DISKUSSION

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M E D I Z I N
DISKUSSION
zu dem Beitrag
Riech- und Schmeckvermögen im Alter
von
Priv.-Doz. Dr. med. Ludger Klimek
Dr. med. Bertram Moll
Prof. Dr. med. Gerd Kobal
in Heft 14/2000
Zinkspiegel untersuchen
Es erstaunt mich, dass die Autoren mit
keinem einzigen Wort die Wichtigkeit des
Zinks bei Veränderungen des Geschmacks- und Geruchssinns im Alter erwähnen. Ein wichtiges Mangelsymptom
bei Zinkdefizit besteht in Veränderungen
im Geschmacks- und Geruchssinn. Der
Zinkmangel kann verschiedene Ursachen
haben, zum Beispiel zu wenig aufgenommenes Zink durch Ernährungsfehler oder
ein erhöhter Bedarf, wofür vor allem toxische Substanzen ursächlich sind, die biochemische Prozesse blockieren oder mit
essenziellen Spurenelementen konkurrieren. Möglich ist auch eine Verwertungsstörung, wie sie beispielsweise bei einer
Leberzirrhose gegeben ist. Auch Entzündungen der Bauchspeicheldrüse und Diabetes mellitus führen zu Zinkverlusten.
Alle diese angeführten Faktoren sind bei
alten Menschen häufig anzutreffen. Eine
Diagnostik des Riech- und Schmeckvermögens im Alter ohne gleichzeitige Untersuchung des Zinkspiegels ist deshalb
unvollständig, zumal eine solche Ursache
zu einer sinnvollen Therapie verhilft.
Dr. med. Barbara Würschnitzer-Hünig
Bahnhofstraße 18, 87435 Kempten
Zinkmangel berücksichtigen
Das Titelfoto zum Beitrag zeigt das für
meine Erfahrung typische Symptom des
Zinkmangels: tiefe, gleichmäßige Halos
unter den Augen mit leicht lividem
Schimmer, bei dem abgebildeten Patienten gut kontrastiert durch deutlich rosiges
Gesichtscolorit, wie man es oft bei Diabe-
A 2402
tikern und kreislaufbeeinträchtigten Patienten beobachten kann. Die im Alter
häufigsten internistischen Erkrankungen
wie Diabetes, Rheuma, M. Alzheimer
und auch hepatische und renale chronische Erkrankungen gehen mit Zinkmangel einher. Dieser Mangel resultiert aus
vermehrtem Verbrauch, erhöhter Ausscheidung und mangelhafter Resorption
aus der Nahrung, wobei alle drei Faktoren
Glieder eines Circulus vitiosus sind. Ein
vermehrter Verbrauch entsteht bei Gewebereparatur ist aber auch bei jeder
Immunreaktion zu veranschlagen. Zum
Beispiel muss bei rheumatischen Erkrankungen, weil eine zusätzliche Eiweißproduktion stattfindet, DNA transkribiert
werden und Zinkionen, meist gebunden
an schwefelhaltige Aminosäuren wie Cystein und Histidin, bilden die „Leseköpfe“
der DNA, so genannte „Zinkfingermotive“. Das Zinkion ist hier strukturbestimmend. Die Enzyme DNA-Polymerase,
RNA-Polymerase und tRNA-Synthetase
sind zinkbindende Enzyme. Ein erhöhter
Verbrauch ergibt sich aber bei Krankheiten auch dadurch, dass der Körper als
Kompensationsmöglichkeit den Kreislauf
ankurbelt und versucht, durch ein vermehrtes Sauerstoffangebot an die Zellen
den Stoffwechsel anzutreiben. Hierbei
spielen Zinkionen in Enzymen für die
Abgabe von CO2 eine lebenswichtige
Rolle. Damit aber CO2 überhaupt aus den
Erythrozyten innerhalb der sehr kurzen
Passagezeit von einer Sekunde durch die
Lunge abgeatmet werden kann, muss das
Enzym Carboanhydrase die Reaktion H+
+ HCO3- <-> H2CO3 <-> H2O + CO2 bewerkstelligen. Je mehr CO2 abgeatmet
wird, umso mehr Kohlensäure ist verbraucht und auch Wasserstoffionen sind
dann reduziert. Es stellt sich ein neues
Gleichgewicht ein. Fehlen also Zinkionen
für die optimale Ausstattung des Enzyms
Carboanhydrase, kann damit auch eine
saure Stoffwechsellage unterstützt werden, was für alle Krankheiten eine
schlechte Zugabe bedeutet. Carboanhydrase ist auch in den proximalen Nierentubuli für die Ionenausscheidung verantwortlich. Eine erhöhte Zinkausscheidung
über den Urin ist durch vermehrte Diurese beim Diabetes mellitus immer gegeben, außerdem ist im Insulinmolekül, wie
in der DNA, das Zinkion an der Struktur
beteiligt. Nach Literaturangaben scheint
die konsekutive pathologische Gefäßent-
wicklung beim Diabetes mellitus ebenfalls stark vom Vorhandensein oder Mangel der Zinkionen abhängig zu sein. Wenn
Zinkionen fehlen, ist die Resorption im
oberen Verdauungstrakt beeinträchtigt.
Enzyme wie Alpha-Amylase und Pankreas-Carboxypeptidase sind wichtige
zinkabhängige Enzyme. Wenn ihre Spaltkraft unzureichend ist, kann Nahrung
nicht aufgeschlossen und resorbiert werden. Überdies sind einige Nahrungsbestandteile in Verruf, für die Darmenzyme
unauflösliche Komplexe zu bilden. Die
Resorption von Zinkionen im Darm wird
also durch Chelatbildner zusätzlich minimiert. Schließlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass das Enzym Alkoholdehydrogenase, das den Abbau von Alkohol in der Leber beginnt, in einem Molekül vier Zinkatome benötigt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Zinkzufuhr von 15 mg,
die WHO hält 22 mg/Tag für ausreichend.
Vegetarier nehmen gemeinhin weniger
Zink mit der Nahrung auf als Mischköstler, da sie aber wegen der eher alkalischen
Stoffwechsellage Zink weniger benötigen,
scheint die geringere Zinkaufnahme keine gesundheitlichen Nachteile zu haben.
Dr. med. Gertraud Hausmann
Gudvanger Str. 53, 10439 Berlin
Schlusswort
Beide Zuschriften betonen die Bedeutung des Zinkstoffwechsels für das Riechund Schmeckvermögen. Wir schließen
uns diesen Ausführungen gern an: Zinkmangelzustände sind als ursächlich für
Riech- und Schmeckstörungen bekannt
und akzeptiert. Allerdings kommen diese
offensichtlich nicht vermehrt bei alten
Menschen vor. Zumindest ergaben entsprechende Studien keinen Anhalt für eine erhöhte Inzidenz von Zinkmangelzuständen unter riechgestörten geriatrischen Patienten. Auch Therapieversuche
mit Zinksubstitution zeigten nicht die erhoffte Wirksamkeit. Wir haben daher auf
eine ausführliche Darstellung etwaiger
Zinkmangelzustände bei alten Menschen
verzichtet.
Priv.-Doz. Dr. med. Ludger Klimek
Deutsche Klinik für Diagnostik
Aukammallee 33, 65191 Wiesbaden
E-Mail: [email protected]
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 97½ Heft 37½ 15. September 2000
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