JATROS Infektiologie 1 I 2008 In-vivo-Wirksamkeit von Akacid Candida-albicans-Infektion A. Georgopoulos, Wien Der folgende Beitrag von der Medizinischen Universität Wien zeigt die In-vivo-Wirksamkeit von Akacid in experimenteller Hautinfektion mit Candida albicans. Einleitung Hautinfektionen durch Hefepilze wie Candida albicans zählen zu den häufigsten Pilzinfektionen und treten sowohl bei Gesunden als auch bei immunsupprimierten Patienten auf.1 Zur Therapie oberflächlicher Mykosen werden Antimykotika in Form von Cremen, Lotionen oder Sprays angewendet, welche leicht ins Stratum corneum eindringen können, um dort den Pilz abzutöten oder zumindest sein Wachstum zu hemmen.2 Azole wie Clotrimazol, die häufig bei dieser Art von Infektionen eingesetzt werden, haben nur fungistatische Wirksamkeit. Sie blockieren das Wachstum der Pilze durch Veränderung der Permeabilität der Zellmembran. Falls die antimykotische Therapie mit Azolen zu früh beendet wird, kann die Pilzinfektion jedoch erneut auftreten.3 Das polymerische Guanidin Akacid, poly-[2-(2-ethoxy)-ethoxyethyl)guanidium-chlorid] [C7H16ClN3O2]n (n=4– 5) (CAS Number:374572-91-5), ist ein neues Mitglied der kationischen Familie der polymerischen antimikrobiell wirksamen Substanzen.4 Aufgrund ihrer positiven Ladung weisen kationisch antimikrobiell wirksame Substanzen eine hohe Bindungsaffinität zu den negativ geladenen Zellwänden und Zellmembranen von Bakterien und Pilzen auf. Durch Störung dieser Angriffspunkte kommt es zu einer Herabsetzung der Membranfluidität, Störung der osmoregulatorischen und physiologischen Zellfunktionen, zum Auftreten von hydroI 10 philen Poren in der Phospholipidmembran und schließlich zur Lyse der Zielzelle.5 Frühere Untersuchungen im Quantitativen Suspensionstest Europäische Norm EN 1650 zeigten, dass Akacid ab einer Konzentration von ≥0,1% und einer Einwirkzeit von 60 Minuten fungizid gegenüber Candida albicans ATCC 10231 wirkt (A. Buxbaum, C. Kratzer, W. Graninger, and A. Georgopoulos, Abstr. 15th European Congress Clin. Microbiol. Infect. Dis., abstr. P1556, p. 506, 2005). Nach topischer Applikation wird Akacid kaum absorbiert und akkumuliert im Stratum corneum. Ziel der vorliegenden Studie war es, die In-vivo-Wirksamkeit von Akacid in einem Tiermodell mit kutaner Candidose durch Candida albicans zu evaluieren. Für den Tierversuch wurden Meerschweinchen ausgewählt, da ihre Haut sehr empfänglich für kutane Candidose ist.6 Eine neue Substanz, die in diesem Modell in der Lage ist, eine Pilzinfektion abzuschwächen oder zu heilen, könnte auch beim Menschen wirksam sein. Material und Methoden Akacid als 25%ige Stocklösung wurde von PoC Produktions GmbH, Wien, erworben und in der Salbengrundlage Ultrasicc zu den Testkonzentrationen 0,1%, 0,5% und 2% verdünnt. Einprozentige Clotrimazol-Creme (Canesten®) wurde als Referenzsubstanz eingesetzt. Als Teststamm für die experimentelle Hautinfektion wurde Candida albicans ATCC 90029 auf Sabouraud Dextrose Agarplat- ten für 48 Stunden bei 30°C angezüchtet. Einzelne Kolonien wurden anschließend in Sabouraud-Flüssigmedium überimpft und für 48 Stunden bei 30°C inkubiert. Männliche und weibliche Him: DunkinHartley-Meerschweinchen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 400g wurden als Versuchstiere ausgewählt. Der Rücken der Versuchstiere wurde rasiert und mit einem eiskalten 4cm2 im Durchmesser haltenden Eisenstempel, welcher zuvor in flüssigen Stickstoff getaucht worden war, irritiert. Der Eisenstempel wurde sowohl an der rechten sowie linken Seite für jeweils fünf Sekunden appliziert. Im Bereich jeder irritierten Stelle wurden 0,1ml Pilzsuspension mit einer Keimzahl von 2x107 KBE/ml aufgebracht. Jedes Tier hatte insgesamt 4 infizierte Areale. Placebo (Ultrasicc alleine), Test- und Standardsubstanzen (0,2g pro Lokus) wurden lokal 3 x täglich für einen Zeitraum von 7 Tagen appliziert. 