Stellenwert der In-vitro-Diagnostik beim Lungenkrebs

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Medizin | In-vitro-Diagnostik beim Lungenkrebs | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 49 • 04/2016
Stellenwert der In-vitro-Diagnostik beim Lungenkrebs
Dr. Thomas Muley und Prof. Dr. Felix JF Herth, Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg
fotolia/SZ-Designs
Hauptursache des
Lungenkarzinoms ist
mit über 80 % das
inhalative Rauchen.
Seit vielen Jahren ist Lungenkrebs eine der am
häufigsten diagnostizierten bösartigen Erkrankungen des Menschen. Weltweit gibt es jährlich
ca. 1,4 Millionen Neuerkrankungen. Im Jahr
2016 werden schätzungsweise über 50.000
Menschen in Deutschland diese Diagnose neu
erhalten. Lungenkrebs ist sowohl bei Männern
als auch bei Frauen eine der führenden krebsbedingten Todesursachen. Mit einer 5-JahresÜberlebensrate von unter 20 % hat Lungenkrebs
eine der schlechtesten Prognosen.1 Gezielte
therapeutische Ansätze, basierend auf der Analyse spezifischer Biomarker sowie der Einsatz
hochsensitiver diagnostischer Verfahren sollen
helfen, die Prognose von Lungenkrebspatienten zu verbessern. Wichtigste Säule für die
Erkennung, Beurteilung und Behandlung von
Lungenkrebs sind verschiedene bildgebende
Verfahren. Darüber hinaus kann die In-vitroDiagnostik (Gewebediagnostik, molekulare
Verfahren, Serummarker), insbesondere bei
der Therapieauswahl, der Prognose und der
Verlaufskontrolle, klinisch relevante Fragestellungen abdecken. Der Beitrag beschreibt den
derzeitigen Stellenwert der In-vitro-Diagnostik beim Lungenkarzinom und zeigt mögliche
zukünftige Potenziale auf.
4
Die Mehrzahl der Lungentumoren entwickelt sich aus den Zellen der Schleimhaut,
die die Bronchien auskleidet. Hauptursache
des Lungenkarzinoms ist mit über 80 % das
inhalative Rauchen. Das Erkrankungsrisiko
steigt mit der Dauer des Rauchens und der
Anzahl der konsumierten Zigaretten. Für
Aktivraucher ist das Lungenkrebsrisiko im
Vergleich zu Nichtrauchern etwa 20-fach
erhöht. Weitere Ursachen stellen das Passivrauchen und der Kontakt mit berufsbedingten Karzinogenen (z. B. Asbest, Quarzstäube,
Arsen, Chromate, Nickel, aromatische Kohlenwasserstoffe) sowie mit Umweltschadstoffen (z. B. Dieselruß, Feinstäube, Radon)
dar. Eine bessere Kenntnis der genetischen
Prädisposition könnte in Zukunft Risikopatienten identifizieren.2
Problematische Früherkennung
Lungenkarzinome verursachen in frühen Stadien selten Beschwerden und werden dann
meist zufällig bei radiologischen Routineuntersuchungen entdeckt. In der Regel führen
erst unspezifische Symptome wie anhaltender Husten, Atemnot, Abgeschlagenheit und
Gewichtsverlust zur Abklärung. Dann aller-
dings besteht meist eine bereits fortgeschrittene Krebserkrankung. Derzeit sind fast 70 %
der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung inoperabel und können lediglich in palliativen Therapieansätzen behandelt werden.
Klassische serologische Tumormarker wie
CEA, CYFRA 21-1, NSE, ProGRP oder SCC*
sind für Screening oder Früherkennung des
Lungenkarzinoms aktuell keine Alternative
– aufgrund ihrer mangelnden Organspezifität und infolge unzureichender diagnostischer Effizienz (Sensitivität, Spezifität) bei
geringer Prävalenz des Lungenkarzinoms in
der Allgemeinbevölkerung.
Dagegen wird derzeit geprüft, ob die sogenannte Niedrigdosis („low dose“) Computertomographie ein Verfahren darstellt, welches
eine frühe Detektion in Hochrisikogruppen
(z. B. Raucher) zulässt. Erste US-amerikanische Studien3 weisen darauf hin, Bestätigungsstudien werden in diesem Jahr publiziert.
