biomed_Heft_0702 18 05.07.2007 17:55 Uhr Seite 18 wissenschaft & praxis Borna Disease Virus (BDV) – neuen Familie Bornaviridae notwendig, deren einziges Genus bis dato BDV darstellt. AK-Status in psychiatrischen Patienten und gesunden Probanden Wirtsspektrum und Pathogenese Das Borna Disease Virus ist ein neurotropes Virus, das sowohl den Menschen, als auch zahlreiche Nutz- und Haustiere wie z. B. Pferde, Schafe, Rinder und Katzen infiziert. Im Tierversuch konnten außerdem Ratten, Mäuse, Kaninchen, Hühner und Rhesusaffen mit BDV infiziert werden. Weder der Hauptinfektionsmodus, noch die Hauptinfektionswege sind heute endgültig geklärt. Aus experimentellen Infektionen weiß man aber, dass der intranasale Infektionsweg (Nasensekret) mit hohen Virusdosen erfolgreich ist. Man nimmt an, dass BDV über die Fila olfactoria der Riechzellen und den Bulbus olfactorius in das limbische System wandert, wo es vor allem die Funktion und weniger die Struktur der Neuronen beeinträchtigt. Neben der Verarbeitung von Geruchsempfindungen beeinflusst das limbische System das Verhalten bei der Nahrungsaufnahme, das Sexualverhalten und die Kontrolle der Biorhythmen. Es hat zudem große Bedeutung für das emotionale Verhalten (Wut, Angst, Lust, Unlust, Motivation) und koordiniert Gedächtnisvorgänge. Die Beeinflussung des limbischen Systems durch eine BDVInfektion geschieht sehr wahrscheinlich über eine Störung des Neurotransmitternetzwerkes, die über direkten oder indirekten Kontakt von BDV-Proteinen bzw. ihrer Komponenten mit Neurotransmitterrezeptoren zustande kommt. In der Folge kann es zu einem schwerwiegenden Ungleichgewicht im gesamten Neurotransmitternetzwerk kommen, das schließlich die für verschiedenste psychiatrische Erkrankungen beschriebenen Verhaltensveränderungen bedingen könnte. Auszug aus der Diplomarbeit „Untersuchung von Profil und Häufigkeit der Infektion mit Borna Disease Virus (BDV) in Patienten mit psychiatrischen Störungen und gesunden Probanden“ Einleitung Im Sommer 2005 bot sich im Rahmen meiner Ausbildung zur Biomedizinischen Analytikerin die Gelegenheit, ein Praktikum am Robert Koch Institut (RKI) Berlin in der Projektgruppe Bornavirus-Infektionen unter der Leitung von Priv. Doz. Dr. Liv Bode zu absolvieren. Gegen Ende dieses Aufenthaltes erhielt ich das Angebot, meine Diplomarbeit am RKI und an der Freien Universität (FU) Berlin im Fachbereich Veterinärmedizin, Abteilung Virologie zu verfassen. Das Borna Disease Virus (BDV) ist ein neurotropes Virus, das durch eine besondere Prävalenz für die Neuronen des limbischen Systems charakterisiert ist. Hier führt die Infektion sowohl bei verschiedenen Tierspezies, als auch beim Menschen zu einer vermutlich lebenslangen Viruspersistenz, wobei lange Latenzphasen von kurzen Aktivierungsphasen abgelöst werden. Häufige Aktivierungen dürften schließlich der Grund für das Auftreten klinischer Symptome sein. So sprechen viele Untersuchungsergebnisse dafür, dass die BDV-Infektion beim Menschen mit unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen assoziiert ist. Für die Auftraggeber war diese Arbeit insofern von großem Interesse, als erstmalig ein vollständiges BDV-Antikörper-Profil von Mensch und Pferd erstellt werden sollte, von dem man sich ein tieferes Verständnis des Infektionsgeschehens bei BDV-Infektionen verspricht. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte ich unter anderem die Aufgabe, zwei ELISA-Systeme aufzubauen, die es erlauben, gegen das BDV-Matrixprotein gerichtete AK (Antikörper) zu detektieren. Mit diesen AK werden neutralisierende und damit für das Individuum protektive Eigenschaften assoziiert. Bisher war es zwar möglich, AK gegen andere Virusproteine nachzuweisen – diese stellen aber lediglich Infektionsmarker dar und besitzen kein protektives Potential. wissenschaft & praxis Borna Disease Virus (BDV) Morphologie und Genomorganisation Betrachtet man das Borna Disease Virus elektronenmikroskopisch, so zeigt sich, dass es sich um sphärische, behüllte Partikel mit einem Durchmesser von etwa 90 nm handelt. BDV besitzt ein negatives, nicht segmentiertes, einzelsträngiges RNA-Genom mit einer Länge von 8,9 kb, dessen Replikation und Transkription im Nukleus infizierter Zellen stattfindet. Aufgrund seiner Genomorganisation und Sequenz wird BDV der Ordnung Mononegavirales zugerechnet, zu der auch das Masern- und das Tollwutvirus zählen. Da seine Replikation im Gegensatz zu anderen Viren dieser Ordnung im Kern der Wirtszelle stattfindet und es sich eines komplizierten Splicing-Mechanismus bedient, war die Schaffung der Klinik Symptomatik beim Menschen Viele Untersuchungsergebnisse sprechen dafür, dass die BDV-Infektion beim Menschen mit unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen assoziiert ist. Im Vordergrund stehen dabei affektive Störungen, wie unipolare und bipolare Depressionen. Die Symptomatik äußert sich häufig in Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Schläfrigkeit, aber auch zwanghaftem Verhalten. Symptomatik beim Pferd Die sog. Borna’sche Krankheit des Pferdes wurde nach der sächsischen Stadt Borna bei Leipzig benannt, wo man im Jahre 1885 eine große Zahl an Todesfällen bei Pferden, hervorgerufen durch eine infektiöse, epidemische Enzephalitis, registrierte. Das klinische Bild der Borna’schen Krankheit reicht von geringgradigen Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu fatalen Verläufen mit möglichem tödlichem Ausgang. Durch das pathophysiologische Geschehen im Gehirn kommt es zur Ausbildung typischer Symptome wie z. B. Gangunsicherheit, Ängstlichkeit, Apathie, Somnolenz, Fressunlust, Kopfschlagen und Kolik. Besonders im fortgeschrittenen Stadium kann auch das Auge betroffen sein, was sich in Veränderungen des Augenhintergrundes oder sogar Blindheit äußert. biomed_Heft_0702 05.07.2007 17:55 Uhr Seite 19 wissenschaft & praxis Methodik/Diagnostik Glykoprotein Westernblot In der am RKI und an der FU Berlin durchgeführten BDV-Diagnostik für Pferd Matrixprotein Westernblot, ELISA (Lektin, GST) und Mensch galt das Hauptaugenmerk bisher dem BDV-Phosphoprotein und Phosphoprotein Westernblot, Triple-ELISA dem Nukleoprotein (abgekürzt P- und NProtein). Der dort entwickelte Triple-ELINukleoprotein Westernblot, Triple-ELISA SA erlaubt es einerseits, N- und P-ProL-Polymerase tein, also Antigene, nachzuweisen. Andererseits können mit Hilfe dieser Technik gegen das N- und P-Protein gerichtete AK Abb. 1: Überblick über die diagnostischen Möglichkeiten einer BDV-Infektion gleichzeitig detektiert werden. Zusätzlich (Bildquelle: Dreidimensionale BDV-Darstellung von Dr. Roman Stoyloff) werden aber auch zirkulierende Immunkomplexe, bestehend aus N-/P-Protein und den korrelieren- Protein gerichtete AK im Probandenserum vorhanden, binden den AK nachgewiesen. AK gegen N- und P-Protein wurden zu- sie im nächsten Schritt an das Fusionsprotein M und können anschließend durch eine Enzym-Substrat-Reaktion sichtbar dem auch im Westernblot dargestellt. Gegen das Glykoprotein (G-Protein) gerichtete AK, denen gemacht werden. genau so wie dem M-Protein neutralisierende Eigenschaften zugeschrieben werden, konnten vor kurzem im Rahmen einer Ergebnisse Diplomarbeit im