M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Humorale Tumormarker Praxisorientierte Vorschläge für ihren effizienten Einsatz Christian Wolter1 Peter Luppa1 Jürgen Breul2 Ulrich Fink3 Axel-Rainer Hanauske4 Heinz Wolfgang Präuer3 Andreas Sendler3 Olaf Wilhelm5 Dieter Neumeier1 umormarker (TM) sind Substanzen, deren Auftreten beziehungsweise erhöhte Konzentration in Körperflüssigkeiten (humorale Tumormarker) beziehungsweise in oder auf Zellen (zelluläre Tumormarker) Rückschlüsse auf das Vorliegen, den Verlauf oder die Prognose einer bestehenden Tumorerkrankung ermöglichen. T Substanzklassen Als Tumormarker im engeren Sinne gelten die „klassischen“ Tumorantigene (zum Beispiel CEA, AFP); Tumormarker im weiteren Sinne sind auch bestimmte Enzyme (zum Beispiel Neuronen-spezifische Enolase [NSE] beim kleinzelligen Bronchialkarzinom), Hormone (zum Beispiel Kalzitonin beim medullären Schilddrüsenkarzinom) und bestimmte Proteine (zum Beispiel monoklonales Immunglobulin beim multiplen Myelom). Biochemisch gesehen handelt es sich überwiegend um Glykoproteine mit allerdings sehr heterogener Zusammensetzung und Molekulargewichten zwischen 30 und 400 Kilodalton (kD). In der Tabelle 1 werden Grunddaten zu Biochemie und Zusammensetzung der elf häufigsten am Klinikum rechts der Isar bestimmten Tumormarker dargestellt. Zusätzlich sind in dieser Tabelle die klassischen Angesichts der Einführung fachabteilungsbezogener Budgets mit dem Gesundheitsstrukturgesetz ist bei klinisch tätigen Ärzten ein verstärktes Interesse an einem effektiven und gleichzeitig rationellen Einsatz der begrenzten Finanzmittel festzustellen. Vor diesem Hintergrund gewinnen auch praxisnahe Orientierungshilfen für einen effizienten Einsatz von teuren Laborleistungen zunehmend an Bedeutung. Der vorliegende Beitrag stellt praxisorientierte Grundsätze für den sinnvollen Einsatz von Tumormarkerbestimmungen im Serum dar; Sie wurden von einem interdisziplinären Arbeitskreis für den Einsatz an einem onkologisch ausgerichteten Universitätskrankenhaus erarbeitet wurden. Hauptindikationsgebiete für den Einsatz des betreffenden Tumormarkers aufgeführt. Einsatzbereiche Grundsätzlich lassen sich fünf Einsatzfelder in der Onkologie unterscheiden: ! Früherkennung in Risikogruppen, ! Diagnostischer Einsatz, ! Therapieüberwachung, ! Rezidivfrüherkennung und ! Prognosestellung Wichtig ist es, sich dabei vor Augen zu halten, daß die meisten verfügbaren Tumormarker wegen fehlender Organ- und Tumorspezifität nicht geeignet für Früherkennung und Primärdiagnostik von Tumorleiden sind. Fast alle heute bekannten Tumormarker kommen auch im Serum Gesunder vor, zumeist jedoch 1 Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie / MRI (Direktor: Prof. Dr. med. Dieter Neumeier), Technische Universität München 2 Urologische Klinik und Poliklinik / MRI (Direktor: Prof. Dr. med. Rudolf Hartung), Technische Universität München 3 Chirurgische Klinik und Poliklinik / MRI (Direktor: Prof. Dr. med. Jörg Rüdiger Siewert), Technische Universität München 4 Abteilung für Hämatologie und Onkologie / MRI (Leiter: Prof. Dr. med. Johann Rastetter), Technische Universität München 5 Frauenklinik und Poliklinik/ MRI (Direktor: Prof. Dr. med. Henner Graeff), Technische Universität München A-3346 (46) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 nur in geringer Konzentration. Daher gelten in der Regel erst Konzentrationen oberhalb definierter Konzentrationsschwellen (Richtwerte) als Hinweis auf bestimmte Tumoren. Die derzeit verfügbaren Serumtumormarker eignen sich hauptsächlich für die Verlaufskontrolle und Rezidivfrüherkennung im Rahmen der Nachsorge bei bereits diagnostizierten Tumoren. Nutzungsproblematik Im klinischen Alltag ist jedoch die Versuchung groß, Tumormarker als nicht invasiven und im Vergleich zu invasiv-apparativen Techniken (wie Endoskopie) relativ preiswerten und schonenden Eingangstest bei Tumorverdacht anzusehen und dementsprechend frühzeitig im Rahmen des diagnostisch-therapeutischen Prozesses zu benutzen. Unter dem Druck der klinischen Routine unterbleiben deshalb allzu häufig angemessene Kosten/Nutzen-Betrachtungen unter Berücksichtigung der prädikativen Werte. Dabei sollten insbesondere die negativen Folgen eines undifferenzierten Einsatzes von Tumormarkern