Diagnose und Differentialdiagnose
Goldstandard für Diagnose und Differentialdiagnose aber auch für Staging, Therapiewahl
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und Verlaufskontrolle des Lungenkarzinoms
sind die bildgebenden Verfahren RöntgenThorax, Computertomografie (CT), Positronenemissionstomografie (PET), Magnetresonanztomografie (MRT) und Sonografie,
ergänzt durch histo- und molekularpathologische Untersuchungen (Abb. 1, 2).4,5
Die feingewebliche Einordung des Tumors
liegt in der Verantwortung des Pathologen.
Sie erfolgt in der Regel anhand von Gewebeproben, die bronchoskopisch, z. B. durch Zangenbiopsie, Kryobiopsie, Feinnadelbiopsie
oder aber unter CT-gesteuerter perkutaner
Nadelbiopsie gewonnen werden. Folgende
Fragen sind zu klären:
OEnthält die eingesandte Gewebeprobe
Tumorzellen? Wenn ja: Sind diese gutoder bösartig?
OWelche Krebsart liegt vor?
OWelchen Differenzierungsgrad hat der
Tumor (sogenanntes „Grading“)?
OWelche Hinweise auf die Wachstumsgeschwindigkeit ergeben sich?
OTragen die Krebszellen Merkmale, beispielsweise genetische Veränderungen
oder Bindungsstellen für Wachstumsfaktoren und Hormone?
Um möglichst sparsam mit den geringen
Geweberessourcen umzugehen, können
immunohistochemische Doppelfärbungen
mit spezifischen Antikörpern zur Erhebung
oder Bestätigung der histologischen Diagnose durchgeführt werden.6,7 Die histologische Typisierung folgt den Kriterien der
WHO/IARC (Tab. 1). Zielmoleküle für die
Differentialdiagnose sind:
OMarker des Adeno-CA:
Thyroid Transcription Factor (TTF)-1,
Cytokeratin (CK) 7, Napsin A
OMarker des Plattenepithel-CA: CK5/6,
p40, p63
ONeuroendokrine Differenzierung: CD56,
Synaptophysin, Chromogranin A, (NSE)
OProliferationsmarker: Ki67
Empfindliche molekulare Techniken („Next
Generation Sequencing“-Verfahren, Mikro-
Verdacht auf
Lungenkarzinom
CT Thorax/
Oberbauch
Bronchoskopie
Keine Fernmetastasen, potenziell
respektabel und
operabel?
ja
ja
Pleuraerguss?
Konservative
Therapie, ggf.
Pleurodese
ja
nein
nein
Thorakoskopie
nein
nein
PET-CT
Konservative
Therapie
Zytologie positiv?
ja
ja
Pleurakarzinose?
Fernmetastasen?
nein
Vd. auf kontralateralen Lymphknotenbefall?
ja
Endobronchialer oder endoösophagealer
Ultraschall mit Feinnadelbiopsie,
Mediastinoskopie oder VATS
nein
Stadium IIIA3
oder IIIA4
ja
N2-Status
prätherapeutisch
positiv?
nein
N3 positiv?
nein
Therapie gemäß
Algorithmus
NSCLC
Stadium IIIA
ja
Therapie gemäß
Algorithmus
NSCLC
Stadium IIIB
Therapie gemäß Algorithmus
NSCLC Stadium I/II bzw. bei
postoperativ vorliegendem
Stadium IIIA1 oder IIIA2 gemäß
Algorithmus NSCLC Stadium IIIA
Abb. 1: Empfohlener diagnostischer Ablauf beim Lungenkarzinom nach S3-Leitlinie
array-basierte Genexpressionsanalysen,
PCR-basierte Techniken, Analysen epigenetischer DNA-Veränderungen) erlauben
neuerdings die molekulare Analyse von
asservierten Gewebeproben und von zirkulierenden freien Nukleinsäuren (DNA,
RNA) oder Tumorzellen im Blut. Die Validität für einen Routineeinsatz im diagnostischen Repertoire muss sich in den nächsten
Jahren zeigen.
