaktoren mit den Veränderungen in der Prozess level Funktions level Umwelt Messdimensionen Messebenen Abb. 7: ENAPS Performance Measurement Cube Unternehmensumwelt ebenfalls modifizieren, ist es erforderlich, die Erfolgsfaktoren in regelmäßigen Abständen zu überprüfen (Schritt 6), die entsprechenden Messgrößen neu zu definie- Autoren ren (Schritt 2+3) bzw. anzupassen und diese gegen das bestehende Performance Meas­ure­ ment System zu prüfen (Schritt 4). Abschließend werden fehlende Größen implementiert bzw. abweichende an die neuen Definitionen angepasst (Schritt 5). Dipl.-Betriebswirt, MBA Dirk Böckmann ist Vorstand und Partner bei avantum consult AG, Düsseldorf. E-Mail: [email protected] Leistungsmessung und Strategieimplementierung Tel.: 0211 68 78 38 - 0 B. A. (Hons.) Anna-Katrin Eggersmann ist Consultant bei avantum consult AG, Düsseldorf. E-Mail: [email protected] Tel.: 0211 68 78 38 - 0 42 Performance Measurement Systeme sind ein wesentliches Instrument, mithilfe dessen die Im­ plementierung der Unternehmensstrategie gefördert wird. Damit die Strategieimplementierung die gesamte Organisation durchdringt, ist es erforderlich, dass das Performance Measurement System auf allen organisatorischen Ebenen verstanden, akzeptiert und genutzt wird. Dies erfordert, dass das System unternehmensspezifisch und für die operative Arbeit relevant ist. CM November / Dezember 2010 Bereich Produktentwicklung Marketing und Vertrieb Etc. Basisinformationen (Beispiele) Anzahl der aktiven Produkte, Durchlaufzeit in der Produktneuentwicklung, etc. Anzahl neuer Kunden, Marktanteil des Hauptprodukts, Marketingkosten, Umsätze aus Produkten mit ökologischem Zertifikat, etc. Gefüllte Tabelle zum Download bereit auf www.controllerwissen.de Abb. 8: An Geschäftsprozessen orientierte Mess-Systematik System Hauptstärke Hauptschwäche SMART Verbindung der Unternehmensziele mit operativen Performance Indikatoren Es liefert kein Vorgehen, um die Key Performance Indicators (KPIs) zu bestimmen. Balanced Scorecard Integriert verschiedene Sichten auf Top-Management-Ebene Schwächen in der Umsetzungsorientierung TOPP Integrierte Profitabilitätssteuerung plus Analyse der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Beantwortung des Fragebogens sehr arbeitsintensiv, Unternehmensspezifität gering. AMBITE Durch den generischen Ansatz ist es für fast jede Unternehmensgröße anwendbar. Insbesondere bei den Performance Indikatoren auf unteren (operativeren) Ebenen sind Benchmarks kaum aussagefähig, da die Prozesse inhaltlich verschieden laufen. ENAPS Verbindet alle Vorteile der VorBietet einen sehr großen Pool an möglichen gängersysteme (TOPP, AMBITE) Performance Indikatoren, bei denen die Auswahl der für das Unternehmen passenden jedoch noch vorzunehmen ist. Abb. 9: Systemvergleich Dies kann nur durch einen Implementierungsansatz sichergestellt werden, der die unternehmensspezifische Bedarfsdeckung sicherstellt. In mehrstufigen Konzernen hat sich folgende Methode bewährt, die sich auch als Matrix – Kennzahlen nach organisatorischen Ebenen – darstellen lässt (siehe Abbildung 11). Auf Konzernebene werden die Ziele auf Basis der Anforderungen der Stakeholder sowie aus den Einflüssen des Marktumfeldes bestimmt und daraus steuerungsrelevante Kennzahlen abgeleitet. Aus den Konzernzielen werden die einzelnen Ziele der Geschäftsbereiche abgeleitet und erneut mit dem relevanten Marktumfeld abgeglichen und ggf. angepasst. Diese Kaskadierung der Ziele erfolgt entlang der gesamten Organisationsstruktur von der Konzern- über die Einzelunternehmensund die Geschäftsprozessebene bis hin zu einzelnen Abteilungen, jeweils unter Berücksichtigung der relevanten Stakeholder-Anforderungen und Markteinflüsse. Durch einen solchen Prozess kann man auch die Strategiekonformität von Budgets und die Themen und Inhalte von Performance-Reviews definieren und im Idealfall sofort mit Vergütungsregelungen koppeln. Abbildung 12 zeigt eine Matrix mit Kennzahlen für eine organisatorische Ebene, inklusive der Angabe der Periodizität und Auswertungssichten. Nachdem der inhaltliche Teil geklärt ist, kommt es darauf an, die IT-Architektur derart anzu­ passen, dass die benötigten Kennzahlen auto- Schritt 1 Erfolgsfaktoren des Unternehmens matisiert und damit fehlerfrei und effizient an die jeweiligen organisatorischen Einheiten geliefert werden können (vgl. Abbildung 13). Die Darstellung der Management-Informationen erfolgt in Reporting- und MIS-Front­ ends. Diese beziehen die