im Rahmen von „Vorsorgeuntersuchungen“ beziehungsweise sogenannten „Tumor-Screenings“ in NiedrigPrävalenz-Situationen nicht unterschätzt werden. Zu beachten sind einerseits die psychische Belastung des Patienten angesichts (gegebenenfalls falsch) ho- M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG her Tumormarkerwerte (mit entsprechend niedrigem Vorhersagewert) und andererseits die Gefahr diagnostischer Fehlschlüsse und erheblicher Folgekosten, die sich bei mißbräuchlichem die Notwendigkeit der Erstellung von Standardkurven und einen notwendigen hohen Aufwand für qualitätssichernde Maßnahmen, ist diese Technik mit erheblichen Kosten verbunden. Tabelle 1 Tumormarker – Biochemie und Hauptindikationsgebiete Tumormarker Biochemie Hauptindikationsgebiet CEA Glykoprotein (MW 180 kD), Kohlenhydratanteil 45–60% Kolorektales Karzinom Mammakarzinom AFP Glykoprotein (MW 70 kD), Kohlenhydratanteil 4% Hodentumoren Leberzellkarzinom CA 125 Glykoprotein (MW 200 kD), Kohlenhyd. 25%, mAb OC 125 Ovarialkarzinom CA 19-9 Glykolipid (MW 36 kD), Hapten der Lewis-a-Blutgruppendeterm. Pankreaskarzinom Gallenwegskarzinom CA 72-4 Mucinähnliches Glykoprotein „TAG 72“ (MW bis 400 kD) Magenkarzinom Ovarialkarzinom CA 15-3 Glykoprotein (MW 300 kD)der Milchfettmembran-Muzin-Familie Mammakarzinom PSA Glykoprotein (MW 33 kD), Kallikrein-verwandte Serinprotease Prostatakarzinom hCG Glykoproteohormon, 2 Untereinheiten (a/b-Kette: MW 14/24 kD) Keimzelltumoren Trophoblasttumoren NSE Glykolytisches Enzym, Isoform der Enolase (MW 87 kD) Kleinzelliges Bronchialkarzinom Neuroendokrine Tumoren SCC Glykoprotein (MW 42 kD), Tumorantigen-4-Isoantigen Plattenepithelkarzinom Cyfra 21-1 Cytokeratin-19-Fragment (MW 30 kD) Nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom MW 5 Molekulargewicht, kD 5 Kilodalton Einsatz von Tumormarkern für Screening- und Diagnosezwecke ergeben können. Die Folgen eines ungezielten Einsatzes von Turmormarkern können für den Patienten gravierend sein. Kostenaspekte Die Bestimmung der humoralen Tumormarker erfolgt in der Regel mit Ligandenassays, früher radioimmunologisch (RIA oder IRMA), heute zunehmend mit nichtradioaktiver Markierung. Bedingt unter anderem durch Die Analysenkosten schwanken je nach beantragtem Tumormarker und gegebener Serienlänge. Sie liegen bei guter Auslastung im Bereich zwischen 10 und 50 DM pro Tumormarker. Überschlagsmäßig können die Testkosten pro Tumormarker auf durchschnittlich 30 bis 40 DM veranschlagt werden. Bei kurzen Serienlängen können die Kosten jedoch erheblich höher liegen. Dementsprechend liegen die abrechnungsfähigen Preise für TM fünfbis zehnfach so hoch wie die Preise von naßchemisch ermittelten Rou- tinekenngrößen, wie etwa Serumelektrolyten oder Leberenzymen (Beispiel: GOÄ-Wert für PSA: 34,20 DM, GOÄ-Wert für Kreatinin: 4,56 DM). Bei entsprechender „Nachfrage“ entstehen deshalb auch erhebliche Kosten. In den beiden Jahren 1994 und 1995 wurden vom Institut für Klinische Chemie des Klinikums rechts der Isar jeweils ungefähr 25 000 Tumormarkerwerte im Rahmen der routinemäßigen Krankenversorgung bestimmt. Die Kosten für Tumormarkerbestimmungen sind ein wesentlicher Bestandteil der gesamten Laborkosten an unserem Klinikum. Dies ist kein Einzelfall. Ähnliche Verhältnisse herrschen auch an anderen Krankenhäusern höherer Versorgungsstufen. Effizienter Einsatz von Tumormarkern Es ist anzunehmen, daß gerade Kliniken der höheren Versorgungsstufen bezüglich der Etablierung labordiagnostischer Standards eine gewisse Vorbildfunktion für kleinere Krankenhäuser und die niedergelassenen Ärzte innehaben. Gerade deshalb halten wir es für lohnend und dringend angezeigt, daß von dieser Seite aus die gängige Routine beim Tumormarkereinsatz in regelmäßigen Abständen für ein breiteres Fachpublikum dargestellt und vor dem Hintergrund des aktuellen Tumormarker – Fahrplan für Folgebestimmungen Therapieüberwachung: 1. Ausgangswert vor Therapiebeginn/-wechsel bestimmen 2. Folgebestimmungen, falls Ausgangswert > Richtwert 3. Planung der Folgebestimmungen unter Berücksichtigung der biologischen Eliminationshalbwertszeiten Nachsorge zur Rezidivfrüherkennung: 1. routinemäßige Folgebestimmungen laut Nachsorgekalender 2. zusätzliche Kontrollen steigender TM unter Berücksichtigung der aktuellen