Listen to Britain Strukturen und Arbeitsweisen der Films Division des Ministry of Information 1939-45 Ein Beitrag zur Administrations- und Produktionsgeschichte britischer Filmpropaganda Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Philosophie an der Universität Konstanz Geisteswissenschaftliche Sektion Fachbereich Literaturwissenschaft Vorgelegt von Jürgen Berger aus Mannheim Tag der mündlichen Prüfung: 07.12.2001 Referent: Prof. Dr. Joachim Paech Referent: Prof. Dr. Rainer Wirtz Inhalt 1. Vorwort 2. Einleitung 2.1. Why We Fight: Forschungsstand / Fragestellung 2.2. Prelude to War: Politik / Propaganda / Film 3. 55 79 110 Die Verleihstrukturen für Filme 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 6. 41 Die Propagandapolitik des Ministry of Information und ihre Umsetzung durch die Films Division 4.1. Do it Now: Propagandaauftrag an die Films Division: Das Policy Committee und seine für die Films Division relevanten Propagandakampagnen 4.2. The Plan and the People: Propagandaauftrag und Realität: Die Film- und Propagandapolitik der Films Division 5. 6 14 Die Films Division des Ministry of Information 3.1. Into the Blue: Planung für ein Ministry of Information und eine Films Division 3.2. These are the Men: Organisationsstruktur des Ministry of Information und der Films Division 4. 3 Heart of Britain: Theatrical Filmverleih They Speak for Themselves: Non-Theatrical Filmverleih Salute to the Red Army: Filmverleih im Ausland A Welcome to Britain: Filmverleih in den USA The Front Line: Vertrieb von Filmen in „liberated territories“ 151 175 192 199 213 Die staatlichen Produktionsfirmen 6.1. Listen to Britain: Die G.P.O. Film Unit / Crown Film Unit 6.2. An African in London: Die Colonial Film Unit 6.3. True Glory: Die Army- / Royal Air Force- / Navy-Film Units 224 252 258 1 7. Die Kontrolle über die staatliche Filmproduktion 7.1. Subject for Discussion: Pre-production I: Ideenproduzenten und Drehbuchkontrolle 7.2. Subject Discussed: Pre-production II: Das Planning Committee als politisches EntscheidungsGremium für die filmische Umsetzung von Propagandaideen 7.3. Transfer of Skill: Produktionskontrolle I: Kontrolle über Auftragsproduktionen 7.4. A Job to be Done: Produktionskontrolle II: Kontrolle über Eigenproduktionen 7.5. Salvage with a Smile: Produktionskontrolle III: Abbruch von Produktionen und intraministerielle Zensur 8. 9. 270 298 315 334 379 Die Kontrolle über die private Filmproduktion 8.1. Camouflage: Staatliche Filmzensur und das British Board of Film Censors 8.2. Hitler Listens: Nachrichtenkontrolle und Wochenschauen 8.3. Journey Together: Kontrolle über die Spielfilmproduktion 389 Zusammenfassung 462 400 424 10. Anhang 10.1. Quellen und Literatur Unveröffentlichte Quellen Filmzeitungen / Filmzeitschriften Literatur Zeitungs- und Zeitschriftenartikel 10.2. Filmografie 10.3. Dokumente Conditions of Contract governing the Production of films for the Ministry of Information, May, 1942, PRO, INF1/616 (1942) Feature Films Policy (1943) 472 472 473 485 494 545 556 2 1. Vorwort Die Arbeit versteht sich als eine Politik- und Sozialgeschichte staatlich geförderter und kontrollierter Filmpropaganda während des Zweiten Weltkriegs. Im Mittelpunkt steht die Films Division des britischen Ministry of Information, die als Entscheidungszentrale und Verwaltungsapparat die Kontrolle über die staatliche wie auch kommerzielle Filmproduktion während des Krieges ausübte. Die Arbeit zeigt auch die Integration und Beeinflussung der in den dreißiger Jahren außerhalb der kommerziellen Filmproduktion agierenden Filmemacher des Documentary Movements in die Dienste einer umfassend staatlich geförderten Filmproduktion. Der Staat, der zum erstenmal als Filmproduzent in stärkerem Maße in Erscheinung trat, fand auch Mittel und Wege, die private Filmwirtschaft in seinem Sinne zu beeinflussen. Die Dissertation versteht sich nicht als britische Filmgeschichte während des Krieges. Die Inhalte der Filme und ihre formale Umsetzung interessieren für den zu untersuchenden Zweck nicht. Es geht vielmehr darum, wie und unter welchen Schwierigkeiten sich Propaganda-Aufträge in der Maschinerie staatlicher Kontrolle in Filmprodukte umgesetzt haben. Es wird deutlich, wie sich die Ideen der Auftraggeber dabei häufig derart verändert haben, dass der realisierte „Film“ gegenüber dem beabsichtigten Pro- 3 pagandaprodukt ein Eigenleben entwickelte, wobei sich die vom Staatsapparat gewünschte „bevorzugte Leseart“ des Filmtextes nicht immer realisierte. Indem sich die Arbeit auf die Darstellung und Beschreibung der Eigenwilligkeiten und Eigenständigkeiten der Institution Ministry of Information konzentriert und die Produktionsbedingungen der Filme beschreibt, versucht sie, die Entstehungsbedingungen und den -prozess, denen die Propagandaideen und -absichten unterworfen waren und die in das Produkt „Film“ eingeflossen sind, nachvollziehbar zu machen. Der Grund für die Untersuchung der Produktionsbedingungen der staatlich geförderten und produzierten Filme liegt dabei aber nicht allein im Interesse herauszuarbeiten, welche Auswirkungen diese Bedingungen auf die „bevorzugte Leseart“ von diesem oder jenem einzelnen Filmtext hatten, sondern es gilt die Strukturen aufzudecken, innerhalb derer „bevorzugte Lesearten“, d.h. Filmpropaganda realisiert werden sollten. Gleichzeitig gilt es zu bestimmen, welche Auswirkungen die staatlich kontrollierten Produktionsbedingungen auf die britische Filmgeschichte während des Krieges besaßen. Für Hilfestellung bei den Recherchen und bei der Fertigstellung der Arbeit möchte ich mich bei folgenden Personen und Institutionen bedanken: Vor allem bei Bettina Thienhaus-Berger, die den mühseligen, sich über Jahre erstreckenden Fortgang der Arbeit begleitete und kritisch kommentierte. Bei Helmut Diederichs, der die entscheidende Hilfestellung gab, und bei Stefanie Roth für Ihre Unterstützung. Bei den Mitarbeitern der Bibliothek und des Filmarchivs des British Film Institute, London, hier vor allem aber bei Susan Julian-Huxley, Library and Information Services; Brenda Davies, Leiterin der Library and Information Services 4 und bei allen ihren Mitarbeitern insbesondere bei Gillian Hartnoll und John Gillett; bei David Francis, Michelle Aubert und Jeremy Boulton, National Film Archive; Elaine Burrows, Clyde Jeavons, Anne Fleming, National Film and Television Archive; ein besonderer Dank an Markku Salmi. Mein Dank gilt Roger Smithers, Imperial War Museum, London; Eva Orbanz, Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin; Renate Wilhelmi, Bibliothek der Deutschen Film- und Fernsehakademie, Berlin; Eberhard Spiess, Deutsches Institut für Filmkunde, Wiesbaden/ Frankfurt; Helmut Regel, Bundesarchiv – Filmarchiv, Koblenz sowie den Mitarbeitern des Public Record Office, London/Kew, der British Library, London und des Deutschen Filmmuseums, Frankfurt am Main. 5 2. Einleitung 2.1. Why We Fight: Forschungsstand / Fragestellung Es überrascht, wie wenig Bücher und Aufsätze über das britische Kino der Jahre 1939-45 in den letzten zwanzig Jahren veröffentlicht wurden, die sich mit Filmpropaganda im Zweiten Weltkrieg und der besonderen Rolle der Films Division des Ministry of Information beschäftigen. Nicholas Pronays Einschätzung von 1980 hat noch immer seine Gültigkeit: „A full assessment of the working and achievements of the Films Division during the Second World War has yet to be made.“1 So erwähnt das 1979 erschienene Standardwerk zur Geschichte des Ministry of Information, Ian McLaines akribisch recherchiertes ‚Ministry of Morale‘, den cinematografischen Propagandaapparat gerade einmal in einer Fußnote.2 Auch Michael Balfours ‚Propaganda in War‘ aus dem gleichen Jahr, eine vergleichende Studie der unterschiedlichen Propagandaaktivitäten Deutschlands und Großbritanniens, enthält nur marginale Hinweise auf die britischen Propagandafilmaktivitäten.3 Erst 1998 erscheint mit ‚The British at War‘ von James Chapman der erste Versuch, die institutionelle Organisation der Films Division und des Ministry of 1 Pronay in seiner Einleitung zu: Frances Thorpe/Nicholas Pronay mit Clive Coultass, British Official Films in the Second World War – A Descriptive Catalogue, Oxford/Santa Barbara 1980, S. 40 2 Ian McLaine, Ministry of Morale – Home Front Morale and the Ministry of Information in World War II, London/Boston/Sydney 1979 3 Michael Balfour, Propaganda in War 1939-1945 – Organisations, Policies and Publics in Britain and Germany, London/Boston/Henley 1979 6 Information und deren Propagandapolitik auf den Film anzuwenden und zu beschreiben.4 Beschreibt Chapman vor allem die organisatorischen Bedingungen, unter denen gearbeitet wurde, sowie ausführlich die Themen und Inhalte der Filme, zielt die vorliegende Dissertation hauptsächlich auf die Organisations- und Machtstruktur von Propagandaarbeit selbst. Es geht darum, wie und unter welchen Schwierigkeiten Propagandaaufträge in einem staatlich kontrollierten System in Filme umgesetzt wurden. Dabei interessieren Inhalt, Form und Rezeption der Filme nur am Rande. Der Wendepunkt in der Geschichtsschreibung zur Filmpropaganda war 1975 die Aufhebung der 30jährigen Sperrfrist für die seit Kriegsende im Public Record Office eingelagerten offiziellen Dokumente und Akten zur britischen Kriegspropaganda. Die Literatur lässt sich damit leicht in ein ante quem und ein post quem einteilen. Die Literatur ante quem stammt von Autoren, die selbst in der einen oder anderen Form mit offizieller Filmpropaganda zu tun gehabt hatten: Paul Rotha, Harry Watt, John Grierson, Roger Manvell, Basil Wright.5 Wright, Rotha, Watt drehten im Auftrag des Ministry of Information Filme oder verfassten Beiträge für die Documentary News Letter – wie auch John Grierson, Begründer des Documentary Movement, der während des Krieges das National Film Board of Canada aufbaute. Manvell schließlich war Regional Film Officer für das Mi- 4 James Chapman, The British at War – Cinema, State and Propaganda, 1939-1945, London/New York 1998 5 Folgende Titel sind zu nennen: Paul Rotha mit Richard Griffith, The Film Till Now – A Survey rev of World Cinema, London 1949 mit einem gegenüber der Erstausgabe von 1930 ergänzten Kapitel ‚The Film Since Then‘; Paul Rotha mit Sinclair Road, Richard Griffith, Documentary 3 Film, London 1936; 1952 ; Harry Watt, Don‘t Look at the Camera, London 1974; Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O.; Roger Manvell, Film, Harmondsworth 1944; rev 1946 ; Roger Manvell, The Film and the Public, Harmondsworth 1955; Roger Manvell, Films and the Second World War, London 1974, Manvell zitiert hier ausführlich aus den Documentary News Letter; Basil Wright, The Long View – A Personal Perspective on World Cinema, London 1974 7 nistry of Information; der bereits erwähnte Michael Balfour fungierte als Sekretär des Planning Committee des Ministry of Information. Die Bücher und Artikel dieser Autoren sind dem dokumentarisch-realistischen Diskurs verpflichtet, der bis zur heutigen Zeit die meisten Analysen und Artikel über englisches Kino bestimmt. Filme müssen authentisch und wahr sein und der damit einhergehende Realismus ist die perfekte ästhetische Filmform. Da sich viele Autoren auch dem Documentary Movement zugehörig fühlten, ist ihre Präferenz für Dokumentarfilme und dokumentarische Spielfilme nachvollziehbar. Einige der oben genannten Autoren gehörten auch zu der anonymen Expertengruppe, die für die erste zusammenhänge Abhandlung über den Dokumentarfilm während des Zweiten Weltkriegs, ‚The Factual Film‘, verantwortlich war.6 In den von Sussex und Orbanz durchgeführten Interviews7 der Mitglieder des Documentary Movements, die für das Ministry of Information gearbeitet haben, bleibt vieles unhinterfragt. Die Interviews messen, wie auch ‚The Factual Film‘, der Beteiligung des Movements eine viel größere Bedeutung zu, als es die spätere Aktenlage hergibt. Zwei wissenschaftliche Tagungen, die das InterUniversity History Film Consortium 1973 und 1979 organisierte und deren Vorträge 1982 publiziert wurden8, waren Anstoß für eine Aufarbeitung und Neubewertung des Britischen Kinos während des Zweiten Weltkriegs und der filmischen Propagandaaktivitäten des Ministry of Information. Die erste Tagung, auf Initiative von Nicholas Pronay, Sekretär des Consortiums, veranstaltet, hatte die filmische Propa- 6 The Arts Enquiry, The Factual Film, London/New York/Toronto 1947 Elizabeth Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, London/Berkeley 1975; Eva Orbanz, Journey to a Legend and Back – The British Realistic Film, Berlin 1977; Eva Orbanz, Reise in die Vergangenheit und zurück – Der realistische Film in Großbritannien, Berlin 1977 8 Nicholas Pronay/D.W. Spring (Hrsg.), Propaganda, Politics and Film, 1918-45, London/Basingstoke 1982 7 8 gandaarbeit des Ministry of Information zum Thema, Propagandapolitik und Zensur standen ebenfalls auf der Tagungsordnung. Die Arbeiten von Balfour und der ausgezeichnete Filmkatalog ‚British Official Films in the Second World War‘9 mit einer ausführlichen Einleitung von Pronay waren Ergebnisse dieser ersten Konferenz. Im Umfeld der Kongresse und mit der seit 1975 bestehenden Möglichkeit, die Akten des Ministeriums einsehen zu können, entwickelte sich eine – wie Chapman es nennt – empirische Schule von (Film)Historikern, die eine neue akademische Filmhistoriographie nicht nur des britischen Films des Zweiten Weltkriegs entwickelten. Hier wird nicht mehr nur das Produkt Film als Text analysiert, sondern auch auf Produktionsunterlagen und andere offizielle Quellen zurückgegriffen. Das Britische Kino während des Zweiten Weltkriegs wird in seinem historischen Kontext gesehen und analysiert. „Contextual rather than purely textual analysis is (...) the order of the day.“10 Die 1981 von Kenneth Short gegründete Zeitschrift ‚Historical Journal of Film, Radio and Television‘ verfolgt die gleiche wissenschaftliche Linie. Es überrascht nicht, dass viele der neuen empirischen Filmhistoriker wie Nicholas Pronay, Philip Taylor, K.R.M. Short, Jeffrey Richards, Anthony Aldgate, Sue Harper11 neben ihren eigenen Büchern auch Beiträge für diese wichtige Zeitschrift verfassten. Short fungierte auch als Herausgeber der Vorträge einer Konferenz über ‚Film & Radio Propaganda in World War II‘12, und Taylor gab 9 Frances Thorpe/Nicholas Pronay mit Clive Coultass, British Official Films in the Second World War, a.a.O. und Marion Yass, This is Your War – Home Front Propaganda in the Second World War, London 1983, das Buch gibt eine Einführung in die Akten des Ministry of Information, die im Public Record Office lagern 10 Philip M. Taylor (Hrsg.), Britain and the Cinema in the Second World War, Basingstoke/London 1988, S. viii 11 Sue Harper, Picturing the Past – The Rise and Fall of the British Costume Film, London 1994 12 K.R.M. Short, Film & Radio Propaganda in World War II, London/Canberra 1983 9 die Konferenzergebnisse des Kongresses ‚Britain and the Cinema in the Second World War‘13 heraus. Richards und Aldgate haben gemeinsam zwei Bücher mit detaillierten Fallstudien zu einzelnen Spielfilmen verfasst: ‚Best of British – Cinema and Society 1930-1970‘ und ‚Britain Can Take It – The British Cinema in the Second World War‘14, die exemplarisch für die Produktion und die Rezeption einzelner Filme die Akten des Public Record Office, der Newsreel Association und des British Board of Film Censors benutzten. Was britische Veröffentlichungen über die Produktionsaktivitäten des Staates während des Zweiten Weltkriegs, die auf der Auswertung von offiziellen Dokumenten und Akten basiert, angeht, sind noch drei weitere Arbeiten zu nennen. Margaret Dickinson und Sarah Streets ‚Cinema and State – The Film Industry and the British Government 1927-84‘15 analysieren die ökonomischen Auswirkungen britischer Regierungspolitik gegenüber der Filmindustrie. Detailliert beschreiben sie das Zusammenspiel von privatwirtschaftlicher Filmindustrie und den Versuchen des Staatsapparates, dies zu reglementieren und zu kontrollieren. Paul Swann beschreibt in seinem ausgezeichnet recherchierten ‚The British Documentary Film Movement, 1926-1946‘16 die Probleme und Fragen, die entstehen, wenn sich der Staat auf die Eigenproduktion von Filmen einlässt und welcher Effekt diese staatlich geförderte Filmtradition während des Zweiten Weltkriegs hatte. Dai Vaughan17 liefert eine eigenwillige In- 13 Taylor (Hrsg.), Britain and the Cinema in the Second World War, a.a.O. Jeffrey Richards/Anthony Aldgate, Best of British – Cinema and Society 1930-1970, Oxford 1983 und Jeffrey Richards/Anthony Aldgate, Britain Can Take It – The British Cinema in the 2 Second World War, Oxford 1986; Edinburgh 1994 15 Margaret Dickinson/Sarah Street, Cinema and State – The Film Industry and the British Government 1927-84, London 1985 16 Paul Swann, The British Documentary Film Movement 1926-1946, Cambridge/New York/Melbourne 1989 17 Dai Vaughn, Portrait of an Invisible Man – The Working Life of Stewart McAllister, Film Editor, London 1983 14 10 terpretation der Produktionsakten der Films Division zu Filmen von Humphrey Jennings: hinter offiziellen Dokumenten macht er ein persönliches Schicksal lebendig, nämlich jenes von Jennings Cutter Stuart McAllister. Neben empirischen Filmhistorikern haben sich auch Filmtheoretiker mit dem Thema Filmpropaganda beschäftigt. Steve Neales Essay über Propaganda in ‚Screen‘, in dem er „theoretical bases for the specification of propaganda in the cinema“ legte,18 diente einer ganzen Reihe von Autoren als Ausgangspunkt ihrer Analysen. Neals Analyse des textuellen Systems und seiner Adressaten benutzt auch Annette Kuhn bei der Analyse von Desert Victory, um zu zeigen wie der Film einerseits den Zuschauer mit konkreten Bildern anspricht (die Schlacht von El Alamein) aber gleichzeitig auch den historischen Moment durch Bilder von „Britishness“ (wie Big Ben, Winston Churchill) transzendiert, wodurch er eine mythische nationale Identität fabriziert.19 Diese ‚Konstruktion nationaler Identität‘ durch Film war auch Thema anderer Autoren der Screen-Schule wie Christine Gledhill oder Andrew Higson, die alle einen Beitrag lieferten zu ‚National Fictions: World War Two in British Films and Televison‘20, einer Publikation, die anlässlich einer Summer School des British Film Institutes erschien. In Abgrenzung zu den genannten filmhistorischen und -theoretischen Analysen versteht sich die vorliegende Arbeit als Politik- und Sozialgeschichte staatlich geförderter und kontrollierter Filmpropaganda in Großbritannien zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Im Mittelpunkt steht die Films Division des Mi18 Steve Neal, Propaganda, in: Screen, Vol. 18, No. 3, Autumn 1977, S. 9-40 Annette Kuhn, Desert Victory and the People’s War, in: Screen, Vol. 22, No. 2, Summer 1981, S. 45-68 20 Geoff Hurd (Hrsg.), National Fictions: World War Two in British Films and Televison, London 1984. Die Aufsatzsammlung soll demonstrieren, „the extent to which the meanings accruing to a specific ‚event‘ or ‚period‘ (World War II) are constructed, hence subject to contestation, struggle, transformation and change.“ S. 73 19 11 nistry of Information, mittels derer man versuchte, Kontrolle über die gesamte Filmproduktion auszuüben. Die Arbeit unternimmt den Versuch, die von Dai Vaughn gewünschte „administrative history of Government film sponsorship in Britain“ zu schreiben, auch wenn Vaughn bereits auf die grundlegenden Schwierigkeiten eines solchen Projekts verwies: „Certainly the gaps in the record are so great as to make it doubtful whether an account of the administrative history of Government film sponsorship in Britain will ever be possible; and what survived seems to be a matter of pure chance (...).“21 Indem die Arbeit sich auf die Darstellung und Beschreibung der Eigenwilligkeiten und Eigenständigkeiten der Institution Ministry of Information und ihrer Films Division konzentriert und die Produktionsbedingungen der Filme beschreibt, wird versucht, die Entstehungsbedingungen und den Entstehungsprozess der Propagandaideen und -absichten, die in das Produkt „Film“ eingeflossen sind, nachvollziehbar zu machen. Dabei sind folgende Fragestellungen relevant: (1) Aus welchen Gründen und wie erfolgte die Eingliederung des Documentary Movements in die staatliche Produktionsmaschinerie? (2) Welchen Einfluss hatte die Politik mit ihren Propagandakonzepten auf die Arbeit der Films Division? (3) Wie sah die Film- und Propagandapolitik der Films Division aus und wie begründete sie ihren Produktionsauftrag? (4) Welche Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten hatte die Films Division im Verlauf des Produktionsprozesses? Welche Themen wurden ausge- 21 Vaughan, a.a.O., S. 150 12 wählt, welche wurden abgelehnt? Wer entschied nach welchen Gesichtspunkten? (5) Wie erfolgte die Einbindung der kommerziellen Filmwirtschaft und der Eingriff in die Marktstrukturen der privatwirtschaftlich organisierten Filmindustrie zur Erfüllung der Propagandaaufgaben? 13 2.2. Prelude to War: Politik / Propaganda / Film Die vorliegende Untersuchung versucht gegenseitige Abhängigkeiten aufzuzeigen, die in den späten dreißiger Jahren und während des Zweiten Weltkriegs zwischen dem britischen Staat und der Institution Kino bestanden. Dabei richtet sich das Augenmerk sowohl auf die Beziehung von Staat und „kommerzieller“ Filmproduktion, als auch auf die Beziehungen von Staatsapparat und der Praxis einer „independent“, einer nichtkommerziellen Filmproduktion. Sind bei der kommerziellen Filmproduktion Filme Waren, deren Produktionskosten und möglichen Profite auf dem Markt eingespielt werden müssen, definiert sich die „unabhängige“ Filmproduktion durch die Freiheit von diesem Zwang zur Profitrealisierung. Ziel des einen Produkts ist, Profite zu realisieren, der (Tausch)Wert des anderen besteht in der Möglichkeit der Beeinflussung seiner Zuschauer. „There is money for films which will make box-office profits, and there is money for films which will create propaganda results.“1 Beim System des ‚sponsorships‘ oder der Auftragsproduktion durch staatliche oder auch private Institutionen, wie z.B. die Shell Company, hatte der Auftraggeber ausschließlich an den Inhalten und Wirkungen des Produkts Film Interesse und nicht mehr an einem möglichen Profit, der mit der Ware Film realisiert werden konnte. 1 John Grierson, The E.M.B. Film Unit, in: Forsyth Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, London 1946, S. 97f 14 Für das Verständnis der Auseinandersetzung, die während des Krieges um die Politik und die Produkte der Films Division des Ministry of Information entbrannte, ist es wichtig die beiden Pole zu benennen, zwischen denen diese Auseinandersetzung stattfand; sie sind deshalb auch Leitlinien der Dissertation. Auf der einen Seite steht der Staatsapparat mit seinen administrativen, ideologischen und politischen Strukturen, der durch aktive Einflussnahme auf die Kommunikationsmittel Film, Presse und Rundfunk – durch Propaganda – Meinung und Moral der Bevölkerung beeinflussen wollte. Auf der anderen Seite steht das Objekt, dessen man sich als Mittel der Beeinflussung der öffentlichen Meinung bedienen will: die Institution Kino, insbesondere die kommerzielle Filmwirtschaft, die sich aber gegen jede politische Nutzung ihres Mediums vehement zur Wehr zu setzen weiß: „Exhibitors of this country have a well-understood rule that politics on the screen should be absolutely taboo (...) while the public pays for entertainment the man who lends his aid to any political propaganda is committing a direct breach of faith.“2 In der Mitte befindet sich eine Gruppe von Filmemachern, deren ideologische Begründung und die Praxis ihrer Arbeit durch das „creative treatment of reality“ bestimmt war. In ihrem Selbstverständnis von Film als Mittel zur Beeinflussung boten sich die Filmemacher des Documentary Movement als ideale Partner für die Umsetzung der Propagandaabsichten des Staates an. 2 Kinematograph Weekly, 22.1.1931, S. 35, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 11 15 Als exemplarisches Modell der Beeinflussung der Bevölkerung galt in den dreißiger Jahren die offizielle Filmpropaganda während des Ersten Weltkriegs. Sowohl der als erwiesen hingestellte Erfolg wie auch die Organisationsform und Praxis der Durchführung galten als selbstverständliche Basis aller Überlegungen der Planer des Ministry of Information des Zweiten Weltkriegs. Doch der Mythos, der sich um den Erfolg britischer Kriegspropaganda wie auch die Praxis staatlicher Filmpropaganda im Ersten Weltkrieg rankt, steht auf tönernen Füßen. Im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg war im Ersten Weltkrieg offizielle Propaganda der britischen Regierung bis zum Jahr 1917 ausschließlich auf die öffentliche Meinung außerhalb Großbritanniens gerichtet – Kriegspropaganda war damit die Verlängerung der Diplomatie aus Friedenszeiten. Erst durch die kriegsbedingte Verschlechterung der Situation an der Heimatfront, bedingt durch die Einführung der Wehrpflicht und dem sinkenden Lebensstandard des größten Teils der Bevölkerung, begann sich Kritik an der Kriegsführung breit zu machen. In der Folge kam es zu Arbeitskämpfen und Streiks. Diese innenpolitische Situation machte ein Umdenken in der Herangehensweise des Department of Information, das für Propagandapolitik zuständig war, notwendig. „In the present state of popular feeling I am very strongly of the opinion that it is necessary to do a considerable amount of propaganda in Britain itself (...) the need was never greater for instruction and encouragement.“3 3 Propaganda at Home, Memorandum by Director, Department of Information [John Buchan] to the Prime Minister [Lloyd George], 18.5.1917. PRO, CAB 24/13/GT774, zitiert nach: Nicholas Reeves, The Power of Film Propaganda – Myth or reality? In: Historical Journal of Film, Radio and Television, Vol. 13, No. 2, 1993, S. 187. Der Artikel ist eine Zusammenfassung der PhD thesis (1981) und des darauf basierenden Buches von Nicholas Reeves, Official British Film Propaganda During the First World War, London 1986. Für eine Geschichte der offiziellen britischen Kriegspropaganda, siehe: M.L. Sanders/Philip M. Taylor, British Propaganda During the First World War, London 1982 16 Ein National War Aims Committee (N.W.A.C.) wurde im August 1917 eingesetzt, das sich mit der Ausarbeitung einer Propagandapolitik für die Heimatfront beschäftigen sollte. Staatliche Filmpropaganda gab es überraschenderweise bereits anderthalb Jahre vor Einsetzung des National War Aims Committee. Der erste offizielle Film, Britain Prepared, ein Dokumentarfilm von fast vier Stunden Länge, kam Ende 1915 in die britischen Kinos. Sowohl das Department of Information als auch die Filmwirtschaft setzten alles daran, den Film zu einem politischen wie auch kommerziellen Erfolg zu machen. Politik des Department of Information war, den Verleih der in seinem Auftrag produzierten Filme den kommerziellen Verleihfirmen zu überlassen, welche die Filme den Kinos zu ihren Bedingungen zur kommerziellen Auswertung anboten. In den folgenden Monaten produzierte das War Office Cinematograph Committee, das als staatliche Agentur für die offizielle Filmproduktion verantwortlich war, eine Reihe von kürzeren Dokumentarfilmen, bis Mitte 1917 folgten drei spielfilmlange „Battle Films“4, die allesamt kommerzielle Erfolge wurden. Doch die Popularität und der Box-Office Appeal der faktischen „SchlachtenFilme“ hielt nur solange an, wie die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung andauerte. Mit dem Beginn der sozialen Unruhen änderte sich das abrupt. Die Propagandisten reagierten mit der Abkehr von der Politik der langen Dokumentarfilme, dessen Bildmaterial von den Kriegsberichterstattern des War Office stammten. Um das Material dieser Kameramänner effektiv zu nutzen, wurde eine „offizielle“ Wochenschau lanciert. Zu diesem Zweck wurde die einzige existierende britische Wochenschau, Topical Budget, aufgekauft und als Official War Office Topical Budget im Mai 1917 neu gestartet. Doch die neue 4 Battle of the Somme (Erstaufführung August 1916), Battle of the Ancre and the Advance of the Tanks (Erstaufführung Januar 1917) und The German Retreat and the Battle of Arras (Erstauffürung Juni 1917) 17 neue Wochenschau konnte nie mit den beiden etablierten Wochenschauen, der in französischen Besitz befindlichen Gaumont Graphic und der Pathé Gazette, erfolgreich kommerziell konkurrieren, trotz der exklusiven Nutzung der Bilder der Frontberichterstatter. Das Publikum schien sein Interesse an den dokumentarischen „official pictures“ verloren zu haben. Positive Berichterstattung in der Presse blieben genauso aus wie auch die Box-Office-Einnahmen rapide sanken.5 Doch das War Office Cinematograph Committee hielt weiterhin an der Politik des ‚Factual Films‘ als einzige Form filmischer Propaganda fest. Es versuchte lediglich, die (alten) Filme durch neuartige Aufführungsmethoden seinem Zielpublikum nahe zu bringen. Im Februar 1918 wurde eine „cinemotor“-Tour mit mobilen Projektionseinheiten ins Leben gerufen, welche die verschiedenen Wahlkreise bereiste. Doch mit dieser Initiative konnten zwar einige hunderttausend Menschen erreicht werden, aber nicht die Millionen regulärer Kinogänger. Die existierende Form offizieller Filmpropaganda kritisierten vor allem die Trade Papers der Filmwirtschaft. Schon 1917 wünschte man sich Filme, „(...) with the attractiveness and power of a war-story picture with human interest running through it and many visions of what is happening in connection with the war attractively introduced.“6 Das National War Aims Committee nahm bei der Formulierung seiner Politik diese Kritik bereitwillig auf, indem es der Produktion eines aufwendigen narrativen Spielfilms größte Priorität einräumte. Als das Department of Information im Februar 1918 in ein Ministry of Information überführt wurde, übernahm 5 Battle of the Somme und Battle of the Ancre hatten 1916 in drei Monaten fast soviel eingespielt (£ 65.000) wie alle offiziellen Filme von Januar 1917 bis Juni 1918 (£ 70.023) 6 Where is the British Patriotic Film? In: Kinematograp Weekly, 27.9.1917, S. 107, zitiert nach: Reeves, The Power of Film Propaganda – Myth or Reality? S. 196 18 dessen Cinematograph Department die Verantwortung für The National Film. Dieser Film sollte sowohl die deutsche Invasion Großbritanniens und die konkreten Auswirkungen für die Stadt Chester zeigen, wie auch Kritik üben an den unpatriotischen und destruktiven Streiks der unzufriedenen Bevölkerung. Produktionsschwierigkeiten verzögerten den teuersten staatlichen Film, der erst nach Kriegsende fertiggestellt wurde. Der Film wurde jedoch nie aufgeführt – die politische Situation hatte ihn obsolet gemacht. In den letzten Monaten des Krieges überdachte das neue Cinematograph Department des Ministry of Information seine Filmpolitik. Man wollte keine „offiziellen“ Filme mehr beauftragen, vielmehr favorisierte man eine diskrete Herangehensweise, welche die Provenienz eines Films dem Publikum gegenüber verschweigen sollte. Damit sollte der Widerwillen und die Ablehnung minimiert und umgangen werden, die sowohl von Seiten der Filmwirtschaft wie auch des Publikums gegenüber offiziellen Filmen bestanden. Das Ministry of Information hätte damit auch die Flexibilität, Filme mit weniger offensichtlichen Propagandaabsichten zu produzieren.7 Doch bevor diese Überlegungen, die auch für die Planer eines zukünftigen Ministry of Information hätten interessant sein können, implementiert werden konnten, war der Krieg zu Ende und das Ministry of Information als erstes der Kriegsministerien im Dezember 1918 aufgelöst. Der politische Erfolg britischer Filmpropaganda des Ersten Weltkriegs war mit dem Erfolg am Box-Office gekoppelt. Somit hatte offizielle Filmpropaganda nur dann Erfolg, solange die Menschen ins Kino gingen, um staatliche Dokumentarfilme zu sehen. Dies war solange der Fall, wie die Bevölkerung die Kriegsführung guthieß, und die Filme diese Einstellung unterstützen. Als sich 7 Ministry of Information, The Cinema. HLRO [House of Lords Record Office], Beaverbrook Papers Series 11, Ordner ‚Cinema Schemes‘, siehe auch: Reeves, The Power of Film Propaganda – Myth or Reality? S. 197 19 die politische Situation an der Heimatfront veränderte und Kriegsmüdigkeit und soziale Unzufriedenheit hervorbrachte, begann sich auch die Zustimmung zur offiziellen (Film)Propaganda der Regierung radikal zu verändern. Das Publikum für ‚Factual Films‘ blieb aus. Da der inhaltliche Erfolg von Filmpropaganda an den kommerziellen gebunden war, war mit dem Fernbleiben des Publikums auch die Politik des kommerziellen Verleihs offizieller Filme gescheitert. Doch sowohl dieser Fehlschlag staatlicher Filmpropaganda, wie auch die Erfahrung, dass die Propagandafilme nur einen geringen Einfluß auf die Moral der Bevölkerung hatten, geschweige denn, dass sie dazu beigetragen hätten, Menschen in ihrem Verhalten zu beeinflussen, wurde in der politischen Einschätzung der britischen Propagandabemühungen im Ersten Weltkrieg in den folgenden Jahren all zu oft ignoriert. Vorherrschend war und blieb die Einschätzung der ‚Times‘: „Good propaganda probably saved a year of war, and this meant the saving of thousands of millions of money and probably of at least a million lives.“8 Ein Resultat des Ersten Weltkriegs war auch, dass der Staat die Wirksamkeit moderner Public Relation-Methoden klar erkannt hatte und sie für seine Zwecke zu benutzen begann. Werbung für Politik, politische Öffentlichkeitsarbeit, bis dato eine Randerscheinung britischer Politik, begann jetzt grundlegende Strategie britischer Innenpolitik zu werden, „(...) the old policy of saying as little as possible to the public has proved inapplicable in the case of the newer, wider government and public utility enterprises, which have to make direct contact with the voter.“9 8 9 The Times, 31.10.1919 R.S. Lambert, Propaganda, London 1938, S. 102, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 2 20 Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, das Erstarken der Arbeiterbewegung und die hierdurch entstandene Notwendigkeit verstärkter Einflussnahme staatlicher Stellen und Ministerien auf den einzelnen Bürger zwangen die Politiker, der öffentlichen Meinung größeren Wert als zuvor beizumessen. Begriffe wie „general public“ und „public opinion“ rückten nicht nur in der Presse in den Vordergrund. „Today the state is always being called upon by Parliament to undertake new tasks of organization and to provide new services. At the same time Government has to win consent for its actions, and to secure assistance in carrying them out from a much greater electorate than even twenty years ago.“10 Auch die politischen Parteien begannen die Medien insbesondere auch Film als Vermittler ihrer Politik zu verwenden und strategisch im Wahlkampf einzusetzen. Es war vor allem die Conservative Party, die von der Effektivität filmischer Beeinflussung überzeugt war. „The enormous increase in the popularity of cinema particularly among the working classes, pointed the way early in 1927 to the cinema film as a method of placing our propaganda before the electorate.“11 Dieser Ausspruch von Joseph Ball, Mitglied des Conservative Central Office und von 1930-39 Direktor des Conservative Research Department zeigt, dass die (rechten) Politiker es am schnellsten verstanden haben, das Medium für ihre Zwecke einzusetzen. Da es nicht möglich war, Filme mit expliziter partei- 10 Stephen G. Tallents, Post Office Publicity, Post Office Green Papers No. 8, London 1934, S. 6, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 2 11 T.J. Hollins, The Presentation of Politics – The Place of Party Publicity, Broadcasting and Film in British Politics, 1918-1939, unveröffentlichte PhD Thesis, University of Leeds, 1981, S. 56f, zitiert nach: Stephen G. Jones, The British Labour Movement and Film, 1918-1939, London/New York 1987, S. 19. Siehe auch: T.J. Hollins, The Conservative Party and Film Propaganda Between the Wars, in: English Historical Review, Vol. 96, No. 379, 1981, S. 359-369 21 politischer Aussage in den Kinos zu zeigen, fand man Wege auch außerhalb der Kinos sein Publikum zu erreichen. Die Konservativen setzten ‚cinema vans‘ ein, mobile Projektionseinheiten, die mit eigens produzierten Filmen und öffentlichen Auftritten der Politiker Wahl- und Parteipropaganda vor Ort machten. Ball, ein ehemaliger Geheimdienstmajor, hatte die universellen Möglichkeiten der mobilen Projektionseinheiten erkannt. Wer sie benutzte und die richtigen Filme einzusetzen wusste, besaß eine exzellente Waffe im Kampf um die Beeinflussung der Massen. Warum er aber als erster Leiter der Films Division des Ministry of Information diese Möglichkeiten für seine Propagandaarbeit nicht aktiv nutzte, überrascht. Er hatte sich andere Prioritäten gesetzt. Mit der Unterstützung der existierenden Filmwirtschaft hatte Ball eher wirtschaftliche Interessen im Sinn als ein Interesse an Propagandaerfolgen durch Filme. Während seiner kurzen Amtszeit verhinderte er gerade diese Form der Präsentation von Filmen durch mobile Projektionseinheiten, die später als Teil der „Non-Theatrical-Distribution“ zu einem Standbein der Verleihpraxis des Ministry of Information werden sollte. Wichtigstes Vorbild britischer Öffentlichkeitsarbeit in den zwanziger Jahren war die Entwicklung in den USA, dokumentiert im einflussreichen Buch ‚Public Opinion‘ von Walter Lippmann, das 1922 erschien. „(...) the citizen finds that public affairs are in no convincing way his affairs. They are for the most part invisible, managed, if they are managed at all, at distant centres, from behind the scenes, by unnamed powers. As a private citizen he does not know for certain what is going on or who is doing it or where he is being carried. (...) In consequence (...) there is not the least reason for thinking, as mystical democracies have thought, that the compounding of individual ignorances in masses of people can produce a continuous directing force in public affairs.12 12 Walter Lippmann, zitiert nach: Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 204f 22 (...) In the absence of institutions and education by which the environment is so successfully reported that the realities of public life stand out sharply against self-centered opinion, the common interests very largely elude public opinion entirely, and can be managed only by a specialized class whose personal interest reach beyond the locality.“13 Lippmann kritisierte das vorherrschende Demokratieverständnis und entwarf ein klares Bild von den Grenzen der Erziehung, soweit sie auf „Wissen“ begründet war. Er kritisierte ein Erziehungsideal, das den allwissenden und vernünftigen Bürger zum Ziel hatte. Der Mann auf der Straße konnte kein „omnicompetent citizen“ sein, der die Komplexität und Kompliziertheit der modernen Welt zu erfassen vermochte. Für den gewöhnlichen Bürger gab es daher keine Teilnahme am politischen Leben. Dieses wird von Experten dominiert, die auch die Entscheidungen treffen. Die kritische Beschäftigung mit Lippmanns Analyse lieferte 1926 die ideologische Basis für die Gründung der größten Publicity-Organisation, die eine britische Regierung je in Friedenszeiten eingesetzt hatte: das Empire Marketing Board. Hinter der Einführung dieses Boards stand die Idee der effektiven ökonomischen Nutzung des ganzen britischen Empires.14 Vorbild war die Philosophie amerikanischer Werbeagenturen, die ihre Arbeit als ‚public service‘ verstanden. Erziehung der Öffentlichkeit, Public Education, wurde damit Grundlage der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, die einige Regierungsstellen und kommerzielle Institutionen Ende der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre zu betreiben begannen. 13 Walter Lippmann, zitiert nach: Richard Dyer MacCann, The People‘s Films – A Political History of U.S. Government Motion Pictures, New York 1973, S. 8 14 Großbritannien sollte der primäre Absatzmarkt für Waren aus den Kolonien und den Dominions sein, die im Gegenzug die Produkte des Vereinten Königreichs in ihren Ländern anboten. Neben Untersuchungen zur Qualitätsverbesserung von Empire-Produkten führte das Empire Marketing Board nationale und internationale Marktanalysen durch und organisierte umfangreiche Werbekampagnen für Produkte des Britischen Empire. Siehe auch: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 21-23 23 Um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, bediente man sich neben den Printmedien auch des Films. Das Empire Marketing Board, ein Ableger des Department of Overseas Trade, und die Travel and Industrial Developent Association waren die ersten staatlichen Institutionen, die dieses Medium aktiv für ihre Zwecke einsetzten. Der erste Geschäftsführer des Empire Marketing Board, Stephen Tallents15, war wegweisend für den Einsatz von Film für die Belange der Public Relations. So legte er den Grundstein für die legendäre britische Dokumentarfilmschule, indem er John Grierson als ersten Film Officer des E.M.B. anstellte. Unter Tallents Schirmherrschaft konnte sich das Documentary Movement unter der Ägide von John Grierson etablieren und entwickeln. Tallents war auch dafür verantwortlich, dass die E.M.B. Film Unit als Film Unit des General Post Office weitergeführt wurde, die für die britische Dokumentarfilmschule Rekrutierungs- und Ausbildungsstätte war. Tallents sollte auch für das zukünftige Ministry of Information eine wichtige Rolle spielen. Er wurde dessen Planungschef und erster Director General Designate. Tallents Wahl des Schotten John Grierson kam nicht überraschend. Grierson hatte in seinen drei Jahren als Rockefeller Foundation-Stipendiat 1924 bis 1927 die Entwicklungen in Werbung und Public Relations in den USA unmittelbar erlebt. Es war Walter Lippmann, der ihn veranlasste, Film als Massenbeeinflussungsmittel zu untersuchen.16 Grierson teilte Lippmanns Demokra- 15 Tallents war ein Pionier auf dem Feld der staatlichen Public Relations, zuerst als Chef des Empire Marketing Board und später als erster Public Relations Officer des Post Office und in der gleichen Funktion bei der B.B.C. Während seiner Zeit beim E.M.B. von 1928 bis 1933 machte er zum ersten mal deutlich, wie die Medien eingesetzt werden können, um offizielle Politik populär zu machen. Sein Büchlein ‚The Projection of England‘ lieferte 1932 Grund und Begründung für fast alle späteren staatlichen Aktivitäten in dieser Richtung und war wegbereitend für die Etablierung des British Council 16 Über Grierson und seine Auseinandersetzung mit Walter Lippmann, seinem Konzept von Public Opinion und Public Service, siehe: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O.; Ian Aitken, Film and Reform – John Grierson and the Documentary Film Movement, Routledge/London/New York 1990; Patrick Hörl, Film als Fenster zur Welt – Eine Untersu- 24 tiekritik und die damit verbundene Kritik an der bestehenden Form von Erziehung enthusiastisch: „We think that the theory of education itself is wrong, and that, in fact, it proceeds on an altogether false assumption. That false assumption is the mystical democratic assumption that the citizen can be so taught to understand what is going on about him that he and his fellows in the mass can, through the electoral and parliamentary process, give an educated and rational guidance to the conduct of the State.”17 Doch zog er aus Lippmanns Kritik andere Schlussfolgerungen. Als Pädagoge und Intellektueller mit missionarischem Sendungsbewusstsein wollte Grierson den Bürger, über den man eine elitäre Führungsrolle ausübte, über die Funktionsweise der Gesellschaft informieren und aufklären. Nur durch diese Form der Erziehung könnte der demokratische Staat überleben. „(...) we do want to see them [the citizens] given what they are not getting now: a service of information on the immediate needs and services of the State. We do want to see them given what they are not given now: a living sense of what is going on. If we do not want to see their rational minds set impossible tasks, we do want to see their sentiments and loyalities crystallised in forms which are useful to the people and to the State.“18 Im Film sah er das optimale Hilfsmittel, die Funktionsweise der Gesellschaft erklären und interpretieren zu können. „We thought that we (...) would meet Mr. Lippmann‘s criticism by providing a shorthand method for world observation. There are, we said, basic dramatic patterns in terms of civic relationship since all social problems are bound to involve a relationship between people and forces. Revelation of these dramatic patterns is a first essential in the process of modern education. (...) In short, we felt, that the dramatic pattern could convey a sense of growth and chung des filmtheoretischen Denkens von John Grierson, Konstanz 1996, hier besonders S. 399-420 17 John Grierson, Education and Total Effort, in: Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 204 18 John Grierson, Education and Total Effort, in: Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 206 25 movement and opposition, provide a grip on reality and secure a sense of action regarding it. (...) it was out of these considerations and this theory that the documentary film movement arose.“19 Gleichzeitig setzte auch die Entwicklung des Rundfunks in England neue Maßstäbe der Steuerung und Kontrolle eines populären Massenmediums. Dem Rundfunk wurde schon 1921 vom CID Imperial Communications SubCommittee eine „incalculable significance for political stability“20 zugeschrieben. Da man Northcliffs Zeitungsmonopol als abschreckendes Beispiel vor Augen hatte, hielt das Parlament es zum damaligen Zeitpunkt nicht für opportun, einen privatrechtlichen Rundfunk zu etablieren. Die British Broadcasting Corporation wurde als öffentlich-rechtliche Institution durch eine Royal Charter etabliert, die das alleinige Monopol über das Programmangebot besaß. Es entpuppte sich als Glücksfall, dass John Reith für die Entwicklung des britischen Rundfunks verantwortlich wurde. Seine politische Einstellung, die stark von der Idee des Public Service beeinflusst war, wie auch sein kalvinistischer Missionseifer, ließ ihn Rundfunk nicht nur als pures Unterhaltungsmedium verstehen, sondern mit dem neuen Medium auch einen besonderen Erziehungsauftrag verbinden: „I think it will be admitted by all, that to have exploited so great a scientific invention for the pursuit of entertainment alone would have been the prostitution of its powers and an insult to the character and intelligence of the people.“21 Durch den Einsatz des Rundfunks während des Generalstreiks von 1926 hatte Reith bewiesen, welche Macht das Radio der parlamentarischen Gewalt 19 John Grierson, Propaganda and Education, in: Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 220 20 Zitiert nach: Nicholas Pronay, Introduction, in: Pronay/Spring (Hrsg.), Propaganda, Politics and Film, a.a.O., S. 13 21 John Reith, zitiert nach: Asa Briggs, The History of Broadcasting, Vol. 1, Oxford 1961, S. 8 26 geben konnte, wenn man nur die Experten des Mediums unter strikter politischer Kontrolle hielt. Reith hatte die formale „Unabhängigkeit“ der B.B.C. gesichert, indem er Nachrichten unterdrücken ließ, welche die Regierung nicht veröffentlicht sehen wollte. „The vaunted independance of the B.B.C. was secure as long as it was not exercised.“22 Er hatte aber dennoch zu verhindern gewusst, dass Churchill sich während des Generalstreiks der B.B.C. als Agitationsmediums bediente. Es war nur logisch, dass unter diesen Voraussetzungen Reith zum Hauptberater in Fragen staatlicher Propagandaarbeit wurde. Man bot ihm nicht nur die Planung des zukünftigen Informationsministeriums an, sondern ging auch davon aus, dass die Informations- und Propagandastrukturen der zukünftigen Institution nach dem Modell der B.B.C. gestaltet werden sollten. Es war das von Reith für den B.B.C. entwickelte Konzept der „propaganda with truth“ mit „news as the shocktroops of propaganda“, das sich als politische Grundidee des Ministry of Information nach zweijährigen Kompetenz- und Selbstverständnisproblemen ab 1941 durchzusetzen begann. „National propaganda“ mit Hilfe von Filmen wurde seit Mitte der zwanziger Jahre allgemein als wünschenswert und wichtig angesehen. Es gab aber dennoch keinen Versuch von Seiten des Staatsapparates eine Kontrolle und damit auch Einfluss über die nationale Filmproduktion und den -verleih auszuüben. Geriet das neue Massenmedium Rundfunk aufgrund seiner politischen Signifikanz schon kurz nach seiner Einführung unter die Kontrolle des Staatsapparates, so ließ sich das mit dem Massenmedium Kino nicht mehr bewerkstelli22 A.J.P. Taylor, English History 1914-1945, Harmondsworth 1970, S. 314 27 gen. Als man Mitte der zwanziger Jahre Film als das einflussreichste Massenkommunikationsmittel zu begreifen und sich Gedanken über staatliche Filmaktivitäten zu machen begann, war die Einführung einer verstärkten öffentlichen Kontrolle über die Filmproduktion oder gar eine Nutzung des Films im nationalen Interesse ein aussichtsloses Unterfangen. Seit Mitte der zwanziger Jahre war die britische Spielfilmindustrie fast vollständig von amerikanischen Interessen und Einfluss dominiert. Knapp 95 Prozent aller Filme, die in Großbritannien gezeigt wurden, stammten aus Hollywood. Großbritannien war international die größte Einnahmequelle für die amerikanische Filmindustrie, die allein 35 Prozent ihrer internationalen Profite aus Großbritannien bezog. Die Verleihfirmen der acht amerikanischen Majors dominierten in den zwanziger Jahren den britischen Markt, auf dem nur zwei britische Verleihfirmen versuchten zu konkurrieren.23 Durch das System der Blind- und Blockbuchung war auch der einzige nationale Bereich der britischen Filmindustrie, die Kinobesitzer, von den amerikanischen Verleihfirmen abhängig. Die seit Beginn der zwanziger Jahre geführte öffentliche Diskussion über die Abhängigkeit der britischen Filmindustrie von den Amerikanern führte letztendlich zur Einführung des Cinematograph Films Act von 1927, dem ersten staatlichen Versuch, die Wettbewerbssituation britischer Filmproduzenten durch Einführung wirtschaftlicher Protektionen zu verbessern.24 Das Gesetz verpflichtete Verleiher und Kinobesitzer während seiner zehnjährigen Gel- 23 Diese waren die Gaumont-British Company, aus der nach Einführung des Cinematograph Films Act die Gaumont-British Picture Corporation (G.B.P.C.) werden sollte und FirstNational Pathé, die 1928 mit anderen Gesellschaften in die Associated British Cinemas (A.B.C.) aufgehen sollte, aus der 1933 die Associated British Picture Corporation (A.B.P.C) wurden 24 Siehe: Dickinson/Street, Cinema and State, a.a.O. S. 5-102 28 tungsdauer, einen jährlich wachsenden Anteil an britischen Filmen zu verleihen (Renters‘ Quota) oder vorzuführen (Exhibitors‘ Quota). Um die Blindbuchung von Filmen zu verhindern, bei der Filme gebucht werden mussten, die zum Teil noch nicht einmal produziert worden waren, durften zukünftig Filme nur noch verliehen werden, die bereits in einer „trade show“ gezeigt worden waren. Die Quota-Systeme hatten positive Auswirkungen auf die britische Filmproduktion der kommenden Jahre. Die Zahl der „britischen“ Produktionen stieg um mehr als das Doppelte, so von 78 registrierten Filmen im Jahr 1928 auf 215 im Jahre 1936. Doch die Zahlen täuschen. Die meisten der britischen Produktionen waren billige „quota quickies“, auch „pound-a-footer“ genannt, Filme, die so billig, wie es das Gesetz erlaubte, produziert worden waren, um die rechtlichen Obliegenheiten der Verleiher und Kinobesitzer zu erfüllen. Sie wurden meistens als B-Film zusammen mit einer zugkräftigen und teuren amerikanischen Produktion innerhalb eines Double-Feature Programms eingesetzt. Dieses Doppelangebot innerhalb einer einzigen Vorstellung hatten die großen Verleiher zu Beginn der dreißiger Jahre eingeführt und es hatte auch während des Krieges Bestand. Im Rahmen einer Vorstellung blieb neben der Wochenschau nicht mehr viel Platz für andere Filme. Dies hatte zur Folge, dass im Verlauf der dreißiger Jahre Kurz- und Dokumentarfilme aus den Kinos fast vollkommen verschwanden.25 Dokumentarfilme waren zudem noch weiter benachteiligt, da 25 Der Films Act von 1927 bot darüber hinaus noch eine weitere Möglichkeit, britische Kurzfilme aus den Kinovorführungen zu verdrängen. Das Gesetz hatte Quotas für alle Filme eingeführt, sprach aber im Detail nur von Langfilmen, ohne den Kurzfilm besonders zu erwähnen. Durch das Quota für „alle Filme“ war es den Verleihern und Kinobesitzern damit legal möglich, die Vorführungen von ausländischen Kurzfilmen durch britische Langfilme zu kompensieren. Angesichts fehlender Abspielmöglichkeiten hatte dies zur Folge, dass die Produktion britischer Kurzfilme um fast zwei Drittel zurückging 29 sie nicht zu Quota-Zwecken herangezogen werden konnten.26 Eine Vorführung britischer Dokumentarfilme konnte somit nicht gegen amerikanische Filme aufgerechnet werden, was für einen Verleiher und Kinobesitzer nicht gerade den Anreiz erhöhte, diese Filme zu zeigen. Dienten die Maßnahmen des Filmgesetzes von 1927 ausschließlich dem Schutz und der Förderung der britischen Filmindustrie, waren die vorangegangenen Diskussionen viel stärker auch von inhaltlichen und ideologischen Gesichtspunkten geprägt. Neben der Filmindustrie fürchtete auch die britische Wirtschaft und der Handel einen negativen Einfluss der amerikanischen Filme auf ihre Marktsituation bedingt durch deren indirekte Propaganda. Das Diktum des Prince von Wales „trade follows the film“ wurde ein häufig zitierter Satz in den Diskussionen der zwanziger Jahre. Die amerikanische Dominanz und ihr Einfluss auf britische Kultur und nationale Tugenden beunruhigte, und folgerichtig verlangte man nach Schutz. Die Kampagnen zum Schutze der britischen Filmindustrie hatten aber auch noch einen anderen Effekt. Sie sensibilisierten die herrschende Elite für die dem Film inhärenten Möglichkeiten der Beeinflussung. Man erkannte plötzlich den ungeheuren Einfluss, den Filme auf jene Teile der Bevölkerung haben konnten, die sich nicht traditionellen Formen der politischen Kommunikation bedienten. Film sprach eine universelle Sprache, die stärker als das geschriebene oder gesprochene Wort war. Bei den Planungen für den Cinematograph Films Act von 1938, der das Gesetz von 1927 fortschreiben sollte, fanden diese Überlegungen Aufnahme in den Bericht des Moyne-Komitees: 26 Der Films Act von 1927 schloss Filme von der Registrierung aus, die Nachrichten oder aktuelle Ereignisse zeigten. Natur- und Tierfilme fielen ebenso darunter, wie wissenschaftliche Filme und Filme, die einen Industrie- oder Fertigungsprozess zeigten. Damit waren fast alle Dokumentarfilme ausgeschlossen 30 „The cinematograph film is today one of the most widely used means for the amusement of the public at large. It is also undoubtedly a most important factor in the education of all classes of the community, in the spread of national culture and in presenting ideas and customs to the world. Its potentialities moreover in shaping the ideas of the very large numbers to whom it appeals are almost unlimited. The propaganda value of the film cannot be over-emphasised.“27 Doch in der Praxis hatte die staatliche Einflussnahme auf die einheimische Filmindustrie noch wenig mit dem Film als einem „erzieherischen und kulturellen Medium“ zu tun. Kulturelle Argumente halfen zwar, die Sanktionen der Quota-Gesetze zu rechtfertigen, die Reglementierungen hatten aber ausschließlich Wirtschaftsförderungscharakter. Federführung und Kontrolle über das Gesetz lagen beim Board of Trade, dem Wirtschaftsministerium. Die Empfehlungen des Moyne-Komitees zur Korrektur der Lücken und Fehler des alten Gesetzes fanden nur teilweise Eingang in die neue Gesetzgebung von 1938. Das Quota für Langfilme wurde durch ein Quota für Kurzfilme ergänzt. Man führte, um die „Quota Quickies“ zu verhindern, lediglich einen Kostentest28 und keinen Qualitätstest für Langfilme ein, und entsprach damit nicht den Vorschlägen des Moyne-Komitees. Der neueingesetzte Cinematograph Films Council, der das Cinematograph Films Advisory Committee ablöste, blieb auch weiterhin nur beratendes Gremium, die Kontrolle des Gesetzes oblag dem Board of Trade.29 27 Report of a Committee Appointed by the Board of Trade to Consider the Position of British Films, London 1936, S. 4 28 Der „cost test“ sollte sicherstellen, dass die Produktionskosten eines Films nicht unter ein bestimmtes Minimum sanken, während der Qualitätstest „be concerned normally only with the entertainment value and general merits of the film.“ Report of a Committee Appointed by the Board of Trade to Consider the Position of British Films, a.a.O., S. 21 29 Siehe: Political & Economic Planning (PEP), The British Film Industry – A Report on Its History and Present Organisation, With Special Reference to the Economic Problems of British Feature Film Production, London 1952 31 Die Intention der beiden Filmgesetze war, eine starke und unabhängige nationale Filmindustrie aufzubauen. Dank der beiden Gesetze konnte der Grundstein für eine inhaltlich wie wirtschaftlich eigenständige britische Filmindustrie gelegt werden; aber die Hoffnung, sich dem Einfluss der Amerikaner, wenn auch nur teilweise zu entziehen, erfüllte sich nicht. Die Gesetzgebung von 1927 löste vor allem auf dem Produktionssektor einen Boom aus. Es verdoppelte sich nicht nur die Zahl der jährlich produzierten britischen Filme, parallel dazu stieg auch die Studiokapazität. Gab es 1928 nur 19 Studiohallen hatte sich die Zahl im Jahr 1938 auf 70 Sound Stages erhöht. Die Quota-Regulierungen gaben den Filmproduzenten eine Garantie, ihr Produkt verkaufen zu können und damit auch den Banken eine relative Sicherheit der Refinanzierung ihrer Kredite. Der internationale Erfolg von The Private Life of Henry VIII, einer extravaganten Ausstattungsproduktion, löste eine durch Kredite finanzierte Überinvestition in teure britische „Qualitäts“-Produktionen aus. Doch anders als die Amerikaner, die für ihre Produkte auf internationale Abspielmärkte zurückgreifen konnten, gab es für britische Filme keinen Weltmarkt. Auch wurden nur wenige Filme in den USA verliehen. Als 1937/38 die Finanziers die Profitabilität von teuren Filmproduktionen in Frage zu stellen begannen und ihre Unterstützung zurückzogen, war die Krise unumgänglich. In nur einem Jahr sank die Zahl der in Großbritannien produzierten Filme um mehr als die Hälfte, ebenso drastisch reduzierte sich die Auslastung der Studios. Die Krise forcierte vor allem auch den vertikalen Monopolisierungsprozess der britischen Filmindustrie, und verstärkte damit die durch das Filmgesetz von 1927 ausgelösten Monopolisierungstendenzen der Branche.30 30 1939 lagen über fünfzig Prozent der Studiokapazitäten in den Händen von drei britischen Monopolen. Die General Cinema Finance Corporation (G.C.F.C.) unter der Leitung von Arthur Rank besaß die Denham, Pinewood und Amalgamated Studios; die Associated British 32 Der Krieg bremste diesen vertikalen Integrations- und Monopolisierungsprozess nicht, auch wenn die britische Regierung der nationalen Filmindustrie einschneidende Maßnahmen zumutete. Fast zwei Drittel aller beschäftigten Männer in der Filmbranche wurden eingezogen und über die Hälfte der Studios wurden für Lagerzwecke oder kriegsbedingte Produktion requiriert, wodurch sich zwischen 1939 und 1942 die Zahl der Studios von 22 (mit 65 Sound Stages) auf 9 (mit 30 Sound Stages) reduzierte. Pinewood, Elstree, Sound City und Amalgamated mit jeweils sieben Hallen standen für die Spielfilmproduktion nicht mehr zur Verfügung. Die Filmbranche musste erhöhte Steuern verkraften, sowohl die Excess Profits Tax als auch die während des Krieges dreimal erhöhte Vergnügungssteuer, die zuletzt 36% der Bruttoeinnahmen der Kinobetreiber aufzehrte. Die nationale Spielfilmproduktion fiel von 103 Filmen im Jahr 1939 auf 60 bis 70 Filme pro Kriegsjahr. Der Reduzierung des Filmangebots – gegenüber dem Vergleichsjahr 1939, in dem 638 Spielfilme registriert wurden, waren es in den folgenden Jahren jährlich fast 150 Filme weniger – konterten die Verleiher und auch die Kinos durch weniger häufige Programmwechsel, Wiederaufführungen alter Filme und eine längere Auswertungszeit neuer Filme. Dadurch blieb die Zahl der Vorführungen trotz einer geringeren Anzahl von Filmen gegenüber den Vorkriegsjahren konstant.31 Picture Corporation (A.B.P.C.) Studios in Welwyn und Elstree; die Gaumont-British-Gruppe Studios in Shepard‘s Bush und Islington. Zwei der Gruppierungen unterhielten eigene Verleihunternehmungen, die es mit den sechs amerikanischen „major“-Verleihern an Größe aufnehmen konnten (G.C.F.C. die Firma General Film Distributor [G.F.D.] und die A.B.P.C.Gruppe). Alle drei verfügten mit jeweils mehr als 300 Kinos zusammen über mehr als 20 Prozent aller Kinos in Großbritannien. Siehe: Political & Economic Planning, The British Film Industry, a.a.O., S. 55-80 31 „Although the variety in cinema programmes was (...) reduced, there was practically no falling-off in the actual gross footage of film exhibited throughout the country. For long films this was 41,646 million feet in 1938-9 and 41,084 million in 1942-3.