und Küstengebieten - European Commission

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Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
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Katalogisierungsdaten befinden sich am Ende der Veröffentlichung.
Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2011
ISBN 978-92-79-19358-3
doi: 10.2779/38609
© Europäische Union, 2011
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.
Dieses Dokument gibt die Meinung der Dienststellen der Kommission wieder und ist nicht
verbindlich.
Europäische Kommission, Januar 2011
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.
Foto: istockphoto
Einen wesentlichen Beitrag zum Zustandekommen des vorliegenden Dokuments leisteten
Sachverständige der Mitgliedstaaten und wichtige Interessengruppen mit Diskussionen und
Beiträgen im Rahmen der Arbeitsgruppe „Mündungsgebiete und Häfen“ der Europäischen
Kommission.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
LEITFADEN FÜR DIE UMSETZUNG DER VOGELSCHUTZ- UND DER
HABITAT-RICHTLINIE IN MÜNDUNGSGEBIETEN (ÄSTUAREN) UND
KÜSTENGEBIETEN
unter besonderer Berücksichtigung von Hafenentwicklungs- und Baggermaßnahmen
Januar 2011
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Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
INHALTSVERZEICHNIS
ZUSAMMENFASSUNG .......................................................................................5
1 POLITISCHER HINTERGRUND......................................................................9
1.1 Mündungs- und Küstengebiete und das Naturschutzrecht der EU ....................... 9
1.2 Die integrierte Meerespolitik und die europäische Hafenpolitik............................. 12
2 DIE PROBLEMATIK ........................................................................................14
2.1 Belastungen von Mündungs- und Küstengebieten................................................ 14
2.2 Hauptprobleme des Hafensektors bei der Durchführung der Vogelschutz- und der
Habitat-Richtlinie ................................................................................................... 16
2.3 Der Klimawandel - ein besonderes Problem in Mündungs- und Küstengebieten . 17
3 LEITLINIEN......................................................................................................19
3.1 Erhaltungsziele für dynamische Umgebungen ..................................................... 19
3.1.1 Verstehen und Bewirtschaften von Mündungs- und Küstengebieten als
komplexe und dynamische Ökosysteme ..................................................... 19
3.1.2 Schutz von Lebensräumen und Arten von gemeinschaftlichem Interesse . 21
3.1.3 Festlegung von Erhaltungszielen für Mündungs- und Küstenlebensräume 23
3.2 Integrierte Planung................................................................................................ 25
3.2.1 Bewirtschaftungspläne ................................................................................ 25
3.2.2 Raumplanung .............................................................................................. 26
3.2.3 Die Vorteile von Partnerschaften und öffentlicher Beteiligung .................... 29
3.3 Projektentwicklung und Unterhaltungsmaßnahmen.............................................. 30
3.3.1 Integrierte Projekte und Arbeiten mit der Natur ........................................... 30
3.3.2 Durchführung einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung und Bewältigung
„voraussichtlicher erheblicher Auswirkungen“ ............................................. 31
3.3.3 Beziehung zwischen strategischen Umweltprüfungen,
Umweltverträglichkeitsprüfungen und Verträglichkeitsprüfungen................ 32
3.3.4 Ausgleichsmaßnahmen und Follow-up ....................................................... 34
3.3.5 Bagger- und Unterhaltungsarbeiten ............................................................ 35
3.4 Umgang mit Unsicherheiten: Adaptives Management .......................................... 38
ANHÄNGE............................................................................................................40
GLOSSAR ............................................................................................................48
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
ZUSAMMENFASSUNG
Das vorliegende Dokument enthält sektorspezifische Leitlinien für die Durchführung der
Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie in Mündungsgebieten (Ästuarien) und
Küstengebieten. Einen besonderen Beitrag zum Zustandekommen dieses Leitfadens
leisteten Vertreter der Mitgliedstaaten, von Interessengruppen und im Umweltschutz tätigen
Nichtregierungsorganisationen (NRO), die in einer speziell diesem Thema gewidmeten
Arbeitsgruppe an einschlägigen Diskussionen mitwirkten.
Der Leitfaden geht auf ein entsprechendes Ersuchen des Sektors Häfen und
Seeverkehrsdienstleistungen zurück. Häfen, insbesondere in Westeuropa, befinden sich oft
in oder in der Nähe von Mündungsgebieten, bei denen es sich um dynamische und
hochproduktive Ökosysteme handelt, die in vielen Fällen als Natura 2000-Gebiete
ausgewiesen sind. Mündungsgebiete bieten den erforderlichen Schutz und geeignete
Bedingungen für den seewärtigen Zugang zum Hafen.
Für den Welthandel und seine Entwicklung sind Häfen von strategischer Bedeutung; sie
müssen in regelmäßigen Zeitabständen ausgebaut werden. Die Anwendung und Auslegung
von Umweltschutzgesetzen einschließlich der EU-Richtlinien zum Naturschutz stellen den
Hafensektor, der zuvor nur wenige Umweltschutzbestimmungen beachten musste, vor neue
Herausforderungen; dies hatte in den vergangenen Jahren mitunter Verzögerungen von
Hafenausbauprojekten zur Folge.
Häfen spielen eine entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung und benötigen
Rechtssicherheit für neue Ausbauprojekte. Die Europäische Kommission empfiehlt in der von
ihr erarbeiteten europäischen Hafenpolitik die Überprüfung rechtlicher Hindernisse, die
solchen Projekten im Wege stehen können („beschleunigtes Verfahren“). Der vorliegende
Leitfaden enthält eine Reihe von Empfehlungen und bewährten Praktiken, mit denen die
Entwicklung und Verwaltung von Häfen in oder in der Nähe von Natura 2000-Gebieten
verbessert werden können.
Einige Schlüsselempfehlungen:
•
Entwicklungspläne oder -projekte sollten stets auf Strategien basieren, die für beide
Seiten Vorteile bringen, um nach dem Ansatz der „Zusammenarbeit mit der Natur“
sowohl die Natura 2000-Erhaltungsziele als auch sozioökonomische Ziele zu
verwirklichen.
•
Maßnahmen zur Schadensvorbeugung bzw. -vermeidung sollte immer der Vorzug vor
Ausgleichsmaßnahmen gegeben werden.
•
Es sollten stets Vorprüfungen zur Beurteilung der potenziellen Auswirkungen eines Plans
oder Projekts auf Natura 2000-Gebiete durchgeführt werden. Diese Prüfungen sind
notwendig, um festzustellen zu können, ob ein Plan oder ein Projekt ein Natura 2000Gebiet wahrscheinlich erheblich beeinträchtigen wird und ob eine „Prüfung auf
Verträglichkeit“ nach Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie durchgeführt werden muss.
•
Es wird stets eine eingehende und frühzeitige Konsultation von Beteiligten empfohlen,
um zu vermeiden, dass während des Prozesses der Projektgenehmigung Einwände
erhoben werden.
•
Die Unterhaltung von Häfen und Hafenzufahrten sollte Bestandteil integrierter
Bewirtschaftungspläne für die gesamte Wasserstraße bzw. das betroffene Natura 2000Gebiet sein. Investitionsbaggerungen sollten als Teil nachhaltiger Ausbaggerungs- und
Sedimentmanagementregelungen geplant werden.
5
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
6
•
Für den Fall, dass hinsichtlich der Auswirkungen eines Plans oder Projekts bzw. der
damit zusammenhängenden Schadensbegrenzungs- oder Ausgleichsmaßnahmen noch
geringfügige wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen, sollten vorab als Teil des Plans
oder Projekts ein validiertes Verfahren für die Überwachung (Monitoring) der
tatsächlichen Auswirkungen sowie Rahmenvorschriften für die Anpassung der
Schadensbegrenzungs- und Ausgleichsmaßnahmen an die tatsächlichen Auswirkungen
festgelegt werden.
Einleitung
Mündungs- und Küstengebiete zählen zu den produktivsten Ökosystemen der Welt und sind
sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht besonders wertvoll. Sie sind von
immenser Bedeutung für frei lebende Tiere, vor allem für Zug- und Brutvögel, und aufgrund
ihres Reichtums an natürlichen Ressourcen (sie sind unter anderem Laichgründe für
wirtschaftlich wichtige Fischarten) von hohem ökonomischem Wert. Sie erbringen ferner eine
Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen, denn sie stabilisieren u. a. die Küsten, regulieren
den Nährstoffhaushalt, binden CO2, entziehen verunreinigtem Wasser Schadstoffe und
liefern Nahrungsmittel- und Energieressourcen (Millenium-Ökosystemstudie, 2005).
Daher sind diese Gebiete mit ihrem breiten Spektrum an wirtschaftlichen Vorteilen für viele
Branchen von Interesse, unter anderem für die Fischerei, die Industrie, die sich hier mit
komplexen Anlagen ansiedelt, und für den Dienstleistungssektor, z. B. in den Bereichen
Fremdenverkehr, Erholung und Freizeit. Viele Mündungsgebiete sind zudem ideale
Standorte für Häfen, Anlegestellen und Schiffswerften, da sie Schiffen den notwendigen
Schutz bieten und über große Flussläufe die weitere Erschließung des Binnenlands
ermöglichen.
Mündungs- und Küstengebiete gehören jedoch auch zu den dynamischsten und
komplexesten Ökosystemen der Welt. Sie setzen sich aus einer Vielzahl von
unterschiedlichen Lebensräumen zu einem Mosaik zusammen, das einem ständigen Wandel
unterliegt. Typische Habitate für Mündungsgebiete sind unter anderem Sandbänke,
vegetationsfreie Schlick- und Sandflächen, Salzmarschen und entlang der Küste
Sanddünen, Strandseen, große flache Meeresarme und –buchten, Riffe, kleine Inseln und
Kleinstinseln, sandige Strände sowie Felsküsten.
Die meisten dieser Lebensraumtypen (LRT) fallen unter die Schutzbestimmungen der
Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden
Tiere und Pflanzen („Habitat-Richtlinie“). Watvögel sind auf ihrem Zug von den Brut- zu den
Überwinterungsplätzen auf Mündungs- und Küstengebiete angewiesen. Außerdem brüten
hier zahlreiche Vogelarten. Daher gelten für viele Mündungs- und Küstengebiete zusätzlich
die Bestimmungen der Richtlinie 2009/147/EG über die Erhaltung der wild lebenden
Vogelarten („Vogelschutz-Richtlinie“).
Im Laufe ihrer langen Geschichte haben sich viele europäische Häfen zu logistischen
Knotenpunkten für den Umschlag von Gütern aus der ganzen Welt entwickelt, und als solche
nehmen sie heute mehr denn je eine zentrale Stellung ein. Der Umfang des Seeverkehrs
und die Nachfrage nach Seeverkehrsdienstleistungen haben in den vergangenen 30 Jahren
deutlich zugenommen; dieser Trend dürfte sich in Zukunft noch weiter fortsetzen. Die
Europäische Kommission unterstützt dieses Verkehrsnetz mit ihrer Hafenpolitik und durch
Förderung der „Autobahnen des Meeres“ und des Kurzstreckenseeverkehrs.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
In ihrer Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik1 stellt die Europäische Kommission
fest, dass es an den etwa 100 000 km langen europäischen Küsten über
1 200 Handelshäfen gibt. Sie sind Drehscheiben für Verkehrverlagerungen und
lebenswichtig für den internationalen Handel, den Europa zu 90 % über seine Häfen
abwickelt. Im Sinne der allgemeinen EU-Verkehrspolitik2 werden in diesen Häfen 40 % der
im Binnenhandel anfallenden Tonnenkilometer geleistet. Die Europäische Kommission hat
dies in ihrer Mitteilung „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“ gewürdigt
und betont, dass Europa dank seiner Seehäfen und seiner Schifffahrt vom rapiden
Wachstum des internationalen Handels profitieren und eine führende Rolle in der
Weltwirtschaft spielen kann3.
Seehäfen, insbesondere solche, die mit Mündungsgebieten verbunden sind oder tief im
Inland in einem Flussmündungstrichter liegen und über eine Anbindung an schiffbare
Binnenwasserstraßen und Eisenbahnstrecken verfügen, können außerdem eine wichtige
Rolle für die Verringerung von CO2-Emissionen spielen; andererseits sie sind aber auch von
den Auswirkungen des Klimawandels betroffen.
Es wird zwangsläufig Situationen geben, in denen sich Maßnahmen zur Erweiterung und
Unterhaltung von Häfen und Fahrrinnen und Natura 2000- Ausweisungen überschneiden
und mitunter nicht in Einklang zu bringen sind. Die Vogelschutz- und die Habitat-Richtlinie
schließen die Möglichkeit eines weiteren Ausbaus und der Nutzung von Mündungs- und
Küstengebieten in oder in der Umgebung von Natura 2000-Gebieten nicht von vorne herein
aus. Vielmehr sehen diese Richtlinien ein schrittweises Vorgehen vor, um sicherzustellen,
dass derartige Maßnahmen dem Schutz von Arten und Lebensräumen von europäischer
Bedeutung, für die die jeweiligen Gebiete ausgewiesen wurden, nicht zuwiderlaufen. Für den
Fall, dass es sich um Projekte von überwiegendem öffentlichen Interesse handelt und es
keine Alternativlösungen gibt, sieht die Habitat-Richtlinie vor, dass nachteilige Entwicklungen
in Kauf genommen werden können, sofern durch Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen
die Wahrung der globalen Kohärenz des Natura 2000-Netzes sichergestellt ist.
Die Belastungen der Mündungs- und Küstengebiete führten zu einer Neuorientierung hin zu
einer stärker integrierten und effizienteren Raumplanung. Zusammen mit dem frühzeitigen
Dialog mit Beteiligten hat sich dieser Richtungswechsel in den vergangenen Jahren für die
Förderung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der EU-Umweltschutzgesetzgebung
(einschließlich Naturschutz sowie Schutz von Gewässern und der Meeresumwelt), mit der
europäischen Hafenpolitik und der europäischen integrierten Meerespolitik als wirksam
erwiesen.
Zweck dieses Dokuments
Die Europäische Kommission hat bereits mehrere Leitfäden herausgegeben, um die
Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie zum Schutz
von Natura 2000-Gebieten zu unterstützen und auch um Bürgerinnen und Bürgern und
anderen interessierten Kreisen zu helfen, die maßgeblichen wichtigsten Bestimmungen
dieser Richtlinien besser zu verstehen (siehe Anhang 1). Die Anwendung der EUNaturschutzvorschriften auf die Hafenentwicklung und die Bewirtschaftung von Mündungsund Küstengebieten muss jedoch, insbesondere in Anbetracht ihrer Bedeutung als
Zufahrtsrouten für Seeschiffe, genauer geklärt und erläutert werden, auch unter
Zukunftsgesichtspunkten.
1
KOM(2007) 616 endgültig.
KOM(2006) 314 endgültig.
3
KOM(2007) 575 endgültig.
2
7
8
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Der vorliegende Leitfaden soll die in Artikel 6 der Habitat-Richtlinie enthaltenen
Schutzbestimmungen für Natura 2000-Gebiete unter besonderer Berücksichtigung von
Mündungs- und Küstengebieten erläutern. Im Mittelpunkt steht die Präzisierung, Erläuterung
und genauere Beschreibung der EU-Naturschutzvorschriften für Natura 2000-Gebiete, die in
Mündungs- und Küstengebiete liegen und von Fahrrinnen und Küstengebieten durchzogen
werden, wobei mit dem Hafenbetrieb verbundenen Aktivitäten wie Baggerarbeiten und
Industrietätigkeiten (z. B. Schiffswerften) besonders berücksichtigt werden.
Andere Umweltschutz-Richtlinien wie die Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG), die
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG), die Richtlinie 2001/42/EG über strategische
Umweltprüfungen
(SUP)
und
die
Richtlinie
85/337/EWG
über
Umweltverträglichkeitsprüfungen fallen nicht in den Geltungsbereich dieses Leitfadens und
werden deshalb nicht im Einzelnen erwähnt. Fragen im Zusammenhang mit der
Urbanisierung, der Landwirtschaft und sonstiger Entwicklungen in den genannten Gebieten
oder mit Belastungen durch die Binnenschifffahrt werden in diesem Leitfaden nicht
behandelt, sind jedoch in Bewirtschaftungsplänen für Natura 2000-Gebiete in
Mündungsgebieten, beim integrierten Küstenzonenmanagement (IKZM) sowie bei der
Beurteilung der kumulativen Auswirkungen verschiedener Aktivitäten zu berücksichtigen.
Von besonderem Nutzen für den vorliegenden Leitfaden waren die Diskussionen in einer von
den Generaldirektionen Umwelt (GD ENV) und Energie und Verkehr (GD TREN) der
Europäischen Kommission eingerichteten speziellen Arbeitsgruppe für Mündungsgebiete,
Küstengebiete und Häfen. Dieser Arbeitsgruppe gehörten Vertreter von Interessengruppen
unterschiedlicher Sektoren an; sie kamen zwischen 2007 und 2009 zu sechs Sitzungen
zusammen. Neben dem Leitfaden wurde auch ein Begleitdokument mit technischem und
wissenschaftlichem Hintergrundmaterial erarbeitet.
Dieses Begleitdokument enthält allgemeine Informationen zum Untersuchungsansatz, zu
den Literaturquellen und zu den Ergebnissen des Informationsaustausches zwischen der
Arbeitsgruppe und dem mit der Gesamtkoordinierung beauftragten Beratungsunternehmen.
Es kann von der öffentlichen Website CIRCA unter folgender Adresse heruntergeladen
werden: http://circa.europa.eu/Public/irc/env/estuary/home.
Der Leitfaden hält sich streng an den Text der relevanten Richtlinien und die im Umweltrecht
und den Vorschriften der EU für Hafentätigkeiten festgeschriebenen, allgemeineren
Grundsätze. Die Leitlinien haben keinen Legislativcharakter; sie führen keine neuen
Vorschriften ein, sondern liefern zusätzliche Klarstellungen und bauen auf bereits
vorhandenen Leitfäden auf. Sie reflektieren die Meinung der Kommissionsdienststellen über
die Umsetzung der Richtlinien in Mündungs- und Küstengebieten.
Der Leitfaden ist nicht rechtsverbindlich. Es wird darauf hingewiesen, dass die Auslegung
der EU-Rechtsvorschriften ausschließlich dem Gerichtshof der Europäischen Union
vorbehalten ist. Der Leitfaden basiert auf der geltenden Rechtsprechung und kann
erforderlichenfalls angepasst werden, um künftigen neuen Urteilen des Gerichtshofs
Rechnung zu tragen.
Ziel des Leitfadens ist es, die Erfordernisse der Hafenentwicklung mit den Erfordernissen
des Umweltschutzes in Einklang zu bringen. Er richtet sich an folgende Zielgruppen und
Nutzer: zuständige Behörden auf lokaler, regionaler, nationaler oder föderaler Ebene,
Hafenbehörden und Wasserstraßenverwaltungen, Betreiber, Wirtschaftssektoren, auf
Nassbaggerungen spezialisierte Unternehmen und ihre Verbände, Erbringer von
Seeschifffahrtsdienstleistungen, im Umweltschutz tätige NRO, Naturschutzvereine und
Bewirtschafter von Natura 2000-Gebieten.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
1. POLITISCHER HINTERGRUND
1.1. Mündungs- und Küstengebiete und das Naturschutzrecht der EU
In Anbetracht des rapiden weltweiten Verlustes an biologischer Vielfalt ist die Europäische
Union 2001 auf dem Europäischen Gipfel in Göteborg übereingekommen, „dem Rückgang
der biologischen Vielfalt in der EU bis 2010 Einhalt zu gebieten“4 und „Habitate und
natürliche Systeme wiederherzustellen“5. Diese Verpflichtung ist nunmehr fester Bestandteil
aller Bereiche der EU-Politik. Einer der vier Tätigkeitsschwerpunkte des Sechsten
Umweltaktionsprogramms (6. UAP)6, das den Rahmen für die EU-Umweltpolitik im Zeitraum
2002 – 2012 absteckt, wurde dem Themenkreis „Natur und biologische Vielfalt“ gewidmet. In
Übereinstimmung mit dem EU-Vertrag wird über das 6. UAP auch die umfassende
Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes, einschließlich der Erfordernisse für die
Erhaltung der biologischen Vielfalt, in alle Politiken und Aktionen der Union gefördert.