Konzentration und der biologischen Halbwertszeit des betreffenden Markers Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 (47) A-3347 M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Wissens kritisch hinterfragt und sachgerecht begründet wird. Dementsprechend werden im folgenden zunächst die wichtigsten praktischen Grundregeln für den effizienten Einsatz von Tumormarkern dargestellt. Es handelt sich dabei um relativ Verlaufsbeurteilung mit Tumormarkern Wichtige Kriterien 1 Eliminationshalbwertszeit des TM 1 Individuelle biologische Varianz 1 Interassay-Präzision 1 verwendetes Testbesteck Abweichung vom Vorwert (Faustregeln) < 15% Bereich der analytischen Varianz < 30% Graubereich, gegebenenfalls zusätzliche Verlaufskontrolle bei entsprechender Klinik > 30% gegebenenfalls Verlaufskontrolle unter Berücksichtigung der biologischen Eliminationshalbwertszeit grobe, jedoch in der klinischen Praxis bewährte Faustregeln. Für einen differenzierteren Einblick in die Anwendung von Tumormarkern verweisen wir auf die Literatur (1, 2, 3, 7, 13, 16) Tabelle 2 Richtwerte und Eliminationshalbwertszeiten Tumor- Richtwert marker Halbwertszeit (biologisch) CEA 2–8 Tage < 3 ng/ml CA 125 < 35 U/ml 5 Tage AFP < 9 IU/ml 5 Tage hCG < 2 mIU/ml 12–36 Stunden PSA < 4 ng/ml* 2–3 Tage * altersspezifische Richtwerte! und auf die Empfehlungen der Tumorzentren zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Tumorerkrankungen in ihrer jeweils aktuellen Fassung. Sinnvoller Einsatz von Tumormarkern Die Durchführung eines Tumormarkertests ist grundsätzlich nur dann sinnvoll, wenn aus dem Ergebnis der Tumormarkerbestimmung Konsequenzen für die weitere Behandlung oder Betreuung des Patienten gezogen werden. Nicht indiziert sind Tumormarkerbestimmungen – auch bei erhöhten Vorwerten –, wenn schon vor der Testdurchführung feststeht, daß die Tumormarkerwerte keine Konsequenz für die weitere Diagnostik und/oder Behandlung des Patienten haben! In jedem Fall ist es sinnvoll, vorab zu versuchen, individuell den potentiellen Nutzen und auch den potentiellen Schaden abzuschätzen, der sich in einer definierten Anwendungssituation für den Patienten aus der Durchführung eines bestimmten Tumormarkertests ergeben kann. Folgebestimmungen von TM Wichtig ist insbesondere die Bestimmung der Ausgangswerte der indizierten TM vor Therapiebeginn. Nur so kann gegebenenfalls die Wirkung einer Therapie anhand der TMVerläufe sachgerecht beurteilt werden. Beim weiteren Vorgehen ist zu unterscheiden zwischen den Einsatzbereichen Therapieüberwachung einerseits sowie Nachsorge und Rezidivfrüherkennung andererseits (Textkasten Tumormarker – Fahrplan für Folgebestimmungen). Ist ein Tumormarker bereits initial negativ, so ist die Frage zu stellen, ob und inwieweit die weitere Bestimmung dieses Markers sinnvoll ist. In der Regel wird es im Rahmen der Therapieüberwachung nicht sinnvoll sein, einen negativen Marker weiterzuverfolgen. Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Beispiel: Hodentumorrezidive können sich mit einer veränderten Histologie manifestieren und trotz ursprünglich negativer AFP- und/oder hCG-Werte markerpositiv sein. Zudem sind Mischformen von Keimzelltumoren relativ häufig, und die einzelnen histologischen Komponenten dieser Mischtumoren können unterschiedlich chemoresistent sein. Es ist möglich, daß A-3348 (48) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 im Verlauf einer Chemotherapie bestimmte maligne Zellklone eliminiert werden, während andere weiter proliferieren, beziehungsweise daß durch Chemotherapie ein Wechsel der Tumorhistologie induziert wird. Deshalb kann es für den Patienten vorteilhaft sein, wenn die Marker AFP und hCG nicht erst im Rahmen der Nachsorge, sondern bereits zur Therapieüberwachung, unabhängig von der Höhe der prätherapeutischen Werte, immer kombiniert bestimmt werden. Ausschlaggebend ist, daß bei Einflußgrößen und Störfaktoren allgemein 1 Postoperativer Verdünnungseffekt (durch Blutverlust) 1 Freisetzung durch Therapie (z. B. Chemotherapie) 1 Heterophile Antikörper (z. B. HAMA) verfahrensspezifisch 1 CEA Raucher mit Werten bis 20 ng/ml 1 PSA Manipulationen im Prostatabereich (z. B. Blasenspiegelung, transurethraler Katheter) 1 NSE Hämolyse, Standzeit (Zentrifugation binnen 1 Stunde) 1 CA 19-9 Cholestase (GGT hoch!), nicht nachweisbar bei Lewis-a/bNegativen (3–10% der Bevölkerung) 1 CA 125 Aszites, Leberzirrhose, postoperative peritoneale Reizzustände, Endometriose, Menstruation 1 SCC Dermatosen, Nephropathien Hodentumoren wirksame Therapieoptionen zur Verfügung stehen! Anders stellt sich die Situation beim Mammakarzinom dar. Es ist sinnlos, bei einem kurativ operierten Mammakarzinom mit initial negativem CEA und CA 15-3 während der nachfolgenden Strahlentherapie diese Kenngrößen zu Zwecken der Therapiekontrolle zu bestimmen. Auch bezüglich der Verwendung dieser Marker im Rahmen der Nachsorge sollte man sich kritisch die Frage stel- M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG len, welche Vorteile Früherkennung eines Rezidives durch Beobachtung eines Tumormarkeranstieges der betreffenden Patientin bringt. Biologische Eliminationshalbwertszeiten Von zentraler Bedeutung für einen effektiven und rationellen Einsatz von Tumormarkern ist die Kenntnis der biologischen Eliminationshalbwertszeiten. Die Kenntnis der biologischen Halbwertszeit ermöglicht es, po- Praxis nicht ohne weiteres möglich (idealerweise mittels engmaschig durchgeführter, postoperativer Bestimmungen bei kurativ operierten Patienten mit präoperativ erhöhten Tumormarkern!). Deshalb finden sich zum Beispiel für die Halbwertszeit von CEA in der Literatur sehr unterschiedliche Angaben. Die Gründe dürften einerseits in der Heterogenität der CEA-Isoantigene, andererseits in den unterschiedlichen Untersuchungsansätzen und Patientengruppen zu suchen sein, die zur Er- (bei höheren Konzentrationen im Linearitätsbereich etwa fünf Prozent). Bei der Beurteilung von individuellen Tumormarkerverläufen ist zusätzlich die individuelle biologische Varianz zu berücksichtigen (18). Für diese muß man gegebenenfalls deutlich höhere Schwankungsbreiten als für die analytische Präzision veranschlagen. Im Textkasten Verlaufsbeurteilung sind grobe Faustregeln zur Beurteilung der Signifikanz von Abweichungen gegenüber dem Vorwert angegeben. Tumormarker bei gastrointestinalen Tumoren Tumormarker bei gynäkologischen Tumoren Früherkennung AFP zur Früherkennung eines hepatozellulären Karzinoms bei: – chronisch aktiver Hepatitis (halbjährlich) – Leberzirrhose (halbjährlich) – Gesunden mit positivem HBsAg oder Anti-HCV (jährlich) Diagnostischer Einsatz – Verdacht auf hepatozelluläres Karzinom AFP – Verdacht auf neuroendokrinen Tumor (APUD) NSE Früherkennung Keine sinnvolle Anwendung von Tumormarkern! Therapieüberwachung und Rezidivfrüherkennung 1 1 Klinisch sinnvoll – Kolorektales Karzinom – Hepatozelluläres Karzinom – Neuroendokriner Tumor (APUD) Therapieüberwachung und Rezidivfrüherkennung CEA AFP NSE Klinischer Nutzen fraglich – Ösophaguskarzinom CEA + SCC – Magenkarzinom CA 72-4 + CEA + CA 19-9 – Gallenwegskarzinom CA 19-9 + CEA – Pankreaskarzinom CA 19-9 + CEA – Kolorektales Karzinom CEA + CA 19-9 – Analkarzinom CEA + SCC stoperative Folgebestimmungen in Abhängigkeit von der Höhe der Initialwerte vernünftig zu planen. Die tatsächlich beobachteten Halbwertszeiten sollten bei kurativen Tumorresektionen im Bereich beziehungsweise unterhalb der biologischen Halbwertszeit des betreffenden Markers liegen. Sie können außerdem bei Chemotherapien fortgeschrittener Tumorstadien prognostische Hinweise liefern (5, 10, 12). In Tabelle 2 sind neben den Richtwerten die Halbwertszeiten der unter dem Gesichtspunkt des klinischen Nutzens und der Nachfrage derzeit wichtigsten Tumormarker aufgeführt. Die Bestimmung biologischer Eliminationshalbwertszeiten ist in der Diagnostischer Einsatz Nur bei Vorliegen richtungsweisender Befunde (inspektorisch, Tastbefunde, Mammographie, Vaginalsonographie)! – Verdacht auf metastasiertes Mammakarzinom CA 15-3 – Verdacht auf Ovarialkarzinom (postmenopausal) CA 125 1 1 Klinisch sinnvoll – Mammakarzinom – Ovarialkarzinom CA 15-3 + CEA*) CA 125 **) Klinischer Nutzen fraglich – Zervixkarzinom – Corpuskarzinom SCC + CEA CA 125 + CA 19-9 *) + CA 125 bei Verdacht auf viszerale, pulmonale oder pleurale Metastasierung **) + CA 72-.4 und/oder + CA 19-9 bei CA 125-negativem Ovarialkarzinom mittlung der Halbwertszeit herangezogen wurden (unter anderem auch Patienten mit Zustand nach Lebermetastasenresektion!). Verlaufsbeurteilung mit Tumormarkern