Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 14 / 14. Wahlperiode 06. 04. 2009 4312 Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Wirtschaftsministeriums Fotovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden im Enzkreis Kleine Anfrage Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Einschränkungen gibt es für denkmalgeschützte Gebäude für die Installation einer Fotovoltaikanlage? 2. Sind ihr im Enzkreis denkmalgeschützte Gebäude bekannt, die mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet sind? 3. Unterscheidet der Denkmalschutz bei der Bewertung ob eine bauliche Veränderung statthaft ist, zwischen solchen denkmalgeschützten Gebäuden, die zweckentfremdet genutzt werden und die ursprüngliche Architektur an frühere Gesellschaftsformen und Lebensweisen nur erinnert und Gebäuden, wie z. B. Kirchen, die auch heute noch ihrem ursprünglichen Zweck dienen? 4. Wie bewertet sie das Vorhaben der Evangelisch-Lutherischen SiloahGemeinde in Ispringen im Enzkreis, eine Fotovoltaikanlage auf dem Kirchdach zu errichten, vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Klimaschutzes einerseits und der in Frage drei formulierten Abwägung andererseits? 06. 04. 2009 Dr. Rülke FDP/DVP Eingegangen: 06. 04. 2009 / Ausgegeben: 04. 05. 2009 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente 1 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 14 / 4312 Antwort Mit Schreiben vom 27. April 2009 Nr. 54–2550/53.1 beantwortet das Wirtschaftsministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Einschränkungen gibt es für denkmalgeschützte Gebäude für die Installation einer Fotovoltaikanlage? Nach den denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen ist das Anbringen von Fotovoltaikanlagen an Kulturdenkmalen oder an Gebäuden im Geltungsbereich einer Gesamtanlagenschutz-Satzung genehmigungspflichtig nach §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und/oder 19 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg (DSchG). Ist die Maßnahme außerdem baugenehmigungspflichtig, tritt die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde an die Stelle der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung (§ 7 Abs. 3 DSchG). Die Errichtung von Fotovoltaikanlagen an oder auf denkmalgeschützten Objekten bzw. innerhalb denkmalgeschützter Gesamtanlagen führt häufig zu einem Interessenkonflikt. Einerseits soll das überlieferte Erscheinungsbild von Gebäuden oder Stadtansichten erhalten bleiben, andererseits dienen diese Maßnahmen nicht nur den Interessen des Eigentümers, sondern auch öffentlichen (Klimaschutz) Belangen. Soll eine Fotovoltaikanlage auf einem Kulturdenkmal i. S. d. § 2 DSchG installiert werden, hat der Antragsteller in den Fällen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten denkmalschutzrechtlichen Genehmigung, in denen die Anlage sowohl die Bausubstanz als auch das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals nur unerheblich beeinträchtigt. Im Übrigen haben die Denkmalschutzbehörden über die Anträge in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei sind die Denkmalschutzinteressen und die schützwürdigen privaten Eigentümerinteressen in einen gerechten Ausgleich zu bringen, wie es auch der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz des Eigentums verlangt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit dem Denkmalschutzgesetz keine grundsätzliche Entscheidung gegen die Beachtung ökologischer Belange getroffen hat. Eine generelle Bewertung etwa dahingehend, dass eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach eines denkmalgeschützten Gebäudes in jedem Fall unzulässig ist, wäre rechtlich nicht vertretbar. Daher haben die Denkmalschutzbehörden im Rahmen ihrer Entscheidung unter Ausschöpfung aller technischen und gestalterischen Möglichkeiten zu versuchen, möglichst beiden widerstreitenden Anliegen angemessen Rechnung zu tragen. Dabei spielen insbesondere folgende Kriterien eine maßgebliche Rolle: Anbringungsort und Anbringungsart (Einsehbarkeit), Größe und Gestaltung der Anlage, Farbe, Kontrastwirkung. Oft kann durch die Wahl eines weniger empfindlichen Standortes, einer besseren gestalterischen Einbindung in die Gebäudeoptik oder Solarmodulen mit geringerer Kontrastwirkung beiden Belangen angemessen