Mangels Organspezifität gibt es keine zirkulierenden klassischen Tumormarker, die
eine lokale Eingrenzung des Tumorgesche-
hens auf die Lunge erlauben. Ihr Stellenwert
in der Primärdiagnostik ist daher begrenzt.8
Dennoch können Tumormarkerpanel aus
CYFRA 21-1, CEA, SCC, NSE und proGRP
in Verbindung mit bildgebenden und histologischen Verfahren die Primärdiagnostik
unterstützen, z. B. bei der
ODifferenzierung zwischen maligner und
benigner Lungenerkrankung9
OTypisierung zwischen kleinzelligem
(SCLC) und nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC). Hier wird in jüngerer Zeit ProGRP als vielversprechender
Marker für SCLC diskutiert.9–11
5
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Bildgebung –
unverzichtbar für die
Erkennung, Beurteilung
und Behandlung von
Lungenkrebs.
Abb. 2: Darstellung von Lungenkarzinomen mit bildgebenden Verfahren (Quelle: Thoraxklinik
Heidelberg). (A) Röntgenbild mit Verdacht auf Tumor rechts, (B) CT mit Tumor im linken unteren
Lungenlappen mit (C) korrespondierendem PET, (D) Tumor endobronchial.
Stadieneinteilung
Nach der Diagnose „Lungenkarzinom“
erfolgt anhand der Tumorgröße und dem
lokalen Infiltrationsverhalten (T), der
Lymphknotenbeteiligung (N) und eventueller Fernmetastasen (M) die Einteilung in
ein Tumorstadium (TNM-Stadium). Das
Stadium ist der aussagekäftigste prognostische Faktor für den Patienten und leitet das
weitere therapeutische Vorgehen.
Subtyp
Varianten
Plattenepithelkarzinom
papillär
klarzellig
kleinzellig
basaloid
Adenokarzinom
azinär
papillär
lepidisch (Unterformen:
nicht-muzinös, muzinös,
gemischt-muzinös)
solides mit Schleimbildung
Großzelliges
Karzinom
großzelliges neuroendokrines Karzinom
basaloides Karzinom
Adenosquamöses
Karzinom
Kleinzelliges
Karzinom
Karzinoidtumor
Therapieselektion und -steuerung
In der klinischen Routine werden im Rahmen der Primärdiagnostik (s. o.) kleinzellige (SCLC) und nicht-kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC) unterschieden, was
auch die Therapieselektion steuert.
SCLC: In der Behandlung des rasch wachsenden und frühzeitig metastasierenden
SCLC ist eine Operation meist nicht zielführend. Hier stehen die primäre Chemound Strahlentherapie, simultan oder sequenziell im Mittelpunkt. Obwohl auch für das
SCLC in jüngster Zeit zahlreiche genetische
Veränderungen im Tumor als potenzielle
Zielstrukturen beschrieben wurden,13,14 gibt
es für diese Tumorentität noch keine zielgerichteten Therapien. Ein längerfristiges
Überleben stellt trotz aller Anstrengungen
eine Rarität dar, die meisten Patienten versterben innerhalb von zwei Jahren.
typisches
atypisches
Tab. 1: Histologische Subtypen des Lungenkarzinoms
6
Die serologischen Tumormarker steigen
mit zunehmendem TNM-Stadium generell
an. Die Ergebnisse mehrerer Studien lassen
allerdings nur die Aussage zu, dass hohe
Markerwerte in der Regel auf späte Stadien
hinweisen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt
sind deshalb klassische Biomarker zum Stadiieren nicht hilfreich.12
NSCLC: Im frühen Stadium (Ia–IIIa) des
NSCLC ist das Behandlungsziel die vollständige operative Enfernung des Tumors.