Bei der Planung von Verlaufskontrollen sind neben den Eliminationshalbwertszeiten auch die analytische und biologische Varianz sowie das verwendete Testbesteck zu berücksichtigen. Bezüglich der analytischen Präzision muß im Bereich der Entscheidungsgrenzen mit InterAssay-Variationskoeffizienten von bis zu 15 Prozent gerechnet werden Von großer praktischer Bedeutung ist die Beachtung des verwendeten Testbesteckes. Wenn zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Verlauf unterschiedliche Testkits zur Bestimmung eines Tumormarkers eingesetzt werden, hat man bei signifikanten Abweichungen praktisch immer Probleme mit der Interpretation. Bei Angabe gleicher Cutoffs (zum Beispiel 37 U/ml für CA 19-9) und trotz Verwendung gleicher Antikörper liefern Testkits unterschiedlicher Hersteller für ein und dieselbe Serumprobe oft stark abweichende Ergebnisse von normalen bis zu hochpathologischen Werten. Dies gilt insbesondere – aber nicht nur – für die CA 19-9-Bestimmung. Selbst Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 (51) A-3349 M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG für relativ neue Kenngrößen wie das im Serum auftreten können. Insbe- wichtige verfahrensspezifische Einprostataspezifische Antigen (PSA) sondere können postoperativ zusätz- flußgrößen (Textkasten: Einflußgröwerden ausgeprägte Unterschiede lich erhöhte CA 125-Konzentratio- ßen und Störfaktoren). zwischen den Testkits unterschiedli- nen gemessen werden, die Ausdruck cher Hersteller beobachtet (18). Ursa- einer peritonealen Reizung beziechen für abweichende Ergebnisse bei hungsweise des Heilungsprozesses Spezielle Empfehlung der Bestimmung ein und derselben des Peritoneums sind. für wichtige Kenngröße (zum Beispiel PSA oder Andererseits können nach opeTumorerkrankungen CA 19-9) aus der gleichen Probe mit rativen Tumorresektionen, bei denen In den Textkästen sind beispielverschiedenen Immunoassays liegen starke Blutverluste auftraten beziebegründet in Unterschieden im Te- hungsweise Bluttransfusionen vorge- haft Vorschläge für den Einsatz von staufbau hinsichtlich: nommen wurden, im Sinne eines Serumtumormarkern bei den wichtig! Auswahl und/oder Anordnung der Verdünnungseffektes postoperativ sten Tumorerkrankungen in folgenverwendeten Antikörper, gegenüber dem präoperativen Ni- den vier Bereichen aufgeführt: 1 Gastrointestinaltrakt, ! Detektionsverfahren (zum Beiveau stark verminderte TM-Konzen1 Gynäkologie, spiel RIA versus Lumineszenz), trationen gemessen werden. Zusätz1 Urologie und ! Anfälligkeit gegenüber individulich sind heterophile Antikörper als 1 Lunge und Mediastinum. ellen Störgrößen (zum Beispiel Störfaktoren in Betracht zu ziehen. Von der aktuellen NutzungsproHAMA – humane Antikörper Die bekanntesten und im Zusamgegen Maus-Immunglobuline). menhang mit Tumormarkern wohl blematik her stehen diese Bereiche an In diesem Bereich bemühen sich auch am häufigsten genannten sind unserem Klinikum im Vordergrund. nationale und internationale Gremi- die sogenannten HAMA, humane Sie sind auch anderenorts wesentliche en zwar inzwischen um eine Standar- Antikörper gegen Maus-Immunglo- Bereiche der ambulanten Nachsorge. Die Untergliederung in die Anwendisierung und damit Angleichung der buline. Testkits (17, 19, 20), aber bis diese Im Rahmen einer vorausgegan- dungsbereiche Früherkennung und Bemühungen auf breiter Front grei- genen Immunszintigraphie oder Im- Diagnoseunterstützung einerseits sofen, werden sicher noch einige Jahre muntherapie verabreichte Maus-Im- wie Therapieüberwachung und Rezivergehen. Wichtig ist deshalb: Immer munglobuline können beim betref- divfrüherkennung andererseits soll jeweils den unterschiedliin Erfahrung bringen, mit chen klinischen Stellenwert welchem Testkit (Herstelder Tumormarker in Nachler) die jeweiligen TM-Er- Tumormarker bei urologischen Tumoren sorge und Therapiekontrolgebnisse ermittelt wurden. Früherkennung Idealerweise sollte das kli- PSA-Bestimmung (kombiniert mit digital-rektal durchge- le gegenüber den AnwenFrühernisch-chemische Labor die führter Untersuchung) einmal pro Jahr zur Früherkennung dungsbereichen Herstellerangabe routi- eines Prostatakarzinoms bei Männern ab dem 50. Lebens- kennung und Diagnostik nemäßig verfügbar machen jahr (Blutentnahme vor beziehungsweise