“ In: Political & Economic Planning, The British Film Industry, a.a.O., S. 82 33 Zu Kriegsbeginn gab es in Großbritannien mehr als 4.800 Kinos. Auch wenn eine ganze Anzahl durch Bombenschäden oder durch Einberufung der Mitarbeiter schließen mussten, sank die Zahl in den folgenden sechs Jahren nie unter 4.400. Während des Zweiten Weltkriegs blieb der Kinobesuch vor allem für die Arbeiterklasse und die untere Mittelschicht ebenso ein „essential social habit“ wie in den dreißiger Jahren. Auch wenn die Regierung bei Kriegsausbruch alle Filmtheater, Theater und Sportstadien für kurze Zeit schließen ließ, tat das der Popularität des Kinos keinerlei Abbruch. Die Kinos profitierten von dem reduzierten Angebot anderer Unterhaltungsformen und „going to the pictures“ wurde während des Krieges „far and away the most popular entertainment“. Weder erhöhte Eintrittspreise noch die Reduzierung des Filmangebots hatte negative Auswirkungen auf die Box-Office Einnahmen. Die wöchentliche durchschnittliche Besucherzahl stieg von 19 Millionen im Jahr 1939 auf über 30 Millionen im Jahr 1945. Während des gleichen Zeitraums verdreifachten sich die Box-Office Einnahmen. Das Kino erreichte mehr Menschen als jedes andere Medium visueller Kommunikation, wie eine Besucheranalyse im Auftrag des Ministry of Information aus dem Jahre 1943 belegte: „The cinema is able to reach large sections of the population which are less accessible by other publicity media. (...) In general it may be said that the larger groups of the population are relatively better represented in the cinema audience than they are in the publics reached by other visual publicity media such as newspapers and books.“32 32 Wartime Social Survey, The Cinema Audience – An Inquiry Made by the Wartime Social Survey for the Ministry of Information by Louis Moss and Kathleen Box (Juni-Juli 1943), abgedruckt in: J.P. Mayer, British Cinemas and Their Audiences – Sociological Studies, London 1948, S. 252 34 Auch wenn während des Krieges die britische Filmindustrie die Vorherrschaft amerikanischer Filme nie ernsthaft gefährden konnte – 80 Prozent des Filmangebots kam weiterhin aus Hollywood – genoss das britische Kino zwischen 1939 und 1945 eine Art goldenes Zeitalter. Neben dem großen Publikumszuspruch anerkannte auch die Kritik und die Filmbranche die enorme Qualitätsverbesserung einheimischer Filme, die zum erstenmal auch an der Kinokasse erfolgreich mit amerikanischen Produkten konkurrieren konnten. „(...) whereas large sections of the public stayed away from the cinema 15 years ago rather than see a British film, in 1945 they went to a picture for the reason that it was British.“33 „Indeed it was the success of the new ‚national‘ treatment, influenced as is was by the documentary tradition, which gave British films a propaganda importance as well as a high entertainment value.“34 In diesem Statement aus dem Jahr 1945 werden in aller Selbstverständlichkeit Begriffe wie „national treatment“, „propaganda importance“ und „documentary tradition“ verwendet, die zwanzig Jahre zuvor weder bekannt waren noch von den Inhalten her wünschenswert gewesen wären. In die Diskussion gebracht hatte diese Begriffe eine Gruppe von Filmemachern, die die Kunst des „purposive filmmaking“ praktizierten und die unter dem von ihnen gewählten Namen als Documentary Movement bekannt wurden. Es war John Grierson der diese Gruppe formte und zusammenhielt, bestehend aus einer Schar von „keen, talented, highly educated and socially conscious upper-middle-class youngsters, (...) artists by inclination but schooled by Grierson to remember that they were also public servants.“35 33 M. Epstein (Hrsg.), The Annual Register, 1945, London, 1946, S. 341, zitiert nach: Taylor (Hrsg.), Britain and the Cinema in the Second World War, a.a.O., S. 6 34 Political & Economic Planning, The British Film Industry, a.a.O., S. 85 35 Rachael Low, The History of the British Film 1929-1939 – Documentary and Educational Films of the 1930s, London/Boston/Sydney 1979, S. 48 35 Zum festen Kern des Documentary Movement gehörten Basil Wright, Arthur Elton, Edgar Anstey, Stuart Legg und die Taylor Brüder John und Donald. Paul Rotha gehörte nicht direkt dazu, akzeptierte aber Griersons ideologischen und ästhetischen Hegemonieanspruch. Einige Mitglieder waren von Griersons Politik überzeugt, wollten sich aber seiner Autorität nicht unterordnen. Dazu gehörten Alberto Cavalcanti, Harry Watt und Humphrey Jennings. Auch wenn nicht alle Filmemacher des Documentary Movement auf die Politik von Grierson eingeschworen waren, akzeptierten sie seine Rolle als Lehrer sowie bester Propagandist der Gruppierung. Der Zusammenhalt als Gruppe war auch durch die Tatsache bestimmt, dass seine Mitglieder allesamt außerhalb der kommerziellen Filmindustrie arbeiteten. Dass der zweite Film des Empire Marketing Boards nach Drifters, der Spielfilm One Family unter der Regie von Walter Creighton in den Kinos ein finanzielles Desaster wurde, wirkte sich positiv auf die Entwicklung des Dokumentarfilms aus. Denn die Spielfilmproduktion verschlang den Filmetat des Empire Marketing Boards für drei Jahre und wurde darüber hinaus noch von den kommerziellen Verleihern ignoriert. Auch aus dieser Erfahrung wählte Grierson als filmische Umsetzungsform für seine Ideen den Dokumentarfilm, der kostengünstig zu produzieren war und für deren Vertrieb man auch Wege außerhalb des kommerziellen Verleihs finden konnte. Grierson hat den Begriff Dokumentarfilm zwar nicht erfunden, benutzte ihn aber für seine Zwecke als erster. „The choice of documentary was made partly on personal grounds and partly on grounds of common financial sense. A Government department cannot, like the commercial gamblers, take a rap: or at least its powers of resistance are keyed only to the very smallest raps. (...) Documentary is cheap: it is on all considerations of public accountancy, safe. If it fails for the theatres it may, by manipulation, be accommodated nontheatrically in one of half a dozens ways. Moreover, by reason of its 36 cheapness, it permits a maximum amount of production and a maximum amount of directorial training against the future, on a limited sum. It even permits the building of an entire production and distribution machine for the price of a single theatrical. (...) The fact that documentary was the genre most likely to bring method and imagination into such day-to-day subjects as we dealt with was, of course, a final argument.“36 Als das Empire Marketing Board 1933 aufgelöst wurde, wechselte Stephen Tallents zum Post Office als deren erster Public Relations Officer. Ein Jahr zuvor hatte Tallents in einer einflussreichen Broschüre „The Projection of England“ Vorschläge und Regeln für die Durchführung nationaler Propaganda aufgestellt. Durch Griersons persönlichen Einfluss und durch Tallents Überzeugung von der Effizienz filmischer Werbung konnte die E.M.B. Film Unit vor der Auflösung bewahrt werden. Bei seinem Wechsel zum General Post Office nahm Tallents die gesamte Unit mit. Unter Tallents Leitung entwickelte sich das Post Office zu der Autorität in Sachen Public Relations, besonders durch den Einsatz des Mediums Film. Als G.P.O. Film Unit wurde die ehemalige E.M.B. Film Unit zum entscheidenden Ort einer nichtkommerziellen, einer „independent“, Filmproduktion. Grierson beschrieb die Arbeit der Film Units und die Absicht der Dokumentarfilmer in unzähligen Artikeln und Vorträgen und lieferte damit die öffentliche Begründung der Dokumentarfilmbewegung. Seine Definition des Dokumentarfilms als „the creative treatment of actuality“37, und das in den „First Principles of Documentary“ niedergelegte Manifest bildeten das Credo der von ihm begründeten Dokumentarfilmschule. 36 John Grierson, The E.M.B. Film Unit, in: Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 100 37 Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 11 37 „(1) We believe that the cinema‘s capacity for getting around, for observing and selecting from life itself, can be exploited in a new and vital art form. (...) Documentary would photograph the living scene and the living story. (2) We believe that the original (or native) actor, and the original (or native) scene, are better guides to a screen interpretation of the modern world. (...) (3) We believe that the materials and the stories thus taken from the raw can be finer (more real in the philosophic sense) than the acted article.“38 In den vielen Artikeln Griersons herrscht aber große Konfusion, was ästhetische Begrifflichkeiten und Konzeptionen angeht. Begriffe wie Naturalismus, Realismus, Aktualität, Dokumentarität (documentary) werden häufig gleichberechtigt und austauschbar in ihrer Bedeutung gebraucht. Überraschend war dies nicht, dienten diese Artikel doch nicht dazu, ästhetische Fragestellungen zu klären, sondern vielmehr die Begründung für eine bestimmte Filmpraxis zu geben. Im gleichen Maße wie Grierson ästhetische Kategorien eher unscharf gebrauchte, benutzte er zur Definition von Zweck und Aufgabe des Dokumentarfilms ebenso beliebig Begriffe wie Information, Propaganda, Erziehung und Public Relation. Dieselben Unschärfen und eine ähnliche Austauschbarkeit der Begriffe tauchten später auch bei der Definition nicht nur der Filmpolitik des Ministry of Information auf. „Government propaganda has never been challenged when it has been a question of propaganda for foreign markets or propaganda in support of a country‘s diplomacy. Even more importantly, it has never been seriously challenged when there was a true understanding of what propaganda should be. When it has proceeded on lines of explanation and elucidation and understanding, and when is has had the good sense to strike beyond party differences to the deeper loyalties of civic understanding and civic cooperation, parliaments and congresses have not failed to vote its funds and accept it for what it is: education in a world where the State is the instrument of the public‘s enterprise.“39 38 John Grierson, First Principles of Documentary, in: Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 80 39 John Grierson, Propaganda and Education, in: Hardy (Hrsg.), Grierson on Documentary, a.a.O., S. 216 38 Grierson benutzte die verschiedenen Konzepte der Information, Propaganda, Erziehung und Public Relation gegenüber seinen staatlichen und öffentlichen Geldgebern immer mit besonderer Betonung der sozialen und erzieherischen Absichten der Filme. Da es nur wenig bis gar kein Geld für freie Produktionen gab, blieben nur zwei Quellen zur Finanzierung übrig: die Filmindustrie „for films which will make box-office profits“ oder die Unterstützung durch staatliche Institutionen „for films which will create propaganda results“. In den dreißiger Jahren konzentrierte sich die staatliche Unterstützung (sponsorship) von „nichtkommerziellen“ Filmproduktionen ausschließlich auf die Finanzierung der E.M.B. und G.P.O. Film Units. Filmprojekte außerhalb dieser Units erhielten keine staatliche Unterstützung und waren vollkommen auf privates Kapital angewiesen. Die Aktivitäten beider staatlichen Film Units waren in die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung eingebettet und wurden daher letztendlich von den Anforderungen/Bedürfnissen staatlicher Propaganda geleitet. Diese Propagandaaufgaben blieben Grundlage und Begründung ihrer Arbeit und wurden auch von den Mitgliedern der Units nie ernsthaft hinterfragt: „(...) the Notion of State propaganda was unproblematic for the documentary movement since it worked within the context of a conception – embodied in its rationale – of the State as a benevolent mediator of a mass political democracy.“40 40 Annette Kuhn, ‚Independent‘ Film-making and the State in the 1930s, in: Edinburgh ‘77 Magazine, No. 2, History/Production/Memory, Edinburgh 1977, S. 45. Die Finanzierung des Film Unit Systems war eine institutionalisierte Form von ‚corporate sponsorship‘. Der Staat als alleiniger Sponsor agierte als Produzent (und nicht als Schirmherr). Die direkten Mitarbeiter der Film Units waren Angestellte im öffentlichen Dienst. Als Filmemacher waren sie daher nicht dafür verantwortlich, das Produkt ihrer Arbeit verkaufen zu müssen, einen Verleih zu finden oder zu organisieren oder mit den Kinos um Aufführungen zu verhandeln, da alle Nutzungsrechte ausschließlich beim Produzenten, dem Staatsapparat, lagen. Was die Arbeitsorganisation und die Inhalte der Filme anging, besaßen die Film Units erhebliche Autonomie. Der Sponsor hatte nur geringe Kontrollmöglichkeiten bei Produktionsentscheidungen. Dies war unter anderem durch das System des „contracting out“ bestimmt, bei dem der operative Teil der Produktion durch kommerzielle Firmen exekutiert wurde, während die „kreative“ Seite bei den Mitarbeitern der staatlichen Film Units lag. Eine direkte Einflussnahme der Geldgeber, der Treasury oder der Finance Division des Post Office, auf die Aktivi- 39 täten der Film Unit war damit erheblich minimiert. Dieses System hatte bis zur Eingliederung der G.P.O. Film Unit in das Ministry of Information Bestand 40 3. Die Films Division des Ministry of Information 3.1. Into the Blue: Planung für ein Ministry of Information und eine Films Division Es gab wohl keine staatliche britische Institution, die so vehementer Kritik und beißendem Spott ausgesetzt war, wie das Ministry of Information zu Beginn des Krieges, als Planungsdefizite, Inkompetenzen der Mitarbeiter und fehlende Konzepte für eine Propagandaarbeit die Arbeit des Ministeriums in einem milden Chaos enden ließen. Ein Ministerium, das die Bevölkerung informieren und dessen Moral unterstützen sollte, wurde ein „Ministry of Dis-Information“ und ein „Ministry of Muddle.“1 Auch wenn das Ministry of Information im Verlauf des Krieges immer effektiver arbeitete und seine Aufgaben zur Zufriedenheit erfüllte, blieb die Kritik der ersten Monate bis zuletzt an ihm hängen. Die Kritik, die dem ganzen Ministerium galt, traf im Einzelfall auch die Films Division. Doch genauso wie die Kritik am Ministry of Information im Verlauf des Krieges immer mehr verstummte, unterblieben auch die Angriffe auf die Films Division. Die folgenden zwei Kapitel beschreiben die Organisationsstruktur des Ministry of Information und der Films Division sowie die Veränderungen, die sie wäh- 1 Kenneth Clark, der zweite Leiter der Films Division, gibt in seinen Memoiren, The Other Half – A Self Portrait, London 1977, S. 9-10, eine ironische Selbsteinschätzung der Fehler der ersten Monate des Ministry of Information: „For anyone with my background there was an obvious source of employment, the so-called Ministry of Information. This notorious institution had been put together rather hastily when the threat of war could no longer be ignored, and housed in an enormous modern building, fortunately very solid, the Senate House of London University. It was said to contain 999 employees (...). Most of the 999 consisted of an uneasy mixture of so-called intellectuals, ex-journalists and advertising men, ex-politicians and discarded éminences grises. In this undirected orchestra it was necessary for each man to blow his own trumpet as loudly as he could“ 41 rend des Krieges erfuhren. Gleichzeitig wird der Weg nachgezeichnet, der zum Wandel in der Beurteilung des Ministeriums und dessen Abteilung geführt hatte. Dabei soll dargelegt werden, welches Konzept hinter den Überlegungen der Planer stand und was realisiert werden konnte. Der Frage, welchen Stellenwert bei diesen Überlegungen der Einsatz von Film hatte, steht dabei im Vordergrund. Dabei interessiert vor allem die Beteiligung und Eingliederung der nichtkommerziellen, der „unabhängigen“ Filmproduktion in der Form des Documentary Movements in die staatliche Propagandaarbeit mit Film. Die Planungen für ein künftiges Ministry of Information waren eine Reaktion auf die Möglichkeit eines erneuten Krieges mit Deutschland. Hitlers Machtübernahme und das Scheitern der internationalen Abrüstungskonferenz im Jahre 1934 rückte einen Krieg in greifbare Nähe. Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, begann die englische Regierung bereits 1934 erste Pläne für ein Ministry of Infromation aufzustellen. Die Erkenntnis, dass ein Krieg mit Deutschland nicht auf fernen Schlachtfeldern, sondern durch die feindlichen Luftangriffe im eigenen Land geführt würde, ließ das Verteidigungsministerium darüber nachdenken, wie eine solche Katastrophe zu verhindern sei. Die strategische Planung des Committee of Imperial Defence ging von der Hypothese aus, dass die Kampfhandlungen zu Lande an der Maginot-Linie endeten, und es in Folge zu einem intensiven Austausch von Luftbombardements kommen würde. Und man glaubte, dass diejenige Seite verlieren würde, deren Moral als erstes zusammenbräche. Das Committee of Imperial Defence entwarf Pläne für die Massenevakuierung von Städten, für den Schutz von Zivilisten, für psychologische Hilfemaßnah- 42 men für Bombenopfer und für die Beseitigung der zu erwartenden hunderttausenden englischer Ziviltoten als Folge der Bombardierungen. Dieses Szenario erforderte zwangsläufig eine Institution, die im Kriegsfall die Moral der Bevölkerung stabilisieren würde. Das Committee of Imperial Defence sah zu diesem Zweck ein Informationsministerium vor. Ein Sub-Committee entwickelte Leitlinien für die konkrete Einrichtung dieses Ministeriums: man wollte nicht nur Nachrichten und Informationen kontrollieren, sondern auch einen Apparat zur Nachrichtenverteilung etablieren. Ein weiters Sub-Committee beschäftigte sich mit Zensurmaßnahmen. Die Funktion des neuen Ministeriums war: „The main function of the Ministry of Information is to present the national case to the public at home and abroad in time of war. To achieve this end it is not only necessary to provide for the preparation and issue of National Propaganda, but also for the issue of ‚news‘ and for such control of information issued to the public as may be demanded by the needs of security. (...) The Ministry should, in principle, be the centre for the distribution of all information concerning the war, and the Press and the general public should be encouraged so to regard it.“2 Nach den Wünschen der Planer hatte sich das neue Ministry of Information ausschliesslich um öffentliche, um „overt propaganda“ zu kümmern. Politische Kriegsführung und Feindpropaganda, „covert propaganda“, sollte dem Aussen- bzw. Kriegsministerium vorbehalten bleiben.3 2 Committee of Imperial Defence, Paper MIC 7, 27.7.1936. Ein Sub-Committee unter Leitung von Sir Reginald (Rex) Leeper, dem Leiter des News Department des Foreign Office, hatte die Vorlage eingebracht, die vom Committee of Imperial Defence akzeptiert wurde und in den Folgejahren das Basispapier für die Einrichtung des Ministry of Information blieb 3 Im Zweiten Weltkrieg gehörte „Politische Kriegsführung“ zu einer Special Operations Executive, die dem Ministry of Economic Warfare unterstellt war, von Churchill auch als „the Department of Ungentlemanly Warfare“ bezeichnet. Im Jahr 1943 wurde die SOE in Political Warfare Executive umbenannt und als halbautonome Spezialeinheit dem Foreign Office und dem War Office unterstellt. Zur Leitungsspitze des P.W.E. gehörte auch Brendan Bracken, der Informationsminister. Siehe auch: Pronay, Introduction, in: Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., S. 10f 43 Die Nachrichtenabteilungen des Außenministeriums und anderer Ministerien sollten in die neue Einrichtung überführt werden und den Kern der News Division bilden, deren Aufgabe die rasche Verteilung von „quick news“ sein sollte, im Gegensatz zu „prepared Propaganda“. Neben der News Division sollten eine Administrative Division, eine Censorship Division (Control), eine Publicity Division und eine Collecting Division die interne Gliederung des Ministeriums bilden. Die Funktion der Publicity Division, der auch die Ausarbeitung der Propagandapolitik oblag, beschrieb man wie folgt: „(...) to secure that the national cause is properly presented to the public (...). Various aspects of the national activities will have to be analysed and explained, enemy activities must be examined and critisised; and means must be devised to disseminate the national point of view in a guise which will be attractive and through channels which will ensure that it reaches persons who are likely to be influenced by it.“4 Sir Stephen Tallents5, Leiter der Public Relations-Abteilung der B.B.C. wurde im Sommer 1937 zum Director-General Designate ernannt. Sein Vorgesetzter Sir John Reith, Director General der B.B.C., hatte den Posten abgelehnt. Die Planungen für das zukünftige Ministerium standen unter keinem günstigen Stern. Mit der Leitung der fünf Abteilungen wurden Personen betraut, die mit Ausnahme von Tallents keine speziellen Erfahrungen in dem für sie vorgesehenen Fachreferat besaßen.6 Die Beamten aus dem Staatsdienst wur- 4 Committee of Imperial Defence, Paper MIC 7, a.a.O. Tallents war ein Pionier auf dem Feld der staatlichen Public Relations, zuerst als Chef des Empire Marketing Board und später beim Post Office und der BBC. Während seiner Zeit beim EMB von 1928 bis 1933 machte er zum ersten mal deutlich, wie die Medien eingesetzt werden können, um offizielle Politik populär zu machen. Sein ‚Projection of England‘ lieferte 1932 die Grundlage für alle späteren staatlichen Aktivitäten in dieser Richtung und führte zur Etablierung des British Council. Tallents war dafür verantwortlich, dass die Film Unit des EMB in die Film Unit des Post Office überführt wurde, die für die englische Dokumentarfilmschule Nährboden, Vorbild und Wegbereiter war 6 W.P. Hildred (Assistant Director General Administration Division) war Deputy General Manager der Export Credit Branch des Custom Departments; R.W.A. Leeper (ADG News Division) Counsellor im Außenministerium; H.E. Dannreuther (ADG Control Division) war ein pensionierter Admiral; J.B. Beresford (ADG Collecting Division) kam von der University Grants 5 44 den auch nicht von ihren bisherigen Arbeiten freigestellt, sondern mussten sich quasi ‚nebenbei‘ um den Aufbau des Ministeriums kümmern. Die Planungsgruppe hatte mit Intrigen der Whitehall-Bürokratie, denen Tallents schon Anfang 1939 zum Opfer fallen sollte, ebenso zu kämpfen, wie mit dem Widerwillen der verantwortlichen Politiker, von den sich kaum einer für das künftige Ministerium interessierte, geschweige denn bereit war, Richtlinien oder Kompetenzen zu erlassen. Weder Sir Samuel Hoare, der designierte Minister, noch die Chamberlain Regierung zeigten besonderes Interesse an den Planungsfortschritten. In einem ersten ‚Progress Report‘ vom Februar 1938 kritisierte Tallents die unzulängliche Unterstützung der bisherigen Planungen. 7 Durch die Vorgaben des Committee of Imperial Defence hatten sich die Überlegungen der Planer auf die Ausarbeitung der Struktur der Nachrichten- und Zensurabteilung konzentriert. Über den Einsatz des Mediums Film zu Propagandazwecken machten man sich kaum Gedanken. Tallents Bericht enthielt lediglich die Aufgabenbeschreibung und Gliederung der späteren Publicity Division: „[The Publicity Division] should provide for the employment (...) of all the various media of modern publicity and propaganda, and for experiments in methods improvised to meet war-time conditions. (...) [Internal organisation] should be governed by the media to be employed, i.e. that there should be separate sections dealing with literature, lectures, films, broadcasting, etc., a special planning section acting as a general staff.“ Commission/Museum and Gallery Commission; G.C. North (ADG Publicity Division) arbeitete als Assistant Secretary im Gesundheitsministerium 7 „Our preparations for the conduct of war on land, by sea and in the air, are the concern of powerful existing Departments, and their planning the subject of continous study by specialised staffs. Our preparations for the conduct of war-time operations of great possible variety and extent in the field of public opinion have no comparable peace-time base, and their planning is dependent on a handful of men, all with one exception very fully employed on other work. Those who have been entrusted with the working of these plans have been impressed at every stage by these handicaps.“ Sub-Committee to prepare plans for the establishment of a Ministry of Information; Progress Report, Februar 1938. PRO, INF 1/1 45 Ähnlich wie im Ministry of Information des Ersten Weltkrieg wurden die Sektionen der Publicity Division geographisch organisiert, d.h. mit Zuständigkeiten für die Planung und Koordinierung „for the Home country, the Empire overseas, allied countries, neutral countries and enemy countries.“ Tallents Bericht initiierte einen Konsultationsprozess mit der Filmindustrie, bei der die neue Filmzensurabteilung federführend sein sollte. Diese sollte die Filmzensur während des Krieges weiterhin dem British Board of Film Censors als Instanz überlassen, dessen Mitgliederzahl lediglich um Vertreter aus den Heeresabteilungen aufgestockt werden sollte. Er schlug vor, „the Board, whilst retaining its independent status and civilian character and its responsibility for moral censorship, should be used by the Ministry of Information for the issue of war certificates as to the suitability of all new films.“8 Im Sommer 1938 befasste sich ein Home Publicity Planning Sub-Committee9 mit den Zielen und der Maschinerie der „domestic publicity“ des künftigen Ministeriums. Dabei wurden Tallents Vorgaben über „domestic publicity“ kritisch überprüft. „(1) To get British war aims understood, the Government‘s efforts in pursuance of them, at home and on the fighting fronts clearly interpreted and appreciated in the United Kingdom. (2) To perform a like service for the aims and efforts of our allies. (3) To secure the prompt and wide dissemination of such instructions, advice and reassurance as individual Government Departments may wish to communicate (...) (4) To prepare the public mind for new measures contemplated by the Government (...) 8 Sub-Committee to prepare plans for the establishment of a Ministry of Information; Progress Report, a.a.O. 9 Mitglieder des Komitees waren E.T. Crutchley, Leiter des Public Relations Department des Post Office, Stephen King-Hall, ein bekannter Publizist, H.V. Rhodes und Lady Williams 46 (5) (6) (7) (8) To prevent panics, to allay apprehensions and to remove misconceptions (...) Generally to keep the public in good heart. By the dissemination of truth to attack the enemy in the minds of the public; and to counter enemy propaganda as required. To reflect in the United Kingdom, as circumstances dictate and opportunity allow, the attitude of neutral countries.“10 Das Komitee erklärte sich mit Tallents Zielvorstellungen einverstanden, machte aber zugleich eine Reihe von Vorschlägen, wie sie sich die Umsetzung der „Publicity“ vorstellte. Das Public Relation Department des Post Office unter der Leitung E.T. Crutchleys sollte dabei als Vorbild dienen. Das Komitee empfahl, die Filmproduktions- und Verleihabteilung des Post Office dem neuen Ministerium zuzuschlagen und die G.P.O. Film Unit zum Nukleus einer offiziellen staatlichen Filmabteilung zu machen. „Film production units organised to supply the theatrical market and concentrating much more on box-office appeal than the interpretation of the public consciousness will find it difficult at first to adapt themselves to new and constantly changing requirements and it will be a great advantage for the publicity division to have film production resources of its own.“11 Während der Münchenkrise im September 1938 wurden erste Abteilungen des Ministeriums etabliert; ausgewählte Mitarbeiter der Administration-, Censorship- und News-Divisons hatten sich zudem bereitzuhalten. Mehr passierte jedoch nicht. Tallents, der sich durch seine offene Kritik an der halbherzigen Unterstützung durch die Regierung in der Whitehall-Bürokratie Feinde gemacht hatte, musste sein Amt im Januar 1939 aufgeben. Auch seine drei Nachfolger12 als Director General Designate schafften es bis Kriegsbeginn 10 Anhang zum Bericht des Home Publicity Sub-Committee vom 27.9.1938. PRO, INF 1/712 E.T. Crutchley, Films, September 1938. PRO, INF 1/712, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O. 12 Auf Lord Perth, Privatsekretär des Außenministers, folgte Findlater Stewart, den noch vor Kriegsbeginn Kenneth Lee ablöste 11 47 nicht, Zweck und Aufgabe des Ministry of Information gegenüber den anderen Ministerien eindeutig zu klären. Ein Konflikt war programmiert. Auf der Grundlage der allgemeinen Empfehlungen des Home Publicity Planning Sub-Committees13 erhielt das Royal Institute of International Affairs im Februar 1939 den Auftrag, detaillierte Vorschläge auszuarbeiten, wie „domestic publicity“ – Propaganda an der Heimatfront – auszusehen habe und mit welchen Mitteln sie exekutiert werden sollte.14 Ein Film Publicity SubCommittee15 wurde eingesetzt, das im Juli 1939 einen ersten Interim Report vorlegte. Die Arbeitsgruppe sollte untersuchen, „what arrangements ought to be effected now, and to make any necessary recommendations, for the use of films for the purpose of steadying the national spirit during a state of emergency.“16 Man ging der Frage nach, mit welchen Institutionen im Kriegsfall eine staatliche Kooperation angestrebt werden sollte. Diejenigen Produktions- und Verleiheinrichtungen, die bereits in der Vergangenheit mit staatlichen Stellen zusammengearbeitet hatten, wurden bei den Überlegungen natürlich bevorzugt. Als ein Vorbild diente dabei die Filmarbeit des Ministry of Information des Ers13 „It is a dereliction of duty to omit to advise the public on such matters as air raids, which may take place immediately the Ministry is set up.(...) There is the realisation that war now comes directly into the home and that the people will consider they have the right to guidance as well as a liability to duty. (...) The Public should be given a clear statement of the issues involved, expositions of the many regulations likely to be introduced and a reasoned explanation of the necessity for calm, orderly and voluntarily disciplined behaviour. After the commencement of hostilitites priority should be awarded to a statement of war aims.“ Home Publicity Sub-Committee Report, 27.9.1938, PRO, INF 1/712 14 Eine Arbeitsgruppe, die ‚International Propaganda and Broadcasting Enquiry‘, zu der mehrere geheime Sub-Committees gehörten, übernahm unter der Leitung des Institutssekretärs Ivison Macadam diese Aufgabe 15 Bestehend aus F.W.W. Langley, A.F. Watts, J.G. Hughes-Roberts (Government Cinematograph Adviser und Chairman des Komitees), A.G. Highet (Controller of Publicity des Post Office), S.J. Fletcher (Office Manager der GPO Film Unit), G. Huxley (Publicity Adviser to the Tea Industry und später für das Colonial Office), S.D. Charles. Die Gruppe trat zwischen dem 2. und dem 30. Juni 1939 insgesamt sechsmal zusammen und veröffentlichte am 7.7.1939 einen Interim Report 16 Film Publicity Sub-Committee, Revised Minutes of the First Meeting, 2.6.1939. PRO, INF 1/726 48 ten Weltkriegs mit seinem Cinema Propaganda Department, das die Umsetzung der staatlichen Filmpropaganda fast ausschließlich durch kommerzielle Filmfirmen exekutieren ließ. Anders als das Film Sub-Committee von 1938 betrachtete die Arbeitsgruppe die „Wochenschau“ als das wichtigste Instrument filmischer Propaganda, „and we urge that every effort should be made to ensure the continuance of an efficient Newsreel Service“17, wobei der Erfolg der British News auf der New Yorker Weltausstellung von 1939 als Vorbild galt18. Die Arbeitsgruppe mahnte eindeutige politische Richtlinien zur Aufrechterhaltung der Filmindustrie im Kriegsfalle an, und kritisierte heftig, dass das Arbeitsministerium Personen, die in der Filmproduktion tätig waren, nicht auf die Liste jener „Reserved Occupations“ gesetzt hatte, die im Kriegsfall nur eingeschränkt zum Wehrdienst herangezogen werden konnten. Entscheidender Punkt aber blieb die Empfehlung, eine eigene Produktionsabteilung einzurichten, wobei die Arbeitsgruppe die Eingliederung der Post Office Film Unit in das zukünftige Ministerium als naheliegend betrachtete: „It is assumed that the Post Office Film Unit will form the nucleus of the Ministry‘s direct production and distributing organisation and it is recommended that steps should be taken to ensure that the Unit has the necessary personnel and apparatus to function at maximum efficiency from the outset.“19 Hierin bestätigte das Komitee die Empfehlungen von Tallents. Die Arbeitsgruppe empfahl dem Ministerium die Produktion eigener Filme, deren Vertrieb das Ministerium ebenfalls in Eigenregie übernehmen sollte. Nach Auffassung 17 Film Publicity Sub-Committee Interim Report, 7.7.1939. PRO, INF 1/726 Die fünf englischen Wochenschaufirmen zeigten in Zusammenarbeit mit dem Joint Committee of the Travel Association of Great Britain und dem British Council eine gemeinsame erarbeitete Wochenschau auf der Weltausstellung, siehe auch: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 138-141 19 Film Publicity Sub-Committee Interim Report, a.a.O. 18 49 des Gremiums durfte es sich bei den Produktionen ausschließlich um kurze Dokumentar- und Instruktionsfilme handeln. Lange Dokumentarfilme oder gar Spielfilme waren kein Thema, da man auch weiterhin von einer funktionierenden Filmwirtschaft ausging: „On the supposition that the functioning of the industry would be maintained as far as possible in time of emergency and that, as during the last war, the industry in co-operation with the Ministry would carry out, on a normal commercial basis, the production and distribution in this country and overseas of the major part of the film requirements of the Ministry (...) there may still remain a number of films which must be produced and distributed at the public cost.“20 Das Komitee machte sogar konkrete Vorschläge zu Filmthemen, u.a. „The King‘s Message; The Prime Minister‘s Statement; The National Poster and Slogan; The Lord Privy Seal‘s general pamphlet on emergency measures; instructional pamphlets on evacuation, lighting restriction, the gas mask, protective measures in the home, etc.; a reassurance film“21 und nannte auch gleich die entsprechenden Kosten für Produktion und Vertrieb. Die Produktion sollte indes nicht allein der Post Office Film Unit überlassen bleiben. Eine Liste kommerzieller Filmproduktionsgesellschaften und technischer Betriebe wurde vorgelegt, die im Kriegsfall zu verpflichten seien. Als Entscheidungsgrundlage diente ein „Memorandum prepared by the G.P.O. Film Unit“22, das dreizehn Produktionsgesellschaften für Kurz- und Dokumentarfilme nannte23, und ein Papier über die G.P.O. Film Unit24. Der Interim Report listete besonders Firmen auf, die ein eigenes Studio mit dazugehöriger 20 Film Publicity Sub-Committee Interim Report, a.a.O. Film Publicity Sub-Committee Interim Report, a.a.O. 22 S.J. Fletcher/F.W.W. Langley, Memorandum prepared by the GPO Film Unit, o.D. [6.7.1939], PRO, INF 1/726 23 Das Memorandum nannte u.a. G.B.T., Strand, Shell, Spectator, National Screen Services 24 E.T. Crutchley, International Propaganda and Broadcasting Enquiry. Home Section. G.P.O. Film Unit, 25.5.1939. PRO, INF 1/726 21 50 technischer Ausrüstung besaßen, wie Publicity Films und Strand (Merton Park Studios), Gaumont-British Instructional, British Thomson Houston Studio und Laboratory. National Screen Services empfahl man als Produzent für kurze Trailer. „From the viewpoint of the production of films for propaganda in the event of war, the Sub-Committee deemed it necessary to record that they regarded it as of paramount importance that adequate facilities in the shape of studios and laboratories should be reserved.“25 Dass bei dieser Entscheidung Produzenten, die „nur einen Namen an der Tür und eine Schreibmaschine besitzen“26 – also das Gros der Filmemacher des Documentary Movement – unter den Tisch fielen, lag auf der Hand. Diesen Vorschlag der Arbeitsgruppe aber als bewussten Ausschluss einer bestimmten Gruppe von Filmemachern zu interpretieren, wie dies in der Selbsteinschätzung vieler Mitglieder des Documentary Movement und auch späterer Filmhistoriker der Fall war, ist nicht nachvollziehbar. In Antizipation der kommenden Ereignisse war es eine logische und pragmatische Entscheidung des Planungsgremiums. Bei der Planung und Vorbereitung des Ministry of Information wurden weder die Dokumentarfilmer noch die kommerzielle Filmwirtschaft konsultiert. Dass sich die Vorstellungen der „Dokumentarfilmer“ in der Planungsphase dennoch in erheblichen Maße durchsetzen konnten, wurde durch die im Planungsgremium beteiligten Vertreter der staatlichen G.P.O. Film Unit bewirkt. Die Film Unit des Post Office propagierte in den Diskussionspapieren den von den Regisseuren der Unit praktizierten Stil des dokumentarischen Films mit Spiel- 25 Film Publicity Sub-Committee, Draft Minutes of the Seventh Meeting, 14.7.1939. PRO, INF 1/726 26 Der Ausspruch wird Joseph Ball zugeschrieben, dem ersten Abteilungsleiter der Films Division 51 filmelementen als Modell für die Filmproduktionen des Ministeriums, das die Crown Film Unit und andere Dokumentarfilmer während des Krieges perfektionieren sollten. „The construction of propaganda films involves the introduction of elements of interest and drama into subjects which are apparently prosaic. In the course of its work the G.P.O. Film Unit has done a great deal of experimentation in the use of sound, commentary and music, and has studied the presentation of material in film form to such effect that it can now be fairly claimed that means have been found for presenting any Post Office subject, however unprepossessing at first sight, in an interesting and popular style.“27 Und man war sich einig, dass der Erfolg von North Sea28, einem Dokumentarfilm in narrativer Form, „warrants serious consideration of the use of the story form in presenting Government propaganda.“29 Das Film Publicity Sub-Committee berücksichtigte in seinen Empfehlungen gleichermaßen die Interessen der Filmindustrie, insbesondere die der Wochenschaugesellschaften, und die der Dokumentarfilmer für die Propagandaaufgaben des zukünftigen Ministeriums. Man wagte sogar Themen von Filmen zu benennen. Allein für die „precautionary period“ waren zehn Filme vorgesehen, gefolgt von Wochenschauen, „reassurance films“ und weitere staatlich produzierte Filme („films like those used during the last war“). Das neue Ministry of Information sollte auch den nichtkommerziellen Verleih der Post Office-Filme übernehmen, mit dem man die evakuierte Bevölkerung in jenen Gegenden zu erreichen hoffte, in denen es keine Kinos gab, oder diese geschlossen bzw. zerstört waren. 27 E.T. Crutchley, International Propaganda and Broadcasting Enquiry. Home Section. G.P.O. Film Unit, a.a.O. 28 North Sea, 1938. PC: G.P.O. Film Unit/Associated British Film Distributors. P: Alberto Cavalvanti. R: Harry Watt 29 E.T. Crutchley, International Propaganda and Broadcasting Enquiry. Home Section. G.P.O. Film Unit, a.a.O. 52 Vieles, was sich später die Dokumentaristen zu Gute halten würden, war angedacht: die Überführung der G.P.O. Film Unit ins neue Ministerium, die Etablierung eines staatlichen Produktionsbüros, die Einsetzung eines nichtkommerziellen Verleihs (für den natürlich auch Filme produziert werden mussten), ja sogar die Festlegung auf eine bestimmte Filmform, wie den narrativen Dokumentarfilm, der später zu einem Markenzeichen besonders der Crown Film Unit werden sollte. Da die Planungen für das Ministry of Information der Geheimhaltung unterlagen, erfuhren die Dokumentaristen von all diesen Überlegungen nichts. Es wundert nicht, dass sich viele Protagonisten des Documentary Movements ausgeschlossen fühlen mussten. Im Juli 1939 wurde die Organisationstruktur des neuen Ministry of Information vorgestellt30, die Duff Cooper, Informationsminister von Mai 1940 bis Juli 1941, rückblickend zu dem bitteren Kommentar veranlasste: „A monster had been created, so large, so voluminous, so amorphous, that no single man could cope with it.“31 30 Aus den ursprünglich geplanten fünf Abteilungen waren 13 Divisions bzw. Direktorate geworden. Die Funktionen der in 4 Gruppen aufgeteilten Direktorate waren: Die Gruppe I (mit den Divisions 1 und 2: News and Press Relations/Censorship) war für Pressekontakte zuständig, für die Ausgabe der offiziellen Bulletins und für die Durchführung und Überwachung der Zensur von zur Veröffentlichung bestimmten Dokumenten. In Gruppe II waren die Publicity Users angesiedelt, die Anwender der „measures of publicity“ (Divisions 3-6: Heimatfront/Ausland/das Empire/die USA). Gruppe III beinhaltete die Produktionsseite des Ministeriums (Divisions 7-10: Film/Radio und Kommunikation/Literatur und Kunst/Verschiedene Anbieter). Die Gruppe IV (Divisions 11-13) diente der Kontrolle des ganzen Apparats und war für Finanzen, Koordinierung und Aufklärung zuständig. Die politische Leitung des Ministeriums lag in den Händen des Director General. Die Haushaltskontrolle und alle allgemeinen Verwaltungsaufgaben oblagen dem Deputy Director General. Office Notice No. 1, 22.7.1939. PRO, INF 1/8/46. Die offizielle Einsetzung des Ministeriums erfolgte durch Statutory Rules and Orders (1939) No 1189 31 Alfred Duff Cooper, Old Men Forget, London 1953, S. 285 53 54 3.2. These are the Men: Organisationsstruktur des Ministry of Information und der Films Division Die ersten Monate des Ministry of Information waren von Krisen geprägt, bedingt durch die Unzulänglichkeiten der vorausgegangenen Planungen, durch politische Fehler und fehlende Kompetenz: Die Kanalisierung und Verteilung der Nachrichten funktionierte nicht, da andere Ministerien die Kompetenzen des Ministry of Information ignorierten und es einfach übergingen; das Team der Zensurabteilung war zu unerfahren, was zu Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten in der eh schon spärlichen Nachrichtenübermittlung führte; die ersten aktiven publizistischen Äußerungen des Ministeriums wurden wegen ihrer „patronising attitude“ heftig kritisiert; in den Augen der Öffentlichkeit hatte sich das Ministerium, das als Sprachrohr der Regierung angesehen wurde, schon nach wenigen Wochen diskreditiert, da ihm die mangelnde Koordinierung zwischen dem Ministerium, den Heeresabteilungen und der Presse angelastet wurde. Darüber hinaus besaß der erste Minister, Lord Macmillan1, keinen politischen Status. Als Lord saß er im Oberhaus und konnte sich nicht gegenüber dem Parlament verantworten, und zum engeren Kreis des War Cabinets hatte er keinen Zutritt. Diese offensichtlichen Mängel machten das neue Ministerium zum Objekt heftiger Attacken.2 1 Macmillan war Assistant Director of Intelligence im Ministerium von 1918 und 1938 bereits als Leiter der Publicity Abteilung des neuen Ministeriums vorgemerkt gewesen 2 In der Einschätzung von McLaine (The Ministry of Morale, a.a.O., S. 3): „It is ironic, and not a little poignant, that the body charged with sustaining public morale and with maintaining confidence in the government shoulk itself have suffered from chronically low morale and been the object of general ridicule.“ In den ersten Monaten richteten sich die Angriffe in der Presse hauptsächlich gegen die Unzulänglickeiten bei der Vorbereitung des Ministeriums und dessen Unfähigkeit, trotz eines riesigen Apparates wenig greifbare Ergebnisse vorweisen zu können (Die Bekanntgabe der Zahl der Mitarbeiter, es waren genau 999, gab mehr als nur Anlass zu Spott; Norman Rileys Buch ‚999 and All That‘, London 1940 war eine vernichtende Kritik an der Politik und Amtsführung des neuen Ministeriums). Den häufige Wechsel in der Leitungsfunktion begleiteten sarkastische Kommentare, „there was a deep 55 In einem Memorandum an das War Cabinet über die Frage der Verantwortlichkeit für die Verteilung von Nachrichten beschrieb Macmillan die unbefriedigende Situation, in dem er sich als Leiter des Ministry of Information gegenüber anderen Ministerien befand.3 Das Ministerium, das nur wenige Informationen aus den verschiedenen Heeresabteilungen erhielt, habe keine Eigenverantwortung bei der Verteilung dieser Nachrichten. Nur wenn es in der Verantwortung des Ministers liege, über die Bekanntgabe von Nachrichten zu entscheiden, und wenn die beteiligten Heeresabteilungen ihm alle relevanten Fakten übermittelten, könne er sein Ministerium leiten. Was Macmillan für die Nachrichtenverteilung geltend machte, klagte er gleichermaßen für die Zensurabteilung ein. Sein mit Verve vorgebrachtes Plädoyer für den eigenverantwortlichen Umgang des Ministeriums mit Nachrichten und ihrer Zensur, musste Macmillan nur zehn Tage später vollständig zurücknehmen4. Statt dessen plädierte er, in vorauseilendem Gehorsam, für die Lösung, die das War Cabinet noch am gleichen Tag beschloss: „That there should be a reversal to the system in force prior to the institution of the Ministry of Information, whereby each Department was responsible for the issue of information to the Press on matters within its own sphere.“5 indentation in the pavement outside Senate House [dem Amtssitz des Ministry of Information, J.B.] where successive holders of the office have come out on their ear“ (Kinematograph Weekly, 14.5.1940. S. 4). Das Ministeriums blieb Objekt der Lächerlichkeit (Evelyn Waugh, Put out More Flags, London 1943) und behielt den ganzen Krieg über das Stigma eines „Ministry of Muddle“ 3 Lord Macmillan, Memorandum, 18.9.1939. PRO, INF 1/852 4 War Cabinet, Arrangements for distribution of news and Censorship. Memorandum by Minister of Information, 28.9.1939. PRO, INF 1/852 5 War Cabinet, W.M.(39) 20th Conclusions, Minute 15. PRO, INF 1/852. Auch heftige interne Widerstände, so von John Beresford, Assistant Director der Collecting Division, in einem Memorandum an Sir Findlater Stewart, Director General, konnten an dem Beschluss nichts mehr ändern. 29.9.1939. PRO, INF 1/851 56 Die News und die Censorship Division wurden Anfang Oktober 1939 aus dem Ministerium ausgegliedert und der Leitung Sir Walter Moncktons unterstellt; sein Vertreter wurde Cyril Radcliffe. Ein Memorandum regelte die Kompetenzen des Press and Censorship Bureaus gegenüber den anderen Ministerien.6 Die Verantwortung für die Zensur von Filmen – Wochenschauen blieben vorerst davon ausgenommen – lag beim Director General des Press and Censorship Bureaus, der sich des British Board of Film Censors als formaler Zensurinstanz bediente. Das Board „will act on his behalf and alone has authority to ‚pass‘ films for publication.“7 Dem Restministerium blieben immer noch 470 Mitarbeiter, deren Aufgaben Macmillan beschrieb: „The Ministry in its new form will be concerned only with the broader aspects of publicity. Its function will be to ensure that the greatest possible amount of publicity is given to the British point of view. (...) Government departments have for years been conducting publicity in order to achieve the effective cooperation of the public in departmental policy. No matter how ready unofficial agencies are to collaborate with the Government, some machinery must exist to explain to those agencies the policies and requirements of the Government.“8 Als eine Reaktion auf den Vorschlag des Air Ministry, dass das Ministry of Information für die Planung und Organisation von „Propaganda“ im Gegensatz zu „News“ verantwortlich bleiben sollte, machte Macmillan nochmals seinen Standpunkt klar:„I have no intention of conducting a propaganda campaign in Great Britain.“ 6 Memorandum on the de-limitation of responsibilities of Ministry of Information, Director General of Press and Censorship Bureau an Admirality, War Office, Air Ministry, Home Security Department, 9.10.1939. PRO, INF 1/853 7 Über das British Board of Film Censors, siehe auch: Kapitel 8.2. 8 Memorandum von Macmillan an das War Cabinet, The Scope and organisation of the Ministry of Information, 8.10.1939. PRO, INF 1/852 57 Nach der Ausgliederung der News und der Censorship Division bestand das Ministerium aus drei Hauptabteilungen: 1. Eine Hauptabteilung für „Publicity User“ mit den Sektionen Foreign-, Empire-, USA- und Home-Publicity, die gleichzeitig auch für die politischen Richtlinien staatlicher Publicity verantwortlich zeichnete. 2. Eine Hauptabteilung, die für die „Production of Publicity“ verantwortlich war mit den Sektionen General Production, Film Publicity und Radio Relations and Communication. 3. Eine Hauptabteilung Verwaltung. Doch die Kritik am Ministry of Information konnte dadurch nicht abgemildert werden. In der Beschneidung des Ministeriums um seine wichtigsten Kompetenzen manifestierte sich erneut eine unüberlegte Reaktion der ChamberlainRegierung. Der Ruf nach einer kompetenten Leitung des Ministeriums wurde immer lauter. So war es nur zwangsläufig, dass Macmillan nach nur vier Monaten seinen Rücktritt einreichte. Chamberlain bot den freiwerdenden Posten nur widerwillig dem aus Kanada zurückgekehrten John Reith an, dessen Kompetenz bei Aufbau und Leitung der B.B.C. ihn für die Aufgabe prädestinierte. Reith versuchte gemeinsam mit Monckton, die politischen, organisatorischen und strukturellen Fehler und Schwächen des Ministeriums zu beseitigen. Im April 1940 wurden die News- und Censorship-Abteilungen dem Ministerium wieder eingegliedert und Monckton erhielt den Posten des Deputy Director General. Mit Chamberlains Niederlage und dessen Rücktritt am 10.5.1940 war Reiths politisches Schicksal jedoch besiegelt. In der Koalitionsregierung unter dem neuen Prime Minister Winston Churchill gab es für Reith keinen 58 Platz. Den freigewordenen Posten des Informationsministers bot Churchill Duff Cooper an. Coopers Amtszeit verlief nicht problemlos. Schon kurz nach Amtsantritt war er Ziel heftiger öffentlicher Angriffe: als bekannt wurde, dass das Ministerium eine geheime Umfrageaktion gestartet hatte, den Wartime Social Survey, bei dem die Bevölkerung Zeitungsberichten nach „ausspioniert“ werden sollte, hatte der Informationsminister seine „Cooper’s Snoopers“-Affaire. Nur kurze Zeit später kam Cooper erneut in die Kritik, diesmal aus den Reihen des Kabinetts. Weil einige Tageszeitungen Nachrichten publiziert hatten, die angeblich dem Feind nützten, sollte Cooper auf Veranlassung des War Cabinet ein Censorship Board einrichten, das jede Veröffentlichung im vorhinein zu kontrollieren hatte. Diese Maßnahme wollte Cooper jedoch in dieser Form nicht durchsetzen. Er schlug dagegen vor, die Defence Notices zu erweitern. Dadurch konnte er die politisch gewollte Einschränkung der Pressefreiheit verhindern. 9 Im August 1940 wurde Kenneth Lee, ehemals Vorstandsvorsitzender von Tootals, als Director General des Ministry of Information durch Frank Pick10 abgelöst. Pick, Patron of Design bei London Transport, „a God-fearing man who believed that the best way of achieving results was to be indiscriminately abrasive“11, blieb aus Gesundheitsgründen nur bis Ende 1940. Sein Nachfolger wurde Monckton mit Cyril Radcliffe als Deputy Director General. 9 Siehe: McLaine, Minstry of Morale, a.a.O., S. 84-88 Die Entscheidung, einen ausgewiesenen Werbefachmann auf die Stelle des Director General des Ministry of Information, der größten Werbeagentur der Welt, zu setzen, war einleuchtend. Frank Pick war seit den 10er Jahren verantwortlich für das Corporate Design von London Underground. Er beauftragte die bis heute noch verwendete Typographie und Beschilderung der Londoner U-Bahn. Seine Plakatkampagnen für London Transport waren vorbildlich. Zusammen mit Sir Stephen Tallents war er Mitglied des Management Committees des Empire Marketing Boards; später holte Tallents ihn auch als Werbeberater für die Anzeigen- und Plakatkampagnen des General Post Office. 11 Balfour, Propaganda in War 1939-1945, a.a.O., S. 62 10 59 Auch unter den neuen Direktoren blieb die Frage weiter offen, welche Institution verantwortlich sei für Propaganda gegenüber dem Feind. Die intraministerielle Auseinandersetzung ging so weit, dass Monckton und Radcliffe im Juni 1941 ihren Rücktritt anboten, der aber abgelehnt wurde. Duff Cooper nahm dies zum Anlass, sich erneut darum zu bemühen, die Autorität des angeschlagenen Ministeriums wiederherzustellen. Das Kabinett sollte entscheiden, ob der Informationsminister mit der Aufgabe der politischen Kriegsführung beauftragt war, oder nur die Direktiven anderer Ministerien auszuführen hatte. Das War Cabinet verabschiedete lediglich ein Papier, das dem Ministry of Information die „kreative Funktion“ zuschrieb, „of providing a steady flow of facts and opinions calculated to further the policy of the Government in the prosecution of the war“. Eine seiner Hauptaufgaben war dabei, „to preserve intimate and cordial relations with the newspapers through their proprietors, editors and reporters.“ Die Heeresabteilungen behielten ihre Autonomie, auch wenn „Ministers not of Cabinet rank ought not to discuss the general policy of the war except for exhortations to zeal and the happy restatement of the accepted commonplaces“ ohne das Ministerium zu erwähnen.12 Der Lord President, Sir John Anderson, formulierte nochmals im Unterhaus die Funktion des Ministeriums, „to act, in co-operation with the Departments concerned, for the conduct of all publicity which affects more than one Department or subserves the policy of the Government as a whole“.13 Das Memorandum des War Cabinets hatte lediglich in neuen Worten das bestehende System bestätigt. Monckton beklagte öffentlich, dass das Kabinett 12 13 WP (41) 142, zitiert nach: Balfour, Propaganda in War 1939-1945, a.a.O. W.M.64 (41) 7, zitiert nach: Balfour, Propaganda in War 1939-1945, a.a.O. 60 „had left the Ministry with a pitchfork to deal with a tank.“14 Resigniert gab er im Juli 1941 seinen Posten auf: „When I appealed for support to the Prime Minister I seldom got it. He was not interested in the subject. He knew that propaganda was not going to win the war. Looking back, I think he was right (...). I told him (...) that I would be grateful if he could find me another job.“15 Sein Nachfolger wurde Churchills Parliamentary Private Secretary Brendan Bracken, der das Ministerium bis zum Kriegsende leiten sollte. Es war eine gute Wahl. Als Kolumnist für ‚The Economist‘ and die ‚Financial News‘ war er der erste Minister mit journalistischem Hintergrund und Erfahrung. Dank seiner Freundschaft mit Beaverbrook und Churchill – durch sie bekam er Zugang zum War Cabinet – erhielt Bracken im Gegensatz zu seinen Vorgängern auch vertrauliche Informationen. In der Auswahl seiner Mitarbeiter bewies er eine glückliche Hand. Als Walter Monckton das Interesse an seinem Job verloren hatte, bestimmte Bracken Cyril Radcliffe zum sechsten und letzten Director General des Ministeriums. Gemeinsam befreiten sie das Ministerium von den letzten „gentleman amateurs“.16 Die beiden unterschiedlichen Charaktere ergänzten sich glänzend. Balfour gibt eine brillante Beschreibung der Arbeitsweise von Bracken und Radcliffe.17 Radcliffe bewies ein gutes Gespür im Umgang mit dem heiklen Thema Pressezensur. Meinungen, Kommentare oder Spekulationen wurden nicht zensiert, solange diese Äußerungen keine Sicherheitsfragen betrafen. Einziger 14 House of Commons, 3.7.1941 Cooper, Old Men Forget, a.a.O., S. 288 16 In seinen Erinnerungen schrieb Kenneth Clark: „They were an ideal combination and at last succeeded in giving the Ministry some point (...). I belonged to the old, amateurish, ineffective, music-hall-joke Ministry, and had long been an unnecessary member of even that ramshackle body. Cyril was a friend of mine, for whom I had great admiration. He told me to leave in the kindest possible terms.“ Clark, The Other Half, a.a.O., S. 22 17 Balfour, Propaganda in War 1939-1945, a.a.O., S. 65f 15 61 Grund für die Unterdrückung einer Nachricht war, wenn durch sie der Feind wertvolle Informationen erhielt, die er bisher noch nicht hatte. War eine Tatsache bereits bekannt, gab es keinen Grund, ihre Veröffentlichung zu verbieten. Das Verhältnis zur Presse besserte sich allmählich. Die Regelungen der Defence Notices wurden durch die täglichen Pressekonferenzen des Controllers der News and Censorship Division ergänzt, in denen die Redakteure und Journalisten auch – off the record – die Gründe erfuhren, warum bestimmte Nachrichten und Informationen nicht gedruckt werden sollten. Auch wenn es nur Hinweise und Empfehlungen waren, hielt sich die Presse weitgehend daran. Bracken und Radcliffe vermieden Konfrontationen mit anderen Ministerien und den Heeresabteilungen. Das Informationsministerium „will fight their battles and give full service but has no desire to interfere with their proper functions.“18 Die Frage, wer bestimmte Kampagnen initiieren und auch terminieren durfte, wurde nie zur Streitfrage. Über die Verteilung von Anzeigenkontingenten wurde dank langfristiger Planung immer gemeinsam zwischen Ministry of Information und den anderen Ministerien entschieden. Unter Bracken schaffte es das Ministry of Information mehr als nur Anbieter von Dienstleistungen für andere Ministerien zu sein, und daran hatten besonders die Filmabteilung und die Publikationsabteilung einen Anteil. Es hatte zwei Jahre gedauert, bis das Ministerium einigermaßen funktionierte und erst mit Bracken konnte es seine Politik der Information durch Fakten und der Anleitung in die Praxis umsetzen.19 18 Brendan Bracken. PRO, INF 1/891 Auch unter Bracken erfuhr das Ministerium mehrmals interne Umorganisationen und Neugruppierungen einzelner Abteilungen, die aber lediglich notwendige Anpassungen an die veränderte Kriegssituation darstellten und seine Handlungsfähigkeit nicht beeinträchtigten. 