Die „Vogelschutz“- und die „Habitat“-Richtlinie bilden zusammen die Eckpfeiler der EU-Politik
für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Sie machen es den EU-Mitgliedstaaten möglich,
innerhalb eines einheitlichen soliden rechtlichen Rahmens zusammenzuarbeiten, um die
wertvollsten Arten und Lebensräume in Europa in ihrem gesamten natürlichen
Verbreitungsgebiet EU-weit und unabhängig von politischen Grenzen oder
Verwaltungsgrenzen zu schützen.
Nach diesen beiden Richtlinien sind die Mitgliedstaaten gehalten, besondere terrestrische
Gebiete und Meeresgebiete auszuweisen, die zusammen das Natura 2000-Netz ergeben.
Dieses Netz besteht aus Schutzgebieten für Vogelarten und besonderen Schutzgebieten für
Lebensräume und andere Arten mit Erhaltungswert für die EU. Ziel des Natura 2000-Netzes
ist es, das langfristige Überleben der am stärksten bedrohten Arten und Lebensräume in
Europa zu sichern. Weitere Bestimmungen der Richtlinien beinhalten unter anderem eine
strenge Regelung für den Artenschutz sowie Überwachungs- und Berichtsverfahren.
Artikel 6 der Habitat-Richtlinie ist für die Bewirtschaftung und nachhaltige Nutzung der
Schutzgebiete des Natura 2000-Netzes von entscheidender Bedeutung. Im Interesse der
Integration enthält dieser Artikel eine Reihe von Verfahrensvorschriften, mit denen
gewährleistet werden soll, dass wirtschaftliche Entwicklung und Naturschutz Hand in Hand
gehen. Die Zuständigkeit für die Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht und die
Einführung geeigneter Mechanismen für die praktische Anwendung der Bestimmungen liegt
bei den Mitgliedstaaten.
4
Schlussfolgerungen des Rates, Europäischer Rat von Göteborg, 15. und 16. Juni 2001.
KOM(2001) 264 endgültig.
6
Beschluss Nr. 1600/2002/EG, ABl. L 242 vom 10.9.2002, S. 1.
5
9
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
10
Artikel 6 der Habitat-Richtlinie sieht drei Arten von Maßnahmen vor:
1. Positive Erhaltungsmaßnahmen für die besonderen Schutzgebiete gemäß Artikel 6
Absatz 1, die z. B. Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher,
administrativer oder vertraglicher Art umfassen7;
2. Schutzmaßnahmen für alle Gebiete gemäß Artikel 6 Absatz 2, um die
Verschlechterung der natürlichen Lebensräume (sowie erhebliche Störungen von
Arten) zu vermeiden, und gemäß Artikel 6 Absatz 3, um die Auswirkungen von
Plänen und Projekten zu prüfen;
3. Verfahrensvorschriften,
einschließlich
Ausnahmeregelung
und
Ausgleichsmaßnahmen, gemäß Artikel 6 Absatz 4 über die Genehmigung von Plänen
oder Projekten, die sich voraussichtlich nachteilig auf Natura 2000-Gebiete
auswirken.
Artikel 6 der „Habitat“-Richtlinie 92/43/EWG
1. Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die
gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte
Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den
ökologischen Erfordernissen oder natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II
entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.
2. Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung
der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen
worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken
können.
3. Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht
notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten
erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten
Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4
stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass
das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird (...).
4. Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen
Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine
Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um
sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. (...) Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet,
das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im
Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit (...) geltend gemacht werden.
Küsten- und Mündungslebensräume, die nach der Habitat-Richtlinie geschützt sind,
erstrecken sich EU-weit über eine Fläche von insgesamt mehr als 45 000 km2 (siehe
Tabelle 1, nur Meeres- und Gezeitenzone, ohne Dünen und sonstige zugehörige
Süßwasserfeuchtgebiete).
Diese geschützten Lebensräume dienen auch als Rastplätze für Vögel und Seehunde, als
Laichplätze für Fische und als Futterplätze für Säugetiere; zudem kommen hier bestimmte
Pflanzenarten vor. Mündungs- und Küstenökosysteme können auch weitere geschützte
Lebensräume von gemeinschaftlicher Bedeutung wie z. B. Graudünen (LRT 2130)
einschließen.
7
Für Schutzgebiete gelten die Bestimmungen in Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutz-Richtlinie, die ebenfalls positive
Maßnahmen vorsieht.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Tabelle 1: Fläche der Küsten- und Mündungslebensräume, die nach den EUNaturschutzrecht geschützt sind (Quelle: Natura 2000-Datenbank, Stand: November
2009)
Küsten- und Mündungslebensräume des Natura 2000Netzes, die für den vorliegenden Leitfaden relevant sind
Ästuarien (Mündungsgebiete) – Lebensraumtyp: 1130 (306
Gebiete)
Lagunen des Küstenraums (Strandseen)*– Lebensraumtyp:
1150 (644 Gebiete)
Große flache Meeresarme und –buchten – Lebensraumtyp:
1160 (373 Gebiete)
Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überspülung durch
Meerwasser – Lebensraumtyp: 1110 (517 Gebiete)
Vegetationsfreie Schlick- und Sandflächen – Lebensraumtyp:
1140 (422 Gebiete)
Insgesamt
Gesamtfläche im Gebiet der
EU-27 (2009)
643 704,44 ha
503 263,71 ha
1 250 743,52 ha
2 436 613,35 ha
809 204,53 ha
5 643 529,55 ha
Die folgenden EU-Umweltschutzrichtlinien über Umweltverträglichkeitsprüfungen sind auch
für Entwicklungspläne und –projekte, die Mündungs- und Küstengebiete berühren,
unmittelbar relevant (siehe Ziffer 3.3.3):
-
Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und
Programme (nach der Abkürzung „SUP“ für „strategische Umweltprüfung“ allgemein auch
als SUP-Richtlinie bezeichnet)8. Zweck der SUP-Richtlinie ist es sicherzustellen, dass
die Auswirkungen bestimmter Pläne und Programme auf die Umwelt ermittelt, geprüft
und bei der Ausarbeitung dieser Pläne und Programme vor ihrer Annahme berücksichtigt
werden.
-
Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten
öffentlichen und privaten Projekten. Geändert 1997 (durch die Richtlinie 97/11/EG), 2003
(durch die Richtlinie 2003/35/EG) und 2009 (durch die Richtlinie 2009/31/EG) – (nach der
Abkürzung „UVP“ für „Umweltverträglichkeitsprüfung“ allgemein als UVP-Richtlinie
bezeichnet)9. Während die SUP für öffentliche Pläne und Programme gilt, ist die UVP für
öffentliche und private Einzelprojekte vorgeschrieben.
Mündungs- und Küstengewässer sind auch im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie
2000/60/EG (WRRL) von Interesse. Die WRRL enthält die Rahmenbedingungen für den
Schutz sämtlicher Oberflächengewässer (Flüsse, Seen, Übergangs- und Küstengewässer)
und des Grundwassers in der EU; ihr Ziel ist die Verwirklichung eines guten ökologischen
Zustands (bzw. eines guten ökologischen Potenzials bei erheblich veränderten Gewässern)
sowie eines guten chemischen Zustands bis 2015.
Gewässer in Mündungs- und Küstengebieten zählen zu den Übergangs- oder
Küstengewässern. Nach der WRRL sollte ihre Verschlechterung vermieden und der Zustand
dieser aquatischen Ökosysteme geschützt und verbessert werden. In Mündungs- und
Küstenökosystemen kommt es häufig zu geografischen Überschneidungen von Natura 2000Gebieten und WRRL-Gewässern. Hauptziel sowohl der WRRL als auch der NaturschutzRichtlinien ist zwar der Schutz von Ökosystemen, doch sind ihre Vorgaben, Maßnahmen und
Instrumente jedoch nicht völlig komplementär. Wenn für bestimmte Gebiete sowohl die
Naturschutz-Richtlinien als auch die WRRL gelten, ist daher den Synergien besondere
Aufmerksamkeit zu widmen.
8
9
ABl. L 197 vom 21.7.2001, S. 30 – 37 (siehe http://ec.europa.eu/environment/eia/home.htm).
Abl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17; ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 114 (siehe http://ec.europa.eu/environment/eia/home.htm).
11
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
12
Für die Wasserrahmenrichtlinie wurde eine gemeinsame Durchführungsstrategie entwickelt,
um die Herausforderungen durch ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen zu meistern;
hierzu wurden mehrere Leitfäden verfasst (siehe Anhang 1). In diesem Zusammenhang ist
auf Artikel 4 Absatz 2 der WRRL hinzuweisen, nach dem die Schutzziele der HabitatRichtlinie einzuhalten sind, wenn sie über die Anforderungen der WRRL hinausgehen. Dies
gilt auch im umgekehrten Fall. Ausführliche Informationen und Leitlinien zur Umsetzung der
WRRL
können
auf
folgender
Website
abgerufen
werden:
http://ec.europa.eu/environment/water/water-framework/index_en.html.
Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL, 2008/56/EG) ist umfassender und bezieht
auch Ökosystemdienstleistungen in Meeresgebieten ein. Sie gibt den Rahmen für den
Schutz und die Wiederherstellung von Meeresökosystemen vor. Nach dieser Richtlinie sind
die Mitgliedstaaten verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um bis 2020
einen guten Umweltzustand des Meeresmilieus zu erreichen bzw. zu erhalten. Der
geografische Anwendungsbereich der MSRL überschneidet sich, was die Küstengewässer
anbelangt, mit dem der WRRL. Der in der MSRL definierte Umweltzustand betrifft letztere
nur insoweit, als bestimmte, von der WRRL nicht erfasste Aspekte des ökologischen
Zustands des Meeresmilieus (z. B. Abfälle, Lärm, Wale) in der WRRL nicht bereits erfasst
sind. Auf Übergangsgewässer wie Mündungsgebiete findet die MSRL jedoch keine
Anwendung.
Die beiden neueren Richtlinien ergänzen die Naturschutz-Richtlinien insofern, als sie einen
besonderen Schwerpunkt auf die Rolle der Ökosysteme legen. Wie bereits erwähnt, handelt
es sich bei Mündungsgebieten um äußerst dynamische Ökosysteme: Sie sind täglichen und
jahreszeitlichen Veränderungen sowie hydromorphologischen Entwicklungen unterworfen.
Auch die Biodiversitätsparameter und typischen Arten dieser Gebiete unterliegen
Schwankungen im Zeitverlauf. Obwohl die Erhaltung der biologischen Vielfalt von
gemeinsamem Interesse ist, fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass die
morphologischen Entwicklungen zwar alle Lebensräume betreffen, einige davon jedoch auch
verschwinden oder sich wesentlich verändern können. Vor allem für Mündungsgebiete ist es
wichtig, dass diese Dynamik erkannt wird.
1.2. Die integrierte Meerespolitik und die europäische Hafenpolitik
Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über eine integrierte Meerespolitik10 die wirtschaftliche
Bedeutung der europäischen Küste hervorgehoben. Etwa 40 % des BIP und der
Bevölkerung in der EU entfallen auf die Küstengebiete. Schiffbau und Seeverkehr, Häfen
und Fischerei stehen im Mittelpunkt der maritimen Tätigkeiten; aber auch Offshore-Energie
sowie Küsten- und Meerestourismus erwirtschaften Erträge in beträchtlicher Höhe. Die
europäische Meerespolitik sieht vor, dass der Kapazitätenausbau von Häfen und
Küstenfahrrinnen mit dem Wachstum des europäischen Binnenhandels und des
internationalen Handels Schritt halten und im Einklang mit verwandten Zielen der EU-Politik
insbesondere für den Umweltschutz und die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erfolgen
muss.
Mit der Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik11 soll auf ein leistungsfähiges
Hafensystem in der EU hingewirkt werden, das den künftigen Herausforderungen des
europäischen Verkehrsbedarfs gewachsen ist. Eines der Ziele des in dieser Mitteilung
10
11
Europäische Kommission, 2007, Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union, KOM(2007) 575 endgültig.
Europäische Kommission, 2007, Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik, KOM(2007) 616 endgültig, 18.10.2007.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
vorgesehenen Aktionsplans ist die Verbesserung der Aufnahmekapazität der Häfen, um die
Voraussetzungen für eine Zunahme des Seeverkehrs und der Binnenschifffahrt zu schaffen.
In Europa gibt es über 1 200 Handelshäfen; sie sind die Drehscheiben für
Verkehrverlagerungen und von größter wirtschaftlicher Bedeutung, da Europa 90 % seines
internationalen Handels über die Häfen abwickelt. Obwohl diese Zahlen konjunkturbedingten
Schwankungen unterliegen, ist langfristig von weiterem Wachstum auszugehen; gegenüber
anderen Verkehrsträgern (hauptsächlich Straßen-, aber auch Schienenverkehr) hat die
Schifffahrt den Vorteil eines niedrigen CO2-Ausstoßes.
In der Konsultationsphase, die der Annahme der Mitteilung über eine europäische
Hafenpolitik vorausging, wurden Fragen des Umweltschutzes durch Häfen angesprochen.
Interessenvertreter der Hafenwirtschaft äußerten sich besorgt über die Rechtsunsicherheit in
Bezug auf die Auswirkungen der Vogelschutz- und Habitat-Richtlinien auf ihre Tätigkeiten.
Festzustellen ist aber auch, dass die Häfen zunehmend auf nachhaltigere Entwicklung
setzen, um Zustimmung zu ihren Ausbauprojekten zu erreichen.
Häfen und Schifffahrtsstraßen befinden sich oft in Mündungs- und Küstengebieten, die
umweltgefährdete Gebiete von hohem ökologischen Wert einschließen. Für viele
Mitgliedstaaten erweist es sich als schwierig, das Erfordernis der Ausweisung von
Natura 2000-Gebieten in Mündungs- und Küstengebieten und die Notwendigkeit, die
Aufnahmekapazität von Häfen zu verbessern, um dem Beförderungsbedarf in Europa
gerecht zu werden, miteinander in Einklang zu bringen; diese Situation hat zu lokalen
Streitigkeiten sowie mehreren Entscheidungen und Urteilen des Gerichtshofs der
Europäischen Union geführt. Um Hilfestellung bei der Lösung dieser schwierigen Aufgabe zu
geben, haben einige Mitgliedstaaten bereits Konzepte entwickelt, um die Hafenentwicklung
mit den Bestimmungen der Habitat-Richtlinie in Einklang zu bringen.
In ihrer Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik hat die Kommission die Schwierigkeit
anerkannt,
die
Anforderungen
hinsichtlich
der
Hafeninfrastruktur
und
die
Umweltschutzrichtlinien miteinander in Einklang zu bringen. Deshalb sind die Dienststellen
der Kommission dem Ersuchen der Hafenwirtschaft nachgekommen und haben einen
Leitfaden zur Auslegung der beiden Naturschutz-Richtlinien entwickelt. Dies ist der politische
Hintergrund des vorliegenden Leitfadens, der dazu beitragen soll, die Notwendigkeit der
Hafenentwicklung und die Verpflichtung zur Einhaltung der EU-Umweltvorschriften
miteinander zu vereinbaren.
13
14
Leitlinien der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
2. DIE PROBLEMATIK
2.1. Belastungen von Mündungs- und Küstengebieten
Zu den Aktivitäten des Menschen in Mündungs- und Küstengebiete gehören Schifffahrt,
Baggerarbeiten, Gesteins- und Sandgewinnung, Fischerei, Aquakultur, Industrie
(einschließlich Öl- und Gasgewinnung, Betrieb von Windenergieanlagen), Einleitung von
Schlamm und Abwasser, Wasserentnahme (z. B. für Kraftwerke und Industrieanlagen), Bau
von Sicherungsanlagen (wie Küsten- und Hochwasserschutz), Freizeitaktivitäten wie
Vogelbeobachtung und Jagd, Urbanisierung, Verlegung von Kabeln, Rohren und Tunneln,
Militär- und Forschungsaktivitäten.
Alle diese Tätigkeiten können einzeln oder kombiniert die für Mündungs- und Küstengebiete
festgelegten Naturschutzziele potenziell erheblich beeinträchtigen. Im Folgenden werden die
Auswirkungen beschrieben, die mit Wasserstraßen und Häfen in unmittelbarem
Zusammenhang stehen.
1. Baggerarbeiten
Ausbaggerungen, Unterhaltungsbaggerungen und die Umlagerung von Baggergut wirken
sich auf die hydrodynamischen und geomorphologischen Bedingungen im Mündungsgebiet
aus: Die natürliche Sedimentation in Mündungsgebieten hängt von den hydraulischen
Kräften im Flussbecken und vom Sedimentaufkommen ab. Sedimente werden entweder
durch Erosion im Flusseinzugsgebiet oder aus dem Meeresmilieu oder durch eine
Kombination dieser beiden Quellen eingetragen. An einem bestimmten Punkt ist eine Art
Gleichgewicht erreicht; darüber hinaus lagern sich Sedimente nicht mehr im Mündungsgebiet
ab, sondern werden von dort abgegeben. Alle Faktoren, die die hydrodynamischen und/oder
geomorphologischen Bedingungen beeinflussen, können dieses Gleichgewicht und den
Sedimentfluss verändern und der Verlagerung von Lebensräumen Vorschub leisten, die in
Mündungs-- und Küstenökosystemen vorkommen (z. B. Schlickwatt oder Sandbänke).
Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen Ausbaggerungsarbeiten, da sie den Trend zur
Mündungsaufschüttung umkehren und das Gleichgewicht im Mündungsgebiet stören
können. Durch die Ausbaggerung des Mündungsgebiets wird ein weiteres Vordringen des
Salzkeils flussaufwärts ermöglicht; die Wellentätigkeit wird verstärkt und Tidenhub,
Tidenströmung, das Aufkommen suspendierter Sedimente und die Sedimentablagerung
werden beeinflusst. Zudem können die hydrodynamischen Veränderungen und ihre
Auswirkungen auf die Erosion und Ablagerung sowie den Transport von Sedimenten
außerhalb des ausgebaggerten Bereichs sekundäre geomorphologische Veränderungen
einschließlich einer potenziellen Erosion von Schlickwatt und Salzmarschen nach sich
ziehen.
Als Unterhaltungsbaggerungen werden regelmäßige oder kontinuierliche Baggerarbeiten zur
Erhaltung der schiffbaren Fahrrinnentiefe in einem Mündungsgebiet oder an der offenen
Küste bezeichnet. Unterhaltungs- und Investitionsbaggerungen können ähnliche
Auswirkungen
haben.
Der
entscheidende
Unterschied
besteht
darin,
dass
Investitionsbaggerungen den größeren Eingriff darstellen, während Baggerarbeiten zur
Unterhaltung in kleineren Schritten erfolgen und verhindern sollen, dass sich der
ursprüngliche Zustand wieder einstellt. Dies bedeutet jedoch auch, dass kontinuierlich
Probleme auftreten, die gelöst werden müssen, wenn für Lebensräume und Arten ein
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
günstiger Erhaltungszustand bewahrt werden soll. Mögliche Ansatzpunkte sind die
Anpassung der Baggerverfahren und der Einsatz von Techniken der Sedimentzufuhr, die
aber nicht universell anwendbar sind.
Unter Umständen kommt auch eine nutzbringende Wiederverwendung von Baggergut z. B.
zur Strandaufschüttung in Betracht, wobei jedoch darauf zu achten ist, dass keine
bedeutenden sublitoralen Gemeinschaften zugeschüttet werden. Dieses Beispiel zeigt, wie
wichtig eine sorgfältige Prüfung der hydrodynamischen Wirkungen in Mündungs- und
Küstengewässern ist. Die umsichtige Planung der Baggerarbeiten und der Umlagerung von
Baggergut ist ein integraler Bestandteil von Sedimentmanagementplänen. 2.
Unterhaltungsarbeiten
Auch andere Unterhaltungsarbeiten als Unterhaltungsbaggerungen wie Wartung, Austausch
oder
Installation
von
Schifffahrtszeichen,
Pfählen,
Leuchten,
Seeverkehrssteuerungssystemen und Bojen; Erweiterung von Hellingen und Molen;
Instandhaltung von Uferschutzwerk, Flutschutzanlagen und Buhnen können die für
Mündungs- und Küstengebiete festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen.
3. Aktivitäten der Handelsschifffahrt
Die Aktivitäten der Handelsschifffahrt im Hafen lassen sich in zwei große Kategorien
unterteilen: Betrieb und Bewegung von Schiffen sowie Güterumschlag. Der Schiffsverkehr in
Mündungs-- und Küstengewässern kann die Merkmale eines Lebensraums durch die
Erzeugung von Wellen und die von Schiffsschrauben ausgelöste Trübung der Wassersäule
potenziell nachteilig beeinflussen. Schiffsbewegungen können entweder schädliche
Auswirkungen haben, wenn sie z. B. die litorale Erosion von Mündungsgebieten und/oder die
Aufwirbelung von Sedimenten auslösen, oder auch vorteilhafte, wenn sie beispielsweise für
die Belüftung der Wassersäule sorgen.
Von Schiffen ausgehender Lärm (über und unter Wasser) kann geschützte Meerestiere
stören. Durch das Ankern von Schiffen (außerhalb der Anlegestellen) können Tiere und
Pflanzen auf dem Meeresgrund (Muschelbänke, Weichkorallen, Seegrasbestände usw.)
gestört oder zerstört werden. Schiffsemissionen in die Luft, die Entsorgung von Abfällen und
die Behandlung von Ballastwasser können nahe gelegenen Küstenhabitaten schaden.
Beim Umschlag von Trockenmassengut können Staubemissionen und Luftverschmutzung
(Stickstoff, Schwefel) entstehen. Für den Umschlag von Flüssigmassenfrachtgut sind unter
Umständen Rohrleitungen erforderlich, die das Risiko von Leckagen und Emissionen sowie
des Auslaufens von Flüssigkeit mit sich bringen. Beträchtliche Umweltschäden können auch
durch Fracht verursacht werden, die versehentlich in die Meeresumwelt gelangt. Die
Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten, die im Ballastwasser oder auf andere Weise auf
Schiffen eingeführt werden, kann sich ebenfalls nachteilig auf Schutzgebiete auswirken.
Schiffsbewegungen bergen nicht zuletzt ein Katastrophenrisiko in sich (durch auslaufendes
Öl oder auslaufende Fracht).
Die einzelnen Aspekte der Handelsschifffahrt (Abfallentsorgung, Ballastwassermanagement,
Luftverschmutzung usw.) unterliegen nationalen oder internationalen Vorschriften und
Bestimmungen
(z. B.
Ballastwasser-Übereinkommen
der
Internationalen
Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und MARPOL-Protokolle Anlagen 1 – 6). Die
Hafenbehörden haben mit der Einführung eines Umweltindexes auf freiwilliger Basis
zusätzlich die Initiative zur Förderung einer „grünen Schifffahrt“ ergriffen. Dieser Index
bewertet im Wesentlichen die Luftverschmutzung durch Seeschiffe.
15
16
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
4. Hafenausbau durch Neulandgewinnung und Flächennutzung
Auch der Hafen selbst kann sich insofern auf das Natura 2000-Netz auswirken, als der Bau
von neuer Infrastruktur (Abfertigungsgebäuden, Schienen, Rohrleitungen, Straßen, neuen
Industrieanlagen und großen Flächen für Logistikunternehmen) mit Eingriffen in nahe
gelegene Natura 2000-Gebiete verbunden sein kann. In bestimmten Fällen reicht der
vorhandene Platz nicht aus, so dass eventuell für den Bedarf der Häfen Neuland gewonnen
werden muss. Eine land- oder meerseitige Landgewinnung in Natura 2000-Gebieten
erfordert zumeist ökologische Ausgleichsmaßnahmen.
5. Industriekomplexe
Zum Hafen gehören häufig Industriekomplexe wie Raffinerien, Kraftwerke, Knotenpunkte für
Trocken- und Flüssigmassenfrachtgut und Containerterminals. Zusammengenommen
können die Auswirkungen des Betriebs solcher Industrieanlagen, der Schifffahrt und des
Verkehrs Umweltschäden in nahe gelegenen Natura 2000-Gebieten verursachen. Aspekte
des Umweltschutzes wie Luftqualität, Lärm und Abfall sind in spezifischen Rechtsvorschriften
und durch Politiken geregelt, die jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Leitfadens sind.
Der Einsatz der besten verfügbaren Techniken ist oft verbindlich vorgeschrieben und kann
an sich schon eine Verringerung der ökologischen Belastung von Schutzgebieten bewirken.
2.2 Hauptprobleme des Hafensektors bei der Umsetzung der Vogelschutz- und der
Habitat-Richtlinie
Für die Entwicklung des Hafensektors ist es von zentraler Bedeutung, neue Projekte
frühzeitig und sicher planen zu können. In den vergangenen Jahren mussten bei
verschiedenen europäischen Häfen die vorgesehenen Termine für die Erweiterung der
Terminals verschoben werden. Die Organisation europäischer Seehäfen (European Sea
Ports Organisation; ESPO) sieht für diese Verzögerungen mehrere unterschiedliche
Ursachen, die von internen strategischen Entscheidungen der Häfen selbst über Einwände
aus Umweltschutzgründen, Untersuchungen der Auswirkungen auf die Marktanteile,
Finanzierungsprobleme bis hin zu Gerichtsverfahren usw. reichen (ESPO, 2007).
Bereits 2007 hat die ESPO ihren Verhaltenskodex zur Umsetzung der Vogelschutz- und der
Habitat-Richtlinie herausgegeben (Code of Practice on the Birds and Habitats Directives,
ESPO, 2007); er enthält Empfehlungen für Hafenbehörden, die sich mit den rechtlichen
Auswirkungen der Bestimmungen der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie im weiteren
Umkreis ihres Hafenentwicklungsgebiets auseinandersetzen müssen. Im letzten Kapitel
dieses Verhaltenskodex sind Punkte aufgelistet, zu denen die Europäische Kommission um
Klarstellung ersucht wurde.
Im Folgenden sind einige der Fragen aufgeführt, die sich aus der Sicht einer Hafenbehörde
bei der Entwicklung und dem Betrieb von Häfen in der Nähe eines Mündungs-- oder
Küstenschutzgebiets oder in einem solchen Schutzgebiet stellen. Mit Ausnahme der
Kostenaufteilung zwischen den relevanten Beteiligten werden die meisten dieser Fragen im
vorliegenden Leitfaden behandelt.
1. Inwiefern könnten ein proaktiver Ansatz und integrierte Planung eine größere
Rechtssicherheit bewirken?
2. Wie kann durch eine breit angelegte Anhörung der Öffentlichkeit und die Beteiligung
von Interessengruppen an der Projektplanung frühzeitig Einvernehmen zwischen
allen Beteiligten erreicht werden?
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
3. Wie können die Kosten auf alle relevanten Beteiligte aufgeteilt werden, die aus der
Integration von sozioökonomischen Entwicklungszielen und Naturschutzzielen in
Natura 2000-Gebieten Nutzen ziehen können?
4. Wie lassen sich Ausgleichsauflagen durch
Auswirkungen
systematisch
durchgeführte
Schadensbegrenzung vermeiden?
zur Vorbeugung nachteiliger
effiziente
Maßnahmen
zur
5. Wie kann die Zusammenarbeit von Projektträgern, Umweltschutzgremien und NRO
verbessert werden, um flexible Ansätze und für alle Beteiligten vorteilhafte Lösungen
zu fördern?
Eine weitere wichtige Frage für die Betreiber von Häfen und Wasserstraßen betrifft die
Durchführung von Unterhaltungsarbeiten wie Baggerungen in oder in der Nähe von
Natura 2000-Gebieten. Während für die Anwendung von Artikel 6 der Habitat-Richtlinie bei
neuen Plänen und Projekten bereits eingehende Leitlinien vorliegen, wurden laufende
Arbeiten bisher eher vernachlässigt. Dem wird mit den Empfehlungen in Ziffer 3.3.5 nunmehr
abgeholfen.
Für die Träger von Hafenentwicklungsprojekten ist es auch wichtig zu wissen, wie detailliert
sie die potenziellen Auswirkungen neuer Pläne oder Projekte prüfen müssen, um die
Vorschriften der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie einzuhalten. Dabei sind Leitlinien für
den Umgang mit Unsicherheiten von Bedeutung. Die ESPO hat eine Checkliste erstellt, die
als Anleitung für eine Selbstprüfung hierbei wertvolle Dienste leistet (siehe Anhang 3).
2.3 Klimawandel: Ein besonderes Problem in Mündungs- und Küstengebieten
Küsten- und Überschwemmungsgebiete gehören zu den von Klimaänderungen am stärksten
betroffenen Gebieten, da sich hier der Anstieg des Meeresspiegels in Verbindung mit den
erhöhten Risiken von Stürmen, Starkregen und Sturmfluten unmittelbar bemerkbar macht
und zu weiträumigen Schäden in bebauten Gebieten und an der Infrastruktur führt.
Maßnahmen zum Schutz vor Überschwemmungen wie Deichbau, Landgewinnung und
andere Formen des Küstenschutzes können Ursache für die so genannte „Küstenknappheit“
(„coastal squeeze“) sein; mit diesem Ausdruck wird das Phänomen bezeichnet, dass immer
weniger Raum für natürliche Küstenprozesse zur Verfügung steht, die Erosionskräften
entgegenwirken und Veränderungen wie den Meeresspiegelanstieg auffangen können.
Küstenknappheit tritt insbesondere in niedrig gelegenen Gezeitenzonen auf, deren natürliche
Fähigkeit zur Anpassung an Veränderungen der Meeresspiegelhöhe, an Stürme und
Gezeiten durch die Errichtung von starren Barrieren wie Straßen, Deichen, Gebäuden,
Hafen- und Industrieinfrastruktur beeinträchtigt wird.
In Mündungs- und Küstengebieten sollten innovative Maßnahmen zur Verhütung von
Küstenknappheit ergriffen werden. Natürliche Knappheit mit ähnlichen Folgen tritt auf, wenn
die Küste auf ansteigendes Gelände trifft und diese Erhöhung erodierten Lebensräumen die
Möglichkeit zur Verlagerung nimmt.
17
18
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Abbildung 1: Küstenknappheit entsteht, wenn eine Verlagerung von Lebensräumen (ausgelöst durch
den Anstieg des Meeresspiegels) durch Hochwasserschutzmaßnahmen verhindert wird (Environment
Agency, UK, 2005)
Der Klimawandel hat gravierende Folgen für die natürliche Umwelt in Europa sowie für
nahezu alle Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft. Der Meeresspiegelanstieg reduziert
die Schutzwirkung von Wellenbrechern und Kaimauern; aber auch Phasen von
Niederschlagsknappheit in den Flusseinzugsgebieten können die Menge des abfließenden
Süßwassers reduzieren und die Sedimentation im Mündungsgebiet verstärken. In trockenen
Sommern sinken die Wasserstände der Flüsse, so dass das Erreichen von Binnenhäfen
über Binnenwasserstraßen beeinträchtigt sein kann.
Es ist klar, dass der durch den Klimawandel hervorgerufene Anstieg des Meeresspiegels die
Merkmale der Gezeiten beeinflussen und zu einer Zunahme des Tidehubs und in der Folge
zu höheren Strömungsgeschwindigkeiten führen wird. Dies kann den „Tidal-Pumping“-Effekt
zusätzlich verstärken und möglicherweise die weitere Reduzierung wertvoller
Flachwassergebiete und die unerwünschte Ablagerung von Sedimenten bedeuten, was
wiederum den Verlust an biologischer Vielfalt nach sich zieht und nicht zuletzt die
Notwendigkeit von Baggerungen erhöht. Das größte Problem des ansteigenden
Meeresspiegels ist aber der potenzielle Sedimentmangel, der verhindert, dass Schlick- und
Sandwatt mit dem Anstieg des Meeresspiegels Schritt halten können. Dies dürfte zur
Ausdehnung sublitoraler Lebensräume führen. Für eine sehr begrenzte Zahl europäischer
Häfen kann die Sedimentablagerung in sublitoralen Zonen Nachteile bringen; die Möglichkeit
eines Sedimentaustrags und einer verstärkten Erosion aufgrund von fehlender Fläche für
den Rollover-Prozess stellt jedoch das größere Problem dar.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
3. LEITLINIEN
Mit den vorliegenden Leitlinien sollen nationalen zuständigen Behörden, Hafen- und
Wasserstraßenverwaltungen, Betreibern und im Umweltschutz tätigen NRO praktische
Empfehlungen für die Umsetzung der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie in Mündungsund Küstengebieten unter besonderer Berücksichtigung von Hafenentwicklungs- und
Baggermaßnahmen gegeben werden. Im Wesentlichen werden die folgenden Aspekte
behandelt: Erhaltungsziele für dynamische Umgebungen, integrierte Planung, neue
Entwicklungen und Anpassungsstrategien. Ziel dieser Leitlinien ist es, effizientere Planungsund Entwicklungsansätze und die Anwendung „beschleunigter Verfahren“ bei
Hafenausbauprojekten in Übereinstimmung mit der Mitteilung „Strategische Ziele und
Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018“ (KOM(2009) 8 endgültig) zu
fördern.
Die Praxis hat gezeigt, dass eine frühzeitige Zusammenarbeit von Interessengruppen und
Beteiligten in vielen Fällen Voraussetzung für eine erfolgreiche Planung und die Vermeidung
von Verzögerungen ist. Mündungs- und Küstengebiete sind äußerst komplexe und
dynamische Umgebungen, in denen die Interessen einer Vielzahl von Sektoren
zusammentreffen. In der Regel haben diese Gebiete für den Naturschutz, für Gesellschaft
und Wirtschaft größte Bedeutung. Dies macht zwar das Planungsverfahren bei
Entwicklungsprojekten zu einem komplizierten Prozess, der aber dennoch auf ausgewogene,
kostenwirksame, zügige und integrierte Weise angewickelt werden kann. Hauptsächlich geht
es darum, allen beteiligten Parteien ihre rechtlichen Verpflichtungen bewusst zu machen und
ein Grundverständnis der Funktionsweise von Mündungsgebieten als Ökosysteme zu
vermitteln.
3.1. Erhaltungsziele für dynamische Umgebungen
3.1.1. Verstehen und Bewirten von Mündungs- und Küstengebieten als komplexe und
dynamische Ökosysteme
Vor der Festlegung von Erhaltungszielen für dynamische Umgebungen wie Mündungs- und
Küstengebiete muss zunächst klar sein, wie diese komplexen Ökosysteme funktionieren, wie
ihre „morphologische“ Entwicklung verläuft und wie sie durch vom Menschen verursachte
Belastungen und Klimaänderungen beeinflusst werden können. Das Gleichgewicht zwischen
den verschiedenen (physikalischen, chemischen, biologischen und hydromorphologischen)
Komponenten der Mündungs-- und Küstenökosysteme ist hochkomplex und äußerst anfällig
für Aktivitäten des Menschen wie hafenbezogene Tätigkeiten, Landwirtschaft und
Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Sowohl die ökologischen als auch die wirtschaftlichen
Werte dieser Ökosysteme müssen erhalten werden, um den gesellschaftlichen
Erfordernissen gerecht zu werden.
Ein Ökosystem-Ansatz, wie er in der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie12 in Grundzügen
beschrieben wird, eignet sich gut für die Bewirtschaftung komplexer Systeme wie Mündungs-
12
Richtlinie 2008/56/EG (Amtsblatt der Europäischen Union vom 25.6.2008); Allgemeine Bestimmungen, Artikel 1 Absatz 3: „Im
Rahmen der Meeresstrategien wird ein Ökosystem-Ansatz für die Steuerung menschlichen Handelns angewandt, der
gewährleistet, dass die Gesamtbelastung durch diese Tätigkeiten auf ein Maß beschränkt bleibt, das mit der Erreichung eines
guten Umweltzustands vereinbar ist, und dass die Fähigkeit der Meeresökosysteme, auf vom Menschen verursachte
Veränderungen zu reagieren, nicht beeinträchtigt wird, und der gleichzeitig die nachhaltige Nutzung von Gütern und
19
20
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
und Küstengebiete. Hierbei wird ein Ökosystem als ökologische Einheit mit typischer
Struktur, typischen Prozessen und typischen Funktionen definiert, die in Wechselwirkung mit
ihrem Umfeld stehen. Im Vergleich zum Ansatz für Lebensräume/Gewässer wird beim
Ökosystem-Ansatz für die Analyse eine höhere räumliche Ebene herangezogen. Der
Klimawandel wirkt sich potenziell auf die biologische Vielfalt und die Hydromorphologie in
Mündungs- und Küstengebieten sowie auf Tätigkeiten des Menschen wie die Entwicklung
und den Betrieb von Häfen aus.
Leitlinien für Planung und Entscheidungsfindung auf Basis des Verständnisses von
Ökosystemen
•
Die physikalischen Prozesse und die morphologische Entwicklung der spezifischen
Mündungs- und Küstengebiete sollten eingehend untersucht werden. Die zuständigen
Behörden sollten die Naturschutzziele für diese Ökosysteme auf der Grundlage des
besten verfügbaren, wissenschaftlich fundierten Wissens über diese Elemente
festlegen.
•
Vor der Bestimmung von Erhaltungszielen für Mündungs- und Küstengebiete, die als
Natura 2000-Gebiete ausgewiesen sind, sollten Vorkommen, geografische
Verbreitung und tatsächlicher Erhaltungszustand aller nach Maßgabe der
Naturschutzrichtlinien geschützten Lebensräume und Arten sowie die potenziellen
Gefahren, denen sie ausgesetzt sein könnten, detailliert ermittelt werden.
•
Integrierte Bewirtschaftungspläne für Mündungsgebiete sollten als wichtiges
Instrument für die Erhaltung und den Schutz von kritischen Prozessen, Gebieten und
Arten erstellt und umgesetzt werden, wobei gleichzeitig den Belangen einer
nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung Rechnung zu tragen ist. Nach Möglichkeit
sollten diese Pläne in den Bewirtschaftungsplan für das gesamte Flusseinzugsgebiet
integriert werden.
•
Bei der Erstellung integrierter Bewirtschaftungspläne für Natura 2000-Gebiete sollten
die Ziele des Naturschutzes wie auch die der sozioökonomischen Entwicklung
berücksichtigt werden. Hierfür sollte ein Ökosystem-Ansatz gewählt werden, der die
nachhaltige Nutzung von Gütern und Dienstleistungen bei vollständiger Einhaltung
der für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele ermöglicht.
•
Mit der Veränderung eines Mündungs- oder eines Küstengebiets gehen auch
Veränderungen des Vorkommens von Arten und Habitaten einher. Deshalb sollte bei
den Zielen und Maßnahmen zur Erhaltung von Natura 2000-Gebieten auch den
systemspezifischen dynamischen Bedingungen und Entwicklungstrends Rechnung
getragen werden. Ferner ist zu unterscheiden zwischen natürlichen Entwicklungen
und den Folgen menschlichen Handelns wie insbesondere der Entstehung von
Küstenknappheit
und
den
mit
der
Fahrrinnenvertiefung
verbundenen
morphologischen Veränderungen.
ƒ
Unsicherheiten oder Wissenslücken in Bezug auf physikalische, morphologische oder
biologische Prozesse sollten durch zusätzliche Forschungen so weit wie möglich
ausgeräumt bzw. geschlossen werden; falls dennoch Unsicherheiten verbleiben,
sollten anpassungsfähige Überwachungsprogramme vorgesehen werden. Neue
Erkenntnisse
und
wissenschaftliche
Informationen
sollten
in
den
Bewirtschaftungsplan einfließen und, wenn nötig, zu einer entsprechenden
Anpassung der Bewirtschaftungs- und Überwachungsmaßnahmen führen.
Dienstleistungen des Meeres heute und durch die künftigen Generationen ermöglicht.“
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
ƒ
Potenzielle Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sollten bei der
Festlegung von Erhaltungszielen ebenfalls in Betracht gezogen werden. Hierbei sind
insbesondere regionale Ungleichgewichte beim Sedimentvorkommen zu beachten.
Sedimentmangel kann eine weitere Erosion z. B. von Sümpfen, Wattenmeeren (LRT
1100, 1130 und 1140), Sandbänken, Stränden und Dünen, nach sich ziehen.
ƒ
Proaktive strategische Ansätze des Küstenmanagements sollten ausgearbeitet und
dabei sollte vorrangig auf die Erhöhung der Küstensicherheit und der Elastizität des
Ökosystems sowie die Erhaltung eines ausgewogenen Sedimentgleichgewichts in
den Küsten- und Mündungssystemen hingewirkt werden.
ƒ
Wenn möglich, sollte proaktiv die Ausweitung von Naturräumen, anstatt eine
Katastrophenabwehr oder die Bewältigung von Klimaauswirkungen angestrebt
werden. Eine wichtige Anpassungsmaßnahme ist die Schaffung von
Verbreitungskorridoren für Arten.
ƒ
Wenn Veränderungen im Sedimentaufkommen zum Verlust wichtiger Lebensräume
wie Flachwassergebiete führen, sollten angepasste Sedimentmanagementpläne als
Instrument zur Verwirklichung der Erhaltungsziele in Erwägung gezogen werden.
3.1.2. Schutz von Lebensräumen und Arten von gemeinschaftlichem Interesse
Mündungsgebiete an der nordöstlichen Atlantikküste sind den Gezeiten ausgesetzt. Im
Gegensatz zu „großen flachen Meeresarmen und –buchten“ unterliegen Flussmündungen
ins Meer in der Regel einem deutlichen Süßwassereinfluss. Durch die Vermischung von
Süß- und Meerwasser und die schwächere Strömung im Schutz des Mündungsgebiets
kommt es zur Ablagerung von feinen Sedimenten und in der Folge oft zur Entstehung
ausgedehnter Sand- und Schlickwattflächen. Charakteristisch für Mündungsökosysteme sind
sublitorale und litorale Lebensräume (Schlickwatt) einschließlich Salzsümpfen (landseitig).
Die Mündungen von Flüssen in die Ostsee, in das Mittelmeer und das Schwarze Meer gelten
als Mündungssubtypen mit Brackwasser und nahezu ohne Tide.
Mündungs- und Küstengebiete sind dynamische Systeme, in denen zeitgleich mehrere
Lebensraumtypen und Habitate von Arten vorkommen. Sandbänke (LRT 111013),
vegetationsfreies Schlick-, Sand- und Mischwatt (LRT 1140), Riffe (LRT 1170) sowie
Salzsümpfe und -wiesen (LRT 1310 bis 1330) sind weitere mögliche Komponenten des
Lebensraumtyps 1130 (Ästuarien). Durch diese Gebiete verlaufen zudem Korridore für
Wanderarten (wie Fische), und viele Vogelarten haben hier ihre Rastplätze. In einigen Fällen
sind Mündungs- und Küstengebiete auch mit Lagunen des Küstenraums (Strandseen) (LRT
1150*) oder flachen großen Meeresarmen und –buchten (LRT 1160) verbunden.
In allen geografischen Bereichen können auch Fahrrinnen und/oder Schifffahrtsstraßen
integraler Bestandteil des Lebensraumtyps „Mündungsgebiete“ sein; sie beeinflussen die
hydrologische Funktionsweise von Mündungs- und nahe gelegenen Küstengebieten, unter
anderem die Wasserzirkulation und die Sedimentablagerung.
Ein Mündungsgebiet ist generell als komplexes Gefüge unterschiedlicher Lebensräume zu
verstehen. Angrenzende Küstenzonen sollten in die Überlegungen zur Festlegung von
Erhaltungszielen für Mündungs- und Küstengebiete einbezogen werden. Nähere
Informationen über die Definition von Lebensräumen sind dem Auslegungsleitfaden der
Europäischen Union zu Lebensräumen (Interpretation Manual of European Union Habitats)
13
Lebensraumtyp gemäß Habitat-Richtlinie.
21
22
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
zu entnehmen. Die Kapitel zu bestimmten Lebensräumen (z. B. Meereslebensraumtypen
1110, 1170 und 1180) in diesem Leitfaden wurden 2007 überarbeitet. Ferner liegen mehrere
einzelstaatliche Leitfäden vor. Die Mitgliedstaaten gehen jedoch bei dem Lebensraumtyp
1130 „Ästuarien“ jeweils von unterschiedlichen Definitionen und/oder Auslegungen aus.
Die biologischen Bedingungen innerhalb von Mündungs- und Küstengebieten werden von
mehreren Schlüsselparametern bestimmt. Das Vorhandensein bzw. das Fehlen von Arten
(Angiospermen, benthischer wirbelloser Fauna, Fischfauna, Vögeln und Säugetieren usw.)
hängt vom Verhalten des Systems und seiner ökologischen Nahrungskette ab. Eine Rolle
spielen hierbei physikalische Parameter wie Trübung und Salzgehalt des Wassers. Deutliche
Veränderungen der physikalischen Elemente in Mündungs- und Küstengebieten, wie sie mit
Ausbauprojekten für Häfen und Wasserstraßen einhergehen, können möglicherweise den
Fortbestand bestimmter Arten in der Nahrungskette gefährden.
Für einige aquatische Lebensräume, die unter die Habitat-Richtlinie fallen, tragen die den
guten Umweltzustand ausmachenden chemischen, biologischen und hydromorphologischen
Elemente gemäß der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bereits zur Verwirklichung der Ziele
der Naturschutzrichtlinien bei. Einige der für Lebensräume des Anhangs 1 typischen Arten
dienen als Indikatoren für die Beurteilung des ökologischen Zustands gemäß der WRRL
(Angiospermen, benthische Fauna, Fische).
Der Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen, die unter die Schutzbestimmungen
der Naturschutzrichtlinien fallen, hängt unter Umständen nicht allein von der in der WRRL
definierten guten ökologischen Qualität von Gewässern ab, auch wenn diese zweifellos von
großer Bedeutung ist. Für den lokalen Erhaltungszustand von Arten können auch andere
spezifische Elemente maßgeblich sein, die von Fall zu Fall bestimmt werden müssen.
Zusätzlich zu den in der WRRL vorgesehenen Maßnahmen, die nach der Vogelschutz- oder
der Habitat-Richtlinie jedoch möglicherweise vorgeschrieben sind, kommen z. B. die
Einrichtung ruhiger Rastplätze für Seehunde oder von Futterplätzen in litoralen
Lebensräumen für Otter oder Vögel bei Ebbe oder auch die Schaffung geeigneter Nistplätze
für Vögel in Betracht. Das Hauptaugenmerk sollte hierbei auf der Wahl eines für alle Seiten
vorteilhaften Ansatzes sowie auf der frühzeitigen Abstimmung von Zielen und Maßnahmen
sowohl nach der WRRL als auch nach den Natura 2000-Vorschriften liegen.
Leitlinien für die Ausweisung von Natura 2000-Gebieten und deren Einbeziehung in die
WRRL
ƒ
Ein Mündungs- oder Küstengebiet bildet mit den angrenzenden terrestrischen und
sublitoralen Lebensraumtypen eine ökologische Einheit. Die verschiedenen
Lebensraumtypen sollten im Hinblick auf den Naturschutz nicht isoliert betrachtet
werden, und ihr Zusammenwirken sollte bei der Abgrenzung des Schutzgebiets
berücksichtigt werden.
ƒ
Fahrrinnen und/oder Schifffahrtsstraßen sind nach wie vor ein integraler Bestandteil
ausgewiesener Natura 2000-Gebiete und sollten in die Bewirtschaftungspläne
einbezogen werden.
ƒ
Die Mitgliedstaaten und die lokalen Behörden sollten sich bei der Festlegung von
Erhaltungszielen und bei der Durchführung und Überwachung von Maßnahmen im
Rahmen der Naturschutzrichtlinien und der WRRL abstimmen. Nach Möglichkeit
sollten integrierte WRRL- und Natura 2000-Bewirtschaftungspläne erstellt werden.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
3.1.3. Festlegung von Erhaltungszielen für Mündungs- und Küstenlebensräume
Die Erarbeitung von Erhaltungszielen für Mündungs- und Küstengebiete stellt eine echte
Herausforderung dar, weil es sich um äußerst komplexe und dynamische Ökosysteme
handelt. Die endgültige Zuständigkeit für die Bestimmung adäquater Erhaltungsziele,
Prioritäten und Instrumente, die den jeweiligen nationalen, regionalen und lokalen
Gegebenheiten angepasst sind, liegt immer bei den Mitgliedstaaten.
In diesem Zusammenhang können folgende Fragen auftreten:
- Wie werden Erhaltungsziele auf nationaler/lokaler Ebene festgelegt?
- Wie können Natura 2000-Bewirtschaftungspläne auf der Grundlage eines ÖkosystemAnsatzes erstellt werden und gleichzeitig der Quantifizierung von Erhaltungszielen und
der Festlegung von Maßnahmen zur Erhaltung von Lebensräumen und Arten dienen?
- Wie lassen sich sozioökonomische Ziele in die Erhaltungsziele und die
Bewirtschaftungspläne für Natura 2000-Gebiete integrieren?
Erhaltungsziele und -maßnahmen müssen sowohl landesweit als auch für die einzelnen
Schutzgebiete festgelegt werden. In Artikel 2 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie wird als Ziel
dieser Richtlinie ein Beitrag zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der
natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen im gesamten
„europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat“ genannt.
Gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten gehalten, Gebiete
von gemeinschaftlicher Bedeutung als besondere Schutzgebiete auszuweisen und „dabei die
Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die
Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps
des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000
sowie danach fest(zulegen), inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung
bedroht sind“.
Artikel 6 Absatz 1 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Erhaltungsmaßnahmen für die
einzelnen besonderen Schutzgebiete festlegen. Die Erhaltungsziele für diese Gebiete sollten
sich an den in Artikel 4 Absatz 4 genannten Prioritäten orientieren. Diese geben Hilfestellung
für die Festlegung spezifischer gebietsbezogener Erhaltungsmaßnahmen.
Die Erhaltungsziele für den gesamten Mitgliedstaat und die Ziele für die einzelnen
Schutzgebiete ergänzen sich, da Natura 2000 als Netz konzipiert ist, in dem jedes Element
eine zur Wahrung der globalen Kohärenz des Systems spezielle Funktion wahrnimmt. Für
ein Schutzgebiet festgelegte Erhaltungsziele tragen demnach auch zur Verwirklichung der
landesweit geltenden Erhaltungsziele bei.
Artikel 2 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie schreibt im Hinblick auf die Festlegung der
spezifischen Erhaltungsmaßnahmen für die einzelnen Schutzgebiete vor, „den
Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen
Besonderheiten Rechnung zu tragen“. Hierbei darf jedoch das Gesamtziel des Natura 2000Netzes nicht gefährdet werden, das darin besteht, „den Fortbestand oder gegebenenfalls die
Wiederherstellung
eines
günstigen
Erhaltungszustandes
dieser
natürlichen
Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet“ zu
gewährleisten. Alle Schutzgebiete leisten einen spezifischen Beitrag zur Verwirklichung
dieses Ziels, wobei die einzelnen Beiträge aller Gebiete nicht unbedingt gleichwertig sein
müssen.
Für die besonderen Schutzgebiete sind drei Maßnahmenarten vorgegeben: proaktive
Erhaltungsmaßnahmen gemäß Artikel 6 Absatz 1, Vermeidungsmaßnahmen gemäß Artikel 6
23
24
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Absatz 2, die die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume verhindern sollen, sowie
spezifische Maßnahmen zur Prüfung und Genehmigung neuer Pläne und Projekte gemäß
Artikel 6 Absätze 3 und 4. Bei den Erhaltungszielen für ein bestimmtes Gebiet sind all diese
Vorgaben einzuhalten. Die nach Artikel 4 der Vogelschutz-Richtlinie geforderten besonderen
Schutzmaßnahmen entsprechen den Maßnahmen für besondere Schutzgebiete gemäß
Artikel 6 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie. Die Bestimmungen in Artikel 6 Absätze 2, 3 und 4
gelten auch für Schutzgebiete im Sinne der Vogelschutz-Richtlinie.
Leitlinien für die Festlegung von Erhaltungszielen
ƒ
Ist ein Gebiet aufgrund des in Artikel 4 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie genannten
Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so
weist der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich – spätestens
aber binnen sechs Jahren - als besonderes Schutzgebiet aus und legt dabei die
Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die
Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen
Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz
des Netzes Natura 2000 sowie danach fest, inwieweit diese Gebiete von Schädigung
oder Zerstörung bedroht sind. (Artikel 4 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie)
ƒ
Bei der Erarbeitung von Erhaltungszielen sollten die nationalen zuständigen
Behörden die Dynamik von Mündungs- und Küstengewässern und die jeweiligen
natürlichen Fluktuationen der geschützten Arten und Lebensraumtypen
berücksichtigen.
ƒ
Ferner sollte den morphologischen, chemischen und biologischen Prozessen in
vollem Umfang Rechnung getragen werden. Die ökologischen Funktionen von
Mündungs- und Küstengewässern wie auch die hydrologischen Funktionen, die
Aufgabe als Laichplatz und Aufzuchtgebiet sowie als saisonaler Lebensraum für
Wanderarten sollten anerkannt werden.
ƒ
Bei der Festlegung von Erhaltungszielen und –maßnahmen für ein Natura 2000Schutzgebiet sollten die Bewertung des lokalen Erhaltungszustands geschützter
Lebensräume und Arten, die relative Bedeutung des Gebiets für die Kohärenz des
Natura 2000-Netzes sowie für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines
günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume und Arten zugrunde gelegt
werden. Sie sollten zudem widerspiegeln, inwieweit das Gebiet von Schädigung oder
Zerstörung bedroht ist. Die Auswirkungen eines Plans oder Projekts auf das Gebiet
als solches sind im Lichte der für dieses Gebiet vorgegebenen Erhaltungsziele zu
prüfen (Artikel 6 Absatz 3).
ƒ
Der Erhaltungszustand zum Zeitpunkt der Ausweisung des Gebiets sollte als
Bezugswert bei der Beurteilung der Verschlechterung zugrunde gelegt werden
(Artikel 6
Absatz 2).
Hierbei
sind
auch
Verbesserungen
durch
Wiederherstellungsmaßnahmen oder sonstige Verbesserungen, z. B. Zunahme des
Vogelbestands als Folge von Belastungen in anderen Gebieten oder der
Klimaänderungen, sowie durch natürliche Ereignisse oder den Klimawandel
hervorgerufene Verluste zu berücksichtigen. Der Standard-Datenbogen für das
Gebiet dient hierbei als wichtiges Bezugsdokument.
ƒ
Hafen- und Wasserstraßenverwaltungen sollten frühzeitig an den Verfahren für die
Entwicklung und Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen für Natura 2000-Gebiete,
die in der Nähe von Häfen liegen oder über Wasserstraßen mit diesen verbunden
sind, beteiligt werden. Bei der Festlegung von Erhaltungsmaßnahmen für ein
bestimmtes Gebiet sollten wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle
Erfordernisse sowie regionale und lokale Merkmale wie die aktuelle Situation in den
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Häfen und die voraussichtlichen weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen
berücksichtigt werden, ohne den Beitrag des jeweiligen Gebiets zur Verwirklichung
des für das Natura 2000-Netz vorgegebenen Gesamtziels und die globale Kohärenz
des Natura 2000-Netzes zu gefährden.
ƒ
Erhaltungsziele sollten nicht statisch sein; vielmehr müssen sie der tatsächlichen
Veränderung des Erhaltungszustands von Arten und Lebensräumen und der
Entwicklung weiterer ökologischer Faktoren in einer komplexen und dynamischen
Umgebung angepasst werden.
ƒ
Für die Überwachung der kurz- und langfristigen Entwicklung, unter anderem der
morphologischen Dynamik und der Zirkulation/Umverteilung der Sedimente, sollten
entsprechende Verfahren eingeführt werden. Anhand der festgestellten Trends
können die Erhaltungsziele und Bewirtschaftungsmaßnahmen überarbeitet werden
(unter Anwendung der Grundsätze der anpassungsfähigen Bewirtschaftung).
3.2. Integrierte Planung
3.2.1.
Bewirtschaftungspläne
Für Natura 2000-Gebiete werden in der Habitat-Richtlinie Bewirtschaftungspläne empfohlen,
jedoch nicht verbindlich vorgeschrieben. Diese Pläne dürften eine geeignete Lösung für die
Wiedergabe transparenter Erhaltungsziele und die Entwicklung von Maßnahmen zur
Erhaltung oder Steigerung der Naturwerte in Einklang mit den Systemprozessen sein. Ein
Bewirtschaftungsplan bietet die Möglichkeit, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung,
Sicherheitsaspekte und Zugänglichkeit mit Naturschutzzielen zu vereinbaren. In einem
solchen Plan lassen sich wiederkehrende, regelmäßige Unterhaltungsmaßnahmen und
Erhaltungsziele miteinander verbinden.
Bewirtschaftungspläne sind auch ein geeignetes Instrument für die Vereinbarung
regelmäßiger Routinearbeiten wie Unterhaltungsbaggerungen mit dem Umweltschutz und für
die Einbeziehung von Hafenbehörden und anderen Interessenträgern in die Bewirtschaftung
von Natura 2000-Gebieten.
Wenn Unterhaltungsmaßnahmen in direktem Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des
Gebiets berücksichtigt werden und in einen Natura 2000-Bewirtschaftungsplan integriert
sind, wird bei ihrer Planung darauf geachtet, dass sie voraussichtlich keine nachteiligen
Auswirkungen auf das Gebiet als solches haben bzw. die für das Gebiet festgelegten
Erhaltungsziele nicht gefährden. In diesem Fall können die Maßnahmen ohne Prüfung auf
Verträglichkeit nach Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie genehmigt werden.
Die
Integration
von
strategischen
Hafenplänen,
Bewirtschaftungsplänen
für
Flusseinzugsgebiete gemäß der WRRL und Natura 2000-Bewirtschaftungsplänen kann
einen Abbau des Verwaltungsaufwands und eine Verringerung von Verzögerungen und
Rechtsunsicherheit bewirken.
25
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
26
Leitlinien für Natura 2000-Bewirtschaftungspläne
ƒ
Für Natura 2000-Gebiete sollten integrierte Bewirtschaftungspläne erstellt werden, vor
allem für Gebiete, die von Hafenaktivitäten oder sonstigen industriellen Tätigkeiten
betroffen sind.
ƒ
Hafen- und Wasserstraßenverwaltungen sollten aktiv an der Erstellung von
Bewirtschaftungsplänen für Natura 2000-Gebiete in der Nähe von Häfen und
zugehörigen Wasserstraßen beteiligt werden.
ƒ
Strategische Hafenpläne, Bewirtschaftungspläne für Flusseinzugsgebiete gemäß der
WRRL und Natura 2000-Bewirtschaftungspläne sollten koordiniert und nach Möglichkeit
zusammengefasst werden, um aus einem potenziell für alle Beteiligten vorteilhaften
Vorgehen optimal Nutzen ziehen zu können („Win-Win-Situation“).
ƒ
Regelmäßige Unterhaltungsarbeiten, die für den reibungslosen Ablauf des Hafenbetriebs
und des Einlaufs der Schiffe ausgeführt werden müssen, sollten in die
Bewirtschaftungspläne einbezogen und so geplant werden, dass sie die für das jeweilige
Gebiet geltenden Erhaltungsziele nicht beeinträchtigen.
3.2.2. Raumplanung
Raumplanung und integrierte Bewirtschaftung auf der Grundlage vorausschauender und
proaktiver Ansätze können die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen in den Gebieten
unterstützen und mehr Rechtssicherheit für Hafenentwicklungsprojekte schaffen. Integrierte
Planung ist eine Möglichkeit, Synergieeffekte und Komplementarität zu erreichen; sie ist ein
Instrument zur Förderung der sozialen Verantwortung und der nachhaltigen Entwicklung.
Integrierte Planung sollte dabei helfen, Unstimmigkeiten, Konflikte und letztlich Wettbewerb
um den verfügbaren Raum zu vermeiden. Die Beseitigung von Reibungspunkten im Vorfeld
spart Zeit und beugt „Verfahrensstreitigkeiten“ vor.