maximal 15 Mi- hervorheben. Zusätzlich haben wir (zum Beispiel über Verfah- nuten nach digital-rektal durchgeführter Untersuchung!) versucht, den Wert der einrenslisten oder auf den Be- Diagnostischer Einsatz zelnen Tumormarker und funden selbst). – Verdacht auf Prostatakarzinom PSA Markerkombinationen bei ) – Verdacht auf Hodentumor AFP + hCG* C Einflußgrößen und bestimmten TumorerkranTherapieüberwachung und Rezidivfrüherkennung Störfaktoren kungen im Rahmen der Therapieüberwachung und 1 Klinisch sinnvoll Zu unterscheiden ist Nachsorge zu verdeutli– Prostatakarzinom PSA zwischen allgemeinen Einchen. Den als „klinisch ) – Hodentumor AFP + hCG + LDH* flußgrößen und Störfaktosinnvoll“ beurteilten Anren einerseits und verfah- 1 Klinischer Nutzen fraglich wendungen, wie zum Bei– metastasiertes Seminom NSE (zusätzlich) rensspezifischen andererspiel der NDE-Bestimseits (Textkasten Einfluß- *) bei Verdacht auf Hirnmetastasen gegebenenfalls parallele Bestimmung beim kleinzelligen mung von AFP, hCG und NSE im Liquor und Serum größen und Störfaktoren). Bronchialkarzinom, stellen Bei Verlaufskontrollen wir unter „Klinischer Nutzur Erfassung eines TMzen fraglich“ solche TumorAbfalls nach Therapie sollte berück- fenden Patienten die Bildung von marker(kombinationen) gegenüber, sichtigt werden, daß unmittelbar nach HAMA induzieren. Bei Tumormar- die zwar häufig beantragt werden, die Tumorresektion beziehungsweise kertestsystemen, die monoklonale aber hinsichtlich ihrer Kosten/Nutnach Chemotherapie oder Strah- Maus-Antikörper verwenden, kön- zen-Relation nur unzureichend unterlentherapie durch Freisetzung von nen diese HAMA je nach Testaufbau sucht sind. Die routinemäßige VerTM aus zerfallendem Tumorgewebe zu falsch hohen oder falsch niedrigen wendung außerhalb klinischer Studiinitial über das prätherapeutische Ni- Meßwerten führen. Neben diesen all- en erscheint uns deshalb zur Zeit veau hinaus erhöhte Konzentrationen gemeinen Faktoren gibt es einige nicht indiziert. A-3350 (52) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Einsatz von Tumormarkern chender Zurückhaltung Indikationen für das gesamte bei uns verfügbare Tumormarkerspektrum. Seit Ende September 1995 sind sie im Klinikum rechts der Isar eingeführt und an alle Stationen und Polikliniken des Klinikums verteilt worden. Sie haben Empfehlungscharakter und sollen im konkreten Einzelfall die Entscheidungsfreiheit des Klinikers nicht einengen. Dementsprechend werden in der täglichen Praxis an unserem Hause keine puristischen Forderungen nach stisch in Betracht kommende Erkrankungen frühzeitig Ausgangswerte für Am Klinikum rechts der Isar die Planung von Therapiemaßnahmen wurden Tumormarkerbestimmungen vorliegen). Wir legen jedoch Wert darzu Beginn der 90er Jahre insgesamt zu auf, daß initial negative Marker, die häufig und oftmals nicht hinreichend nicht in den Nachsorgeempfehlungen gezielt eingesetzt. Die Klinische Chedes Tumorzentrums aufgeführt sind, mie bestimmte in den Jahren 1991 nach der Diagnosesicherung bei den und 1992 jeweils ungefähr 40 000 betreffenden Patienten nicht weiterTumormarkerwerte. verfolgt werden. Vor diesem Hintergrund begann Das Zentrallabor fungiert hier das Institut für Klinische Chemie und als Kontrollinstanz, die die EntwickPathobiochemie ab Ende 1992/Anfang lung der Antragsprofile und Anforde1993, durch gezielte telefonirungsvolumina der einzelsche Rückfragen hinsichtlich nen Fachabteilungen kontiTumormarker bei Thoraxtumoren der Indikationsstellung (Dianuierlich beobachtet, so daß Früherkennung gnose, Fragestellung) und geeine schnelle und gezielte Keine sinnvolle Anwendung von Tumormarkern! gebenenfalls auch Streichung Reaktion auf grobe menoffensichtlich nutzloser Ungenmäßige Abweichungen Diagnostischer Einsatz tersuchungen mengenbemöglich ist. – Verdacht auf kleinzelliges grenzend auf die EntwickUm dauerhaft eine efBronchialkarzinom NSE lung einzuwirken. Im Jahresfektive und rationelle Nut– Verdacht auf neuroendokrinen vergleich 1992/94 zeigte sich zung von Tumormarkern zu Tumor (APUD) NSE ein Rückgang der Anzahl der erreichen, müssen den klini– DD von Mediastinaltumoren AFP + hCG + NSE TM-Bestimmungen um mehr schen Kollegen einerseits Therapieüberwachung und Rezidivfrüherkennung als ein Drittel, ohne daß Abdie analytischen