Westernblot gezeigt werden, ein ELISA exisEin Großteil der Probanden konnte sowohl im von mir tiert hier allerdings noch nicht. Was das Matrixprotein (M-Protein) betrifft, so konnten aufgebauten Lektin-ELISA, als auch im GST-ELISA auf AK gedie entsprechenden AK bisher nur im Westernblot mit an- gen das M-Protein getestet werden. Um zu einem vollständischließender Immunfärbung gezeigt werden. Andere dia- gen AK-Profil zu kommen, war es weiters meine Aufgabe, alle Probanden gegen M-, P- und N-Protein zu blotten (Wesgnostische Mittel waren nicht verfügbar. Im Rahmen meiner Diplomarbeit bekam ich die Aufgabe, ternblot), um die entsprechenden AK darzustellen. Zudem zwei ELISA-Systeme zur Detektion von gegen das M-Protein führte ich einen ELISA durch, bei dem nur gegen das N-Progerichteter AK aufzubauen, die, wie bereits erwähnt, insofern tein gerichtete AK detektiert werden sollten. Für das P-Protein von großem Interesse sind, als mit ihnen auch neutralisie- war dies leider nicht möglich, da dies in zu geringer Menge im rende und damit protektive Eigenschaften verbunden sind. Da phosphorylierten Zustand vorhanden und damit die erfores sich bei den beiden Testsystemen um neuartige Verfahren derliche biologische Aktivität des Proteins nicht gegeben war. Aus den von mir generierten Ergebnissen konnten schließhandelt, sollen sie im Folgenden kurz dargestellt werden. lich mit Hilfe statistischer Testverfahren (Stichprobe: 53 PferELISA auf Lektinbasis deseren, 120 humane Seren) folgende wesentliche Aussagen Nach neuesten Untersuchungen handelt es sich beim Ma- abgeleitet werden: trixprotein um ein funktionelles Glykoprotein. Das Prinzip des 1. Erfolgreicher Aufbau eines Lektin- und eines GST-ELISA von mir aufgebauten Doppelsandwich-ELISA macht sich die zur Detektion von Anti-BDV-M-AK. Die beiden TestsysEigenschaft des Lektins Concanavalin A (ConA) zunutze, teme konnten in dem mir zur Verfügung stehenden Zeitspezifisch an α-D-Mannosehaltige Kohlenhydratreste des raum aufgebaut werden. Eine Etablierung dieser Systeme, Matrixproteins zu binden. die z. B. eine statistische Festlegung der ReferenzbereiDer Doppelsandwich-ELISA auf Lektinbasis zur Detektion che voraussetzt, war aber im gegebenen Zeitrahmen nicht von gegen das Matrixprotein gerichteter AK gestaltet sich möglich. demnach wie folgt: 2. Mit Hilfe eines statistischen Testverfahrens für abhängi1. Beschichtung der Festphase mit ConA ge Stichproben konnte die Aussage getroffen werden, dass 2. Inkubation mit dem Zucker Mannan beide Tests im Wesentlichen gleichartig klassifizieren. 3. Blockierung 3. Sowohl beim Pferd als auch beim Menschen existieren 4. Inkubation mit rekombinantem Protein M gegen das BDV-Matrixprotein gerichtete AK. Bisher wa5. Inkubation mit Probandenserum (Primärantikörper) ren derartige AK nur in experimentell infizierten Labor6. Inkubation mit alkalischem phosphatase-konjugiertem tieren und wenigen Pferdeprobanden nachgewiesen worSekundärantikörper den. Es gelang mir, Anti-BDV-M-AK nun erstmalig auch 7. Sichtbarmachung der Reaktion durch Substratzusatz beim Menschen zu zeigen. Pferdeseren: 50 % Anti-BDV8. Messung mittels Multikanalphotometer M-AK positiv im Lektin-ELISA; Humane Seren: 28,3 % Anti-BDV-M-AK positiv im Lektin-ELISA. ELISA auf GST-Basis 4. Anti-BDV-M-AK treten sowohl mit zirkulierenden ImGlutathion (GSH) ist ein Triaminopeptid. Es wird kovamunkomplexen, als auch gleichzeitig mit Antigen auf. lent an die Polystyrenoberfläche der verwendeten MikrotiAufgrund dieser Ergebnisse scheinen diese AK – entgegen terplatte gekoppelt. In einem Ein-Schritt-Verfahren interfrüherer Annahmen – mehr mit einer akuten Virusaktiagiert es mit Glutathion-S-Tranferase (GST) unter Ausbilvierung zu korrelieren. dung einer starken Enzym-Substrat-Bindung. 