16 Läsionen pro Therapiegruppe wurden behandelt, 5 unterschiedliche Therapiegruppen wurden im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe getestet. Am 8. Tag nach der Infektion wurden die Versuchstiere mittels Anästhesieüberdosis getötet, eine 5mm2 große Hautbiopsie wurde von jeder infizierten Läsion entnommen, abgewogen und in 1ml steriler Neutralisationslösung, welche als Komponenten 3% Saponin; 3% Polysorbat 80; 0,1% Histidin und 0,1% Cystein enthält,7 homogenisiert. Das Homogenat wurde in Neutrauniversimed.com | referat lisierungslösung verdünnt und auf Sabouraud Dextrose Agar ergänzt mit Neutralisierungssubstanzen aufgetropft, und bei 30°C für 48 bis 72 Stunden inkubiert. Das Vorliegen von Candida albicans wurde durch Kultivierung auf CHROM-Agar für 48 Stunden bei 37°C bestätigt. auf. Daher werden im Tiermodell die Meerschweinchen üblicherweise mit Prednisolon6, 8–9 oder Cyclophosphamid10 immunsupprimiert, wohingegen in unserer experimentellen Studie keine Immunsuppressiva eingesetzt wurden. Analog zur experimentellen Hautinfektion mit methicillinresistentem Staphylococcus aureus11 wurde die Integrität der Hautoberfläche durch Applikation eines eiskalten Eisenstempels, welcher zuvor in flüssigen Stickstoff getaucht wurde, durchbrochen und damit das Eindringen von Candida albicans ins Stratum corneum erleichtert. Fünf Tage nach der initialen Infektion zeigten sich bei allen Tieren typische Zeichen einer kutanen Candidose mit Rötung und Erosionen bedeckt mit weißlichen Belägen und Krusten. Eine Limitation der Studie war jedoch, dass auch bei den unbehandelten Kontrollen nur relativ niedrige Keimzahlen (104–105 CFU/g Gewebe) nachweisbar waren. Ergebnisse Einen Tag nach der initialen Infektion zeigten alle Tiere eine scharf be- Abb. 1a: Klinisches Bild der unbehandelten Hautläsionen grenzte Rötung im Bereich der infi- 8 Tage nach der initialen Infektion zierten Läsionen. Vom 5.–8. Tag nach der initialen Infektion waren die unbehandelten erythematösen Stellen mit weißlichen Belägen und Krusten bedeckt (Abb. 1a). Tabelle 1 und Abbildung 2 zeigen die dosisabhängige Wirksamkeit von Akacid im Vergleich zu Clotrimazol-Creme nach einem Behandlungszeitraum von sieben Tagen. Unbehandelte Läsionen wiesen eine Keimzahl von 1,5x10 47,0x105 KBE/g Gewebe auf. Eine Behandlung mit Placebo alleine hatte keinen Einfluss auf das Bestehen der Abb. 1b: Abheilung der Hautläsionen, welche mit 0,5% Die Behandlung der infizierten LäsiAkacid behandelt wurden, 8 Tage nach der initialen Pilzinfektion, da in allen Läsionen Infektion onen mit Akacid bzw. Clotrimazol reCandida albicans in einer Keimzahl sultierte in einer Abheilung der gerövon 1,0x104–6,3x105 nachweisbar war. Creme (p=0,002). Wie dargestellt in teten Areale innerhalb von 7 Tagen und Im Vergleich zur unbehandelten Kon- Abbildung 1b erreichte Akacid 0,5% einer signifikanten Reduktion der Keimtrolle und zur Placebogruppe