Möglichstriche an der Versorgungskeiten der Klinischen Che1 Klinisch sinnvoll qualität beklagt wurden. Um mie auf dem Gebiet der Tu– Kleinzelliges diese Entwicklung zu konsomormarker transparent geBronchialkarzinom NSE lidieren und um an unserem macht werden und anderer– Neuroendokriner Tumor (APUD) NSE Haus einen noch gezielteren seits die engen Grenzen die– Keimzelltumor im und damit auch zurückhalser Kenngrößen hinsichtlich Mediastinum AFP + hCG + LDH tenderen Einsatz von Tumordes klinischen Nutzens aufmarkern zu fördern, setzte gezeigt werden. Dies ist in 1 Klinischer Nutzen fraglich die Laborkommission des der Breite jedoch nur im – Nichtkleinzelliges Klinikums im Frühjahr 1994 Rahmen eines allmählichen Bronchialkarzinom Cyfra 21-1 + CEA einen interdisziplinär besetzProzesses über mehrere Jahten Arbeitskreis zur Erarbeire erreichbar. Wir möchten tung von Empfehlungen für den Ein- einem Nachweis der Kosteneffekti- die 1997 anstehende Aktualisierung satz von Tumormarkern ein. Von An- vität einer bestimmten Tumormarker- unserer Leitlinien nutzen, um in diefang an bestand unter den Mitgliedern kombination erhoben. Vielmehr wer- sem Sinne unter anderem: unseres Arbeitskreises Einigkeit da- den zugunsten der Akzeptanz vor Ort !die derzeit noch immer umhingehend, daß aufgrund der derzeit solche Überlegungen bei Einzelfällen strittene Indikationsstellung für die verfügbaren Daten zu Kosten/Nutzen- zurückgestellt. Es wird auch in Kauf Gesamt-PSA-Bestimmung zur FrühRelationen ein tatsächlicher Patien- genommen, daß einzelne onkologi- erkennung des Prostatakarzinoms (8, nutzen mit hinreichender Sicherheit sche Stationen und Spezialambulan- 14, 15), nur für die Tumormarker AFP, hCG zen statt der im Prinzip wünschens!die Rolle des freien PSA in der und PSA (urologische Indikationen) werten zeitgerechten Einbindung der Früherkennung und Diagnostik des sowie – deutlich zurückhaltender – für Tumormarker in eine Stufendiagno- Prostatakarzinoms (6, 11) sowie CA 125 (Ovarialkarzinom) und – in stik (zum Beispiel Bestimmung von !die Rolle der PLAP (plazentaEinzelfällen – für den Marker NSE an- CA 72-4 und/oder CA 19-9 nur nach re alkalische Phosphatase) bei semigenommen werden kann. Die jahre- Diagnosestellung bei einem CA 125- nomatösen Hodentumoren zu diskulang „geübte Praxis“ an unserem Kli- negativen Ovarialkarzinom) aus orga- tieren. nikum ließ es jedoch nicht realistisch nisatorischen Gründen breitere Paerscheinen, den Klinkern lediglich ei- nels bereits im Rahmen der Diagnosene solche, als „Minimalkonzept“ emp- sicherung beantragen (wie die KombiSchlußfolgerungen fundene, Empfehlung an die Hand zu nation CA 125 + CA 72-4 + CA 199-9 Ein kontinuierlicher, interdiszigeben. + CEA bei begründetem Verdacht auf Unsere „Tumormarker-Leitli- ein Ovarialkarzinom, um sicherzustel- plinärer Dialog zwischen klinischen nien“ beschreiben daher mit entspre- len, daß auch für differentialdiagno- Fächern und Labor ist notwendig, um Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 (53) A-3351 M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT Grundsätze für einen effektiven und gleichermaßen rationellen Einsatz von Tumormarkern zu erarbeiten und weiterzuentwickeln. Damit die gemeinsam erarbeiteten Vorschläge vor Ort in der klinischen Routine zur Anwendung kommen, ist zu gewährleisten, daß sie in übersichtlicher, schriftlicher Form vorliegen und verfügbar sind. Darüber hinaus sollten die Vorschläge regelmäßig aktualisiert werden (zum Beispiel alle zwei Jahre) und vom Kliniker und dem Labor in der klini- schen Routine aktiv beachtet werden. Leitlinien, die in dieser Weise sachgerecht und konsensfähig implementiert sowie regelmäßig aktualisiert und auch konzeptionell fortentwickelt werden, können die Kommunikation zwischen Klinikern und Labor sowie unter den Klinikern verbessern. Hiermit könnte ein wichtiger Beitrag zu einer verbesserten Ressourcenallokation zum Nutzen der Patienten geleistet werden (4, 9, 21). Arbeitslos und krank – schichtenspezifisch Auch in Großbritannien gibt es einen jährlichen „Mikrozensus“, in dem eine Unzahl von Daten erhoben und gesammelt werden. Aus diesem Material haben zwei Autoren versucht herauszufinden, wie weit eine chronische Krankheit die Gefahr mit sich bringt, arbeitslos zu werden, und