5. Anti-BDV-M-AK treten bei symptomatischen Pferden mit Beim vorliegenden Doppelsandwich-ELISA-Verfahren 36,8 % häufiger auf, als bei symptomfreien Pferdeprozur Detektion von gegen das Matrixprotein gerichteter AK banden. (Für humane Probanden konnte hier keine Auswird die GST-gekoppelte Festphase eingesetzt, um GST-“gesage getroffen werden, da die Stichprobe in dieser Gruptaggtes“ BDV-Fusionsprotein M zu binden. Sind gegen das Mpe hinsichtlich der Symptomatik zu klein war.) 19 biomed_Heft_0702 20 05.07.2007 17:55 Uhr Seite 20 wissenschaft & praxis Abb. 2: Bindung eines GST-“getaggten“ Proteins an die GSH-gekoppelte Festphase (Bildquelle: www.nunc.com Instruction Protocol Nunc Immobilizer Glutathione) 6. In der humanen Testgruppe konnten für 46,2 % der Probanden mit latenter BDV-Infektion (d. h. Präsenz von gegen das N-Protein gerichteter AK, aber Fehlen von zirkulierenden Immunkomplexen) Anti-BDV-M-AK nachgewiesen werden. Diese AK-Prävalenz könnte meiner Meinung nach insofern von großem Interesse sein, als AK gegen das Matrixprotein virus-neutralisierende Eigenschaften zugeschrieben werden und damit eine protektive Wirkung für die betreffenden Individuen im Falle einer wiederholten Virusaktivierung verbunden sein könnte. Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ich in der vorliegenden Diplomarbeit erstmalig AK-Spezifitäten in der Immunantwort von mit BDV infizierten Pferden und Menschen differenzieren und damit einen Beitrag zum tieferen Verständnis des BDV-Infektionsgeschehens liefern konnte. Mit Hilfe zweier neu entwickelter ELISA-Testsysteme gelang es mir, Anti-BDV-M-AK beim Pferd und erstmalig auch beim Menschen nachzuweisen. In Zukunft wird die Etablierung eines der beiden Systeme einen wichtigen Schritt in der BDV-Diagnostik darstellen, wobei hier natürlich finanzielle Aspekte, die Verfügbarkeit von Reagenzien und Materialien, sowie die Praktikabilität der Durchführung eine wesentliche Rolle spielen werden. ■ Carina Gumpoldsberger Biomedizinische Analytikerin Zentrallabor AKh Linz Ausbildung an der Akademie für den Med. techn. Laboratoriumsdienst im MEDAZ AKh Linz von 2003 bis 2006. Die Diplomarbeit „Untersuchung von Profil und Häufigkeit der Infektion mit Borna Disease Virus (BDV) in Patienten mit psychiatrischen Störungen und gesunden Probanden“ wurde im Jahr 2006 am Robert Koch Institut Berlin und an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Veterinärmedizin, Abteilung Virologie, verfasst. Die Betreuung erfolgte durch Frau Priv. Doz. Dr. Liv Bode und Herrn Prof. Dr. Hanns Ludwig. ✃ Österreichischer Berufsverband der Biomedizinischen AnalytikerInnen 1150 Wien, Grimmgasse 31 Telefon: ++43/1/817 88 270 Fax: ++43/1/817 88 27-27 E-Mail: [email protected] www.biomed-austria.at Leitende Biomedizinische AnalytikerInnen – bitte melden! biomed austria veranstaltet gemeinsam mit Roche Diagnostics vom 4. bis 6. Oktober 2007 ein Meeting für leitende Biomedizinische AnalytikerInnen. Damit alle die Chance haben, an diesem Meeting teilzunehmen, ersuchen wir alle leitenden Biomedizinischen AnalytikerInnen, sich zu melden. Sie bekommen dann sowohl die Einladung zu diesem Meeting als auch in regelmäßigen Abständen Informationen von biomed austria zugeschickt. Vorname Nachname: E-Mail: Telefon: Dienstgeber: Position: Für das Meeting der leitenden Biomedizinischen AnalytikerInnen vom 4. bis 6. Oktober habe ich folgende Wünsche: Datum: Unterschrift: