Faschismus - alter

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Faschismus
Es ist nicht die Bilanz der jüngsten Ereignisse in Rom, aus denen hier ein Urteil über den Faschismus
gezogen werden soll. Vielmehr bilden die Ergebnisse des faschistischen Kongresses den Ausgangspunkt
dieser Anmerkungen, auch wenn dieser nur gezeigt hat, zu einem kritischen Urteil über den Faschismus
nichts beitragen zu können. 1
Die faschistische Bewegung kam mit einer mächtigen Organisation im Gepäck zum Kongress, denn sie
hatte sich vorgenommen, ein beeindruckendes Kräfteaufgebot in der Hauptstadt zu präsentieren. Zugleich
aber ließ sie verlauten, vor der Öffentlichkeit die programmatischen Grundlagen ihrer Ideologie ausbreiten
zu wollen. Ihre Führer sahen sich verpflichtet, eine so stark entwickelte Organisation durch eine „neue“
Lehre und „neue“ politische Richtung legitimieren zu müssen.
Die Niederlage, die der Faschismus in den Tagen des römischen Generalstreiks einstecken musste, ist
noch gar nichts gegen die Pleite, die hinsichtlich seiner oben genannten Absichten an den Ergebnissen des
Kongresses sichtbar wurde. Auf der Hand liegt, dass eine Erklärung oder, wenn man will, eine Rechtfertigung des Faschismus jenseits dieser Bemühungen um neue programmatische Konstruktionen gefunden
werden muss – denn es war vergebliche Müh‘, sowohl als kollektives Werk als auch als subjektiver Versuch eines Führers, der es nie zum „Meister“ bringen wird, auch wenn er sicherlich die Karriere eines
„Politikers“ im traurigen traditionellen Sinne des Wortes machen wird.
Der Faschismus, dieser politische Futurismus 2 , hat sich nicht im Geringsten über das platte Niveau der
bürgerlichen Mittelmäßigkeit hinausbewegt. Warum nicht?
Hauptereignis des Kongresses, so wurde gesagt, war die Rede Mussolinis. Diese Rede war ein Schlag
ins Wasser. Ausgehend von der Analyse der anderen Parteien ist Mussolini keineswegs zu einer Synthese
gelangt, die deutlich gemacht hätte, wieso sich eine faschistische Partei von allen anderen Parteien unterscheidet. Auch wenn sie dazu taugt, gegenüber dem Sozialismus und der Arbeiterbewegung eine entschieden feindliche Haltung an den Tag zu legen, ist das sicher noch keine neue Position, nichts, was sie von
den herkömmlichen politischen Ideologien der bürgerlichen Parteien abheben würde.
Der Versuch, die faschistische Ideologie mittels einer vernichtenden Kritik an alten Schemata (auch oder
hauptsächlich in Form glänzender Paradoxa) darzustellen, endete damit, eine Reihe von Aussagen zu machen, die weder für sich genommen neu waren noch einen neuen oder überhaupt einen Zusammenhang
ergaben. Völlig wirkungslos wurden die Gemeinplätze der politischen Polemik abgespult, mit denen die
verschiedenen Strömungen sich immer wieder gegenseitig befehden und die uns infolge der krankhaften
Neuerungssucht, die die Politikaster des zeitgenössischen bürgerlichen Zerfalls jeden Tag aufs Neue plagt,
in allen möglichen Varianten aufgetischt werden. Anstelle der feierlich versprochenen neuen Wahrheit gab
man ein Sammelsurium der gesamten kulturellen Bakterienflora zum besten, die den durch Aufblähung
begleiteten Verwesungsprozess der bürgerlichen Gesellschaft ausmacht. In dieser Verfallsperiode des
Regimes beginnt deren Ideologie sich in höchster Not auf Formeln zu stützen, die vom Syndikalismus,
vom mehr oder minder individualistischen Anarchismus, von den Resten der spiritualistischen und religiösen Metaphysik etc., geklaut sind. Nur unser haarsträubend grober bolschewistischer Marxismus fällt als
glückliche Ausnahme diesem Beutezug nicht zum Opfer.
Welche Schlussfolgerung könnte aus diesem unzusammenhängenden Reigen unterschiedlicher Auffas1
Auf dem II. nationalen Kongress der Faschisten, der vom 7. bis 10. November 1921 in Rom stattfand, wurde die
Partito Nazionale Fascista gegründet. 30.000 Faschisten hatten sich in der Hauptstadt versammelt und zogen zur
Feier des Tages wieder marodierend durch die Stadt, was 5 Tote und 120 Verletzte hinterließ. Nach der Ermordung
eines Eisenbahners am 9.11. rief das römische Proletariat den Generalstreik aus, den weder die Regierung noch ein
faschistisches Ultimatum zu brechen vermochten. Der Streik dauerte noch bis zum 14.11. fort, vier Tage nach Ende
des faschistischen Kongresses. Das auf ihm verabschiedete Programm der PNF wurde erst am 27.11. veröffentlicht.
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Futurismus: eine um 1909 in Italien entstandene Kunstbewegung, die u.a. den völligen Bruch mit allen Traditionen
forderte.
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sungen hervorgehen – wenn etwa der Antiklerikalismus der Freimaurer hervorgeholt wird, um sich vom
Programm der Volkspartei abzugrenzen, und zugleich bestimmte Elemente des Glaubenskampfes entliehen werden? Oder der Wirtschaftsliberalismus herangezogen wird, um die nichtigen Sozialisierungsversuche mit der „kapitalistischen Wirklichkeit“ zu erschlagen, und zugleich dem politischen Liberalismus die
Totenglocken geläutet werden? Was soll es heißen, wenn man behauptet, den antidemokratischen Begriff
der Diktatur mit dem Kommunismus gemeinsam zu haben, wenn diese Diktatur nur die Zwänge der „freien“ Wirtschaft meint, die für lebenskräftiger denn je gehalten wird? Wenn man die Republik preist und
zugleich die Perspektive eines vorparlamentarischen, diktatorischen und somit erzdynastischen Regimes
aufleuchten lässt? Oder der Lehre der „liberalen“ Partei jene der traditionellen Rechten gegenübergestellt
wird, die doch dem Liberalismus, ob theoretisch oder praktisch, ernsthafter und enger verpflichtet war?
Hätte es eine Schlussfolgerung gegeben, die all diese Aussagen harmonisch zu einem Resultat gebündelt
hätte, so hätte deren Widersprüchlichkeit nur die Macht der Paradoxa bewiesen, mit denen sich jede neue
Ideologie schmückt, gleichsam als wolle sie an der geschickten Handhabung der Dialektik ihre Stärke und
Festigkeit erproben. In diesem Fall aber blieb die abschließende Synthese aus, und dieser ganze Wirrwarr
aus alten Geschichtchen war bloß eine Bankrotterklärung.
Der kritische Punkt bestand darin, die Position des Faschismus gegenüber den Parteien der bürgerlichen
Mitte zu bestimmen. Um sich als Gegner der sozialistischen wie auch der Volkspartei zu profilieren, ließ
sich noch das eine oder andere Argument anführen. Aber die Kritik an der liberalen Partei und die Notwendigkeit, sie irgendwie zu erledigen, um ihren Platz einzunehmen, konnte nicht sauber begründet und in
ein Parteiprogramm umgesetzt werden. Es soll gleich klargestellt werden, dass wir damit nicht die These
untermauern wollen, nach der der Faschismus keine Partei sein könne. Er wird sehr wohl eine sein, wobei
er seine verschrobenen Abneigungen gegen die Monarchie, die parlamentarische Demokratie und sogar...
den Staatssozialismus vortrefflich in Einklang zu bringen vermag. Wir stellen lediglich fest, dass wir uns
einer Bewegung gegenüber sehen, die zwar über eine starke Organisation verfügt und nicht nur in militärischer, sondern auch in politischer und parlamentarischer Hinsicht durchaus schlagkräftig ist, der aber eine
eigene Ideologie und ein eigenes Programm fehlen. Die Untersuchung des faschistischen Kongresses,
vielleicht besser: der Rede Mussolinis, die unbedingt als Selbstdarstellung genutzt werden sollte, zeitigt
das Ergebnis, dass der Faschismus dazu nicht in der Lage ist. Da der Marxismus ihn dagegen sehr genau
zu kennzeichnen vermag, stellt diese Unfähigkeit keine Überraschung dar.
