Generalisierte Angststörung Daniel Buwen & Jennifer Borgmann 1 Inhalt 1. 2. 3. 4. 5. 6. Erscheinungsbild Epidemiologie & Krankheitsverlauf Klassifikation & Diagnostik Erklärungsansätze Therapievoraussetzungen Stand der Therapieforschung 2 1.Erscheinungsbild • chronische Erkrankung, die schwer zu erkennen und nicht leicht zu behandeln ist • stark generalisierte, anhaltende Angst und Sorgen • Angst wird nie so stark, dass von Panikanfällen die Rede sein könnte • Studien zeigen, dass Betroffene sich fast 10 Stunden am Tag mit ihren Sorgen beschäftigen (Kontrollverlust) 3 1. Erscheinungsbild Sorgen Funktion auf mögliche negative Erlebnisse vorbereiten bei Angstpatienten erwartete Gründe treten meist nicht ein irrelevantes Grübeln Problemlöseprozess kommt nicht zu einem Abschluss Bsp.: aversives Ereignis wird durchgespielt mögliche Lösung wird nicht erarbeitet Gedanken setzten sich an negativen Aspekten (mögliches Versagen, Unglück) fest, nicht an Lösungsstrategien 4 1. Erscheinungsbild Sorgen- um was? • 97% Prozent der Betroffenen geben an, sich um Kleinigkeiten zu sorgen, gegenüber 0 % der Kontrollpersonen • es geht weniger um den Inhalt der Sorgen als vielmehr um die Art des Sorgens • Charakteristisch für Angstpatienten: Kontrollverlust häufiges Springen von Thema zu Thema Starkes Katastrophieren welches Angstpatienten von Gesunden unterscheidet 5 1. Erscheinungsbild Vermeidungsverhalten Vermeidung von bedrohlichen Gedanken, Situationen oder Objekten, um die Angst zu verringern und Schaden abzuwenden Sorgen werden nicht zu Ende gedacht Es kann nicht überprüft werden, ob die betreffende Situation überhaupt eintritt Langfristig werden Sorgen und Ängste aufrechterhalten 6 1. Erscheinungsbild Rückversicherung Durch ständige Rückversicherung versuchen Angstpatienten, sich zu beruhigen Aber (!) Erleichterung besteht nur kurzfristig Vertrauen in die rückversichernde Information lässt nach Betroffene können nicht die Erfahrung machen, dass die befürchtete Katastrophe auch ohne Rückversicherung nicht eintritt 7 1. Erscheinungsbild häufigste Symptome • • • • • • • • • • Angst Sorgen Anspannung Hypervigilanz Reizbarkeit Nervosität Schlafstörungen Muskelverspannung Kopfschmerzen Übelkeit 8 2. Verbreitung & Verlauf • bei Frauen etwas häufiger • 5 % aller Personen sind im Laufe ihres Lebens von einer generalisierten Angststörung betroffen. • Hohe Prävalenz in Hausarztpraxen (7.9 %) • neuere Studien zeigen, dass in der heutigen jungen Generation mehr Personen unter einer generalisierten Angststörung leiden als in der Generation davor. Es wird spekuliert, dass die Risikofaktoren zunehmen. 9 2. Verbreitung & Verlauf • • • • • setzt langsam, meist im Alter von 20 Jahren ein ohne einschneidendes Ereignis chronisch starke Beeinträchtigung der Lebensqualität: Studie: Massion (1993) Ergebnisse: - 3 % der Patienten leiden unter Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch – 13% der Angstpatienten haben einen Suizidversuch hinter sich (im Vergleich zu 6% der Panikpatienten) – 25 % der Angstpatienten in dieser Studie sind arbeitsunfähig 10 2. Verbreitung & Verlauf Einhergehen mit anderen Störungen • Kommt häufig mit anderen psychischen Störungen vor Je mehr Störungen eine Person hat, desto schwieriger ist ihre Behandlung und desto geringer ist die Chance eines Therapieerfolgs • Ca. 85 % haben eine zusätzliche Störung (Brown et al., 1993) • Häufigste Zweitdiagnose: Phobie Spezifische Phobie (29 bis 59 %) Sozialphobie (16 bis 33 %) Major Depression (14%) Dysthymie (6-33%) 11 3. Klassifikation & Diagnostik Diagnosekriterien nach DSM 1. Sorgen stehen im Mittelpunkt des Störungsbildes werden als unkontrollierbar empfunden 2. Vorliegen von 3 aus 6 möglichen körperliche Symptome Beispiel: Schlafstörungen, Ruhelosigkeit, Muskelverspannung, Nervosität und erhöhte Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten Zeitkriterium: Symptome ≥ 6 Mo. an der Mehrzahl der Tage 3. Angst und Sorgen führen zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Lebens 12 3. Klassifikation & Diagnostik Diagnosekriterien nach ICD10 • Leitsymptom: generalisierte, anhaltende Angst, die nicht auf bestimmte Situationen in der Umgebung beschränkt ist und über einen Zeitraum von mind. 6 Monaten besteht • mind. 4 von 22 möglichen Symptomen • Diagnose kann nicht gestellt werden, falls eine phobische Störung, Panikstörung, hypochondrische Störung oder Zwangsstörung vorliegt 13 3. Klassifikation & Diagnostik Differentialdiagnose • „normale“ Sorgen Bestehen meist nicht über 6 Mo hinweg an der Mehrzahl der Tage Sind kontrollierbar keine körperlichen Symptome • Zwangsstörung Sorgen unterscheiden sich auch von Zwangsgedanken. Beide können nicht kontrolliert werden und werden als unangenehm erlebt Zwangsgedanken haben andere Inhalte als Sorgen, sie beschäftigen sich mit Verunreinigung, Ansteckung und Kontrolle sind stereotyp können durch Handlungen neutralisiert werden Durch 14 3. Klassifikation & Diagnostik Differentialdiagnose • Panikstörung Gemeinsamkeit: keine Angst vor einer bestimmten Situation / einem Objekt Panikanfälle treten bei der GAS nicht auf Bei Vorliegen von Sorgen, die sich nicht auf die Panikstörung beziehen, können beide Diagnosen gestellt werden hängen die Sorgen mit der Panikstörung zusammen, sollte keine generalisierte Angststörung diagnostiziert werden • Depression Das Grübeln der Depressiven richtet sich auf vergangenes Verhalten • Organische Störungen Schilddrüsenüberfunktion, Einnahme von Schilddrüsenpräparaten, Herz- Kreislauf Medikamenten, Anästhetika, einigen Antidepressiva usw. 15 3. Klassifikation & Diagnostik Diagnosestellung CIDI Vollstandardisiertes objektives Interview SKID Ausführliches strukturiertes Interview ermöglicht Umformulierungen & Nachfragen ICDL Kurze Checkliste Erfordert geübten Diagnostiker, da Fragen nicht vorgegeben sind DIPS Interview, besonders ausführlich für Angststörungen 16 3. Klassifikation & Diagnostik 17 3. Klassifikation & Diagnostik Diagnosestellung Genauere Analyse des Sorgenverhaltens 1. Offenes Gespräch 2. Worry Domain Questionnaire (WDQ) • • Umfasst 5 Sorgenbereiche (Beziehungen, fehlendes Selbstbewusstsein, ziellose Zukunft, Finanzen, geringe Kompetenzen bei der Arbeit) Kurz (10 Fragen) 3. Penn State Worry Questionnaire (PSWQ) • Befasst sich mit bestimmten Aspekten der Sorgen (Intensität, Exzessivität usw.) 4. Meta-Kognitions-Fragebogen • 65 Items 18 4. Erklärungsansätze 1. 2. 3. 4. 5. Genetische Komponente Biologische & physiologische Faktoren Lernerfahrungen Stressfaktoren Kognitive Aspekte dominieren das klinische Krankheitsbild wichtig sind v.a. Aufmerksamkeitsprozesse kognitive Schemata 6. Drei-Faktoren-Modell 19 4. Erklärungsansätze Drei Faktoren Modell Wie bei anderen psychischen Störungen, ist auch bei der generalisierten Angststörung von einem Zusammenwirken von drei Klassen von Ursachen auszugehen 1. Vulnerabilität 2. auslösende Bedingungen 3. aufrechterhaltende Faktoren Vulnerabilität • keine spezifische genetische Veranlagung • allgemeine Veranlagung zur Ängstlichkeit kann vererbt werden auslösenden