erreichten Creme eine klinische Abheilung der in- zahl von Candida albicans durch ClotriAkacid in einer Dosierung von 0,5% fizierten Läsionen. mazol 1% und Akacid-Creme in einer oder 2% sowie 1%ige Clotrimazol-Creme Dosierung ≥0,5%. eine signifikante Reduktion der Lebend- Diskussion keimzahl pro Läsion (p≤0,001). Akacid Im Gegensatz zu Clotrimazol ist Akacid 2% Creme erzielte die höchste mykolo- In der vorliegenden Studie wurde die an- eine fungizid wirksame Substanz. Gegengische Eradikationsrate mit 75%, gefolgt timykotische Wirksamkeit von Akacid- über fungistatisch wirksamen Antimykovon 0,5% Akacid mit 62,5% und 1% Creme in experimenteller Hautinfektion tika wie Azolen kann es rasch zu einer Clotrimazol mit 56%. Akacid 0,5% war mit Candida albicans untersucht. Kutane Resistenzentwicklung kommen. Clotrivergleichbar mit Clotrimazol 1% Creme Candidose tritt in erster Linie bei Pati- mazol-resistente Candida albicans wurund deutlich effektiver als Akacid 0,1% enten mit geschwächtem Immunsystem den bereits bei HIV-infizierten Kindern Kulturergebnisse Therapiegruppe Unbehandelt Anzahl an Lebendkeimzahl (KBE/g Gewebe) positiven Kulturen negativen Kulturen Bereich Medianwert 90. Perzentile 16 0 1,5×104–7,0×105 7,3×104 3,6×105 6,7×104 2,5×105 Placebo 16 0 1,0×104–6,3×105 Clotrimazol 1% 7 9 <5,0×102–1,0×105 <5,0×102 6,7×104 2,3×104 2,2×105 Akacid 0,1% 14 2 <5,0×102–2,5×105 Akacid 0,5% 6 10 <5,0×102–8,0×104 <5,0×102 4,9×104 12 <5,0×102–1,4×104 <5,0×102 4,4×103 Akacid 2% 4 Tab. 1: Kulturergebnisse der experimentellen Hautinfektion mit Candida albicans ATCC 90029 nach der Behandlung mit Akacid-Creme in einer Dosierung von 0,1%, 0,5% und 2% oder Clotrimazol 1% Creme im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle und Placebo universimed.com 11 I | referat Infektiologie 1 I 2008 identifiziert.12 In In-vitro-Tests konnte keine Resistenzentwicklung gegenüber dem Akacid-Nachfolger Akacid plus gegenüber unterschiedlichen Candidaspezies induziert werden.13 Daher ist die Entwicklung von neuen fungizid wirksamen Antimykotika von besonderer Bedeutung. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass Akacid-Creme eine wirksame Substanz in der Behandlung von Hautinfektionen durch Candida albicans sein könnte. Zusätzliche Untersuchungen betreffend die Sicherheit, den Wirkmechanismus, die optimale Therapiedauer und die optimale Salbengrundlage müssen in Zukunft noch folgen, um die Bedeutung von Akacid in der Behandlung von Pilzinfektionen zu klären. Zusammenfassung Akacid-Konzentration 80 70 Negative Kulturen (%) JATROS 60 50 40 30 20 10 0 0 1 10 Akacid-Konzentration Abb. 2: Log-Dosis-Log-Effekt-Kurve von Akacid Das polymerische Guanidin Akacid, poly-[2-(2-ethoxy)-ethoxyethyl)guanidium-chlorid], ist ein neues Mitglied der Familie der kationisch antimikrobiell wirksamen Substanzen. Es zeigt breite Invitro-Aktivität gegenüber Bakterien und Pilzen. In der vorliegenden Studie wurde die antifungale Wirksamkeit von Akacid gegenüber Candida albicans in einem experimentellen Hautmodell an Meerschweinchen untersucht. Die In-vivoWirksamkeit von Akacid-Creme in den Dosierungen von 0,1%, 0,5% und 2% wurde im Vergleich zu 1%iger Clotrimazol-Creme getestet. Der Rücken der Meerschweinchen wurde rasiert, irritiert und auf jede Läsion wurden 0,1ml Pilzsuspension (2x107 KBE/ml) aufgebracht. Placebo (Salbengrundlage), Test- und Vergleichssubstanzen wurden lokal dreimal täglich für einen Zeitraum von sieben Tagen verabreicht. Sechzehn Läsionen pro Therapiegruppe wurden behandelt. Quantitative Kulturen der infizierten Läsionen in Neutralisierungslösung wurden einen Tag nach Ende der Therapie hergestellt. Zweiprozentige Akacid-Creme erreichte die höchste Eradikationsrate von Candida albicans in 75%. 