1943 bestand das Ministerium aus 29 Abteilungen in fünf Sektionen: 19 62 Dies gilt auch für die Films Division des Ministry of Information. Betrachtet man die Personalstruktur und das Erscheinungsbild der Films Division in den ersten Wochen des Krieges und die politischen Entscheidungen ihres Leiters, ist zu bezweifeln, dass Sir Joseph Ball die Planungspapiere und die Empfehlungen des Home Publicity Planning Sub-Committee auch nur angelesen hatte. Die Planer des Ministry of Information hatten bewusst ein politisch ausgewogenes Konzept vorgelegt, das auch das Documentary Movement in die Filmpropaganda des Ministeriums miteinbezog – ganz entgegen der Behauptung von Pronay20. Dass diese Ausgewogenheit sich bei Kriegsbeginn zugunsten einer einseitigen Ausrichtung auf kommerzielle Produktions- und Distributionsfirmen veränderte, lag auch an Joseph Ball, dem ersten Leiter der Films Division. Sir Samuel Hoare, der Innenminister, hatte Ball noch in der Planungsphase ernannt. Nach Pronay21 sollte über die neue Films Division eine viel stärkere politische Kontrolle ausgeübt werden, als über ihre Vorgängerabteilung im Ersten Weltkrieg, die durch ein gemeinsames War Office/Cinema Trade Committee unter Leitung von Sir William Jury kontrolliert worden war.22 „1. News and Censorship (News, Censorship, Photographs, Facilities) 2. Overseas (General, Empire, Latin America, Far East, Soviet Relations, North America, Middle East, European) 3. Home (Home Intelligence, Home and Regional) 4. Production (General, Campaigns, Display and Exhibitions, Publications, Reference) 5. Administration (Establishment, Personnel, Finance)“. Die Filmabteilung unterstand dem Controller der Home Section; Communications and Broadcasting dem Deputy Controller der Overseas Sektion. Public Accounts Committee 1944, Ministry of Information, Organisation and Functions. PRO, INF 1/74 Part 2 20 Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., S. 31 21 Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., S. 22 22 Siehe: Rachel Low, The History of the British Film, 1914-1918, London 1950, S. 34-38 63 Sir Joseph Ball war Informationsdirektor des Conservative Central Office, Director des Research Department und Deputy Director des National Publicity Bureau der Konservativen Partei, für die er eine erfolgreiche Filmkampagne während der Unterhauswahlen im Jahr 1935 organisierte. Seine engen Kontakte zu den Wochenschauproduzenten begünstigten eine parteiische Berichterstattung in den Wochenschauen. Die mehr oder weniger erkennbare Partnerschaft zwischen konservativer Regierung und den Wochenschauherstellern hatte sich besonders während der München-Krise im September 1938 gezeigt, bei der die Position der Regierung Chamberlains besonders breiten Raum in der Berichterstattung erhielt. Nicht nur die Labour Party, sondern auch zahllose Künstler und Intellektuelle empfanden die Ernennung jenes Mannes, der am stärksten mit konservativer Propaganda identifiziert wurde, als unfair und taktlos. Alles, was die Film Division zu Beginn des Krieges tat, war dem Vorwurf der politischen Einseitigkeit ausgesetzt. Joseph Ball machte auch keinen Hehl aus seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Documentary Movement und speziell John Grierson: „Even if we assess the documentary movement as highly as Grierson and his associates suggest in their communications to the press, the fact remains that an enourmously larger public in all countries is reached by commercial films distributed through commercial channels, and it would be disastrous to lose the goodwill of the commercial people in the attempt, even in the successful attempt, to increase the output of the distribution of documentaries.23 Logischerweise richtete er denn auch seine wenigen Anstrengungen auf die Hilfestellung der durch Kriegsbeginn erheblich behinderten Film- und Kinoindustrie, die in der Films Division die einzige staatliche Anlaufstelle für ihre Beschwerden und Forderungen sah. Sofern Ball überhaupt Produktionsaufträge für Filme vergeben hatte – in den Akten lassen sich nur kryptische Hinweise finden –, lagen seine Präferenzen eindeutig bei den Wochenschauen. Die Newsreel Association und die Cine- 23 Joseph Ball an Hodson, Oktober 1939. PRO, INF 1/628 64 matograph Exhibitors Association begrüßten offen seine Herangehensweise, die auch Balls Vorgesetzter, Informationsminister Macmillan, guthieß. In einem Memorandum an das War Cabinet bestätigte Ball die einseitige Ausrichtung der Films Divison auf kommerzielle Anbieter: „The Films Division, whose administrative staff is at present 9, is devoting its energies to utilising the cinema screens of the world, some 90,000 in number, for the purpose of presenting pictorially to the many millions who visit these cinemas the case for the democracies. (...) It is the intention to use the worldwide machinery of the existing trade organisations to the fullest extent for the production, distribution, and theatrical exhibition of films of value from the national standpoint, and to supplement this theatrical distribution by means of non-theatrical exhibition whereever possible and necessary, through specially organised channels. The Division has already been successful in making contact with, and securing the fullest co-operation from, all sections of the British Cinematograph industry, producers, distributors, exhibitors, and News Reel Companies alike.“24 Für Ball gab es immerhin die Möglichkeit, neben der Unterstützung existierender Vertriebskanäle, einen nichtkommerziellen Verleih als Ergänzung einzurichten. Er schloss auch nicht aus, dass das Ministerium Propagandafilme produziert: „[The Ministry of Information] will be responsible for the origination of propaganda films, and will apply to the departments concerned for the facilities they may desire to have.“25 Die scharfe Kritik, die an der Politik und dem Personal der Films Division geübt wurde, Propagandafilme durch kommerzielle Firmen herstellen zu lassen und die Bevorzugung von Personen mit konservativen Parteibuch bei der Wahl der Mitarbeiter, zeigte, dass es ein politischer Fehler gewesen war, sich 24 Lord Macmillan, The Scope and Organisation of the Ministry of Information, 8.10.1939. PRO, INF 1/852 25 Memorandum on the de-limitation of responsibilities of Ministry of Information, Director General of press and censorship bureau, 9.10.1939, a.a.O. 65 nicht an der „ästhetischen“ oder auch „akademischen“ Herangehensweise der Dokumentarfilmer zu orientieren.26 Doch ob es um Macmillans Beschreibung der künftigen Aufgaben der Films Divison geht oder um Joseph Balls Handlungsweise – die Äußerungen der damaligen Kritiker wie auch einiger Historiker27 – verstellen den Blick auf die tatsächliche Praxis. Anfang September bestand die Films Divisions aus Ball als Director, seinem Assistant Secretary G.E.G. Forbes, D.K. Clarke, dem ehemaligen General Secretary des Conservative Research Departments, Russell Ferguson, Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit und aus Oliver Bell, dem zum Ministerium abgeordneten Direktor des British Film Institute, ein ehemaliger Press Officer des Conservative Central Office. In den ersten zwei Monaten ihres Bestehens wurden keine Filme produziert oder beauftragt, man schickte lediglich Wochenschau-Kameramänner nach Frankreich, sorgte für eine bessere Verbreitung britischer Wochenschauen im Ausland, und versuchte Transport- und Kommunikationsprobleme der Spielfilmproduktionen zu lösen. Erst Ende Oktober übermittelte Ball der Establishment Division des Ministry of Information einen vorläufigen internen Organisations- und Stellenplan, allerdings ohne präzise Zahlenangaben, da die Aktivitäten des Ministeriums noch nicht komplett zu übersehen waren, „in respect of subsidising or otherwise encouraging or controlling production on the one hand and distribution on the other of feature-films, shorts, documentaries and news-reels.“28 Die Films Division bestand zu diesem Zeitpunkt aus vier Abteilungen: 26 So Graham Greene im Spectator vom 29.9.1939, siehe: Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., S. 34 27 Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., S. 22-25 28 Joseph Ball an die Establishment Division, 20.10.1939. PRO, INF 1/30 66 1. Eine Abteilung für die Produktion und den Verleih von Wochenschauen, die J.G. Hughes Roberts, dem Government Cinematograph Adviser, unterstellt war. 2. Eine Abteilung für die Produktion und den Verleih von Spielfilmen und von nicht gesponsorten Kurzfilmen, die sich auch um allgemeine Fragen des Verleihs kümmern sollte. Die Abteilung bestand nur aus einer Person, aus Sir Edward Villiers, „the only member of my Division who has had direct experience in the film industry“.29 3. Eine Abteilung für die Kooperation mit der Filmindustrie, die helfen sollte, kriegsbedingte Produktionsschwierigkeiten zu lindern. Auch diese Abteilung bestand nur aus einer Person, Kenneth Clarke. 4. Eine Abteilung für die Produktion und den Verleih von Dokumentarfilmen, die sowohl für Kinos als auch für den nichtkommerziellen Verleih bestimmt waren. Für diese Abteilung war der Direktor des British Film Institute, Oliver Bell, vorgesehen, den Joseph Ball aber lieber dort belassen wollte, „he will be able to render better service to the national interest at the Film Institute than in this Division“.30 Mit Ausnahme von Hughes-Roberts und Russell Ferguson, der als Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit vom Post Office ‚ausgeliehen‘ war, hatte Ball für die erste Personalbesetzung seiner Abteilung wenig filmerfahrene Mitarbeiter um sich versammelt. 29 Villiers war ehemaliger Mitarbeiter von Kordas London Film Productions Limited und der th 20 Century Fox Film Company. Auch hatte er für die Propagandaabteilung der Indischen Regierung in England gearbeitet 30 Ball an Establishments Division, 30.10.1939. PRO INF 1/30. Wie das British Film Institute und sein Leiter Oliver Bell bewusst als Partner der Films Division ausgeschlossen wurde, siehe: Chapman, The British at War, a.a.O., S. 23-27; 34-36 67 Nur zwei Wochen später lag ein zweiter modifizierter Organisations- und Stellenplan vor.31 Sir Edward Villiers wurde sowohl die Koordinierung aller Beziehungen mit der kommerziellen Filmindustrie übertragen als auch die Koordinierung der Produktion und des Verleihs von Spielfilmen und Wochenschauen. A.G. Highet, Controller of Publicity der G.P.O. Film Unit und ehemaliges Mitglied des Film Publicity Sub-Committee, übernahm die Abteilungsleitung für die Produktion von Dokumentarfilmen, „in which the Ministry is financially concerned, whether by the G.P.O. Film Unit or by commerical firms“ und den nichtkommerziellen Verleih fürs In- und Ausland. Ihm waren drei Mitarbeiter unterstellt: Russell Ferguson, in der G.P.O. Film Unit zuständig für den nichtkommerziellen Verleih, war verantwortlich für die Drehbücher von Dokumentarfilmen, für die Liaison mit der G.P.O. Film Unit und für die Filmauswahl und den Verleih von Filmen für Schulen; Joseph Reeves, Manager der Workers‘ Film Association (der Filmabteilung des T.U.C. und der Labour Party), wurde zuständig für den nichtkommerziellen Verleih in „reception areas“, für mobile Filmvorführungen und für die Liaison mit privaten Vereinen; William Sellers wurde Leiter der Cinema Unit für die Kolonien, einschließlich der Produktion und des Vertriebs von Filmen für die Dominions und die Kolonien. Oliver Bell fungierte als Verbindungsoffizier zu den übrigen Publicity Divisions des Ministry of Information und zu den Filmproduzenten. Er war Ideen- und Informationslieferant und zuständig für „public and press reactions“. Die Unterstützung aller Bereiche der Filmindustrie und die technische Abwicklung der mobilen Vorführungen oblag Kenneth Clarke. Der Government Cinematograph Adviser, J.G. Hughes-Roberts, behielt als Mitglied der Films Division seine beratende Funktion für andere staatlichen 31 Forbes an D.B. Woodburn, 12.11.1939. PRO, INF 1/30 68 Stellen bei. Als zusätzliche Aufgabe wurde ihm die Koordinierung des Einsatzes der Wochenschau-Kameramänner übertragen. Als Honorary Adviser beriet Col. Bromhead den Direktor in Fragen „on the practice, personalities and organisations within the Film Industry, and the reactions or probable reactions of the Industry to any proposal“. Eine Verwaltungsabteilung unter der Leitung von Ralph Nunn May befasste sich mit Personal- und allgemeinen Organisationsangelegenheiten. Ball schuf ein Advisory Committee aus Interessenvertretern der Filmindustrie, ergänzt von einem Executive Committee, das jedoch nie konsultiert wurde. Zwischen der Politik der Films Division und ihrer Ausrichtung auf die „ordinary commercial channels“, deren Produktions- und Verleihanstrengungen sie lediglich unterstützen und fördern wollte32, und ihrer Organisationspraxis klaffte ein krasser Widerspruch, als ob die Organisationsform die gewünschte politische Praxis unterlaufen wollte. Ball hatte durch eine klare Präferenz in der Ausrichtung der Abteilung bei der Filmindustrie Erwartungen geweckt, die er weder personell noch inhaltlich befriedigen konnte. Andererseits war die Personalausstattung der „Dokumentarfilmabteilung“ im Gegensatz zu den anderen Sektionen mit vier Mitarbeitern ausgesprochen großzügig. Darüber hinaus besaßen die drei ehemaligen Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit einschlägige Produktions- sowie Verleiherfahrung. Ball hatte zwar eine Abneigung gegen das Documentary Movement, aber es hinderte den Deputy Director der Films Division, G.E.G. Forbes, nicht daran, Anfang Dezember dem Co-Ordination 32 „The policy of the Ministry of Information as regards propaganda films is not to embark upon production of such subjects at the government expense except in exceptional circumstances, but rather to encourage and assist the production and distribution of suitable films through the ordinary commercial channels.“ Sir Edward Grigg, Parlamentarischer Staatssekretär des Ministry of Information, in: Kinematograph Weekly, 26.10.1939 69 Committe des Ministeriums eine Liste mit zwölf Themen für Dokumentarfilme vorzulegen.33 Obwohl Struktur und Organisation der ersten Films Division die Zusammenarbeit mit Dokumentarfilmfirmen und dem Documentary Movement personell wie inhaltlich nahelegte, bedurfte es einiger Revirements und Organisationsänderungen, bis sich diese Form der inhaltlichen Ausrichtung durchzusetzen begann. Zunächst jedoch war die Films Division heftigster Kritik ausgesetzt, u.a. bedingt durch das unzulängliche, teils völlig unbrauchbare Filmmaterial des War Office, das über die Films Division den Wochenschauen angeboten wurde. Die Ursache für die Misere lag in dem Versuch, das Informationssystem des Ersten Weltkriegs zu kopieren, ein System, bei dem das War Office mit eigenen Kameramännern für den Nachschub an filmischen Nachrichten sorgte. Die Wochenschauen verwendeten nur etwa fünf Prozent des vorhandenen Materials. In den ersten vier Wochen nach Kriegsausbruch kam kein Film des Ministry of Information in die Kinos, obwohl die Regierung gerade zu diesem Zeitpunkt bei der Bevölkerung Standfestigkeit, Überzeugung, Kampfeswillen und Kampfbereitschaft wecken wollte34. Die Kritik an der mangelnden Effizienz der Films Division und der völligen Abwesenheit filmischer Propagandaprodukte zeigte Wirkung. Ministeriumsintern war bereits Anfang Dezember klar, dass Ball gehen würde, um in der Defence Security Executive einen Posten zu übernehmen. 33 Aus den Vorschlägen, teilweise gleichlautend wie die Arbeitstitel, wurden u.a. die Filme The New Britain, Behind the Guns, Civilian Front, Squadron 992 und die drei Anti-Gossip-Filme der Ealing-Studios, All Hands, Dangerous Comment, Now You‘re Talking. Minutes of the Cost Ordination Committee, 21 Meeting, 7.12.1939. PRO, INF 1/867 34 Pronay macht dafür vor allem Edward Villiers verantwortlich. Zu Unrecht, da Villiers erst am 20.9.1939 seine Arbeit in der Films Division aufnahm 70 „He is leaving the Ministry shortly to do some work which he has been called upon to undertake, and I discussed with him who should take his place, he agreed that if Sir Kenneth Clark were agreeable, it would be a good choice.“35 Joseph Ball trat zurück und wurde am 20.12.1939 durch Sir Kenneth Clark abgelöst. Die Berufung von Sir Kenneth Clark – nicht zu verwechseln mit Balls ehemaligem Mitarbeiter Kenneth Clarke – war vor allem eine Besänftigungsgeste gegenüber den Kritikern der Films Division. Clark war politisch nicht festgelegt, besaß exzellente Pressekontakte und hatte sich als Direktor der National Gallery im Kulturmanagement profiliert. Clark war Mitglied des Empire Marketing Board und des Post Office Poster Committee gewesen.36 Clarks Ernennung bereitete den Boden für zukünftige radikalere Veränderungen in der Organisation und der politischen Orientierung der Film Division. Auch wenn er in der Praxis die Politik seines Vorgängers fortführte, legten seine theoretischen Überlegungen über den Propagandawert von Kurzfilmen, über staatliche Produktionssubventionen, und über den nichtkommerziellen Vertrieb das Fundament für entscheidende Veränderungen in der Propagandapolitik der Films Division, die aber erst sein Nachfolger umsetzen sollte.37 Clarks Überlegungen, die immerhin geringfügige personelle und strukturelle Veränderungen in der Films Division nach sich zogen, bezeugten ein erstes Umdenken in der Filmpolitik der Abteilung. Im Zuge personeller Umstrukturierung schieden Parteikollegen von Ball wie etwa Kenneth Clarke aus der Abtei- 35 Ein vertraulicher Vermerk, 11.12.1939, vermutlich von G.E.G. Forbes. PRO, INF 1/23/A102/1B 36 Auch wenn Clark nur ein „gentleman amateur“ ohne Filmerfahrung war, wurde seine Berufung von der Filmpresse und auch den schreibenden Dokumentaristen der Documentary News Letter (No. 1, January 1940, S. 1) begrüßt: „Sir Kenneth Clark’s appointment as film chief at the Ministry of Information, in the place of Sir Joseph Ball (who has resigned), will be welcomed by everyone except the less imaginative of Wardour Street. (...) There is hope that he will take immediate steps to end the inertia which has till now more or less immobilised the personnel of (among other branches of cinema) documentary.“ 37 In einem Interview mit dem Kinematograph Weekly (Ministry of Information Sponsors British Production Scheme, Kinematograph Weekly, 11.1.1940, S. C4) erläuterte Clark seine Politik als Leiter der Films Division, auf die in Kapitel 4.3. ausführlicher eingegangen wird 71 lung aus, gleichzeitig stieg Highet zum Assistant Director auf. Verschiedene Filmprojekte, die Joseph Ball initiiert haben soll – Belege für die Beauftragung lassen sich nicht finden –, wurden angeblich auf Eis gelegt. John Reith, der Macmillan als Informationsminister am 4. Januar 1940 abgelöst hatte, befasste sich zuerst mit der Neustrukturierung des Verwaltungsapparates des Ministry of Information nach dem Vorbild der B.B.C. und mit der Wiedereingliederung des Press and Censorship Bureau, bevor er sich an die Neuorganisation der Films Division machen konnte. Vorstellungen zur Kooperation und inhaltlichen Vorgabe für die Filmindustrie hatte er schon: „In these anxious days I appeal to the Industry to recognise the inspiration of the crisis in your business.(...) We have not asked you to subordinate your industrial organisation to news of the Ministry, but we hope you will approach all the problems of exhibitor, distribution and production in a spirit of national endeavour, so that when it is all over, sooner or later, the C.E.A. may be able to claim their part as nobly conceived and nobly played.“38 Auf derselben Veranstaltung äußerte er sich auch zu seiner Informationspolitik, deren Implikationen die zukünftige Informationspolitik und das Aussehen der Filme der Films Division prägen würde: „There is nothing so telling as the simple truth about what was happening upon the land and the sea and in the air.“ Eine direkte Auswirkung auf die Politik der Films Division zu Beginn des Jahres 1940 hatte diese Äußerung vorerst nicht. Aufgrund des politischen Machtwechsels durch den Rücktritt von Chamberlain und der Einsetzung einer nationalen Koalitionsregierung unter Winston Churchill, die Reith seine Stellung kostete, konnte Clark dessen Vorstellungen al- 38 John Reith in seiner Rede auf dem Annual Dinner der C.E.A., 12.3.1940. Reith‘s Tribute to Trade War Effort, in: Kinematograph Weekly, 14.3.1940, S. 1 72 lerdings nicht mehr realisieren. Auf Ministerebene war eine Änderung der Filmpolitik jedoch noch nicht zu erkennen. Erst unter Jack Beddington, der Kenneth Clark als Leiter der Films Division im April 1940 ablöste, als dieser innerhalb des Ministeriums Controller der Home Publicity wurde,39 und mit Sidney Bernstein als seinem Honorary Chief Adviser konnte sich in der Films Division jene stabile Personalstruktur etablieren, die bis zur Auflösung des Ministeriums im Jahre 1946 Bestand hatte. Gleichzeitig entwickelte die Films Division eine prägnante, strukturierte Informationspolitik, bei der sowohl die Interessen der kommerziellen Filmwirtschaft als auch die der Dokumentarfilmer gleichermaßen berücksichtigt wurden. Jack Beddington war als Assistant General Manager von Shell-Mex und B.P. Limited für deren gesamte Publicity in Wort und Bild in Großbritannien verantwortlich gewesen.40 Bevor er zur Films Division kam, hatte er genügend Erfahrung gesammelt im Einsatz von Dokumentarfilmen für die PublicRelations-Zwecke seiner Firma. Auch wenn die Shell Film Unit nicht zu seinem direkten Verantwortungsbereich gehörte, produzierte er mit der Unit eine 39 Die Filmpresse war nur allzu froh, dass Clark seine Leitungsfunktion abgab. Clarks Tätigkeit als Leiter der Films Division wurde als „the dilettante dabblings of this brash amateur“ abgetan, dem man – in Anlehnung an seine Tätigkeit als Leiter der National Gallery – empfahl, „this expert picture-hanger should stick to his frames.“ In: Daily Mirror, 16.4.1940, S. 6. In seiner neuen Funktion als Controller of Home Publicity war er auch für die Films Division verantwortlich, deren Eigenverantwortlichkeit er jedoch fast nie in Frage stellte. „Various departments, including the Films Division, were nominally ‚under‘ me, but except on points of principle, their directors had to run them in their own way.“ Clark, The Other Half, a.a.O., S. 15 40 So führte Beddington ‚Lorry Bills‘, großformatige Poster auf den Tanklastwagen von Shell, als Werbeträger ein. Er war verantwortlich für brilliante Werbekampagnen mit Plakaten, die er bei bekannten Künstlern in Auftrag gab. Seine Visit Britain’s Landmarks-Serien und die Serien unter dem Slogan These Men use Shell schufen eine erkennbare Identität für seine Firma. „Beddington always demanded the most simple images without any superfluous detail. But he gave us great freedom too to create and express ouselves. He was a wizard, albeit a suave and worldly wizard.“ So Richard Guyatt, ein Designer, der für Beddington in den dreissiger Jahren arbeitete. Seine Kollege Leonard Rosomon bestätigt diese Meinung und ergänzt sie um eine persönliche Einschätzung: „I design circle he was a God at the time, but a bit of a bully.“ Beide Zitate in: Doing it in Style, Shell (UK) Pressemitteilung anlässlich der Eröffnung der Shell Posters and Paintings Collection in Upton House, Frühjahr 1998 73 Reihe von Filmen, deren Themen wenig mit direkter Werbung für Shell zu tun hatten. Einziger Hinweis auf Shell war der diskrete Credit „Shell Film Unit“ vor dem berühmten Muschelsymbol der Firma im Abspann eines Films. Als Director for Publicity für Shell war Beddington mit den Filmen und den Filmemachern des Documentary Movement vertraut. In seiner neuen Funktion hatte er ihnen gegenüber keinerlei Berührungsängste, zumal die Dokumentaristen aufgrund ihrer Herkunft und Erziehung zur gleichen sozialen Schicht gehörten. Mit den Mitgliedern des Documentary Movement teilte er eine „corporatist mentality“ (Pronay). Als Leiter der Films Division brauchte er seinen Arbeitsstil nicht grundlegend zu verändern. So wie Beddington mit der Größe einer solchen Organisation vertraut war, konnte er auch die ‚Gönnerschaft‘, mit der er in den dreißiger Jahren gegenüber Künstlern und Filmemachern auftreten konnte, in seiner neuen Rolle fortsetzen. Aussagen von Mitarbeitern bestätigten die kreative Freiheit, die er den Filmemachern ließ. „He was a man interested in people and the specific things they wanted to do. If he was taken with an idea for a film, he would back it hard. He hated committees and minutes and general theories. He knew instinctively that it was no good any administrator saying ‚Let there be more X or Y‘ – instead you had to find and build up teams of film makers who felt themselves that X and Y were important and actively wanted to make films about them.“41 Eine Einschätzung, die auch der spätere Producer der Crown Film Unit, Ian Dalrymple, teilte: „Beddington was really a public-relations man with a wonderful discernement for artists.“42 41 Helen Forman, The Non-Theatrical Distribution of Films, in: Pronay/Spring, Propaganda, Politics and Film, a.a.O., S. 222 42 Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 131 74 Beddington überdauerte drei Minister. Allein dies war schon ein Qualitätsmerkmal des von Krisen und Problemen gezeichneten Ministeriums. Beddingtons Ernennung wurde von Seiten der Documentary News Letter begrüßt, wohingegen die Trade Press das Ministry of Information kritisierte, es habe erneut eine Person ernannt, die keine Erfahrung im Umgang mit der Filmwirtschaft besäße. Doch Beddington verstand schnell, die Kritik, die sich eher gegen die Politik der Films Division im allgemeinen als gegen seine Person richtete, durch Erfolge mundtot zu machen: so gelang es ihm und seinem neuen Honorary Adviser Sidney Bernstein im Sommer 1940 mit der Cinematograph Exhibitors‘ Association die kostenlose Kinoaufführung staatlich produzierter „Fünf Minuten-Filme“ auszuhandeln; eine von Beddington veranlasste Organisationsprüfung der G.P.O. Film Unit diente als Grundlage für die Überführung und Neustrukturierung der Unit in die Films Division unter dem neuen Titel Crown Film Unit; mit der Hereinnahme von Mitgliedern des Documentary Film Movements in die Films Division machte er Kritiker zu Verbündeteten und ermöglichte ihnen die praktische Umsetzung ihrer Ideen: Thomas Baird wurde verantwortlich für das Non-Theatrical Programm und Arthur Elton, nach Weggang Griersons Leiter des Film Centre, wurde Anfang 1941 als Supervisor of Production Chef der Produktionsabteilung der Films Division. Film Centre43 gab die Do- 43 Film Centre wurde 1937 von Mitglieder des Documentary Movement ins Leben gerufen. Ziel war, eine Art PR- und Beratungsagentur für Dokumentarfilmproduktionen ausserhalb staatlicher Institutionen zu etablieren. Viele Mitglieder des Dokumentary Movements, wie John Grierson, waren ja Beamte oder Angestellte der G.P.O., der Post. Um die vielen Anfragen und Hilfeersuchen von Sponsoren im Bereich des Dokumentarfilms befriedigen zu können, wollte man sich unabhängig machen. Die ersten Direktoren von Film Centre waren John Grierson, Arthur Elton und J.P.R. Golightly, zu denen bald auch Paul Rotha, Basil Wright, Thomas Baird und Edgar Anstey stiessen. Die Mitglieder von Film Centre verstanden sich nicht nur als Ratgeber für Sponsoren sondern auch als Informationszentrum und Pressure Group für Kollegen aus der Dokumentarfilmszene. Die Zeitschrift Documentary News Letter, die Film Centre während des Krieges herausgab, war Plattform dieser Bemühungen. Über die Arbeitsweise bei der Produktion von Dokumentarfilmen schrieb Anstey: „(...) the normal procedure in inaugurating a new enterprise was one of the members of Film Centre to 75 cumentary News Letter heraus, publizistische Plattform der schärfsten Attacken auf die Films Division. So wie Beddington einerseits die Dokumentaristen in die Arbeit der Films Division einband, gelang es ihm andererseits die Filmwirtschaft als Partner zu gewinnen, auch wenn es ein langwieriger und schwieriger Weg werden sollte. Personifiziert wurde diese Allianz durch die Hereinnahme eines zweiten Honorary Advisers in die Films Division,44 für den Beddington im Juni 1940 Sidney Bernstein verpflichten konnte. Der einundvierzigjährige Bernstein war Bau- und Kinounternehmer, ein enthusiastischer Kinomensch, dessen Granada-Gruppe mehr als 40 Kinos umfasste. In den zwanziger Jahren gehörte er zu den Organisatoren der Film Society in London. Er unterstützte John Griersons Zeitschrift ‚World Film News‘, einem Vorläufer der Documentary News Letter. Der „socialist millionaire“, seit 1919 Mitglied der Labour Party, war bei der Filmwirtschaft ebenso akzeptiert wie bei den Dokumentaristen.45 write an initial report on the appropriate production and distribution possibilities. The writing of scenarios would follow and the actual production of the film or programme of films would eventually be entrusted to a production company or a group of companies under the general supervision of a Film Centre producer. It would be his job to take responsibility to the sponsor for the quality of the finished work and for the efficiencies, financial and otherwise, of its making.“ Edgar Anstey, Film Centre, in: Informational Film Year Book 1948, Edinburgh 1948, S. 22 44 Über die Zusammenarbeit mit seinem zweiten Honorary Adviser, Col. A.C. Bromhead, sind keine markanten Informationen erhalten. Beddington hatte noch einen weiteren Adviser von seinen Vorgängern übernehmen müssen. Es war dies J.G. Hughes-Robert, offizieller Cinematograph Film Adviser der Regierung aus Friedenszeiten. Beddington hielt wenig von seinen Fähigkeiten, und auch die Empfehlung des Select Committees on National Expenditure zur Arbeit der Films Division aus dem Sommer 1940, den Cinematograph Film Adviser in Produktionsfragen zu konsultieren, lehnte er ab, da „neither his experience, qualifications, knowledge of the trade nor technical equipment fits him in the smallest degree to advise the Films Division upon its programme of work (...).“ Comments by the Film Division on the Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure. PRO, INF 1/59. 45 „Well, thank goodness for one common-sense appointment, because at least Sidney does know what it‘s all about, (...) its the first appointment I have been able to chronicle with any real sense of pleasure, and I know the whole trade will endorse it“, schreibt ‚Tatler‘ in: Daily Film Renter, 26.6.1940, S. 2 76 Die Wahl von Bernstein zum zweiten starken Mann der Films Division brachte Beddingtons Politik als Leiter der Films Division auf den Punkt. Damit war sichergestellt, „to secure the support of the entire film industry by balancing the different interest groups within it“, wie Chapman es nannte. Die Erfolge der Films Division basierten auf einer soliden internen Organsiationsstruktur, die sich erst unter Beddington herauszubilden begann. Das Directorate bestand aus Beddington als Director, dem die beiden Honoray Advisers unterstellt waren, und dem Deputy Director. Bis 1942 hatte diese Funktion E.L. Mercier inne gefolgt von R. Nunn May, der bereits als Assistant Director der Films Division seit 1941 tätig war. Die eigentliche Films Division gliederte sich 1942 in vier Sektionen: (1) Production, (2) Distribution, (3) Non-Theatrical und (4) Administration & General. Bedingt durch eine Verschiebung der politischen Schwerpunkte wurde diese Struktur Ende 1942 durch eine fünfte Sektion für Liberated Territories ergänzt. Die Sektionen Non-Theatrical wie Liberated Territories waren relativ autonome Abteilungen, die sowohl für die Produktionsbeauftragung und überwachung von Filmen ihrer jeweiligen Bereiche wie auch für deren Vertrieb und Verleih zuständig waren. Der Personalbestand der Films Division wuchs von den 20 Mitarbeitern der ersten Films Division unter Joseph Ball auf über 50 Mitarbeiter Ende 1940 an. Im Sommer 1941 bestand die Films Division bereits aus 93 Personen. Mit 130 Mitarbeitern erreichte sie 1945 ihren Höchststand.46 Das Personal der Crown 46 1945 arbeiteten in der Produktionsabteilung, der auch das Script Department unterstellt war, 26 Personen; die Sektion für Liberated Territories bestand aus 16 Mitarbeitern; die Verleihabteilung hatte 24 Mitarbeiter; in der Administration & Finance-Abteilung arbeiteten 11 Personen und die Non Theatrical-Abteilung, die auch das „Technical Maintenance“ mit einschloss, hatte einen Bestand von 51 Mitarbeitern. Films Division Organisation. PRO, INF 1/126 77 Film Unit, der eigenen Produktionsfirma der Films Division, wurde in diesen Zahlen nicht mitgezählt. Indem Jack Beddington Erfolge vorweisen konnte und Kritiker zu Verbündeten machte, nahm er den politischen Konsolidierungskurs vorweg, den das gesamte Ministry of Information unter Brendan Bracken als Minister und Cyril Radcliffe als Director General ab 1941 erfahren sollte. Die Angriffe und Beschimpfungen in der Presse und im Parlament verebbten. Das Ministry of Information und die Films Division hatten es bis Ende des Krieges verstanden, ihre Kritiker durch eine erfolgreiche Politik zum Schweigen zu bringen. Sogar ihre schärfsten Opponenten, die Autoren der Documentary News Letter, die durch enge persönliche Kontakte zur Films Division immer schon über Insiderwissen für ihre Attacken verfügten, mussten bereits 1944 ihre Position revidieren: „DNL has never hesitated at any time to criticise the MOI when criticsm seemed necessary; and we believe much of our criticism has been useful and constructive. But one thing is clear. To begin with, criticism could only be directed at the MOI‘s failure to do anything at all. Later, criticism fell on its doing things the wrong way. But finally and recently, the criticism have been aimed only at what seemed to be errors or mishandlings of schemes and plans which are essentially good and practical.“47 47 Documentary News Letter, Vol. 5, No. 3, 1944, S. 6 78 4. Die Propagandapolitik des Ministry of Information und ihre Umsetzung durch die Films Division 4.1. Do it Now: Propagandaauftrag an die Films Division: Das Policy Committee und seine für die Films Division relevanten Propagandakampagnen Als der Krieg ausbrach, besaß Großbritannien weder eine funktionierende Propagandainstitution noch eine formulierte Propagandapolitik. Grund war ein besonderes englisches Spezifikum, eine Abneigung gegen jede Form der Propaganda, die in einem liberalen politischen Umfeld als „undemokratisch“ und darüber hinaus noch als „unbritisch“ galt. Als Negativbeispiele für den Einsatz von Propaganda und politischer Zensur wurden immer wieder die totalitären Regime in Nazi-Deutschland und der Sovietunion herangezogen. Beide Staaten benutzten Propaganda, um soziale Kontrolle und politische Indoktrination auszuüben. So wundert es nicht, dass sogar der Informationsminister Duff Cooper in seinen Memoiren schreiben konnte: „I believe the truth of the matter to be that there is no place in the British scheme of government for a Ministry of Information.“1 Trotz dieser grundsätzlichen Einstellung bezweifelte niemand die Notwendigkeit, eine Propagandainstitution zu etablieren oder eine gegen den Feind gerichtete Sabotageabteilung im Ministry of Economic Warfare einzurichten, die von Churchill euphemistisch als „Department of Ungentlemanly Warfare“ bezeichnet wurde. 1 Cooper, Old Men Forget, a.a.O., S. 287f 79 Doch die von vielen Engländer geäusserte Ablehnung gegen jede Form der Beeinflussung saß tief, und war mit ein Grund für die Anlaufschwierigkeiten des neuen Informationsministeriums. In der theoretischen Auseinandersetzung mit Propaganda taten sich die Planer des Ministeriums schwer. In einem Papier der International Propaganda and Broadcasting Enquiry vom Juni 1939 wurden 86 „Propaganda Notions“ aufgelistet, ein Sammelsurium chaotischer Ideen zu Propaganda und deren Anwendung.2 Aufforderungen wie, „As regards the masses of people, appeal to their instincts and not to their reason“, standen unkommentiert neben Äußerungen wie, „The ideal function of propaganda is to win the popular support for a cause by captivating the emotions and flattering the reason of the public“; oder „Propaganda is a machine for generating and maintaining enthusiasm“ neben „One of the aims of propaganda is to awaken the social conscience.“ Neben der Einschätzung, dass Film ein Massenpublikum erreicht, beurteilte man den Einsatz von Filmen kritisch, „[Films] cannot pick out classes in this country“, und „The Film cannot be effectively contradicted“. Eine Liste mit solch widersprüchlichen Meinungen und Regeln hatte für die Propagandisten des Ministry of Information wenig Nutzen oder Relevanz. Im Vorfeld des Krieges ging es in der seriösen Auseinandersetzung mit Propaganda immer um deren Funktion und den Einsatz von Massenkommunikationsmitteln im Hinblick auf die Beteiligung der Bevölkerung am demokratischen Prozess.3 2 International Propaganda and Broadcasting Enquiry. Home Section. Propaganda Notions (Various Sources). 21.6.1939. PRO, INF 1/724. Zitiert nach: Philip M. Taylor: Documents. Techniques of Persuasion: Basic Ground Rules of British Propaganda During the Second World War. In: Historical Journal of Film, Radio and Television, Vol.1, No. 1, 1981, S. 57-65 3 Zu erwähnen sind: Leonard W. Doob, Propaganda – Its Psychology and Technique, New York 1935. Harold Lasswell, Propaganda Technique in the World War, London/New York 80 Im Auftrag des Ministry of Information schrieb der Psychologe Frederick Bartlett eine Studie über Political Propaganda4, in der er die Unterschiede zwischen politischer Propaganda in einem totalitären Staat und in einer demokratischen Gesellschaft herauszustellen versuchte. Für Propaganda in einer Demokratie galt: „It does not despise the intelligence of those whom it addresses (...). It does not go all out to short-circuit reason (...). It recognises that men act where their affections, sentiments and emotions are concerned, but that these must and can be led by intelligence without losing their strength.“5 Auch wenn das Ministry of Information den psychologischen Implikationen Bartletts nicht folgte, teilte es dennoch – wenn auch verspätet und nicht immer freiwillig – durch seine Praxis einige fundamentale Aussagen und Ideen Bartletts. „Without co-ordination of policy, and without the full and willing co-operation of all other Government departments, a Ministry of Information in a democratic country is absolutely certain frequently to fail, and is just as certain to be blamed for many failures which are not its own fault. Once these fundamental conditions for success are secured, a home propaganda can concentrate upon two main lines of communication: (1) news and comments on news, and (2) entertainment. The rule for the first (...) is: a maximum of news and a minimum of delay, with the greatest possible freedom for variety of comments. There are no possible universal rules for the second. Only those people can compass what is needed who are in sympathetic understanding with the masses of the people they address, who know or can learn about their common conditions of life, their common interests and their common hopes.“6 Die hier formulierte ‚Propaganda durch Nachrichten‘ wurde ebenso offizielle Doktrin des Ministry of Information, wie auch die Vermittlungsstrategie, die 1929. Sidney Rogerson, Propaganda in the Next War, London 1938. R.S. Lambert, Propaganda, London 1938. 4 Frederick C. Bartlett, Political Propaganda, Cambridge 1940 5 Bartlett, Political Propaganda, a.a.O., S. 153 6 Bartlett, Political Propaganda, a.a.O., S. 142 81 eher auf die Vernunft des Empfängers bauen sollte als auf seine Emotionen. Im folgenden wird gezeigt, wie sich innerhalb des Ministry of Information diese Vorstellungen auf die Propagandaarbeit mit und durch Filme ausgewirkt haben. Aufgezeigt werden soll auch, wie schwierig es für die Films Division war, mangels einer übergeordneten Propagandapolitik eigene Vorstellungen für die politische Arbeit mit Filmen zu entwickeln. In den ersten Kriegsmonaten arbeiteten die verschiedenen Abteilungen des Ministry of Information in einem politischen Vakuum. Auch die Films Division hatte darunter zu leiden, dass ein direkter politischer Auftrag durch die Leitungsspitze des Ministry of Information ausblieb. Und als dieser endlich formuliert war, fehlte die Maschinerie ihn umzusetzen. Die Untätigkeit der Politiker hatte Ministry of Information-interne wie auch externe Gründe.7 Die erbitterten Kämpfe zwischen dem Ministry of Information, den Services Departments und anderen Ministerien über die Kontrolle und die Verteilung von Nachrichten sowie über die Ausübung der Zensur – dem raison d'être des ganzen Ministeriums –, aber auch die ungeklärten Verantwortlichkeiten einer aufgeblähten Bürokratie, lähmten die einzelnen Abteilungen in der ersten Phase des Kriegs. Selbst Macmillan, der Mann an der Spitze, hatte Schwierigkeiten, den Aufgabenbereich des Ministry of Information zu definieren, „I may say that I have had considerable difficulty in ascertaining what are its functions.“ Niemand wusste, worin seine eigentlichen Funktionen bestan- 7 Die beste detaillierte Beschreibung der Propagandaaktivitäten des Ministry of Information und der Schwierigkeiten ihrer Umsetzung findet sich bei McLaine, Ministry of Morale, a.a.O. McLaine klammerte die filmischen Aktivitäten des Ministry of Information vollkommen aus, da sie seiner Meinung nach keinerlei positive Auswirkungen auf die Propagandabemühungen des Ministeriums hatten. Sie waren ihm gerade mal eine Fußnote wert, in dem er den ehemaligen Leiter der Home Intelligence Abteilung Dr. Stephen, jetzt Lord Taylor, zitiert: „A nice little flash in the cultural pan – kept the documentary film makers happy, but had almost no effect, as the films had v. small audiences.“ In: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 279 82 den waren. Dabei gab es für das Ministry of Information mehr als genügend Aufgaben. In der Bevölkerung war zunehmend Defätismus zu beobachten, begleitet von Apathie und Frustration über die Kriegsführung und die Regierung Chamberlain. Die Regierung weigerte sich, wie später auch Churchill, britische Kriegsziele zu definieren – nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht und der Niederschlagung des polnischen Widerstandes hatte der Beistandspakt gegenüber Polen sehr schnell seine Bedeutung als primäres Kriegsziel verloren. Die Inaktivität des British Expeditionary Force und das Ausbleiben von Kampfhandlungen hatten keinen Informationswert, und so fehlte es an Nachrichten, die der allgemeinen Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die in der Einschätzung von Home Intelligence nach Handlungsanweisungen verlangte, ein Ende hätte machen können. Die Politik beschränkte sich in den ersten vier Kriegsmonaten auf Allgemeinplätze. In einem Memorandum über die Prinzipien britischer Kriegspropaganda8 definierte Macmillan die Rolle der Propaganda an der Heimatfront: „It must be capable of rousing the whole nation and inspiring them with devotion to the national cause. It must be able to represent that cause as a crusade, for which no sacrifice is too great.“ Um der Gefahr der Zerstörung des britischen Weltreichs zu parieren, sollte ein Ziel der Propaganda darin bestehen, „to rally British morale and effort and to induce a truer and more sober estimate of what the war means directly to this country in, e.g. the military, social and economic spheres.“ 8 Lord Macmillan, The Principles underlying British War-Time Propaganda, Dezember 1939. PRO, INF 1/848 83 Dabei griff Macmillan auf die tradierten Werte der abendländischen Zivilisation und des Christentums zurück, die es zu verteidigen galt.9 In einem Abschnitt über „How Britain fights“ wurde er dann endlich etwas konkreter, was die Ausgestaltung der Propagandabemühungen anging, wenn auch nur in der Konkretisierung ihrer Präsentation. „British propaganda should, and does, describe how Britain fights, and with what success, not less than it proclaims what she is fighting for. The continuous service of news, topical comment, films, broadcasts, photographs, articles, etc., should be maintained and extended. It is the question of treatment and showmanship that is here of cardinal importance – here and everywhere else, for the ideas suggested above are valueless as propaganda unless they are presented and advocated by experts who know how to make the heart beat faster. Great Britain must be represented as fighting Germany on land, in the air, and at sea, ceaselessly, without remorse, with all her armed might, with financial resources, industrial manpower, and commercial assests, with all her idealism and determination.“10 Die Vehemenz von Macmillans Statements wirkte angesichts der militärischen und ökonomischen Kriegführung wie der blanke Hohn, widersprachen die Kriegsanstrengungen während der Periode des Phoney War doch eindeutig dieser Intention. Auch wenn der theoretische Hintergrund des Macmillan- 9 „[Britain] is joint trustee of Western civilisation. (...) Western Civilisation has been built upon the sanctity of absolute values. It has been generally accepted that certain abstract conceptions are the absolute standards of human life. Such concepts as good, right, truth, and beauty are the ultimate values that give life meaning, The Nazis, logically developing a school of German thought, have denied this basis of civilisation. (...) The sanctity of the individual and of the family is a cardinal principle of Western Civilisation and outlook on life. This is the source from which flow the rights of liberty of conscience, freedom from arbitrary arrest and imprisonment, free expression of opinion, impartial law and the other great instruments whereby individual freedom is reconciled with social order. (...) Just as the sanctity of the individual is completed in that of the family, so are the security and independence of states realised in the comunity of nations. (...) Any attempt to define what we want to preserve either in terms of ‚civilisation‘ or in terms of ‚Christianity‘ must face the difficulty that a major social change is evidently in progress of which both Nazi and Communist revolutions are morbid symptoms. The question is not whether the old order shall prevail over the new, but whether the new order shall be based on the Christian Ethic, the scientific spirit, and the rule of law, upon which Western Civilisation has been chiefly built.“ Lord Macmillan, The Principles underlying British War-Time Propaganda, a.a.O. 10 Lord Macmillan, The Principles underlying British War-Time Propaganda, a.a.O. 84 Statements aus Generalisierungen bestand und die Empfehlungen äußerst vage gehalten waren, wurde das nur für den internen Gebrauch bestimmte Papier, von den verschiedenen Abteilungen begrüßt. War es doch immerhin ein Versuch, die Arbeit des Ministry of Information zu legitimieren. Die Films Division benutzte das Statement als Grundlage für ihr ‚Programme for Film Propaganda‘11, bei der es sogar Macmillans Gliederung übernahm. Das Papier wurde vom Kabinett nicht mehr offiziell abgesegnet, da John Reith, Nachfolger von Macmillan im Amt des Informationsministers, dem Macmillan-Papier mangelnden Siegeswillen und Siegeszuversicht vorwarf und im Januar 1940 ein eigenes Memorandum über die „Principles and Objectives of British Wartime propaganda“ vorlegte. Reiths Papier klang nicht viel anders als jenes von Macmillan,12 mit der Ausnahme, dass hier erstmals der Begriff des „people's war“ benutzte wurde. „This is your war, the nation's war. You decided, rightly, that it had to come. You wage it; no one else can. You will end it; for it can't be fought without you.“ Das Kabinett genehmigte Reiths Memorandum als „working guide“ für den ausschließlichen Gebrauch innerhalb des Ministeriums. Beide Memoranden lagen dem im Januar 1940 von Reith eingesetzten Policy Committee, dem 11 Programme for Film propaganda, o.D. [Januar 1940]. PRO, INF 1/867 „What is at stake is the ideal of a good life which free men have created through two thousand years. A life based on equal justice, respect for the individual, family affections and love of truth. (...) We shall win the war by our strength; but that includes will and economic power as much as military power. (...) Our industrial and financial resources are vital for victory. Work for victory; save for victory. Be of good heart; we fight for the right and against evil; (...) But no magnitude of strength and resources is in itself enough. There must be a concentration of mind as well. A determination and a will to victory. (...) Victory means (a) Release for Germany‘s victims (b) The right to live, thing, vote, talk and worship God as you choose. (c) That the new world which must rise from the war will be Christian and not Satanic, spiritual and not material. No peace can be justified which does not secure these results. Your are fighting for justice and decency between man and man, nation and nation.“ In: Minister‘s memorandum on General Policy, Policy Committee Paper No. 3, Paper approved by Cabinet on 30th January, 1940. PRO, INF 1/848 12 85 höchsten politischen Gremium des Ministry of Information, zur Diskussion vor. Macmillans Papier wurde lediglich zur Kenntnis genommen, was bei der Zusammensetzung des Gremiums13 nicht wunderte. Die politischen Entscheidungen und auch die Formulierung der Propagandapolitik des Ministry of Information, sofern sie nicht vom Minister selbst bestimmt wurde, liefen über das Policy Committee, bis Ende 1941 die Idee der ‚Propaganda of events‘ ein größeres Politikgremium überflüssig machte. Bis Ende 1941 hatte es drei Phasen von Propagandakonzepten des Ministry of Information gegeben. In der ersten Phase, die von Kriegsbeginn bis Mitte 1941 reichte, glaubte man, die Moral der Bevölkerung durch ideologische und zum Teil auch patriotische Ermahnungen („exhortations“) und Versicherungen („reassurance“) aufrechterhalten zu müssen. Die zweite mit der ersten teils überlappenden Phase, dauerte von Mitte 1940 bis Mitte 1941 und markierte den Einstieg in eine neue Konzeption von Propaganda, weg von moralischer Aufrüstung hin zu einer Propaganda durch Erklärung von Tatsachen („explanation“). In der dritten Phase, sie begann im Juli 1941 als Brendan Bracken zum neuen Informationsminister ernannt worden war, gab es keine Propaganda mehr, die auf die Moral der Bevölkerung abzielte. Die ‚Propaganda of events‘ hatte das alte Konzept der moralischen Aufrüstung abgelöst und blieb bis zum Ende des Krieges ideologisches Rückgrat des Ministry of Information. Welche Auswirkungen hatten diese Propagandakonzepte mit ihren spezifischen Kampagnen auf die Politik und die Filme der Films Division? 13 Als ständige Mitglieder bestand das Policy Committee aus dem Minister, dem Parliamentary Secretary, dem Parliamentary Private Secretary, dem Director-General und Deputy DirectorGeneral des Ministry of Information, später auch aus dem Director of Production des Planning Committee. Für spezielle Themen wurden weitere Mitarbeiter und Fachleute des Ministry of Information hinzugezogen 86 Für die Zeit bis Mai 1940, als das Ministry of Information neben zwei G.P.O.Produktionen (Do it Now und The First Days) und zwei Wochenschaukompilationen (Undersea Patrol und Italy Beware) lediglich drei Anti Rumour-Filme in die englischen Kinos brachte, sah es nicht so aus, als ob die Films Division ihre Filme nach einem übergeordneten Propagandakonzept in Auftrag gab. Auch den Filmen, die sich in dieser Zeit noch in der Produktions-phase befanden, lag keine Gesamtstrategie zu Grunde. Für die Entwicklung einer politischen Strategie fehlte dem Ministry of Information zu dieser Zeit auch ein Instrumentarium zur Überprüfung der Effektivität seiner Propagandaanstrengungen. Die ‚Home Intelligence Division‘ war im Oktober 1939 abgeschafft worden. Zur Beliebigkeit der Filmthemen passte denn auch das Zufallsprinzip, nach dem die Bevölkerung mit ermahnenden Plakaten, Slogans und Broschüren in den ersten Kriegsmonaten überschüttet wurde.14 Um die Effektivität staatlicher Propaganda überprüfen zu können, schuf man im März 1940 eine neue Aufklärungsabteilung, die sich um Public Opinion, das heißt um die Stimmungslage der Bevölkerung kümmern sollte. Ihr Zweck bestand darin: „(1) To provide a directive for Home Publicity. A continuous flow of information is required on what the public is thinking in order that publicity measures may be formulated and their effectiveness tested. (2) To provide as assessment of home morale. For this purpose it is necessary to study immediate reactions to specific events as well as to create a barometer for the measurement of opinion, on questions likely to be continuously important.“15 14 Die Botschaften der ersten Plakate lauteten dementsprechend dann auch: Keep Calm and Carry On / Your Courage Your Cheerfulness Your Resolution will Bring Us Victory / Freedom is in Peril – Defend it With All Your Might / It All depends on... Me / Our Fighting Men Depend on You / It's up to You / Careless Talk Costs Lives 15 Policy Committee, Memorandum von Mary Adams über die Struktur und Funktion eines Home Intelligence Departments, 26.1.1940. PRO, INF 1/848 87 Neben dieser eigenen Abteilung bediente sich das Ministry of Information auch der Dienste von Mass-Observation, deren ‚qualitative‘ Erkenntnisse durch die ‚quantitativen‘ Umfrageergebnisse eines Wartime Social Survey ergänzt werden sollten.16 Die Bemühungen des Ministry of Information während der achtmonatigen Periode des Phoney War, der Öffentlichkeit den Krieg als Kampfeswillen stimulierenden „Kreuzzug“ zu verkaufen, war kein geeignetes Mittel gegen die verbreitete Apathie. Hatte das Ministry of Information es schon während des Phoney War nicht erreicht, die öffentliche Moral zu stärken und zu stabilisieren, wie sollte sie das wohl bewerkstelligen, wenn von militärischen Niederlagen der Briten zu berichten war. Nach dem von den Deutschen erzwungenen Rückzug der Engländer aus Norwegen und dem deutschen Überfall auf die Niederlande und Belgien, konnte Home Intelligence nur noch feststellen: „In the early days of May, therefore, public moral was at a low ebb. The early mood of complacency entirely disappeared. Norway was regarded as a defeat. In this situation came the invasion of Holland and Belgium. (...) Reports sent in yesterday and this morning show that disquiet and personal fear has returned.“17 Als sich die Niederlage von Englands stärkstem Verbündeten Frankreich anzudeuten begann und damit auch eine deutsche Invasion Großbritanniens möglich schien, setzte das Policy Committee am 22.5.1940 ein Home Morale Emergency Committee18 ein, dessen Funktion darin bestand, 16 Siehe auch: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 50ff Home Intelligence Daily Report, 18.5.1940. PRO, INF 1/264 18 Zu dem Komitee gehörten Ivison Macadam, Sekretär des Royal Institute of International Affairs, Sir Kenneth Clark, der ehemalige Leiter der Films Division, den Reith zum Controller of Home Publicity befördert hatte und Harold Nicolson, der Parliamentary Secretary des Ministers 17 88 „maintaining and strengthening the morale of the civil population“ und „to consider means by which public morale in all classes can be stimulated to greater confidence and energy.“19 Das Komitee reagierte schnell, produzierte mehrere Berichte und Mitte Juni lag der Plan für eine Propagandakampagne vor, in dem zum ersten Mal auch die filmischen Aktivitäten des Ministry of Information einen spezifischen Stellenwert bekamen. „A campaign has been thought out, and is now being executed, to diminish fear and defeatism and to increase courage, anger, patriotism and pride.“20 Das Komitee gründete seine Empfehlungen auf der Annahme, dass „the disintegration of public morale“ auf fünf Ursachen zurückzuführen sei: „fear, confusion, suspicion, class-feeling and defaetism“21. Die Angst sollte weniger durch Ermahnungen, als durch „guidance“ gemildert werden, „not so much words of comfort as words of command.“ Vor allem sollte das Vertrauen in die Air Raid Patrol Organisation gestärkt werden, und mehr Erklärungen gegeben werden, was im Falle von Luftangriffen zu tun sei. Für den Fall einer Invasion sollten Maßnahmen ergriffen werden, „to rouse a sense of resistance and to convince the public that a German invasion could be only locally and momentarily successful“. Um „confusion“ vorzubeugen, galt es ein von den üblichen Kanälen unabhängiges System der Nachrichtenverteilung zu etablieren. Das Vertrauen in offizielle Mitteilungen, das durch die konfuse Nachrichtenpolitik der Regierung und des Ministry of Informations geschwächt worden war, als auch das Vertrauen in die Regierung selbst sollten so zurückgewon- 19 Paper for Policy Committee, 19.6.1940. PRO, INF 1/849 Paper for Policy Committee, a.a.O. 21 Home Morale Emergency Committee, Report to Policy Committee, 4.6.1940. PRO, INF 1/254 20 89 nen werden. Geplant war ebenfalls eine Kampagne gegen „Rumours“, gegen Gerüchte. Um „Class-resentment“ entgegenzuarbeiten wurde vorgeschlagen, „that something might be done to diminish the present predominance of the cultured voice upon the wireless. Every effort should be made to bring working class people to the microphone, and more frequent use should be made of left-wing speakers to counteract the propaganda of our enemies regarding imperialism and capitalism.“ Nach der Kapitulation Frankreichs wurde als wesentliches Manko in der Moral der Bevölkerung das Gefühl konstatiert, „that although we may manage to hold out for a time, we cannot hope to win.“ Dem hatte die Home Morale Campaign als Hauptziel entgegenzusetzen, „to give people a reasonable assurance of ultimate victory.“ Eingebettet und auch als ein Teil der Home Morale Campaign verstanden, hatte die General Production Division des Ministry of Information eine detaillierte Anger Campaign vorbereitet, „designed to increase the anger felt by the British people towards the Germans and Germany with the purpose of ensuring maximum determination to see this war through to victory and to react with the highest possible morale to every intensification of the enemy's attack.“22 Die Kampagne sollte deutlich zeigen, was die Einstellung „Was-Habe-IchSchon-Zu-Verlieren-Wenn-Deutschland-Gewinnt“ für Folgen haben könnte. Der Versuch, die Deutschen dabei mit einem Rückgriff auf die Propagandaschablonen des Ersten Weltkriegs zu charakterisieren, um ein gefühlsmäßiges Resentiment ‚Der Briten‘ gegen ‚Die Deutschen‘ zu schüren, wirkte unfreiwillig komisch23 und fand bei den einzelnen Publicity-Abteilungen des Mi- 22 General Production Division, „Anger“ Campaign, 17.6.1940, S.2. PRO, INF 1/849 „The Main Theme of the Campaign. Anger in Action. The Germans are by race and nature a nation of bullies. They are and have always been the gangsters of Europe. Always they 23 90 nistry of Information keinen großen Rückhalt. Von den dreiminütigen Filmen, die Dokumentarfilmfirmen aus Wochenschaumaterial zusammenstellen sollten24, wurde kein einziger produziert. Wie schon zuvor John Reith25 versuchte das Home Morale Emergency Committee auch Äußerungen über die Friedensziele der Regierung in ihre Kampagne zu integrieren. „It is for consideration, (but far beyond the scope of the Committee's functions), whether the time has not arrived when a statement of peace principles (both external and internal) should be made. It should not prove beyond the ingenuity of man to draft some statement analogous to the "Four Principles" of President Wilson such as would affirm our moral attitude without committing us to any precise programme.“26 Die handschriftliche Notiz von Informationsminister Duff Cooper, „Not, in my opinion, the moment“, beendete für die Home Morale-Kampagne vorerst das Thema. Das Statement des Home Morale Emergency Committee hatte aber have been the same, treacherous swaggering race – overbearing in triumph, whining when defeated. (...) The only way to deal with a bully is to face up to him and fight him. This German bully who much prefers beating-up helpless little nations now has to tackle us. But we have smashed him before by standing up to him and we will smash him again in the same way. Nothing else is possible. This treacherous cowardly bully will not leave one single generation to live in peace. Our lives, our children's lives will not be worth living whilst Nazi Germany stands. British men and women! Life shall be clean and bright again for you and yours and for all the world. Steel your hearts – nerve your sinews – keep your chins up – and together we shall hit this Nazi beats so hard that it will never rise again.“ „Anger“ Campaign, a.a.O., S. 4 24 „Hitler Speaks – flash-backs of old speeches with references to ‚the mighty German people‘ and cut in shots of them lording it – menacing Gestapo men watching passing civilians etc. – reconstructed if necessary. (...) How Nazis would run a British factory. Trial in British Court under Nazi jurisdiction. Council-meeting under Chairmanship of Nazi Kreisleiter. Nazified Council of acid type of spinsters and other unpleasant women hold court martial on woman who has failed to come up to Nazi ‚ideals‘.“ What have I got to loose even if Germany wins, o.D. [Juni 1940]. PRO, INF 1/251. In dem „Anger“ Campaign-Papier wurde noch ein Film empfohlen, The Same Old German (shots of the last war cut in with the present war) 25 Reith hatte vergeblich versucht, Chamberlain zu Versprechungen über soziale Reformen nach Beendigung des Krieges zu verleiten. „In time of war the progressive elements are eager to see the ideals for which the nation is fighting translated into concrete pledges of Government action at home and abroad. No one claims that the present social system is perfect. One effective remedy for possible discontent and disaffection in this country would be the adoption of a striking social policy.“ Memorandum by Minister of Information, [o.D.]. PRO, INF 1/867 26 Home Morale Emergency Committee, Report to Policy Committee, 4.6.1940, a.a.O. 91 zur Folge, dass Duff Cooper dem Kabinett ein erstes Papier über Friedensziele vorlegte – verfasst von Harold Nicolson –, welches das War Aims Committee Anfang September zu einem internen Memorandum erweiterte.27 Aber schon in den ersten Papieren des Home Morale Emergency Committee hatte es im Gegensatz zur „Anger“-Campaign eine Reihe ernstzunehmender Vorschläge für den Einsatz von Filmen zur Unterstützung der Kriegsmoral und zur Bekämpfung von Lethargie gegeben. Dabei war bereits die Funktion wie auch die Struktur umrissen, die der Films Division bei der Umsetzung von Propagandakampagnen zugedacht war. Herausgestellt wurde die Bedeutung der Wochenschauen für die schnelle Verbreitung der staatlich gewünschten Themen – eine Anerkennung der zukünftigen Primäraufgabe dieser Medienform.28 Die Wochenschaufirmen sollten aufgefordert werden, „to include items to emphasise importance of hard work, camaraderie and gay determination“29. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen – etwa mittels kurzer Beiträge über negative Auswirkungen von Gerüchten –, sollte die „guidance“ der Wochenschau intensiviert werden.30 Filmmaterial, das die G.P.O. Film Unit gedreht hatte, wurde den Wochenschauen kostenlos zur Verfügung gestellt. Um im Falle des Zusammenbruchs der regulären Kommunikationskanäle über ein weiteres Hilfsmittel zur Verbreitung staatlicher Nachrichten und Informationen verfügen zu können, sollte das Modell der „guidance“ von Wochenschauen dahingehend genutzt werden, eigene kurze Filme im regulären Wo- 27 Siehe: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 101-107 Siehe auch: Kapitel 8.3. 29 Home Morale Emergency Committee, Second Interim Report, 24.5.1940. PRO, INF 1/254 30 „The Director of the Home Publicity Division is giving guidance to the News Reel Companies twice a week.“ Report of Planning Committee on a Home Moral Campaign, 21.6.1940. PRO, INF 1/849 28 92 chenschauprogramm zu zeigen: Hier war das spätere Trailer-Programm erstmals angedacht. „Steps have been taken to use film for conveying to the public short messages whether of information or advice, in the bi-weekly news-reel programmes.“31 Das Komitee sprach sich für die Etablierung eines Kurzfilmprogramms aus, das in jedem Kino – notfalls auch gegen den Willen des Kinobesitzers gezeigt werden sollte. „Cinema exhibitors to be asked, and if necessary ordered, to show suitable M.o I. documentaries such as those on Agriculture and the Balloon Barrage.“32 Das war die Geburtsstunde des künftigen Five-Minute-Programms. Zwangsmaßnahmen sollten sich indes erübrigen. Nur knapp vier Wochen später konnte das Home Morale Emergency Committee berichten: „The Films Division has arranged that one short film a week on a subject of national importance shall be made by a leading director and unit. Each film takes a week to make and will be shown in every programme.“ Seiner Einschätzung nach, sei dies „a most vivid and effective way“, die Propagandaabsichten des Ministry of Information zu vermitteln.33 Die Empfehlungen des Komitees beinhalteten auch ein staatliches Produktionsprogramm mit Dokumentarfilmen, in dessen Mittelpunkt der ‚common man‘, der einfache Bürger stehen sollte. Entsprechend seiner Empfehlung an die B.B.C., der Stimme des einfachen Mannes mehr Gehör zu verschaffen, 31 Home Morale Emergency Committee, Report to Policy Committee, 4.6.1940. PRO, INF 1/254 32 Second Interim Report, a.a.O. [Bei dem Balloon Barrage-Film handelt es sich um Squadron 992] 33 Report of Planning Committee on a Home Moral Campaign, 21.6.1940. PRO, INF 1/849 93 „to bring working class people to the microphone“, hielt das Komitee es für ausgesprochen wichtig, „that we should embark without the slightest delay on short documentary films illustrating what the citizen is doing now to assist the national war effort and also what he should do in the event of invasion.“34 Die Dokumentaristen konnten sich freuen. Es war das einzige Mal, dass im Verlauf des Krieges das höchste Politikgremium, – die Mitglieder des Home Morale Emergency Committee kamen allesamt aus den Reihen des Policy Committee –, in konkreter Form die Politik und die Belange der Films Division bestimmten. In den folgenden Monaten und für den Rest des Krieges beschränkte sich das Gremium auf seine eigentliche Funktion, nämlich die Richtlinien der Propagandapolitik zu initiieren und zu formulieren. Je unkonkreter es dabei vorging, desto leichter war es für die Films Division, aus den allgemein formulierten Propaganda-absichten Themen herauszufiltern. Bei der Vielzahl von Parallel-Kampagnen und ‚General Directives‘ hatte jedes Thema die Chance, einer bestimmten Kategorie zugeordnet werden zu können. Es passierte äußerst selten, dass das Policy Committee der Films Division bestimmte Themen vorschrieb – zu den Ausnahmefällen gehörte die Reaktion auf den deutschen Überfall auf das East Dudgeon Leuchtschiff. Die Konkretisierung einer vom Policy Committee beschlossenen Kampagne führte gewöhnlich über das Planning Committee35 oder die General Production Division, die – meistens zur Vorlage für das Planning Committee – Idee und Zielsetzung einer Kampagne beschrieb und den einzelnen PublicityAbteilungen konkrete Themenvorschläge unterbreitete. Dabei war es der 34 35 Anger Campaign, 8.6.1940. PRO, INF 1/251 Siehe: Kapitel 7.3. 94 Films Division freigestellt, die Themen aufzugreifen oder eigene Vorschläge zu unterbreiten. Machten es einerseits die Empfehlungen des Policy Committee der Films Division leicht, sich aus dem Ideenangebot zu bedienen, bewirkte die Wahlfreiheit und die damit verbundene breite Streuung von Themen zwangsweise heftige Kritik am Gesamtprogramm der Films Division. Besonders die Documentary News Letter kritisierten die chaotische, nicht erkennbare Politik der Abteilung. Dass die Films Division gegenüber den Politikern häufiger die Oberhand behielt, sollen zwei Beispiele verdeutlichen. Die Gefahr einer deutschen Invasion deutete sich bereits Mitte Mai 1940 an. Doch erst nach der geglückten Evakuierung des British Expeditionary Force aus Dunkerque und vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Kapitulation Frankreichs initiierte das Policy Committee die Publikation einer Broschüre mit dem Titel ‚If the Invader Comes‘. Die Broschüre beschrieb sieben Verhaltensregeln, so u. a. keinen Gerüchten zu glauben; die Augen offen zu halten und den Deutschen keinerlei Hilfestellung zu geben. Die wichtigste aber lautete to ‚Stay Put‘, nicht davonzulaufen. Die Instruktionen, die das Ministry of Information mit Billigung des Kabinetts an alle Haushalte verteilte, enthielten aber keine Hinweise darauf, „(a) whether they – the civilians – are to fight, or (b) whether they may even take steps to protect themselves.“36 Es war nicht die Schuld des Ministry of Information, eine „absurde“ Situation herbeigeführt zu haben, indem die Menschen zwar aufgefordert wurden, im Falle einer deutschen Invasion in ihren Häusern zu bleiben, ihnen aber nicht gesagt wurde, was sie dann zu tun hätten. Das War Office, nach dessen Anweisung das Ministry of Information handelte, weigerte sich, eine eindeutige 36 Duff Cooper an John Anderson [Home Secretary], 6.6.1940. PRO, INF 1/878 95 Aussage zur eventuellen Bewaffnung der Bevölkerung zu machen, noch war es bereit, Instruktionen auszugeben, wie sich die Menschen im Falle einer Invasion zu verteidigen hatten.37 Auch die Films Division war in die Invasions-Kampagne des Ministry of Information eingespannt. Als einer der ersten Filme für das neue Five-MinuteProgramm wurde Mitte Juni ein Film über das Verhalten der Bevölkerung im Falle einer Invasion bei den D&P Studios in Auftrag gegeben. Nach einer Geschichte von Thorold Dickinson und Donald Bull schrieb Rodney Ackland das Drehbuch. Der bekannte Spielfilmregisseur Brian Desmond Hurst produzierte und führte Regie. Mit Miss Grant Goes to the Door38 produzierte die Films Division einen Film, der entgegen der offiziellen Botschaft des ‚Stay Put‘ dem Bürger eine aktive Rolle im Falle einer Invasion durch die Deutschen zuordnete. Konträr zur offiziellen Politik hatte die Films Division die passive Rolle, die der Bevölkerung während einer deutschen Invasion zugedacht war, in eine aktive 37 Ein weiteres Flugblatt unter dem vielsagenden Titel ‚Stay Put‘ bestätigte nochmals den Tenor des ersten Pamphlets. Auch ein Informationsblatt vom Mai 1941, ‚Beating the Invader‘ gab als Anweisung: „You will have to get into the safest place you can find, and stay there until the battle is over. For all of you then the order and the duty will be: ‚STAND FIRM‘.“ Im Gegensatz zum ersten Flugblatt enthielt es eine, wenn auch vage formulierte Antwort auf die Frage, ‚Sollte ich mich gegen den Feind verteidigen?‘: „The enemy is not likely to turn aside to attack separate houses. If small parties are going about threatening persons and property in an area not under enemy control and come your way, you have the right of every man and woman to do what you can to protect yourself, your family and your home.“ 38 Wie verhält man sich, wenn deutsche Fallschirmspringer im Vorgarten landen? Vor diese Frage sehen sich die beiden Grant-Schwestern gestellt, als eines Abend ein verletzter deutscher Fallschirmspringer vor der Tür ihres Cottage auftaucht. Die Invasion hat begonnen und das landesweit vereinbarte Warnzeichen, das Läuten der Kirchenglocken, ertönt. Der Fallschirmspringer ist schwer verletzt und stirbt. Hilfe erscheint in Person eines weiteren Eindringlings, der sich aber als britischer Offiziers ausgibt und die beiden Schwestern über einen nahegelegenen Flughafen auszuhorchen versucht. Er erbittet eine Landkarte. Doch dann verrät ihn ein Aussprachefehler. Mit dem Revolver des toten Fallschirmspringers hält Miss Grant den Mann in Schach, während ihre Schwester mit dem Fahrrad bei den nächsten Local Defence Volunteers Hilfe holt. Bevor die Hilfe auftaucht, bemächtigt sich der deutsche Offizier der Waffe und verläßt das Haus. Doch die Schwestern haben ihr Auto fahrunfähig gemacht und auch die Fahrräder eingeschlossen, und so kommt der Deutsche nicht weit. Er wird von den herbeigerufenen Helfern überwältigt. Der Kommandierende der Local Defence Volunteers lobt das kluge Handeln der Schwestern 96 verwandelt und traf damit weit besser den Nerv der Menschen, genaue Instruktionen und Handlungsanleitungen von seitens des Ministry of Information erwarteten. Die Resonanz auf den Film war überaus positiv. Man lobte die Dramatik der „strong story“ und die Schilderung der Hauptperson, „this untrained hand wielding the weapon, however ineffectively (...) was incidental propaganda for a ‚people's war‘.“39 Kritisiert wurde dagegen die Zuordnung der positiven Helden zur Mittelklasse. Fast alle Kurzspielfilme aus dem Jahr 1940 ließen ihre Geschichten im Milieu des wohlhabenden Mittelstands spielen, ob Salvage With a Smile; Miss Know All; Channel Incident oder die drei Careless TalkFilme. Spione und Informanten und sonstige Bösewichte kamen fast ausschließlich aus der Arbeiterklasse. Eine weitere Schwierigkeit bei der Einbeziehung von Film in Propagandakampagnen des Ministry of Information bestand darin, dass überlange Produktionszeiten und Probleme, einen Film in den Kinos zu platzieren, häufig eine konzertierte Aktion mit anderen publizistischen Medien verhinderte. Auch wenn im Falle von Miss Grant Goes to the Door die Produktion Anfang Juli 1940 abgedreht war, dauerte es noch bis zum August, bevor der Film in die Kinos kam. Es hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Invasionsangst gelegt40, sondern es waren auch die Local Defence Volunteers in Home Guard umbenannt worden – eine Entwicklung, die der Film nicht mehr berücksichtigen konnte. Ein Zeitproblem gab es auch mit dem Film Miss Know All. Das Home Morale Emergency Committee hatte in seinen Berichten verstärkte Anstrengungen 39 Siehe: Mass-Observation File Report No. 394, Mass-Observation Film Work, 10.9.1940, S. 3 und File Report No. 458, MoI Shorts, 25.10.1940, S. 1, zitiert nach: Aldgate/Richards, Britain Can Take It, a.a.O., S. 123 40 Siehe: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 77ff 97 zur Eindämmung von Gerüchten empfohlen. Gerüchte galten automatisch als gefährlich. Dass ihr Entstehen durch die restriktiv und widersprüchlich gehandhabte Nachrichtenpolitik des Ministry of Information begünstigt wurde, sah man erst allmählich ein. „The most favourable condition for the origin and spread of rumour is undoubtedly dread without knowledge“, stellte Tom Harrison von Mass-Observation fest41, oder wie McLaine es nannte, „rumour was a palliative used by a public frustrated by official news policy.“42 Nur einen Monat nach den ersten Empfehlungen des Home Moral Emergency Committee befahl Churchill, „that a wide campaign should be immediately put in hand against the dangers of rumour“.43 Zielte die ‚Careless Talk Costs Lives‘-Kampagne vom Anfang des Jahres noch auf die Verhinderung der Verbreitung von Informationen, die dem Feind nützen könnten, hinterließ die neue Kampagne den Eindruck, „that the authorities regarded almost any exchange of information or opinion on the war as unpatriotic and dangerous“ (McLaine). In Anzeigen und Plakaten wurden „Mr. Secrecy Hush Hush, Mr. Knowall, Miss Leaky Mouth, Miss Teacup Whisper, Mr. Pride in Prophecy“ und „Mr. Glumpot“ aufgefordert „Britain‘s Silent Column“ beizutreten, „the great body of sensible men and women who have pledged themselves not to talk rumour and gossip and to stop others doing it“. Es gab auch Plakate, die zur bewussten Denunziation von Personen, die Gerüchte verbreiteten, aufforderten.44 41 Note on Rumour by Mass-Observation, [o.D.]. PRO, INF 1/251, zitiert nach: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 79f 42 McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 80 43 Policy Committee minutes, 5.7.1940. PRO, INF 1/849 44 „If you know anybody who makes a habit of causing worry and anxiety by passing on rumour and who says things persistently that might help the enemy – tell the police, but only as a last resort.“ Es waren bereits Personen verurteilt worden, die „alarm and despondency“ verbreiteten. Zwischen der Silent Column-Kampagne und den Verurteilungen bestand aber kein direkter Zusammenhang und die Kampagne wurde ein „ghastly failure“ (Harold Nicolson) oder wie Home Intelligence zu berichten wusste: „Most serious cause are the prosecutions for defaitist 98 Zu der am 11.7.1940 gestarteten ‚Silent Column‘-Kampagne mit Plakaten, Radiosendungen und Zeitungsanzeigen sollte auch die Films Division ihren Teil beitragen. Sie beauftragte die D&P Studios, einen Kurzspielfilm für das Five Minute-Programm zu realisieren, der nach kurzer Produktionszeit in der zweiten Julihälfte unter dem provisorischen Titel – in Anlehnung an die Pressekampagne – als Miss Know All abgedreht war. Ende Juli wurde die negativ eingeschätzte Silent Column-Kampagne von Churchill fallengelassen und jede Form der Publizität im Hinblick auf Gerüchte und Tratsch aufgegeben. Die Films Division verbannte den fertigen Film aber nicht ins Regal, sondern überlegte, wie man ihn durch Schnittauflagen und einer eventuellen Titeländerung bearbeiten könnte. 45 Im September kam der Film innerhalb des Five Minute-Programms dann doch überraschend unter dem Titel Miss Know All in die Kinos. Obwohl die Kampagne abgebrochen worden war, schien die Films Division es nicht für notwendig zu erachten, die Aufführung des Films zu unterbinden Auch das Planning Committee griff nicht ein. Der Film, ursprünglich als Unterstützung der Silent Column-Kampagne gedacht, wurde als allgemeiner Propagandafilm über ‚Careless Talk‘ einem größeren Publikum zugemutet. Und mit dem Titel Miss Know All bewies die Films Division eine bemerkenswerte Chuzpe gegenüber ihren vorgesetzten Stellen. talk and for spreading rumours. There is alarm at the coincidence of measures which appear to be aimed at the freedom of the civilian.“ In: Home Intelligence Daily Report, 20.7.1940. PRO, INF 1/264, zitiert nach: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 83. 45 Welche Veränderungen gegenüber der ersten Version vorgenommen wurden, vielleicht handelte es sich lediglich um eine Änderung des Titels, lassen sich nicht mehr belegen. „Fletcher, G.P.O. Film Unit (Ger 266) should be asked today how the re-cut of the SCAREMONGERS is proceeding. Immediately it is ready, arrangements should be made for it to be seen by yourself, Beddington and Bernstein. The name of the editor at the G.P.O. Film Unit who is working on this is MacAlister.“ Dallas Bower an John Betjeman, 3.8.1940. PRO, INF 1/206. In späteren Listen wurde der Film nur noch unter dem Titel The Scaremongers geführt. Die existierende ehemalige Verleihkopie im National Film Archive, London, trägt den Titel Miss Know All 99 Die Verantwortlichen für die Propagandapolitik des Ministry of Information begannen schon Mitte 1940 an der Effizienz und Effektivität ihrer Anstrengungen zur moralischen Aufrüstung der Bevölkerung zu zweifeln. In einem Memorandum mit Ideen über die langfristige Politik des Ministeriums vom August 1940 wurde dieser Wandel manifest.46 Man hatte erkannt, dass die Bevölkerung direkter moralischer Aufrüstung nicht mehr in dem Maße bedurfte, wie es die Propagandisten noch einige Monate früher angenommen hatten. Die Menschen reagierten rationaler und ruhiger als erwartet. Das Memorandum kritisierte die ursprüngliche Einschätzung und verabschiedete sich von der „exhortation“- und „reassurance“-Ideologie der ersten Kriegsmonate. „Exhortation must be as far as possible abandoned. The word ‚morale‘ must not be used again. People must on no account be told to be brave. It is not likely that they will need any direct encouragement of this kind for the rest of the war. (...) The country is hard at work- i.e., ‚Go To IT‘ has succeeded. Direct exhortation to work hard should therefore be suspended.“47 Das Memorandum beschrieb die drei neuen Formen, mit denen der Bevölkerung die Botschaften des Ministry of Information vermittelt werden sollten: „Instruction“, „Information“ und „Explanation“. Da die Kompetenzen des Ministry of Information bei großen Teilen der Bevölkerung immer noch kaum bekannt waren – als Überbringer von Nachrichten verwechselte man es häufig mit dem Produzenten derselben – erfolgte eine Richtigstellung. „We were told to give the country instructions, but that can never be our job. Instructions must come from the Government and we can only act as a channel.“ 46 47 Notes for long-term policy of the Ministry, 24.8.1940. PRO, INF 1/251 Notes for long-term policy of the Ministry, a.a.O. 100 In selbstkritischer Einsicht fährt der Text fort, „Even when we give quite innocuous sounding instructions they always seem to involve dis-organisation. Moreover, people are not nearly as keen on receiving instruction as they pretend to be.“48 Als langfristige Strategie sollte das Ministry of Information zwei Hauptaufgaben verfolgen: informieren und erklären. Bei diesen Aktivitäten war das Ministerium auf die Kooperation anderer Ministerien und der Heeresabtei-lungen angewiesen. „[Information] is obviously one of our chief jobs, but here again we are enormously dependent on what we can screw out of Government Departments.“49 Mit der zweiten Form – Erklärung – betrat das Ministry of Information Neuland in der Vermittlung von Propaganda. „Explanation: This really is a promising field which has not been sufficiently worked in the past. We should think of all the things which people want explained and give the widest possible currency to the explanation. Explain the general character of the war, explain Hitler's methods, explain the meaning of Government instructions. Some of these explanations will depend on events – others can be planned ahead. Under ‚Explanation‘ we may group such general aims as: – What would happen to us if Germany won. Why this country, with all its defects, is no worse than others. What the Commonwealth means.“50 Auch wenn es Mitte 1940 noch zu früh war die Empfehlungen in die Tat umzusetzen – und es darüber hinaus strukturelle und administrative Hindernisse gab, die erst Anfang 1941 schwanden – zeichnete das Memorandum den Weg vor, den die allgemeine Politik des Ministry of Information in den kom48 Notes for long-term policy of the Ministry, a.a.O. Notes for long-term policy of the Ministry, a.a.O. 50 Notes for long-term policy of the Ministry, a.a.O. 49 101 menden Jahren einschlagen sollte. Für die Films Division und die Mitglieder des Documentary Movement bedeuteten solche Überlegungen eine Bestätigung ihrer eigenen Politik. Auch wenn sich Ministry of Information-intern langsam die Einsicht durchzusetzen begann, dass schlichte „reassurance“ und „mere exhortation (...) would be useless and even aggravating“51, befand sich das Ministerium immer noch in einer ungünstigen Situation gegenüber den Heeresabteilungen und anderen staatlichen Stellen, die das Ministry of Information lediglich als Dienststelle zur Ausführung ihrer Propaganda- und Publicity-Kampagnen sahen, die zumeist nur ideologische und patriotische Ermahnungen beinhalteten. Erst als Duff Cooper durch das Rücktrittsangebot seines Director General und des Controller of News and Censorships zum Handeln gezwungen einen entsprechenden Kabinettsbeschluss bewirkte, wurden die Kompetenzen des Ministry of Information neu definiert. Ausgangspunkt war die „handling of news“. Walter Monckton und Cyril Radcliffe drohten mit Rücktritt, wenn sich das System der Nachrichtenkontrolle und Verteilung nicht grundlegend änderte. In einem gemeinsamen Brief erläuterten sie ihre Vorstellung von Propaganda: „War is a method of persuasion – of persuading your adversary to yield. Propaganda is also a method of persuasion; and it is generally recognised that the impact of physical warfare can be greatly increased if it is accompanied by propaganda directed to the enemy's mind and will. (...) Above all, since propaganda is primarily an offensive arm, we must equip ourselves with an efficient machine against the time when the tide of the war turns and we can ourselves take the initiative towards victory. The tasks of propaganda are several:(1) To maintain the enthusiasm and perserverance of our own people. 51 Policy Committee, Executive Board minutes, 1.2.1941. PRO, INF 1/73 102 (2) To stimulate the people of occupied countries to believe in our ultimate victory and eventually to revolt against their oppressors. (3) To induce in the enemy a fear of our strength and power of endurance, admiration of our way of life, doubt about their own chances of victory and dissension among themselves. (4) To rouse in any remaining neutral countries and especially in the U.S.A. the will to come into fight on our side. No one doubts the importance and urgency of these tasks, which have been entrusted to the Ministry of Information. (...) Yet, in practice, he is consistently denied the powers necessary to perform them. Propaganda cannot spin itself out of nothing. Its raw material is news and information. But the Ministry of Information is so constituted by the Government that it has no control over either of these. It can decide neither what to make public nor when to make something public nor what line or shape to give to such information as is made public. It is thus a Ministry without a positive function (...). The only function left to it is the purely administrative one of the distribution of Government news, a task of the same order of importance as those assigned to the Post Office or the Stationery Office.“52 Die Rücktrittsdrohungen seiner leitenden Mitarbeiter hatten Duff Cooper veranlasst, das War Cabinet entscheiden zu lassen, „whether the head of the Ministry of Information is to be a very important Minister charged with the conduct of political warfare and therefore having control of all propaganda and publicity, or whether he is to be a high official with the duty of carrying out the directions of other Departments.“53 Doch die gewünschte Strukturreform scheiterte am Widerstand Churchills, für den das Ministerium immer schon von untergeordneter Bedeutung war. Duff Cooper, der eine Niederlage erlitten hatte, trat nur drei Wochen später zurück. Der Kabinettsbeschluss modifizierte nur geringfügig den status quo.54 52 Walter Monckton/Cyril Radcliffe, Memorandum [Revised Draft], Mai 1941. PRO, INF 1/857 Memorandum des Minister of Information, 24.6.1941. PRO, CAB 66/17, zitiert nach: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 237. McLaine beschreibt ausführlich diesen „war for news“, der auch unter dem Titel „Battle of Bloomsbury“ bekannt wurde, a.a.O., S. 232-239 54 Memorandum, Information and Propaganda, 1.7.1941. PRO, INF 1/857. Die folgenden Zitate sind diesem wahrscheinlich von John Anderson (Lord President of the Council) verfassten Memorandum entnommen, das ihm als Grundlage seiner Rede vor dem House of Commons am 3.7.1941 diente 53 103 Die Nachrichtenverteilung und die Ausgabe von offiziellen Kommuniqués erfolgte weiterhin über das Ministry of Information.55 Zu diesem Zweck waren die anderen Ministerien aufgefordert, das Ministry of Information mit genügend Nachrichtenmaterial zu versorgen. Das Ministry of Information erhielt jedoch nicht die alleinige Verfügungsgewalt über die Nachrichten. Offizielle Kommuniqués der Service Departments durften nicht einmal im Wortlaut geändert werden, und darüber hinaus hatten alle Minister – und nicht nur die Service Minister – ein Veto- und Vorschlagsrecht gegenüber dem Ministry of Information.56 Regierungsstellen mit Public Relations-Abteilungen konnten weiterhin direkte Pressekontakte haben, soweit es sich um Aktivitäten „of a purely departmental nature“ handelte. Die einzige Konzession, die Churchill Duff Cooper zubilligte, bestand in der Zentralisierung aller übergeordneter und mehrere Regierungsstellen betreffenden Publicity im Ministry of Information. „The Ministry of Information will act as the central agency for the conduct of all publicity which affects more than one Department or subserves the policy of the Government as a whole. All organised propaganda carried out on behalf of one or more Departments through the medium of the Press, films, posters or radio will be conducted through the Ministry of Information.“ Die Public Relation Officers der Ministerien wurden angewiesen, mit dem Ministry of Information auf engste zu kooperieren „in the organisation and conduct of propaganda relating to the prosecution of the war. In this work they 55 „The issue of news and official communiques will continue to be canalised through the Ministry of Information.“ 56 „In the interests of national security, however, the publication of war news from the Fighting Departments, or from Civil Departments in their connection with the war, must be subject in the event of dispute to the veto of the Departmental Minister concerned. (...) The general duty of censorship, like that of exploiting news, will remain a function of the Ministry of Information (...). Departmental Ministers will, however, retain their right to veto or require the publication of particular facts or statements where they think it necessary to do so in the interests of national security.“ 104 should function, not independently, but as a member of a team under the Minister of Information.“ Damit wurde endlich ein Status erreicht, der eine koordinierte wenn auch abhängige Propaganda- und Publicity-Aktivität durch das Ministry of Information gewährleistete. Mit Ausnahme des Ministry of Health, das weiterhin seine eigenen Kampagnen inszenierte, akzeptierten andere staatliche Stellen die Rolle des Ministry of Information. Sie legten die Vorschläge für ihre Propagandakampagnen dem Ministerium vor, das durch seine General Production Division über das geeignete Medium und die Verbreitung der Kampagne entschied. Anhand der „Fire-Guard“-Kampagne soll dieser Mechanismus, der stellvertretend für viele andere Propagandakampagnen galt, beschrieben werden. Am 5.6.1941, nach neun Monaten schwerster deutscher Luftangriffe auf englische Städte, schrieb John Gater vom Ministry of Home Security an Walter Monckton und bat ihn um Hilfe bei einer Kampagne zur Unterstützung des 'fire watching' und der Brandbombenbekämpfung. „It is essential to achive a greater sense of urgent national need for fire watching and fire bomb fighting. (...) those concerned need to realise that fire bomb fighting is not a limited liability on the part of the citizen to his employer or to his own household, but is National Service.“57 Monckton versprach ihm volle Unterstützung durch das Ministry of Information. Die General Production Division wurde beauftragt, die Absichten der Kampagne und dessen Zielgruppe zu Papier zu bringen. Dabei wertete diese Abteilung sowohl Informationen der Reference Division aus, als auch die ‚Weekly Reports‘ der Home Intelligence Division. Die General Production Di- 57 Gater an Monckton, 5.6.1941, in: The Fire Guard (Proposed Campaign for Civil Defense), 10.7.1941. PRO, INF 1/251 105 vision lieferte ihren Bericht am 25.6.1941. Zu den Diskussionen mit dem Ministry of Home Security hatte man auch eine Werbeagentur mit herangezogen. Am 10.7.1941 lag dem Planning Committee ein Papier zur Genehmigung vor, das die Problemstellung beschrieb und detaillierte Vorschläge für den Einsatz der verschiedenen Medien für die Umsetzung der Kampagne unterbreitete.58 Neben der freiwilligen Air Raid Patrol gab es auch eine ‚Fire Prevention (Business Premises) Order‘ von 1941, die den Betreibern von Geschäften die Verantwortung zum Brandschutz obligatorisch übertrug. Unklarheiten in der Ausführung des Gesetzes, Arbeitnehmer fühlten sich ihrem Arbeitgeber ausgeliefert, führten zu „doubt, suspicion and in certain cases, downright opposition“. Die Kampagne sollte einerseits klarstellen, dass ‚fire watching‘ ein National Service war und gleichzeitig die Moral der Brandbombenbekämpfer heben. „There is the need to raise the morale of the great majority of fire-bomb fighters. (...) If they are to take their turn with a good heart during a lull such as we have at present, or to tackle bombs with spirit and skill when a blitz occurs, they will need to be imbued with a sense of the importance of their part in defending the country against one of the major weapons of war – fire.“ Für die Umsetzung der Kampagne sollten Plakate, Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften mit editorischen Unterstützung und Ausstellungen in Schaufenstern von Geschäften benutzt werden, ‚speakers' notes‘ für Vorträge sollten ausgearbeitet werden, die Dienste der B.B.C. sollten ebenso genutzt werden wie die der Films Division. „It is suggested that a number of films be made e.g. five-minute film and a longer instructional film for showing to general and special audiences. Fire- 58 The Fire Guard (Proposed Campaign for Civil Defense), 10.7.1941. PRO, INF 1/251. Die folgenden Zitate stammen aus diesem Memorandum 106 bomb fighting could also provide good material for news reels, and a trailer showing how to organise and train fire-bomb squad would be useful.“ Das Planning Committee segnete die Kampagne ab und die Films Division beauftragte Ende Juli die Shell Film Unit, einen längeren Lehrfilm für den Non-Theatrical Verleih unter dem Titel Fire Guard zu produzieren. Die Produktion eines Five-Minute Films zum Thema wurde ebenfalls erwogen. Anfang September kam das Ministry of Home Security erneut auf die Films Division zu, mit dem Wunsch nach einem weiteren Film. Auslöser war der Erfolg von Target for Tonight. Wie späterhin die Admiralität mit Western Approaches und Close Quarters wollten plötzlich einige Ministerien eine ähnlich publikumswirksame Darstellung ihrer Aktivitäten, so auch das Ministry of Home Security, dem die Cicil Defence Executive unterstellt war. Die Films Division griff den Vorschlag bereitwillig auf und legte dem Planning Committee einen erneuten Antrag vor. „The Ministry of Home Security has asked for a three-reel film to draw attention to the problem of incendiary bombs. At present, Films Division is making, primarily for American non-theatrical distribution, a three-reel film about the fire situation and may consider a five-minute film from the same material. Home Security, however ask that in addition a dramatic, human three-reel film should be made for commercial distribution in this country. It is proposed that, if the subject is agreed, the film should be made as an allied service by the Crown Film Unit. Authority is sought to proceed accordingly, with a preliminary expenditure of up to £ 100 on the script. Production budget to be agreed with Finance. This film is primarily intended to do for the firefighting services what ‚Target‘ did for Bomber Command.“59 Vermutlich hatte Ian Dalrymple sogar Harry Watt, den Regisseur von Target for Tonight gefragt, ob er den Film für die Crown Film Unit drehen wollte. Vielleicht lehnte Watt ab, und empfahl Humphrey Jennings. Nach Dalrymple war es jedenfalls Watts Idee, Jennings die Regie zu übertragen. „We must try to 59 Home Planning Committee, Films Division Proposals, 11.9.1941. PRO, INF 1/251 107 get Humphrey to do an action picture, because everything is so static with Humphrey. All his setups are static. The people are static“60, so Harry Watt gegenüber Dalrymple. Aus dem Vorschlag des Ministry of Home Security wurde ein Target for Tonight bei weitem ebenbürtiger Film, Humphrey Jennings Fires Were Started. Doch zurück zu den Beschlüssen des War Cabinet. Es hatte der Films Division zum erstenmal die Kontrolle über alle filmischen Aktivitäten der anderen Ministerien zugesprochen. Eine Hintertür ließ man jedoch offen: „Nothing in this plan need prevent the use of a Departmental organisation for the execution of a particular project (e.g. the making of a film), where that is generally recognised to be the most convenient course, but this must not derogate from the responsibility of the Ministry of Information over the field of propaganda as a whole.“61 So blieb während des Kriegs die Produktion der Food Flashes und der War Work News unter der Kontrolle des Ministry of Food respektive des Ministry of Supply. Auch auf die Produktionsaktivitäten des British Council62, der unter den Fittichen des Foreign Office agierte, hatte die Films Division nur geringen Einfluss. Ebenso blieben alle militärische Trainingsfilme dem Einfluss der Films Division entzogen. „Instructional Films, such as those prepared by the War Office in connection with the training of troops, are on a different footing and should remain the responsibility of the Department.“ 60 Ian Dalrymple zitiert Harry Watt, in: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 146 61 Memorandum, Information and Propaganda, 1.7.1941. PRO, INF 1/857 62 Siehe: Kapitel 4.3. 108 Unter Informationsminister Brendan Bracken wurde das Ministry of Information zu einem Ministry of Explanation, eine Funktion, die das Memorandum über die langfristige Politik des Ministeriums dem Ministry of Information schon 1941 zugeschrieben hatte. Propaganda in Form moralischer Aufrüstung und Ermahnung verschwand vollständig aus seinem Repertoire. Das Ministry of Information gewann zunehmend Vertrauen in die Fähigkeit der Bevölkerung, sich rational zu verhalten, und ihre Situation selbst einzuschätzen. „The British public as a whole shows a very high degree of common-sense“63, mussten die Propagandisten überraschend konstatieren. Eine „propaganda of events“ beeinflusste wesentlich nachhaltiger die Moral der Bevölkerung, als jede noch so patriotische Ermahnung. Ein Memorandum von Bracken an das War Cabinet beschrieb im April 1942 die neue Politik der Ministeriums, die Bracken konsequent bis zum Ende des Krieges verfolgte: „There must be more explanation: not only about the Armed Forces and the war situation but also about production, labour, war-time restrictions and the big problems that affect the life of everyone to-day. When the public is bewildered by something new a failure to explain means the risk of driving a wedge between Government and public (...). We must stop appealing to the public or lecturing at it. One makes it furious, the other resentful. General appeals to the public or particular sections of it to work harder should not be made. There are too many people already working to the limit of their capacity or unable to do so for reasons beyond their control.“64 63 Stephen Taylor, Home Morale and Public Opinion, 1.10.1941. PRO, INF 1/292 Memorandum by Minister of Information, 10.4.1942. PRO, CAB 66/23, zitiert nach: McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 257 64 109 4.2. The Plan and the People: Propagandaauftrag und Realität: Die Film- und Propagandapolitik der Films Division Eine von der Films Division formulierte Filmpolitik haben nicht nur die Kritiker aus den Reihen der Documentary News Letter vergeblich einzuklagen versucht. Natürlich gab es aufgrund der politischen Einstellungen und Entscheidungen der Protagonisten eine praktizierte Filmpolitik, aber dieser fehlten die theoretischen und ideologischen Grundlagen genauso wie konkrete inhaltliche Vorstellungen über das, was gezeigt werden sollte. Das wenige Prinzipielle, das die Films Division zu Papier gebracht hatte, waren Überlegungen, die Arbeit der Abteilung effizienter zu organisieren und zu kontrollieren und bestanden hauptsächlich aus Strukturplanungen von Filmprogrammen und Arbeitsabläufen. Die Films Division hatte nur ein einziges Mal, Anfang 1940, den Versuch unternommen, ihre Arbeit und ihre filmpolitischen Absichten in einem ‚Programme for Film Propaganda‘ schriftlich zu fixieren. Es lassen sich dennoch vier unterschiedlich begründete politische Phasen der Films Division beschreiben: Die erste Phase war deckungsgleich mit dem Planungszeitraum des Ministeriums und der Films Division. In der zweiten Phase, die man als „kommerzielle“ bezeichnen kann, stand das Interesse und die Befriedigung der Bedürfnisse der Wochenschaufirmen und Spielfilmproduzenten im Vordergrund. Die anschließende dritte Phase, eine „politische“, orientierte sich an den Interessen des Staatsapparates bei Wahl der Themen wie auch der Produktionsfirmen. In der vierten Phase, ebenfalls eine „politische“ Phase, verlagerte sich der Schwerpunkt der Propagandabemühungen von der Heimatfront auf die „liberated territories“. 110 Bei allen programmatischen Papieren oder Äußerungen der Hauptbeteiligten fällt auf, dass strukturelle Überlegungen oder technische Klassifizierungen Vorrang hatten vor thematischen oder inhaltlichen Überlegungen, so auch in den Planungspapieren des Film Publicity Sub-Committee zur Filmpropaganda an der Heimatfront. Dieses Gremium benutzte die staatlichen Filmpropagandaaktivitäten während des Ersten Weltkriegs1 als Bezugspunkt, und empfahl, entsprechend dem historischen Vorbild, die Propagandaaufgaben durch die existierenden Kanäle der Filmwirtschaft durchzuführen zu lassen. „...it is inferred from the Reports of the War Office Cinematograph Committee that the Ministry carried out its film operations also largely through trade channels. We consider that these arrangements should again be the basis of the Ministry‘s film organisation.“2 Die Wochenschauen sollten das wichtigste Instrument staatlicher Filmpropaganda sein, „we regard the News film as an essential and possibly the most important instrument for film propaganda“, und das Ministerium sollte versuchen, eine eigene Wochenschau nach dem Vorbild der British News zu etablieren. Auch kam man zu der Einsicht, dass nicht alle staatlichen Filmaufgaben mit Hilfe des freien Marktes exekutiert werden konnten. „On the supposition that the functioning of the industry would be maintained as far as possible in time of emergency and that, as during the last war, the industry in co-operation with the Ministry would carry out, on a normal commercial basis, the production and distribution in this country and overseas of the major part of the film requirements of the Ministry (...) there may still remain a number of films which must be produced and distributed at the public cost.“3 1 Siehe: Kapitel 2.1. Ministry of Information, Publicity Division: Planning Section. Home Publicity. Film Publicity Sub-Committee. Interim Report, 7.7.1939. PRO, INF 1/726 3 Ministry of Information, Publicity Division: Planning Section. Home Publicity. Film Publicity Sub-Committee. Interim Report, a.a.O. 2 111 Für die Produktion dieser Filme sollte neben kommerziellen Produktionsfirmen hauptsächlich die G.P.O. Film Unit herangezogen werden. „It is assumed that the Post Office Film Unit will form the nucleus of the Ministry‘s direct production and distributing organisation.“4 Weiterhin war ein Maschinenpool vorgesehen, aus dem sich Organisationen und Institutionen Filmprojektoren für ihre Veranstaltungen ausleihen konnten. So wollte man für die Filme des Ministry of Information eigene Abspielmöglichkeiten schaffen, „ [to] supplement existing commercial and official facilities for the display of films“. Es ist verblüffend, wie vorausschauend im Film Publicity Sub-Committee die Strukturen und Aufgaben der künftigen Films Division beschrieben wurden. Selbst der dokumentarische Spielfilm, den die Crown Film Unit während des Krieges zu ihrem Markenzeichen machte, wurde in den Papieren des Film Publicity Sub-Committee bereits erwähnt. „The construction of propaganda films involves the introduction of elements of interest and drama into subjects which are apparently prosaic. In the course of its work the G.P.O. Film Unit has done a great deal of experimentation in the use of sound, commentary and music, and has studied the presentation of material in film form to such effect that it can now be fairly claimed that means have been found for presenting any Post Office subject, however unprepossessing at first sight, in an interesting and popular style.“5 Die Planer waren sich einig, dass der Erfolg von North Sea, einem Dokumentarfilm in narrativer Form, „warrants serious consideration of the use of the story form in presenting Government propaganda.“6 4 Ministry of Information, Publicity Division: Planning Section. Home Publicity. Film Publicity Sub-Committee. Interim Report, a.a.O. 5 E.T. Crutchley, International Propaganda and Broadcasting Enquiry. Home Section. G.P.O. Film Unit, 25.5.1939. PRO, INF 1/726 6 E.T. Crutchley, International Propaganda and Broadcasting Enquiry. Home Section. G.P.O. Film Unit, a.a.O. 112 Was jedoch die Inhalte der Filme anging, die in den neuen Strukturen produziert und verliehen werden sollten, so wartete das Film Publicity Sub Committee nur mit Allgemeinplätzen auf. Die Empfehlungen, die es „for the use of films in steadying the national spirit during a state of emergency“ aussprach, und die das Ministerium noch vor Kriegsbeginn in Eigenregie publizieren sollte, waren identisch mit den offiziellen Verlautbarungen im Kriegsfall, wie „The King‘s Message; The Prime Minister‘s Statement; The National Poster and Slogan; The Lord Privy Seal‘s general pamphlet on emergency measures; instructional pamphlets on evacuation, lighting restriction, the gas mask, protective measures in the home, etc.; a reassurance film“.7 Auch nach Kriegsbeginn standen neben Wochenschauen, denen Priorität eingeräumt wurde, Auftragsproduktionen für andere Ministerien als auch weitere „reassurance films“ auf ihrer Liste. Dabei machten es sich die Planer erwiesenermaßen leicht. Um detaillierte Themenvorschläge zu vermeiden, verwiesen sie einfach auf die Produktionen der Films Division des Ersten Weltkriegs, „films like those used during the last war“. Während diese Filme von staatlicher Seite produziert werden sollten, blieb die Produktion von „battle pictures, longer films telling of the victories and power of Britain and her Allies, of the unity existing between them, the characteristics of English life in war and peace, the appearances in public of the King, and so on“8 den „trade channels“ überlassen. Die Filme waren in vier Kategorien einzuordnen. Sie sollten ermahnen, warnen, beruhigen und informieren. Und damit war auch schon das Spektrum 7 Ministry of Information, Publicity Division: Planning Section. Home Publicity. Film Publicity Sub-Committee. Interim Report, a.a.O. 8 Ministry of Information, Publicity Division: Planning Section. Home Publicity. Film Publicity Sub-Committee. Interim Report, a.a.O. 113 abgedeckt, in dem sich die Begründung von Filmprojekten durch Politiker, Macher und Produzenten bewegte. Ein Treatment erstellt von einem Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit zu einem ersten „reassurance film“ lag bereits vor.9 Dieser „Britain is ready“ spielte bereits mit archetypischen Motiven nationaler Identität, die in vielen späteren Filmen des Ministry of Information zu finden sein würden: die Rückbesinnung auf „rural England“; die Tradition der freien Meinungsäußerung und des Individualismus; die unbesiegbare Festung England, „the cradle of democracy“, die es zu verteidigen gilt; die „calm courage“ der Nation; die starke Betonung der Marine.10 9 Vorgelegt von der G.P.O. Film Unit, und als Appendix E dem Interim Report beigefügt. Britain is ready, Film Publicity Sub-Committee. Reassurance Film, 11.7.1939. PRO, INF 1/726 10 „BRITAIN IS READY. 1. Over the titles on the soundtrack we have typical English Pastoral music (...). 2. Fade into a series of pastoral scenes in country lanes, cottages, landscapes, the man at the plough, fields of corn – over this the music increases in tempo. 3. Dissolve to a panorama of an industrial landscape. 4. Dissolve to a busy street. 5. A fun fair – (here the music changes to popular songs on a steam organ). 6. The crowds an Hampstead Heath (continue the same music). Commentary. Britain is facing the most serious moment in her history. 7. A series of shots – men gardening in the suburbs – men playing darts in pubs – women hanging out their washing. Commentary. This home of freedom. 8. A series of shots –children in a playground laughing and playing – on swings and roundabouts – crowds at a football match – speakers in Hyde Park – youths, men and girls cycling through the countryside. Commentary. This cradle of democracy. 9. Shots of the cliffs of Dover – of the sea breaking on a rocky coast. Commentary. We have been threatened before – but for nearly a thousand years no invader has conquered this land. 10. Dissolve to Tommies marching along to the tune „Pack up your troubles in your old kitbag.“ Nayv men marching to tune „We’re the Navy, the British Navy.“ (...) 12. Dissolve to series of quick flashes – of anti-aircraft guns – tanks – searchlight crews. (...) 15. Dissolve to shots of factories at work. Commentary. But wars are not won only in the air, at sea, or in the field – they are won by the calm courage of our people at home. 16. Dissolve to close-up of workers concentrating at their machines. (...) 17. Shot of merchant convoy at sea. (...) 18. Shot of cargoes being unloaded. (...) 21. Series of shots of army. Introduced by ordinary soldier. (...) 114 Die Ideen waren skizziert und die Themen ausgebreitet. Es hing nun von den politischen Einstellungen der Verantwortlichen in der Films Division ab, wo die Prioritäten künftiger Filmpropaganda lagen. Joseph Ball, der erste Leiter der Films Division und auch sein Nachfolger Kenneth Clark sahen keine Veranlassung, die beiden wesentlichen Prämissen des Planungsgremiums zu revidieren: staatlich beeinflusste Filmpropaganda hatte durch „ordinary commercial channels“ zu erfolgen unter besonderer Bevorzugung der Wochenschauen. Diese Vorstellungen schlossen in der Praxis Dokumentarfilmproduktionen erst einmal aus. Für Ball war es klar, „to use the existing trade organisations to the fullest possible extent for the production, distribution, and theatrical exhibition of films of value to the Ministry.“ Diese Politik erläuterte der parlamentarische Staatssekretär des Ministry of Information im Unterhaus folgendermaßen: „The policy of the Ministry of Information as regards propaganda films is not to embark upon production of such subjects at the government expense except in exceptional circumstances, but rather to encourage and assist the production and distribution of suitable films through the ordinary commercial channels.“11 Commentary. Voice of ordinary soldier giving a note of confidence in our army. (...) 23. Shots of the navy. (...) „The spirit of Britain remains indomitable.“ (...) 25. Dissolve to ships at anchor in the sunset over the North Sea – the guns are manned – the men are at action stations. Commentary. We are passing through a time of crisis. We are threatened – but we shall not falter. BRITAIN IS READY. Die starke Betonung der Musik legt die Vermutung nahe, dass das Treatment von Humphrey Jennings geschrieben wurde. Der Interim Report des Film Publicity Sub-Committee vom 7.7.1939, a.a.O., sah Filme nach diesem Muster als eine Form staatlicher Filmproduktion: „The specimen treatment is intended only as an indication of the type of film which might require to be made officially if the continued ban on consultation with the cinema trade excluded the possibility of commercial production.“ 11 Sir Edward Grigg, Parlamentarischer Staatssekretär des Ministry of Information im Unterhaus, in: Kinematograph Weekly, 26.10.1939 115 Der Wechsel in der Leitung der Films Division brachte vorerst keine Änderung. Auch Kenneth Clark vertrat dieselbe Politik. „Let nobody have the grotesque idea that the Ministry is a production rival. I am going to use all in the Industry to put over Britain in a big way (...). The Ministry will sponsor a broad scheme of production.“12 Clark unterstützte explizit Balls Politik, den Wochenschauen Priorität einzuräumen. 12 Ministry of Information Sponsors British Production Scheme, Kinematograph Weekly, 11.1.1940, S. C4. In dem Interview äußerte sich Clark auch über seine Vorstellungen, mit welchen Themen die englische Filmindustrie auf den Krieg reagieren sollte. Er schloss dabei den Dokumentarfilm als dem Spielfilm gleichberechtigten Ideentransporteur mit ein: „We must on the screen tell our own peoples, tell our Empire, tell the whole world what we are doing to win the war, bring home the great national effort and sacrifices we are making. What we are fighting for must be ‚put over‘ on the world by indirect methods, of which the filmic form is one. We do not want ‚blah‘ of jingoism, but a concrete form embodied in the feature film as well as the documentary. We can make interesting entertainment pictures of propaganda value on topics which are today part and parcel of the national effort – the Convoys, Contraband Control, Minesweepers, Security Patrols and other phases of modern warfare. Our pictures for foreign distributions must reflect what we are like, the thoughness of our national fibre, the instinctive fundamentals of our character. They must show that we are capable of red grit and sacrifice.“ Eine antisemitische Äußerung in dem selben Interview hatte heftige Reaktionen zur Folge: „We have got to win this war. The film will help to do it. It is perhaps the most important instrument of propaganda. If we lose the War – IF – let the essential non-British and jewish element in the Industry realise what would happen to them under Totalitarian control. We MUST win, and I seek the good will and co-operation of everybody – producers, distributors, exhibitors – yes, and the public.“ Dieser antisemitischen Äußerung Clarks wurde von George Archibald, europäischer Verleihchef der United Artists, im Namen der umworbenen Filmindustrie schärfstens widersprochen: „You argue that the Film Industry must help to win the war because Totalitarianism would be so unpleasant for what you oddly describe as the ‚essential non-British and Jewish element in the Industry.‘ May I as a Scotsman assure you that I should find it no easier to accomodate myself to Totalitarism than would my Jewish colleagues. I would add that in the Film Industry we do not think of a man as ‚non-British‘ because he is Jewish. In any case, I do not understand why the Film Industry should be singled out for this superfluous reminder, which almost bears the implication that some failure on the part of the Industry has made it necessary. I think it is only fair to you to restate explicitly that every section of the Industry is anxious and willing to help, but after four months of masterly inactivity on the part of the Ministry of Information, you are hardly entitled to lecture the Industry on why it should help.“ The Sir Kenneth Clark Interview. Trade Protest Against M.O.I. Chief‘s Statement. An Open Letter from G. Archibald, in: Kinematograph Weekly, 25.1.1940, S. 5. Die Association of Cine-Technicians griffen Clark in derselben Ausgabe mit einem ähnlich scharfen Leserbrief an 116 „The newsreel are vital to us, and one of my first task is to give my attention to them. I am seeking additional means by which our news reels giving a full record of Britain‘s activity, shall be widely distributed all over the world.“ Ball und Clarks Überlegungen wurden einerseits von der Angst vor einem staatlichen Eingriff in den freien Filmmarkt beherrscht, wo „the industry, being free and dependant for its existance on what the public will pay to see, judges solely by the interest-value which they believe will appeal to their audiences“13. Andererseits wollten die beiden Politiker auch keine offene ideologische Beeinflussung der Bevölkerung. Dass sie dadurch in ein doppeltes Dilemma gerieten, lag auf der Hand. Die ideologische Beeinflussung der Bevölkerung war angesichts der Existenzbedrohung des Staates genauso notwendig wie der Eingriff in existierende Marktstrukturen, um die entsprechenden Propagandabotschaften zu transportieren. Ball und Clark gaben sich jedoch der Täuschung hin, dass sich staatliche Propagandaaufgaben unauffällig, gleichsam durch die Hintertür erledigen ließen, wenn man nur auf die selbstregulierenden Marktmechanismen der Unterhaltungsindustrie vertraute, die man lediglich ein wenig zu „beeinflussen“ hoffte, „(...) we shall be reaching ready-made world-wide audiences with films produced by the trade for commercial purposes, which, although they may have been influenced by the Ministry for its own purposes, will nevertheless be produced by the trade for commercial purposes and will, therefore, not be suspected of being propaganda films at all.“ Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits im General Plan of Operations vom September 1939.14 Auch Kenneth Clark wich wenigstens öffentlich von dieser Politik gegenüber der Filmwirtschaft nicht ab. 13 Edward Villiers an Joseph Ball, 16.10.1939. PRO, INF 1/196 Ministry of Information – Films Division, General Plan of Operations, 25.9.1939. PRO, INF 1/194 14 117 „I would add two things, firstly, no film is good propaganda unless it is good entertainment. (...) Secondly, it must be realised that the essence of successful propaganda is that people should not be aware of it. If you make people ‚think‘ propaganda, their resistance to it is increased. A scheme of purely Ministry film propaganda per se would do our cause the worst possible harm. Sponsorship, guidance, direction into the channels we wish, yes. The great force of the film – as a medium of propaganda – draws it power from the elementary thesis that propaganda is implicit and not explicit.“15 Dass man es dabei nicht bewenden lassen konnte, war Clark mit Sicherheit klar. Auch wenn man Joseph Ball in der Umsetzung seines Konzeptes zu Recht Untätigkeit, gar Verweigerung vorwerfen konnte16, lag bereits drei Wochen nach Kriegsbeginn ein Operationsplan vor, von G.E.G. Forbes vorbereitet, der wesentlich umfangreicher war als die Vorschläge des Planungsgremiums und der bereits alle Elemente der zukünftigen Films Division enthielt. Gegen den politischen Willen Joseph Balls sollten sich Strukturen etablieren, deren Inhalte mit konservativer Politik unvereinbar waren. So sollte ein NonTheatrical Scheme eingerichtet werden, das „wherever possible and necessary (...) supplement theatrical distribution through the trade. (...) We shall be reaching ad hoc audiences, drawn together for the express purpose of seeing, often free of charge, selected British films; and it is, of course, inevitable that these films will be recognised as propaganda films from the very outset.“17 Überraschenderweise wurde in dem gleichen Papier, das als ‚secret‘ eingestuft war, auch den Dokumentarfilmern eine Funktion zugewiesen. 15 Ministry of Information Sponsors British Production Scheme, a.a.O. In seinen Memoiren gibt Kenneth Clark eine beißende Beschreibung von Joseph Ball: „There was nothing to be learnt from my predecessor in the job. He was a man named Sir Joseph Ball, who had secured the patronage of Mr Neville Chamberlain because he owned a reach of the River Test, and asked Mr Chamberlain down to fish. I paid him a routine call, and found a small, fat man sitting behind an empty desk, with lines of cigarette ash strechted across the folds of his waistcoat. He cannot have moved for a long time. He did not bother to be polite to me, and when I asked him about his staff said that he had never met them.“ Clark, The Other Half, a.a.O., S. 10 17 Ministry of Information – Films Division, General Plan of Operations, a.a.O. 16 118 „We can, in addition, finance or help to finance some of the best British documentary film producers for the production of short documentary films approved by us.“ Das ganze Spektrum staatlicher Filmpropaganda war damit benannt, indes nur auf dem Papier. Die Praxis sah anders aus. Aufgrund seines politischen Selbstverständnisses sah Ball die filmische Publicity an der Heimatfront durch die beabsichtigte aber nicht realisierte Unterstützung von Spielfilmprojekten und die extensive Hilfe, die er den Wochenschauproduzenten angedeihen lassen wollte, abgedeckt. Priorität schien für ihn die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Ausland und insbesondere in den USA zu haben. Balls Ideen, wenngleich dilettantisch und von vornherein zum Scheitern verurteilt, anerkannten wenigstens die amerikanische Dominanz des Filmmarktes. So sollten amerikanische Produzenten und Filmstars mit pro-britischen Einstellungen überredet werden, Filme zu produzieren, deren Drehbücher vom Ministry of Information geschrieben oder genehmigt waren. Auf diese Weise könnte sowohl der weltweite Vertrieb als auch der Makel, britische Propaganda zu sein, gelöst werden, da es sich um amerikanische Produkte handelte. Amerikanische Kinobesitzer sollten darüber hinaus überredet werden, vermehrt britische Filme und Wochenschauen zu zeigen. Die Produktion von Kurz- und Dokumentarfilmen für den Non-Theatrical Vertrieb wurde, besonders in den USA, als „most effective“ angesehen, „(...) this type of film, one in which English producers have excelled, reaches an important section of the American public and no efforts should be spared to reach them and to overcome these difficulties.“18 Dass er dabei aber nicht auf die Hilfestellung und die Pläne zurückgriff, die John Grierson für einen Non-Theatrical-Verleih in den USA angeregt hatte, entsprach seiner Abneigung gegenüber dem Documentary Movement. 18 Villiers an Ball, 16.10.1939, a.a.O. 119 Im Gegensatz zu Clark, für den Propaganda an der Heimatfront Priorität genoss, musste sich Ball verstärkt mit den Foreign Publicity Divisions arrangieren, und man traf detaillierte Vereinbarungen, Kurz- und Dokumentarfilme für verschiedene Länder zu produzieren. Die Untätigkeit der Films Division erweckte jedoch politische Begehrlichkeiten bei den Foreign Publicity Divisions, die die Filmabteilung fast ihre Existenz gekostet hätte.19 Lord Macmillan hatte noch vor seinem Ausscheiden als erster Informationsminister für das Policy Committee ein Papier ausgearbeitet, das die „Principles underlying British war-time propaganda“ beschrieb. Dieses Papier war auch Grundlage für das „Programme for Film Propaganda“20, dessen erste Ideen vermutlich bereits unter Joseph Ball zu Papier gebracht wurden. Kenneth Clark schien bei der Formulierung dieses Programms mitgeholfen zu haben. In einem Interview vom Januar 1940 verwandte er bereits Formulierungen, die sich in dem Ende Januar vorgelegten programmatischen Papier wiederfinden sollten. Die beiden Papiere müssen im Zusammenhang gelesen werden. Auch wenn das Filmpropaganda-Papier den nationalen Kriegszweck nicht benennt, „Our purpose is to defeat Germany in war. Propaganda is needed to show why this is necessary“21, übernimmt es mit den Propaganda-Themen buchstäblich die Gliederung seiner Vorlage: „I. What Britain is fighting for. II. How Britain fights. III. The need for sacrifice if the fight is to be won.“ 19 Siehe: Kapitel 7.2. Programme for Film Propaganda, o.D. [Ende Januar 1940]. PRO, INF 1/867. Alle folgenden Zitate, wenn nicht angemerkt, stammen aus dieser Quelle 21 The Principles underlying British war-time propaganda, a.a.O. 20 120 In das Medium Film ‚übersetzt‘ wirken die Ideen des Policy Committee relativ banal. Es bleibt nur ein müder Abklatsch von dem Ideal Britanniens als „trustee of Western civilisation and christianity“, das sowohl die Unversehrtheit der absoluten Werte des Guten, Wahren, Schönen zu verteidigen hatte, wie auch die Unversehrbarkeit des Individuums und der Familie mit dem Recht auf Gewissensfreiheit, dem Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Festsetzung, dem Recht auf Meinungsfreiheit, und der Unabhängigkeit der Gesetzgebung. Spielfilme, Dokumentarfilme und Zeichentrickfilme sollten als Vehikel dienen, das Thema des „What Britain is fighting for“ zu vermitteln. Spielfilme sollten sich britische Charaktereigenschaften vornehmen, „showing our independence, toughness of fibre, sympathy with the under-dog“, oder auch britische Ideale und politische Institutionen beschreiben. „Ideals such as freedom, and institutions such as parliamentary government can be made the main subject of drama or treated historically.“ Als Kontrast dazu wurden Spielfilmthemen angeregt, die sich mit „German ideals and institutions in recent history“ auseinandersetzen sollten. Faschismus oder Nationalsozialismus war kein Thema. Angeregt wurde lediglich, „there should be a number of themes for films in the activities of the Gestapo stressing, as more easily credible, the sinister rather than the sadistic aspect.“ Die Darstellung von „British life and institutions“ in Form von Dokumentarfilmen sollte weiterhin Aufgabe des British Council bleiben. Man sah aber keine Notwendigkeit, „to add greatly to their number“. Den Zeichentrickfilm sah man als besonders geeignetes Medium für Propaganda an.22 Die Beschreibung der nationalen Kriegsanstrengungen war, neben Spielfilmen, hauptsächlich den Dokumentarfilmen und Wochenschauen zugedacht, die sowohl an der Heimatfront und in Frankreich als auch in neutralen Länder gezeigt werden sollten. Bei den Dokumentarfilmen hatten detaillierte Beschreibungen der einzelnen Heeresabteilungen Priorität, erst in zweiter Linie 121 kamen Porträts jener „subsidiary services“, wie Handelsmarine, Munitionsfabriken, Küstenwache. „Most of these subjects are susceptible of detailed treatment from different angle, e.g., one-reel films on the Bren Gun.“ Die verschiedenen Ministerium waren aufgefordert, Themen für Filme zu entwickeln. „The change from peace to war time conditions should be shown in a whole series drawn from every department of State.“ Die Bereitschaft, Opfer zu bringen, sollte sich als roter Faden durch alle Filme ziehen. „[Films should] stress the sacrifices made by merchantmen, fishermen (as minesweepers) and, in documentaries, by railwaymen and all classes of workers. These sacrifices can be shown not as something which the Government is afraid to ask, and the public expected to resent, but as something to be accepted with courage and pride.“ Um neben diesem allgemeinen Programm staatlicher Filmpropaganda auch kurzfristige Propagandabedürfnisse befriedigen zu können, z.B. zum Thema Gerüchtevermeidung, beabsichtigte die Regierung, „to use the film as an immediate means of communications with the people. (...) These urgent needs are best served by short dramatic films on the model of the American Crime Does Not Pay series.“ Die ersten Filme, die unter Kenneth Clarks Ägide fertiggestellt wurden, waren dementsprechend drei „short dramatic“ Anti Gossip-Filme. Handelndes Subjekt in den projektierten Filmen über die nationalen Kriegsanstrengungen waren nicht die „ordinary people“ oder „the man in the street“, die erst das spätere Konzept des ‚People‘s War‘ auch in Filmen sichtbar werden ließen, sondern der Staat und der Regierung. Hierin waren sich Clark und Ball einig. Die Attitüde des „Them“ und „Us“, die eines der ersten Kriegsplaka- 22 Man sah darin die Möglichkeit, „(...) that ideas can be inserted under cover of absurdity. They can present a system of ethics in which independence and individuality are always successful, bullies are made fools of, the weak can cheek the strong with impunity“ 122 te unbeabsichtigt bloßgelegt hatte23, war hier ebenfalls, wenn auch verdeckter, zu beobachten. Noch war ‚Das Volk‘ nicht Thema. Es war der Zuschauer, dem der Staat zeigt, wer die Verantwortung in diesem Krieg übernommen hatte. So sollte logischerweise auch die Summe der filmischen Darstellung der Kriegsanstrengungen einen „complete survey of the Government‘s war effort“ [Hervorhebung J.B.] ergeben und nicht etwa die des einfachen Mannes auf der Straße. Mit diesem „Man in the Street“ hatte Clark auch noch anderthalb Jahre später seine Probleme. Während der Diskussion in dem Planning Committee über einen five-minute Film mit selbigem Titel hält das Protokoll fest, „Kenneth Clark suggested (...) that the Ministry might be devoting an undue proportion of its effort to praising the contribution made in the war by the ordinary man, and might in consequence be failing to give due recognition to those who undertook the greater responsibilities of leadership.“24 Vollziehen sollte sich der paradigmatische Wechsel von „Us“ zu „Them“, vom „Government‘s war effort“ zum „People‘s War“ erst unter Kenneth Clarks Nachfolger John Reith. Anzeichen für eine Veränderung der von der Films Division praktizierten Filmpolitik waren dennoch sichtbar. Zum einen gab es die vom neuen Informationsminister John Reith formulierte Politik der ‚Propaganda durch Wahrheit‘ (Propaganda with truth), für die Reith auch vor Vertretern der Filmtheaterverbands C.E.A. warb.25 Das „telling the truth“ gehörte schon lange zum Credo einer ganzen Gruppe von Filmemachern, den Mitgliedern des Documentary Movements. Es blieb 23 Ein Textplakat aus dem ersten Kriegsmonat lautete: Your Courage – Your Cheerfulness – Your resolution – will bring us Victory 24 Home Planning Committee minutes, 15.5.1941. PRO, INF 1/249 25 „There is nothing so telling as the simple truth about what was happening upon the land and the sea and in the air.“ John Reith während seiner Rede auf dem Annual Dinner der C.E.A., 12.3.1940, Reith‘s Tribute to Trade War Effort, in: Kinematograph Weekly, 14.3.1940, S. 1 123 nicht aus, dass eine Veränderung in der Politik der Films Division auch eine Annäherung an das Documentary Movement zur Folge hatte. Aber es war nicht Clark, der diese Annäherung öffentlich machte, sondern Oliver Bell, ein ehemaliger Mitarbeiter der Films Division. Bell war bis Ende 1939 Leiter der Abteilung ‚Ideas, Information and Liaison‘ der Films Division gewesen. Als unabhängiger Sachverständiger hielt er im Februar 1940 – mittlerweile in seine alte Funktion als Direktor des British Film Institute zurückgekehrt – einen Vortrag vor der Royal Society of Arts über die „Wartime Uses of the Film“26, in dem er die Politik der Films Division kommentierte und erläuterte. Kenneth Clark bestätigte in der dem Vortrag folgenden Diskussion Bells Äußerungen als offizielle Politik der Films Division.27 Wie sein ehemaliger Vorgesetzter hielt Bell die Wochenschau für die wichtigste Form visueller Nachrichten, auch wenn er die amerikanische finanzielle und ideelle Kontrolle über die englischen Wochenschauen heftig attackierte. Für schnelle und direkte Propaganda eigneten sich am ehesten Trailer. „Firstly, because the audience expects the trailer to be direct advertisement and, secondly, because nobody can object too strongly to such a brief subjection to Government orders.“28 Den Kurzfilm hielt Bell als die beste Form von „sponsored propaganda“, trotz der Schwierigkeit, in den Kinos einen Platz dafür zu finden, da sich die Kinobesitzer jeder Art von politischer Werbung verweigerten. Dieses Dilemma 26 Oliver Bell, Wartime Uses of the Film, Vortrag am 21.2.1940 vor der Royal Society of Arts, in: The Journal of the Royal Society of Arts, No. 4558, Vol. 88, 5.4.1940, S. 467-481 27 „Mr. Bell had described exactly the kind of programme and policy that we are trying to carry out“, so lautete die offizielle Sanktionierung von Bells Vortrag. Bell, Wartime Uses of the Film, a.a.O., S. 479 28 Bell, Wartime Uses of the Film, a.a.O., S. 470. Die folgenden Zitate stammen aus diesem Artikel 124 konnte nur umgangen werden, indem die Propagandabotschaft so verpackt wurde, dass man sie mit Genuss schlucken konnte. „Now if you have some public utility commodity to sell in general terms, such as gas, oil, electricity or public services, the idea can be put forward in such an attractive manner that the exhibitor will be prepared to take it for his theatre and the public will be prepared to see it without murmuring that it is being subjected to propaganda and did not pay to be preached at.“ [S. 470] Auch wenn er in den Filmen des Documentary Movement diese Absicht am ehesten umgesetzt sah, war es für Bell doch eher der Kino-Kurzfilm im allgemeinen, der „sposored propaganda“ transportieren könnte. „There has, therefore, during the last ten years, grown up a school of British documentary film makers, starting with John Grierson‘s film for the Empire Marketing Board, which creates high quality short films for theatrical distribution. Though realist in manner of treatment, each of them quietly conveys as well some general message. It is for this reason that Government Departments have chosen the short as the vehicle of their screen publicity, since it is possible to pack a great deal into 2,000 feet; it is fairly cheap; and, through the theatres, it reaches a wide public.“ [S. 470] Oliver Bell lobte zwar die Kooperationsbereitschaft der britischen Verleiher und Kinobesitzer, staatlich finanzierte Filme in ihren Kinos zu zeigen, kündigte aber zugleich die nichtkommerzielle Nutzung und Verbreitung von Filmen an, eine der späteren Hauptaktivitäten der Films Division, „(...) the non-commercial uses by which films can be put to National Service have only been recognised by a few, and a scheme for their development is now long overdue.“ [S. 474] Bell beschrieb auch die unterschiedlichen Funktionen des Kurz- und Dokumentarfilms, ohne dabei über affirmative Positionen hinauszugehen. Alle Filme, die Dokumentarfilme eingeschlossen, sollten die Öffentlichkeit informie- 125 ren, die Politik der Regierung erklären, und helfen, die Moral aufrechtzuerhalten. „It seems to me that films can be used to inform the public about the course of events, to educate it on Government policy, to provide its members with a means of escape from the cares of the day and, lastly, to maintain their morale in face of adversities.“ [S. 469] In der Detaillierung rückte Bell überraschenderweise nicht die Propagandaabsichten in den Vordergrund, sondern er betonte die kulturellen Aufgaben dieser Filme und ihre Möglichkeiten, sich mit dem alltäglichen Leben auseinanderzusetzen. Damit vertrat er eher die apolitische Ideologie des British Council als die des Ministry of Information. „They [Filme] can be used as direct counters to enemy assertions that we are a barborous and cultureless nation by showing that we are not. They can be used for prestige pure and simple (...). The short can also be used to stimulate interest in us and our country by showing the countryside and the towns in which we live, ourselves, our habits, the ways in which we amuse ourselves, work or play, the industries we have created and so forth. The film can show the way in which we manage our domestic affairs and try by democratic means to settle our problems of traffic congestion, of agricultural, or social services, of education or of unemployment.“ [S. 477] Auch wenn man in Bells Äußerungen eine gewisse Freundlichkeit gegenüber den Ideen des Documentary Movement verspüren mag, blieb dennoch eine große Distanz zu deren Theorie und Praxis. Nach Bell sollten sich Dokumentarfilme auf „objektive Wahrheit“, die Abbildung der vorhandenen Realität konzentrieren, in der „kreativen Interpretation der vorgefundenen Realität“, dem Credo der Dokumentaristen, sah er hingegen eher eine Gefahr für den Wahrheitsgehalt von Filmen – ganz im Sinne von Reiths politischem Programm –, denn ein erfolgversprechendes theoretisches und praktisches Konzept des Filmemachens. 126 „The ethical problem that has to be solved by the makers of such films is how much dramatic licence may be taken in idealising the matter in hand without making the document untruthful.“29 Bell erkannte immerhin die Bedeutung des Einsatzes von Dokumentarfilmen zur Förderung für sozialen Fortschritt an. Wie weit sich aber die Vorstellungen des Ministry of Information und des Documentary Movement unterschieden, zeigt der Vergleich mit dem Leitartikel der ersten Nummer der Documentary News Letter30, die das Sprachrohr des Documentary Movements während des Krieges war. „War, whatever its immediate aims, tends to produce dislocation – economic, social, and moral. To wage war successfully it is necessary to overcome these dislocations. (...) The war produces a mass-movement like Evacuation, which bears within it the immediate seeds of social progress – the chance to review and to reform the Educational system, Public Health Services, Child Welfare, the Housing Problem, and indeed the whole relation between Town and Country. It is necessary, therefore, to study the impact of war on the social scheme, and to do it ceaselessly throughout the period of conflict. Here the documentary idea in film has a great contribution to make. It can undertake this basic work (...).“31 29 Bell, Wartime Uses of the Film, a.a.O., S. 477 Die Documentary News Letter wurden von Film Centre herausgeben (siehe auch: Kapitel 3.2., Fussnote 43). Die Redakteure waren allesamt Praktiker aus dem Umfeld des Documentary Movement, Produzenten, Regisseure, Techniker. Die Monatszeitschrift blieb den ganzen Krieg über der schärfste und kenntnisreichste Kritiker der Filmpolitik des Ministry of Information und der Films Division. Zum ersten Redaktionskollegium gehörten Thomas Baird, Arthur Elton, John Grierson, Paul Rotha, Basil Wright. Im Laufe des Krieges änderte sich die Zusammensetzung, vor allem wenn Redakteure ausschieden und offizielle Funktionen in der Institution übernahmen, die von ihnen am heftigsten angriffen wurde, dem Ministry of Information (für Grierson, der das National Film Board of Canada gründete, für Baird, Elton, Wright, William Farr, die zum Ministry of Information gingen, kamen Edgar Anstey, Alexander Shaw, Donald Taylor, John Taylor, Ralph Horton und Geoffrey Bell. Nach dem Krieg wurden Alexander Shaw und John Taylor Produzenten der Crown Film Unit, nachdem das Ministry of Information in ein Central Office of Information überführt wurde, dem man auch die Film Unit eingegliederte). Die Publikation überlebte den Krieg und erschien als Documentary Film News (incorporating Documentary News Letter) bis Anfang 1949 31 War Aims for Documentary, in: Documentary News Letter, No. 1, Januar 1940, S. 2 30 127 Die Äußerungen von Bell deuteten immerhin veränderte Prioritäten in der Politik der Films Division an, insbesondere eine langsame Annäherung an das Documentary Movement. Sie führten in der Folge auch zu personellen, strukturellen und inhaltlichen Veränderungen in der Films Division, deren wichtigste das Produktionsprogramm für die Five-Minute-Filme und die Einführung des Non-Theatrical Schemes waren. Die Annäherung an das Documentary Movement und seine Einbeziehung in die staatliche Filmpropagandaarbeit war zwangsläufig, da die Films Division existierende Produktionseinheiten brauchte, um die Filme für das NonTheatrical Programm realisieren zu können. Ihre Erfahrungen mit der Filmwirtschaft hatten gezeigt, dass sich die kommerziellen Produktionsfirmen für die Durchsetzung des Non-Theatrical Programms nicht eigneten. Von einer Kapitulation gegenüber dem Documentary Movement zu sprechen, herbeigeführt durch die Kritik der Presse und der Intelligenz, so wie es Pronay32 sieht, kann man nicht sprechen, ebensowenig von einem bewussten Ausschluss der Dokumentarfilmbewegung aus politischen oder ideologischen Gründen. Als Kenneth Clark innerhalb des Ministeriums zum Director of Production aufstieg, wurde im April 1940 mit dem Werbemann Jack Beddington ein Freund von ihm Nachfolger als Leiter der Films Division. Erst unter Beddington wurden die beschriebenen Ziele in ein praktisches Konzept übersetzt. In einer bemerkenswerten Radioansprache, einem ‚Postscript‘ zu den B:B.C. Nachrichten vom 4.10.1940, bekannte sich Kenneth Clark, wenn auch im Nachhinein, zur den Filmen und der Ideologie des Documentary Movements und zu den Veränderungen, die Jack Beddington als sein Nachfolger zum Bestandteil der Arbeit der Films Division gemacht hatte. „It is now over ten years since a small band of young film directors, the chief of whom was John Grierson, recognised that the film, by giving the dramatic significance of everyday life and work, could become a great instrument of democratic education. They evolved a new type of film which they called by the rather austere name of the Documentary. (...) to-day the Government, 32 Siehe auch: Pronay, Introduction, in: Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., S. 25-37 128 through the Ministry of Information, is undertaking the showing of such films on a scale never attempted before. (...) The majority [of the films] will be made by the best of the younger film directors specially to suit the time, and will deal with all those war-time services and activities which the Government is organising; and all the hundreds of ways in which people are working for their country.“33 Jack Beddington zeigte als Leiter der Films Division wenig öffentliches Profil; auch hielt er sich mit programmatischen oder gar politischen Äußerungen zurück. Doch die Politik, die er vertrat, integrierte einerseits das Documentary Movement in die Propagandaaktivitäten des Ministeriums ließ aber gleichzeitig die Kontakte zu den kommerziellen Filmproduzenten und zu den Wochenschauen, die seine Vorgänger etabliert hatten, nicht abbrechen, sondern intensivierte sie eher noch. Alle Produktionsentscheidungen seiner Abteilung, auch wenn sie von seinen Mitarbeitern vorbereitet wurden, mussten von ihm abgesegnet werden. „He [Beddington] was a member of the Planning Committee and was able to translate their requirements into terms of films.“34 Das Protokoll einer Sitzung des Policy Committee vom Juli 1940 bestätigte die Tatsache, die für die Arbeit der Films Division bestimmend war: an Jack Beddington führte kein Weg vorbei. Mit seiner Entscheidung für das Non-Theatrical-Verleih- und Produktionsprogramm und der Ernennung von Thomas Baird zu seinem Leiter ermöglichte er den Dokumentaristen den Einstieg in die von der Regierung gesponsorte Filmproduktion. Als Arthur Elton35 im Januar 1941 Head of Production wurde, bekam einer der kompetentesten Vertreter des Documentary Movements eine weitere zentrale Position in der Films Division. Nach Einschätzung von Pronay 33 Kenneth Clark, Broadcast, in: Documentary News Letter, Vol. 1, No. 11, 1940, S. 4 Committee minutes, 31.7.1940. PRO, INF 1/849 35 Siehe auch: Kapitel 7.4., Fussnote 36 34 Policy 129 war Elton ein „good radical, (...) to be the least associated with the more extreme and dogmatic political activities of the documentary group.“ Elton war, ähnlich wie Beddington, bedingt durch seine Persönlichkeit und Erziehung dazu prädestiniert, zwischen den politischen Ansprüchen des Documentary Movements und den Notwendigkeiten der Produktionsabteilung der Films Division zu vermitteln. Der Freiraum und die Einflussmöglichkeiten, die die Dokumentaristen bekamen, basierte aber auf Beddingtons ureigener politischer Entscheidung, deren weitreichende Auswirkungen jedoch nur von Insidern bemerkt, einerseits gelobt andererseits aber auch heftig kritisiert wurden. John Grierson anerkannte Beddingtons Entschluss. Für ihn war es nicht selbstverständlich, dass Beddington die „documentary idea“ zur politischen Leitlinie der Arbeit der Films Division gemacht hatte: „You must not allow to forget the part of Beddington in this: and of Elton. Beddington was, personally, under no obligation to the documentary viewpoint and, like myself, he is under compunction as an official to think of other considerations besides those which are the especial considerations of the documentary group. The documentary idea may be the most progressive and most valuable one for a department of propaganda (...) but it cannot in practice be the whole menu.“36 Heftige Kritik dagegen übte Neville Kearney, Leiter der Filmabteilung des British Council an der Einbindung des Documentary Movement in die Arbeit der Films Division. „We seem to have a boxed compass or a complete cycle – i.e. ‚Documentary Boys‘ controlling the issue at the Ministry of Information, with their prototype ranging far and wide. (...) One cannot avoid the suspicion that the ultimate object is eventually to centralise in the hands of one body – i.e. Film Centre 36 John Grierson, The Documentary Idea 1942, in: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 6, S. 83-86 130 ‚Documentary Boys‘ – the whole influence of films in the reordering of things social both during the war and when it comes to an end (...) the Films Division of the Ministry of Information itself is now largely composed of the same ‚Documentary Boys‘, their satellites being selected to produce or direct all Ministry films or despatched to one place or another as advisers.“37 Eine „sinistre“ Verschwörung der Dokumentaristen, wie Kearney sie sah, hat es aber nie gegeben. Da 74 Prozent aller Filme, die die Films Division unter Beddingtons Ägide zwischen 1940 und 1946 produzierte oder in Auftrag gab, von Mitgliedern des Documentary Movement zu verantworten waren (in der Funktion des Drehbuchautors, Regisseurs oder Produzenten), könnte man eine gewisse Radikalität in der Themenwahl und der Durchführung erwarten. Aber weit gefehlt. Beddington hatte es verstanden, die Radikalität des Documentary Movement zu kanalisieren, indem er die Dokumentaristen in den staatlichen Produktionsapparat einband, wodurch die Kontrolle über die Inhalte und Form der Filme jederzeit gegeben war. Wie stark Beddingtons Entscheidung für eine Einbindung letzlich aus purem Pragmatismus getroffen wurde und in welch kritischer Distanz er zu den Dokumentaristen, der „old gang“, wie er sie nannte, in Wirklichkeit stand, machte ein Artikel aus dem Jahr 1948 im Nachhinein deutlich. Beddingtons mehr als kritische Distanz richtete sich sowohl gegen die „anti-aesthetic“-Ideologie des Documentary Movement38 wie auch dessen Verständnis, Filme mit propagandistischer Absicht und einem politischen Ziel zu drehen.39 37 Kearney an Haigh [Foreign Office], 2.12.1940. PRO, BW 63/2 USA/1, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 150 38 „The penalty of realism is that it is about reality and has to bother for ever not about being „beautiful“ but about being right. (...) Documentary was from the beginning (...) an antiasthetic movement.“ John Grierson, in: The Documentary Idea 1942, in: Documentary News Letter, a.a.O., S. 83 39 „We were concerned not with the category of ‚purposiveness without purpose‘ but with that other category beyond, which used to be called teleological. We were reformers open and avowed: concerned (...) with ‚bringing alive the new materials of citizenships‘ and ‚crytallising sentiments‘ and creating those ‚new loyalities from which a progressive civic will might derive.‘“ John Grierson, in: The Documentary Idea 1942, in: Documentary News Letter, a.a.O., S. 83 131 Die Unfähigkeit zur Selbstkritik und das Unvermögen der Dokumentaristen, über sich selbst lachen zu können, mögen da in seiner Einschätzung nur marginale Kritikpunkte sein. „The trouble with the documentary film world today is that the old gang is still in charge. (...) The old gang twelve or fifteen years ago were pioneers with new ideas, great enthusiasms, courage and honesty. They are now middleaged, much fatter or thinner than they were, and no longer potential geniuses. (...) Humor they do not understand; criticism they resent. (...) It seems to me that they [the film-makers] are frightened by two of the simplest and most acceptable things in the world – humour and beauty. (...) In their early days they freely announced that they were only using films for propaganda purposes, but in those days (...) they loved making films and it was for this reason that beauty and humour crept in despite their professed attitude of abhorring the asthetic. (...) This brings me to what I believe is the cardinal weakness of the old gang. They are consistently pressing a political point of view. It is, I believe, of no importance what the point of view is provided that it does not prevent the film being exciting or interesting or stimulating in its own right; but the moment a piece of propaganda in a film is considered of more importance than the film itself, the film is bound to fail and preach to none except the converted.40 Gegen eine solche Einstellung, die Beddington während des Krieges nie in dieser Form geäußert hatte, dürften sich die Filmemacher des Documentary Movements schwer getan haben, ihre Ziele durchzusetzen. Dennoch, Beddington war weder Theoretiker noch Politiker. Seine Art die Films Division zu leiten basierte auf reinem Pragmatismus, und seine wenigen programmatischen Papiere befassten sich mehr mit Produktionsstrukturen als mit Ideen, die innerhalb dieser Strukturen umgesetzt werden sollten. Ob es sich um die Planungspapiere für die Five-Minute-Filme handelte, oder die Beschreibung des Non-Theatrical-Programms, erst sollten die Programme mit ihren technischen und finanziellen Strukturen etabliert werden – die Inhalte, 40 Jack Beddington, Off With Their Heads! In: Documentary Film News, Vol. 7, No. 67, July 1948, S. 77 132 wenn denn nicht auf den alten Formeln „instruction, exhortation and reassurance“ basierend, würden schon folgen.41 Um das Theoriedefizit auszugleichen, soll Beddington bereits Mitte 1940 ein Memorandum über den Einsatz von Film zu Propagandazwecken beim Film Centre in Auftrag gegeben haben, angeblich „basis of much of the Division‘s subsequent work“42. Das Memorandum ist nicht erhalten; meiner Einschätzung nach handelte es sich jedoch um Thomas Bairds Memorandum zum Non-Theatrical Programm.43 Im Zuge der Eingliederung der G.P.O. Film Unit in die Films Division wurden ebenfalls im Sommer 1940 Überlegungen über das zukünftige Arbeitsprogramm der Unit angestellt.44 Das Diskussionspapier konzentrierte sich vor allem auf die Form von Propagandafilmen und nicht auf deren Inhalte. Der Filmtyp des „entertainment short“ mit „box-office appeal“, den die Crown Film 41 Über die Five-Minute Films hieß: „Films Division has tried to spread the work over a number of Companies, but it is satisfied from experience and its knowledge of the market that it must depend on a relatively small number of producers for five-minute films. The explanation is that what might loosely be regarded as a new form is necessarily being developed for these films. Audiences, especially in present circumstances, expect to be entertained in the cinemas and, while this is no obstacle to instruction, exhortation and re-assurance, it makes it necessary that the films should be made in such a manner that the pill is gilded.“ Home Planning Committee, 13.11.1940. PRO, INF 1/251. Über die „nature of films“ des NonTheatrical Programme, „these have been especially made for the purpose at the instigation or with the concurrence of other departments.“ Policy Committee, 19.9.1940. PRO, INF 1/849 42 The Factual Film, a.a.O., S. 64 43 Weder Chapman noch Pronay haben dieses Memorandum von Film Centre finden noch zuordnen können. Nach einer Meldung der Documentary News Letter (Vol. 1, No. 2, February 1940, S. 7) könnte es sich aber auch um einen anderen Bericht handeln: „Film Centre is drawing up a general report – from a film point of view – on the changes brought about in social living in Great Britain by the war – and, as part of the report, is preparing detailed scenarios, with research memoranda, on four social subjects. Three of these, and the personnel now working on each, are: Evacuation (Basil Wright and Paul Fletcher), The Preservation of Cultural Life (Arthur Elton and Stanley Hawes), and Food Problems: Rationing and Nutrition (Edgar Anstey, R.I. Grierson and Ralph Bond). The fourth subject is not yet fixed but consideration is being given to Public Opinion (Paul Rotha and Donald Alexander). This project is being carried out in co-operation with P.E.P. This is one of the most comprehensive and carefully planned projects for documenting life in film terms yet undertaken.“ 44 G.P.O. Film Unit Reorganisation. Memorandum for discussion, o.D. [vor 29.7.1940]. PRO, INF 1/57 133 Unit in den kommenden Jahren zur Perfektion bringen würde, wurde zur vordringlichen Aufgabe der Unit erklärt. „This type of picture does not mean the old documentary which in my view must be regarded as dead, at least so far as theatrical circulation is concerned. It envisages films of the Men of the Lightship and Squadron 992 entertainment quality. There should be no difficulty in selecting subjects of war-time significance which in themselves contain as much or more dramatic appeal as these two films.“45 Aufgrund der längeren Kinoauswertung eigneten sich die Filme nicht für kurzfristige Propagandaaufgaben, wie die „give away items“ der Five-MinuteFilme, „(...) shorts are not intended for immediate propaganda, as they rely for their value on a general background reassurance and morale appeal.“ Aufgrund der Erfolge der Film Unit bei der realistischen Behandlung von Themen und der Einbeziehung von „real people“ in ihren Filmen sollte die Film Unit aktiv am Five-Minute-Programm beteiligt werden als Gegenpol zu den Studioproduktionen mit Schauspielern. „Whilst the commercial studios can be relied upon for the ‚studio‘ type of film involving mainly the use of professional artists and studio sets, the Film Unit can properly advance a specialist claim for shorts of the Britain at Bay type which rely for their appeal on real people and real things.“46 Ian Dalrymple, der im August 1940 als Nachfolger von Cavalcanti Leiter der noch G.P.O. Film Unit wurde, fühlte sich, auch wenn er von der Spielfilmproduktion kam, den Idealen des Documentary Movement verpflichtet. Für ihn war es 45 46 G.P.O. Film Unit Reorganisation. Memorandum for discussion, a.a.O. G.P.O. Film Unit Reorganisation. Memorandum for discussion, a.a.O. 134 „a movement to apply the complicated motion-picture medium to the recording of life and human beings, their actions and even thoughts and motives – and almost their instincts – in their essence and integrity (...). Characteristics of these films were that they relied on the reconstruction of a small section of, or incident form, or activity of real life for their drama; that the players were the people themselves; and that the camera was not confined (...) to the studios.“47 Neben Propaganda- und Lehrfilmen sah Dalrymple in der visuellen Dokumentation der Geschichte des Krieges eine der drei Hauptaufgaben der Dokumentaristen (die Idee einer „Film History of the War“ teilte er dabei mit Sidney Bernstein48), „to record the events of this critical chapter in our history and the behaviour of our people through the ordeal for the edification and, we hope, admiration of posterity.“49 In dem Artikel vom Oktober 1941 definierte Dalrymple die Propagandaaufgaben seiner Film Unit, in der sowohl Reiths Konzept der „Propaganda durch Wahrheit“, als auch Griersons „documentary idea“ sich zur Projektion des „People‘s War“ vereinten. 47 Ian Dalrymple, in: London Calling, No. 109, October 1941, S. 6f, zitiert nach: Aldgate/Richards, Britain can take it, a.a.O., S. 218 48 „The idea occured to me to-day for the compilation of an exhaustive history of the war on film. I was sending you in a note about it, when I discovered that Sidney had already had the same idea.“ Ian Dalrymple an Jack Beddington, 6.4.1941. PRO, INF 1/626 49 Dalrymple, a.a.O., S. 218. Weder Dalrymple noch Bernstein konnten ihre „Film History of the War“ realisieren. Immerhin kam es zu einer Konferenz mit Vertretern des War Cabinet, der verschiedenen Heeresabteilungen des War Office, des Ministry of Information und des Imperial War Museums, bei der „the value of the film as a primary historical document“ anerkannt wurde. Man konnte sich immerhin auf eine Absichtserklärungen einigen „(2) to invite the Departments concerned to store one master copy of every film produced in a place separate from the working copies, under proper conditions of temperature and humidity. (...) (3) To invite Departments to consider, when they propose to destroy any films no longer required for current use, whether the films might not be of historical value and, therefore, worthy of preservation. (4) To recommend that all the official films should be catalogued in a uniform manner.“ Precis of Discussion and Minutes of a Conference to Discuss the Taking and Cataloguing of Film Records of the War, 20.1.1942. PRO, INF 1/626 F 405 135 „When we make propaganda we tell, quite quietly, what we believe to be the truth. The nazi method is to bellow as loudly and as often as possible, what they know to be absolutely and deliberately false. This being our conception of propaganda – that we should attempt to tell the truth – what was more natural than that the government should make use of the documentary movement as their method of film propaganda? We say in film to our own people ‚This is what the boys in the services, or the girls in the factories, or the men and women in Civil Defence, or the patient citizens themselves are like, and what they are doing. They are playing their part in the spirit in which you see them in this film. Be of good heart and go and do likewise‘. And we say to the world ‚Here in these films are the British people at war.‘ And the world is either moved or it is not moved. It has seen the truth and it can make up its own mind.“50 Die Position der Crown Film Unit und auch der Films Division war damit beschrieben und behielt in dieser allgemeinen Form auch während des Krieges Bestand. In einem Interview äußerte sich Dalrymple über die Erfolge der Crown Film Unit unter seiner Leitung: „(...) one of the things I thought we‘d been doing was to sustain the morale of the population until such time as action took over“.51 Diese Aussage reflektierte auch die Politik der Films Division bis zur zweiten Jahreshälfte 1942. Danach begann sich eine Änderung anzudeuten. Der Schwerpunkt der filmischen Propaganda, bisher auf die Heimatfront konzentriert, verlagerte sich auf Produktions- und Distributionsaktivitäten fürs Ausland. Im Zuge dieser Veränderungen wurde, um Produktionskapazitäten freizusetzen, das Five-Minute durch ein Fifteen-Minute-Programm ersetzt; es wurde ein neuer Typus von Dokumentarfilm etabliert, der zur besseren Verständlichkeit die Sprechrollen immer häufiger mit Schauspielern und nicht 50 51 Dalrymple, a.a.O., S. 218f Ian Dalrymple, in: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 151 136 mehr mit „ordinary people“ besetzte52; und als sichtbares Zeichen wurde die Films Division um eine weitere Abteilung für „Films in liberated Territories“ erweitert, die sich um Umerziehung und Chauvinismus in Form von ‚Britishness‘ zu kümmern hatte. Dalrymple, der Anfang Mai 1943 als Leiter der Crown Film Unit zurücktrat, resignierte angesichts der Unmöglichkeit, progressive Filmthemen behandeln zu können, so wenigstens in einem späteren Rückblick: „We felt if we were going to be any good at all we ought to be studying the problems of peace, of social reconstruction, the health service, what was going to happen to the mines, the new atomic power that was coming in, and all that kind of thing. We ought to be studying it seriously. But no. (...) They said we must get on with the war.“53 Erste Überlegungen, wie Filmpropaganda in den durch die Alliierten neu besetzten Gebieten auszusehen habe, wurden unabhängig voneinander von verschiedenen staatlichen Stellen, wie dem Foreign Office, dem Colonial Office, der Psychological Warfare Executive, die für Propaganda in Feindgebieten zuständig war, und dem Ministry of Information angestrengt. Wie so häufig mangelte es an einem koordinierten Vorgehen. Einige der Probleme kamen bei einem Treffen des Sub-Committee des Services Film Publicity Committee vom 16. Dezember 1942 zur Sprache, darunter die mangelhafte Koordinierung des Einsatzes der Service Film Units in Kampfgebieten, fehlende Absprache mit amerikanischen Film Units über eine 52 Die ‚notes on the work of Films Division 1942-43‘ sprechen von einem neuen und wichtigen Typus von Film, „though documentary in conception, uses artists for the principal speaking parts. This has been necessary owing to difficulties which have been encountered in making dialogue films universally comprehensible in all English speaking territories. For this purpose, it is necessary to find a more or less standard form of speech. Dialect tends to be only partly understood, or not understood at all.“ PRO, INF 1/75 53 Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 152 137 gemeinsame Berichterstattung, und eine fehlende Filmpolitik für befreite bzw. besetzte Gebiete, neutrale wie ehemals feindliche. Vor diesem Hintergrund unterbreitete Sidney Bernstein Beddington einen Vorschlag für die Einrichtung einer neuen Abteilung der Films Division. Diese „special section“ sollte folgende Aufgaben übernehmen: „(1) For active operations: to take steps in consultation with the three Services to plan balanced and comprehensive film coverage of recent and future campaigns. (...) (2 ) For supporting operations: to plan and arrange for filming of military, civilian and political activities behind the lines. (3) To co-ordinate the Ministry’s film efforts with P.W.E. and other interested Government agencies. (4) To co-ordinate our film units with U.S.A. and Dominion film units. (...) [The section would become the channel for all original contacts in film matters with Americans [and] would also be responsible for putting up suggestions and carrying out plans with America for joint war films and for arranging the pooling of material.]“54 Die neue Abteilung sollte vor allem die eigenen Filmanstrengungen mit den Aufgaben der Psychological Warfare Executive und anderen staatlichen Stellen koordinieren. „The film units would still remain autonomous as far as general production was concerned, (...) but the proposed special Ministry section would coordinate the film units to ensure that a perpared comprehensive plan is carried out. (...) It would also embrace military and civilian propaganda behind the lines and, in some instances, the re-enactment of battle incidents that could not be covered at the time of battle. (...) Into its comprehensive plan for general filming in battle areas and behind the lines, the special section would dovetail propaganda schemes for the various occupied zones, so that the same material, adapted to different specified requirements, could be drawn upon for all propaganda needs. In this matter, the section would, no doubt, act very largely as agents for P.W.E., who will be interested in seeing the right films – features, shorts and newsreels, dubbed or titled in the appropriate languages, shown wherever they are required.“55 54 55 Bernstein an Jack Beddington, 22.12.1942. PRO, INF 128 Bernstein an Beddington, 22.12.1942. PRO, INF 1/128 138 Standen hinter Bernsteins Überlegungen einerseits die Sorge, die ideologischen Einflusssphären in den befreiten Ländern gegenüber den Amerikanern abzugrenzen und eigene zu etablieren, ging es auch um klare ökonomische Interessen, da die neuen befreiten Gebiete und Länder gleichzeitig die Öffnung neuer Absatzmärkte für britische Filme bedeuteten. Bernstein war vielzusehr Showman und der kommerziellen Filmwirtschaft zugetan, als dass er dies vergessen hätte. Dass der Kampf um diese neuen Märkte auch eine Art Wirtschaftskrieg mit den USA bedeutete, die als stärkster Rivale der Briten auftraten, sich diese Märkte einzuverleiben, beschleunigte die von Bernstein befürwortete Einrichtung der Spezialabteilung der Films Division für „liberated territories“.56 Die Empfehlungen, die Bernstein für die Einrichtung einer Sonderabteilung der Films Division für „liberated territories“ gegeben hatte, wurden umgesetzt und Bernstein dessen Leiter. Zur Untermauerung und Begründung der angestrebten Produktionspraxis57 entwickelte das Ministry of Information zusammen mit der Psychological Warfare Executive ein Memorandum über ‚The Projection of Britain‘, in dem die Inhalte und auch das Bild, mit dem sich Großbritannien im Ausland darstellen 56 Bereits am 16.1.1943 musste der Parlamentarische Staatssekretär des Ministry of Information, Ernest Thurtle, im Unterhaus eine Anfrage von W. Leonard beantworten, die die mögliche Dominanz amerikanischer Filme in befreiten Territorien ansprach. Thurtle wurde gefragt, „if he was aware that elimination of German and Vichy films from the kinema screens in North Africa had created a shortage; and if he would ensure that running time now available would be used by British films showing Britain‘s contribution to the efforts now being made in that country by the United States.“ In: Kinematograph Weekly, 18.2.1943, S. 15 57 Die Abteilung sollte Filme produzieren, wie „(a) 16mm. silent versions of newsreels; (b) newsreel compilations of the past and present progress of the war; (c) sub-titling and dubbing of Ministry shorts and features; (d) production of special films in the appropriate languages;“ sich um die besten Vertriebswege für ihre Filme kümmern. Zu ihren Aufgaben gehörte auch „(f) contact with the Allies to ensure against overlapping; (g) contact with a Sub-committee of the British Film Producers Association who are working on the same subject from an entertainment angle.“ O.E.P.E.C. Paper No. 1778, Films Division, April 1943. PRO, INF 1/128 139 wollte, vorgestellt wurde. Bei der Präsentation des Britannien-Bildes sollte verstärkt der „cultural aspect“ betont werden, „and by ‚cultural‘ in this context it meant much more than the contents of our art galleries, museums and old country houses“. Kultur sollte „daily life and thought whether in war or peace“ widerspiegeln.58 Neben einer Analyse der aktuellen politischen Situation in Europa, bei der sich Großbritannien, insbesondere was den kulturellen Einfluss anbelangt in Konkurrenz zu den USA sah, lieferte das Memorandum konkrete Handlungsanweisungen für die Umsetzung dieses Kulturanspruchs. Filmischen Aktivitäten räumte man besondere Priorität ein. Die wichtige Rolle, die man für die Zeit nach dem Krieg dabei dem British Council zuwies, sollte vorerst das Ministry of Information mit seiner Films Division und die Filmwirtschaft übernehmen, tatkräftig unterstützt durch das Board of Trade. Die Films Division benutzte das ‚The Projection of Britain‘-Memorandum als Argumentationshilfe bei der Auswahl der Filme für die befreiten Länder. Doch anders als die Amerikaner, die bei der Wahl ihrer Filme eher auf Eskapismus setzten – auch aus Mangel an geeigneteten andersgearteten Produkten – setzte die Films Division auf Seriosität und einen offensichtlichen Erziehungsauftrag, dem sich auch 58 Ministry of Information and Psychological Warfare Executive, Special Issues Committee, The Projection of Britain, 23.6.1943. PRO, FO 370/721, L6115/47, zitiert nach: D.W. Ellwood, ‚Showing the World What it Owed to Britain‘ – Foreign Policy and ‚Cultural Propaganda‘, 1935-45, in: Pronay/Spring (Hrsg.), Propaganda, Politics and Film, a.a.O., S. xx. Ellwood, aus dessen Artikel das Zitat stammt, konnte Hintergrund und Zweck des Memorandums nicht eindeutig zuordnen. Aus den Anstrengungen des Ministry of Information gerade im Zusammenhang mit Überlegungen für Filmaktivitäten in den befreiten Gebieten, die eng mit der P.W.E. entwickelt wurden, lässt der Zeitpunkt des Dokuments und die Einbeziehung des British Council bei der Umsetzung seiner Vorschläge, die Zuordnung gesichert naheliegen. Interessant ist auch die Beschreibung, mit der das Memorandum ‚Kultur‘ definiert: „Our culture is embodied in every phase of our national life and institutions, social and economic, industrial and scientific. It enters into the design of the goods we export, the interior decoration of our embassies abroad, the quality of the films, posters and pamphlets we produce for overseas consumption, and it is by these manifestations no less than by the output of our authors, painters and architects, past and present, that our cultural standards will be judged and our cultural influence will make itself felt“ 140 die Spielfilme unterzuordnen hatten. Arthur Elton formulierte die Politik der Films Division in einem internen Memorandum. „We must fill the gap of history which exists between occupation and liberation, and we must explain ourselves and our culture (...) we should look on each of our films, not as an entity in itself, but as part of a pattern, and we should use every available technique at our disposal. (...) It will remain the job of the commercial film industry to entertain and amuse, though their films can and must do a propaganda job at the same time.“59 Bei der Filmauswahl hatten diese Kriterien bis Kriegsende Bestand. Bereits 1944 hatte sich die Abteilung für „liberated territories“ soweit etabliert, dass der Verleihapparat fürs Ausland installiert, die Filmauswahl getroffen, und man sich im klaren war, unter welchen Kategorien neue Produktionen angesagt waren. Als Auswahlkriterium für Spiel- und Dokumentarfilme – neben filmischer Qualität und Unterhaltungswert – galt: „Their portrayal of Britain and British character under war conditions; sometimes as background to a fictional story, sometimes through the medium of factual stories showing events and living conditions with which countries now liberated have for so long been out of touch. (...) Their portrayal of the cooperation between the ‚Free‘ and underground national movements and the Allies.“60 Das „portrayal of Britain and British character“ – auch durch Filme – gehörte aber schon seit langem zur Hauptaufgabe einer anderen Institution, der des British Council. Als der British Council 1934 etabliert wurde, finanziert aus den Haushalten des Außenministeriums und des Colonial Office61, sollte er die 59 Arthur Elton, zitiert nach: Caroline Moorehead, Sidney Bernstein – A Biography, London 1984, S. 160 60 Ministry of Information, British Films for Liberated Europe, 1.8.1944 (Presseinformation), siehe auch: British Films for Liberated Countries, in: Kinematograph Weekly, 3.8.1944, S. 1 61 Der Foreign Secretary war gegenüber dem Parlament für die Aktivitäten des Council im Ausland verantwortlich, während die Staatssekretäre der Kolonien, der Dominian Affairs und für Indien diese Aufgabe für ihre Länder übernahmen. Auch wenn das Außenministerium federführend war, lag die Ausübung der Kontrolle über den Council in Händen eines Executive Committee, von dessen 30 Mitgliedern neun von den genannten Ministerien bestellt wurden 141 englische Sprache und das Wissen über das Vereinigte Königreich im Ausland propagieren helfen und dazu beizutragen, die Beziehungen zwischen dem Ausland und Großbritannien kulturell zu vertiefen. „Interpreting Britain in the widest sense, to all people not normally living in these islands“, hieß seine Devise. Die politische Auseinandersetzung des Ministry of Information und seiner Films Division mit dem British Council währte den ganzen Krieg. In dieser Auseinandersetzung standen sich dabei die Befürworter einer kulturell ausgerichteten, „a-politischen“ Richtung, und die Vertreter eines PolitPropagandismus fast unversöhnlich gegenüber. Besonders an den Filmaktivitäten des Council entzündete sich die Frage nach der Legitimation einer Einrichtung und deren Existenzberechtigung, die Kulturpropaganda während eines totalen Krieges durchführte. Für die Organisation von Filmaktivitäten war bereits 1936 ein Film Committee eingesetzt, dass bis zu Kriegsbeginn auch die Verleihaktivitäten im Ausland zusammen mit der Travel and Industrial Development Association koordinierte. Das Film Department des British Council62, das über keine eigene Film Unit verfügte, produzierte bis Ende des Kriegs 125 Filme, allesamt Auftragsproduktionen.63 62 Es bestand aus einem Direktor, einem Secretary, der zugleich auch Secretary des Films Committee war, einem Produktionsleiter und einer Person, die für den Verleih zuständig war. Der ehemalige Diplomat Neville Kearney übernahm Anfang 1940 die Leitung des Film Department, für den er als Mitarbeiter auch den Direktor des British Film Institute, Oliver Bell, gewinnen konnte, der etwas unsanft aus den Diensten des Ministry of Information entfernt worden war. Vorsitzender des Films Committee war bis zu seinem Tod 1945 Philip Guedalla 63 Die Zahl stammt aus ‚The Factual Film‘, a.a.O. Von den 125 konnten 93 identifiziert werden. Die folgende Liste der Filme des British Council vermerkt den Aufführungsmonat oder das – jahr und die Produktionsfirma. Filme, die nicht in Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., aufgeführt wurden, sind durch ein [*] gekennzeichnet: Britannia is a Woman (1940; 11/40, N-T als Women in Wartime; British Movietone News) 11/40; These Children Are Safe (1/40; Strand); S.S. Ionian (2/40; G.P.O. Film Unit); War Comes to London (2/40; British Movietone News); Britain Shoulders Arms (3/40; British Paramount News; OV); London River (3/40; British Films); *British Empire around the Atlantic (3/1940; GB Instructional); British Made (1940; Tida; OV); Fire (1940; British Films); Musical 142 Wie die Films Division des Ministry of Information trat der British Council als Sponsor und Produzent von Dokumentarfilmen auf, eine Position, die er zwei glücklichen Umständen verdankte: der Trennung zwischen Kulturpropaganda einerseits und staatlicher Informationspolitik andererseits – auch wenn diese Trennung in einem totalen Krieg mehr als akademisch war –, und der Person ihres Vorsitzenden, Lord Lloyd, dessen persönliches Prestige die Unabhängigkeit des British Council, wenigstens zu Beginn des Krieges, vom Ministry of Information garantierte.64 Poster (1940; Travel and Industrial Development Association); Thoroughbred (1940; Pathé); Royal Review (1940; Paramount); On Guard in the Air (1940; GB Instructional); Healing Waters (1940; Strand-Tida; OV); The Londoners (1940; NT als City of Progress); Raising Air Fighters (1940; British Paramount News; OV); Swinging the Lambeth Walk (2/40 ?; Realist; OV); Ulster (8/40; 10/41 N-T; Strand; OV); Island People (3/41 ?; Realist); *World Garden (1941); *John Bull (1941); * How a Ship Begins (1941); Out of the Night (3/41 ?; Realist); *Learning to Live (6/41; Merton Park; OV); *Queen Cotton (6/41; Merton Park); *Full Cycle (6/41; Merton Park); Sailors Without Uniforms (10/41; Spectator); S.O.S. (10/41; Tida); Steel Goes to Sea (10/41; Merton Park); A1 at Lloyd‘s (1941; Strand; OV); The Answer (1941; Spectator; OV); Green Girdle (1941; Strand; OV); Land of Invention (1941; British Films; OV); *The English Inn (1941; Verity; R: Muriel Baker); Sea Scouts (1941; Technique; OV); Architects of England (1942; Strand); City Bound (1942; Spectator); London, 1942 (1942; Green Park); Market Town (1942; GB Instructional); Morning Paper (1942; GB Instructional); Western Isles (1942; Merton Park;); Border Weave (1942; Turner; OV); Coastal Village (1942; GB Instructional; OV); Song of the Clyde (1942; Merton Park; OV); Teeth of Steel (1942; Technique; OV); Water Service (1942; Selwyn; OV); Fishermen of England (9/42; Spectator; OV); Good Value (9/42; Realist; OV); St. Paul‘s Cathedral (1942; Merton Park); The Life Cycle of Maize (1943; GB Instructional; OV); The Life Cycle of Pin Mould (1943; GB Instructional; OV); The Life Cycle of the Newt (1943; GB Instructional; OV); *Power on the Land (1943); *Little Ships [of England] (1943); *The Royal Mile (1943); Looking Through Glass (1943; Merton Park; OV); Lowland Village (1943; GB Instructional; OV); Make Fruitful the Land (1943; Green Park; OV); Surgery in Chest Diseases (1944; GB Instructional); Steel (1944; Technique; OV); Cambridge (1944; Everyman); They Live Again (1944; GB Instructional; OV); The New Mine (1944; GB Instructional); Hospital School (1945; Spectator; OV); Julius Caesar (1945; Verity; OV); Macbeth (1945; Verity; OV); Accident Service (1944; GB Instructional); General Election (1945; Technique; OV); Lessons from the Air (1945; Merton Park); Let‘s See (1946; Merton Park; OV); The Development of the Rabbit (1942 ?; GB Instructional); The Great Game (nach 1945; Verity); Papworth Village Settlement (1946; World Wide); Student Nurse (1946 ?; GB Screen Services) Für nachfolgende Filme konnten keine weitere Daten gefunden werden. Sie kamen allesamt vor dem 1.8.1944 zur Aufführung: *The Man on the Beat; *Scotland Yard; *Each for All; *Western Waterway; *Dartmouth; *Sheep Dog; *Men of Science; *Colour in Clay; *Wealth from Coal; *Piccadilly Roundabaout; *Upland Settlement; *Development of an English Town; *Wales; *Power Lines; *Power to Order; *British Gardens; *The People‘s Land (Strand); *Country Town; *National Health 64 Lord Lloyd besaß das Vertrauen des Kriegskabinetts, galt als Experte für Auslandspropaganda und war persönlich an der Etablierung von SOE 1 und der Political Warfare Executive 143 Schon das ‚Programme for Film Propaganda‘ der Films Division vom Januar 1940 beschrieb die Arbeitsteilung zwischen Ministry of Information und British Council, dessen Rolle eher als Verleiher, denn als Produzent von Filmen gesehen wurde. „The treatment of British life and institutions has been the subject of a number of films in the last few years. Moreover the projection abroad of British culture is primarily the work of the British Council who have a considerable grant for films.“65 Der British Council hatte zu Beginn des Kriegs versucht, „to secure sympathetic co-operation from the Ministry of Information.“ Dies war ihm jedoch nur eingeschränkt gelungen. Das Ministry of Information hatte es verstanden, durch Herauszögern seiner Entscheidung über eine Zusammenarbeit an den British News den staatlichen Zuschuss für die Filmarbeit des Council für drei Monate zu blockieren. Die Animositäten und die unterschiedlichen Interessenslagen, die zwischen den beiden Institutionen bestanden, machten es notwendig, sich schriftlich auf eine Aufgabenteilung zu einigen. Der British Council sollte keine Filme mehr produzieren, die Großbritanniens Kriegsanstrengungen zum Thema hatten; die Produktionsaktivitäten des Council hatten in Absprache mit dem Ministry of Information zu erfolgen, ebenso wie die Koordinierung der Verleihaktivitäten im Ausland. Der Council hielt sich jedoch nicht an diese Vereinbarungen. Er versuchte, den Verleih britischer Filme in den USA an sich zu ziehen, und nahm bei seinen Produktionen wenig Rücksicht auf Themen, die bereits durch Produktionen der Films Division abgedeckt waren. In dem Maße aber wie das Film De- beteiligt. Im Sommer 1941 löste Sir Malcolm Robertson Lord Lloyd als Chairman des British Council ab 65 Programme for Film Propaganda, a.a.O. 144 partment des British Council seinen kulturpolitischen Auftrag erweiterte66 – Neville Kearney machte keinen Hehl daraus, dass er Filme über britische Kriegsanstrengungen in seinem Produktionsprogramm favorisierte –, musste es sich die Frage nach seiner Existenzberechtigung gefallen lassen; schließlich drang es dank der neuen Ausrichtung seiner Politik in die Domäne der Films Division ein. Die Angriffe auf die Filmaktivitäten des British Council, stellvertretend geführt durch die Documentary News Letter, wurden von vielen Politikern innerhalb des Ministry of Information unterstützt. Die Angriffe richteten sich nicht nur gegen die Inhalte der Filme: „British Council films are at present too much cluttered up with the old, old stories of British Courage, the beauties of the British countryside and the British crafts, the might of the British Navy, the veneration due to ancient British institutions, in fact cluttered up with what remains of the old grimy junkbox of British feudal tradition.“67 66 Anläßlich einer Pressevorführung von neuen Filmen des British Council in London am 17.6.1941 erklärte ein Handzettel: „The aim of the British Council is to hold a mirror to the face of Britain and her people in their everyday lives and work (...) though they are not directly concerned with warfare or political matters, these films are intimately bound up with the war effort of the nation (...). Throughout the world me are asking what Britain has to offer as against that species of new order under which, according to the German propaganda films, the initiated enjoy the blessings of a superior education, social services and way of life generally“, zitiert nach: The British Council, in: Documentary News Letter, Vol. 2, No. 7, Juli 1941, S. 123 67 Who Speaks for Britain? In: Documentary News Letter, Vol. 2, No. 2, February 1941, S. 24. In die gleiche Kerbe traf George Pitman in den Reynolds News vom 23.11.1941: „Will any lady or gentleman in the audience get up and tell me what they think the cinema angle for impressing on the neutral and colonial world the fact that Britain is waging total war, and means to win it, should be? Is it to show pretty-pretty pictures of Olde Englande? Of course not; yet just that sums up the present not inconsiderable screen activity of the British Council.“ Documentary News Letter attackierte noch häufiger die „Thatched cottage school of British overseas propaganda“, in: Vol. 2, No. 12, Dezember 1941 und The British Council, a.a.O., wo auch ausführlich auf einzelne Filme eingegangen wurde, darunter Learning to Live; John Bull; Queen Cotton. Siehe auch: Kinematograph Weekly, 27.11.1941 (British Council Propaganda), Reynolds News vom 23.11.1941 (F.O. Baby Says it With Flowers) und The Factual Film, a.a.O., S. 90f 145 Man sprach den Filmen des Council auch jede Legitimation und Nützlichkeit ab, die nationalen Kriegsanstrengungen zu unterstützen, „(...) the British Council‘s conception of its job leads it to the rather alarming position of disassociating itself from our reasons for fighting in this war and from our reasons for continuing to resist.“68 „(...) the work of the British Council in projecting Britain on to foreign screens [does not] make any contribution to an international understanding of the present mood and ambition of the British people.“69 Als einzig richtige Konsequenz forderte Documentary News Letter die Eingliederung des Films Department des British Council in die Films Division des Ministry of Information. In der für britische Verhältnisse erstaunlich deutlich geäusserten Abneigung des Documentary Movement gegenüber dem Film Department des British Council lag auch der Grund für Neville Kearneys gleichermaßen offen gezeigte Abneigung gegenüber den Documentary News Letter und den „documentary boys“, die sich seiner Meinung nach der Films Division des Ministry of Information bemächtigt hatten.70 Auch dem Planning Committee des Ministry of Information war die Änderung in der Politik des British Council nicht entgangen. Es ließ ein Memorandum an den Minister vorbereiten. In seltener Einstimmigkeit war man der Meinung, dass die Filmaktivitäten des British Council „were found to be contrary to the 68 The British Council, a.a.O., S. 123 Who Speaks for Britain?, a.a.O., S. 24 70 „A number of the present staff of the Films Division of the Ministry of Information were formerly members of or associated with Film Centre and in addition the Ministry has, on its panel of Directors or Assistant Directors, which it allocates for the directing of the films it commissions, a number of gentlemen also directly or indirectly associated with Film Centre, although they are not (...) members of the Department‘s staff (...) the Film Centre attitude and atmosphere pervades the whole outfit.“ Kearney an Stuart [Foreign Office], April 1941. PRO, BW4/62 TGB/6/12, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 160. Die vom Film Centre herausgegebene Filmzeitschrift Documentary News Letter nannte Kearney 1941 eine „absurd publication“ (PRO, BW 4/63 TGB/6/22, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 157) 69 146 agreements made between the British Council and the M.o.I.“71 Das Planning Committee des Ministry of Information entschied im Oktober 1940, dass der Verleih von Filmen in den USA zum Aufgabenbereich der Films Division und des Ministry of Information gehörte und damit über deren new yorker Dependance, die British Library of Information, abgewickelt werden müsste.72 Der British Council war auch politisch unter Druck geraten. In einer Unterhausdebatte wurde sein Film Department an die Kandare genommen: alle Filmarbeit des Council hatte in Absprache mit dem Ministry of Information zu erfolgen, andernfalls würde der British Council dem Informationsministerium unterstellt.73 Überdies wurden die Aufgaben des Council generell auf kulturelle Aktivitäten eingeschränkt. „At the outbreak of War a direction was sent to all our correspondents and representatives overseas warning them that the work of the British Council should be kept entirely free from anything which might be called propaganda. I think that it would be most unfortunate and deplorable if it should go forth from this House that the British Council was in any way associated – I was about to say contaminated – with propaganda. The Council‘s work is purely cultural, is without bias and is purely objective“.74 Für die restliche Dauer des Krieges sollte sich an dieser Politik nichts mehr ändern. Damit war der Fortbestand des Films Department des British Council in einer Nische der Kulturpolitik gewährleistet. Die erzwungene Konsultation zwischen Films Division und British Council kam einer Kontrolle gleich. Die von einigen Parlamentariern heftig geleugneten „Propagandaaktivitäten“ des British Council, wie Sir John Anderson es nannte, waren ab 1941 auf die Zustimmung des Ministry of Information angewie- 71 Planning Committee Minutes, Tagesordnungspunkt 263, 23.10.1940. PRO, INF 1/249 Siehe auch Kapitel 5.5. 73 Sir John Anderson, House of Commons, 3.7.1941, Hansard col 1539. Siehe auch: [Further Recommendations], 21.6.1941. PRO, INF 1/857 74 Graham White, House of Commons, 3.7.1941, Hansard col 1559 72 147 sen, das einen eigenen Mitarbeiter in dessen Aufsichtsgremium entsandte.75 Doch dieser Kompromiss ging der Films Division nicht weit genug. Um die „Propagandaaktivitäten“ des British Council ging es ihr dabei weniger als um die – ihrer Meinung nach – Unmöglichkeit, während des Kriegs apolitische Kulturfilme im Ausland zu zeigen. Doch selbst mit Unterstützung von Informationsminister Brendan Bracken war nach dem erzielten Kompromiss keine Änderung mehr herbeizuführen.76 Da das Ministry of Information zwar Einfluss auf die Politik des British Council hatte, aber die relative Produktionsautonomie des Film Department akzeptieren musste, blieb dem Ministerium lediglich eine bevormundende Attitüde gegenüber dem British Council. Das Film Department des British Council betrachtete man als eine weitere Produktionseinheit, über dessen Produktionsprogramm man durch Themenvorschläge, durch Weiterreichen von Projekten oder auch durch Bearbeitung von existierenden Produktionen frei bestimmen konnte.77 Die kritische Einstellung der Films Division und einiger Politiker gegenüber dem British Council änderte sich jedoch nicht. 75 „Most of their [the British Council] activities are educational and cultural, and these will continue as at present. They have, however, some propaganda activities, and these will in future be carried on subject to prior approval of the Minister of Information, who will appoint a special officer to keep in touch with the Council.“ House of Commons, 3.7.1941, Hansard Col. 1539 76 Auf Veranlassung der Films Division schrieb Bracken im November 1941 an den Vorsitzenden des British Council: „Ill-conceived and inept propaganda is rarely harmless. It usually reinforces the arguments of the other side. This is true of the four British Council films recently seen here, on the Clyde, on English Inns, on the Western Isles of Scotland and on Kew Gardens. For this reason their despatch from Britain should be stopped. To audiences in neutral countries they will seem to be living proof of Goebbels‘ statements that the British are frivolous, or that they are fighting the war to preserve a way of living long since outmoded. (...) An accumulation of films such as these could go far towards bringing neutral countries in on the German side.“ Zitiert nach: Charless Barr, War Record, in: Sight and Sound, Vol. 58, No. 4, Autumn 1989, S. 264 77 Wales – Green Mountain, Black Mountain des Ministry of Information entstand aus dem Film Wales des British Council. Die Films Division beauftragte die Produktionsfirma Strand, den One Reeler zu bearbeiten. Regisseur John Eldridge benutzte dazu das vom Film Department des Councils abgelehnte Drehbuch von Dylan Thomas. Beide Filme kamen in den Non-Theatrical Verleih 148 Doch der Council hatte für sein Überleben clever vorgesorgt. Im Verleihkatalog ‚Films of Britain‘ vom Sommer 1941 beschrieb Philip Guedalla die Überlebensstrategie: „There is no attempt in this series to depict the nation‘s war effort or to state the issues which the war raises for ordinary men an women throughout the world (...) war propaganda in the narrow sense forms no part of it.“78 Auch wenn sich zwischen den politischen Ansprüchen der Veranwortlichen des Ministry of Information und dem eigenständigen Handeln der Films Division häufig Differenzen auftaten, gab es dennoch einen grundlegenden Konsens. In einer Studie im Auftrag des Ministry of Information über ;Political Propaganda‘, beschrieb Frederick Bartlett die beiden Leitlinien einer Institution, zu deren Hauptaufgabe die Propaganda an der Heimatfront gehörte. „(1) news and comments on news, and (2) entertainment.“ Entscheidend für ihn war die persönliche Einstellung der Menschen, die mit diesen Aufgaben betraut werden sollten: „Only those people can compass what is needed who are in sympathetic understanding with the masses of the people they address, who know or can learn about their common conditions of life, their common interests and their common hopes.“79 Dem Postulat eines „sympathetic understanding with the masses of the people“, das gerade die Propagandaproduzenten betraf, war auch die Films Division verpflichtet. Ian Dalrymples programmatische Aussage zur politischen Aufgabe der Films Division reflektiert diese Verpflichtung: „When we make propaganda we tell, quite quietly, what we believe to be the truth. (...) We say in film to our own people ‚This is what the boys in the services, or the girls in the factories, or the men and women in Civil Defence, or the patient citizens themselves are like, and what they are doing. (...) And we say to the world ‚Here in these films are the British people at war.‘ And the 78 79 British Council Film Department, Films of Britain, London 1941 Bartlett, Political Propaganda, a.a.O., S. 142 149 world is either moved or it is not moved. It has seen the truth and it can make up its own mind.“80 80 Dalrymple, a.a.O., S. 218f 150 5. Die Verleihstrukturen für Filme 5.1. Heart of Britain: Theatrical Filmverleih Es dürfte überraschen, noch vor den Kapiteln über Produktionsverhältnisse und -strukturen ein Kapitel über Distributionsstrukturen zu finden. Die Umkehrung in der Chronologie einer Filmproduktion ist beabsichtigt und für den Untersuchungsgegenstand auch zwingend notwendig. Die Überlegungen für die verschiedenen Produktionsparten, die die Films Division bediente, basierten nicht auf den Inhalten, die es zu vermitteln galt, sondern auf den Verleihstrukturen und -möglichkeiten, in denen die Filme des Ministeriums gezeigt werden konnten. Nicht die Produktionsstrukturen bedingten die Aufführungsstrukturen, sondern die Verleihstruktur das Produktionsschema und damit die ganze Arbeit der Films Division. In den fehlenden Abspielmöglichkeiten manifestierte sich das ganze Dilemma der Films Division in den ersten Monaten des Krieges, und dies könnte durchaus ein Grund sein für die geringe Anzahl von Eigenproduktionen in dieser Zeit: Warum sollte man Filme produzieren, wenn man das fertige Produkt nicht zeigen konnte. Erst nachdem der britische Filmtheaterverband, die Cinematograph Exhibitor’s Association, sich bereit erklärt hatte, fünf Minuten jeder Kinovorstellung für Filme des Ministry of Information kostenlos zur Verfügung zu stellen, wurde das Programm für die Five-Minute-Films aufgelegt und detailliert beschrieben; die Idee, die Bevölkerung mit kurzen filmischen Propagandainformationen zu beeinflussen, konnte in die Tat umgesetzt werden, nachdem sich die Wochenschau-Gesellschaften bereiterklärt hatten, die Government Trailer an 151 ihre jeweiligen Wochenschauen anzuhängen; die staatlichen Propagandanachrichten waren damit automatisch in jeder Vorstellung präsent. Die Abhängigkeit der Films Division von Kinobetreibern und Verleihern und der damit verbundenen Notwendigkeit, sich mit vorhandenen Institutionen der privaten Filmwirtschaft zu arrangieren und auch Rücksicht bei der Themenwahl zu nehmen, führte in einer Parallelbewegung zur Etablierung eines eigenen Abspielnetzes mit eigenem Produktprogramm. Die Einführung des Non-Theatrical-Filmprogramms war eine direkte Reaktion auf das Problem, dass die vorhandenen Aufführungsstrukturen und arrangements es unmöglich machten, Filme mit zielgruppenspezifischen Themen in den Kinos zu zeigen. Aufbauend auf den Erfahrungen der G.P.O. Film Unit, schuf man für diese Art von Filmen eigene Produktions-, Verleihund Abspielstrukturen. Die These von der Dominanz der Verleihstruktur gegenüber den Produktionsstrukturen lässt sich nur für jene Filme aufrechterhalten, die für das Inland, für die Heimatfront, bestimmt waren und für Filme, die im befreundeten Ausland, vor allen der USA gezeigt werden sollten. Für Filme, die in „liberated territories“ aufgeführt werden sollten, schuf man eine gesonderte Produktions- und Verleihabteilung und es galten andere Spielregeln. Da auf vorhandene Verleihstrukturen keine Rücksicht genommen werden musste, war hier, ähnlich wie bei dem Non-Theatrical-Programm, in erster Linie die thematische Ausrichtung der Filme von Bedeutung. Die folgenden Kapitel beschreiben diese für die inhaltliche Arbeit der Films Division entscheidenden Verleihstrukturen. Im Januar 1940, kurz nach seinem Antritt als Leiter der Films Division Ende Dezember 1939, hatte Kenneth Clark ein weitreichendes und vielverspre- 152 chendes „Programme for Film Propaganda“ formuliert, das in einer Art konzertierten Aktion alle drei Filmsparten – Spielfilm, Dokumentarfilm und die Wochenschauen – für die „principles underlying British wartime propaganda“ mobilisieren sollte. Auch wenn von den über 50 Filmen, die er in seiner nur viermonatigen Amtszeit initiierte, die überwiegende Anzahl nicht realisiert wurde, hatte er doch eines durchgesetzt: der Staat vergab Produktionsaufträge für Filme und bezog die Dokumentarfilmproduzenten mit ein. Clarks Bereitschaft, sich Ideen und Projekten auch von außerhalb des Ministry of Information zu öffnen, ebnete den Weg für die Zusammenarbeit mit allen Bereichen der Filmwirtschaft. Um seine Filme in den Kinos zu zeigen, war das Ministerium auf den Goodwill der Verleiher und Kinobesitzer angewiesen. Die Annäherung an diese Gruppen erfolgte vorsichtig und über Umwege. Noch im Februar 1940 redete Clark um den heißen Brei herum. Die von ihm in Auftrag gegeben Filme sollten keinen staatlichen Stempel tragen, um sie nicht für Aufführungen im Ausland zu disqualifizieren, „because if they bore the mark of the Ministry, Continental distributors would be reluctant to take them“1. „These films are being made commercially with the fundamental principle that they are in themselves sound public entertainment and are distributed as such abroad – on their entertainment merit.“2 Kenneth Clark war sich bewusst, dass die (wie auch immer begründete) Eingliederung von staatlich geförderten Propagandafilmen in das übliche Double 1 2 Film Propaganda Must Not be Obtrusive, in: Kinematograph Weekly, 29.2.1940 Government Concern Over Relevation by Lay Press, in: Kinematograph Weekly, 22.2.1940 153 Feature-Kinoprogramm auf erhebliche Widerstände stoßen würde.3 Um den Verleih von staatlichen Kurzfilmen im Inland zu garantieren, war das Ministerium auf die Zusammenarbeit mit der Kinematograph Renters‘ Society (K.R.S.), dem Verleihverband, und der Cinematograph Exhibitors‘ Association (C.E.A.), dem Filmtheaterverband, angewiesen. Edward Villiers, der Leiter der Verleihabteilung der Films Division, und Kenneth Clark bemühten sich, mit Filmverleihern und Kinobesitzern zu einer Vereinbarung über den Kinoeinsatz von Ministry of Information-Filmen zu kommen. Ein erstes Angebot der Filmverleiher und Kinobetreiber, den Verleih der Filme nach ihrem „booking merit“ durchzuführen, lehnte das Ministerium ab. Wenn die Kinos die Filme des Ministry of Information lediglich nach ihren kommerziellen Erfolgschancen gebucht hätten, würde das ganze Produktionsprogramm zusammenbrechen. Anfang März 1940 waren die ersten von Clark initiierten Auftragsproduktionen des Ministry of Information fertiggestellt, drei Filme über die Gefahren des „careless talk“, Now You‘re Talking, Dangerous Comment, All Hands, alle produziert von Michael Balcon. Die K.R.S. und die C.E.A. erklärten sich auf Bitten des Ministeriums bereit, Verleih und Aufführung unentgeltlich durchzuführen. Kenneth Clark lobte überschwenglich die Bereitschaft der Filmwirtschaft, die Propagandabemühungen des Ministeriums zu unterstützen: „The film trade has been wonderfully responsive to our appeal for showing.“4 Auf die Frage, was passieren würde, wenn ein Kinobesitzer sich weigern würde, die Filme zu zeigen, antwortete er hilflos: 3 „As long as the two-feature film programme is maintained, the difficulty of showing an adequate number of short films, wether for propaganda purposes or otherwise, is very much increased. It may be that, because of the war and because of shrinkage in the output of films generally, the problem of the double-feature film programme will automatically solve itself, but, until it does, the short film will not have as good an opportunity of finding a place in the cinemas as it otherwise would.“ Oscar Deutsch während der Diskussion von Oliver Bells Vortrag über die ‚Wartime Uses of the Film‘, 21.2.1940, a.a.O., S. 479 4 Kenneth Clark, in: Kinematograph Weekly, 28.3.1940 (M.O.I. Sponsored Short Films Screened by M-G-M) 154 „We might make a film about him, mightn‘t we? (...) The Ministry aims at making 30 short films a year – about other subjects than gossip, naturally, for home consumption. In addition, there will be many for neutral and Allied audiences only, in various languages.“ Verleiher und Kinobesitzer signalisierten zwar ein Entgegenkommen, doch aus den Reihen der Kurzfilmproduzenten mehrten sich Widerspruch und Ablehnung gegen die intendierten Produktions- und Verleihaktivitäten des Ministeriums. Die Kurzfilmproduzenten, die in zwei politisch unterschiedlichen Gruppierungen organisiert waren, sahen durch die staatliche Produktion von Filmen eine ökonomisch unberechtigte und unfaire Einmischung in ihren Markt. Auch wenn die British Short Film Makers‘ Society, eine kommerziell ausgerichtete Organisation, bei der Vergabe der ersten Verträge vom Ministry of Information zugunsten der Association of Short Film Producers übergangen wurde, waren sich beide Organisationen in der Ablehnung der Verleihpolitik des Ministeriums einig. Der freie Verleih und die unentgeltliche Aufführung von Propagandakurzfilmen töte den Markt und lähme jede privatwirtschaftliche Initiative. Beide Verbände sprachen sich vehement für den Schutz des Marktes aus. Um dies zu erreichen, sollten die Kinos die Filme wenigstens gegen eine geringe Pauschalsumme zeigen, an der die Produzenten prozentual beteiligt wären . Dieser Vorschlag wurde von den Kinobesitzern jedoch genauso vehement abgelehnt. Die Mitglieder des Filmtheaterverbands waren sich einig, dass sie für staatlich finanzierte Filme keinerlei Einnahmen abführen würden. Die Verhandlungen zwischen Ministry of Information und K.R.S. und C.E.A. erwiesen sich als schwierig und langwierig. Teilergebnisse der Verhandlungen und auch einzelne Diskussionspunkte tauchten immer wieder in den Trade Papers auf. Im April einigte man sich darauf, staatlich produzierte Filme durch 155 Mitglieder der K.R.S. gegen eine geringe Gebühr („on an equitable financial basis“) an die Kinos zu verleihen, um auch die Kinos vor einem finanziellen Verlust zu schützen. Der Vertrieb erfolgte kommerziell. Durch dieses System wurden Teile der Verleihkosten von staatlicher Seite übernommen. Das Ministerium erklärte sich auch bereit, für ihre Filme nicht weniger als die durchschnittlichen Produktionskosten kommerzieller Kurzfilmproduktionen zu zahlen und die Preise nicht zu unterbieten.5 Eine Verpflichtung seitens der Kinobesitzer, die Filme des Ministeriums zu zeigen, bestand jedoch nicht. Jack Beddington, der im Mai 1940 Nachfolger von Kenneth Clark als Leiter der Films Division wurde, hatte sich als zweiten Mann seiner Abteilung (wenn auch offiziell nur als Honorary Adviser) Sidney Bernstein geholt, den Besitzer der Granada-Kinokette, der bei Filmverleihern und Kinobesitzern einen ausgezeichneten Ruf als „einer der ihren“ besaß. Beide setzten die Verhandlungen mit der C.E.A. und der K.R.S. im Mai und Juni fort. Die Films Division unter Kenneth Clark hatte bis Anfang Februar 1940 angeblich insgesamt 54 Filmproduktionen in Auftrag gegeben. Träfe dies zu – belegen lassen sich lediglich zehn Produktionen6 -, hätte die Films Division Anfang Mai vor dem Problem gestanden, Filme zu besitzen, für die ihr weder ein Vertrieb noch Abspielorte zur Verfügung standen. Noch Ende Mai gab es weder ein formuliertes Produktionsprogramm für die Five-Minute-Films noch ein Zugeständnis der Kinobesitzer, die von der Films Division produzierten Filme auch zu zeigen.7 5 Ministry Shorts on Booking Merit, in: Kinematograph Weekly, 11.4.1940, S. 3 Bis zum Juni 1940 fanden jedoch nur zehn Filme, an denen die Films Division beteiligt war, den Weg in die Kinos. Neben drei Filmen der G.P.O. Film Unit, den drei „Anti-Gossip“ Filmen von Ealing, waren es hauptsächlich Kompilationsfilme aus Wochenschaumaterial 7 Der Second Interim Report des Home Morale Emergency Committee vom 24.5.1940 gab lediglich eine Empfehlung: „Cinema exhibitors to be asked, and if necessary ordered, to show suitable M. o I. documentaries such as those on Agriculture and the Balloon Barrage [i.e. Squadron 992].“ PRO, INF 1/254 6 156 Die monatelangen Verhandlungen hatten Nerven bloßgelegt. In zwei Sitzungen des Policy Committee, der höchsten Instanz des Ministeriums, standen im Juni 1940 die „Compulsory exhibition of films“ auf der Tagesordnung.8 Aufgrund Defense Regulation 55, so wurde argumentiert, könnte die Aufführung von Filmen, die dem Ministerium wichtig waren, auch erzwungen werden. Kenneth Clark, der zum Sekretär des Home Planning Committee befördert worden war, sprach sich jedoch dagegen aus. Er schlug vor, eine von Beddington und Bernstein ausgearbeitete Vereinbarung mit der Cinematograph Exhibitors‘ Association zu treffen, wonach diese sich freiwillig bereit erklären sollte, zehn Minuten jeder Vorführung für „such films as we required“ bereitzustellen. „(...) the 10 minutes for propaganda films were as much as people could stand. (...) Moreover, an arrangement under which more of the normal programme was displaced might have a serious effect on the American film industry and would be likely to cause trouble on that account.“9 Das Policy Committee beschloss daher, die C.E.A. um diese zehnminütige kostenlose Kinozeit anzugehen. Sydney Bernstein und Jack Beddington hatten im Hinblick auf eine Abspielmöglichkeit in den kommerziellen Kinos ein Produktionsprogramm für „theatrical distribution“ vorgeschlagen, das aus Fünf-Minuten-Filmen bestehen sollte. Ob Beddington und die Films Division die Idee zu diesem Programm hatten – ein Indiz ist, dass die ersten Filme bereits Anfang Juni 1940 noch vor der Sitzung des Policy Committee durch die Treasury abgesegnet wurden –, oder ob das freiwillige Angebot der C.E.A., dem Ministerium kostenlose Kinozeiten zur Verfügung zu stellen, ausschlaggebend für die Formulierung des Produkti- 8 9 Policy Committee, 11.6.1940 und 14.6.1940. PRO, INF 1/849 Policy Committee, 14.6.1940, a.a.O. 157 onsprogramms war, lässt sich nicht eindeutig rekonstruieren, da alle Beteiligten die Idee für sich reklamierten10. Die Einigung zwischen Ministry of Information und der C.E.A. kam Anfang Juni zustande, und Ende Juni stimmte der General Council des C.E.A. der Empfehlung seines General Purposes Committee zu, wenigstens fünf Minuten jeder Kinovorstellung für Filme des Ministry of Information bereitzustellen. „In regard to future policy with the Ministry of Information, your committee recommends that the General Council should, on behalf of the members of the Association, agree with the Ministry that they will set aside each week, say, five minutes for the showing of films supplied by the Ministry of Information.“11 Ein Rundschreiben informierte alle Mitglieder der C.E.A. über die Vereinbarung.12 Der halbstaatliche National Screen Service übernahm den Verleih der kostenlosen Filme und organisierte den Vertrieb der Kopien.13 Eine ganze Reihe von Kinobesitzern hielten sich jedoch nicht an die zwischen Ministry of Information und C.E.A. getroffenen Vereinbarungen. Entweder 10 Der Präsident der C.E.A., H.P.E. Mears, behauptete, dass er der Films Division das Angebot unterbreitete: „It was I, who, on behalf of the exhibitors, entered into the arrangement to give this showing time for the short propaganda films – the General Secretary and I went along and put up the proposition to Jack Beddington as a gesture from the exhibitors of Britain in an endeavour to help the war effort.“ Mears Criticises M. of I. Chief, in: Kinematograph Weekly, 7.8.1941, S. 5 11 Five-Minute Propaganda in Each Show, in: Kinematograph Weekly, 27.6.1940, S. 5 12 Ministry of Information Films. Official Arrangements with C.E.A., in: Film Report No. 1109, 6.7.1940 13 Der Versand erfolgte mit der Post. Die Aufführungsdaten der Filme wurden den Kinos über den Verleih durch Release Cards mitgeteilt. Die knapp 5000 Kinos in Großbritannien wurden nach ihrer Sitzkapazität in verschiedene Kategorien eingeteilt. Jeder Film, von dem bis zu tausend Kopien gezogen wurden, wurde zuerst eine Woche lang in einem „A“ Kino gezeigt, dann in einem „B“" Kino, usw. bis jedes Kino an der Reihe war. Mit anfänglich über tausend Kopien konnten in vier bis fünf Wochen alle Kinos bespielt werden. Als aufgrund von Rohstoffmangel Anfang 1942 die Zahl der Filmkopien reduziert werden musste, verlängerte sich die Aufführungsdauer entsprechend. Um der Vergeudung von Filmmaterial vorzubeugen, verschickte die Films Division im Februar 1942 einen Fragebogen an die Kinos, der neben Auskunft über die Platzanzahl Informationen darüber liefern sollte, ob die Kinos die Five-Minute-Filme des Ministeriums an drei oder sechs Tagen in der Woche spielen wollten – eine berechtigte Frage, da die meisten Kinos ihr Programm zweimal wöchentlich wechselten 158 zeigte man die Ministry of Information-Filme nicht in allen Vorführungen oder nur als Pausenfüller bei eingeschalteter Saalbeleuchtung zwischen zwei Kinoprogrammen oder man projizierte auf den geschlossenen Vorhang. Einige Kinos zeigten sie überhaupt nicht.14 Auf die sich häufenden Klagen reagierte Informationsminister Bracken gereizt. „If the proposed further efforts should fail to bring about the desired results I shall consider taking compulsory powers.“15 Die Frage, ob die „compulsory exhibition“ insbesondere von langen Filmen des Ministry of Information per Gesetz zu reglementieren sei, blieb noch bis Mitte des Krieges virulent. Ein internes Memorandum der Films Division vom März 1942 nannte jedoch zahlreiche Gründe für die Ablehnung gesetzlichen Zwangs.16 Man wollte nicht in die Kritik kommen, wenn man sich so offensichtlich über die Mechanismen des Marktes hinwegsetzte; „Loss of Goodwill of the trade“ wurde angeführt, besonders im Hinblick auf erzwungene Aufführungen langer Dokumentarfilme, ebenso „Loss of Goodwill of the public“, der man nicht vorschreiben wollte, welche Filme sie sehen sollte. Die erhöhten Produktions- und Verleihkosten durch Wegfall der Verleiheinnahmen bei gleichzeitiger Erstattung der Kosten der Verleiharbeit für die langen Filme, die zwangsweise steigende Kopienzahl, und die Impraktikabilität der Kontrolle waren zusätzliche ökonomische Gründe, von der Einführung einer „compulsory exhibition“ abzusehen. Auch wenn in internen Papieren des Ministeriums über „compulsory exhibition“ ihrer Filme diskutiert wurde, musste es dennoch dieses Druckmittel nicht anwenden, da die Missachtung des Arrangements 14 M. of I. Shorts Shelved by Exhibitors, in: Kinematograph Weekly, 17.7.1941, S. 1 Mears Criticises M. of I. Chief, in: Kinematograph Weekly, 7.8.1941, S. 5 16 Objections to an order for the compulsory exhibition of M.O.I. films. PRO, INF 1/627/F595 15 159 zwischen Minstry of Information und den Kinobesitzern eher die Ausnahme blieb. Die Mitglieder der C.E.A. waren freiwillig bereit, patriotisches Engagement zu zeigen. Neben einer „national duty“, die „propaganda films“ des Ministry of Information zu zeigen, sah die C.E.A. in ihrer Bereitschaft, kostenlose Kinozeit bereitzustellen, auch ein politisches Druckmittel gegen die Regierung, falls diese wieder einmal beabsichtigen sollte, die Kinos zu schließen.17 Ihrerseits zeigte die Films Division Entgegenkommen, die bittere Pille sowohl für die Kinobesitzer als auch für das Publikum erträglich, sprich unterhaltsam zu machen. Die erste Programmstaffel der Five-Minute-Films bestand hauptsächlich aus im Studio produzierten Kurzspielfilmen. Mit dieser Politik erfüllte sie voll die Wünsche der Kinobesitzer. Die Politik der Films Division in bezug auf die Fünf-Minuten-Filme deckte sich so mit der zu Beginn des Krieges formulierten Absicht, die kommerzielle Filmwirtschaft bei der Durchsetzung ihrer Propagandaziele verstärkt einzusetzen. Mit der Begründung der Films Division gegenüber dem Planning Committee zur Fortsetzung des Produktionsprogrammes der Five-Minute-Filme konnte sich jeder Kinobesitzer und (Spielfilm)Produzent zufrieden geben: „Audiences, especially in present circumstances, expect to be entertained in the cinema and, while this is no obstacle to instruction, exhortation and reassurance, it makes it necessary that the films should be made in such a manner that the pill is gilded. The straight documentary has been – and will continue to be – produced for the series, but featurettes done in studios and with popular artists have proved more acceptable both to the public and the exhibitors and have, therefore, a greater propaganda value.“18 17 „This is the kind of national service that will be an added inducement for the Authorities to want cinemas to keep open and to be visited by the public.“ Ministry of Information Films. Arrangements with C.E.A., a.a.O. 18 E.L. Mercier in einer Vorlage für das Home Planning Committee. Subject: Five-Minute Films, 13.11.1940. PRO INF 1/251 160 Der Erfolg gab ihnen auch recht. Die Publikumsresonanz war gut, und die Kinobesitzer brauchten vorerst nicht zu befürchten, sich ein Kuckucksei ins Nest gelegt zu haben. Die 115 Five-Minute-Films19, die zwischen Juli 1940 und Dezember 1942 wöchentlich in den Kinos gezeigt wurden, hatten neben den langen dokumentarischen Spielfilmen der Crown Film Unit mit Abstand die höchsten Besucherzahlen aller Ministry of Information-Filme. Jeder dieser Filme wurde von fast 20 Millionen Zuschauern gesehen. In dem Moment da sie sowohl geeignete Abspielstätten für ihre Filme zur Verfügung hatte, als auch ein finanziell abgesichertes Produktionsprogramm besaß, begann die Films Division die Form der Fünf-Minuten-Filme zu verändern. Die Kurzspielfilme der ersten Produktionsstaffeln verschwanden allmählich und wurden durch Dokumentarfilme ersetzt. 19 1940: Westward Ho! 1940 (8.7.), A Call for Arms (22.7.), Food for Thought (29.7.); Miss Grant Goes to the Door (5.8.), Albert‘s Savings (12.8.), Britain at Bay (15.8.), Sea Fort (19.8.), Salvage With a Smile (26.8.); Mr. Borland Thinks Again (2.9.), Yesterday‘s Over Your Shoulder (9.9.), Miss Know-All (16.9.), Channel Incident (23.9.); The Front Line (7.10), Ashely Green Goes to School (14.10), Britain Can Take it (21.10); Owner Comes Aboard (18.11), The Story of an Air Communiqué (25.11.); Neighbours Under Fire (2.12.), We‘ve Got to Get Rid of the Rats (19.12.), Fighter Pilot (16.12.), Her Father‘s Daughter (23.12.), Goofer Trouble (30.12.). 1941: Christmas Under Fire (6.1.), Any Old Iron (13.1.), The Dawn Guard (20.1.), War And Order (27.1.); Northern Outpost (3.2.), The Heart of Britain (10.2.), Telefootlers (17.2.), Atish-oo (24.2.); India Marches (3.3.), Dai Jones (10.3.), You‘re Telling Me (17.3.), Lofoten (24.3.), Mr. Proudfoot Shows a Light (31.3.); Ack-ack (7.4.), Mobile Canteen (14.4.), Words for Battle (28.4.); Home Guard (5.5.), Eating out with Tommy Trinder (12.5.), A Visit From Canada (19.5.); Winged Messengers (9.6.), A.T.S. (16.6.), Citizens‘ Advice Bureau (23.6.), Air Woman (30.6.); Night Watch (7.7.), Queen‘s Messengers (14.7.), Lady be Kind (21.7.), Sea Cadets (28.7.); South Africa Marches (4.8.), Shunter Black‘s Night Off (11.8.), The Team (18.8.), New Acres (28.8.); The Royal Australian Navy (1.9.), The Pilot is Safe (8.9.), New Zealand Has Wings (15.9.), Corvettes (22.9.), H.M. Minelayer (29.9.); Dig for Victory (6.10), The Battle for Books (13.10), A Few Ounces a Day (20.10), Dangers in the Dark (27.10.); W.R.N.S. (3.11.), Special Despatch (10.11.), Hospital Nurse (17.11.), Venture, Adventure (24.11.); Three in a Shell Hole (1.12.), Sam Pepys Joins the Navy (8.12.), Royal Observer Corps (15.12.), Naval Operations (22.12.), War in the East (29.12.). 1942: Seaman Frank Goes to Sea (5.1.), Rush Hour (12.1.), Newspaper Train (19.1.), The Army Lays the Rails (26.1.); Knights of St. John (2.2.), Arms From Scrap (9.2.), The Half of a Nation (16.2.), Land Girl (23.2.); Builders (März), Mobile Engineers (März), 100,000,000 Women (März), Victory Over Darkness (März), Filling the Gap (6.4.), The Owner Goes Aloft (13.4.), The Middle East (20.4.), Balloon Site 568 (27.4.); Men of India (4.5.), Go to Blazes (11.5.), Free French Navy (18.5.), The Five Men of Velish (25.5.); Partners in Crime (1.6.), Work Party (8.6.), Down Our Street (15.6.), Wood for War (22.6.), The Right Man (29.6.); Start a Land Club (6.7.), New Towns for Old (13.7.), Troopship (20.7.), Dockers (27.7.); Essential Jobs (3.8.), Free House (10.8.), Empire Aid (17.8.), Twenty-one Miles (24.8.), The Day That Saved the World (31.8.); Chiang Kai Shek in India (7.9.), A New Fire Bomb (14.9.), 161 Im Dezember 1942 ersetzte die Films Division das wöchentliche wechselnde Programm mit den Five-Minute-Filmen durch ein monatlich wechselndes Programm aus fünfzehnminütigen Filmen.20 Die Trade Press und die Cinema Exhibitors‘ Association begrüßte diesen Schritt enthusiastisch, da ihr die Five-Minute-Films schon lange ein Dorn im Auge waren. „They claimed that a weekly five-minute film was to difficult to fit into their programmes. They could not drop their advertising films, their slide advertisements for local traders, their organ interludes.“21 Es kamen vermehrt Klagen, dass die Kinobesitzer aus den oben genannten Gründen die Five-Minute-Filme nicht in ihrem regulären Kinoprogramm zeigten. Der Rückgang an zirkulierenden Verleihkopien – wegen des Rohfilmmangels musste die Films Division die Zahl der Kopien der Five-Minute-Filme von anfänglich 1.000 auf knapp 400 reduzieren – machte den Kinobesitzern die Entscheidung einfach und lieferte ihnen überdies gute Argumente, denn die geringe Kopienzahl verhinderte, dass jedes Kino wöchentlich die FiveMinute-Filme zeigen konnte. Die C.E.A. schlug daher der Films Division vor, anstatt des wöchentlicher 5-Minuten-Propagandafilms einmal im Monat einen The Nose Has it (21.9.), Ask C.A.B. (29.9.); Dustbin Parade (5.10), Motor Cycle Training (12.10.), Via Persia (19.10), America Moves Her Japs (26.10.); The Great Harvest (2.11.) 20 Zwischen Dezember 1942 und Dezember 1945 wurden 37 Fifteen-Minutes-Filme produziert, u.a.: 1942 (1): Lift Your Head Comrade. 1943 (12): A.B.C.A.; The Biter Bit; Cameramen at War; Crown of the Year; Invincible?; It‘s Just the Way it is; Men from the Sea; Power for the Highlands; These Are the Men; Tyneside Story; War in the Pacific; Workers‘ Weekend. 1944 (12): Back to Normal; By Sea and Land; Conquest of a Germ; A Date With a Tank; Great Circle; Harbour Goes to France; Minefield!; Naples is a Battlefield; South Africa; Stricken Peninsula; Transatlantic Airport; West Indies Calling. 1945: Channel Islands 1940-1945; This was Japan 21 Who‘s Baby, in: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 8, August 1942, S. 110 162 zehnminütigen Film zu zeigen. Das vom Juli 1940 resultierende Agreement zwischen Ministry of Information und der C.E.A. brauchte nicht neu verhandelt werden. Man einigte sich darauf, den Five-Minute-Film durch einen monatlichen Kurzfilm zu ersetzen, „with a length not exceeding 15 minutes“, den die Kinos für die Bereitschaft ihn zu zeigen erneut kostenlos erhalten würden. Gab es mehrere Kinos in einer Stadt, wechselten sich diese, um Kopien zu sparen, beim zeigen des Films ab. Hatte ein Ort nur einem Kino wurde es monatlich bedient.22 Die C.E.A. wertete die Einführung des neuen Fifteen-Minute-Programm wieder einmal als ihren Erfolg. Eine Delegation der C.E.A., so schrieb ein Filmjournalist, erhielt von Beddington eine „most sympathetic reception (...), because I know the Films Division chief is of very much the same mind as themselves. In fact, I believe such a proposal has been under consideration down at Senate House for quite a while.“23 Die Films Division hatte jedoch völlig andere Gründe für den Ersatz des FiveMinute-Programms. Der eigentliche Anlass war ein Wechsel in der Politik des Ministry of Information, der auch die zukünftige Arbeit der Films Division entscheidend beeinflussen sollte. Seit Mitte 1942 sollte sich die Films Division vermehrt um die Produktionen für den Einsatz im Ausland engagieren. Das betraf die Dominions, die USA, Lateinamerika, Russland, Türkei und den Mittleren Osten. Dieser Richtungswechsel hatte Auswirkungen auf das Five-Minute-Programm der Films Division. Um die Nachfrage nach Filmen fürs Ausland befriedigen zu können, wurde der Five-Minute-Film durch einen fünfzehnminütigen Film ersetzt, der im mo- 22 23 M.o.I. Change Release System of 15-Minuters, in: Kinematograph Weekly, 20.4.1943, S. 2 Daily Film Renter, 18.6.1942, S. 2, zitiert nach: Chapman, The British at War, a.a.O., S. 109 163 natlichen Rhythmus erscheinen sollte. Man versprach sich davon eine Verringerung des Produktionsstresses (von wöchentlich auf monatlich) und gleichzeitig die Freisetzung von Arbeitskraft, die dringend für die Produktion der neuen Filme fürs Ausland benötigt wurde. Die ursprünglichen Aufgaben, der Five-Minute-Filme, etwa direkte Botschaften und Handlungsanweisungen zu vermitteln, sollten von nun an verstärkt die ‚Government Trailer‘ übernehmen, die bisher sporadisch mit einer Wochenschau gekoppelt waren. Der Wechsel in der Politik war der eigentliche Grund, warum die Films Division das Five-Minute-Programm einstellte, und als die Kinobesitzer neue Formen staatlicher Filmpropaganda forderten, stießen sie bei der Films Division auf offene Ohren. Die Films Division favorisierte längere Filme auch aus inhaltlichen Gründen, denn in fünf bis acht Minuten konnten das jeweilige Anliegen nur sehr grob vermittelt werden. Hier setzte auch die Kritik von MassObservation und vieler Kurzfilmproduzenten an.24 Die Films Division widersprach nicht (jedenfalls nicht öffentlich), als die C.E.A. den Erfolg bei der Einführung des neuen Programms für sich reklamierte. Wegen ihrer angeblichen Kapitulation vor den Kinobesitzern, die dem Staat monatlich fünf Minuten kostenlose Aufführungszeit von Propagandafilmen kostete, erhielt die Films Division heftige Schelte, die aber folgenlos blieb. 24 Der Kurzfilmproduzent Cecil Musk äußerte sich im Kinematograph Weekly anläßlich der Ankündigung des Ministry of Information, sein Five-Minute-Programm durch ein neues Fifteen-Minute-Programm zu ersetzen, und warnt davor, nicht den gleichen Fehler zu begehen, wie mit dem Vorgängerprogramm: „Much of the failure and confusion was due largely to the fact that few directors were used to telling their story in half a reel. They used leisurely public relations unfoldment of material which, when cut down to the alloted length, became incoherent. Other factors also operated. For instance, the low prices paid for the films did not allow sufficient subject research to be carried out, and insufficient time was spent on bringing in the picture. That meant that, whether the jobs were location, exterior, or studio, the technical qualities often fell below the level which audiences would accept, even from British quota films.“ The New M. of I. Film Policy, in: Kinematograph Weekly, 16.7.1942, S. 5 164 Beddingtons Konzession an die Kinobesitzer verstärkte dafür deren Goodwill, auf den das Ministry of Information nach wie vor angewiesen war. Neben den Five-Minute- und Fifteen-Minute-Filmen gab es noch einen weiteren Typ von Ministry of Information-Filmen. Dieser wurde den Kinobesitzern zur kommerziellen Auswertung angeboten. Die Vereinbarung mit der C.E.A. über die Five-Minute-Filme ließ ausdrücklich die Möglichkeit einer regulären Kinoauswertung von Ministry of Information-Filmen zu. Praxis der Films Division war es, die C.E.A. zu informieren, sobald ein Film für eine Kinoauswertung zur Verfügung stand. Dieser Prozess verlief nicht immer reibungslos, auch wenn die Films Division ein Trade Committee eingesetzt hatte, das über die Verleihmöglichkeiten eines Films entscheiden sollte. Eine weitere Vereinbarung gab es mit der Kinematograph Renters‘ Society (K.R.S.), dem Dachverband der Filmverleiher. Die Films Division zeigte K.R.S.-Mitgliedern in einer Trade Show Filme, die sich ihrer Meinung nach für den kommerziellen Verleih eigneten. Die K.R.S. bestimmte, welches Mitglied einen Film zur Auswertung erhalten sollte; die Reihenfolge wurde durch Abstimmung festgelegt. Natürlich war die Films Division bei dieser Art procedere mit der Entscheidung der K.R.S. nicht immer einverstanden. Die Auswertung der Filme erfolgte auf kommerzieller Basis. Die Films Division legte für den jeweiligen Film ihren Anteil an den Box-Office Einnahmen im Vorfeld fest25, und teilte dies auch jeweils der C.E.A. mit, die eine entsprechende Empfehlung an ihre Mitglieder weitergab. 25 Für den Film Close Quarters erwartete Beddington: „We shall ask 20 per cent. of the boxoffice receipts as standard terms for this film, but shall not expect to receive more than 20 per cent. We hope that exhibitors will be generous in the matter of might be termed ‚negotiable bars‘ to enable as many theatres as care to book the film to be able to show it. Where flat rentals are the recognised policy of an exhibitor, the distributors will be empowered to negotiate on this basis and will accept what is in their opinion an adequate 165 Das System des kommerziellen Verleihs hatte Schwächen. Da einige der großen Verleiher unterschiedliche Kinoketten bedienten, bzw. zu deren vertikalen Organisation gehörten, gab es häufiger Klagen über Erstaufführungsund Nachspielrechte, über die Bevorzugung bestimmter regionaler Kinointeressen oder einzelner Gesellschaften, und auch Klagen, dass kleinere Kinos und unabhängige Verleiher häufiger von der Buchung eines Ministry of Information-Films ausgeschlossen waren.26 Dadurch bekamen nicht alle Filme eine umfassende Kinoauswertung. Manchmal blockierten die Verleiher den Kinostart eines Ministry of Information-Films und es kam teilweise zu erheblichen Verzögerungen. So gelangte der Film Merchant Seamen z.B. erst mit zehnmonatiger Verspätung in die Kinos. Gelegentlich verweigerten die Kinobesitzer dem Ministerium auch die Abrechnung nach Prozenten und verlangten eine Fixsumme, so geschehen bei Target for Tonight.27 Der Filmtheaterverband stellte dem Ministerium die berechtigte Frage, ob es eher am Verleihprofit interessiert war, als am optimalen Vertrieb seiner Filme. Bis Ende des Krieges wurde 66 Filme des Ministeriums über kommerzielle Vertriebsfirmen verliehen, wobei das Ministry of Information nicht immer Einnahmen erzielte.28 Das Box Office, das bei einigen Filmen beträchtlich war, so figure in the circumstances.“ M.of I. Film Rental Policy, in: Kinematograph Weekly, 17.6.1943, S. 16 26 Release of Sponsored Propaganda, in: Kinematograph Weekly, 26.3.1942 27 Siehe die detaillierte Beschreibung von A.W. Jarratt über die Verleihverhandlungen zwischen dem Ministry of Information und verschiedenen Verleihfirmen, in: „Target for To-Night“ Release „mishandled“, in: Kinematograph Weekly, 21.8.1941, S. 13 28 Bis zur Regelung mit C.E.A. im Juli 1940 wurden Filme der Films Division über kommerzielle Verleiher in die englischen Kinos gebracht, ohne dass das Ministry of Information daraus Verleiheinnahmen erzielen konnte; erst nach dieser Regelung hatte das Ministerium finanzielle Vorteile. Folgende Filme kamen durch das freiwillige Entgegenkommen der Verleihfirmen bis Juni 1940 in die Kinos (in Klammern die Verleihfirmen – falls recherchierbar; fettgedruckt die Produktionen der Crown Film Unit): All Hands (MGM); Behind the Guns (Newsreel Association); Bringing it Home (AngloAmerican); Dangerous Comment (MGM); Do It Now (Newsreel Association); Canada at War (RKO-Radio); The First Days (A.B.P.C.); Italy Beware (Anglo-American); Men of Africa (Anglo-American); Men of the Lightship (A.B.F.D.); A Nation Springs to Arms (Twentieth 166 für Target for Tonight £ 73.636, für Coastal Command £ 47.797, für Close Quarters £ 13.740, für The Next of Kin £ 95.308 und für 49th Parallel sogar £ 116.432, floss in den Staatshaushalt zurück. Aus den Reihen der Kinobesitzer kamen häufig Klagen, dass verschiedene staatliche Stellen, das heißt andere Ministerien oder Home Guard Security Organisationen, von den Kinos Vorführzeiten für ihre Filme verlangten.29 Beddington legte in einem Brief an die C.E.A. im Dezember 1941 die Position des Ministeriums eindeutig fest. „In future local approaches which do not have the authority of the M.of I. can be safely disregarded by exhibitors.“30 Century Fox); Now You‘re Talking (MGM); On Guard in the Air (G.F.D.); Raising Soldiers (A..F.D); S.O.S. (A.B.F.D.); Squadron 992 (Columbia); These Children are Safe (AngloAmerican); Undersea Patrol (Paramount); The Voice of the Guns (Anglo-American). Nach der Regelung mit der C.E.A. im Juni 1940 kamen folgende Filme in die Kinos, die dem Ministry of Information auch Verleiheinnahmen erwirtschafteten: The Air Plan (Anglo-American); B.B.C. Brains Trust No. 3 (Anglo-American); Before the Raid (MGM); The Big Pack (Pathe); The Broad Fourteens; Browned Off; Burma Victory (Columbia); Close Quarters (Ealing Distributors); Coastal Command (Paramount); A Defeated People (Columbia); Desert Victory (G.F.D.); A Diary for Timothy (Film Traders); Ferry Pilot (A.B.F.D.); Fires Were Started (G.F.D.); 49th Parallel (G.F.D.); From the Four Corners (MGM); Furnaces of the Industry (United Artists); Germany Calling (Newsreel Association); It Might be You; Journey Together; Jungle Mariners (Film Traders); Left of the Line (Ealing Distribution); A Letter From Ulster (Twentieth Century Fox); The Lion Has Wings (British Lion); Listen to Britain (British Lion); Malta G.C. (Warners); Merchant Seamen (G.F.D.); Musical Poster No.1 (Newsreel Association); Operational Height (Butchers); Our Country (Film Trader); Scotland Speaks (A.B.F.D.); The Silent Village (Ealing Distributors); Soldier-Sailor; Tank Battle (Anglo-American); Target for Tonight (A.B.F.D.); There‘s a Future in it; Today and Tomorrow; The True Glory (Warner); The True Story of Lili Marlene (Pathe); Tunisian Victory (Butcher‘s); Two Fathers (Warner); Unrecorded Victory ( MGM); V 1 (Twentieth Century Fox); The Volunteer (Anglo-American); Wavell‘s 30,000 (MGM); We Sail at Midnight (Pathe); Western Approaches (British Lion); World of Plenty (Paramount). Das Public Accounts Committee für 1944 verzeichnete für das Finanzjahr vom 1.4.194231.3.1943 Einnahmen durch den kommerziellen Verleih von Filmen des Ministry of Information in Höhe von £ 237.180. Für das Finanzjahr 1940/41 beliefen sich die Einnahmen auf £ 19.399 für 1941/42 auf £ 124.540. Public Accounts Committee 1944, Statement 18, Receipts from commercial distribution of films. PRO, INF 1/74 Part II 29 Co-ordinate All War Propaganda; (und) Pressure on Kinemas to Show Propaganda, in: Kinematograph Weekly, 6.11.1941 30 Jack Beddington in einem Brief an W.R. Fuller [General Secretary der C.E.A.], in: Propaganda Films Procedure, in: Kinematograph Weekly, 25.12.1941. Beddington konnte individuelle Begehren jedoch nicht hundertprozentig ausschließen, „he will request the co-operation of all Government Departments in this matter and ask them to 167 Die Films Division verhandelte im Frühjahr 1940 nicht nur mit der Cinematograph Exhibitors‘ Association, sondern parallel auch mit der Newsreel Association, dem Zusammenschluss der fünf britischen Wochenschaugesellschaften, über die Möglichkeiten, den Vertrieb der Filme des Ministry of Information zu unterstützen. Man hatte sich darauf geeinigt, „when a quick and brief nation-wide message has to to be given (...), that the best technique is to attach a trailer to the news reels.“31 Ein O.E.P.E.C. Paper fixierte die Vereinbarung.32 Die Wochenschauen hatten sich bereit erklärt, an das Ende einer jeden Wochenschau einen ein- bis zweiminütigen33 Trailer des Ministry of Information anzuhängen. Bis Ende 1942 wurden relativ wenig Trailer produziert. Erst mit dem Wegfall der FiveMinute-Filme, deren Aufgaben verstärkt die Trailer übernehmen sollten, stieg ihre Zahl erheblich an. Ursprünglich war mit den Trailern beabsichtigt, kurze staatliche Propagandabotschaften schnell und flächendeckend zu verbreiten. Die sich auf ein Thema konzentrierenden Instruktionsfilme waren dank des „Government Official“ im Vorspann als offizielle Regierungspropaganda erkennbar. Der Propagandaslogan, den es zu erläutern oder durchzusetzen galt, setzte den Endpunkt des Films. Die Trailer wurden in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien produziert, deren unterschiedliche Informations- und Propagandabedürfnisse es zu visualisieren galt. Da die Films Division das Aufführungsdatum bestimmte, ließen sich Propagandakampagnen auf den Tag genau discourage approaches direct to local exhibitors and to make all their requests to the kinema Trade through us“ 31 Beddington an Fuller, in: Propaganda Films Procedure, in: Kinematograph Weekly, a.a.O. 32 O.E.P.E.C. Paper No. 399, 27.6.1940. PRO, T 162/858 E 39140/8 33 Bis zum Dezember 1941 betrug die durchschnittliche Länge eines Trailers 200 Fuß, danach wurde sie auf 125 Fuß reduziert 168 stimmte, ließen sich Propagandakampagnen auf den Tag genau überregional starten; eine Praxis, die auch für die „A“-Aufführung der Fünf-Minuten-Filme galt.34 Da die Trailer im Anschluss an den Five-Minute-Film, die Spielfilmtrailer und die Wochenschau liefen, mussten sie prägnant, überzeugend und zugleich unterhaltsam sein. Unter der Supervision von John V. Baines machte die Films Division sie zur Experimentierwiese filmischer Formen und Ausdrucksweisen. Animations-, Zeichen- und Puppenfilme, Modellaufnahmen und Trickfotografie gehörten zum Standardrepertoire.35 „John Baines (...) is building a fantastic world of talking chickens, men with Plimsoll lines on their legs, dissolving toothpaste tubes, old-time movies and strange gardens where Father Time lays lilies on dead gardeners. In this world Dali and Ripley walk hand in hand in the cause of propaganda. (...) Every sort of technique is used, cartoon, model and mystery as well as human beings. On the whole the humans are the less successful. Who wants to listen to a housewife when you can hear a talking hen? in these brief nightmares there can be no false notes, no hesitation, no slipshoddery, every frame must count. The trick stuff packs more punch, gets a clearer message across and is more entertaining.“36 1940 und 1941 produzierte die Films Division jeweils rund 20 Trailer, 1943 und 1944 stieg die Zahl auf über 50.37 Die Wochenschaufirmen erhielten von 34 Für regional ausgerichtete Kampagnen, die durch Trailer durchgeführt werden sollten, gab es eine weitere Vereinbarung mit der C.E.A., die sicherstellte, dass die Trailer auch in ausgewählten Kinos gezeigt werden konnten. „But there will be occasions when we wish to put out a trailer which affects only one region, or in some cases only one town. In such cases we have agreed that we shall contact you, informing you of the kinemas which will be affected. You, in turn, will secure the co-operation of these kinemas, and the local trailer will then be specially despatched through the agency of National Screen Services.“ Jack Beddington in einem Brief an die C.E.A. In: Propaganda Films Procedure, a.a.O. 35 Zeichentrickfilme: Kitchen Waste for Pigs; Compost Heap; Puppentrick: Little Annie‘s RagBook 36 Trailers, in: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 2, February 1943, S. 182 37 Laut offizieller Statistik des Ministry of Information wurden 1940 acht Trailer produziert, Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O. listen 18 auf, 1941 war die offizielle Zahl 15 gegenüber 22, 1942 34 gegenüber 44, für 1943 gab die Statistik 46 an, 53 nannten Thorpe/Pronay, 1944 hatten beide die gleiche Anzahl von 51, und 1945 37 zu 39 169 der Films Division ein Lavendel38 des Trailers, das zusammen mit dem Ausgangsmaterial der Wochenschau kopiert wurde. Die je nach Länge unterschiedlichen Kopierkosten für den Trailer trug die Films Division. 1942/43 häuften sich die Klagen über die schwache Präsenz der Ministry of Information-Trailer in den Kinos. Im Gegensatz zu den Five-Minute-Films, die nur gelegentlich in einigen Kinos nicht gezeigt worden waren, sollen gar 50 Prozent der Trailer von den Kinobesitzern aus der Wochenschaurolle entfernt worden sein.39 Der Cinematograph Films Act von 1938 verpflichtete Kinobesitzer und Verleiher zur Stärkung der britischen Filmindustrie einen bestimmten Anteil in britischen Studios mit britischer Manpower hergestellten Filme zu zeigen, das „quota“.Zugleich sollte hiermit verhindert werden, dass ausländische Filme die einheimischen Kinos überfluteten. Um für das Exhibitors‘ Quota angerechnet zu werden, musste ein Film von einem „British subject“ oder einer Firma, die in einem Land des British Empire registriert war, hergestellt sein; er musste in einem Studio innerhalb des British Empire hergestellt sein; ein entsprechender Produktionsbetrag musste als Personalkosten für „British subjects“ aufgewendet sein. Die Bestimmungen für das Renters‘ Quota waren noch restriktiver. Hierfür musste ein Film von einer britischen Firma oder Person im Vereinigten Königreich hergestellt worden sein und wenigstens die Hälfte der Personalkosten mussten an britische Staatsbürger bezahlt worden sein. Diese Bestimmungen wurden im Juni 1940 dadurch ergänzt, dass auch Filme, die innerhalb des British Empire hergestellt wurden, sich für das Renters‘ Quota qualifizierten. 38 39 Ein im Gegensatz zum Negativ positives Ausgangsmaterial für das Kopieren von Filmen Siehe: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 9, September 1942, S. 122 170 In der Frage der Quota-Registrierung der staatlichen Filme kam das Ministry of Information sowohl den Verleihern als auch den Kinobesitzern entgegen, was die British Short Film Makers‘ Society erneut heftig protestieren ließ.40 Um den Kinobesitzern, die nur selten und widerwillig wertvolle Screen Time mit nicht anrechenbaren (Non-Quota-)Kurzfilmen füllen wollten, die QuotaVerpflichtungen zu erleichtern, ließ die Films Division über das Board of Trade seine Fünf-Minuten-Filme, und später auch die Fünfzehn-Minuten-Filme, in die Quota-Registrierung unter dem Cinematograph Films Act mit einbeziehen. Dadurch zählten diese Filme für die Quota-Registrierung der Kinos als „exhibitors‘ quota“. Doch dabei stiess das Ministry of Information auf Widerstand des Board of Trade, das die Bestimmungen des Cinematograph Films Act überwachte. Ausgelöst wurde der Konflikt durch zwei Filme, die die Polish Film Agency produziert hatte und die man innerhalb des Five-Minute-Programms zeigte. Tale of Two Cities und Diary of a Polish Airman wurden als ausländische Filme eingestuft, mit der Folge, dass Verleiher und Kinos sie mit Filmen englischer Provenienz ausbalancieren mussten, um den Bestimmungen des Films Act Rechnung zu tragen. Auf Druck des Ministeriums war das Board of Trade bereit, den Films Act dahingehend zu verändern, dass Filme, die von Regierungen produziert wurden, die mit dem Vereinigten Königreich alliiert waren, nicht unter die Bestimmungen des Films Acts fielen. Diese Filme wurden als „neutral“ bewertet und mussten nicht mit in- oder ausländischer Quota-Footage verrechnet werden. Doch diese Lösung war dem Ministerium nicht weitgehend genug. 40 Aus einem Brief der British Short Film Makers‘ Society an den Sekretär des Cinematograph Film Council: „(...) on behalf of the members of this society we would draw the attention of the Film Council to this unfair competition with legitimate makers of short films. The business of such makers is to a large extent dependent on the selling of their product to renters of American films, and it was with the intention of giving some measure of protection to such producers that the Quota provisions of the Cinematograph Films Act of 1938 were enacted.