Rechnung getragen werden. Ist im Einzelfall kein ausgewogener, denkmalpflegerisch akzeptabler Kompromiss möglich, ist sorgfältig abzuwägen, welchem Gut der Vorrang einzuräumen ist. Bei der einzelfallbezogenen Beurteilung der Frage, welche Beeinträchtigung eines Kulturdenkmals im Rahmen einer Abwägungsentscheidung noch hinzunehmen ist, ist einerseits nach dem Denkmalwert und dem jeweiligen Schutzgrund des Baudenkmals zu differenzieren. Des Weiteren spielt hier die Schwere der Beeinträchtigung des Kulturdenkmals eine Rolle. Auf der ande- 2 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 14 / 4312 ren Seite sind bei der Interessenabwägung nicht nur die privaten Interessen zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, dass der Nutzung der Sonnenenergie ein hoher Stellenwert beigemessen wird und es sich bei der Installation einer Fotovoltaikanlage um eine reversible Maßnahme handelt. Darüber hinaus hat die Bedeutung der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich in den letzten Jahren ganz erheblich zugenommen. Ordnungsrechtliche Vorgaben und Förderprogramme sollen den Ausbau voranbringen. Auch diese Umstände können es sehr wohl rechtfertigen, jeweils in Relation zur Wertigkeit des geschützten Gebäudes auch Beeinträchtigungen des Erscheinungsbildes eines Kulturdenkmals hinzunehmen. Das Wirtschaftsministerium hat angesichts der zunehmenden Bedeutung der Thematik 2008 eine Arbeitsgruppe einberufen, um Beurteilungskriterien und Entscheidungshilfen für eine landesweit einheitlichere Verwaltungspraxis zu erarbeiten. Ergebnisse werden Ende des Jahres erwartet. 2. Sind ihr im Enzkreis denkmalgeschützte Gebäude bekannt, die mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet sind? Das Landratsamt Enzkreis hat bei entsprechender Verträglichkeit der geplanten Fotovoltaikanlage mit dem denkmalgeschützten Gebäude in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe verschiedene Fotovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden unter Anwendung der unter Ziffer 1. genannten Abwägungskriterien genehmigt. Als Beispiele aus der letzten Zeit können die Fotovoltaikanlagen im Scheunenbereich des denkmalgeschützten Ensembles der Staatsdomäne Elfinger Hof in Maulbronn oder auf dem Dach des denkmalgeschützten Gebäudes am Marktplatz in Wiernsheim genannt werden. 3. Unterscheidet der Denkmalschutz bei der Bewertung, ob eine bauliche Veränderung statthaft ist, zwischen solchen denkmalgeschützten Gebäuden, die zweckentfremdet genutzt werden und die ursprüngliche Architektur an frühere Gesellschaftsformen und Lebensweisen nur erinnert und Gebäuden, wie z. B. Kirchen, die auch heute noch ihrem ursprünglichen Zweck dienen? Auch der gegenwärtigen Nutzung kann im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung nach den unter Ziffer 1. genannten Abwägungskriterien im Einzelfall eine maßgebliche Bedeutung zukommen. 4. Wie bewertet sie das Vorhaben der Evangelisch-Lutherischen SiloahGemeinde in Ispringen im Enzkreis, eine Fotovoltaikanlage auf dem Kirchdach zu errichten, vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Klimaschutzes einerseits und der in Frage drei formulierten Abwägung andererseits? Im Juli 2008 hat die Evangelisch-Lutherische Siloah-Gemeinde Ispringen einen Antrag auf denkmalrechtliche Genehmigung zur Installation einer Fotovoltaikanlage auf dem dortigen Kirchengebäude, einem Kulturdenkmal i. S. d. § 2 DSchG, gestellt. Trotz mehrerer Vorgespräche ist es nicht gelungen, einen Kompromiss zu erzielen, den die Denkmalschutzbehörde und die Kirchengemeinde gleichermaßen mitgetragen hätten. Die Denkmalschutzbehörde geht davon aus, dass die Kirche der Siloah-Gemeinde in Ispringen auch aus künstlerischen Gründen ein Kulturdenkmal ist und das Erscheinungsbild daher in der Abwägung von erheblicher Bedeutung ist. Zudem ist das Kirchendach weithin über das Ortsbild hinweg sichtbar. Daher überwogen nach Auffassung der Denkmalschutzbehörde die denkmalschutzrechtlichen Belange die Eigentümerinteressen. Das Landratsamt Enzkreis hat deshalb den Antrag abgelehnt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 14 / 4312 Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben, über den das Regierungspräsidium Karlsruhe demnächst zu entscheiden haben wird. Pfister Wirtschaftsminister 4