Bedingungen • Bei vulnerablen Personen kommt es durch besonders belastende Ereignisse im Beruf oder in der Familie zur Auslösung von Symptomen der generalisierten Angststörung 20 4. Erklärungsansätze Drei Faktoren Modell aufrechterhaltende Faktoren • vorwiegend kognitive Aspekte • z.B. Aufmerksamkeitslenkung auf bedrohliche Reize hin • Diese Formen der Informationsverarbeitung ziehen weitere kognitive Prozesse nach sich (Störungen der Konzentration und des Arbeitsgedächtnisses, Sorgen, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein) • Bedeutsam sind auch Fehleinschätzungen Kritik: Rolle der Sorgen und ihre Aufrechterhaltung zu wenig berücksichtigt 21 4. Erklärungsansätze: Teufelskreismodell der generalisierten Angststörung 22 5. Therapieaufbau & Struktur Therapiebausteine • • • • • Allgemeine Informationsvermittlung Sorgenkonfrontation in sensu Sorgenkonfrontation in vivo Kognitive Therapie Angewandte Entspannung Einzel- vs. Gruppensetting Anzahl der Sitzungen 23 5. Therapieaufbau & Struktur Struktur der Sitzungen • • • • • Besprechen des Sorgentagebuchs Tagesordnung vereinbaren Besprechen der Hausaufgabe Information und Techniken der Veränderung der Sorgen Rückblick & Planung Therapiestil • interaktiv oder • strukturiert und direktiv 24 5. Therapieaufbau & Struktur Zu beachten: Komorbiditäten • • • • mit Angststörung mit Depression Sorgen in anderem Rahmen ohne Sorgen 25 6. Medikamentöse Therapie • Tranquilizer: Benzodiazepine - gut für kurzzeitige Krisenintervention - keine langfristige Behandlung empfohlen - Rebound-Effekte - Abhängigkeiten - hohe Rückfallquoten Buspiron: - häufig eingesetzt - Einnahme: über einen längeren Zeitraum eingenommen - Nebenwirkungen (z.B. Schwindel) - vorherige Einnahme von Benzodiazepinen kann die Wirkung abschwächen oder gar nivellieren - Rückfälle nach Absetzen 26 6. Medikamentöse Therapie • Beta Blocker: - keine Auswirkung auf Kernsymptomatik • Antidepressiva: SSRI - wahrscheinlich wirksam - zu wenig Studien um sie zu empfehlen SNRI - wird empfohlen (FDA) - kann langfristig angewendet werden - Nebenwirkungen (z.B. Übelkeit) - Rückfälle nach Absetzen 27 6. Stand der Therapieforschung Kombinationsbehandlungen Kombination kann positive Effekte zeigen Compliance für Medikamente wird oft durch begleitende Psychotherapie erhöht Medikamente können die Psychotherapie erleichtern Es können aber auch negative Effekte auftreten Bei Benzodiazepinen kommt es oft zu einer Euphorisierung, Patienten zeigen dann eventuell keine Motivation mehr für die anstrengende Psychotherapie Medikamenteneinnahme fördert eine eher passive Rolle des Patienten, die einer aktiven Teilnahme an der Therapie entgegensteht Studien legen nahe, im Allgemeinen eher rein psychotherapeutisch vorzugehen und nur in sehr schweren Fällen Medikamente zu geben 28 Therapie der Generalisierten Angststörung • • • • • • 1. 2. 3. 4. 5. Sorgenkonfrontation in sensu Konfrontation in vivo Kognitive Interventionen Angewandte Entspannung Ausblick Literatur 1 Sorgenkonfrontation in sensu • Sorgenkonfrontation ist das Kernstück der Behandlung der Generalisierten Angststörung • Sie beruht auf den Erfolgen der Reizkonfrontation • Ziel der Konfrontation ist möglichst viel Angst zu erzeugen, um eine Habituation zu ermöglichen • Sie muss von den Patienten täglich durchgeführt und zu Hause intensiv geübt werden. • Für den Erfolg einer Therapie ist es wichtig, den Patienten ausreichend zu motivieren 1.1 Indikation Indikationen der Sorgenkonfrontation Gut geeignet: • Reine generalisierte Angststörung • Sorgen als Hauptproblem • Primärdiagnose Generalisierte Angststörung, komorbid andere Angststörungen • Angststörungen, Sekundärdiagnose Generalisierte Angststörung Eventuell geeignet: • Komorbid Generalisierte Angststörung und Depression Nicht gut geeignet: • Körperliche Symptome der Angst stehen im Vordergrund des Beschwerdebildes • Sorgen werden nur schwer identifiziert 1.2 Vermittlung des Therapiekonzeptes 1. 