Stoffumwandlung durch Enzyme 1 Bau und Funktion von Enzymen 1.1 Enzyme sind Biokatalysatoren Fast alle Stoffwechselprozesse beruhen auf der Aktivität und Zusammenarbeit von verschiedenen Enzymen. Als hochspezifische Biokatalysatoren ermöglichen diese chemische Reaktionen des Stoffwechsels, die bei den Temperaturen in den Zellen nicht oder nur sehr langsam ablaufen würden. 24.1 Die Aktivierungsenergie wird durch die katalytische Wirkung eines Enzyms herabgesetzt. A Reaktionsverlauf ohne Katalysator; B Reaktionsverlauf mit Katalysator Katalysatoren beschleunigen die Geschwindigkeit von chemischen Reaktionen und gehen unverändert aus ihnen hervor. Im Vergleich zu den aus der Industrie bekannten Katalysatoren, wie Platin oder Nickel, katalysieren Enzyme nur ganz bestimmte, oftmals nur eine einzige Reaktion. Zudem erhöhen sie die Reaktionsgeschwindigkeit um ein Vielfaches mehr als Nicht-Protein-Katalysatoren und sie sind regulierbar. Für viele chemischen Reaktionen gilt der Grundsatz, dass sie nur dann von selbst ablaufen, wenn ihre Ausgangsstoffe mehr Energie besitzen als die Produkte. Aber auch von selbst ablaufende Reaktionen müssen in der Regel zunächst in Form von Aktivierungsenergie einen Anstoß bekommen, damit sie ablaufen. Bei chemischen Reaktionen werden bestehende Bindungen zwischen Atomen gelöst. Gleichzeitig werden zwischen anderen Atomen neue Bindungen ausgebildet. Durch die Aktivierungsenergie nehmen die Ausgangsstoffe einen energiereichen Übergangszustand ein. In diesem sind Bindungen zwischen bestimmten Atomen so instabil, dass sie sich lösen. Durch die Ausbildung von neuen Bindungen zwischen anderen Atomen entsteht dann das Produkt. Dabei wird die Reaktionsenergie frei. Wie Enzyme die Aktivierungsenergie biochemischer Reaktionen erniedrigen, kann man sich modellhaft folgendermaßen vorstellen: Ein Enzym-Molekül bindet zunächst an den Ausgangsstoff, das Substrat. Es bildet sich so kurzzeitig ein Enzym-Substrat-Komplex. Dabei werden im Substrat-Molekül die Bindungen zwischen bestimmten Atomen gestreckt und verzerrt, sodass sie instabil werden. Durch nur wenig Aktivierungsenergie lösen sie sich und ordnen sich zwischen anderen Atomen neu. Bei der Bildung des Produkts wird das Enzym-Molekül wieder freigesetzt, sodass es erneut ein Substrat-Molekül binden kann. 1 Bei der Oxidation liefert 1 g Ethanol 30 kJ Energie, unabhängig davon, ob die Reaktion im Reagenzglas durch Aktivierungsenergie in Gang gesetzt wird oder in Leberzellen durch Enzyme bewirkt wird. Erklären Sie diese Feststellung. 1.2 Enzyme sind substratspezifisch Enzyme sind meistens Proteine, die von einer oder mehreren Polypeptidketten gebildet werden. Durch die Faltungen der Polypeptidketten entsteht eine Art Höhle an der Oberfläche des Enzym-Moleküls. Sie bildet das so genannte aktive Zentrum, an dem das Substrat umgesetzt wird. Spezielle Aminosäuren, die durch die Faltung der Ketten im Bereich des aktiven Zentrums liegen, binden mit ihren Seitenketten das Substrat und orientieren es so, dass einige Aminosäuren mit ihren Seitenketten katalytisch wirksam werden können. Nur wenn ein Stoff Molekülgruppen besitzt, die von den Seitenketten der bindenden Aminosäuren im aktiven Zentrum eines Enzyms angezogen werden, kann er sich an das aktive Zentrum des Enzyms anlagern. Deshalb können Enzyme nur mit spezifischen Stoffen einen Enzym-Substrat-Komplex bilden: Sie sind substratspezifisch. Das Enzym Maltase kann zum Beispiel nur das Disaccharid Maltose anlagern, nicht aber andere Disaccharide. Die Substratspezifität der Enzyme verdeutlichte E. F ISCHER (1894) im Schlüssel-SchlossModell mit einem Schlüssel, der nur in ein bestimmtes Schloss passt. Nach dem Modell der induzierten Anpassung von D. K OSHLAND (1959) verändern sich bei der Bildung des Enzym-Substrat-Komplexes sowohl die Raumstruktur des Enzyms als auch des SubstratMoleküls durch die Wechselwirkungen zwischen den beiden Molekülen. Bei einigen Enzymen ist die Substratspezifität weniger deutlich ausgeprägt als bei der Maltase. Manche Enzyme setzen zum Beispiel Verbindungen mit gleichen funktionellen Gruppen um. Man spricht dann von einer Gruppenspezifität. So kann Alkohol-Dehydrogenase aus den Leberzellen neben Ethanol auch Propanol und Butanol umwandeln. Das Enzym ist spezifisch für die Gruppe der Alkanole (Alkohole). 1 Wenn in der Polypeptidkette eines Enzyms eine Aminosäure gegen eine andere ausgetauscht wird, kann das Enzym in einigen Fällen das Substrat-Molekül weniger gut oder überhaupt nicht mehr binden und umsetzen. In anderen Fällen hat der Austausch einer Aminosäure darauf keinen Einfluss. Erklären Sie diese Beobachtungen. 24 Stoffumwandlung durch Enzyme 25.1 Der Katalyse-Zyklus eines Enzyms 25.2 Modellhafte Darstellung der bindenden (rot) und katalytisch wirksamen (grün) Aminosäuren im aktiven Zentrum 25.3 Modellvorstellungen zum Schlüssel-Schloss-Modell und zum Modell der induzierten Anpassung Stoffumwandlung durch Enzyme 25