In gewissen Stadien lässt sich mittels adjuvanter Chemotherapie ein längerfristiger
Heilungserfolg erzielen. Hierfür könnte
die Selektion von Patienten mit erhöhtem Rezidivrisiko (ca. 30–60 %) hilfreich
sein. Für Tumormarker, wie z. B. CEA
und ­CYFRA 21-1, wurde ein diesbezüglicher Nutzen für die Therapiestratifizierung beschrieben (Abb. 3).15-17 Diese einfach zu bestimmenden Parameter können
gegenüber den alleinigen stadienbasierten
Modellen einen deutlichen Vorteil bei der
postoperativen Risikoklassifizierung liefern. Gewebebasierte Ansätze zur therapierelevanten Abschätzung eines Rezidivrisikos, z. B. Genexpressionsanalysen im Tumor,
haben zu einer Vielzahl unterschiedlicher
„Gensignaturen“ geführt, von denen sich
jedoch bisher keine in der täglichen Routine
etablieren konnte.18–21 Limitationen liegen in
den hohen technischen, analytischen und
bioinformatischen Anforderungen dieser
Verfahren.
Im fortgeschrittenen Tumorstadium (IIIa/b)
erfolgt ohne Vorliegen von Metastasen eine
Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie, im metastasierten Stadium oft
eine alleinige Chemotherapie. Die Therapiesteuerung inoperabler Patienten wird
meist durch die Ergebnisse der Histo- und
Molekularpathologie definiert.22 Insbesondere beim Vorliegen eines Adenokarzinoms
(Untergruppe des NSCLC) sind zusätzliche
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Weitere Ursachen
für Lungenkrebs:
Umweltschadstoffe und
berufsbedingter Kontakt
mit Karzinogenen.
molekulare Analysen am Tumorgewebe
sinnvoll. Hierbei kommen neben der Standard-Sequenzierung nach Sanger und der
Fluoreszenz In-situ-Hybridisierung (FISH)
zunehmend Next-Generation-Sequencing
(NGS)-Verfahren zum Einsatz, was die
gleichzeitige Mutationsanalyse mehrerer
Gene ermöglicht.
Überlebenswahrscheinlichkeit (%)
Da für zahlreiche Treibermutationen (EGFR,
EML4-ALK, ROS1, BRAF, cMET, usw.)
bereits selektive Wirkstoffe existieren, können die molekularpathologischen Ergebnisse
direkt zu zielgerichteten Therapien („Targeted Therapy“, „Precision Medicine“) füh-
Zeit (Monate)
Abb. 3: Überlebenswahrscheinlichkeit
operierter p-Stadium I-II NSCLC-Patienten
in Abhängigkeit vom Tumormarkerindex
(TMI) basierend auf prätherapeutischen
CYFRA 21-1- und CEA-Werten.15 Erhöhte
Werte eignen sich zur Empfehlung einer adjuvanten Chemotherapie. TMI ≤ 0,54 (n = 71,
schwarze Linie) TMI > 0,54 (n = 174, graue Linie)
ren.22,23 Das Cancer-Genome-Atlas-Projekt
(TCGA) (www.TCGA.gov) hat durch die
Sequenzierung aller wichtigen Tumorentitäten und Subhistologien einen wesentlichen
Beitrag geliefert, der die Diagnostik und
Therapie auch von Lungenkrebs zukünftig
schneller voranbringen wird.13,14,24–26
Auch neuere Ansätze in Richtung Immuntherapie des Lungenkarzinoms mittels
sogenannter „Checkpoint-Inhibitoren“
erfordern die Immunhistochemie. Parameter sind hierbei das „Programmed Death 1“
(PD1)-Protein oder die „PD-L1“ (Ligand 1)Antigenexpression im Tumorgewebe. Aktuell wird diskutiert, ab welchem Grad der
Gewebeexpression eine Therapie erfolgversprechend erscheint. Die Anwendung erfolgt
derzeit im Rahmen klinischer Studien.
Aktuelle Entwicklungen bedienen sich im
Rahmen der Therapieselektion des Nachweises spezifischer Mutationen durch sogenannte „Liquid Biopsy“ (besser: "Liquid
Profiling") im Blut**. Diese Methode ist derzeit noch in der Entwicklung, bietet jedoch
langfristig die Perspektive, herkömmliche
Gewebeanalysen in definierten Bereichen
der molekularen Tumorcharakterisierung
zu ersetzen.