2. • • • • Die aufrechterhaltenden Bedingungen für Angst und exzessive Sorgen werden mit dem Patienten erarbeitet Das Behandlungskonzept (Sorgenkonfrontation) wird hergeleitet Ablenkung und Vermeidung wirken nur kurzfristig oder gar nicht und halten Angst und Sorgen aufrecht bzw. verstärken sie noch Offenes Vermeidungs- und Rückversicherungsverhalten verstärkt die Sorgen auf Dauer Angst und Sorgen lassen sich nur reduzieren, indem man sich intensiv mit ihnen auseinander setzt Die Intervention der Wahl ist die Sorgenkonfrontation in sensu, um eine Gewöhnung (Habituation) zu erreichen Aufrechterhaltungsmodell Angst und Sorgen Versuche der Reduktion •Kontrollversuche - Gedankenstopp - Ablenkung/kognitive Vermeidung Kognitive Veränderungen •Aufmerksamkeit - vermehrt auf Gefahr gerichtet •Interpretation „Gefahr“ •Vermeidung der emotionalen Verarbeitung - Sorgenketten - Gedanken statt Bilder •Konzentrationsprobleme •Offenes Vermeidungsund Rückversicherungsverhalten •Verringerung der Leistungsfähigkeit Keine Habituaton Individuelle Strategien Angstkurven Individuelle Strategien • Die für den Patienten individuell relevanten Faktoren sollen gemeinsam mit ihm erarbeitet werde Angstkurven • Diese Kurven sollen gemeinsam mit dem Patienten gezeichnet werden. Hilfreich ist es, dazu die Sorgentagebücher zu verwenden. Auswertung: (1)“Wann werden Ängste und Sorgen geringer? Und warum?“ (2)“Wann werden Ängste und Sorgen stärker? Und warum?“ (3)“Was passiert während der langen Sorgenphasen?“ Wichtig ist, dass die Technik des „geleiteten Entdeckens“ eingesetzt wird Fernsehen 100 Aufgewacht Schlafen gehen Stadtbummel Mit Freundin 50 Angst & Sorgen 0 6Uhr 14Uhr 20Uhr 0Uhr Erwartungskurve • „Was würde wohl passieren, wenn Sie sich auf eine einzige Sorge konzentrieren und diese bis zum Ende durchdenken würden? Stellen sie sich ihre Befürchtungen ganz genau vor!“ Habituationskurve Vorraussetzung für die Habituation ist, dass man die Angst zulässt und einfach abwartet, ohne den Versuch, sie aktiv zu reduzieren 1.3 Vorbereitung auf die Sorgenkonfrontation in sensu • Sorge wird ausgewählt. Ziel ist es, dass der Patient sich den schlimmsten Ausgang dieser Sorgenszene vorstellt und dadurch die Sorgenkette durchbricht. Auswahl einer Sorge Sorgen Angst Der Sohn fängt wieder an zu spielen Seine Ängste nehmen zu Psychiatrie Er verliert seine Arbeit Er betrügt seine Frau Seine Frau verlässt ihn Er kommt auf die schiefe Bahn • • Exploration der Sorge Textbeispiel Durchführung eines Vorstellungstraining 60 - 70 50 80 80 90 90 1.4 Durchführung der Sorgenkonfrontation Besprechen von Schwierigkeiten Der Patient kann Vermeidungsverhalten zeigen, ohne dass der Therapeut dies bemerkt oder viel dagegen tun kann, da es sich um Vorstellung und nicht um reale Situationen handelt. Durchführung der Vorstellungsübung Textbeispiel Nachbesprechung Überarbeitung des „Sorgendrehbuchs“ Hausaufgaben Regelmäßige Hausaufgaben sind ganz wichtig. Langfristiges Ziel ist, dass der Patient eine Technik erlernt, die er nach Beendung der Therapie selbstständig anwenden kann, falls es erneut zu Sorgenepisoden kommen sollte. 1.4 Durchführung der Sorgenkonfrontation Der Patient sollte einmal am Tag zu einer festen Zeit etwa eine Stunde üben Weiteres Vorgehen Viele Konfrontationsübungen werden von dem Patienten zu Hause durchgeführt. Dafür ist wichtig, dass ihm das Prinzip der Konfrontation deutlich geworden ist und er die entsprechenden „Technik“ beherrscht. Der Patient muss als Co-Therapeut gewonnen werden. Er soll detektivisch mit dem Therapeuten überlegen, wie möglichst starke Angst hervorgerufen und das Vermeidungsverhalten aufgespürt und beseitigt werden kann. Kognitive Techniken zur Unterstützung „Realitätsüberprüfung“ „Entkatastrophisierung“ 2 Konfrontation in vivo • Patienten mit GA zeigen Vermeidungs- oder Rücksicherungsverhalten, auch wenn dies in den Diagnostischen Kriterien nicht beschrieben wird. Bsp.:keine Nachrichten hören, um nicht mit beunruhigenden Meldungen konfrontiert zu werde häufig den Partner anrufen, um herauszufinden, ob bei ihm alles in Ordnung ist • Ziel ist es mit der Konfrontation in vivo Vermeidungs- und Rückzugsverhalten abzubauen; dies geschieht zeitversetzt zur Konfrontation in sensu Bsp.:der Patient muss mehrmals täglich Nachrichten hören und darf den Partner nicht anrufen Somit verblassen durch Übung die Ängste vor diesen Situationen 2.1 Indikation Indikationen der Sorgenkonfrontation Gut geeignet: • Reine generalisierte Angststörung • Sorgen als Hauptproblem • Primärdiagnose Generalisierte Angststörung, komorbid andere Angststörungen • Angststörungen, Sekundärdiagnose Generalisierte Angststörung Eventuell geeignet: • Komorbid Generalisierte Angststörung und Depression Nicht gut geeignet: • Körperliche Symptome der Angst stehen im Vordergrund des Beschwerdebildes • Sorgen werden nur schwer identifiziert 2.2 Vermittlung des Therapiekonzepts Herleitung der aufrechterhaltenden Bedingungen (Wiederholung) Angst vergeht nur, wenn man sich ihr stellt und sie zulässt. Durch einen Gewöhnungseffekt kann die Angst langfristig abgebaut werden (ev. Angstkurven auswerten) Herleitung der Konfrontation in vivo Vorstellungsexperiment: „Was würde wohl passieren, wenn Sie gezwungen wären, eine gefürchtete Situation stundenlang zu durchleben? Dabei sollen Sie sich Ihre Befürchtungen ganz genau vorstellen.“ Es ist wichtig herauszuarbeiten, dass eine sinnvolle Rückfallprophylaxe eine Konfrontation in vivo erfordert. 2.3 Vorbereitung auf die Konfrontation in vivo Identifizierung von Vermeidungs- und Rückversicherungssituationen Beispiele für Vermeidungs- oder Rückversicherungsverhalten nennen Bei relevanten Verhaltensweisen muss auch an perfektionistisches Verhalten gedacht werden Erstellung von Vermeidungs- und Rückversicherungshierarchien Vermeidung/ Neues Verhalten Angst/ Rückversicherung der Sohn hat im Nur am Wochenende Schwierigkeiten. anrufen. Tägliche Telefonate Unbehagen 70-80 2.3 Vorbereitung auf die Konfrontation in vivo Vermeidung/ Neues Verhalten Angst/ Rückversicherung Vor einem Termin Erst losgehen, wenn es 50 30 Min. früher losnötig ist oder sogar fünf als nötig. Minuten später. Nicht alleine Alleine Schwimmen 80 Schwimmen gehen und auch im gegangen. Tiefen schwimmen. Vermieden, den Einkauf einpacken und 90 Einkauf vor anderen sich absichtlich ungeeinzupacken. schickt anstellen. Unbehagen Planung der Konfrontationsübung Patient führt die Konfrontation in vivo alleine durch In unserem Beispiel wurden zunächst die ersten drei Verhaltensweisen ausgewählt. 2.4 Durchführung der Konfrontation in vivo Erstellen von Konfrontationsregeln Die Planung ist sehr wichtig für das Gelingen. Es kann auch hilfreich sein, dem Patienten individuelle Regeln mitzugeben Bsp.: „Lenken Sie sich nicht ab! Achten Sie auf die Angst!“ Durchführung der Konfrontationsübung Die Konfrontation in vivo sollte generell vom Patienten alleine durchgeführt werden. Gelingt sie aber nicht, ist es sinnvoll, wenn der Therapeut den Patienten doch bei einigen Übungen begleitet. 2.4 Durchführung der Konfrontation in vivo Nachbesprechung „Wie gut haben diese Aufgaben geklappt?“ „Wie haben Sie sich während der Übung gefühlt?“ Der Schwerpunkt sollte eher auf die Ressourcen des Patienten gelegt werden. Gemeinsam sollte Vermeidungsverhalten – ob offen oder verdeckt identifiziert und besprochen werden. Es ist wichtig den Patienten für seine Bemühungen und Erfolge zu loben Weiteres Vorgehen Der Patient soll sein eigener Therapeut werden. Der Therapeut übernimmt die Rolle des „Supervisors“. 3 Kognitive Interventionen 3.1 Indikation • Kognitive Interventionen sind indiziert bei Patienten mit GA und komorbider Depression. Entweder als alleiniges Therapieverfahren, aber auch in Kombination mit der Sorgenkonfrontation • Wenn die Konfrontation in sensu funktioniert, sollten nicht noch zusätzlich kognitive Verfahren eingesetzt werden • In Fällen, in denen keine komorbide Depression vorliegt, der Patient aber keiner Konfrontation zustimmt bzw. aufgrund dysfunktionaler Annahmen große Angst vor der Konfrontation hat, kann eine kognitive Umstrukturierung indiziert werden. 3.2 Realitätsprüfung Vermittlung unterschiedlicher Sichtweisen Durch die Technik der „Realitätsprüfung“ werden die Überzeugungen oder Befürchtungen des Patienten auf ihren Realitätsgehalt hin getestet. „Ist es wirklich so, wie Sie meinen?“ Der Patient soll angeleitet werden, dass seine Art, die Realität zu sehen, nicht die allein gültige sein muss. Textbeispiel Mütter Sandkasten Patienten mit GA sehen ihre Situation oft in einem für sie besonders ungünstigen Licht. Sie sollten lernen, ihre Sichtweise zunächst nur als Hypothese zu betrachten. 3.2 Realitätsprüfung Orientierung an Becks Spaltentechnik (1) Auswahl einer Sorge, die bearbeitet werden soll (2) Einschätzen der Sorge auf der Überzeugungsskala (0-100) (3) Exploration der Beweise für die Sorge (4) Identifizieren von Beobachtungen, die der Sorge widersprechen (5) Darstellung alternativer Sichtweisen (6) Identifizieren weiterer Beobachtungen, die alternative Sichtweisen unterstützen (7) Erneutes Einschätzen der ursprünglichen Sorge auf der Überzeugungsskala (8) Einschätzen der alternativen Sichtweisen auf der Überzeugungsskala Verhaltensexperimente zur Unterstützung 3.3 Entkatastrophisieren Bedeutung der „Katastrophe“ „Was wäre, wenn...?“ Ziel ist es, zu einer differenzierteren Einstellung gegenüber der Sorge zu gelangen, ohne diese zu verharmlosen. Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten Es gilt, eine langfristige Perspektive aufzubauen und über den Eintritt der „Katastrophe“ hinweg in die Zukunft zu schauen. Es wird beharrlich gefragt: „Und dann?“ Realistische Einstufung der „Katastrophe“ Der Therapeut soll dem Patienten vermitteln, dass er seine Befürchtungen und Gefühle ernst nimmt. Der Patient soll lernen, dass du „Katastrophe“ wohl doch nicht das Ende seines Lebens wäre. 3.4 Umgang mit den Meta-Sorgen Verstärkte Symptomatik durch Meta-Sorgen Wells (1997) Meta-Sorgen, d.h. Sorgen über die Sorgen Patienten befürchten, dies sei ein Zeichen dafür die Kontrolle zu verlieren und verrückt zu werden Exploration der Meta-Sorgen Meta-Sorgen bzw. positive Annahmen über das Sorgen können in der Realitätsprüfung besprochen werden. Man kann diese auch hervorrufen, indem man eine Konfrontation in sensu über das Sorgen entwickelt. Kognitive Bearbeitung der Meta-Sorgen „Haben Sie jemals die Kontrolle völlig verloren?