In ihrer Empfehlung 2002/413/EG zur Umsetzung einer Strategie für ein integriertes
Management der Küstengebiete ebnet die Europäische Kommission den Weg für eine
bessere strategische Planung. Sie empfiehlt die „Umsetzung eines ökologisch nachhaltigen,
wirtschaftlich ausgewogenen, sozial verträglichen und behutsam auf schutzwürdige kulturelle
Belange achtenden Küstenzonenmanagements, das die Integrität dieser wichtigen
Ressource aufrechterhält und gleichzeitig den traditionellen lokalen Tätigkeiten und
Gepflogenheiten, die keine Bedrohung für empfindliche natürliche Lebensräume und den
Erhaltungsstand der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten darstellen, Rechnung trägt“.
(Janssen, 2005)
Bei dem im Rahmen des IKZM vorgeschlagenen strategischen Ansatz wird der Schutz der
Küstenumwelt (auf der Grundlage eines Ökosystem-Ansatzes zur Gewährleistung ihrer
Integrität und ihres Funktionierens) betont; gleichzeitig werden aber auch die Gefahren
anerkannt, die den Küstengebieten infolge des Klimawandels oder nachhaltig ungünstiger
Bedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung und die Beschäftigungslage drohen. In der
IKZM-Empfehlung wird eine Reihe von grundsätzlichen Vorgehensweisen vorgeschlagen,
unter anderem den „Einsatz einer Kombination von Instrumenten, die die Kohärenz zwischen
den sektoralen politischen Zielen sowie zwischen Planung und Bewirtschaftung steigern
können“.
In die gleiche Richtung zielt die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 2008/56/EG, nach der die
Mitgliedstaaten gehalten sind, bis 2016 Maßnahmenprogramme aufzulegen, die unter
anderem die „Steuerung der räumlichen und zeitlichen Verteilung: Managementmaßnahmen
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
die beeinflussen, wo und wann eine Tätigkeit erfolgen darf“ (Anhang VI) beinhalten können“.
Damit schafft sie die Regelungsbasis für eine Raumplanung für Meeresgewässer auf der
Grundlage der MSRL.
Integrierte
Raumplanung
bietet
die
Möglichkeit,
Probleme
und
nachteilige
Umweltauswirkungen zu antizipieren und potenzielle Konflikte und Verzögerungen bei der
Projektentwicklung zu vermeiden. Die Klärung raumbezogener Probleme begünstigt insofern
die Zustimmung zu einzelnen Projekten, als sich Projektträger und Genehmigungsbehörde
im
Entscheidungsfindungsprozess
anhand
einer
Vorprüfung
oder
einer
Verträglichkeitsprüfung auf der räumlichen Ebene auf diese Rahmenpläne stützen können.
Raumplanung und integrierte Planung bilden keinen Widerspruch zu den von der
Europäischen Kommission vorgeschlagenen beschleunigten Verfahren14, da im Vorfeld
getroffene Klarstellungen die Lösung späterer Probleme erleichtern können. Eine bessere
Planung erfordert zusätzliche Zeit, zahlt sich aber aus, weil Konflikte während der
Genehmigungsverfahren vermieden werden können; schließlich trägt sie auch dazu bei,
„Unsicherheiten“ zu beseitigen und Gründe für Verzögerungen auszuräumen.
Die Relevanz von Flächennutzungsplänen und sektorbezogenen Plänen einschließlich
Risikomanagementplänen für Hochwasser ist offensichtlich. Einige Pläne haben direkte
rechtliche Auswirkungen auf die Flächennutzung, andere hingegen nur indirekte. Regionale
oder geografisch übergeordnete Raumordnungspläne werden z. B. oft nicht unmittelbar
umgesetzt, sondern dienen als Grundlage für detailliertere Planungen oder als Rahmen für
die Genehmigung von Entwicklungsprojekten, die dann direkte rechtliche Auswirkungen hat.
In integrierten strategischen Plänen sollen die grundlegenden Bedingungen für die
Durchführung integrierter Projekte vorab festgelegt werden. Diese Pläne sollten
strategischen Umweltprüfungen und Verträglichkeitsprüfungen nach Artikel 6 Absatz 3 der
Habitat-Richtlinie unterzogen werden.
Die Flächennutzungsplanung ist ein ganzheitlicher Prozess, in dem verschiedene
Nutzungsansprüche beurteilt werden. Bei Verträglichkeitsprüfungen nach Artikel 6 Absatz 3
der Habitat-Richtlinie werden die potenziellen Auswirkungen des jeweiligen Plans auf
Natura 2000-Gebiete kritisch geprüft und potenzielle Änderungen der politischen Strategie
oder der Vorschläge zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiete
ermittelt. Ein wesentlicher Vorteil der Verträglichkeitsprüfung in der Planungsphase besteht
darin, dass Entscheidungen zum Inhalt des Plans getroffen werden müssen, wodurch
mögliche erhebliche negative Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiete und somit auch
mögliche Konflikte und Verzögerungen bei der Projektdurchführung verhindert werden
können. In diesem Sinne stellen die Bestimmungen des Artikels 6 nicht nur rechtliche
Vorschriften dar, sondern auch ein wertvolles Instrument für strategische Planungen.
Die Resilienz von Mündungs- und Küstenökosystemen kann durch proaktive
Naturentwicklungsmaßnahmen erhöht werden. Diese Maßnahmen können auch auf Flächen
durchgeführt werden, die sich im Besitz von Hafen- oder Wasserstraßenverwaltungen
befinden und für den künftigen Ausbau von Häfen oder Wasserstraßen bestimmt sind,
zurzeit aber hierfür noch nicht benötigt werden, oder auf Flächen anderer Parteien (Staat,
Naturschutzorganisationen oder Privatpersonen). Integrierte Bewirtschaftungspläne für
Natura 2000-Mündungsgebiete geben einen Rahmen für die Bewirtschaftungs- und
Schutzmaßnahmen in diesen Gebieten vor.
14
Europäische Kommission, 2009, Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018, Mitteilung
der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den
Ausschuss der Regionen, S. 13.
27
28
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Schließlich muss auch hervorgehoben werden, dass die Beteiligung von Öffentlichkeit und
NRO auf der Basis eines partizipatorischen Ansatzes eine grundlegende Voraussetzung für
ein erfolgreiches Planungsverfahren ist. Transparenz und ein qualitativer Ansatz dürften
helfen, die Bevölkerung zu beteiligen und sie in die Lage zu versetzen, sich auf der
Grundlage umfassender Informationen ein Urteil zu bilden, auch wenn sich auf diese Weise
das Risiko von Streitigkeiten nicht unbedingt vermeiden lässt.
Leitlinien für die Raumplanung
ƒ
Der Flächennutzungsplanung sollte eine fundierte und gut begründete Wissensbasis
mit allen benötigten Informationen sowohl zu den Naturschutzzielen als auch zu den
mit dem Hafenausbau und der hafenbezogenen Entwicklung verfolgten Zielen
zugrunde liegen. Die wirtschaftliche Notwendigkeit zusätzlicher Schifffahrts- und
Hafenkapazitäten ist eine zentrale Frage und sollte durch mittel-/langfristige
strategische Planungen klar belegt werden; auch sollte die Nutzung der vorhandenen
Kapazitäten optimiert werden (unter anderem durch eine bessere Koordinierung der
Infrastruktur und der Kapazitäten zwischen den verschiedenen europäischen Häfen).
ƒ
Die Raumplanung sollte auf der geeigneten Ebene stattfinden (zuständige nationale,
regionale oder lokale Behörden, Hafenbehörden usw.).
ƒ
Die strategische Umweltprüfung integrierter Raumordnungspläne sollte so weit wie
möglich auf eine Antizipierung von Problemen und nachteiligen Umweltauswirkungen
und auf die Vermeidung potenzieller Konflikte und Verzögerungen bei der
Projektentwicklung ausgerichtet sein.
ƒ
Zur besseren Integration von Naturschutz- und Hafenpolitiken sollten sich die
strategischen Pläne auf die am besten geeignete ökologische Einheit beziehen
(Mündungsgebiet, Flusseinzugsgebiet usw.).
ƒ
Bei der Raumplanung sollte klar nach der strategischen Ebene und der Projektebene
unterschieden werden. Die Beurteilung strategischer Pläne lässt sich durch den
Verzicht auf die Betrachtung ausschließlich projektbezogener Details straffen.
ƒ
Bei der Erstellung integrierter Raumordnungspläne sollte es darum gehen, ein
ausgewogenes Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Zielen und Naturschutzzielen
herzustellen. Die Pläne sollten als Instrumente verstanden werden, wirtschaftliche
Ziele und Ziele zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zu vereinbaren und zu
integrieren.
ƒ
Die für die Bestimmung und Bewirtschaftung von Natura 2000-Gebieten
verantwortlichen nationalen, regionalen und lokalen zuständigen Behörden sollten
eng mit den für Fragen der Raumplanung zuständigen Behörden zusammenarbeiten.
Alle relevanten Beteiligten einschließlich Hafen- und Wasserstraßenverwaltungen,
Terminalbetreiber, im Umweltschutz tätiger NRO und sonstiger öffentlicher
Interessenträger sollten frühzeitig in die Planung einbezogen werden, um
gesellschaftliche und wirtschaftliche Belange mit den für Natura 2000-Gebiete oder
für die weitere Umgebung dieser Gebiete geltenden Naturschutzzielen zu
vereinbaren.
ƒ
Hafenbehörden und Verwaltungen von Wasserstraßen sollten in alle relevanten
Planungen (einschließlich Erstellung von Natura 2000-Bewirtschaftungsplänen)
eingebunden werden, da strategische Planungen dabei helfen können, Investitionen
abzustimmen,
grenzübergreifende
Probleme
zu
lösen,
verträglichere
Alternativlösungen und gegebenenfalls zwingende Gründe des überwiegenden
öffentlichen Interesses zu ermitteln sowie eine proaktive Naturentwicklung zu fördern.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
ƒ
Enthalten ein strategischer Plan oder ein strategisches Programm nicht genügend
Details für eine umfassende Verträglichkeitsprüfung nach Artikel 6 Absatz 3 der
Habitat-Richtlinie, sollte der für die strategische Umweltprüfung erstellte
Umweltbericht für die Verträglichkeitsprüfung des Projekts und, wenn nötig, für die
Ausnahmeverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie verwendet
werden. In diesem Fall sollten bei der strategischen Umweltprüfung bereits Projekte
benannt werden, die voraussichtlich erhebliche negative Auswirkungen auf
Natura 2000-Gebiete haben und während des Genehmigungsprozesses für das
Projekt einer Verträglichkeitsprüfung nach Artikel 6 Absatz 3 unterzogen werden
müssen.
ƒ
Kumulative Auswirkungen von Projekten sollten am besten bereits während der
Erstellung von Raumordnungsplänen ermittelt und beurteilt werden.
ƒ
Hafen- und Wasserstraßenverwaltungen sollten eine effiziente Flächennutzung durch
die Optimierung der Raumzuweisung für Aktivitäten der Hafenindustrie und der
Nutzung verschiedener Verkehrsträger wie See-, Binnenschiffs- und Schienenverkehr
anstreben.
ƒ
Hafen- und Wasserstraßenverwaltungen sollten die Möglichkeit proaktiver
Naturentwicklungsmaßnahmen zur Verbesserung der Flexibilität von Ökosystemen in
Mündungsgebieten in Betracht ziehen. Die Schaffung temporärer Naturräume sollte
auf Flächen in Erwägung gezogen werden, die für eine spätere Hafenerweiterung
bestimmt sind. Die Bewirtschaftung und der Schutz dieser Flächen sollten dann in die
integrierten Bewirtschaftungspläne einbezogen werden.
3.2.3.
Die Vorteile von Partnerschaften und öffentlicher Beteiligung
Leitlinien für die Beteiligung der Öffentlichkeit
ƒ
Träger neuer Projekte sollten die Auswirkungen der Projektdurchführung im Vorfeld
prüfen und sich mit den zuständigen Naturschutzbehörden beraten, um zu klären, ob das
Vorhaben voraussichtlich erhebliche negative Auswirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet
als solches oder auf die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele haben wird. Die
Planungsbehörden sollten mit der Konsultation der zuständigen Behörden und NRO in
einer frühen Phase des Planungsprozesses beginnen.
ƒ
In Anbetracht der Komplexität des Umweltschutz- und Raumplanungsrechts wird
empfohlen, strukturierte Konsultations- und Kommunikationsverfahren für die Mitwirkung
der diversen zuständigen Behörden, Interessengruppen und NRO einzurichten. Die für
die Bereiche Verkehr und Umwelt zuständigen Verwaltungen sollten regelmäßig
miteinander kommunizieren und kooperieren, um einen effizienten Ablauf sowohl
während der Planung als auch während der Durchführung des Projekts zu gewährleisten.
Hafen- und Wasserstraßenverwaltungen, Betreiber oder Nutzer sowie im Umweltschutz
tätige NRO sollten in die Durchführung eingebunden werden, auch bei Projekten von
grenzübergreifender Bedeutung.
ƒ
Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen Pläne und Projekte, die sich grenzüberschreitend
auswirken werden. Benachbarte Länder sollten zu einem frühen Zeitpunkt des
Planungsprozesses Informationen austauschen und zusammenarbeiten.
29
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
30
3.3. Projektentwicklung und Unterhaltungsmaßnahmen
Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass die EU-Naturschutzrichtlinien zu restriktiv
seien. Diese Auslegung geht von der Annahme aus, dass umweltpolitische Ziele in jedem
Fall Vorrang vor wirtschaftspolitischen Zielen hätten. Ein solcher Ansatz steht im
Widerspruch zu den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung, die auf ein Gleichgewicht
zwischen Umweltschutzvorteilen und den Anforderungen von Gesellschaft und Wirtschaft
ausgerichtet sind (siehe Artikel 2 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie). Eine frühzeitige integrierte
Planung und die Entwicklung integrierter Projekte sind von entscheidender Bedeutung, da
sie Zustimmung und Mitwirkung begünstigen und den Weg zu „Win-Win“-Lösungen ebnen.
Bei Projekten im Bereich Wasserstraßen und Häfen sollten der im transeuropäischen
Verkehrsnetz der EU (TEN-V) festgelegte Status oder andere nationale Prioritäten
herangezogen werden, um den Anspruch auf Anerkennung des überwiegenden öffentlichen
Interesses zu begründen. Die Habitat-Richtlinie schreibt jedoch auch bei einem Plan oder
Projekt, der/das aufgrund von zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen
Interesses genehmigt wird, eine Rechtfertigung dieser Gründe vor.
Alternativlösungen mit weniger nachteiligen Auswirkungen bzw. ohne nachteilige
Auswirkungen sind stets im Vorfeld eingehend zu prüfen; ein Plan oder Projekt mit
erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet kann nur genehmigt
werden, wenn es keine solchen Alternativlösungen gibt. Genehmigungsverfahren können zu
Rechtsunsicherheit führen, da Genehmigungen überprüft, aktualisiert und unter Umständen
auch zurückgezogen werden müssen. Die korrekte Anwendung der Bestimmungen der
Habitat-Richtlinie und die Einbeziehung von Naturschutzzielen zu einem sehr frühen
Zeitpunkt des Planungsverfahrens schafft Sicherheit.
Die folgenden Leitlinien enthalten Empfehlungen für die Planung integrierter Projekte, die
korrekte Durchführung der Verträglichkeitsprüfungen und die Klärung von Fragen zu den
„erheblichen Auswirkungen“, die Umsetzung des anpassungsfähigen Managements und die
Prüfung von Ausgleichsmaßnahmen, die als letzter Ausweg erforderlich werden könnten.
3.3.1. Integrierte Projekte und Arbeiten mit der Natur
2008 veröffentlichte die weltweit tätige Vereinigung des Hafen- und Wasserstraßenbaus
(Permanent International Association of Navigation Congresses; PIANC)15 ein
Positionspapier mit dem Titel „Working with Nature“. Sie ruft in ihrem Papier zu einer neuen
Herangehensweise an Projekte zur Schifffahrtsentwicklung auf, die auf für alle Seiten
vorteilhafte Lösungen ausgerichtet ist („Win-Win-Situation“). Sie plädiert für einen proaktiven
integrierten Ansatz, der sich darauf konzentriert:
-
die Projektziele in Zusammenschau mit den Eigenschaften des Ökosystems zu
erreichen, anstatt nur die Umweltauswirkungen eines bereits festgelegten Projektes
abzuschätzen;
-
Win-win-Lösungen mit gemeinschaftlichem Nutzen zu finden, anstatt einfach den
erwarteten ökologischen Schaden zu minimieren.
-
„Working with Nature“ betrachtet somit die Projektziele zuerst aus der Sicht des
natürlichen Systems und nicht allein aus der Sicht der technischen Planung. Dieser
15
http://www.pianc.org.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Ansatz muss bereits sehr früh in die Projektplanung einfließen, wo noch ausreichend
Flexibilität möglich ist. Ein proaktiver Ansatz wie das „Arbeiten mit der Natur“ sollte nicht
nur auf der Projektebene, sondern auch bei Strategieplänen und -programmen
angewandt werden (siehe integrierte Planung).
Werden Umweltfragen allerdings erst berücksichtigt, wenn sich die Projektplanung schon in
einem fortgeschrittenen Stadium befindet, wird die Prüfung der Umweltverträglichkeit zu
einer reinen Formsache degradiert, die nur eine Minderung und Begrenzung möglicher
Schäden zum Ziel hat. „Working with Nature“ bedeutet mehr als das bloße Vermeiden oder
Minimieren von Umweltauswirkungen in vorgefertigten Projektentwürfen. Vielmehr werden
für das Erreichen der Projektziele solche Wege gesucht, bei denen mit den Prozessen der
Natur gearbeitet wird und die Umwelt geschützt, wiederhergestellt oder verbessert wird.
Für die Erprobung eines ähnlichen Ansatzes entschieden sich die Träger von
Hochwasserschutzprojekten in den Niederlanden; im Rahmen des Interreg-Projekts „SAND“
wurde dieser Ansatz fortentwickelt. Unter der Bezeichnung „Integrierte Planung“ wurden
hierbei mehrere Pläne gebündelt, so dass der Nutzen für alle maximiert und das
gemeinsame Ziel kostenwirksam und effizient umgesetzt werden konnte.
Dieser allgemeine Ansatz ist dringend zu empfehlen, da er dem Prinzip entspricht,
Umweltschäden vorrangig an der Quelle zu vermeiden oder zu begrenzen. Er befindet sich
in Übereinstimmung mit der Habitat-Richtlinie. Dennoch muss die Verträglichkeitsprüfung
(gemäß Artikel 6 Absatz 3) durchgeführt werden, wenn erhebliche Auswirkungen auf ein
Natura 2000-Gebiet nicht ausgeschlossen werden können. Grundsätzlich sind Maßnahmen
zur Vorbeugung bzw. Vermeidung Ausgleichsmaßnahmen vorzuziehen.
Leitlinien für das Arbeiten mit der Natur
ƒ
Die Projektplanung sollte nach Möglichkeit auf Win-Win-Strategien aufbauen, um sowohl
die Naturschutzziele des Natura 2000-Netzes als auch sozioökonomische Ziele zu
verwirklichen.
ƒ
Die Projekte sollten nach dem Ansatz des „Arbeitens mit der Natur“ geplant werden.
Dabei sind die relevanten Natura 2000-Naturschutzziele zusammen mit den technischen
Projektzielen bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Projektplanung und -entwicklung zu
berücksichtigen.
ƒ
Grundsätzlich sollte Maßnahmen zur Vorbeugung bzw. Vermeidung stets der Vorzug vor
Ausgleichsmaßnahmen gegeben werden.
3.3.2.
Durchführung einer „angemessenen Verträglichkeitsprüfung“ und Bewältigung
„voraussichtlicher erheblicher Auswirkungen“
Die Europäische Kommission hat bereits Leitfäden herausgebracht, um den Mitgliedstaaten
und Betreibern beim Verständnis und bei der Anwendung von Artikel 6 der Habitat-Richtlinie
Hilfestellung zu geben (siehe Anhang 1). In den vorliegenden Leitlinien werden
Empfehlungen für Vorhaben unterbreitet, die Wasserstraßen und Häfen betreffen.