Obschon das Wort Ideologie einen metaphysischen Beigeschmack hat, benutzen wir es, um das programmatische Rüstzeug einer Bewegung zu bezeichnen, also ihr Bewusstsein über eine Reihe von Zielen,
die sie durch ihre Praxis erreichen will. Natürlich ist dazu eine Methode nötig, mit Hilfe derer man die
Geschehnisse im gesellschaftlichen und geschichtlichen Lebensprozess deuten und erfassen kann. Wir
schicken dies voraus, um festzustellen, dass die Ideologie der Bourgeoisie gespalten ist (eben weil sich ihr
historisches Leben dem Ende zuneigt): Die Programme, die sie nach außen hin vertritt, sind nicht mit ihrem Bewusstsein identisch, das sie von ihren Interessen und den praktischen Mitteln, sie zu wahren, hat.
Als sie noch eine revolutionäre Klasse war, war sie sich auch ihrer eigenen sozialen und politischen Ideologie voll und ganz „bewusst“ (wir kennzeichnen diese Ideologie als eben den „Liberalismus“, den der
Faschismus jetzt verkündet, den Garaus machen zu wollen): Die Bourgeoisie „glaubte“ und „wollte“ nämlich genau das, was ihr liberales und demokratisches Programm enthielt; ihr brennendstes Interesse war
darauf gerichtet, die Leitung der Wirtschaft von den Fesseln der Gesetzgebung und Verfassung des „ancien régime“ zu befreien. Sie war überzeugt, dass die Verwirklichung größtmöglicher Rechte und politischer Freiheiten aller Bürger nicht nur mit der Universalität ihres philosophischen Humanismus, sondern
auch mit der größtmöglichen Entfaltung ihres Wirtschaftslebens in Einklang stand.
Und wirklich: so wie der Liberalismus die beste politische Waffe war, um die Staatsgewalt gegen die
feudale Wirtschaft und die Privilegien des ersten und zweiten „Standes“ (Adel und Klerus) einzusetzen, so
war er auch ein probates Mittel, um die „Klassen“-Funktion des bürgerlich-parlamentarischen Staates
nicht allein gegen den alten Staat und die Restaurationsversuche zu richten, sondern ebenso gegen das
Auftreten des „vierten Standes“, also gegen die Angriffe der Arbeiterbewegung. In ihrer ersten Lebensphase fehlte der Bourgeoisie noch das Bewusstsein dieser zweiten Funktion der Demokratie, ihres historischen Frontwechsels, ihrer Verwandlung von einem revolutionären in einen konservativen Faktor; die
traditionelle Rechte in Italien ist ein Beispiel dieses fehlenden Bewusstseins. Die Ideologen des Liberalis-
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mus „sagten“ damals nicht bloß, sondern „glaubten“ auch, dass jene Methode der Errichtung des politischen Apparats zum Wohl des ganzen „Volkes“ geschehe und der Boden sei, auf dem sich gleiches Recht
für alle verwirklichen werde. Sie konnten sich noch nicht vorstellen, dass es zur Rettung der bürgerlichen
Einrichtungen notwendig sein würde, die in ihrer politischen Lehre enthaltenen und in der bürgerlichen
Verfassung garantierten Rechte abzuschaffen. Für sie konnte der Staatsfeind nur der Feind aller Bürger
sein, ein Verbrecher, der den Gesellschaftsvertrag verletzte.
Später konnte die herrschende Klasse deutlich erkennen, wie sich das demokratische System sehr gut als
„Ventil“ gegen das Proletariat einsetzen lässt, um den Überdruck der Unzufriedenheit mit den ökonomischen Verhältnissen abzulassen. Während sich die Bourgeoisie immer mehr überzeugte, dass der liberale
Mechanismus ihren Klasseninteressen hervorragend diente, verlor er in ihren Augen mehr und mehr den
Charakter eines philosophischen und theoretischen Ziels, um nurmehr als Mittel betrachtet zu werden.
Und sie sah, dass die Anwendung dieses Mittels in Wirklichkeit nicht unvereinbar mit der ergänzenden
Funktion des bürgerlichen Staates war, die proletarische Bewegung auch mit Gewalt zu unterdrücken.
Wenn aber ein liberaler Staat die verbrieften Freiheiten abschaffen muss, um sich vor Angriffen zu schützen, so liefert er den geschichtlichen Beweis für den trügerischen Charakter des Liberalismus bzw. der
liberalen Auffassung von der Mission der Bourgeoisie und der Natur ihres Regierungsapparates. Seine
wirkliche Rolle kommt zum Vorschein. Er muss nämlich die Interessen des Kapitalismus mit allen Mitteln
schützen: mit dem Ablenkungsmanöver der demokratischen Maskeraden und, sobald diese die Bewegungen, die den Staat selbst bedrohen, nicht mehr allein zurückzuhalten vermögen, zusätzlich mit bewaffneter
Repression.
Dies aber ist eine „revolutionäre“ Lehre der bürgerlichen und liberalen Staatsfunktion. Besser gesagt ist
es revolutionär, sie auszusprechen: deshalb muss die Bourgeoisie in der gegenwärtigen geschichtlichen
Phase diese Lehre praktisch umsetzen und theoretisch leugnen. Wenn der bürgerliche Staat seine ihm naturgemäße repressive und konterrevolutionäre Rolle explizit ausübt, entspricht dem implizit die Vernichtung der angeblich wahren Lehre des Liberalismus, was nicht heißt, dass er rückwärts gehen und die
Staatsverfassung einer Revision unterziehen muss. Weder muss die Bourgeoisie ihre liberale Vergangenheit bereuen noch muss sie dem Liberalismus abschwören. Beides bleibt ihr erspart, denn ihr Herrschaftsorgan wurde durch seine eigene logische, ja natürliche Entwicklung dazu befähigt und gewappnet, die
„Sache der Freiheit“ mit Gewehren und Kerkern zu verteidigen.
Solange sie Programme formuliert und politische Lehren verkündet, kann eine bürgerliche Bewegung
diese Notwendigkeit der Klassenverteidigung mit allen Mitteln, einschließlich derer, die theoretisch gegen
die eigene Verfassung und die eigenen Gesetze verstoßen, nicht offen aussprechen. Es wäre der Erhaltung
ihrer Herrschaft kaum dienlich. Zum anderen sehen neunundneunzig Prozent der herrschenden Klasse sehr
wohl, dass es ein falsches Mittel ihrer Herrschaftssicherung wäre, die parlamentarische Demokratie auch
formell zurückzuweisen und eine Reform des bürgerlichen Staatsapparates im feudalen bzw. aristokratischen oder autokratischen Sinn anzustreben. Kein vor-napoleonischer Staat war für die Schrecken des
Krieges qualitativ und quantitativ besser ausgerüstet als die modernen demokratischen Staaten (übrigens
nicht allein in technischer Hinsicht), und so ist auch keiner besser gerüstet, wenn es um die innere Sicherheit und Verteidigung der eigenen Existenz geht.
In der gegenwärtigen Periode der Repression gegen die revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse ist
deshalb klar, dass die politische Bewegung der bürgerlichen Klasse, also die Teilnahme der Bürgerschaft
oder Bourgeois-Klientel am politischen Leben, neue Aspekte zeigen muss. Die „konstitutionellen“ Parteien, die dazu da sind, Wahlkämpfe zu führen und sich das Fortbestehen des kapitalistischen Regimes durch
die Mehrheit des Volkes bestätigen zu lassen, reichen nicht mehr aus. Es ist notwendig, dass die staatstragende Klasse den aus den neuen Erfordernissen hervorgehenden Funktionen des Staates massiv Schützenhilfe leistet. Die konservative, konterrevolutionäre Bewegung muss, wenn der soziale Krieg seine Schatten
vorauswirft, eine militärische Aufgabe übernehmen und sich entsprechend organisieren. Und dem Staat ist
natürlich daran gelegen, dass diese Organisierung „von unten“ kommt, weil die repressive Funktion so
weniger der verzweifelten Verteidigung der Illusion zu widersprechen scheint, nach der der Staat der Staat
aller Bürger, aller Parteien und Klassen ist.