Informationen aus einer „Intelligenzschicht“. Intelligent deshalb, weil die BI-Tools dieser Ebene die Berechnungs- und Simulationslogiken für Kennzahlen und Maßnahmen anbieten müssen. Die Intelligenzschicht ist aber kein Warehouse, da hier in der Regel nur Daten für begrenzte Zeiträume (z.B. Actuals und Vorjahr sowie Plan- / Forecastdaten) gehalten werden. Die Intelligenzschicht versorgt sich idealerweise aus einem zentralen Datenpool. In diesem Datenpool (z.B. ein Warehouse) werden die Daten fehlerfrei, bereinigt und sauber strukturiert abgelegt. Hierzu werden die Daten aus den internen und externen Quellen in einem Datentransformationsprozess harmonisiert und ggf. verdichtet. Eine BI-Strategie, welche eine solche Architektur – in Abhängigkeit der jeweiligen, unternehmensspezifischen Ausgangssituation – inhaltlich definiert, stellt somit das Bindeglied zwischen der Unternehmensstrategie und einer leis­tungsfördernden IT-Architektur dar. Zusammenfassung Für den handelnden Manager lassen sich daher folgende Empfehlungen ableiten: ➡➡ Lösen Sie sich von „out-of-the-box-Hoffnungen“ – das Performance Measurement System gibt es nicht. ➡➡ Klären Sie die Anforderungen und Rahmenbedingungen, auf die Ihr Performance Measurement System trifft. ➡➡ Wählen Sie denjenigen Ansatz, der Ihren An- Schritt 2 Schritt 3 Schritt 4 Schritt 5 Performance Measurement Raster Kennzahlenselektion Audit Implementierung der Kennzahlen Schritt 6 Regelmäßige Überprüfung Abb. 10: Performance Measurement System - Optimierungslogik 43 Performance Measurement Frameworks Stakeholder Anforderungen Externer Monitor Kaskadierung der Ziele entlang der Organisationsstruktur Abstimmung der Ziele und Maßnahmen Strategiekonforme Budgets Performance-Reviews und Bewertungen (Bonus/Malus) Ursachenanalysen forderungen am Nähesten kommt und passen Sie ihn in den anderen Bereichen an. ➡➡ Stellen Sie sicher, dass die Leistungsindikatoren auf allen Hierarchieebenen der Organisation verstanden und genutzt werden. ➡➡ Definieren Sie, wie die Leistungsindikatoren ermitteln werden sollen und was die relevanten Datenquellen sind. ➡➡ Automatisieren und dokumentieren Sie die Datenlogistik, soweit es sinnvoll ist. ➡➡ Entwerfen Sie eine Ziel-IT-Architektur, die eine möglichst fehlerfreie und effiziente Informationsversorgung sicherstellen kann. ➡➡ Überprüfen Sie regelmäßig die Auswirkung von Änderungen in den Anforderungen und Rahmenbedingungen. Passen Sie das Performance Measurement System in diesem Falle entsprechend an. Stakeholder Performance Management Prozess Konzern Ziele Kennzahlen/ KPIs Stakeholder Anforderungen Externer Monitor Geschäftsbereich (Unternehmen) Ziele Kennzahlen/ KPIs Marktumfeld Stakeholder Anforderungen Externer Monitor Strategiereviews Geschäftsprozess Ziele Kennzahlen/ KPIs Stakeholder Anforderungen Externer Monitor Abteilung Ziele Kennzahlen/ KPIs Excel w x Excel q x Warehouse q x FWA Auftragsbestände Warehouse q x FWA Umsatz Risiko Umsatzkonzentration Umsatzübersicht Wirtschaft- Operatives Ergebnis lichkeit Finanzergebnis Deckungsbeiträge x x x Warehouse q x x ERP-System w x x ERP-System m ERP-System m ERP-System m x x Abb. 12: Beispielhafte Matrix – Kennzahlen für eine organisatorische Schichtenmodell: Integrierte BI-Lösungen, dieEbene diegekoppelt mit Auswertungs- / Analysesichten (z. B. nach Regionen) organisatorischen Einheiten durch entscheidungsrelevante Informationen unterstützen Strategien entwickeln KPI‘s definieren Aktionen ableiten Umsetzung planen Umsetzung überwachen Ergebnisse berichten Abweichungen erklären Managementinformationen Planung Analyse Management- & Legale Konsolidierung Funktionen/ Logiken DatenManagement SAP BW IBM DB 2 Oracle 9i MS SQL weitere Datentransformation Land 2 Land 1 Datenquellen Finanzbuchhaltung Kostenrechnung Materialwirtschaft Land 3 Land 4 PPS Abb. 13: Schichtenmodell: Integrierte BI-Lösungen, die die organisatorischen Einheiten durch entscheidungs­ 44 relevante Informationen unterstützen Von der Entscheidungs- zur Prozessunterstützung Von der Datenaufbereitung zur Informationsverdichtung Managementprozesse Prozesse x Regionen Abteilungen/KST Warengruppen Kunden Kunden- Reklamationen zufriedenAnfragen / Win-Quote heit Lieferant FWA = Fremdwährungsanteil Datenquelle Werke Periodizität Unternehmen Abb. 11: Iterative Kaskadierung: Von strategischen Konzernzielen zu strategierelevanten Abteilungszielen Referenzen Kaplan, R.S. and Norton D.P. 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