0,5%ige Akacid-Creme war vergleichbar mit 1% Clotrimazol-Creme (62,5% versus 56%). Diese Ergebnisse zeigen, dass Akacid-Creme eine wirksame Substanz in der Behandlung von Hautinfektionen durch Candida albicans sein könnte. I 12 Literatur: 1 Hay R J: Antifungal therapy of yeast infections. J Am Acad Dermatol 1994; 31: 6–9 2 Huang D B, Ostrosky-Zeichver L, Wu J J, Pang K R, Tyring S K: Therapy of common superficial fungal infections. Dermatol Ther 2004; 17: 517–522 3 Kyle A A, Dahl M V: Topical therapy for fungal infections. Am J Clin Dermatol 2004; 5: 443–451 4 Kratzer C, Buxbaum A, Tobudic S, Graninger W, and Georgopoulos A: Antimikrobielles Wirkprofil der beiden polymerischen Guanidine Akacid und Akacid Plus. Antibiotikamonitor 2006; XXII: 2–11 5 Gilbert P, Moore L E: Cationic antiseptics: diversity of action under a common epithet. J Appl Microbiol 2005; 99: 703–715 6 Maebashi K, Itoyama T, Uchida K, Suegara N, Yamaguchi H: A novel model of cutaneous candidiasis produced in prednisolone-treated guinea pigs. J Med Vet Mycol 1994; 32: 349–359 7 Kratzer C, Tobudic S, Graninger W, Buxbaum A, Georgopoulos A: In vitro antimicrobial activity of the novel polymeric guanidine Akacid plus. J Hosp Infect 2006; 63: 316–322 8 Dhuley J N: Therapeutic efficacy of hamycin, a polyene antimycotic agent, for experimental cutaneous candidiasis in guinea pigs. Rocz Akad Med Bialymst 2000; 45: 19–25 9 Niwano Y, Seo A, Kanai K, Hamaguchi H, Uchida K, Yamaguchi H: Therapeutic efficacy of lanoconazole, a new imidazole antimycotic agent, for experimental cutaneous candidiasis in guinea pigs. Antimicrob Agents Chemother 1994; 38: 2204– 2206 10 Ben-Josef A M, Cutright J L, Manavathu E K, Sobel J D: CAN-296-P is effective against cutaneous candidiasis in guinea pigs. Intern J Antimicrob Agents 2003; 22: 168–171 11 Kratzer C, Tobudic S, Macfelda K, Graninger W, Georgopoulos A: In vivo activity of a novel polymeric guanidine in experimental skin infection with methicillin-resistant Staphylococcus aureus. Antimicrob Agents Chemother 2007; 51: 3437– 3439 12 Pelletier R, Peter J, Antin C, Gonzalez C, Wood L, Walsh T J: Emergence of resistance of Candida albicans to clotrimazole in human immunodefici- 13 ency virus-infected children: in vitro and clinical correlations. J Clin Microbiol 2000; 38: 1563– 1568 Tobudic S: Vergleichende Wirksamkeit von Akacid plus in vitro gegenüber Sprosspilzen, Dermatophyten und Schimmelpilzen und Akacid bei experimenteller Hautinfektion. Medizinische Universität Wien 2005 N Autoren: Christina Kratzer,1 Selma Tobudic,1 Aggeliki Kouloumvaki,1 Karin Macfelda,2 Astrid Buxbaum,1 Wolfgang Graninger,1 and Apostolos Georgopoulos1* 1Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin,2 Abteilung für Biomedizinische Forschung Medizinische Universität Wien, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, Österreich *Korrespondierender Autor: Prof. DDr. A. Georgopoulos Universitätsklinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, Österreich E-Mail: [email protected] inf080110 universimed.com