Sobald die Arbeiterklasse die Illusion verliert, sich auf legalem Wege, durch die staatlicherseits zuge-
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standene politische Aktivität emanzipieren zu können, sobald die revolutionäre Methode an Boden gewinnt und somit das Proletariat auf den Kampf vorbereitet, was die militärische Eingliederung einschließt,
wird sich die Partei der Ordnung ihrerseits organisieren und bewaffnen, um sich zu verteidigen.
Dass sie sich neben dem Staat und unter seinem Schutz „schneller“ und „besser“ als das Proletariat bewaffnet und offensiv gegen proletarische Stellungen vorgeht, die das liberale bürgerliche Regime noch
geduldet hatte, darf nicht mit dem Auftreten einer Partei verwechselt werden, die den Staat übernehmen
wollte, um vorliberale Formen einzuführen, in diesem Sinne also gegen den Staat wäre.
Hier liegt für uns die anfangs erwähnte Erklärung für die Entstehung des Faschismus. Er ergänzt den
bürgerlichen Liberalismus, er zerstört ihn nicht. Er realisiert durch die dem offiziellen Staatsapparat zur
Seite stehende Organisation die bürgerliche Doppelverteidigung.
Wenn sich der revolutionäre Druck des Proletariats verschärft, wird die Bourgeoisie diese beiden Verteidigungsmethoden, die sich nicht ausschließen, sondern parallel existieren, wohl aufs höchste intensivieren. Sie wird die kühnste demokratische und sozialdemokratische Politik zur Schau tragen und zugleich
die weißen Banden auf das Proletariat loslassen, um es abzuschrecken. Aber dies ist ein anderer Aspekt
der Frage, der nur beweist, wie unsinnig die Gegenüberstellung von Faschismus und parlamentarischer
Demokratie ist. Die Wahltätigkeit des Faschismus bestätigt gerade die Haltlosigkeit dieser Gegenüberstellung.
Außerdem bedarf es keiner Adlerschwingen, um eine parlamentarische Partei zu werden. Ebenso wenig
muss das heikle Problem gelöst werden, ein „neues“ Programm aufzustellen. Gerade der Faschismus wird
seine Daseinsberechtigung weder durch programmatische Aussagen festschreiben noch ein Bewusstsein
davon haben können, denn er ist das Ergebnis dessen, dass bürgerliches Programm und Bewusstsein auseinandergefallen sind; müsste er im Namen einer politischen Lehre sprechen, würde er unweigerlich in die
Reihen des traditionellen Liberalismus eintreten – der ihn doch just beauftragt hat, gegen seine Lehre zu
verstoßen, wenn auch „nur zur äußerlichen Anwendung“, damit er weiterhin predigen kann, ohne an
Glaubwürdigkeit einzubüßen.
Der Faschismus hat sich also auf dem Kongress von Rom nicht selbst definieren können und wird dazu
auch niemals imstande sein (was seiner Existenz und der Ausübung seiner Funktion keinen Abbruch tut),
denn er konstituiert sich nach der Formel: „Die Organisation ist alles, die Ideologie nichts“, in dialektischer Entsprechung zur Formel der liberalen Partei: „Die Ideologie ist alles, die Organisation nichts“.
Nachdem wir kurz gezeigt haben, dass die Trennung von Doktrin und Organisation die Bewegungen einer niedergehenden Klasse kennzeichnet, wäre es jetzt lehrreich nachzuweisen, dass die strikt materialistisch und historisch begründete Synthese von Theorie und Organisation eine Eigenschaft der revolutionär
aufsteigenden Klasse ist. Wenn man also den Gegner und die Gründe seiner Kraft besser kennt als er selber und wenn man seine eigene Kraft aus einer klaren Kenntnis der eigenen Ziele bezieht, kann man auch
voller Zuversicht sagen, dass der definitive Sieg über ihn sicher ist.
Quelle:
„Fascismo“: Il Comunista, Nr. 30, 17. November 1921.
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