Ökologie und biologische Vielfalt hängen von den lokalen Gegebenheiten (Variabilität und
Komplexität abiotischer und biotischer Faktoren) und von der räumlichen und zeitlichen
Entwicklung ab. Die Ausdrücke „angemessen“ und „erheblich“ sind keine normativen
Konzepte, und bei den Prüfungen sind jeweils die Bedingungen vor Ort zu berücksichtigen
(Einzelfallprüfung). Stojanovic et al. (2006) haben darauf hingewiesen, „dass jeder Hafen
hinsichtlich seiner Geografie, Hydrografie und seines Handelsprofils einzigartig ist und die
31
32
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Anwendung einer Standardstrategie im Rahmen des Umweltmanagements deshalb
gegebenenfalls trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten nicht die richtige Lösung sein kann“.
Das Gleiche gilt für die Bewirtschaftung von Mündungsgebieten, da sich die Merkmale von
Ökosystemen unter anderem nach der geografischen Lage des Ästuars richten. Deshalb ist
immer eine standortspezifische Analyse notwendig. Eine „angemessene“ Prüfung beurteilt
die Verträglichkeit im Hinblick auf alle lokalen Faktoren und Erhaltungsziele. Zudem muss sie
sich auf die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen.
3.3.3.
Beziehung
zwischen
strategischen
Umweltverträglichkeitsprüfungen und Verträglichkeitsprüfungen
Umweltprüfungen,
Die Verfahren für strategische Umweltprüfungen (SUP), Umweltverträglichkeitsprüfungen
(UVP) und angemessene Verträglichkeitsprüfungen, denen Pläne oder Projekte mit
Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiete gemäß der Habitat-Richtlinie unterzogen werden
müssen, weisen in vielen Punkten Ähnlichkeiten auf. Dennoch handelt es sich nicht um die
gleichen Verfahren; es gibt auch wichtige Unterschiede. Eine SUP kann daher kein Ersatz
für eine UVP sein oder anstelle einer angemessenen Verträglichkeitsprüfung durchgeführt
werden, da keines dieser Verfahren Vorrang vor den jeweils anderen hat.
Es ist jedoch möglich, die Verfahren parallel anzuwenden oder Informationen für die
angemessene Verträglichkeitsprüfung auch für die SUP/UVP zu nutzen; in diesem Fall sollte
aber aus dem Umweltbericht der SUP bzw. der Umweltdokumentation auf der Grundlage der
UVP klar hervorgehen, welche Teile der angemessenen Verträglichkeitsprüfung zuzuordnen
sind, oder es sollte ein gesonderter Bericht erstellt werden, um die Ergebnisse der
angemessenen Verträglichkeitsprüfung von denen der allgemeinen UVP oder SUP trennen
zu können.
Zu den Hauptunterschieden zwischen den SUP/UVP und den angemessenen
Verträglichkeitsprüfungen nach der Habitat-Richtlinie gehört nicht nur, dass jeweils
unterschiedliche Aspekte der natürlichen Umgebung gemessen und unterschiedliche
Kriterien für die Einstufung als „signifikant“ angelegt werden, sondern auch die Art und Weise
der Weiterverfolgung des Prüfergebnisses. Bei der SUP und der UVP geht es überwiegend
um verfahrenstechnische Anforderungen und nicht um verbindliche Umweltstandards; mit
der Habitat-Richtlinie wird hingegen ein Umweltstandard eingeführt, nämlich das für ein
Natura 2000-Gebiet festgelegte Erhaltungsziel und die Notwendigkeit, das Gebiet als
solches zu bewahren, so dass die Prüfung auf Verträglichkeit wesentliche Verpflichtungen
betrifft.
Mit anderen Worten: Wenn die angemessene Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass nachteilige
Auswirkungen des Plans oder Projekts auf ein Natura 2000-Gebiet als solches nicht
ausgeschlossen werden können, kann die zuständige Behörde ihre Zustimmung zu dem
Plan bzw. Projekt in der vorliegenden Form nicht erteilen; es sei denn, sie beruft sich in
Ausnahmefällen auf die besondere Regelung für Pläne oder Projekte, für die es keine
weniger schädlichen Alternativlösungen gibt und bei denen davon ausgegangen wird, dass
sie im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen.
Demgegenüber sollen die Planungsbehörden durch die SUP/UVP umfassend Klarheit über
die ökologischen Auswirkungen des vorgeschlagenen Plans/Projekts erlangen, um sie bei
ihrer endgültigen Entscheidung berücksichtigen zu können. Die genannten Erwägungen sind
in der Tabelle im Anhang 4 zusammengefasst.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Leitlinien für Prüfungen
ƒ
Die Bedeutung der Auswirkungen eines Plans oder Projekts hängt in hohem Maße
von den Merkmalen des jeweiligen Gebiets und den für dieses Gebiet festgelegten
Erhaltungszielen ab (die im Standard-Datenbogen, in den Rechtsvorschriften über die
Ausweisung
besonderer
Schutzgebiete,
in
Erhaltungsprioritäten,
im
Bewirtschaftungsplan usw. enthalten sind).
ƒ
Wenn ein Erweiterungsprojekt für einen Hafen oder eine zugehörige Wasserstraße
vorgeschlagen wird, ist zunächst eine Vorprüfung vorzunehmen. Zeigt das Ergebnis,
dass das Projekt voraussichtlich keine erheblichen Auswirkungen auf Natura 2000Gebiete haben wird, kann die zuständige Behörde die Verpflichtung zur Durchführung
einer angemessenen Prüfung auf Verträglichkeit der Projektauswirkungen im Hinblick
auf die für das Gebiet geltenden Erhaltungsziele gemäß Artikel 6 Absatz 3 der
Habitat-Richtlinie aufheben. Die Beurteilung des Risikos wesentlicher Auswirkungen
muss auf der Grundlage wissenschaftlicher Kriterien und im Lichte z. B. der
besonderen ökologischen Gegebenheiten des von einem Plan oder Projekt
betroffenen Gebiets erfolgen. Hierbei sind Faktoren wie Ausmaß, Größenordnung,
Komplexität, Wahrscheinlichkeit, Dauer, Häufigkeit sowie die potenzielle Reversibilität
der Auswirkungen zu berücksichtigen. Diese Beurteilung ist Aufgabe der zuständigen
Behörden.
ƒ
Wenn aufgrund objektiver Informationen nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein
Projekt entweder für sich genommen oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen
oder Projekten erhebliche Auswirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet haben wird,
muss eine ordnungsgemäße Verträglichkeitsprüfung gemäß Artikel 6 Absatz 3
durchgeführt werden.
ƒ
Wenn eine eingehende angemessene Verträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde
und im Zuge dieser Prüfung alle relevanten Daten zusammengetragen wurden und
unter der Voraussetzung, dass die Maßnahmen reversibel sind, sollten verbleibende
geringfügige Unsicherheiten jedoch nicht zum Anlass genommen werden, Projekte zu
behindern oder auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Hierüber ist jeweils im Einzelfall
zu entscheiden. Falls zu bestimmten Mechanismen komplexer Mündungs- oder
Küstenökosysteme noch Unklarheit herrscht, sollten die Träger von
Entwicklungsprojekten für Häfen und Wasserstraßen prüfen, um welche
Unwägbarkeiten es sich bei den verbliebenen Fragen handelt, und entsprechende
zielgerichtete Überwachungs- und Anpassungsstrategien erarbeiten. Bei
Überwachungsmaßnahmen sollte darauf geachtet werden, dass etwaige unerwartete
Entwicklungen zu einem Zeitpunkt erkannt werden können, zu dem noch
Gegenmaßnahmen möglich sind.
ƒ
Eine Prüfung kann zu dem Ergebnis führen, dass von einem Plan oder Projekt keine
nachteiligen Auswirkungen zu erwarten sind, weil die vorhersehbaren Auswirkungen
bestimmte Schwellenwerte nicht übersteigen; in einem solchen Fall ist es wichtig, die
Auswirkungen zu überwachen. Die Schwellenwerte sollten stets anhand von
wissenschaftlichen Kriterien festgelegt werden.
ƒ
Für eine angemessene Verträglichkeitsprüfung sollten Angaben zu allen Merkmalen
des Projekts oder Plans zusammengestellt werden, die Auswirkungen auf das
betreffende Gebiet haben können, zu dem gesamten betroffenen Verbreitungsgebiet
oder Raum, zu den Merkmalen anderer Projekte oder Pläne, deren Auswirkungen zu
denen des vorgeschlagenen Projekts oder Plans hinzukommen können, zu etwaigen
geplanten oder bestehenden Naturschutzinitiativen, die sich voraussichtlich künftig
auf den Zustand des Gebiets auswirken werden, zu der Beziehung (z. B. ausgedrückt
in der Entfernung usw.) zwischen dem Projekt oder Plan und dem Natura 2000-
33
34
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Gebiet sowie zu den Anforderungen der Genehmigungsbehörde oder –stelle (z. B.
Durchführung einer UVP/SUP).
ƒ
Die Informationen zu dem geschützten Gebiet sollten Folgendes umfassen: die für
das Natura 2000-Gebiet aufgestellten Erhaltungsziele; den Erhaltungszustand und
weitere Schlüsselmerkmale von Lebensräumen des Anhangs I oder Arten des
Anhangs II, die in dem Gebiet vorkommen; die physikalischen und chemischen
Merkmale des Gebiets, das von dem Projekt betroffen sein kann; die Dynamik der
Lebensräume, der Arten und ihrer Ökologie; Aspekte des Gebiets, die empfindlich
gegenüber Veränderungen sind; wichtige strukturelle und funktionelle Beziehungen,
die das Gebiet als solches ausmachen und erhalten; sonstige für die Erhaltung des
Gebiets relevante Aspekte, unter anderem voraussichtliche künftige natürliche
Veränderungen und Umfang der Gegenmaßnahmen, die erforderlich sind, um die für
das Gebiet geltenden Erhaltungsziele zu erreichen.
ƒ
Maßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung wesentlicher Auswirkungen
(Maßnahmen zur Schadensbegrenzung) sollten während der Projektplanung
festgelegt werden. Wenn nötig, können im Zuge der angemessenen
Verträglichkeitsprüfung Ergänzungen vorgenommen werden (Überprüfung der
Planung, zusätzliche Maßnahmen zur Schadensbegrenzung). Auf diese Weise
könnte schließlich erreicht werden, dass das Projekt keine nachteiligen Auswirkungen
auf das Gebiet als solches haben wird.
3.3.4. Ausgleichsmaßnahmen und Follow-up
Wichtiger Hinweis: Die Kommission hat spezielle Leitlinien zur Anwendung der
Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie herausgegeben, die in
Verbindung mit dem folgenden Abschnitt gelesen werden sollten (Angaben zur Fundstelle:
siehe Anhang 1).
Leitlinien für Ausgleichsmaßnahmen
ƒ
Wenn nachteilige Entwicklungen in Kauf genommen werden sollen, weil es keine
Alternativlösungen gibt und weil es im Interesse der Fortführung des Projekts liegt,
müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Verlust bzw. Schaden für das
jeweilige Gebiet in vollem Umfang auszugleichen. Diese Maßnahmen sollten exakt
auf die Art der voraussichtlichen Auswirkungen abgestimmt und schwerpunktmäßig
auf die Kohärenz des Natura 2000-Netzes und die besonderen vor Ort betroffenen
Elemente ausgerichtet werden. Deshalb müssen die Maßnahmen den strukturellen
und funktionellen Aspekten des Gebiets als solches, den Lebensraumtypen und
Arten, die dort vorkommen und die von den Auswirkungen betroffen sind, sowie dem
Beitrag dieser Elemente zur globalen Kohärenz des Natura 2000-Netzes Rechnung
tragen.
ƒ
Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz der Gesamtkohärenz des Natura 2000-Netzes
müssen machbar und praktisch durchführbar sein. Der voraussichtliche Zeitplan und
etwaige zur Leistungsverbesserung notwendige Unterhaltungsmaßnahmen sollten so
früh wie möglich festgelegt werden. Sobald Einigung über die Ausgleichsmaßnahmen
erzielt wurde, die Genehmigungen erteilt wurden und ein Überwachungsprogramm
erstellt wurde, dürften unvorhergesehene Unsicherheiten den Kern eines Plans oder
Projekts grundsätzlich nicht gravierend beeinträchtigen. Wenn jedoch solche
möglichen neuen Unsicherheiten auftreten, sollten zielgerichtete Untersuchungen
und, wenn nötig, umfassende Überwachungs- und Anpassungs- bzw.
Berichtigungsmaßnahmen ergriffen werden.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
ƒ
„Verluste“ der wichtigsten Lebensräume und Arten sollten auf der Grundlage des
aktuellen Wissensstands und des Urteils von Sachverständigen quantifiziert werden.
Für die Planung von Ausgleichsmaßnahmen müssen die besten wissenschaftlichen
Erkenntnisse herangezogen werden; diese Maßnahmen sollten auf die Erfüllung der
ökologischen Funktionen abzielen, die zur Unterstützung der betroffenen Arten und
Lebensräume erforderlich sind.
ƒ
Das Verhältnis zwischen Umweltschäden und von den Ausgleichsmaßnahmen zu
erwartendem Umweltnutzen ist zu ermitteln: Es ist allgemein anerkannt, dass dieses
Verhältnis generell deutlich über 1:1 liegen sollte. Ausgleichsmaßnahmen mit einem
Verhältnis von 1:1 oder darunter sollten nur in Betracht gezogen werden, wenn
nachgewiesen ist, dass sie in Bezug auf die Wiederherstellung einer guten Struktur
und Funktion kurzfristig eine Wirksamkeit von 100 % entfalten werden.
ƒ
Bei der Auswahl angemessener Ausgleichsgebiete sollten folgende Überlegungen
angestellt werden:
(a) Ausgleich innerhalb des Natura 2000-Gebiets, falls die zur Gewährleistung der
ökologischen Kohärenz und der Funktionen des Netzes erforderlichen Elemente
im Gebiet vorhanden sind;
(b) Ausgleich außerhalb des Natura 2000-Gebiets, falls der gleiche Beitrag zum
Umweltnetz erzielt werden kann. Bei dem neuen Standort kann es sich um eine
andere als Natura 2000-Gebiet ausgewiesene Fläche handeln oder um ein nicht
ausgewiesenes Gebiet. Dieses ist dann in das Natura 2000-Netz aufzunehmen.
ƒ
Die Ausgleichsmaßnahmen müssen die Kontinuität der ökologischen Prozesse
gewährleisten, die für die Aufrechterhaltung der globalen Kohärenz des Natura 2000Netzes entscheidend sind. Sie sollten zum Zeitpunkt des Eintretens der negativen
Auswirkungen in dem betreffenden Gebiet „wirksam“ sein. Hierbei kommt es
entscheidend auf eine frühzeitige Umsetzung an. Um möglichen Zwischenverlusten
entgegenzuwirken, kann die Anwendung spezifischer Maßnahmen zur
Schadensbegrenzung erforderlich sein.
ƒ
Alle für die Ausgleichsmaßnahmen notwendigen technischen, rechtlichen und
finanziellen Vorkehrungen sollten vor Beginn der Durchführung des Plans oder
Projekts abgeschlossen sein, um etwaige unvorhergesehene Verzögerungen, die die
Wirksamkeit der Maßnahmen beeinträchtigen können, zu vermeiden.
ƒ
Finanzierung, Überwachung und Berichterstattung: Ausgleichsmaßnahmen schließen
die Schaffung einer soliden rechtlichen und finanziellen Grundlage im Voraus ein, um
die Durchführung, den Schutz, die Überwachung und die Unterhaltung langfristig
gewährleisten zu können.
3.3.5.
Bagger- und Unterhaltungsarbeiten
Wenn Häfen in oder in der Nähe von Mündungsgebieten liegen, führt der Schiffszugang in
der Regel durch ausgewiesene Natura 2000-Gebiete. In den meisten Häfen muss die
Befahrbarkeit der Wasserstraßen und Fahrrinnen durch Baggerungen sichergestellt werden.
Deshalb kann es zu Konflikten mit der Verpflichtung zum Schutz der Unversehrtheit eines
Natura 2000-Gebiets kommen. Dennoch können Unterhaltungsarbeiten wie kontinuierliche
oder regelmäßige Unterhaltungsbaggerungen normalerweise ausgeführt werden, ohne die
Unversehrtheit von Natura 2000-Gebieten oder die für diese Gebiete festgelegten
Erhaltungsziele zu beeinträchtigen.
Es gibt Möglichkeiten, Baggergut in einer für das Mündungsgebiet nützlichen Weise
einzusetzen. Wenn geeignete Strategien zur Sedimentablagerung zum Zuge kommen (und
35
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
36
z. B. eine Umlagerung in einen Teil des Mündungsgebiets mit Sedimentmangel erfolgt),
können Baggerungen den Erhaltungszustand von Mündungsgebieten sogar verbessern. Wie
neuere Erkenntnisse und bewährte Praktiken zeigen, kann eine wohlüberlegte Umlagerung
die Wiederherstellung wertvoller morphologischer Strukturen in Mündungsgebieten mit
spürbaren ökologischen Vorteilen unterstützen.
Die Entwicklung innovativer Baggerungskonzepte kann in Verbindung mit konsequenten
Überwachungsprogrammen zur Verwirklichung sowohl von Zielen der Schifffahrt als auch
von Erhaltungszielen für Natura 2000-Gebiete beitragen. Als angemessene Lösung für die
Nachhaltigkeit von Unterhaltungsbaggerungen wird das Konzept für nachhaltige
Baggerungen und nachhaltiges Sedimentmanagement bevorzugt. Derartige Ansätze helfen
dabei, Probleme, Konflikte und Verzögerungen zu vermeiden und potenzielle positive
Auswirkungen auf den Erhaltungszustand von Mündungs- und Küstengebieten nach
Möglichkeit zu maximieren.
Die Anwendung nachhaltiger Verfahren für Baggerungen und Sedimentmanagement bringt
eine weitere Begrenzung der potenziellen Auswirkungen von Unterhaltungsarbeiten in den
Fahrrinnen. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die vorgeschriebene Prüfung nach
Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie entfallen kann. Nachhaltige Strategien für
Baggerungen sollten der zuständigen Behörde die Hintergrundinformationen liefern, die sie
für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit möglicher nachteiliger Auswirkungen auf ein
Natura 2000-Gebiet benötigt.
Als wiederkehrende Tätigkeit können Unterhaltungsbaggerungen und die Umlagerung von
Sedimenten im Rahmen eines nachhaltigen Baggerungs- und Sedimentmanagementplans
sowohl zur Verwirklichung der Ziele der Schifffahrt als auch zur Unterstützung der
Verwirklichung der Natura 2000-Erhaltungsziele beitragen.
Die folgenden sechs Schritte sind für die Entwicklung und Durchführung von nachhaltigen
Baggerungs- und Sedimentmanagementplänen wichtig:
-
Erlangung des Verständnisses der physikalischen Bedingungen des jeweiligen Gebiets
(Morphologie, Hydrologie, Salinität usw.);
-
Sammlung der benötigten Informationen über das Baggerungsvorhaben zur Beurteilung
der Umweltauswirkungen im Einzelnen;
-
Prüfung der Auswirkungen der Baggerung auf die natürliche Umgebung (kurz- und
langfristige Auswirkungen auf die morphologischen und hydrodynamischen Bedingungen
im Mündungsgebiet, auf empfindliche Lebensräume und Arten);
-
Auswahl der optimalen Verfahren; Beschreibung aller Lösungsoptionen zur Begrenzung
nachteiliger Auswirkungen und, als letzten Ausweg, Prüfung möglicher
Ausgleichsmaßnahmen, die ergriffen werden, wenn nicht alle wesentlichen nachteiligen
Auswirkungen durch Maßnahmen zur Schadensbegrenzung verhindert werden können;
-
Durchführung eines Programms zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung
der Naturschutzziele;
-
Gewährleistung der Einbindung der beteiligten Akteure in den gesamten Prozess, um
Beschwerden und Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden.
Die Prüfung von Baggerungsarbeiten und die Ablagerung von Baggergut in Meeresgebieten
sind in internationalen Übereinkommen geregelt, unter anderem der Londoner Konvention,
OSPAR, HELCOM, der Barcelona- und der Bukarest-Konvention.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Leitlinien für Investitionsbaggerungen
ƒ
Investitionsbaggerungen sollten als Bestandteil von Programmen für nachhaltige
Baggerungen und für Sedimentmanagement geplant werden. Können wesentliche
Auswirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet, auch im Zusammenwirken mit anderen
Vorhaben, nicht ausgeschlossen werden, müssen die Pläne oder Projekte einer
Verträglichkeitsprüfung gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie unterzogen
werden.