Prognose
Wie oben erwähnt ist das TNM-Stadium
des Tumors der Prognoseparameter mit der
höchsten Aussagekraft. Neben klinischen
Faktoren wurde eine Vielzahl prognostisch
relevanter Biomarker unterschiedlicher
Substanzklassen beschrieben.27,28 Univariant
sowie multivariant angelegte Studien weisen
darauf hin, dass auch klassische Tumormarker zur Prognose des Tumorleidens herangezogen werden können.29
OB ei Patienten mit NSCLC haben das
mehreren Studien für CYFRA 21-1, CEA
oder deren Kombination gezeigt. Beispielsweise war in einer internationalen
Multicenter-Studie die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei normalen
prätherapeutischen CYFRA 21-1-Konzentrationen signifikant besser als bei
erhöhten Werten.30 Auch erhöhtes NSE
zeigt eine ungünstige Prognose an, vor
allem bei Patienten mit nachgewiesener
Fernmetastasierung.30
OB ei SCLC-Patienten sind die Höhe der
NSE- oder ProGRP-Spiegel sowie die
Aktivität der LDH mitverantwortlich für
die Prognose.9,31,32
Verlaufskontrolle
Eine potenzielle Hauptindikation für den
Einsatz der klassischen Tumormarker liegt
in der Verlaufs- und Therapiekontrolle. Die
Erfassung der Tumormarkerkinetik erlaubt
eine objektive Einschätzung der therapeutischen Effektivität. Das posttherapeutische Monitoring kann auf eine Änderung
des Tumorverhaltens hinweisen und der
7
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Früherkennung eines Rezidivs dienen. Die
Longitudinal-Beurteilung des Konzentrationsverlaufs serieller Markerbestimmungen ist ferner als differentialdiagnostisches
Kriterium bei symptomatischen Patienten
mit pathologischen Tumormarkerwerten
indiziert (Abb. 4–6).
Abhängig von der Primärhistologie empfiehlt sich
Ofür SCLC: NSE vermutlich in Kombination mit ProGRP und CEA
Ofür NSCLC: Cytokeratinmarker
(z. B. CYFRA 21-1, SCC) und CEA.
Abb. 4: Serielle CEA- und CYFRA 21-1-Analysen bei einem Patienten mit Adenokarzinom im
rechten Oberlappen. Nach kurativer Lobektomie und mediastinaler Lymphknotendissektion
(pT2N0M0/R0) fallen die Markerwerte in den Normbereich ab. Ca. 100 Tage nach Operation steigt
CYFRA 21-1 im Gegensatz zu CEA wieder an, um ein Plattenepithelkarzinom als Zweittumor im linken
Oberlappen anzuzeigen. Nach atypischer Segmentresektion und Lymphknotendissektion (pT1N1M0/
R0) fällt CYFRA 21-1 in Richtung Normbereich ab (Quelle: Thoraxklinik Heidelberg)
Leider gibt es es zum Thema Verlaufskontrolle wenige systematische Untersuchungen.
Erste Ergebnisse einer internationalen prospektiven Multicenterstudie zu ProGRP als
Monitoring-Marker beim SCLC erscheinen
vielversprechend.32 Eine weitere internationale Multicenterstudie setzt sich mit der
Wertigkeit eines serologischen Multimarkerpanels in der Verlaufskontrolle des NSCLC
auseinander. Hier ist mit ersten Ergebnissen
frühstens 2017 zu rechnen.
Grundsätzlich gilt: Zur korrekten Interpretation der Markerbewegungen bedarf
es valider Kenntnisse über die Eliminationshalbwertszeit (1–8 Tage) und die Interassay-Varianz (bis 10 %) sowie die individuelle biologische Varianz. Bei Chemo-/
Radiotherapie ist die Freisetzung der Marker durch Zellnekrose, die zur kurzzeitigen
Bildung sogenannter "Spikes" Anlass geben
können, zu beachten Die Chemotherapie
kann die Markersynthese aber auch ohne
gleichzeitige Reduktion der Tumormasse
unterdrücken.10
Fazit
Abb. 5: Verlaufskontrolle eines mit Chemo- und Radiotherapie behandelten Patienten mit
inoperablem Adenokarzinom (T4N3M1). Trotz partieller Remission steigen die CYFRA 21-1-Konzentrationen stetig und zeigen 60 Tage vor dem klinischen Befund die Progression an. Bemerkenswerterweise fallen die CEA-Werte kontinuierlich ab, sie weisen somit auf eine Tumorzellensubpopulation hin, die sensitiv auf die Chemo- bzw. Radiotherapie reagiert. PR= Partielle Remisson, NC = No
Change (keine Änderung ggü. Vorbefund), PD = Progression, M = Metastase, Pfeile = Beginn eines
Therapiezyklus, Dreiecke = Zeitpunkte der Bewertung (Quelle: Thoraxklinik Heidelberg)
8
Die In-vitro-Diagnostik hat im diagnostischen und therapeutischen Konzept des
Lungenkarzinoms einen festen Stellenwert.