“ „Kennen Sie jemanden, der durch Sorgen verrückt geworden ist?“ 4. Angewandte Entspannung • Spezielles Entspannungstraining mit dem Ziel, zu lernen , sich in angstauslösenden Situationen sekundenschnell zu entspannen • Es wird eine Coping-Strategie gegen die Angst vermittelt, d.h. Anzeichen von Angst bewusst wahrzunehmen und sich dann schnell in einen Zustand tiefer Entspannung zu versetzen • Die Angewandte Entspannung wurde von Öst (1987) entwickelt und Therapiestudien zeigen bei der GA sehr ermutigende Ergebnisse (Öst & Breitholtz, 2000) • Das Entspannungstraining baut auf der Progressiven Muskelrelaxation (PMR) auf (Jacobson, 1938). • Die Anwendung wird zunächst in sensu, dann in vivo geübt. 4.1 Indikation • Die AE ist geeignet, wenn im Vordergrund der Beschwerden vor allem die körperlichen Symptome der GA stehen. • Sie ist indiziert bei Patienten, die vor allem unter ständiger Nervosität, Verspannung oder Schlafstörungen leiden und weniger unter quälenden Sorgen • Patienten, bei denen sie Sorgen einen großen Raum einnehmen, sollten mit Sorgenkonfrontation behandelt werden. • Vorraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung mit der AE ist eine hohe Motivation des Patienten und die damit verbundene Bereitschaft, viel zu Hause zu üben (täglich ca. ein bis zwei Stunden) 4.2 Vermittlung des Therapiekonzepts • Anspannung und andere körperliche Symptome sollen aktiv angegangen werden • Für eine erfolgreiche Behandlung müssen zwei neue Fähigkeiten erlernt werden. 1. Gute Selbstbeobachtung, um erste Anzeichen von Angst oder Anspannung wahrzunehmen (z.B. Angsttagebuch) 2. Lernen, sich sehr schnell zu entspannen 4.3 Progressive Muskelrelaxation • Die PMR wurde von Jacobson (1938) entwickelt • Der Wechsel von An- und Entspannung senkt den Muskeltonus erheblich • Ziel: Bessere, willkürlichere Kontrolle über den Spannungszustand der Muskeln zu erlangen • Das Verfahren hat den Vorteil, dass es sich gut erlernen lässt • Es gibt lange und kurze Versionen der PMR Übung 4.4 Anwendung der Entspannung • Die Entspannung kann in Angst erzeugenden oder belastenden Situationen angewandt werden. • Ein guter Ausgangspunkt für die Anwendung ist das Selbstbeobachtungstagebuch „Mit welchen Symptomen kündigt sich die Verspannung an?“ „Verspannen irgendwelche Muskelgruppen zuerst?“ „Tritt Herzklopfen oder ein flaues Gefühl im Magen aus?“ • Durchführung in sensu (Bsp.: Finger heben) • Durchführung in vivo 5. Ausblick • Die GA ist seit über hundert Jahren das vernachlässigte „Stiefkind“ der Angststörung • Wegen dem hierarchischem Ansatz der Diagnostik konnte sie nur als eigenes Störungsbild diagnostiziert werden, wenn keine „höherrangigen“ Diagnosen wie z.B. Depression oder Psychosen vorlagen. • GA gehört heute noch zu den am meisten unterdiagnostizierten und damit auch unterversorgten Störungen • Drei Entwicklungen geben Anlass zur Hoffnung: 1. Die Zentrale Bedeutung der Sorgen, der mentalen Kontrolle, der Meta-Sorgen und der Interaktion zwischen diesen Phänomenen konnte herausgearbeitet werden 2. DSM-IV Positivdiagnostik 3. Die Therapie der GA bietet inzwischen spezifische Maßnahmen und entsprechend gute Erfolgsaussichten Literatur • Becker, E. & Margraf, J. (2002). Generalisierte Angststörung. Springer.