ƒ
Die Umsetzung intelligenter Baggerungs- und Umlagerungsstrategien sollte darauf
ausgerichtet sein, nachteilige Auswirkungen zu vermeiden und nach Möglichkeit
wertvolle morphologische Strukturen wiederherzustellen oder aufzubauen, um auf
diese Weise ökologischen Nutzen zu schaffen („Arbeiten mit der Natur“).
ƒ
Bei den Strategien für Baggerungen und Sedimentumlagerung sollte die Maximierung
möglicher positiver Auswirkungen dieser Strategien angestrebt werden. Sie sollten
durch wirksame Überwachungsprogramme gestützt werden.
Leitlinien für regelmäßige Unterhaltungsarbeiten einschließlich Unterhaltungsbaggerungen
ƒ
Bei der Planung und Durchführung regelmäßiger Unterhaltungsarbeiten sollte darauf
geachtet werden, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiete als
solche oder auf die für diese Gebiete festgelegten Erhaltungsziele eintreten. Nach
Möglichkeit sollten die potenziellen positiven Auswirkungen auf den
Erhaltungszustand von Mündungs- und Küstengebieten durch die Umsetzung von
Strategien für nachhaltiges Sedimentmanagement maximiert werden.
ƒ
Regelmäßige Unterhaltungsarbeiten sollten gegebenenfalls in integrierte
Natura 2000-Bewirtschaftungspläne,
vergleichbare
Managementpläne
oder
Bewirtschaftungspläne für Flusseinzugsgebiete integriert werden, um die strukturierte
Beurteilung und Überprüfung im Gesamtkontext der Erhaltung der Schutzgebiete
sicherzustellen.
ƒ
Unterhaltungsarbeiten in oder in der Nähe eines Natura 2000-Gebiets sollten für jedes
Mündungsund
Küstengebiet
speziell
geplant
und
durch
ein
Überwachungsprogramm gestützt werden, das die Feststellung und frühzeitige
Berichtigung unvorhersehbarer nachteiliger Auswirkungen auf die Erhaltungsziele
ermöglicht.
ƒ
Wenn diese Unterhaltungsarbeiten insbesondere im Hinblick auf die regelmäßige
Ausführung, die Art oder die Umstände ihrer Ausführung als einheitliche Maßnahme
betrachtet werden können, vor allem wenn sie wie im Falle regelmäßiger
Baggerungen für die Erhaltung einer bestimmten Fahrrinnentiefe notwendig sind,
können sie für die Zwecke der Habitat-Richtlinie wie ein einziges Projekt behandelt
werden.
In diesem Fall kann bei einem Projekt, das vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die
Richtlinie genehmigt wurde, auf die Vorprüfung der Auswirkungen auf das betreffende
Gebiet verzichtet werden. Dessen ungeachtet gilt in einem Natura 2000-Gebiet bei
Unterhaltungsarbeiten gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie eine allgemeine
Schutzverpflichtung, wonach eine Verschlechterung natürlicher Lebensräume und der
Habitate der Arten sowie wesentliche Störungen von Arten, für die die Gebiete
ausgewiesen worden sind, zu vermeiden sind16.
16
Siehe auch Urteil des Gerichtshof der Europäischen Union vom 14. Januar 2010 in der Rechtssache C-226/08 (Stadt
Papenburg gegen Bundesrepublik Deutschland).
37
38
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
ƒ
Unterhaltungsarbeiten können unter Umständen zum Zeitpunkt der Durchführung der
einzelnen Maßnahmen in der Fahrrinne z. B. aufgrund geänderter Techniken oder
Bedingungen oder aufgrund eines geänderten Ausführungsrhythmus als gesonderte
Projekte betrachtet werden. In diesem Fall ist jedes dieser Projekte, soweit sie mit
voraussichtlich erheblichen Auswirkungen auf das betreffende Gebiet verbunden
sind, einer Prüfung gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie zu unterziehen.
ƒ
Da die Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 2 in jedem Fall anwendbar sind, sollten
die Mitgliedstaaten kontrollieren, ob laufende Arbeiten voraussichtlich zur
Verschlechterung von Lebensräumen oder von Habitaten der Arten führen, und wenn
nötig, entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.
3.4. Umgang mit Unsicherheiten: Adaptives Management
Bei der Durchführung der angemessenen Verträglichkeitsprüfungen von Plänen oder
Projekten gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie kann es erforderlich sein, das
Vorsorgeprinzip anzuwenden. Zentrales Ziel der Prüfung sollte es sein, auf der Grundlage
der erforderlichen Untersuchungen und der besten verfügbaren wissenschaftlichen
Erkenntnisse den objektiven Nachweis dafür zu erlangen, dass der Plan oder das Projekt
keine nachteiligen Auswirkungen auf das Natura 2000-Gebiet als solches haben wird, und
dies mit entsprechenden Belegen zu untermauern. Wenn jedoch die zuständigen Behörden
nachteilige Auswirkungen nicht mit letzter Gewissheit ausschließen können, weil die
Grenzen der Wissenschaft erreicht sind oder Unsicherheiten hinsichtlich der Funktionsweise
komplexer und dynamischer Ökosysteme bestehen, ist es auch möglich, auf das Instrument
des adaptiven Managements zurückzugreifen.
Für den Fall, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen eines Plans oder Projekts auf ein
Natura 2000-Gebiet nicht ausgeschlossen werden können, kann nach der in Artikel 6
Absatz 4 der Habitat-Richtlinie vorgesehenen Ausnahmeregelung eine Genehmigung nur
erteilt werden, wenn es keine Alternativlösungen gibt, wenn zwingende Gründe des
überwiegenden öffentlichen Interesses vorliegen und wenn die erforderlichen
Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz der globalen Kohärenz des Natura 2000-Netzes
ergriffen werden. Falls dies auf einen Plan oder ein Projekt zutrifft (was bei den meisten
Hafenausbauprojekten der Fall sein dürfte), sind die einzelnen Aspekte unbedingt zu einem
sehr frühen Zeitpunkt der Plan- oder Projektentwicklung zu klären, da es sich um für die
Planung, Finanzierung und nicht zuletzt das Genehmigungsverfahren entscheidende
Elemente handelt.
Ein adaptiver Ansatz bietet sich insbesondere für die Durchführung von Plänen, Projekten
oder Ausgleichsmaßnahmen als geeignete Lösung an, bei denen es aufgrund von
Unsicherheiten in Bezug auf verschiedene Einflussfaktoren (Standort, Vertrauen,
unerwartete Verzögerungen) nicht möglich ist, alle Auswirkungen hinreichend detailliert zu
ermitteln, und bei denen diesen Unsicherheiten nicht durch erhöhte Ausgleichsverhältnisse
Rechnung getragen werden kann. In einem solchen Fall ist ein konsequentes
Überwachungsprogramm zu erstellen und ein vorab zusammengestelltes und validiertes
Paket konkreter Abhilfemaßnahmen zu schnüren. Ziel muss es hierbei sein, die Anpassung
von Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und/oder zum Ausgleich an die tatsächlichen
Auswirkungen zu ermöglichen und auf diese Weise sicherzustellen, dass ursprünglich nicht
vorhersehbare nachteilige Auswirkungen kompensiert werden.
Ausführliche Leitlinien zum Konzept der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen
Interesses und zur Art und Weise der Prüfung von Alternativlösungen sind bereits in
bestehenden Leitfäden enthalten (siehe Anhang 1).
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Leitlinien für adaptives Management
ƒ
Wenn
erhebliche
nachteilige
Auswirkungen
durch
Maßnahmen
zur
Schadensbegrenzung nicht verhindert werden können, muss die Genehmigung des
Projekts nach Artikel 6 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie letztlich davon abhängig
gemacht werden, ob zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses
vorliegen und ob es keine weniger schädlichen Alternativlösungen gibt.
ƒ
Wenn wissenschaftliche Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen von
Schadensbegrenzungs- oder Ausgleichsmaßnahmen verbleiben, müssen zusätzlich
ein vorab festgelegtes und validiertes Verfahren für die Überwachung der
tatsächlichen Auswirkungen und ein Rahmen, beispielsweise ein Natura 2000Bewirtschaftungsplan, ein integrierter Plan oder ein Maßnahmenprogramm,
vorgesehen werden, um die Schadensbegrenzungs- und Ausgleichsmaßnahmen den
tatsächlichen Auswirkungen anpassen zu können.
Leitlinien für die Berücksichtigung von Alternativlösungen
ƒ
Wenn nachteilige Auswirkungen erwartet werden, sollten Alternativlösungen für die
Verwirklichung der Ziele des Plans oder Projekts ermittelt und auf ihre
voraussichtlichen Auswirkungen auf die für Natura 2000-Gebiete festgelegten
Erhaltungsziele hin geprüft werden.
ƒ
Die zuständigen Behörden sollten nicht nur Alternativlösungen der Antragsteller
prüfen, die das Projekt oder den Plan eingereicht haben. Die zuständige Behörde ist
verpflichtet, Alternativlösungen in Erwägung zu ziehen.
ƒ
Bei der Prüfung von Alternativlösungen sollten alle relevanten Behörden und
sonstigen Stellen konsultiert werden. Detaillierte Informationen über die
Alternativlösungen und ihre Auswirkungen auf das betreffende Natura 2000-Gebiet
sollten unter Angabe der Quellen mitgeteilt werden. Bei der Prüfung der Alternativen
sollte das Vorsorgeprinzip angewandt werden.
39
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
40
Anhang 1: Mitteilungen und Leitfäden der Europäischen Kommission
Leitfäden der Europäischen Kommission zur Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie
-
Europäische Kommission, 2000, Natura 2000 – Gebietsmanagement, Die Vorgaben
des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, Luxemburg: Amt für amtliche
Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften.
http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/art6/provision_
of_art6_de.pdf
-
Europäische Kommission, 2002, Prüfung der Verträglichkeit von Plänen und
Projekten mit erheblichen Auswirkungen auf Natura-2000-Gebiete, MethodikLeitlinien zur Erfüllung der Vorgaben des Artikels 6 Absätze3 und 4 der HabitatRichtlinie 92/43/EWG, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der
Europäischen Gemeinschaften
http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/art6/natura_20
00_assess_de.pdf
-
Europäische Kommission, 2007, Auslegungsleitfaden zu Artikel 6 Absatz 4 der
„Habitat-Richtlinie“ 92/43/EWG, Erläuterung der Begriffe: Alternativlösungen,
Zwingende
Gründe
des
überwiegenden
öffentlichen
Interesses,
Ausgleichsmaßnahmen, Globale Kohärenz, Stellungnahme der Kommission
http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/art6/guidance_
art6_4_de.pdf
-
Europäische Kommission, 2007, Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten
von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG, 96 S.
http://circa.europa.eu/Public/irc/env/species_protection/library?l=/commission_guidan
ce/german/env-2007-00702-00-00-de-/_EN_1.0_&a=d
Wichtige Leitfäden der Europäischen Kommission zur Wasserrahmenrichtlinie
-
European Commission (2003), Common implementation strategy for the water
framework directive (2000/60/EC), Transitional and coastal waters - Typology,
Reference conditions and classification systems, Guidance Document No 5
(Gemeinsame Strategie für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
(2000/60/EG), Übergangs- und Küstengewässer – Typologie, Referenzbedingungen
und Klassifizierungssysteme, Leitfaden Nr. 5), Luxemburg: Amt für amtliche
Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 116 S..
http://circa.europa.eu/Public/irc/env/wfd/library?l=/framework_directive/guidance_docu
ments&vm=detailed&sb=Title
-
European Commission (2003), Common implementation strategy for the water
framework directive (2000/60/EC), Identification and Designation of Heavily Modified
and Artificial Water Bodies, Guidance Document No 4 (Gemeinsame Strategie für die
Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG), Ermittlung und Ausweisung
erheblich veränderter und künstlicher Wasserkörper, Leitfaden Nr. 4 Luxemburg: Amt
für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 14 S..
http://circa.europa.eu/Public/irc/env/wfd/library?l=/framework_directive/guidance_docu
ments&vm=detailed&sb=Title
-
European Commission (2006), Common Implementation Strategy for the Water
Framework Directive. Exemptions to the environmental objectives under the Water
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Framework Directive allowed for new modifications or new sustainable development
activities (WFD Article 4.7), policy paper (Gemeinsame Strategie für die Umsetzung
der
Wasserrahmenrichtlinie,
Ausnahmen
von
den
Umweltzielen
der
Wasserrahmenrichtlinie
für
neue
Änderungen
oder
neue
nachhaltige
Entwicklungstätigkeiten (Artikel 4 Absatz 7 WRRL), Politikpapier)
http://circa.europa.eu/Public/irc/env/wfd/library?l=/framework_directive/thematic_docu
ments/environmental_objectives&vm=detailed&sb=Title
-
European Commission (2006), WFD and Hydro-morphological pressures: Focus on
hydropower, navigation and flood defence activities, Recommendations for better
policy integration, Policy Paper (WRRL und hydromorphologische Belastungen unter
besonderer Berücksichtigung von Tätigkeiten in den Bereichen Wasserkraft,
Schifffahrt und Hochwasserschutz, Empfehlungen für eine bessere Politikintegration,
Politikpapier), 44 S..
http://circa.europa.eu/Public/irc/env/wfd/library?l=/framework_directive/thematic_docu
ments/hydromorphology&vm=detailed&sb=Title
-
European Commission (2006), WFD and Hydro-morphological pressures, Good
practice in managing the ecological impacts of hydropower schemes; flood protection
works; and works designed to facilitate navigation under the Water Framework
Directive (WRRL und hydromorphologische Belastungen, Beispiele guter Praxis für
den Umgang mit Umweltauswirkungen von Wasserkraftprojekten, Maßnahmen zum
Hochwasserschutz und für die Schifffahrt auf der Grundlage der
Wasserrahmenrichtlinie), 68 S..
http://circa.europa.eu/Public/irc/env/wfd/library?l=/framework_directive/thematic_docu
ments/hydromorphology&vm=detailed&sb=Title
Politikdokumente der Europäischen Kommission zur Meeres- und Hafenpolitik
-
Europäische Kommission, 2006, Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union:
Eine europäische Vision für Ozeane und Meere, Grünbuch, 54 S., KOM(2006) 275
endgültig.
http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2006:0275:FIN:DE:HTML
-
Europäische Kommission, 2006, Meeresautobahnen: Die Straßen Europas entlasten,
Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften,
6 S.
http://ec.europa.eu/transport/intermodality/motorways_sea/doc/2006_motorways_sea
_brochure_de.pdf
-
Europäische Kommission, 2007, Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische
Union, 17 S., KOM(2007) 575 endgültig
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2007:0575:FIN:DE:PDF
-
Europäische Kommission, 2007, Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik, 17 S.,
KOM(2007) 616 endgültig.
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2007:0616:FIN:DE:PDF
-
Europäische Kommission, 2009, Strategische Ziele und Empfehlungen für die
Seeverkehrspolitik der EU bis 2018, Mitteilung der Kommission an das Europäische
Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den
Ausschuss der Regionen, GD Verkehr und Energie, 16 S.
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0008:FIN:DE:PDF
41
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
42
Leitfäden
der
Europäischen
Kommission
zur
Strategie
Küstenzonenmanagement (IKZM) und zu Küstengebieten
-
für
ein
integriertes
Europäische Kommission, 2002, Empfehlung zur Umsetzung einer Strategie für ein
integriertes Management der Küstengebiete in Europa, (2002/413/EG)
http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2002:148:0024:0027:DE:PDF
-
European Commission (2004b), Living with coastal erosion in Europe - Sediment and
Space for Sustainability, EUrosion (Mit der Küstenerosion in Europa leben,
Sedimente und Raum für Nachhaltigkeit, EUrosion), Luxemburg: Amt für amtliche
Veröffentlichungen
der
Europäischen
Gemeinschaften,
44
S..
http://www.eurosion.org/project/eurosion_en.pdf
Weitere Leitfäden der Europäischen Kommission
-
European Commission (2004), Development of a Guidance Document on Strategic
Environmental Assessment (SEA) and Coastal Erosion (Erstellung eines Leitfadens
für die strategische Umweltprüfung (SUP) und Küstenerosion), Luxemburg: Amt für
amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 72 S.
http://ec.europa.eu/environment/iczm/pdf/coastal_erosion_fin_rep.pdf
-
Europäische Kommission, 2006, Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt
bis zum Jahr 2010 – und darüber hinaus, Erhalt der Ökosystemleistungen zum Wohl
der Menschen, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen
Gemeinschaften, 19 S., KOM(2006) 216 endgültig.
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2006:0216:FIN:DE:PDF
-
Europäische Kommission, 2007, Anpassung an den Klimawandel in Europa –
Optionen für Maßnahmen der EU, Grünbuch, 30 S., KOM(2007) 354 endgültig.
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2007:0354:FIN:DE:PDF
-
Europäische Kommission, 2007, Agenda für einen
wettbewerbsfähigen europäischen Tourismus, Mitteilung
KOM(2007) 621 endgültig.
nachhaltigen und
der Kommission,
http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52007DC0621:de:HTML
-
Europäische Kommission, 2010, Europa – wichtigstes Reiseziel der Welt: ein neuer
politischer Rahmen für den europäischen Tourismus, Mitteilung der Kommission,
KOM(2010) 352 endgültig.
http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/tourism/files/communications/communication20
10_de.pdf
43
Leitlinien der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Anhang 2: Ausgewählte private Initiativen im Hafensektor
1. Ecoports (siehe www.ecoports.com)
„Ecoports“, ein 2002 begonnenes Forschungs- und Entwicklungsprojekt, erhielt eine
Anschubfinanzierung, an der sich die Europäische Kommission und zwölf Häfen und
Hafenvereinigungen beteiligten. Hauptziel des Projekts war es, die Verfahren für ein
ökologisches Management der Hafenverwaltungen in Europa durch die Einführung eines
Umweltmanagementsystems, durch Erfahrungsaustausch und die Anwendung guter
Praktiken bei der Lösung hafenbezogener Umweltprobleme zu harmonisieren.
2. ESPO, Umweltverhaltenskodex (siehe www.espo.be)
1994 legte die Organisation europäischer Seehäfen ESPO (European Sea Ports
Organisation) ihren ersten europäischen Umweltverhaltenskodex vor, mit dem das
gemeinsame Engagement der Hafenverwaltungen zur Verbesserung der Umwelt
unterstrichen werden sollte. Empfehlungen für die Integration von Umweltschutzstrategien in
alle Aspekte ihrer Tätigkeiten sollten hierbei Hilfestellung geben. 2002 führte die ESPO eine
Erhebung über die Auswirkungen der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie auf die
Hafenentwicklung durch. Die wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen veröffentlichte sie
2007 im ESPO-Verhaltenskodex für die Durchführung der Vogelschutz- und der HabitatRichtlinie (ESPO Code of Practice on the Birds and Habitats Directives).
3. Paralia Nature (siehe www.imiparalianature.org)
Im Dezember 2000 begann das Projekt „Paralia Nature“ als informelle Plattform für die
Diskussion über die Habitat-Richtlinie, hiermit zusammenhängende Fragen und Vorhaben.
Dieses Projekt soll Regierungen, Häfen, Universitäten, NRO und Wissenszentren durch den
Austausch von Erfahrungen und Meinungen zu einer breit angelegten, fachübergreifenden
Zusammenarbeit zusammenführen.
4. Projekt „NEW! Delta“ (Interreg IIIB - Nordwesteuropa, siehe www.newdelta.org)
Im Juli 2004 begann das Projekt „NEW! Delta“, bei dem auch die Anwendung der
Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie zu einem zentralen Thema erhoben wurde. An dem
Projekt beteiligen sich zehn Partner unter anderem Hafenbehörden, regionale Verwaltungen
und Forschungseinrichtungen aus vier Ländern im Nordwesten Europas (England,
Frankreich, Belgien und Niederlande).
5. SedNet (5. Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung, siehe
www.sednet.org)
Das Sedimentnetzwerk (SedNet) ist eine europäische Initiative, die sich gegründet hat, um
Themen und Wissen aus ihrem Tätigkeitsfeld in europäische Strategien einzubringen,
Umweltziele zu unterstützen und neue Instrumente des Sedimentmanagements zu
entwickeln.