Die Immunhistochemie steht zusammen
mit der morphologischen Beurteilung im
Zentrum der pathologischen Differenzial-
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Literatur
Abb. 6: Serielle NSE-Bestimmungen bei einem Patienten (männlich, 61 Jahre) mit SCLC,
Oat-cell-Subtyp, im Stadium T4N2M1 (Metastase im Schädelknochen) unter Chemotherapie. Prätherapeutisch erhöhtes NSE fällt in den Normbereich ab. Noch in der Remissionsphase von ca.
300 Tagen steigt NSE mit einer Vorwarnzeit von ca. 50 Tagen vor klinischer Feststellung des Rezidives
wieder an. PR = Partielle Remisson, CR = Komplette Remission, NC = No Change, PD =Progression,
Pfeile 1–6 = Beginn der Therapiezyklen, Dreiecke = Zeitpunkte der Bewertung (Quelle Thoraxklinik Heidelberg)
diagnose. Sanger-Sequenzierung und FISHAnalysen sind wichtige Größen in der
molekularen Gewebe-Subtypisierung und
dienen der Stratifizierung für zielgerichtete
Therapieansätze. NGS- und HochdurchsatzVerfahren ersetzen zunehmend klassische
molekulare Analysen im pathologischen
Labor, sind aktuell jedoch noch vorwiegend
in spezialisierten Zentren und im Rahmen
von Studien anzutreffen.
Der Einsatz klassischer Tumormarker in
der klinischen Routine wird von Klinikern
kontrovers diskutiert. Es ist unbestritten,
dass Tumormarkerstimmungen nur dann
sinnvoll sind, wenn aus dem Ergebnis
Konsequenzen für Diagnostik oder Therapie abgeleitet werden können. Tumormarker können – als Einzelparameter oder
als erweitertes Markerpanel – für folgende
Anwendungsgebiete eine preisgünstige
Alternative oder unterstützende Maßnahme darstellen:
OUnterstützung der Bildgebung und
Pathologie in der primären Diagnostik
ORisikostratifizierung operierter NSCLCFrühstadien für eine adjuvante Chemotherapie
OPerioperative Markeranalysen und
serielle Analysen in der Nachsorge
OVerlaufskontrolle des SCLC unter
Chemo-/Radiotherapie anhand serieller
NSE-/proGRP-Bestimmungen
OVerlaufskontrolle inoperabler NSCLCPatienten unter Chemo-/Radiotherapie anhand serieller Analysen
mit CYFRA 21-1, CEA (und SCC).
*
C EA: Carcinoembryonales Antigen
CYFRA 21-1: Cytokeratinfragment
NSE: Neuronspezifische Enolase
SCC: Squamous cell carcinoma Antigen
Pro-GRP: Pro-Gastrin-Releasing-Peptid
**s . Artikel Laßmann, Werner „Flüssigbiopsie in
der Molekularpathologie“ auf S. 10 in diesem
Heft.
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Korrespondenzadressen
Dr. Thomas Muley
Leiter Biobank und
Tumordokumentation
Sektion Translationale
Forschung (STF)
thomas.muley@
med.uni-heidelberg.de
Prof. Dr. med.
Felix Herth
Medizinischer
Geschäftsführer
Chefarzt der Abteilung
Innere Medizin
– Pneumologie
felix.herth@
med.uni-heidelberg.de
Thoraxklinik
Universitätsklinikum Heidelberg
Röntgenstr. 1, 69126 Heidelberg
www.thoraxklinik-heidelberg.de
Beide Autoren sind Mitglieder im Deutschen
Zentrum für Lungenforschung (DZL)
9
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