zwar jeweils für vier soziale Schichten. In der „obersten“ Schicht finden sich die Freiberufler und die Manager; es folgen die mittleren und die jüngeren Angestellten, dann die Facharbeiter und schließlich die an- oder ungelernten Arbeiter und das Dienstpersonal. Untersucht wurde der Zeitraum von 1973 bis 1993. Am Beginn betrug die Arbeitslosenzahl eine Million; sie stieg bis 1986 auf über drei Millionen, sank bis 1989 auf 1,6 Millionen und stieg dann wieder allmählich an. Berücksichtigt wurden in der Studie nur Männer. In allen Gruppen fiel in den zwanzig Jahren die Beschäftigtenquote insgesamt – bei den „Managern“ von 97 auf 93 Prozent, bei den Ungelernten von 91 auf 70 Prozent, mit einem gewissen Auf und Ab. Bei den Gruppen 1 und 2 waren die Unterschiede zwischen Gesunden und den chronisch Kranken jedoch nicht sehr groß: elf bis zwölf Prozentpunkte zu Beginn, um die fünfzehn am Ende der Beobachtungsperiode. Auffällig ist, daß die Kurven der Beschäftigtenquoten bei den chronisch Kranken große Zacken nach unten und nach oben aufweisen, während sie bei den Gesunden gleichmäßig verlaufen. Bei den beiden Arbeitergruppen hingegen klafft die Quote der Beschäftigten in den zwanzig Jahren immer weiter auseinander: von 20 bis 25 Prozentpunkten am Anfang auf 30 bis 40 Prozentpunkte. Ganz anders wird das Bild jedoch, wenn man die Arbeitslosenquote betrachtet: Hier laufen die Kurven von Gesunden und Kranken weitgehend parallel. Dieses Rätsel löst sich schnell, wenn eine weitere Kategorie herangezogen wird – die der „Inaktiven“: diejenigen, die entweder als Krankengeld-Dauerbezieher oder als Frührentner nicht mehr beim Arbeitsamt als für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehend registriert sind. Sie wurden im Lauf dieser zwanzig Jahre immer mehr, insbesondere bei den Arbeitern. Die chronisch Kranken wur- Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1996; 93: A-3346–3352 [Heft 50] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift für die Verfasser: Dr. med. Christian Wolter Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie Klinikum rechts der Isar Ismaninger Straße 22 · 81675 München den also in immer größerem Ausmaß aus dem Arbeitsmarkt gänzlich verdrängt. Eigenartigerweise haben es die Autoren in der Diskussion ihrer Studienergebnisse versäumt, auf die Veränderungen der industriellen Verhältnisse ihres Landes einzugehen, die die Arbeiterschaft natürlich ganz anders getroffen haben als den „Büro“-Sektor und bei den Arbeitern einen erheblich höheren Selektionsdruck erzeugt haben. bt Bartley, M, Owen C: Relation between socioeconomic status, employment, and health during economic change 1979–93. Brit Med J 1996; 313, 445–449 Mel Bartley, Social Statistics, Research Unit, City University, London EC1V OHB, Großbritannien Muß der Erfolg einer Helicobacterpylori-Therapie überprüft werden? Die Sanierung der Helicobacterpylori-Infektion ist zwischenzeitlich Standard beim Ulkuspatienten geworden, da nur durch eine antibiotisch-antisekretorische Kombinationstherapie eine Heilung der Ulkuskrankheit zu erreichen ist. Beim unkomplizierten Ulcus duodeni ist nach der vorliegenden Studie eine Überprüfung der Effizienz dieser Therapie nicht erforderlich, da eine Kontrollendoskopie relativ kostenintensiv ist und ein Atemtest nur begrenzt zur Verfügung steht. Die Autoren befragten sechs Monate nach Therapie 120 Patienten, bei denen eine Helicobacter-Therapie durchgeführt worden war, nach dyspeptischen Symptomen. Nur zwei von 80 Helicobacterpylori-Negativen klagten noch über A-3352 (54) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 Sodbrennen, während Helicobacterpylori-positive Patienten in 90,6 Prozent über epigastrische Beschwerden, Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Meteorismus klagten. Bei Patienten mit Ulkuskomplikationen (Blutung, Perforation), also Hochrisikopatienten, sollte der Erfolg der Eradikationstherapie immer überprüft werden. Auch für das Ulcus ventriculi, bei dem Kontrollbiopsien erforderlich sind, treffen die Empfehlungen der Autoren nicht zu. w Phull PS, Halliday D, Price AB, Jacyna MR: Absence of dyspeptic symptoms as a test for Helicobacter pylori eradication. Brit Med J 1996; 312: 349–350 Northwick Park Hospital, Harrow, Middlesex HA1 3UJ, Großbritannien