6.TIDE (Interreg IV B-Nordseeprogramm, siehe www.tide-project.eu/)
Das Interreg-Projekt TIDE besteht seit September 2009. Es soll die integrierte
Bewirtschaftung von Mündungsgebieten fördern, durch die der Zugang zu wichtigen
Seehäfen verläuft und die durch einen starken Gezeiteneinfluss und hohe
Sedimenttransportraten geprägt sind. Im Rahmen einer Partnerschaft tauschen die mit den
Mündungsgebieten von Elbe, Schelde, Humber und Weser befassten Teilnehmer von Hafenund Umweltbehörden und aus der Wissenschaft Erfahrungen aus und entwickeln
Instrumente
und
Pilotmaßnahmen
für eine
integrierte
Bewirtschaftung
von
Mündungsgebieten.
44
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Anhang 3: Checkliste der ESPO für die Kontrolle der guten Praxis in
Bezug auf die Abstimmung von Natura 2000-Zielen mit Entwicklung
und Betrieb von Häfen und Wasserstraßen (Dezember 2009)
Die folgende Checkliste soll als Beispiel dienen und kann von den Mitgliedstaaten
übernommen werden, um Projektträgern und Betreibern von Häfen und Wasserstraßen eine
Richtschnur und Rechtssicherheit für ihre Tätigkeit zu bieten.
Raumplanung und integrierte Planung
ƒ Bestehende Tätigkeiten in den Bereichen Häfen und Wasserstraßen werden auf allen
Ebenen der Raumordnung gründlich geprüft, erörtert und abgewogen.
ƒ Neue Entwicklungen und künftiges Wachstum bestehender Häfen und Wasserstraßen
sind ein integraler Bestandteil der entsprechenden Raumplanungsprozesse.
ƒ Tätigkeiten in den Bereichen Häfen und Wasserstraßen werden im Rahmen eines
ausgewogenen und integrierten Natura 2000-Bewirtschaftungsplans gründlich
erörtert und abgewogen.
Planung neuer Hafen- und Wasserstraßenprojekte
ƒ Nachhaltige Hafenentwicklung ist ein Schlüsselelement, wenn es um die
Genehmigung weiterer hafenbezogener Tätigkeiten geht (Optimierung der Nutzung
durch die Hafenindustrie und des hierfür zur Verfügung stehenden Raums,
Verbesserung von Synergieeffekten, wirksame Nutzung der Verkehrsträger).
ƒ Für die Auswirkungen von Tätigkeiten im Bereich Seeschifffahrt in oder in der Nähe
von Häfen gelten internationale Regelungen und Verträge (UNCLOS, IMO,
MARPOL). Die Nachhaltigkeit der Schifffahrt wird im Rahmen freiwilliger Maßnahmen
gefördert (z. B. durch den Umweltindex für Schiffe „Environmental Ship Index“).
ƒ Die Meinung von Anteilseignern, Öffentlichkeit und Beteiligten wird im Rahmen eines
klar vorgegebenen Beteiligungsprozesses von Anfang an berücksichtigt. Alle
wichtigen Fragen wurden so weit wie möglich auf der Grundlage der besten
verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse einvernehmlich geklärt.
ƒ Falls eine wesentliche Auswirkung bei einer Vorprüfung nicht ausgeschlossen werden
kann, sind nach Artikel 6 der Habitat-Richtlinie weitere Schritte erforderlich
(vollständige Beurteilung, Alternativlösungen, Schadensbegrenzungs- und
Ausgleichsmaßnahmen - siehe ESPO-Verhaltenskodex und spezifische EULeitlinien).
ƒ Die zuständige Behörde billigt und bestätigt die Ergebnisse des
Beteiligungsprozesses und der Beurteilungen der Hafenentwicklung und verankert
diese (einschließlich der während des Prozesses gefassten Beschlüsse) in den
relevanten integrierten Plänen.
Unterhaltungsbaggerungen
ƒ Eine Strategie für Unterhaltungsbaggerungen wurde unter Berücksichtigung der
hydromorphologischen und ökologischen Aspekte erarbeitet.
ƒ Auf der Grundlage aktueller Informationen und eines Prozesses zur Verarbeitung von
Rückmeldungen aller relevanten Beteiligten sollen Baggerarbeiten unter Einhaltung
der wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen die Natura 2000-Erhaltungsziele
so wenig wie möglich gefährden.
ƒ Eine Strategie oder ein Plan für nachhaltige Unterhaltungsbaggerungen ist
Bestandteil eines integrierten Bewirtschaftungsplans. Auf der Grundlage allgemeiner
Prinzipien in Einklang mit den Erhaltungszielen können die Baggerungen den
Anforderungen eines dynamischen tidebeeinflussten Mündungs--, Fluss- oder
Küstensystems flexibel angepasst werden.
ƒ Die Baggerungen wurden hinsichtlich der folgenden Aspekte in der angegebenen
Reihenfolge optimiert:
- technische Machbarkeit, Verfügbarkeit von Baggern;
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
- Sicherheit, nautische Erfordernisse, Schiffbarkeit;
- rechtsverbindliche Erfordernisse des Umweltschutzes (Vogelschutz- und
Habitat-Richtlinien, WRRL usw.);
- Verwaltungsbestimmungen (z. B. Bewirtschaftungspläne, standortspezifische
Ziele);
- vollständige Berücksichtigung langfristiger umfassender
hydromorphologischer, sedimentbezogener und ökologischer Kriterien;
- kurzfristige und/oder lokale Kriterien;
- Kostenwirksamkeit;
- sonstige nicht verbindliche Aspekte, unter anderem Absprachen mit
Beteiligten.
Natura 2000-Gebietsmanagement und Unterhaltungsmaßnahmen
ƒ Es sollten realistische Erhaltungsziele für Gebiete angestrebt werden, die in einem
ausgewogenen Verhältnis zur langfristigen Entwicklung von Häfen und
Wasserstraßen stehen.
ƒ Hafen- und Wasserstraßenverwaltungen sollten von Anfang an aktiv in die Erstellung
von Bewirtschaftungsplänen eingebunden werden.
ƒ Bei Unsicherheiten (Wissen über das Ökosystem, Beziehung Ursache-Wirkung)
sollten Forschungs- und Überwachungsprogramme in den Bewirtschaftungsplan
aufgenommen werden.
45
46
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Anhang 4:
Angemessene
Verträglichkeitsprüfung,
Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung –
die Verfahren im Überblick
Angemessene
Verträglichkeitsprüfung
Welche Pläne und
Projekte
sind
betroffen?
Welche
umweltbezogenen
Auswirkungen
müssen
untersucht
werden?
UVP
SUP
Alle Pläne oder Projekte,
die - entweder einzeln oder
in Zusammenwirkung mit
anderen
Plänen
bzw.
Projekten
–
ein
Natura 2000-Gebiet
erheblich beeinträchtigen
könnten (außer Plänen und
Projekten, die unmittelbar
mit der Bewirtschaftung
des
zu
schützenden
Gebiets in Zusammenhang
stehen).
Alle
Projekte
Anhangs I.
Die Prüfungen sollten mit
Blick
auf
die
Erhaltungsziele für das
jeweilige
Gebiet
durchgeführt werden (die
wiederum für die Arten
bzw.
Lebensraumtypen
gelten, für die das Gebiet
ausgewiesen wurde).
Direkte und indirekte,
sekundäre, kumulative,
kurz-,
mittelund
langfristige,
ständige
und
vorübergehende,
positive und negative
Auswirkungen
auf
„Fauna und Flora“.
Die Auswirkungen sollten
daraufhin geprüft werden,
ob Nachteile für das
betreffende Gebiet als
solches oder anderweitige
Nachteile ausgeschlossen
werden können.
des
Bei
Projekten
des
Anhangs II wird anhand
einer
Einzelfalluntersuchung
oder der von den
Mitgliedstaaten
festgelegten
Schwellenwerte
oder
Kriterien
(unter
Berücksichtigung der in
Anhang III
genannten
Kriterien) bestimmt, ob
das Projekt einer UVP
unterzogen
werden
muss.
Alle Pläne und Programme, a) die
in den Bereichen Landwirtschaft,
Forstwirtschaft, Fischerei, Energie,
Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft,
Wasserwirtschaft,
Telekommunikation,
Fremdenverkehr,
Raumordnung
oder Bodennutzung ausgearbeitet
werden und durch die der Rahmen
für die künftige Genehmigung der
in den Anhängen I und II der
Richtlinie
85/337/EWG
aufgeführten Projekte gesetzt wird
oder b) bei denen angesichts ihrer
voraussichtlichen
Auswirkungen
auf Gebiete eine Prüfung nach
Artikel 6 oder 7 der Richtlinie
92/43/EWG
für
erforderlich
erachtet wird.
Die voraussichtlichen erheblichen
Umweltauswirkungen,
einschließlich der Auswirkungen
auf Aspekte wie die biologische
Vielfalt, die Bevölkerung, die
Gesundheit
des
Menschen,
Fauna, Flora, Boden, Wasser,
Luft,
klimatische
Faktoren,
Sachwerte, das kulturelle Erbe
einschließlich der architektonisch
wertvollen Bauten und des
archäologischen
Erbes,
die
Landschaft
und
die
Wechselbeziehung zwischen den
genannten Faktoren.
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
die
Es
liegt
in
der
Verantwortung
der
zuständigen
Behörde
sicherzustellen, dass die
Verträglichkeitsprüfung
durchgeführt
wird.
In
diesem
Zusammenhang
kann der Projektträger
verpflichtet werden, alle
erforderlichen
Untersuchungen
durchzuführen und der
zuständigen Behörde alle
benötigten Informationen
vorzulegen, damit sie eine
Entscheidung in Kenntnis
aller Umstände treffen
kann. Bei Bedarf kann die
zuständige
Behörde
relevante
Informationen
auch aus anderen Quellen
heranziehen.
Der Projektträger.
Die zuständige Planungsbehörde.
Muss
die
Öffentlichkeit
/
müssen andere
Behörden
konsultiert
werden?
Eine solche Konsultation ist
nicht vorgeschrieben, wird
aber
befürwortet
(„gegebenenfalls“).
Eine Konsultation muss
vor
Annahme
des
Projektvorschlags
durchgeführt werden.
Eine Konsultation vor Annahme
des Plans oder Programms ist
vorgeschrieben.
Wer nimmt
Prüfung vor?
Die
Mitgliedstaaten
treffen die erforderlichen
Maßnahmen, damit die
Behörden, die in ihrem
umweltbezogenen
Aufgabenbereich
von
einem Projekt berührt
sein
könnten,
die
Möglichkeit haben, ihre
Stellungnahme zu dem
Antrag
auf
Genehmigung
abzugeben.
Entsprechendes gilt für
die Konsultation der
Öffentlichkeit.
Wie
verbindlich
sind
die
Ergebnisse
der
Prüfung?
Verbindlich.
Die
zuständigen
Behörden
können dem Plan bzw.
Projekt nur zustimmen,
wenn
sie
festgestellt
haben, dass das Gebiet als
solches nicht beeinträchtigt
wird.
Die
Ergebnisse
der
Anhörungen und die im
Rahmen
der
UVP
eingeholten
Angaben
sind
beim
Genehmigungsverfahren
zu berücksichtigen.
Den
Behörden
und
der
Öffentlichkeit
wird
innerhalb
ausreichend bemessener Fristen
frühzeitig und effektiv Gelegenheit
gegeben, vor der Annahme des
Plans oder Programms oder
seiner
Einbringung
in
das
Gesetzgebungsverfahren
zum
Entwurf
des
Plans
oder
Programms
sowie
zum
begleitenden
Umweltbericht
Stellung zu nehmen.
Die Mitgliedstaaten müssen die zu
konsultierenden
Behörden
bestimmen,
die
in
ihrem
umweltbezogenen
Aufgabenbereich betroffen sein
könnten.
Der Umweltbericht sowie die
abgegebenen
Stellungnahmen
werden bei der Ausarbeitung des
Plans oder Programms und vor
dessen Annahme oder vor dessen
Einbringung
in
das
Gesetzgebungsverfahren
Berücksichtigung finden.
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48
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
GLOSSAR
Alternativlösungen: andere Wege zur Erreichung der Ziele eines Plans oder Projekts. Die
Dienststellen der Kommission schlagen Folgendes vor: „Dazu können alternative Standorte
(Trassen bei Linienbauten), andere Größenordnungen oder Entwicklungspläne bzw.
alternative Prozesse gehören“ (Methodik-Leitlinien zur Erfüllung der Vorgaben des Artikels 6
Absätze 3 und 4 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2001).
Art von gemeinschaftlicher Bedeutung: Art des Anhangs II und/oder der Anhänge IV oder
V der Habitat-Richtlinie.
Ausgleichsmaßnahmen: Gemäß Artikel 6 Absatz 4 müssen Ausgleichsmaßnahmen
ergriffen werden, wenn es keine Alternativlösungen gibt und Nachteile für ein europäisches
Schutzgebiet mit zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses
gerechtfertigt wurden. Ausgleichsmaßnahmen müssen auf den Schutz der globalen
Kohärenz des Natura 2000-Netzes ausgerichtet sein. In der Regel wird dabei geeigneter
Lebensraum möglichst nahe an dem Gebiet eingerichtet, in dem die negativen Auswirkungen
eintreten werden, und zwar so rechtzeitig, dass dieser neu geschaffene Lebensraum seine
volle Funktion vor Eintritt der negativen Auswirkungen erfüllt.
Besondere Bedeutung: ein natürlicher Lebensraum des Anhangs I oder eine Art des
Anhangs II der Habitat-Richtlinie, eine Art des Anhangs I der Vogelschutz-Richtlinie oder
eine nicht in Anhang I aufgeführte regelmäßig wiederkehrende Wanderart, für die ein
Natura 2000-Gebiet ausgewiesen wurde.
Besonderes Schutzgebiet: ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder
Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von
gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur
Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen
Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich
sind, durchgeführt werden.
Beteiligte: Personen oder Organisationen, die von einem Programm oder Projekt oder einer
Maßnahme betroffen sein werden oder hierauf Einfluss ausüben werden.
Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung: Dieser Begriff wird in der Habitat-Richtlinie
(92/43/EWG) definiert als „Gebiet, das in der oder den biogeografischen Region(en), zu
welchen es gehört, in signifikantem Maße dazu beiträgt, einen natürlichen Lebensraumtyp
des Anhangs I oder eine Art des Anhangs II in einem günstigen Erhaltungszustand zu
bewahren oder einen solchen wiederherzustellen und auch in signifikantem Maße zur
Kohärenz des (...) Netzes „Natura 2000“ und/oder in signifikantem Maße zur biologischen
Vielfalt in der biogeografischen Region beitragen kann“. Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung werden der Kommission von den Mitgliedstaaten vorgeschlagen und sind nach
ihrer Annahme von den Mitgliedstaaten als besondere Schutzgebiete auszuweisen.
Günstiger Erhaltungszustand: Der Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums wird
als „günstig“ erachtet, wenn sein natürliches Verbreitungsgebiet sowie die Flächen, die er in
diesem Gebiet einnimmt, beständig sind oder sich ausdehnen können und die für seinen
langfristigen Fortbestand notwendige Struktur und spezifischen Funktionen bestehen und in
absehbarer Zukunft wahrscheinlich weiterbestehen werden und der Erhaltungszustand der
für ihn charakteristischen Arten günstig ist. (Artikel 1 Buchstabe e der Habitat-Richtlinie)
Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Der Erhaltungszustand einer Art wird als „günstig“ betrachtet, wenn die Population langfristig
lebensfähig bleiben wird und das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt
noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und ein genügend großer Lebensraum
vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein
Überleben der Population dieser Art zu sichern.
Kompensation: Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in die biologische Vielfalt sind
Erhaltungsmaßnahmen zum Ausgleich der verbleibenden unvermeidlichen Schädigung der
biologischen Vielfalt durch Entwicklungsprojekte, um Nettoverluste der biologischen Vielfalt
nach Möglichkeit zu vermeiden.
Kumulative Auswirkungen: Auswirkungen mehrerer Pläne bzw. Projekte, die räumlich und
zeitlich zusammenfallen.
Lebensraum von gemeinschaftlichem Interesse: ein natürlicher Lebensraumtyp nach
Anhang I der Habitat-Richtlinie.
Maßnahmen zur Schadensbegrenzung: Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, die
negativen Auswirkungen eines Plans oder Projekts während oder nach seiner Durchführung
abzuschwächen oder sogar aufzuheben.
Natura 2000-Gebiet: Gebiet, das in das Natura 2000-Netz aufgenommen wurde, das sich
aus den von der Europäischen Kommission angenommenen Schutzgebieten und Gebieten
von gemeinschaftlicher Bedeutung und von den Mitgliedstaaten benannten besonderen
Schutzgebieten zusammensetzt.
Schutzgebiet: gemäß der Vogelschutz-Richtlinie für Arten des Anhangs I dieser Richtlinie
und/oder regelmäßig auftretende Zugvogelarten ausgewiesenes und in das Natura 2000Netz aufgenommenes Schutzgebiet.
Störung: eine zeitweise oder ständige Veränderung der Umweltbedingungen (z. B. durch
Lärm oder Lichtquellen), die sich nachteilig auf einen natürlichen Lebensraum oder eine Art
auswirken kann. Die Störung kann schädlich für eine geschützte Art sein, indem sie z. B. die
Überlebenschancen, den Bruterfolg oder die Reproduktionsfähigkeit verringern und weitere
mittelbare Auswirkungen (stärkeren Nahrungswettbewerb) nach sich ziehen kann.
Überwachung: ausführliches Erhebungsprogramm, das systematisch ausgeführt wird, um
eine Reihe von Beobachtungen zu erhalten, anhand deren im Zeitverlauf möglicherweise zu
erwartende Veränderungen festgestellt werden sollen.
Überwachung (Monitoring): Sammlung und Analyse wiederholter Beobachtungen oder
Messungen zur Beurteilung von Veränderungen des Zustands und der Fortschritte auf dem
Weg zur Verwirklichung eines Bewirtschaftungsziels.
Verschlechterung: physische Verschlechterung, die einen Lebensraum oder ein Brut- oder
Rastgebiet einer Art beeinträchtigt. Im Unterschied zur Zerstörung kann eine solche
Verschlechterung ein langsamer Prozess sein, in dessen Verlauf die qualitativen oder
quantitativen Merkmale des jeweiligen Gebiets allmählich immer weiter beeinträchtigt
werden, bis schließlich ein vollständiger Verlust eintreten kann.
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Leitfaden der Europäischen Kommission für die Umsetzung der Naturschutzvorschriften der EU in
Mündungs‐ und Küstengebieten
Verträglichkeitsprüfung: das angemessene Verfahren gemäß Artikel 6 Absatz 3 der
Habitat-Richtlinie, bei dem die potenziellen Auswirkungen eines Plans oder Projekts auf ein
Natura 2000-Gebiet im Hinblick auf die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu
prüfen sind, um festzustellen, ob nachteilige Auswirkungen des Plans oder Projekts auf das
Gebiet als solches ausgeschlossen werden können.
Vorsorgeprinzip: Wenn die wissenschaftlichen Beweise nicht ausreichen, keine eindeutigen
Schlüsse zulassen oder unklar sind, jedoch aufgrund einer vorläufigen wissenschaftlichen
Risikobewertung begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die möglicherweise
gefährlichen Folgen für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen
mit dem angestrebten hohen Schutzniveau unvereinbar sein könnten, kann das Fehlen
wissenschaftlicher Belege nicht als Begründung für eine Verschiebung kostenwirksamer
Maßnahmen zur Vermeidung einer ökologischen Verschlechterung herangezogen werden.
(Erklärung von Rio, 1992, und Europäische Kommission, 2000).
Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses: Bestimmung gemäß
Artikel 6 Absatz 4, nach der ein Plan oder Projekt unter bestimmten Umständen selbst dann
durchgeführt werden kann, wenn in einer Verträglichkeitsprüfung nicht ausgeschlossen
werden konnte, dass ein Natura 2000-Gebiet als solches beeinträchtigt wird.
Europäische Kommission
Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union
2011 50 S. 21,0 x 29,7 cm
ISBN 978-92-79-19370-5
doi: 10.2779/42993
KH-31-11-028-DE-N
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