“ In: Ministry Films and Quota, in: Kinematograph Weekly, 16.5.1940, S. 5 171 „The Ministry suggests that all films which it distributes should be placed in such a position under the Cinematograph Films Act as will enable them to count for British Quota.“41 Neutral, im Sinne des Films Act, waren auch alle Kompilationsfilme aus Wochenschaumaterial, wie Lofoten und Wavell‘s 30,000. An letzterem entzündete sich eine Kontroverse zwischen dem Ministerium und dem Board of Trade. Wavell‘s 30.000, mit 4.309 Fuß ein ‚Langfilm‘ unter dem Films Act, wurde von MGM im Auftrag des Ministry of Information kommerziell verliehen. Die Buchungen der Kinobesitzer waren sehr zurückhaltend, da der Film nicht als Exhibitors‘ Quota rechnete. In ihrer Hauptargumentation gegenüber dem Board of Trade verwies das Ministry of Information auf diesen nicht vorhandenen Anreiz für die Kinobesitzer, einen Film des Ministeriums zu zeigen.42 Gleichzeitig warf es dem Board of Trade vor, es behindere die Verleihchancen von Ministry of Information-Filmen, die News-Material benutzten, welches das Ministerium bereits den Wochenschauen überlassen hatte. Das Board of Trade verweigerte zunächst eine liberalere Auslegung des Films Act43, ließ aber nach Intervention von Brendan Bracken eine Änderung des 41 M. of. I. [Internes Diskussionspapier zur Vorlage für das Board of Trade, vermutlich von Nunn May] 28.3.1942. PRO, INF 1/627 F 595 42 „Experience of the trade shows, however, that films which do not count for British quota are met by a substantial sales resistance which no amount of persuasion can overcome. It ins the contention of the Ministry of Information, therefore, that the application of the Act to films which it distributes and which do not rank for quota reduces the extent to which they are likely to be shown by exhibitors.“ [Internes Diskussionspapier], 28.3.1942, a.a.O. 43 „The object of the Act is to encourage British production. News films are exempted from its scope because they make little or no demand on the resources of production, and similarly films containing a substantial proportion of foreign material ought not to have the privileges of British made films. (...) I should dislike the idea of bribing exhibitors to do something which decent feeling should prompt them to do unbribed. But I feel that we are asked to do this not in order that the films may be shown to the public, but in order that the exhibitor may be induced to pay money for them (...) I do not feel able to recommend the President to agree to the proposal.“ Vermutlich ein Mitglied des Cinematograph Films Council, in: Suggested Amendment of the Cinematograph Films Act, 1938, 7.5.1942. PRO, INF 1/627 F 595 172 Films Act zu44. Danach konnte das Board of Trade Kurzfilme aus dem Films Act herausnehmen – damit war die Möglichkeit gegeben, ausländische Filme für die Quota-Registrierung als „neutral“ einzustufen. Weiterhin konnte das Board of Trade Filme aus Wochenschaumaterial als britische Kurzfilme registrieren. Es war ein durchaus zwiespältiger Erfolg für das Ministry of Information. Natürlich half es den Filmen, die unter diesen Ausnahmebestimmungen vom Quota befreit bzw. zugerechnet wurden – auch wenn in der Praxis lediglich ca. 20 Filme darunter fielen –, eine verstärkte Präsenz in den Kinos zu erhal- 44 Statutory Rules and Orders 1942 No. 1445. Emergency Powers (Defence). Cinematograph Quotas, 23.7.1942. Die Auseinandersetzung schlug sich auch in den Trade Papers nieder: Propaganda Shorts Outside Quota Act, in: The Cinema, 18.3.1942; Films of War Hit by Act, in: Daily Mail, 4.4.1942; No Exhibitor „Bar“ on Official Films, in: The Daily Film Renter, 2.4.1942; zwei Leitartikel in Today‘s Cinema, 20.3. und 24.3.1942 173 ten, aber politisch hatte sich das Ministry of Information von den Interessen der Kinobesitzer bestimmen lassen.45 45 In einem anderen Punkt konnte sich die Lobby der Kinobesitzer jedoch nicht durchsetzen. Für ihr Non-Theatrical Programm mietete das Ministry of Information auch reguläre Kinos an. Für den Saal, das Personal und die Infrastruktur wurde eine Leihmiete an den Kinobesitzer bezahlt. Die Kinos beanspruchten die Anwendung des Cinematograph Act auf die gezeigten Filme. Da diese öffentlichen Veranstaltungen jedoch nicht von den Kinos organisiert wurden, konnten auch die gezeigten Filme nicht auf das Exhibitors‘ Quota angerechnet werden, so eine amtliche Entscheidung des Board of Trade. Board of Trade Ruling on Ministry of Information Film Shows in Public Cinemas, 29.7.1941. PRO, INF 1/627 F 595. Um weitere Screen Time für Ministry of Information-Filme zu schützen, schloss das Board of Trade mit den Produzenten von Werbefilmen eine Vereinbarung. Man verzichtete auf ein generelles Verbot von Werbefilmen, unter der Bedingung, dass Werbefilmproduktionen Auftragsproduktionen von staatlichen Stellen nicht behinderten, und dass Ministry of InformationFilme gegenüber Werbefilmen in der Kinoauswertung nicht benachteiligt wurden. „The companies have undertaken: (...) (2) To make it a term of their contracts with exhibitors that in no circumstances will the latter exhibit any advertisement film in preference to any film freely distributed under the auspices of the Ministry of Information.“ In: The Cinema, 7.10.1942 174 5.2. They Speak for Themselves: Non-Theatrical Filmverleih Bereits in der Planungsphase des Ministry of Information wurde die Notwendigkeit erkannt, neben den kommerziellen Kinos auch alternative Abspielorte und -möglichkeiten für die Filme des Ministeriums zu nutzen. Das Film Publicity Sub-Committee der International Propaganda and Broadcasting Enquiry regte in seinem Interim Report vom Juli 1939 an, „that arrangements should be made forthwith for ensuring the supply of cinema equipment to supplement existing commercial and official facilities for the display of films in the reception areas“.1 Das Gremium empfahl die Schaffung von 200 Projektionseinheiten bestehend aus einem 16mm-Tonfilmprojektor mit Stromgenerator und transportabler Leinwand. Weiterhin wäre der Einsatz von 30 mobilen Tageslichtkinos, sogenannten „cinema vans“ ratsam. Den Nukleus einer ministeriumseigenen Produktionsfirma sollte die G.P.O. Film Unit bilden mitsamt ihres nichtkommerziellen Verleihs. Dem Komitee lag ein detaillierter Bericht der G.P.O. Film Unit vor2, in dem deren Verleihaktivitäten beschrieben wurden. Für den nichtkommerziellen Verleih besaß die Unit eine eigene Film Library, die ihre Filme unentgeltlich an Besitzer von Projektoren verlieh. Sechs mobile „projector units“ bedienten in den Wintermonaten Schulen und Erwachsenenorganisationen. „The potentialities of this type of display are certainly very considerable, since there exist, throughout the country, thousands of ready-made audiences 1 Film Publicity Sub-Committee (Ministry of Information. Publicity Division: Planning Section. Home Publicity) Interim Report, 7.7.1939. PRO, INF 1/726 2 E.T. Crutchley, G.P.O. Film Unit, a.a.O. PRO, INF 1/726 175 which meet in halls which are suitable for showing films. Whilst organisational costs are relatively high the propaganda effect is quite different from that obtained in the theatres, since in this type of display the audience do not come for conventional entertainment so much as for interest in the type and subject of the film. They are thus in a frame of mind to receive instruction and propaganda.“3 Die Empfehlungen des Film Publicity Sub-Committee kamen bei der personellen Ausstattung der Films Division zum Tragen. So gehörte Russell Ferguson, dem der nichtkommerzielle Verleih der G.P.O. Film Unit unterstand, ebenso zu den ersten Mitarbeitern der Films Division wie Joseph Reeves, Manager der Workers‘ Film Association, der Filmabteilung des Trade Undion Congress und der Labour Party. Reeves war für den nichtkommerziellen Verleih durch die mobilen Einheiten verantwortlich, für die Liaison mit Gruppen, die an Lehrfilmen interessiert waren und für „arrangements for supply of such films in coordination with the Imperial Institute“. A.G. Highet, ebenfalls ein G.P.O. Film Unit Mitarbeiter, koordinierte die Produktion von Dokumentarfilmen und den nichtkommerziellen Verleih im In- und Ausland. Waren mit Highet und Ferguson bereits Mitarbeiter der Film Unit der Post in der Films Division beschäftigt, kam im Zuge der Eingliederung der G.P.O. Film Unit in das Ministerium auch deren ursprünglicher Arbeitsbereich unter die direkte Verantwortung der Films Division. Bei der Übernahme der G.P.O. Film Unit durch das Ministry of Information wurde die Post Office Communication Film Library ausdrücklich miteinbezogen: „The Communications Library works in close association with the Film Unit, and its circulating facilities are such as well prove to be of particular value as a vehicle for the display to evacuees, etc. of films produced by the Ministry.“4 3 4 E.T. Crutchley, G.P.O. Film Unit, a.a.O. Brief des Ministry of Information an The Secretary, Treasury, 1.3.1940. Post Office, P 11692/40, File No. 1, G.P.O. Film Unit 176 In den ersten Kriegsmonaten bestand die Aufgabe des nichtkommerziellen Verleihs darin, der evakuierten Zivilbevölkerung in den ländlichen Auffanggebieten Filme zu zeigen wie auch die Menschen in jenen städtischen Gebieten, in denen die Kinos geschlossen waren, mit Filmen zu versorgen. Man zeigte ein Potpourri aus Filmen des Empire Marketing Boards und der G.P.O. Film Unit und Unterhaltungsfilmen. Da es an aktuellen Propagandafilmen mangelte, zeigte sich die Propagandaabsicht nicht so sehr in den Themen der Filme, sondern in der Tatsache, dass überhaupt Filme aufgeführt wurden. Beabsichtigt war, „to combat the loneliness and boredom of the women evacuated to remote Scottish areas and in an effort to avoid the women‘s return to crowded areas.“5 Innerhalb der Films Division wurden in den ersten vier Monaten des Jahres 1940 Pläne diskutiert, den bestehenden nichtkommerziellen Verleih auszuweiten.6 Kenneth Clark beauftragte Thomas Baird eine Expertise über den nichtkommerziellen Filmverleih in Großbritannien anzufertigen, die Anfang April 1940 als „Memorandum on British non-theatrical film distribution“ vorlag.7 Baird war Mitarbeiter des Film Centre und gehörte damit ausgewiesenermaßen zum Documentary Movement. Er galt als der Spezialist für den nichtkommerziellen Verleih. 5 O.E.P.E.C. Paper No. 80, 23.9.1939. PRO, T162/858 E39140/4, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 155 6 „(...) the non-commercial uses by which films can be put to National Service have only been recognised by a few, and a scheme for their development is now long overdue.“ Bell, Wartime Uses of the Film, a.a.O., S. 474 7 Memorandum on British non-theatrical film distribution, 1.4.1940, PRO, INF 1/30 177 Bairds Memorandum war die Planungsgrundlage für alle weiteren Überlegungen für den nichtkommerziellen Verleih der Films Division. Bereits Anfang April wurde die Films Division autorisiert, mit den Vorbereitungen zur Umsetzung fortzufahren und im selben Monat legte sie der Treasury ihre Pläne zur Genehmigung vor. So erschien es nur logisch, dass der neue Chef der Films Division, Jack Beddington, Thomas Baird im Juni 1940 als Mitarbeiter verpflichtete. Das neue Verleihsystem hatte vier Schwerpunkte: (1) Für ländliche Gegenden sollten 65 Fahrzeuge mit kompletter 16mm-Projektionsausrüstung angemietet oder gekauft werden. Dieses „rural scheme“ wurde (2) durch ein „urban scheme“ komplementiert, für das weitere 50 mobile Projektionseinheiten vorgesehen waren. (3) Öffentliche Bibliotheken und verschiedene nationale Organisationen konnten sich aus einem Miet-Pool von 100 Projektoren bedienen; als viertes Standbein sollten Filme in angemieteten Kinos gezeigt werden. Ohne die Produktionskosten der Filme, die eigens für dieses Verleihsystem produziert werden sollten, schätzte Baird die Gesamtkosten auf £ 172.000, davon £ 38.000 als einmalige Ausgaben für die Lastwagen und Projektorenausrüstungen. Die Gesamtkosten für das erste Jahr wurden mit £ 195.000 angegeben. Das Ministerium rechnete mit einer Million Zuschauer pro Woche, eine Zahl, die mehr dem Wunschdenken der Planer, denn der Realität entsprach. Die Pläne, die auch mit der Cinematograph Exhibitors‘ Association abgestimmt waren, sollten Anfang September 1940 in die Tat umgesetzt werden. Ein erstes Programm mit 21 Filmen, ausschließlich für den nichtkommerziellen Verleih bestimmt, gab die Films Division bereits im Juli 1940 in Auftrag. 178 Im Frühsommer 1940 unterlag die Arbeit und Struktur der Films Division einer staatlichen Finanz- und Organisationsprüfung, wobei besonders das geplante Non-Theatrical Programm durch das Select Committee on National Expenditure kritisch unter die Lupe genommen wurde. Das Select Committee sprach sich gegen das beabsichtigte Verleihprojekt aus, „unless very clear evidence is obtained from experience that it is making a contribution to the war effort commensurate with the expenditure“.8 Der versteckte Erziehungsauftrag der „instructional and explanatory films“, die das neuartige Verleihsystem benötigte, war dem Committee ein Dorn im Auge. Es kritisierte vor allem das auf allgemeine Erziehung abzielende Programm, dessen Kosten es im Hinblick auf den zu erzielenden Nutzen für unvertretbar hoch hielt. „(...) that it could play some part in a scheme of national propaganda cannot be doubted, if cost be ignored. Much of the usefulness of such a scheme, however, would appear to be a means of general education. However desirable this may be in time of peace, the Sub-Committee find it difficult to justify such expenditure in time of war, and they regard the cost of reaching an audience of one million a week by this method as out of all proportion (...)“9 Die Dokumentarfilmer reagierten in Documentary News Letter10 mit erbittertem Widerspruch gegen den ihrer Meinung nach „plain nonsense“ der vordergründigen Argumentation des Komitees. Die Redaktion der Zeitschrift vermutete dahinter die Absicht, „to discourage initiative and to direct the energies of the Films Division out of new channels into old ones.“ 8 Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, 21.8.1940, London 1940, S. 10 9 Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 10 10 M.O.I. Under Fire,in: Documentary News Letter, Vol. 1, No. 10, October 1940, S. 3 179 „[Das neue Verleihsystem] is suspect because it is big, bold and new; moreover, since it is not similar to anything being done by the feature film producers, the newsreel companies, the British Council, the Film Institute, or the Government Cinematograph Adviser it cannot be handed over to any of them; for it would appear to be the desire of the Sub-Committee to distribute the Films Division‘s responsibilities elsewhere.“11 Doch sehr zum Leidwesen des Select Committee und der Kinobesitzer, die aus Angst vor Konkurrenz gegen jede Form des nichtkommerziellen Verleihs waren und heftig gegen diese staatliche Verleihform intervenierten12, ignorierte nicht nur Beddington und Baird die Empfehlungen des Komitees, sondern auch die übergeordneten Planungsgremien. Das Planning Committee, dem jede Form der publizistischen Äußerungen der Abteilungen des Ministeriums zur Entscheidung vorgelegt werden musste, tagte just an dem Tag, an dem das Select Committee seinen Bericht publizierte. Neben anderen Themen stand das Non-Theatrical Film Scheme auf der Tagesordnung. Zwar vertagte das Planning Committee die endgültige Entscheidung, bewilligte aber gleichzeitig die Fortsetzung des Programms, wenn auch mit reduzierter Anzahl der mobilen Vorführeinheiten, „steps to be taken in respect of 50 travelling cinemas for rural districts so that there is no complete stop of programme.“13 Auf Anweisung des Director General Frank Pick legte die Films Division im September 1940 dem Planning Committee erneut einen nur geringfügig modifizierten Arbeitsplan für ihr nichtkommerzielles Verleihsystem zur Genehmigung vor.14 Dieser diente aber lediglich der nachträglichen Sanktionierung einer bereits seit September 1940 eingeführten Praxis. 11 M.O.I. Under Fire, a.a.O., S. 4 Doch kommerzielle Unterhaltungsfilme waren nicht Bestandteil des Non-Theatrical-Scheme sein. Jack Beddington berichtete dem Policy Committee am 31.7.1940: „Arrangements had been made in consultation with the C.E.A., and he considered that there was no overlapping in the subjects shown in this arrangement and those under ordinary commercial distribution.“ PRO, INF 1/849 13 Planning Committee (New Series), 21.8.1940. PRO, INF 1/249 14 Policy Committee, 19.9.1940. Non-Theatrical Film Distribution (paper supplied by the Films Division). PRO, INF 1/849 12 180 Das ursprüngliche Programm hatte man leicht reduziert. Die Trennung in ein ‚rural‘ und ein ‚urban scheme‘ wurde zugunsten eines ‚regional scheme‘ aufgehoben.15 Die Films Division berief sogenannte Film Officers, häufig Lehrer, die den Regional Information Officers unterstellt wurden. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Koordinierung des Einsatzes der mobilen Einheiten. Neben den Technikern unterstanden den Film Officers die Vorführer, die auch die ProjektionsLastwagen chauffierten. Der Film Officer koordinierte die Ausleihen, sorgte für die Auswahl des Programms und legte die Fahrtrouten fest. Der Fahrer/Filmvorführer betreute die Technik der Projektionseinheit, die aus einem Lastwagen, einem 16mm-Projektor, unterschiedlichen Leinwänden, und, gelegentlich, aus einem Stromgenerator bestand.16 In London wurde eine zentrale Werkstatt mit einem Ersatzteillager für die Projektoren und die Fahrzeuge eingerichtet. Weiterhin sollten 50 Projektoren, man hatte die ursprüngliche Zahl halbiert, unentgeltlich an lokale staatliche Einrichtungen, hauptsächlich öffentliche Bibliotheken, ausgeliehen werden. Die Films Division besorgte die Filmauswahl, der Regional Film Officer koordinierte das Programm. Als Gegenleistung für die regelmäßigen Programme des Ministry of Information konnten die Projektoren auch für sonstige Filmvorführungen in Schulen und Vereinen eingesetzt 15 Die 77 mobilen Projektionseinheiten wurden auf die zwölf „Civil Defence Regions“ des Landes verteilt, eine Einheit ging nach Nordirland. Jede mobile Einheit bediente ab sofort nicht nur die unmittelbare städtische Region, sondern auch die angrenzenden ländlichen Gebiete. Besondere Berücksichtigung fanden Gegenden ohne Kinos 16 Die ersten 50 Lastwagen wurden gebraucht gekauft, bevor man auf neue Ford 8 HP umstieg. Die 16mm-Projektoren waren hauptsächlich Bell & Howell ‚Filmoarc‘ Maschinen. Die 35mm-Tageslichtprojektoren waren Thornycrofts mit Kalee Dragon Projektorköpfen und einem Kalee Tonkopf. Das Lampenhaus stammte von Regal. Der Gleichstrom für das Lampenhaus, das 45 Ampere verbrauchte und der Wechselstrom für die Verstärker und Motoren erzeugte ein Crypto-Doppelgenerator. Die Lautsprechereinheit bestand aus einem Trichterlautsprecher hinter der Leinwand und einem multi-cellular Lautsprecher auf dem Dach des Wagens. Ein Sonnendach schützte die 5ft große Leinwand an der Wagenrückseite. Siehe auch: A New M.of I. Film Van, in: Kinematograph Weekly, 5.6.1941 181 werden. Damit hatten sich 50 „citizen‘s cinemas“ etabliert, wie Documentary News Letter diese Form des nichtkommerziellen Kinos nannte. Die Empire Film Library des Imperial Institute, die seit 1935 auch die Filme der G.P.O. Library im Auftrag der Post verlieh, wurde mit der G.P.O. Library vereint und dem Ministry of Information unterstellt. Als neue Central Film Library hatte sie den Auftrag, neben den EMB- und G.P.O.-Filmen auch die Filme, die das Ministerium oder andere Regierungsstellen produzierten oder erwarben, für den nichtkommerziellen Verleih zur Verfügung zu stellen. 17 Die Central Film Library gab regelmäßig Verleihkataloge heraus.18 Die Ausleihe erfolgte an Institutionen, die eigene 16mm-Projektoren besaßen. Filme des Ministeriums, die im regulären Verleih waren und in den Kinos gezeigt wurden (wie die Five-Minute-Films und die längeren Dokumentarfilme) kamen erst sechs Monate nach ihrer Erstaufführung in den nichtkommerziellen Verleih.19 Die Filme, die in den nichtkommerziellen Verleih kommen sollten, musste die Films Division indes noch produzieren. Zu diesem Zweck etablierte sie eine eigene Produktionsabteilung innerhalb der Non-Theatrical Section, die sich als Nische für die Dokumentaristen des Documentary Movement herausstellen sollte. Gegenüber dem ursprünglichen Plan konnten die Kosten hauptsächlich durch die Reduzierung der Projektionseinheiten um £ 45.000 gesenkt werden – ein Zugeständnis an die Kritik des Select Committee. Im Unterschied zum ur- 17 Nach den Zahlen in ihrem Annual Report besaß die Central Film Library im Dezember 1941 9,250 Verleihkopien von 645 Filmen. 61,000 Verleihvorgänge wurden im zurückliegenden Jahr registriert 18 Die Verleihkataloge der Central Film Library sind im Literaturverzeichnis aufgelistet 19 Ein Versuch von Seiten der Films Division diese sechsmonatige Sperre aufzuheben scheiterte noch im Dezember 1944 an dem Widerstand der Cinematograph Exhibitors‘ Association. Siehe: To-day‘s Cinema, 15.12.1944 182 sprünglichen Plan oblag nun die Koordinierung der Vorführungen den Regional Information Officers und nicht mehr der Films Division. Das Planning Committee billigte die Pläne, und die endgültige Sanktionierung erfolgte durch ein O.E.P.E.C. Paper.20 Im Oktober 1940 veröffentlichte das Ministerium ihre Pläne für den nichtkommerziellen Verleih von Filmen.21 Nach ersten Arbeitsberichten über die Arbeit der Central Film Library und über den Erfolg des Non-Theatrical Scheme, dessen Umsetzung von sieben Mitarbeitern der Films Division koordiniert wurde22, galt die Fortführung des Projekts als gesichert. „The scheme has been well received in the Regions, and the Ministry is satisfied that its continuance is amply justified“.23 Bis zum Ende des Krieges änderte sich die Struktur des Non-Theatrical Verleihs nur noch quantitativ. Von September 1940 bis 1942 erhöhte sich die 20 O.E.P.E.C. Paper No. 555, Non Theatrical Distribution of Films in the United Kingdom, 28.10.1940. PRO, INF 1/251. Da das Ministerium es für notwendig hielt, auch abgelegene Dörfer zu bedienen, die keine eigene Stromversorgung besaßen, wurden zusätzlich 27 Stromgeneratoren beantragt 21 Siehe auch: Non-Theatrical. An Analysis of the M.O.I. Non-Theatrical Schemes, after modification to meet the criticism reported in the preceding article, in: Documentary News Letter, Vol. 1, No. 10, October 1940, S. 5 22 Thomas Baird und William C. Farr als Specialists, W.H. Yearron, C.R. Treadaway, M. Locket und Helen de Mouilpied als Senior Assistant Specialists und ein Research Assistant (Personalstand 20.12.1940) waren verantwortlich für die Produktion der Filme, die Kopienbereithaltung und die Bereitstellung der technischen Geräte 23 Non-Theatrical Distribution of Films in the United Kingdom. O.E.P.E.C. Paper No. 623 [1.1.1941]. PRO, INF 1/251. Dieses O.E.P.E.C. Papier, das die Ausgaben bis zum 31. August 1941 festlegte, genehmigte das Planning Committee am 2.1.1941. Die jährlichen Kosten für die 89 mobilen Projektionseinheiten, für das Anmieten von Kinos, für die Ausleihe von Projektoren, für die Kosten der Filmkopien und für den Unterhalt der Central Film Library beliefen sich auf £ 148.663. Zwölf zusätzliche mobile Projektionseinheiten dienten als Ersatzund Austauscheinheiten. Für werbende Maßnahmen stellte man den Regional Units einen Etat zur Verfügung. „To lighten the programmes“, wurden weitere Dokumentarfilme angekauft und in den Verleih genommen, sowie Reisefilme und die von Gaumont-British produzierte Secrets of Life-Serie. Den Verleih für Schottland übernahm die Scottish Central Film Library des Scottish Film Council. Die Kosten für Filmkopien beliefen sich auf £ 25.630 183 Zahl der mobilen 16mm-Projektionseinheiten stetig, blieb aber immer unter den Planansätzen.24 Im Dezember 1941 musste der Projektorenverleih für öffentliche Büchereien aufgegeben werden, da man die Projektoren für die mobilen Einheiten benötigte. Über die Besucherzahlen gibt es nur Annäherungswerte. Seit Einführung des Non-Theatrical Scheme am 1. September 1940 stiegen die Besucherzahlen bei den ‚travelling road-shows‘, den Vorführungen in Kinos, und im Zusammenhang mit der Ausleihe von Filmen über die Central Film Library von 5,7 Millionen im ersten Jahr auf 18,4 Millionen für das das Finanzjahr 1943/1944. Im selben Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Vorführungen von 20.668 auf 64.110.25 Ein Drittel der wöchentlichen Aufführungen fand in Fabrik-Kantinen vor einem mehr als tausendköpfigen Publikum statt. Regelmäßig wurden in über 2.000 Fabriken einmal im Monat Filme gezeigt. Da die Filme während der mittäglichen oder mitternächtlichen Essenspausen vorgeführt wurden, dauerten die Programme nie länger als 20 bis 30 Minuten, was gerade einmal für zwei bis 24 In den Finanzjahren (1.4. bis 31.3.) stieg die Zahl wie folgt: 1941/42 auf 94; 1942/43 auf 141; 1943/44 gab es 141 16mm- und neun 35mm-Projektoren. Im Jahre 1942 wurde die Gesamtzahl der Einheiten auf 150 begrenzt (im März 1942 waren 100 Einheiten im Einsatz), und im Juni 1944 auf eine Obergrenze von 144 festgeschrieben 25 Die Zahlen stiegen jährlich von 5,7 Millionen im Berichtzeitraum 1940/41 über 12,3 Millionen im Jahr 1941/42 auf 18,4 Millionen im Jahr 1943/1944. 1944/45 sanken sie auf 13,2 Millionen. Die Zahl der Vorführungen durch die mobilen Einheiten stieg von 20,668 im Berichtzeitraum 1940/41 auf 37,940 im Jahr 1941/42. Der Höhepunkt war 1943/44 mit 64,110 erreicht. Im letzen Kriegsjahr fiel sie auf 56,412. Eine Woche, die typisch ist für die unterschiedlichen Zielgruppen der mobilen Filmschaus: Von den 1298 Vorführungen zwischen dem 28. Februar und dem 6. März 1943 fanden 485 in Fabriken und auf Großbaustellen statt; man organisierte 130 Vorführungen für andere Ministerien; auf Civil Defence, National Fire Service und Home Guards entfielen 226 Vorführungen; auf Women‘s Organisations 83; Schulvorführungen schlugen sich mit 71 nieder; für 58 Jugendorganisationen wurden Filme gezeigt und in Dörfern und kleinen Städten organisierte man 230 ‚general shows‘. Siehe auch: William Farr, Developments in Non-Theatrical Cinemas, in: The Film in National Life – Being the Proceedings of a Conference Held by the British Film Institute in Exeter, April, 1943, London 1943, S. 17ff 184 drei Filme reichte. Die Filme, die in den Fabriken zum Einsatz kamen, wurden speziell für diesen Zweck produziert, mit dem Ziel, die Arbeit in den Fabriken mit den Erfolgen und Problemen der kämpfenden Truppe in Verbindung zu bringen.26 Ein weiteres Drittel der Filmschauen entfiel auf Dörfer und kleine Städte, in denen öffentliche Filmvorführungen nicht mehr möglich waren. Die alle zwei Monate stattfindenden Vorführungen, die ein „bunteres“ Programm boten als die Fabrikaufführungen, organisierten die Regional Information Officers in Zusammenarbeit mit lokalen Nutzern, wie Schulen, Frauenorganisationen und Jugendclubs. Ein Programm setzte sich aus fünf bis sechs Filmen zusammen, wobei die Gesamtdauer der Vorführung 80 bis 90 Minuten umfassen konnte. Das letzte Drittel bestand aus zielgruppenorientierten Programmen, das heißt aus Lehrfilmen, die die Films Division im Auftrag für andere Ministerien durchführte und in deren Auftrag sie auch die entsprechenden Filme produziert hatte.27 Auch in Kinos, die man außerhalb ihrer regulären Progammzeiten anmietete, fanden Filmvorführungen statt.28 26 Die Films Division führte Filmvorführungen in den Fabriken durch, die für das Ministry of Aircraft Production, die Admiralität und das Ministry of Supply unter Vertrag standen. In Royal Ordnance Fabriken organisierte das Ministry of Supply eigene, unabhängige Filmvorführungen, ohne Beteiligung der Films Division 27 Man zeigte Filme für das Ministry of Home Security and Home Office (Filme über Civil Defence und für den National Fire Service), für das Ministry of Agriculture (für Bauern, Kleingärtner), für das Ministry of Health (für Ärzte und Krankenschwestern), das Ministry of Fuel and Power (für Kraftfahrer und Heizer), für die Admirality (für Schiffsbauer) und für das Ministry of Food 28 Im Finanzjahr 1940/41 waren es 573 Filmvorführungen, 1302 im Jahr 1941/42, 1687 im Jahr 1942/43 und 496 im letzten Kriegsjahr. Für eine zweistündige Mietdauer hatten sich das Ministry of Information und die Cinematograph Exhibitors‘ Association auf fixe Preise zwischen £ 5 und £ 10 geeinigt, gestaffelt nach der Größe der Kinos. Die Vorführungen waren kostenlos. Plakate oder Einladungen warben für die Veranstaltungen 185 Die Filmauswahl verantwortete die Films Division, die für die jeweilige Zielgruppe, dem Aufführungsort angepasst, entsprechende Programme zusammenstellte.29 Eine systematische Analyse von Zuschauerreaktionen auf Ministry of Information-Filme wurde nicht durchgeführt.30 Man kann nur ahnen, wie diese bisweilen ausfallen mochte, da die technische Qualität der Vorführungen, insbesondere die der Tonqualität, erheblich zu wünschen übrig ließ.31 Inwieweit die wenigen Erfahrungsberichte von Regional Film Officers Einfluss auf die Produktion hatten, bleibt offen.32 29 Für die oben erwähnte Woche aus dem Jahr 1943 sah das Programm wir folgt aus: In den Fabriken zeigte man Malta Convoy und Common Cause; die General Shows bestanden neben diesen beiden Filmen aus Worker & War Front No. 4, Speed Up on Stirlings, Spring on the Farm, The Nose Has it, oder als Alternative Life Begins Again, Young Farmers, Sky Giant. Für Civil Defence- und Home Guard-Mitarbeiter zeigte man Control Room, First Aid Post oder C.D.-Ambulance, Kill or be Killed zusammen mit einen der allgemeinen Filme. Für den National Fire Service (N.F.S.) bestand das Programm aus Control Room, Water Relaying, Mobilising Procedure, City Fire 30 Ein Ausnahme bildete ein Film Officer der North-Eastern Region, der von standardisierten Vorführprotokollen berichtete, die von 95 Prozent aller Vorführungen in seiner Region vorlägen und von Erfahrungsberichten, die mit Zielgruppenfilmen gemacht wurden, und die über die Films Division an die Produzenten weitergeleitet wurden. Non-T in the Ridings, in: Documentary News Letter, Vol. 5, No. 49, 1945, S. 88 31 Documentary News Letter beschreibt in ‚The Cracked Voice of Propaganda‘ (Vol. 4, No. 3, March 1943, S. 187) eine typische Vorführung in einer ländlichen Gegend: „"Lights Please!" shouted a voice over the babble and laughter of children‘s voices. "Listen, children," said the man operating the movie projector, "for the second time I must remind you that this is a free show given by the Ministry of Information. If you can‘t keep quiet, you will have to leave. All right, everybody. Lights out!" In the comparative silence which followed this announcement, the Voice of Propaganda crackled..and buzzed...and crackled...and blurred. With considerable concentration we could catch a few words in every sentence. The hall was ice cold, the chairs were hard. The projector squeaked and rattled. Finally we resigned ourselves to piecing together some kind of story out of the visuals. After all, you could hardly blame the children. And so for two hours a rural audience in a village hall somewhere in Britain got its bi-monthly dose of propaganda: Worker and Warfront; Battle of Supplies; The Battle for Oil; The Harvest Shall Come. The first three of these films were straight commentary, but were still extremely difficult and sometimes impossible to follow. The last was a story film told in dialect and was completely unintelligible.“ 32 In den verbliebenen Akten des Ministry of Information finden sich keine Berichte der Regional Film Officers. Der Einsatz eines viewing panels durch den Regional Film Officer von Bristol, welches die Filme des Ministry of Information vorbesichtigen und Ratschläge für ihren Einsatz geben sollte, blieb ein lokales Experiment, dem sich die Films Division nicht anschließen konnte. Viewing Panel for M.o.I. Films, in: Today‘s Cinema, 22.5.1942 186 Die Zahl von ausgeliehenen Filmen der Central Film Library stieg von 47.086 Finanzjahr 1940/41 auf 117.000 für das Jahr 1944/45.33 Das Non-Theatrical Scheme hatte mehrere Funktionen: Zum einen sollte Personen, die kaum Zugang zu einem Kino hatten, wie Dorfbewohner oder auch Schichtarbeiter in den Fabriken, die Möglichkeit geboten werden, überhaupt Filme zu sehen. Zum anderen brauchte man Abspielorte für die gezielte Propaganda des Ministry of Information, sowie für Lehrfilme, die in normalen Kinos kaum eine Chance hatten. Dementsprechend war das Programm zwischen den Polen „Training and Instruction“ und „Information and Education“ angesiedelt. „It is not their business to provide entertainment. It is their task to provide a constant background of knowledge and inspiration.(...) It supplies a continuing education (...) The aim behind all the work is to put people in possession of the facts.“34 Im Gegensatz zu den Filmen aus dem Five-Minute-Programm, für die ein geeigneter Abspielort noch gefunden werden musste, hatte sich für das NonTheatrical Scheme bereits ein Distributionsapparat etabliert, bevor überhaupt geeignete Filme vorhanden waren. Diese Diskrepanz schlug sich in der Personalausstattung nieder. War die Non-Theatrical-Abteilung im Juli 1940 bereits mit 6 Mitarbeitern besetzt, arbeitete in der Produktionsabteilung der Films Division, die für alle übrigen Produktionen verantwortlich war, nur ein 33 Siehe: The Arts Enquiry, The Factual Film, a.a.O., S. 76ff; Ministry of Information, United Kingdom Non-Theatrical Distribution 1941-1942. Report on Second Year‘s Work. In: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 2, February 1943, S. 177f; Beyond the Box Office, in: Sight and Sound, Vol. 11, No. 44, Spring 1944, S. 88f; Achievement, in: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 2, February 1942, S. 18; M.o.I. May Make Series of Films for Schools, in: The Cinema, 6.9.1944, S. 3 und S. 19 34 „Celluloid Circus“, in: Documentary News Letter, Vol. 2, No. 9, September 1941, S. 170 187 Mitarbeiter. Leiter der Non-Theatrical-Verleihabteilung war seit Februar 1940 Thomas Baird, der auch für die Produktion der ersten Staffel von FilmsDivision-Filmen verantwortlich zeichnete. Im September 1940 legte Beddington dem Policy Committee das erste Verleihprogramm für die Non-Theatrical-Produktionen vor, wobei er besonders die gute Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Stellen betonte35. Die erste Staffel umfasste 60 Filme; ein Drittel davon waren Eigenproduktionen für den General Non-Theatrical Verleih36, 15 Filme stammten aus dem Five-Minute sowie dem kommerziellen Programm der Films Division, die restlichen fünfzehn kamen über die Central Film Library in den Verleih, darunter March of Time-Monatsschauen, Filme des National Film Board of Canada, ebenso Filme von Sponsoren aus der Industrie, wie der Shell Film Unit oder der British Commercial Gas Association. Dieses dreigeteilte System behielt man auch in den kommenden Jahren bei. 1941 kamen sieben General Non-Theatrical Films in den Verleih37, zwölf waren „instructional films“38, während das Gros von 57 Filmen durch Ankauf der Verleihrechte erworben wurde39. 35 „These have been specially made for the purpose at the instigation or with the concurrence of other departments.“ Policy Committee, Non-Theatrical Film Distribution, 19.9.1940, PRO, INF 1/849 36 Die General Non-Theatrical Films von 1940 in alphabetischer Ordnung. Die Zahl hinter dem Film gibt den Aufführungsmonat an: The Big City 10; Britain‘s Youth 10; Coal Front 12; Coastal Defence 10; Food From the Empire 10; Health in War 11; Into the Blue 9; A Job to be Done 10; The King‘s Men 9; Mother and Child 11; The New Britain 10; Nurse! 9; Raising Sailors 9; Raising Soldiers 9; Raw Materials 12; Religion and the People 10; They Also Serve 12; Tomorrow is Theirs 12; Transfer of Skill 12; Wartime Factory 10; Welfare of the Workers 11; White Battle Front 10 37 General Non-Theatrical Films von 1941: Alert in the East 9; Bampton Shows the Way 3; Fighting Fields 4; Fitness for Service 1; Living With Strangers 7; Our School 3; Shipbuilders 1 38 Darunter All About Carrots, Crust And Crumbs, Defeat Diptheria, Emergency Cooking Stove, Kill That Rat!, The New Breed, Simple Soups, Sowing and Planting, Two Cooks and a Cabbage, A Way to Plough, When the Pie Was Opened 39 Darunter Filme des British Council, des National Film Board of Canada, des Central Council for Health Education, der Soviet War News Film Agency, von March of Time und verschiedener Ministerien und anderer staatlichen Stellen 188 Bis Oktober 1941 hatte sich diese Praxis soweit bewährt, dass die Films Division dem Policy Committee ein detailliertes Produktionsraster für den Jahresbedarf an Filmen für das Non-Theatrical Programm vorlegen konnte.40 Danach bestand eine Jahresstaffel aus 90 Filmen: 12 Five-Minute-Films, 36 „allied service“-Produktionen (One-Reel Films), 12 Filmen aus den Dominions (Two-Reelers), 24 Eigenproduktionen (jeweils 12 One- und Two-Reelers) und 6 „campaign films“. Mit Überläufern aus dem Jahr 1941 konnten 1942 diese idealtypischen Vorstellungen auch realisiert werden. 35 Eigenproduktionen kamen in den Verleih41, 17 Instructional Films wurden produziert42 und für 57 Filme wurden die Verleihrechte erworben43. 40 Die Films Division beabsichtigte alle vier Monate vier „General Programms“ herauszubringen. Jedes General Programm bestand aus drei Rollen Film: „Reel A“ (1600 feet) setzte sich zusammen aus einem Five-Minute-Film, einem One-Reel Film, der als „allied service“ durch das Ministry of Information produziert wurde (die Films Division überwachte die Produktion, die Finanzierung erfolgte durch ein anderes Ministerium) und einem Two-Reel Film, dessen Verleihrechte das Ministerium von den Dominions oder auch von „March of Time“ erwarb. „Reel B“ war eine „Campaign Spool (Länge 800 feet), die ebenfalls als „allied service“ produziert wurde. „Reel C“ (1600 feet) umfasste einen One-Reel und einen Two-Reel-Film (beides Eigenproduktionen der Films Division), sowie einen weiteren One-Reeler, der als „allied service“ produziert wurde 41 Die General Non-Theatrical Films von 1942 (* = Filme wurden auch außerhalb Englands gezeigt): Action 3; Air Operations 2; *All Those in Favour 1; Atlantic Charter 10; The Battle for Freedom 9; *The Battle for Supplies 11; Birth of a Tank 6; *Blood Transfusion 2; *Building for Victory 2; Cally House 7; C.E.M.A. 11; Common Cause 1/43; Control Room 1/43; The Country Women 1; Dinner at School 6; *Empire‘s New Armies 1; *Fighting Allies 1; Fire Guard 2; H.M.S. King George V. 10; *H.M.Navies Go to Sea 1; *A House in London 1/43; Jane Brown Changes Her Job 1; Kill or be Killed 1/43; Life Begins Again 10; *Malta Convoy 1/43; Men of Tomorrow 1; Night Shift 5; Post 23 1; *R.A.F. in Action 1; Sky Giant 1/43; Speed up on Stirlings 1/43; Spring on the Farm 1/43; They Keep the Wheels Turning 1; *They Met in London 1; They Speak for Themselves 7; Twelve Days 9; Wales 1/43; Winter on the Farm 9; Women Away From Home 9; W.V.S. 2; Worker and Warfront No 1 5; Worker and Warfront no 2 7; Worker and Warfront no 3 11; Worker and Warfront no 4 1/43; Young Farmers 1/43; Youth Takes a Hand 1 42 Darunter A.B.C.D. of Health, Cultivation, Decontamination of Streets, Ditching, For Children Only, Hedging, He Went to the Cupboard, Hot on the Spot, How to Thatch, Keeping Rabbits for Extra Meat, Making a Compost Heap, More Eggs From Your Hens, No Accidents, Rat Destruction, Clamping Potatoes, Model Procedure for Water Relaying, National Fire Service Mobilising 43 So vom National Film Board of Canada, vom Central Council for Health Education, von der British Commercial Gas Association, des Films Advisory Board von Indien, des Ministry of 189 Auch für das Jahr 1943 konnte das Produktions- und Verleihprogramm mit 21 Eigenproduktionen44 und 27 Instructional Films aufrechterhalten werden. 194445 und 194546 änderte sich wenig an diesen Zahlen. Die Films Division war im Rahmen des Non-Theatrical-Programms für die meisten Instruktions- und Trainingsfilme anderer Ministerien verantwortlich, mit Ausnahme der Lehrfilme für die Armee. Die Ideen und Themen dieser Filme kamen nicht aus der Films Division sondern wurden von den Public Relations-Abteilungen der anderen Ministerien vorgegeben. Die Finanzierung erfolgte auch nicht über den Haushalt des Ministry of Information sondern durch das „Allied Service“-Arrangement.47 Home Security, von verschiedenen amerikanischen Organisationen und der Soviet War News Film Agency 44 Die General Non-Theatrical Films von 1943: China 9; Clyde Built 9; Common Cause 1; Danger Area 10; Defeat Tuberculosis 9; Good Health in Scotland 12; Highland Doctor 12; In Which We Live 11; *Malta Convoy 6; Manpower 1/44; Of one Blood 11; Radio in Battle 6; *Report from China; A Ride With Uncle Joe 9; *Seeds and Science 10; *South Africa 1/44; Stooking and Stacking 6; Summer on the Farm 5; War Review no 1 5; War Review no 2 7; Worker and Warfront 5,6,7,8,9 5/7/9/11/144 45 Die General Non-Theatrical Films von 1944: Atlantic Trawler 10; Children of the City 6; A City Reborn ?; Conquest of a Dry Land 1/45; Cornish Valley 9; Cotswold Club 9; Crofters 9; The Eighty Days 1/45; Flax 6; Fuel for Battle 9; The Grassy Shires 4; Housing in Scotland 1/45; New Builders 11; The New Crop 4; New Zealand 3; Night Flight 10; One Man, Two Jobs 4; Some Like it Rough 2/45; Soviet Village 10; A Start in Life 9; Subject Discussed 1/45; Willing Hands 10; Worker and Warfront 10,11,12,13,14 2,4,9,11,1-45; 46 Die General Non-Theatrical Films von 1945: Achimota 1/46; Birthday 11; Children‘s Charter 3; Chinese in Britain 5; Dominion Status 12; The Eighth Plague 2; Farm Work 9; Father and Son 1/46; Fenlands 1/46; Jungle Mariners 1/46; Johnny Gurkha 12; Mamprusi Village 12; Mosquitoes 10; Near Home ?; Night and Day 4; Partners 11; Personnel Selection – Recruits 10; Plan and the People 1/46; Proud City 1/46; Report from Burma ?; Round Pegs 1/46; Sisal 4/45; Southern Rhodesia 5; The Star and the Sand 5; Story of D.D.T. 5; Supplies to the Soviet 12; Time and Tide 10; Total War in Britain 1/46; USA 3/45; War and New Zealand ?; Worker and Warfront no 15,16,17,18 3,6,not issued,1/46; Your Children‘s Ears 11; Your Children‘s Eyes 10; Your Children‘s Teeth 10 47 Hauptnutznießer dieses Programms waren das Ministry of Agriculture mit über 30 Filmen (u.a. How to Dig, Sowing and Planting, Cultivation, Clean Milk, Killing Farm Rats, Storing Vegetables Indoor, Simple Fruit Pruning, Seed Desinfection, Reseding for Better Grass, Garden Friends and Foe), das Ministry of Food mit über 20 Filmen (u.a. Oatmeal Porridge, Steaming, Deep Pan Bottling, How to Fry, How to Make Short Pastry), das Ministry of Health mit 20 Filmen (u.a. Blood Transfusion, Scabies, Neuropsychiatry), das Ministry of Home Security (u.a. Fire Guard, Debris Tunneling, Debris Clearance, First Aid on the Spot), und das Scottish Office. Es wurden auch einige wenige für das Ministry of Labour, Ministry of War 190 Transport und das Ministry of Fuel and Power produziert. In Thorpe/Pronay, British Official Films in the Second World War, a.a.O., sind unter der Rubrik „Homefront – Instructional“ die jährlichen Produktionen auch mit ihren Auftraggebern aufgelistet 191 5.3. Salute to the Red Army: Filmverleih im Ausland „The Ministry of Information is waging a battle – the battle for screen time on the neutral screens – and winning it.“1 Bis das Ministry of Information über seine Verleihaktivitäten für das Ausland informierte und der Kinematograph Weekly Anfang 1942 obige Einschätzung geben konnte, hatte die Films Division eine Menge (Lehr)geld zahlen müssen. Die Films Division hatte schon im Oktober 1939 erkannt, dass Filmpropaganda außerhalb des Mutterlandes genauso wichtig war wie die an der Heimatfront. Auch wenn man sich noch nicht über das zu verleihende Produkt im klaren war, standen zwei Funktionen fest, die der ausländische Vertrieb und Verleih erfüllen sollten. Zum einen wollte man die deutsche Filmpropaganda in den neutralen Ländern eindämmen, zum anderen wollte man dort die „englische Sache“ propagieren. In einer ersten Bestandsaufnahme, die bald in eine Handlungsanweisung übersetzt wurde, beschrieb Edward Villiers die Probleme, vor die sich seine Abteilung, die Export and Distribution Section der Films Division, im Oktober 1939 gestellt sah.2 Die meisten neutralen Länder hatten Handels- und Währungsrestriktionen erlassen, die die Einfuhr von englischen Spielfilmen erheblich behinderte; obwohl die Nachfrage nach englischen Wochenschauen enorm gestiegen war, litt der Nachrichtenwert ihrer Berichte erheblich durch die vom Ministry of Information eingeführten Behinderungen. Dies hatte zur Folge, das deutsches Wochenschaumaterial interessanter und eher „newsworthy“ war; und es wurde festgestellt, dass Deutschland schon seit einigen 1 2 Fight for Neutral Screen Time, in: Kinematograph Weekly, 12.2.1942, S. 1 Edward Villiers an Joseph Ball, 16.10.1939. PRO, INF 1/196 192 Jahren Screen-Space im Ausland durch den Erwerb oder die Anmietung von Kinos erworben hatte, eine Praxis, die bei Kriegsbeginn noch erheblich ausgedehnt wurde. Überraschend schnell erkannte die Films Division, dass die Bekämpfung des deutschen Filmeinflusses in Ländern wie Spanien, Portugal oder auf dem Balkan sich nur durch ein starkes finanzielles Engagement des Ministry of Information in Form von Subventionen bewerkstelligen ließ. Um die Kosten abschätzen zu können, verlangte die Films Division noch im November 1939 von der Empire and Foreign Publicity Division Auskunft über, „(a) the political value placed by the Empire & Foreign Publicity Divisions on their respective territories, and (b) The extent to which these territories may be expected to respond to film propaganda; in other words whether the expenditure of money in such and such a territory is likely to produce appreciable results.“3 Die Fragestellungen implizierten bereits die Schlussfolgerungen der Films Division. Neben einer Prioritätenliste der zu erreichenden Staaten erwartete die Films Division detaillierte Vorschläge über Gebiete, in denen der Einsatz von Propagandafilmen die größte Effizienz besäße; eine Klärung der Frage, ob synchronisierte Fassungen gezeigt werden sollten; ferner ob und wo der Einsatz von mobilen Projektionseinheiten gerechtfertigt wäre. Um die Antwort der Empire und Foreign Publicity Divisions zu beeinflussen, hatte die Films Division bereits eigene Prämissen aufgestellt, nach denen das Ausland mit Filmmaterial beliefert werden sollte. So sollte der Einsatz von Filmen in Ländern vermieden werden, die bereits auf Seiten der Alliierten standen, also kein „preaching to the converted“; ebenso war zu vermeiden, Filme in Ländern einzusetzen, in denen der Einfluss britischer Propaganda 3 Entwurf eines Briefes an die Empire & Foreign Publicity Divisions, o.D. [Ende Oktober 1939]. PRO, INF 1/196 193 keine oder nur geringe Resultate zeigen würde, wie z.B. in Japan. Auch die Schwierigkeit, auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen, wurde erkannt. Noch setzte man darauf, dass die USA im Inland und auch in Lateinamerika eigene Propagandaanstrengungen unternehmen würde, wodurch sich eine britische Initiative erübrigte. „The latter [USA] will not be likely to view with complacency the Nazification of Latin America, and since the U.S. virtually control the cinema screens of South America, why should not the job of propaganda be left to them?“4 Die Empire und Foreign Publicity Division sollten den „echten“ Bedarf an Filmmaterial für das Ausland einschätzen, ohne Berücksichtigung von Angaben aus der Filmwirtschaft. In krassen Formulierungen wurde die von „Trade sources“ angefachte Nachfrage nach Propagandafilmen fürs Ausland kritisiert. „Lastly, we suggest that all requests should be viewed with suspicion as receiving their initial inspiration directly or indirectly from Trade sources; the request being put forward under the guise of Propaganda but in reality consisting of little more than the timely use of an unusual opportunity of getting something for nothing.“5 Bevor die Films Division in der Lage war, eigenproduzierte Kurz- und Dokumentarfilme im Ausland zu verleihen, konzentrierten sich die Aktivitäten des Distribution Department, zu dem Edward Villiers Abteilung sich allmählich entwickelte, auf den Vertrieb von Wochenschauen und auf die Unterstützung des Verleihs von Spielfilmen. Bereits im April 1940 verlieh die Films Division in 35 Ländern, zum Teil in synchronisierten Fassungen, die wöchentliche Bri- 4 5 Entwurf eines Briefes an die Empire & Foreign Publicity Divisions, a.a.O. Entwurf eines Briefes an die Empire & Foreign Publicity Divisions, a.a.O. 194 tish News, die gemeinsame Wochenschau der britischen Newsreel Companies.6 Diese Praxis behielt man während des ganzen Krieges bei. Ebenfalls seit Anfang 1940 unterstützte die Films Division den Auslandsvertrieb von Spielfilmen kommerzieller Anbieter. Sie übernahm die Synchronisations- bzw. Untertitelkosten für Spielfilme, die nach ihrer Einschätzung für englische Propagandazwecke im Ausland geeignet waren.7 Darüber hinaus organisierte die Films Division den Transport von Filmkopien aller in England ansässigen Verleiher, amerikanischer wie englischer, ins neutrale Ausland, um durch die ‚Belegung‘ von Kinos der deutschen Filmpropaganda die Abspielmöglichkeiten zu entziehen. Dabei war die Films Division mehr daran interessiert, den Filmmarkt der jeweiligen Länder quantitativ zu sättigen, als sich um die Inhalte der Filme größere Gedanken zu machen. Man hatte zwar Überlegungen angestellt, insbesondere Sidney Bernstein, Spielfilme nach ihrem Propagandawert auszusuchen8, aber mangels Angebot an geeigneten Produkten waren die meisten simple Unterhaltungsfilme.9 6 In Rumänien, Jugoslawien (in drei Sprachen), Bulgarien, Iran, Saudi-Arabien, Irak, Aden, Syrien, Ägypten, Spanien, Portugal, Türkei, China, Palästina, Zypern, Gibraltar, Malta, Fiji, Sierra Leone, Goldküste, Nigeria, Uganda, Kenia, Tanganyika, Zanzibar, Mauritius, Windward Inseln, Bermuda, Leeward Inseln, Jamaica, Britisch Guinea, Trinidad, Barbados, Malaya, Ceylon. Sie wurden in folgende Sprachen übersetzt: kastilianisches und kolumbianisches Spanisch, Brasilianisch, Portugiesisch, Französisch, Arabisch, Persisch, Mandarin, Holländisch. Siehe auch: Kapitel 5.6. 7 Darunter Pygmalion, Q Planes, Contraband, Tudor Rose, Drake of England, Love on the Dole, The Battlefleets of Britian, Drums in the Desert 8 „When in 1940 we were anxious to send non-propaganda films to allegedly-neutral Spain this [Carol Reed’s production of Cronin’s ‚The Stars Look Down] was one of the films that I recommended for that country. Many of our experts on Spain objected to the film on the grounds that it would show one of the backward social conditions in Britain, also a British miner’s strike. My contention was that the average cinema-goer in Spain was a workman and he would be impressed that an English workman had something which was denied to him – the right to strike.“ Sidney L. Bernstein, The Film and International Relations – A Paper delivered to the Workers‘ Film Association at Cliftonville (Kent), London o.D. [1945], S. 10f 9 So wurden innerhalb von nur zwei Wochen folgende Filme mit Hilfe des Ministry of Information in einen einzigen Staat expediert: International Lady, Lydia, Thief of Bagdad, Down Argentine Way, That Night in Rio, Man at Large, A Yank in the R.A.F., Skylark, Great Man‘s Lady, Gone With the Wind, Look Who‘s Laughing, Tom, Dick and Harry, Suspicion, Flying Down to Rio, My Life With Caroline, Love on the Dole, 49th Parallel. Siehe: Kinematograph Weekly, 12.2.1942, S. 13 195 Auch die Kurz- und Dokumentarfilme der Films Division folgten den selben Vertriebswegen wie die Wochenschau British News. Neben neutralen Ländern erhielten die Dominions, einschließlich Kanada10 und Indien, und die englischen Kolonien monatlich bis zu vier eigenproduzierte Filme des Ministry of Information.11 Liefen anfangs alle Kontakte für den kommerziellen Verleih und zu den Kinobesitzern in den Dominions und Kolonien über die dortigen Departments of Information oder die Colonial Secretaries – im neutralen Ausland waren damit Press Attachés der Britischen Botschaften beschäftigt –, schloss die Films Division ab 1943 selbst in direkten Verhandlungen mit lokalen Verleiher die Verträge für ihre langen Spiel- und Dokumentarfilme ab. In einigen lateinamerikanischen Staaten und im Mittleren Osten hatte die Films Division analog zum Non-Theatrical Programm in Großbritannien mobile Projektionseinheiten im Einsatz.12 Die Anzahl der wöchentlich verschickten Kopien stieg Anfang 1943 dramatisch an. Bedingt durch eine Änderung in der Politik des Ministry of Information konzentrierte sich die Films Division seit Ende 1942 verstärkt auf die Produktion von neuen und die Adaption von existierenden Filmen für „overseas use“.13 Das hatte zwangsweise eine Ausweitung der Verleihtätigkeiten fürs 10 Bis es aufgrund der Schwierigkeiten zwischen John Grierson und der Films Division zu einer Neuregelung des Verleihs von Filmen des Ministry of Information in Kanada kam, arrangierte den Verleih dieser Filme das National Film Board of Canada, dessen Leiter Grierson war 11 Sie erhielten die Filme mal als Dup-Negativ, um entsprechend ihrem Bedarf Kopien für die Kinoauswertung oder 16mm-Kopien für den nichtkommerziellen Verleih herzustellen, oder – wie im Falle der Kolonien – als 16- und 35mm Verleihkopien. Siehe auch: The Arts Enquiry, The Factual Film, a.a.O., S. 84-87 12 Von Kairo aus wurden über 30 mobile Projektionseinheiten für den Mittleren Osten koordiniert, deren anderthalbstündige Programme im Gegensatz zu den non-theatrical Vorführungen an der Heimatfront lediglich zu einem Drittel aus Ministry of Information-Filmen inklusive der in Kairo produzierten War Pictorial News bestanden. Siehe auch: Films by Far Best Form of Propaganda, in: To-Day‘s Cinema, 29.9.1942 13 Folgende Filme wurden von der Films Division ausschließlich für den Verleih im Ausland produziert (Filme des British Council oder der Colonial Film Unit sind dabei ausgeklammert): 1940: America Moves Up!, British Power, From the seven Seas, Empire round the Atlantic, London Can Take it (Langversion von Britain Can Take it), Ring of Steel. 196 1941: Adeste Fideles, The Empire Marches, Five and Under, The Gun, India‘s Navy Grows, We Won‘t Forget, Women at War. 1942: Chacun son lieu, Fire Guard, Greetings to Soviet Schoolchildren, Heavier Than Air, Indians in Action, A Letter From Home, London, Autumn 1941, London Scrapbook, Newfoundlanders at War, Ordinary People, Raid on France, Report From Britain, Russian Lesson, Shock Troops, The Sword of the Spirit, United Nations, We Speak to India. 1943: Britain Beats the Clock, Come Again, Doing Without, Empress Stadium, Maltese Land Girl, Mechanical Vultures, Middle East Cartoons, Moving Forts, New Zealand Home Front, Order of Lenin, Radio Report, Raid Report, Salute to the Red Army, Steel Dhows, They Fight By Night, Turkish Ambassador‘s Visit, Turkish Honoured Guests, Turkish Production Mission, A Welcome to Britain, Women of Britain. 1944: Canteen Command, Checkmate!, Chinese Mission to Britain, Floating Men, The King and his People, Latin Americans in Britain, Motive Power, Rationing in Britain, Ship Against Plane, V1. 1945: Bomb Repair Speed Up, Catholics in Britain, HRH Duke of Gloucester, Patients Are in, The Unrelenting Struggle. Als Beispiel für Adaptionen von existierenden Filmen: Im Jahr 1942/43 erstellte die Films Division 170 verschiedene Sprachversionen von 69 Filmen. Im darauffolgenden Jahr entstanden 257 Sprachversionen von 96 Filmen. Dabei wurden 416 Rollen Film in einer oder mehreren Sprachen synchronisiert. Acht Filme erhielten Untertitel. Bei durchschnittlichen Kosten 197 Ausland zur Folge. Wurden Ende 1941 durchschnittlich 250 bis 300 Kopien monatlich (160 Rollen Film pro Woche) ins Ausland verschickt, erhöhte sich die Zahl Anfang 1943 auf über 950 Kopien.14 Die Entscheidung über die Auswahl der Filme, das Empfängerland und die Nachsynchronisation lag in den Händen der Empire und Foreign Publicity Division, die auch die Texte der verschiedenen Sprachfassungen kontrollierte. Der Films Division oblag lediglich die technische Ausführung und Kontrolle der Synchronisation. von £ 55 pro Rolle wurden 1943 insgesamt £ 22.800 dafür verwendet. Eine genaue Liste der Filme für Overseas Distribution findet sich in Pronay/Thorpe, British Official Films in the Second World War, a.a.O. 14 Von den 964 Kopien waren 300 englische Originalversionen, knapp 400 waren synchronisierte Fassungen und der Rest stumm. Die Originalversionen kamen in den Dominions und Indien, in den 28 Kolonien und in weitere 13 Ländern zum Einsatz. Die synchronisierten Fassungen gab es in 15 Sprachversionen, die in 51 Ländern vertrieben wurden. Die stummen Fassungen waren für afrikanische Staaten bestimmt. Darüber hinaus gingen Dup-Negative von Ministry of Information-Filmen, die vor Ort kopiert werden konnten, an die Dominions, Indien, New York, Schweden, Kairo und Rio de Janeiro. Sprachversionen gab es in Arabisch, Mandarin, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, kastilianisches und kolumbianisches Spanisch, Türkisch, Maltesisch, Polnisch, Tschechisch, Holländisch, Flämisch, Russisch. Siehe: Notes on the Work of Films Division 1942-43. PRO, INF 1/75 198 5.4. A Welcome to Britain: Filmverleih in den USA Britische Filmpropaganda in den Vereinigten Staaten blieb für das Ministry of Information nicht nur bis zum Kriegseintritt der USA ein heikles Thema. So gab es gegen die Verbreitung englischer Filmpropaganda nicht nur massive ökonomische Widerstände von seiten der großen amerikanischen Produktionsfirmen und Verleiher, sondern auch Widerstände seitens der isolationistisch eingestellten amerikanischen Politiker. Man fürchtete, dass jede Form pro-britischer Propaganda, Amerika in den Krieg hineinziehen könnte. Noch bevor geeignete Filme einsatzbereit waren, erklärte ein Memorandum der Export und Verleihabteilung der Films Division vom Oktober 1939 besonders die Verbreitung von Kurz- und Dokumentarfilmen in den USA zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben. Man betrachtete es als Selbstverständlich-keit, dass der Dokumentarfilm als jener Typ Film, „in which English producers have excelled“, hierfür das geeignete Genre sei. Auch der zukünftige Weg war vorgedacht. So wollte man versuchen, die Filme kommerziellen Verleihern anzubieten, als auch den riesigen nichtkommerziellen Markt nutzen. Schwierigkeiten in diesen Markt einzudringen sah man 1939 hauptsächlich darin, eventuell Neutralitätsgesetze zu verletzen, wenn man britische Filme kostenlos verlieh.1 Diese blauäugige Einschätzung der Verleihsituation in den USA musste bald revidiert werden. Nicht nur der 1 „Apart from the cinema proper, there exists a potential audience in the countless social clubs and uplift societies totalling several millions. Here again however the difficulty is one of finance, for in the majority of cases these clubs and societies get their film programme provided free; they are sponsored and paid for by the big industrial concerns of America. it is difficult to see how this sponsored system could be applied to the making and distributing of British pictures without contravening the neutrality law. On the other hand, this type of film, one in which English producers have excelled, reaches an important section of the American public and no efforts should be spared to reach them and to overcome these difficulties.“ Memorandum von Edward Villiers an Joseph Ball, 16.10.1939. PRO, INF 1/196 199 reguläre Kinoverleih arbeitete unter kommerziellen Bedingungen sondern auch der Non-Theatrical Verleih. Als einzige Vertriebsorganisation für britische Propagandafilme auf 16mm bot sich die British Library of Information in New York an, deren Aufgabe darin bestand „official British documents“ der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Unter „official British documents“ fielen auch die Filme des Ministry of Information.2 Die British Library of Information hatte dabei keinen Zugriff auf die Verleihnetze der nichtkommerziellen Anbieter. Um Filme im nichtkommerziellen Bereich unterzubringen, mußte sich die British Library of Information den üblichen Praktiken des amerikanischen Verleihgeschäfts unterwerfen, die für ihren Vertrieb Kopien und damit auch die Filmrechte ankauften. Da die Library keine Filmabteilung besaß, beauftragte sie das International Film Centre, eine dem englischen Film Centre verwandten Institution, Anfang 1941 ,trade shows‘ für 16mm-Verleiher zu organisieren.3 Doch die Nachfrage nach Produkten des Ministry of Information war nicht überwältigend. Man kritisierte an den Filmen vor allem die schlechte technische Qualität, dilettantische Schauspielerleistungen, das „unamerikanische“ britische Englisch und den Amerikanern unverständlichen britischen Humor.4 Von Ausnahmen abgesehen blieb der nichtkommerzielle Markt den 2 Die seit 1920 bestehende Library unterstand dem Foreign Office. Während des Krieges war sie hauptsächlich eine Verteilerstelle für Broschüren, Plakate, Pamphlete und anderer Kriegsliteratur. Der British Press Service bzw. British Information Service dagegen unterstand dem Ministry of Information und versorgte amerikanische Journalisten und Zeitungsmacher mit Nachrichten und Informationen 3 Die kommerziellen Verleiher von Non-Theatrical Filmen, sowie Universitäten und Schulen konnten die Ministry of Information-Filme für $ 15 pro 16mm-Rolle kaufen. Der Verleihpreis pro 16mm-Kopie betrug $ 1.25. Bis Ende 1941 kamen auf diese Weise ca. 60 Ministry of Information-Filme in den Non-Theatrical Verleih 4 „The print screened appeared grainy and the recording was not up to U.S. standards [über Britain at Bay, der unter dem Titel Britain on Guard in den USA gezeigt wurde]. (...) The short contains actual Dunkirk battle scenes. But these are few. The rest are acted, and in the manner of amateur theatricals [über Channel Incident]. (...) It consists of library shots, with voices added later. The former are interesting; the latter are hard for an American to understand; particularly so because of peculiarly British man-in-the-ranks humour [über Food 200 britischen Filmen weitgehend verschlossen. Private Vorführungen von Organisationen wie der British War Relief Society oder eine dreiwöchige Retrospektive von Ministry of Information-Filmen im Museum of Modern Art wertete man schon als Erfolg.5 Kommerzielle Erfolge, die damit zugleich Propaganda-Erfolge waren, blieben bis zum Kriegseintritt der USA auf eine Handvoll Filme beschränkt. Neben London Can Take It, der in 12,000 Kinos gezeigt wurde, hatten Christmas Under Fire, Target for Tonight und This Is England, der amerikanischen Version von Heart of Britain, eine relativ breite Kinoauswertung. Die übrigen Ministry of Information-Filme, die 1939 und 1940 in amerikanischen Kinos gezeigt wurden, waren weniger erfolgreich.6 Die Films Division war sich der Schwierigkeit, den amerikanischen Markt für ihre Produkte zu erschließen, bewusst. Arthur Jarrat, Adviser der Films Division für Theatrical Distribution, entwarf Pläne für ein Verleihsystem von Ministry of Information-Filmen mit Zentralen in Los Angeles und New York, das sich aber als realitätsfern erwies.7 Im Spätsommer 1941 wurde der Honorary Adviser der Films Division, Sidney Bernstein, in die Staaten geschickt, um eine Verleihregelung mit den Major Companies auszuhandeln. Zwar gelang ihm das nicht, doch konnte Bernstein Warner Bros. überzeugen, den landeswei- Convoy]. (...) The other shorts seen Monday appear to be too parochial, or too poorly produced, or both, for American audiences, even those in sections most sympathetic to Britain.“ Floyd Stone, Britain Shows More of Its Side in 35 Films, in: Motion Picture Herald, 25.1.1941 5 Als Begleitprogramm zu einer Ausstellung des Museums of Modern Art über ‚The Art of Britain at War‘ liefen 15 Filme, u.a. Neighbours Under Fire, Dover Front Line, Health in War, Story of an Air Communiqué, They Also Serve, Musical Poster No.1. Siehe auch: Propaganda and Short Films on Service – U.S. Tribute to M. of I. Shorts, in: Kinematograph Weekly, 17.7.1941, S. 25 6 In den USA wurden u.a. gezeigt The Warning, The First Days, Squadron 992, Men of the Lightship, Britain on Guard, Behind the Guns, War and Order 7 Commercial distribution of films in the United States, O.E.P.E.C. Paper No. 798, 5.5.1941. PRO/T162/858 E39140/12 201 ten Verleih von Target for Tonight zu übernehmen, nachdem der Film im Hinblick auf die amerikanischen Verhältnisse neu synchronisiert worden war.8 Die Nach- und Neusynchronisierung ihrer Filme war noch die mildeste Form der Bearbeitung, die die Films Division akzeptieren musste. Die Bosse der großen US-Verleiher verlangten häufig einen Neuschnitt bzw. Kürzungen, bevor sie die Filme in den Verleih nahmen.9 Den Verantwortlichen der Films Division, Bernstein eingeschlossen, blieb nichts anderes übrig, als den Wünschen der Verleiher zu entsprechen, was zur gängigen Praxis beim USAVerleih der Ministry of Information-Filme wurde. Bernstein schuf sich damit nicht gerade Freunde unter den betroffenen Regisseuren. Auch die Films Division des British Information Service veränderte Filme für den amerikanischen Markt. Sie produzierte von 1944 an kurze „Act and Fact“Filme, die aus britischem Wochenschaumaterial zusammengestellt wurden. Das Material wurde neu montiert und mit einem amerikanischen Kommentar versehen. Selbst innerhalb der amerikanischen Film Division des B.I.S. stieß diese Praxis nicht auf ungeteilte Zustimmung.10 8 Siehe auch: Moorehead, Sidney Bernstein, a.a.O., S. 129-136 Squadron 992 wurde um die Hälfte gekürzt und kam unter dem Titel Floating Elephants in die Kinos; Thorold Dickinsons Next of Kin mußte auf Insistieren von David Selznick um ein Drittel gekürzt werden und wurde unter dem Titel Raid on France verliehen. 21 Miles, Night Shift, Coastal Command, Merchant Seamen kamen allesamt als re-edited Versionen in die amerikanischen Kinos 10 Filme wie D-Day, Cherbourg und The Road to Paris – entstanden unter der Leitung von Thomas Baird – konnten kurzfristige Verleiherfolge erzielen. Aber J.R. Williams, der Leiter der Non-Theatrical Abteilung der Films Division des British Information Services artikulierte die gefährliche Tendenz, die in jeder Bearbeitung eines Films lag. Es tangierte die Frage, ob sich ein Propagandaziel existierenden Marktstrukturen unterzuordnen hatte und damit auch jedes Mittel rechtfertigt, kreative Produkte zu zerstören. „The films are obviously well justified from the point of view of the British Information Services, since they help to put over the story of Britain‘s achievements; but as they are made in American style by a Canadian editor and commentated by an American voice, they are not quite relevant in a discussion of how to win appreciation for British films in the U.S.A., unless you subscribe to the despairing theory that all British films should be remade for America by Americans.“ Status of the British Documentary and Distribution in the U.S.A., in: Documentary News Letter, Vol. 5, No. 6 [No. 47], 1944, S. 67 9 202 Vor 1942 hatte englische Filmpropaganda kaum Möglichkeiten gehabt, in den USA Fuß zu fassen. Der Kriegseintritt der USA änderte die Situation. Zum einen brauchte das Ministry of Information keine ideologischen Rücksichten mehr auf die isolationistische Tendenzen eines bislang neutralen Verbündeten zu nehmen, zum anderen gaben die großen Verleihfirmen ihren Widerstand gegen ‚Propaganda‘ allmählich auf. Im Mai 1942 schickte die Films Division Sidney Bernstein erneut in die USA, um mit Hollywood-Produzenten und Verleihern zu verhandeln und überdies erste Kontakte zu den Verantwortlichen des Office of War Information, dem amerikanischen Gegenpart zum Ministry of Information, herzustellen.11 Bei Bernsteins Rückkehr nach Großbritannien im Oktober 1942 waren die Grundlagen für die zukünftige Arbeit der Films Division in den USA geschaffen. Bernstein hatte erreicht, dass die acht Major Companies12, die sich vor Kriegsbeginn im Motion Picture Committee Cooperating for National Defence organisiert hatten, nach dem Rotationsprinzip jährlich jeweils einen langen und zwei kurze Filme des Ministry of Information verliehen. Wie in der Literatur fälschlich interpretiert13, gab es keine Absprachen über den Verleih von kommerziellen Spielfilmen; mit „feature films“ waren spielfilmlange dokumentarische Produktionen der Films Division gemeint, wie Coastal Command, Next of Kin oder Fires Were Started, nicht aber Spielfilme kommerzieller An- 11 Für einen kurzen Abriß der Entstehungsgeschichte des Office of War Information und seiner Funktionen siehe das Frühjahrsheft von: The Public Opinion Quarterly, Vol. 7, No. 1, 1943, das auf S. 3-138 dreizehn Artikel über das O.W.I. enthält, u.a. OWI – Organization and Problems und OWI and Motion Pictures. Über die Filmabteilung des OWI siehe auch: Richard Dyer MacCann, The People‘s Films – A Political History of U.S. Government Motion Pictures, New York 1973, S. 118-172 12 Das waren die Produktions- und Verleihfirmen Columbia, Metro-Goldwyn-Mayer, Paramount, RKO Radio, Twentieth Century Fox, United Artists, Universal und Warner Bros. 13 So bei Pronay, Short, Titmuss, a.a.O. „Special arrangements have been made with the principal American distributors, acting on a rota system, to place eight of the longer M.O.I. films a year before the American, Latin American and Canadian publics.“ Notes on the work of Films Division 1942-1943. PRO, INF 1/75 203 bieter. Basis des Abkommens, das ausschließlich Ministry of InformationFilme betraf, waren die amerikanischen Standard-Verleihregelungen mit unabhängigen Produzenten, nach denen der Verleiher 30 Prozent der Einnahmen kassierte und der Produzent, in diesem Falle das Ministry of Information, die restlichen 70 Prozent. Nach Einschätzung von Bernstein war diese Vereinbarung das Maximum an Entgegenkommen, das von Seiten der amerikanischen Verleiher zu erwarten war. Die Verleihvereinbarung konnte die Films Division nicht ausnutzen, da sie nicht genügend lange Filme produzierte.14 Unabhängig von dieser für das Ministry of Information auch finanziell interessanten Regelung – es konnte die Verleiheinnahmen wieder in die Filmproduktion stecken –, gab es noch eine weitere Verleihabsprache, diesmal zwischen der Films Division und dem Bureau of Motion Pictures des Office of War Information. Das Bureau hatte eine Vereinbarung mit dem War Activities Committee der Filmindustrie getroffen, der Nachfolgeorganisation des Committee Cooperating for National Defence, nach der ab Januar 1943, analog zu den Five-Minute Filmen des Ministry of Information, wöchentlich ein Propagandafilm in den Kinos gezeigt werden konnte. Die Auswahl der Filme, die zu gleichen Teilen aus staatlicher und Hollywood-Produktion kommen sollten, oblag dem O.W.I., das War Activities Committee Theatres Division of the Motion Picture Industry, so der volle Name, hatte aber ein Veto- und Einspruchsrecht. Bernstein hatte ausgehandelt, dass das O.W.I. auch Filme des Ministry of Information in diese Vereinbarung mit aufnahm. Dover (eine umgetitelte und neugeschnittene Fassung von 21 Miles) und Night Shift waren die ersten Filme, die nach dieser Regelung in die US-Kinos kamen. Als Gegenleistung 14 „(...) it is a minor tragedy that we were never able to make all the films to satisfy this agreement,“ so Sidney Bernstein, in: ‚The Film and International Relations‘, London, a.a.O., S. 13 204 übernahm die Films Division amerikanische Filme des O.W.I. in ihren kommerziellen wie auch Non-Theatrical Verleih in England. Man etablierte eine Films Division der British Information Services für Liaisonaufgaben, deren erster Direktor George Archibald, der ehemalige londoner Verleihchef der United Artists, wurde. Als Assistant Director mit ähnlichen Aufgaben wie in London fungierte Thomas Baird, der Leiter der Non-Theatrical Abteilung der Films Division, der kurze Zeit später Archibalds Nachfolger wurde. Das Ministry of Information hatte für die Filmaktivitäten des Office of War Information in vielem eine Vorbildfunktion. Das O.W.I. startete 1942 ein NonTheatrical Scheme, das die Produktion und den Verleih von Filmen für den 16mm-Markt einschloß. Da die Filme des O.W.I. kostenlos an die Verleiher abgegeben wurden, musste auch die New Yorker Film Division ihre Preise senken. Die Kopienpreise und Verleihgebühren tendierten gegen Null. Mit den mehr als 250 16mm-Verleihern, die für das O.W.I. vor allem Schulen und andere pädagogische Institutionen als Kunden umwarb, konnte und wollte die amerikanische Films Division nicht konkurrieren. Sie konzentrierte sich auf Erwachsene als Zielgruppe und bediente sich organisatorisch dezentraler, eigener Verleihbüros.15 Die Erfahrungen der Films Division beim Vertrieb britischer Propagandafilme in den USA machten deutlich, wie problematisch es war, staatliche Propaganda in einem von kapitalistischen Gesetzen beherrschten Markt durchzusetzen. Anders als in England behielt in den USA die Filmwirtschaft immer die 15 In sechs Ballungsgebieten, New York, Chicago, Detroit, Boston, Los Angeles und Washington, entstanden große Verleiharchive mit eigenem Personal und in 17 Städten kleinere Ableger, die den britischen Konsulaten angegliedert waren. Eine ausführliche Darstellung des Non-Theatrical Verleihs in den USA findet sich in J.R. Williams, Status of the British Documentary and Distribution in the U.S.A., in: Documentary News Letter, Vol. 5, No. 6, 1944, S. 66-69. Siehe auch: Aubrey Flanagan, British, U.S. Information Film Units Collaborate, in: Motion Picture Herald, 21.11.1942, S. 19; British War Films Set for U.S. Theatres, in: Motion Picture Herald, 12.12.1942 205 Kontrolle über die Filmaktivitäten der eigenen Regierung und erst recht gegenüber den Versuchen der Briten, einen Teil dieses Filmmarkts zu ursupieren. Die britischen Filme mussten also marktwirtschaftlichen Bedingungen genügen, was Probleme mit sich brachte, waren sie doch unübersehbar staatliche britische Propaganda und für amerikanische Verhältnisse schwer verdauliche Kost, oder wie Williams schreibt: „America is still the land in which ‚free enterprise‘ is a phrase that commands more respect than ‚government‘ “. Der Kriegseintritt der USA half zwar den Widerstand gegenüber staatlicher Bevormundung, inhaltlich wie administrativ, zu reduzieren, aber dennoch blieb die deutliche Gleichgültigkeit, wenn nicht gar offene Ablehnung gegenüber den britischen Filmen bestehen. Das Verleihabkommen zwischen dem Ministry of Information und den amerikanischen Majors stieß nicht bei allen Verleihern auf Zustimmung. Anlässlich einer Rede, die Brendan Bracken vor den Präsidenten und Leitern der Auslandsabteilungen der großen amerikanischen Produktionsfirmen in New hielt und in dem er sich für Bereitwilligkeit der Majors bedankte, britische Filme zu zeigen und gleichzeitig auf die Verleihunterstützung amerikanischer Kriegsdokumentarfilme durch sein eigenes Ministerium in England hinwies16, rührte 16 „I note that, as well as the many films which you have produced in Hollywood, you have also made your distribution facilities willingly available to your Government. (...) You have been good enough to come to an agreement with the British Information Services in the United States to distribute a number of British official feature films and shorts, and already this programm is under way. I also believe that you have willingly accepted the subjects which we have asked you to distribute. (...) On the other hand we have welcomed American pictures in Britain. (...) But just as you were willing to make special arrangements to distribute such a war pictures as ‚Desert Victory‘, we on our part have been glad to make special arrangements in our country for the very wide distribution of some outstanding American war films.“ Britain Lauds Wartime Role of Films in New York Speech, British Information Services Press Service, 26.8.1943. PRO, INF 1/627 206 sich heftiger Widerstand in der Trade Press. Es war besonders die Nichterfüllung der englischen Verpflichtung des auf Gegenseitigkeit angelegten Abkommens, das Kritik hervorrief. Wurden in den USA elf Ministry of Information-Filme gezeigt, so fanden lediglich zwei amerikanische Filme den Weg in englische Kinos.17 Selbst bei dem Verleih von Desert Victory, des erfolgreichsten britischen Films in den USA, der ein aktuelles Action gespicktes Combat Picture war und damit Qualitäten aufwies, deren Fehlen in vielen der britischen Filme bemängelt wurde, kam es zu Spannungen zwischen dem amerikanischen Verleiher Twentieth Century Fox und der Films Division des British Information Service. Ein Briefwechsel zwischen George Archibald und seinem Nachfolger als Leiter der New Yorker Films Division, Thomas Baird, reflektierte diese Malaise. Archibald war mehr als „dissatisfied“ über die Art, wie Fox den Vertrieb des Films gehandhabt hatte. Er beklagte sich bei Baird bitter, dass ohne das aktive Zutun der Film Division, ohne zusätzliche Pressearbeit und Sondervorführungen der Film nicht den gewünschten Erfolg erzielt hätte, da Fox den Film relativ lieblos, ohne besondere Pressearbeit gestartet hatte. Selbst bei der Verleihabrechung – der Film lief als second feature – wurde der Film gegenüber gleichwertigen amerikanischen Produkten benachteiligt.18 17 „Mr. Brendan Bracken made a speech in New York last week about free markets for motion pictures which would be of more service if he might take it home and deliver it in London.“ ‚Mr. Bracken Speaks‘ und ‚Bracken Cites Film Value for War Messages‘, in: Motion Picture Herald, 4.9.1943. Nicht nur in den USA, sondern auch in England stieß Brackens Vorschlag für einen freien internationalen Filmmarkt, der ohne Subventionen und die künstliche Hilfe für die einheimische Filmproduktion auskommen soll, auf heftige Kritik 18 „You know as well as I do how dissatisfied we were with 20th Century-Fox‘s handling of Desert Victory and, in particular, how Hal Horne lay down on the publicity and could have sabotaged it completely if we had not weighed in with our own resources plus Mack Miller, plus all our special screenings for columnists, radio commentators, etc. But for the press and radio space we secured, Fox‘s sales organisation would not have done even the job that they did, and the job that they did isn‘t by any means as good as could have been. (...) Also you know that the allocation of rentals as between Fox‘s first features and Desert Victory was grossly unfair to us.“ George Archibald an Thomas Baird, 18.4.1944. PRO, INF 1/221, zitiert nach: Anthony Aldgate, Creative Tensions: Desert Victory, the Army Film Unit and Anglo- 207 Die britischen Filme hatten nicht nur mit den schwer zugänglichen ökonomischen Strukturen zu kämpfen, sondern auch mit ideologischen Barrieren, den politischen und sozialen Unterschieden zwischen beiden Nationen. Thomas Baird gab eine treffende Beschreibung dieser fundamentalen Unterschiede: „There is a continual play on the theme that England is the country of tradition and America the country of ideas, that we are hidebound and they are progressive; that we lean on the past and the Americans look to the future (...) as a nation (it is generally felt) we have no political sense, and the nation is misled by its upper classes.“19 Auch wenn man diese harsche Einschätzung, zu lesen in einem Editorial der Documentary News Letter, nicht unbedingt teilen muss, so zielte die Kritik zu recht auf die nicht vorhandene amerikanische Verleihpolitik der Films Division als auch auf die mangelhafte Adaptierung der englischen Filme für den amerikanischen Markt, und sie traf damit den Nerv der Schwierigkeiten englischsprachiger Filme in den USA. „The trouble at the British end is twofold. Firstly, there is the old lack of policy, or guidance on policy, which has made so much of the M.O.I.‘s work ineffective. Secondly, there are the faults of the Films Division itself. From the point of view of U.S. distribution, the Films Division tends to send out films which have not been made with a real understanding of what is wanted by the U.S. market. (...) In addition to this, our method of presentation is usually wrong. Much of our vernacular is unintelligible to U.S. audiences; some of our accents sound sissy and irritating to them. Our tempo is too slow for what they believe to be their hustling way of life. As a result our films lack speed, punch, attack and news value – all of which are marketable commodities in the U.S.A.“20 American Rivalry, 1943-5. In: Taylor (Hrsg.), Britain and the Cinema in the Second World War, a.a.O., S. 159. Aldgate beschreibt die Auswirkungen von Archibalds Kritik, die auch ihren Niederschlag in der amerikanischen Film Trade-Presse fand und die zu erheblichen Störungen im Arbeitsklima zwischen amerikanischen Verleihern und der Films Division führte auf S. 158-161 19 Thomas Baird an Sidney Bernstein, o.D. [Winter 1942], zitiert nach: Moorehead, Sidney Bernstein, a.a.O., S. 147 20 Britain‘s Film Rôle in America, in: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 2, February 1943, S. 173 208 So nahmen die Verantwortlichen der Films Division schon bald von der Vorstellung Abschied, dass britische Dokumentarfilme nach dem Kriegseintritt der USA zwangsläufig auf eine gute Resonanz beim Publikum stoßen müssten. „Anyone (...) must get rid of the notion, natural to those who talk cheerfully of ‚our American cousins‘, that a background of vague benevolence towards Britain is a normal feature of American life.“21 Das wichtigste Hindernis für eine weite Verbreitung britischer Dokumentarfilme in den USA resultierte aus den Schwierigkeiten, die die Amerikaner mit dem britischen Englisch und damit verbunden, mit der britischen Mentalität hatten. Viele Filme blieben für Amerikaner unverständlich, und das nicht nur wegen eines regionalen oder schichtspezifischen Dialekts oder der ‚clipped speech‘ eines Offiziers. An der Kritik von britischem ‚understatement‘, von der ‚off-handedness‘ der Dialoge, der ‚self-complacency‘ und der ‚patronising attitude‘ vieler Soundtracks manifestierten sich tiefsitzende politische und soziale Ressentiments gegenüber den Briten. So war denn auch die Nachsynchronisierung von Target for Tonight mit amerikanischen Sprechern und der Einsatz des amerikanischen Journalisten Quentin Reynolds als Kommentator von London Can Take It und Christmas Under Fire mit ein Grund für deren Erfolg. Insbesondere Sidney Bernstein, der maßgeblich an den amerikanischen Kontakten und Beziehungen beteiligt war, hatte schon nach seiner zweiten Amerikareise in Herbst 1942 gefordert, man müsse, um Filme auf dem amerikanischen Markt unterzubringen, stärker die spezifisch amerikanischen Bedürfnisse berücksichtigen. „To force the American to digest our home consumption films is a well nigh impossible task. Our imperative need is for films to suit their tastes, films which will command equal attention with the best American films.“22 21 22 J.R. Williams, Status of the British Documentary and Distribution in the U.S.A., a.a.O., S. 67 Sidney Bernstein, zitiert nach: Moorehead, Sidney Bernstein, a.a.O., S. 146 209 Auch wenn es seit Herbst 1942 ein Abkommen für den Theatrical Verleih gab, lag die Entscheidung darüber, welche Filme in die Kinos kamen, allein bei den Amerikanern. Da man von deren Goodwill abhängig war, versuchte man den Verleihern aus dem umfangreichen Angebot des Ministry of Informations möglich viele Filme anzubieten, aus denen sich die Majors ihre Filme dann auswählten. Über Presse- und Sondervorführungen versuchte man, Interesse für bestimmte Filme zu wecken.23 Das vom Ministry of Information präsentierte Angebot erscheint willkürlich, ohne eine erkennbare gezielte Politik im Hinblick auf die Repräsentierung der britischen Kriegsanstrengungen. Regulierende Eingriffe von Seiten der Films Division erschöpften sich hauptsächlich in der Bereitstellung einer genügend großen Zahl von Filmen, damit das Verleihabkommen mit den Amerikanern auch voll ausgenutzt werden konnte. Lediglich für den Non-Theatrical Verleih waren Ansätze einer gezielten Politik erkennbar. Hier nutzte man die Erfahrungen, die man mit einem identischen Programm in Großbritannien gemacht hatte. Man setzte auf Zielgruppen, für die spezielle Filme produziert werden sollten. „There is a general opinion in America that we are inefficient and that we ‚muddle through‘. This is a deep-seated impression, and is being tackled at various film propaganda levels. One very important level is the specialist film for relatively specialist audiences.“24 Arthur Elton wollte bereits 1942 eine ganze Serie dieser auf ein Zielpublikum ausgerichteten Propagandafilme für die USA produzieren, die er als ‚prestige propaganda‘ einstufte, „We are finding that this type of film, when well made, carries with it a very strong propaganda influence in our favour.“25 Doch Eltons 23 British Films Shown as Samples of Home Front Propaganda, in: Motion Picture Herald, 1.8.1942. Die British Library of Information zeigte Merchant Seamen, Listen to Britain, The Builders, A Tale of Two Cities, Diary of a Polish Airman, Ordinary People 24 Arthur Elton an Mercier, 5.6.1943. PRO, INF 1/219 25 Arthur Elton an Edgar Anstey, 20.8.1942. PRO, INF 1/219 210 Ankündigungen wurden nicht in ein Programm umgesetzt. Filme, die nach 1942 gezielt für den amerikanischen nichtkommerziellen Markt produziert wurden, lassen sich an einer Hand abzählen. Swanns Aussage, dass die Dokumentarfilmer ihre Arbeiten für den nichtkommerziellen Bereich als ihre besten Leistungen für das Ministry of Information einstuften, läßt sich angesichts fehlender Beispiele nicht aufrechterhalten. Erfolge auf dem nichtkommerziellen Markt, wie World of Plenty sind eher dem Zufall zuzuschreiben, wie im Falle von Neuro-Psychiatry (in den USA als Psychiatry in Action verliehen) und kamen überraschend. Auch wenn die Films Division durch spezielle Produktionen für den nichtkommerziellen Verleih in den USA das England-Bild der Amerikaner zu korrigieren versuchte, blieben diese wenigen Versuche Schönheitskorrekturen. Die meisten Filme für den Non-Theatrical Verleih stammten aus dem regulären Produktionsangebot des Ministry of Information.26 26 Über die Ministry of Information-Filme, die zwischen Mai 1942 und Mai 1944 in den USA verliehen wurden, gibt ein Katalog der Academy War Film Library Auskunft (Academy War Film Library – Catalog of Prints May 1942 – May 1944, Hollywood [Academy of Motion Picture Arts and Sciences]1944). Der Katalog war primär als Hilfe für Hollywood- 211 Studioproduktionen gedacht. Er enthält Filme, die von den alliierten Regierungen für Produktionszwecke zur Verfügung gestellt wurden. Im Fall der britischen Filme ist das Angebot identisch mit dem nichtkommerziellen Verleihprogramm. Von den 136 Filmen, die das Ministry of Information zur Verfügung gestellt hatte, beschäftigten sich neben rein militärischen Themen (A.B.C.A., Ack Ack, Story of an Air Communiqué, Battleship, Before the Raid, The British Royal Marines, Canteen Command, Close Quarters, Coastal Defence, Commissioning a Battleship, Fighter Pilot, H.M. Minelayer, In the Drink, Into the Blue, Kill or be Killed, Lofoten Raid, Motorcycle Training, Operational Height, Paratroops, Raid Report, The Right Man, Royal Observer Corps, Shock Troops, Siege of Tobruk, Sky Giant, Speed-up on Stirlings, Street Fighting, Tank Battle, Tank Patrol, Target for Tonight, Troopship, Winged Messengers) der größte Teil der Filme mit den Lebensbedingungen der Bevölkerung im Krieg, 15 Filme handelten von Frauen (A.T.S., Airwoman, Ballon Site 568, Civil Defence Ambulance, Five and Under, Jane Brown Changes Her Job, Mobile Engineers, They Also Serve, Village School, W.R.N.S., W.V.S., Women at War, Women Away From Home, Women of Britain, Work Party) 212 5.5. The Front Line: Vertrieb von Filmen in „liberated territories“ Ende 1942 bahnte sich eine grundlegende Änderung der bisherigen Politik der Films Division an. Galt bisher der Home Front das Hauptaugenmerk, verlagerten sich ab Dezember 1942 die Aktivitäten der Films Division auf die Produktion und den Vertrieb von Filmen für den Einsatz im befreiten Ausland. Auf dem Höhepunkt der Verleihaktivitäten der Films Division in den „liberated territories“ Europas und Nordafrikas waren mehr als 223.000 Kopien britischer Spiel- und Dokumentarfilme im Umlauf, so eine offizielle Statistik des Ministry of Information. Darüber hinaus kamen wöchentlich mehr als 1.200 Kopien britischer Wochenschauen in den Vertrieb, der fast ausschließlich über existierende kommerzielle Verleihstrukturen erfolgte.1 In den befreiten Gebieten hatten die Alliierten auf den Aufbau eines nichtkommerziellen Verleihs verzichtet. Nur in Gegenden, in denen es keine Kinos gab oder die von der Stromzufuhr abgeschnitten waren, kamen mobile Projektionseinheiten zum Einsatz.2 Die Verleihaktivität in „liberated territories“ war von Beginn ein gemeinsames Projekt der Alliierten, mit allen dazugehörigen Problemen. Die Amerikaner waren jedoch von Anfang an in ihren Bemühungen, amerikanische Filme in die Kinos zu bekommen, schneller und effektiver als die Briten. Mit ihrem Mangel an geeigneten Kurzfilmen, gingen sie ungezwungener um als die Briten, die über einen weit größeren Fundus an Filmen verfügten. Hatten die Briten vor allem eine pädagogische Motivation für den Film-Einsatz in den befreiten 1 Im Gegensatz zur Vorkriegspraxis, nach der britische Filme zu Festpreisen an ausländische Verleiher abgegeben wurden, erfolgte die Abrechnung auf Prozentbasis. Genaue Zahlen über Einspielergebnisse sind nicht bekannt 2 Die Anzahl der mobilen Projektionseinheiten ist jedoch zu vernachlässigen. Mitte 1945 waren lediglich 13 solcher 35mm-Einheiten im Einsatz 213 Ländern, stand bei den Amerikanern die Unterhaltung an erster Stelle, erst dann folgte „propaganda by means of shorts“. Die Films Division hatte nur einen Mann, der den Amerikanern auf dem Gebiet der kommerziellen Filmwirtschaft Paroli bieten konnte, Sidney Bernstein. Bernstein hatte dem Verleih britischer Filme bereits in Nordafrika auf die Beine geholfen, wo die Alliierten im November 1942 gelandet waren. Bernstein sollte für den kommerziellen Verleih alliierter Filme in Algerien und Marokko eine neue Infrastruktur aufbauen. Ende April konnte er der Films Division melden, dass trotz des Widerstandes einiger Kinobesitzer und Verleiher, die der französischen Vichy-Regierung nahestanden, der Vertrieb von britischen und amerikanischen Wochenschauen, von Kurz- und Dokumentarfilmen etabliert war und die Filme in den Kinos liefen. Auf dem Spielfilmsektor hatten die Amerikaner die Nase vorn. Hatten sie bereits Anfang 1943 45 Spielfilme mit französischen Untertiteln für den Verleih in Nordafrika im Angebot, konnte die britische Seite keinen einzigen Spielfilm vorweisen. Auch wenn die Briten diesen Mangel schleunigst zu beheben versuchten, blieb die Zahl britischer Filme, die bis Kriegsende in den befreiten Ländern aufgeführt wurden, hinter den amerikanischen zurück. Der Grund lag in einem geheimen Abkommen zwischen Amerikanern und Engländern über den Verleih von Filmen in befreiten Gebieten, das eine interne Quotenregelung beinhaltete, nach der amerikanische Filme britische Filme im Verhältnis 40 zu 12 übertreffen durften.3 Bernsteins Aktivitäten in Nordafrika fanden in Absprache mit der Psychological Warfare Executive statt, und genossen volle Rückendeckung durch die 3 Der Hinweis fand sich in Akten des British Council in einem Protokoll vom Oktober 1943. PRO, BW 4/52, zitiert nach: D.W. Ellwood, ‚Showing the World What it Owed to Britain‘ – Foreign Policy and ‚Cultural Propaganda‘, 1935-45, in: Pronay/Spring (Hrsg.), Propaganda, Politics and Film, a.a.O., S. 153. Diese Regelung wurde „at a very high level indeed“ ausgehandelt 214 Treasury. Weil ein entsprechender Organisation- und Verwaltungsapparat unabdingbar war, schlug Bernstein nach Absprache mit dem Services Film Publicity Committee Jack Beddington die Einrichtung einer Sonderabteilung des Films Division für „liberated territories“ vor. Die Einrichtung der neuen Abteilung wurde nach Zustimmung der Treasury im April durch ein O.E.P.E.C. Paper sanktioniert. Neben der personellen Ausstattung, für die Leitung war Sidney Bernstein vorgesehen, wurden die Aufgaben der neuen Abteilung beschrieben: „(a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) 16mm. silent versions of newsreels; newsreel compilations of the past and present progress of the war; sub-titling and dubbing of Ministry shorts and features; production of special films in the appropriate languages; exploring and using the best channels of distribution in the various countries; contact with the Allies to ensure against overlapping; contact with a Sub-committee of the British Film Producers Association who are working on the same subject from an entertainment angle. It is proposed that one of the two existing honorary advisers in the Films Division should be in charge of the work and be responsible for liaison with the Americans and other United Nations and for relations with the Trade.”4 Auch wenn die Propaganda-Aktivitäten in befreiten Ländern von einer gemeinsamen alliierten Kontrollinstanz, der Psychological Warfare Branch, an der auch die englische Psychological Warfare Executive beteiligt war, geleitet werden sollten, kam es jedoch sehr schnell auf dem Filmgebiet zur Konkurrenz zwischen Engländern und Amerikanern. Beide Seiten rekrutierten in diesem Zusammenhang verstärkt Mitarbeiter aus der kommerziellen Filmwirtschaft. So wurde ein ehemaliger Mitarbeiter Bernsteins aus dessen GranadaKinokette britischer Filmrepräsentant in Rom. 4 O.E.P.E.C. Paper No. 1778, Films Division, April 1943. PRO, INF 1/128 215 Im Dezember 1943 wurde die alliierte P.W.B. in die Psychological Warfare Division überführt und dem Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF) unterstellt. Am 11.4.1944 wurde Bernstein offiziell Leiter der Filmabteilung, und damit verantwortlich für Politik und Produktion dieser Sektion der P.W.D.5 In dieser Funktion schuf er die Rahmenbedingungen und Strukturen für den Verleih britischer wie alliierter Filme in den befreiten Ländern. Bernstein war verantwortlich für Wiedereröffnung der Kinos in den ehemals besetzten Gebieten und der Etablierung bzw. Revitalisierung des kommerziellen Filmverleihs. Überdies war er autorisiert, alle Aufgaben der psychologischen Kriegführung durchzuführen, darunter „interrogation of civilian population and prisoners of war; photography, radio, leaflet production and distribution; news and press and poster display.“ Ihm oblag auch die Zensur, d.h. die Entscheidung darüber, welche Filme in den befreiten Gebieten aufgeführt werden durften.6 Bernstein hatte sich durch seine Doppelfunktion als Chef der Filmabteilung der P.W.D., auf die das Ministry of Information keinen Einfluss hatte, und als Leiter der Ministry of Information-internen Abteilung für Liberated Territorries, sich weitgehend der Hierarchie der Films Division entzogen. Formal 5 Nach Moorehead hatte Bernstein aus Rücksicht auf anglo-amerikanische Filmbeziehungen den Posten nur inoffiziell übernommen und auch bis zum Kriegsende keinen offiziellen Titel als Films Chief P.W.D. S.H.A.E.F. geführt – eine Behauptung, die nicht aufrechtzuerhalten ist. Bereits Anfang 1945 wurde Bernstein als Films Chief P.W.D. von den Documentary News Letter wegen seiner Politik angegriffen 6 Einige damit verbundene Schwierigkeiten beschrieb Bernstein in seinem Papier ‚The Film and International Relations‘, a.a.O., S. 14: „There was one unexpected difficulty we encountered. We took it for granted that the Germans would remove all films when they went, but in nearly every country the theatre owners had managed to hide hundreds of pre-1940 films – both imported and home-made – and as soon as the Germans retreated they brought them out and showed them. We were embarrassed by having to withdraw some of these old pictures in favour of the chosen films provided by the Psychological Warfare Division of S.H.A.E.F. A further problem was that S.H.A.E.F. had to restrict the showing of these old ‚allied‘ films because some were anti-Russian; some even anti-British, and they would, if shown, have sown Allied discord. Stories against an ally were all right in 1939 but not in 1944“ 216 unterstand er Jack Beddington, „but“, wie Documentary News Letter schrieb, „it is no secret that he is reluctant to accept the discipline of his director.“7 Auch die Establishment Division des Ministry of Information konnte nur feststellen, „that the Enemy Occupied Territories Section works entirely on its own and has little connection with the other Sections of the Division.“8 So konnte sich Bernstein oft über die Bedenken und Einwände der Establishment Division und der Films Division bei Personalentscheidungen hinwegsetzen. Seine Entscheidung, als Liaison Officer in den befreiten Ländern vor allem Kollegen aus der Filmwirtschaft einzusetzen, stieß im Umfeld des Ministry of Information und in einigen Ländern auf heftige Kritik.9 Bei internen Personalentscheidungen konnte Bernstein sich ebenfalls durchsetzen. In bewusstem Affront gegenüber der Produktionsabteilung der Films Division, insbesondere gegenüber Arthur Elton, setzte er durch, dass mit Sergei Nolbandov, einem ehemaligen Mitarbeiter Michael Balcons, ein eigener Production Supervisor für seine Abteilung eingestellt wurde. Auch ein langjähriger Mitarbeiter der Produktionsabteilung der Films Division, Arthur CalderMarshall, der von Beddington zu der neuen Abteilung unter Bernstein abgestellt worden war, und der wie Beddington mit Bernstein nicht gut zurechtkam, blieb nicht lange auf seinem Posten. Wegen einer antisemitischen Äußerung Calder-Marshalls veranlasste Bernstein dessen sofortigen Ausschluss aus der Abteilung.10 7 Our Backs to the Future, in: Documentary News Letter, Vol. 5, No. 6, 1945, S. 62 Fletcher an Woodburn, 12.7.1944. PRO, INF 1/126 9 Siehe: Our Backs to the Future, a.a.O. 10 „Appointment of a successor to Mr. Calder-Marshall: Mr. Bernstein told me this morning that he had arranged for Mr. Calder-Marshall to be ‚transferred back to the Films Division‘ and he wanted to replace him at once. I gather that Mr. Bernstein and Mr. Calder-Marshall do not see eye to eye on a number of matters, probably including the appointment of Mr. Nolbandov.“ Fletcher an Woodburn, 12.7.1944. PRO, INF 1/126. 8 217 Die Filme Die Abteilung unter Bernstein hatte die Filme, die für befreite Gebiete bestimmt waren, in sechs Kategorien aufgeteilt, für die zum Teil auf vorhandene Produktionen zurückgegriffen werden konnte, aber auch Neuproduktionen erforderlich waren. Die Einteilung betraf Produktionen der Films Division und des British Council, sie reichte von Spielfilmen und Wochenschauen bis hin zu Projekten mit ausländischen Firmen und „special films“. Für das Finanzjahr Dezember 1943 bis November 1944 standen der neuen Abteilung allein für die Produktion von Kurz- und Dokumentarfilmen £ 88.187 zur Verfügung.11 Für das Vertriebs- und Verleihprogramm aller Filme, dessen Kosten die Films Division wenigstens zum Teil durch die Einspielergebnisse wieder hereinzuholen hoffte, konnte über £ 700.000 ausgegeben werden.12 Anlass für die Versetzung von Calder-Marshall waren seine Bedenken gegen die Ernennung von jüdischen Film Officers in den befreiten Gebieten. „The high percentage of Jews connected with the film business does mean that the reactionary forces, who may in certain cases be liquidated, but in most cases will be driven underground, will fix on the reinstatement of Jewish control as proof of the nazi proposition (...) if a film officer makes a mistake, it will be a more serious mistake if he is a Jew than if he is an Aryan (...) the political capital which the underground anti-semitic forces will be able to make out of these incidents, will reflect dangerously on our position“, zitiert nach: Moorehead, Sidney Bernstein, a.a.O., S. 162 11 Diese Summe beinhaltet lediglich die reinen Produktionskosten für 771 Rollen Film und beinhaltet keine Ausgaben für overheads oder die immensen Kopierkosten für den Verleih der Filme. Als direkte Vergleichszahl: Für die Produktion von Filmen für den Home Market und für andere ausländische Territorien standen im gleichen Zeitraum für 653 Rollen Film £ 354.039 zur Verfügung, aufgeteilt auf die Crown Film Unit (£ 58.149), die Army Film Unit (£ 33.318), die R.A.F. Film Unit (£ 42.056), die Colonial Film Unit (£ 16.026) und auf outside contractors (£ 204.490). Siehe: O.E.P.E.C. Paper No. 2184, a.a.O. Das Produktionsprogramm der Abteilung für liberated territories, das die Ausgaben festlegte, war durch das O.E.P.E.C. Paper No. 1968 abgesegnet worden 12 Darin enthalten waren £ 52.480 für den Einsatz von mobilen Projektionseinheiten, für Propagandafilme des Ministry of Information £ 326.299, und für den Vertrieb von Spielfilmen eines Summe von £ 331.610. Damit beliefen sich im Finanzjahr 1943/44 die Kosten der neuen Abteilung mit £ 710.398 auf über ein Drittel der Kosten aller Filmaktivitäten der Films Division. Siehe: Public Accounts Committee 1944, Statement 16, Section IV, Production, Distribution and Exhibition of Films. PRO, INF 1/74,2 218 Der größte Teil der Filme bestand aus Eigenproduktionen der Films Division und aus Filmen des British Council, die eine Synchronfassung in der jeweiligen Landessprache erhielten.13 Bei den Spielfilmen griff man auf vorhandene Produktionen zurück, die sowohl synchronisiert als auch, in einigen Fällen, untertitelt wurden. Dazu übernahm das Ministerium zwei Drittel der Synchronisierungs- oder Untertitelungskosten, sowie die Kosten für Verleihkopien, Werbung und den Vertrieb.14 Die British Film Producers‘ Association besaß das Vorschlagsrecht für die Spielfilme, „members had been asked to furnish lists of films they desired the M.O.I. to inspect with a view to dubbing or sub-titling for future use (...)“15, die Entscheidung aber, welche Filme in den Verleih genommen wurden, lag bei der Films Division und, wie Michael Balcon kommentierte, „unless our films 13 Für Frankreich waren 59 Eigenproduktionen des Ministry of Information und 26 Filme des British Council vorgemerkt; für Italien 39 Ministry of Information- und 18 British Council-Filme. Bei den Ministry of Information-Produktionen, die für eine Aufführung in Frankreich ausgewählt waren, handelte es sich um: Ack Ack, *Battleship, Beaufighters, *Before the Raid, The Biter Bit, *Britain Beats the Clock, *Cameramen at War, Canteen Command, *Catholics in Britain, *Changing Face of India, *Clydebuilt, Commissioning a Battleship, Convoy to Malta, Danger Area, Ferry Pilot, Free French Navy, *Grand Trunk Road, H.M. Minelayer, *H.M. Navies Go to Sea, Honduras Record, *Invincible? *Lambeth Walk, London Can Take It! *Malta G.C., *Merchant Seaman, *Minefield, Motor Cycle Training, Nations Within a Nation, *New Zealand, *Night Shift, Of One Blood, *Ordinary People, *Paratroops, *Peoples of Canada, The Pilot is Safe, Polish Sailor, Prairie Gold, R.A.F. Action, Raid Report, Report From China, Road to Victory, Royal Australian Navy, Royal Observer Corps, She Serves Abroad, Sky Giant, South Africa, Speed up on Stirlings, Spring on the Farm, Summer on the Farm, *Sword of the Spirit, *These Are the Men, *They Fight by Night, This Day Saved the World, Twenty-one Miles, War in the Pacific, Wealth of Australia, Women at War, *Workers‘ Week-End. Für Italien waren neben den oben mit (*) angemerkten Filmen noch zusätzlich folgende Titel vorgesehen: Building for Victory, Churchill the Man, Transfer of Skill, King and His People, Health in Wartime, Defeat Diptheria, Defeat Tuberculosis, Great Harvest, Life Begins Again, Naples is a Battlefield, Man Wounded, New Crop, Story of a Russian Village, Jungle Patrol, One Man – Two Jobs. Siehe: British Films for Liberated Europe, a.a.O. Bis zum Dezember 1944 wurden aus dieser Vorauswahl an Filmen 21 Rollen Film ins Französische synchronisiert, 55 ins Italienische, 48 ins Tschechische, 62 ins Dänische, 60 ins Holländische, 57 ins Norwegische, 68 ins Polnische und 47 Rollen ins Ungarische. Siehe auch: O.E.P.E.C. Paper No. 2184, Film Production in London – Progress Report. PRO, INF 1/56 14 Siehe auch: British Film Producers Association Minutes Volume 1942-43 und Volume 194344 15 Forward Moves on Post-War Planning [undatierter Zeitungsartikel, ca. Sommer 1943]. PRO, INF 1/218 219 were passed by the M.O.I. on a propaganda basis we could not get them through at all.“ Von den 22 Spielfilmen, die bis Ende 1944 in den befreiten Gebieten aufgeführt wurden, kam nicht ganz unerwartet fast ein Viertel aus der Produktion der Films Division.16 Um die von der Vichy-Regierung produzierte Wochenschau France Actualité zu ersetzen, die jedes Kino in Marokko und Algerien zeigen musste, produzierte das Ministry of Information zusammen mit dem amerikanischen O.W.I. und alliierten Regierungen seit Juni 1943 eine spezielle Wochenschau aus britischem und amerikanischen Filmmaterial; zunächst als Le Monde Libre für französischsprachige Länder und in der Folgezeit unter dem entsprechenden nationalen Titel, für Italien z.B. als Notizie del Mondo Libero, für Dänemark, Holland, Norwegen und in weiteren 17 Sprachen. Allein im Jahr 1944 wurden 247 Rollen dieser Wochenschau produziert, was ungefähr einer gleichen Anzahl von Ausgaben entsprach. Während in Italien und in anderen befreiten Ländern die alliierte Wochenschau noch über das Kriegsende hinaus gezeigt wurde, hatte die gaullistische Actualité Française die Monde Libre bereits 1944 aus den französischen Kinos verdrängt. Bernsteins schon 1943 formuliertes Projekt einer Filmgeschichte des Zweiten Weltkriegs konnte er wenigstens ansatzweise als Leiter der Filmabteilung für befreite Gebiete realisieren. Von dieser Filmgeschichte des Krieges, die unter dem Obertitel The World Marches gezeigt wurde und besonders die englische Kriegsanstrengungen hervorheben sollte, wurden jedoch bis Anfang 1945 nur 16 Neben den Ministry of Information-Produktionen Coastal Command, Close Quarters, Desert Victory, Fires Were Started, Target for Tonight wurden durch die British Commonwealth Film Company Ltd. verliehen: Convoy, Fanny by Gaslight, Flemish Farm, The Foreman went to France, The Gentle Sex, Ghost Train, In Which We Serve, The Lamp Still Burns, Man in Grey, Million Like us, Nine Men, One of Our Aircraft is Missing, Pimpernell Smith, Salute John Citizen, San Demetrio London, Silver Fleet, We Dive at Dawn. Auf Veranlassung des Ministry of Information hatte die B.F.P.A. im Sommer 1943 die British Commonwealth Film Company Ltd. gegründet, eine Non-Profit Making Company (gemeinnützige Gesellschaft), durch die der Vertrieb der Spielfilme in den befreiten Ländern erfolgte 220 zwei Filme realisiert, The Battle of Britain und ein Film über den Feldzug in Libyen. Unter einem ähnlich historisch ausgerichteten Blickwinkel produzierte Bernsteins Abteilung sechs Ausgaben einer „Timeless Newsreel“ unter dem Obertitel Flashbacks, einer Mischung aus Wochenschau und Magazinfilm nach dem amerikanischen Vorbild von March of Time.17 In eine weitere Kategorie fielen die Produktionen von „special films“, die als Phoenix Films in den befreiten Ländern verliehen werden sollten. Die beiden Kurzspielfilme für das befreite Frankreich, Aventure Malgache und Bon Voyage, die Alfred Hitchcock auf Anregung seines Freundes Sidney Bernstein für das Ministry of Information drehte, fielen unter diese Kategorie.18 Bernstein übertrug ihm auch die Regie für den German Special Film, der die Kriegsverbrechen der Nazis und die Befreiung der Konzentrationslager zeigen sollte.19 17 Bis Dezember 1944 wurden produziert: No. 1 Men of Timor, No. 2 Great Surrender; No. 3 Prelude in Africa; No. 4 V 1; No. 5 Entry into Paris; No. 6 Entry into Rome. Gezeigt wurden sie in Frankreich, der Tschechoslowakei, Dänemark, Holland, Norwegen und Polen, einzelne Ausgaben auch in Italien und Belgien 18 Neben einem spielfilmlangen Dokumentarfilm Etapes de la Victoire für Frankreich, drei Filmen für Italien (unter den vorläufigen Titeln Perthshire P.O.W. [i.e. Campo 63], Sicilian Reconstruction, Relief [Food]) wurde ein Film über ‚Race Theory‘ ebenfalls für Frankreich produziert, der auch für Italien und Deutschland adaptiert werden sollte. Die Produktionskosten sind dokumentiert (£ 6.435), der genaue Filmtitel oder auch eine Kopie lassen sich leider nicht nachweisen 19 Die anglo-amerikanische Koproduktion war nach der Intention von Bernstein als erschreckendes Dokument für die deutsche Bevölkerung gedacht. Auch als das amerikanische Office of War Information aus der Produktion ausstieg, ließ Bernstein Hitchcock den Film über den Sommer 1945 hin fertigstellen. In die Kinos kam er nie, da sich die offizielle Politik gegenüber Deutschland in den wenigen Monaten seit Kriegsende geändert hatte. Die Regierung wünschte keine Abschreckung mehr. Ein Mitarbeiter des Political Intelligence Departments des Aussenministeriums schrieb Anfang August 1945 an Bernstein, „policy at the moment in Germany is entirely in the direction of encouraging, stimulating and interesting the Germans out of their apathy (...) there may be no hurry for it [the film], and rawstock and technical personnel could perhaps for the moment be spared from it for the needs which the C-in-C has stated as urgent.“ Siehe auch: Moorehead, Sidney Bernstein, a.a.O., S. 164-167. Das Zitat steht auf S. 167, und Elizabeth Sussex, The Fate of Film F3080, in: Sight and Sound, Vol. 53, No. 2, Spring 1984, S. 92-97 221 Darüber hinaus beabsichtigte die neue Abteilung, zusammen mit ausländischen Produzenten und Schauspielern Filme zu produzieren, deren Themen nicht von einheimischen Produkten abgedeckt wurden. Es sind keine realisierten Projekte bekannt. Bei der Bewertung der Abteilung für „liberated territories“ lässt sich jedoch eine Diskrepanz nicht erklären. Bernsteins Abteilung war die am stärksten kommerziell ausgerichtete Sektion der Films Division. Ihr Personal, ebenso wie die Liaison Officer in den befreiten Ländern, kam größtenteils aus der Filmwirtschaft. Man könnte erwarten, dass diese Form der politischen Ausrichtung der Abteilung sich auch in der Filmauswahl und in einer verstärkten Unterstützung der heimischen Filmindustrie niederschlug. Doch weitKritik Die gefehlt. an Bernstein machte sich zwar an seiner Personalpolitik fest, „when one talks to some of them [P.W.D. film staff, representing Allied film interests], it is apparent that their only interest is to regain their pre-war jobs in the continental Wardour Streets, which they hope will become as similar as possible to continental Wardour Streets before the war“20; an seiner Abschottung gegenüber den Dokumentaristen – dass Bernsteins Abteilung filmische Aktivitäten britischer Dokumentaristen auf dem Kontinent aktiv behinderte, indem er ihnen Drehgenehmigungen vorenthielt, lässt sich allerdings nicht belegen –; und an seiner Bevorzugung von Mitarbeitern und Technikern aus der Spielfilmproduktion. Doch in der Auswahl der Dokumentar- und Spielfilme, die unter Bernsteins Ägide in den befreiten Ländern gezeigt wurden, zeigte sich im Widerspruch zur unterhaltungsorientierten Filmauswahl der Amerikaner, eine Vorliebe für Filme, die die Lebensbedingungen der Menschen im Krieg beschrieben. In den Augen der Dokumentaristen ging Bernstein aber nicht weit genug – bei der Filmauswahl gab es zwar Filme mit starker Anti-Nazi20 Our Backs to the Future, a.a.O., S. 62 222 Tendenz, aber es fehlten Filme über die Ausgestaltung der Zukunft. Die Dokumentaristen fühlten sich zudem von Bernstein übergangen, da er sie gegenüber kommerziellen Produktionsfirmen erheblich benachteiligt hatte. Andererseits hatte Bernstein im Rahmen des Möglichen versucht, „interest in Britain and things British“ zu generieren. Dass das Verleihnetz, das das Ministry of Information in den europäischen Ländern etabliert hatte, von den britischen Produzenten nach dem Krieg nicht gewinnbringend genutzt werden konnte, lag nicht an einer falschen Politik Bernsteins. Es war die Quotenregelung, mit der die Amerikaner den nationalen Marktanteil von Filmen in den befreiten Ländern bereits im Vorfeld festgelegt hatten, und die jede Anstregung seitens der Briten langfristig scheitern lassen musste. Die Quotenregelung stellte die Weichen für die zukünftige amerikanische Filmpolitik und -praxis nicht nur in Europa – eine späte Rache der Amerikaner am englischen Quota-System, das der amerikanischen Filmwirtschaft erhebliche Profite vorenthalten hatte. 223 6. Die staatlichen Produktionsfirmen 6.1. Listen to Britain: Die G.P.O. / Crown Film Unit Die folgenden Kapitel beschreiben Entstehungsgeschichte, Organisationsstruktur und Politik der staatlichen Film Units, die während des Krieges im Auftrag und als Teil des Minstry of Information Filme produzierten: der Crown Film Unit, in die die einzige vor dem Krieg existierende staatliche Filmproduktionsfirma, die G.P.O. Film Unit, überführt wurde; der Colonial Film Unit, einer kriegsbedingten Einrichtung des Colonial Office, der Crown Film Unit zugeordnet; ein drittes Kapitel beschäftigt sich mit den Film Units der verschiedenen Heeresabteilungen. Ein Mythos geistert durch die Filmgeschichtsschreibung, dass die G.P.O. Film Unit, wie überhaupt die Filmemacher des Documentary Movement, „NichtEingerufen-Worden-Seien“. Ihre Nichtbeschäftigung zu Beginn des Krieges empfanden die Mitglieder des Documentary Movements als Ignoranz gegenüber ihrer Arbeit, eine Einschätzung, die später noch häufig durch Aussagen der Dokumentaristen bekräftigt wurde.1 Doch diese Einschätzung entbehrt der sachlichen Grundlage. Natürlich wussten die Planer der Ministry of Information von der Existenz einer staatlichen Filmproduktionseinheit, hatte doch deren Planungschef Stephen Tallents in seiner Funktion als Leiter des Empire Marketing Boards die erste staatliche Filmproduktionseinheit, die E.M.B. Film Unit ins Leben geru- 1 Nach Paul Rotha waren die Planer des neuen Ministeriums „ ignorant of the fact that there had been an official machine for film-making (the GPO Film Unit) in being without interruption since the EMB film Unit in 1929.“ In: Rotha, Documentary Diary, a.a.O., S. 233 224 fen. Den Dokumentaristen wussten nicht, dass Tallents für die Planungen des Informationsministeriums zuständig war, da die Vorbereitungen der Geheimhaltung unterlagen. Es war für Tallents selbstverständlich, die G.P.O. Film Unit im Falle eines Krieges aktiv zu Propagandaaufgaben heranzuziehen, wie ein Brief vom Oktober 1938 beweist: „I am suggesting in a paper which I am drafting on the subject of Home Publicity (of which you have a copy) that the Post Office Film Unit shouldbe invited to take some thought about ist possible needs and extended activity in time of war.“2 Der designierte Informationsminister musste jedoch seinen Hut nehmen in der Folge der Sudetenlandkrise, welche die Unzulänglichkeiten der Planungen des neuen Ministeriums offenbarte. Die Dokumentarfilmer verloren mit Tallents einen ihrer stärksten Fürsprecher. Tallents Überlegungen, die staatliche G.P.O. Film Unit zu einem integralen Bestandteil der Films Division des Ministeriums zu machen, fanden allerdings auch ohne ihn ihren Niederschlag in der weiteren Planung. Dass sie bei Kriegsbeginn nur zum Teil in die Tat umgesetzt wurden, war eine Entscheidung der verantwortlichen Politiker, die den Propagandaauftrag des Ministeriums eher durch kommerzielle Produktionsfirmen abzudecken gedachten. Das neugeschaffene Ministry of Information sollte von Anfang an die Kontrolle über die G.P.O. Film Unit erhalten. Bereits im August 1939 hatte der Assistant Director General des Post Office diesem Vorschlag der Planer zugestimmt.3 Die Unit blieb nur in bezug auf die Gehälter und der Personalsachbearbeitung unter der Kontrolle des Post Office. Ergebnis des Abkommens4 zwischen 2 Stephen Tallents an H.V. Rhodes, 13.10.1938. PRO, INF 1/56 N.N. an H.V. Rhodes, 24.8.1939. Post Office, P 11692/40 File No. 1 4 Rhodes stimmte dem Plan in einer handschriftlichen Notiz zu. G.E.G. Forbes vom General Post Office schrieb daraufhin am 2.9.1939 einen halboffiziellen Brief an das Finanzministeri3 225 General Post Office und neuem Ministry of Information war, dass das Post Office die „administrative and executive control over the Unit and its work“ behielt. Die Film Unit blieb auch weiterhin seinem Haushalt unterstellt. „[The Ministry of Information] would have first call on its services for the production of films, photographs etc. (...) As regards finance, the simplest plan would be that the Post Office should charge against the vote of the Ministry of Information the whole costs of the Unit‘s working.“5 G.E.G. Forbes von der Public Relations Abteilung des Post Office wurde an die Films Division des Ministry of Information ausgeliehen, wo er die Funktion des Deputy Directors übernahm und zugleich für die „administrative and executive control“ der G.P.O. Film Unit verantwortlich war. Das Ministry of Information musste dem Post Office alle Ausgaben der Film Unit mit Ausnahme von Dienstleistungen für das Post Office erstatten, und sich überdies auch um die jeweilige Finanzautorisation durch die Treasury kümmern. „The Ministry will agree with the Post Office as to the provision to be made in the Post Office estimate in any financial year for the expenditure of the Film Unit and the relative payments by the Ministry.“ Das Ministerium verpflichtete sich weiterhin, dem Post Office monatliche Kostenaufstellungen vorzulegen.6 Zur Verstärkung der Films Division wurde mit A.G. Highet ein weiterer Mitarbeiter des General Post Office an die Films Division ausgeliehen. Im Februar 1940 wurde die Kontrolle der G.P.O. Film Unit, für die bisher Forbes verant- um, in dem das Arrangement bekräftigt wurde. Das Finanzministerium stimmte den Plänen ebenfalls zu (Treasury letter E 37744, 9.10.1939) 5 Darunter fielen Gehälter und Löhne, die Mieten, Materialkosten zur Produktion von Filmen und die Kosten für Unvorhergesehenes. Das Accountant General‘s Department der Treasury war nicht daran interessiert, die Kosten einzelner Filmproduktionen zu erfahren 6 Siehe: Outline of suggested arrangements for the control of expenditure by the Post Office Film Unit on behalf of the Ministry of Information, 25.10.1939. PRO, INF 1/56 226 wortlich war, auch auf Highet ausgedehnt. In Highet personifizierte ssich, wenn auch verspätet, die Ablehnung des Beamtenapparats des Post Office gegenüber den Dokumentaristen, insbesondere John Grierson, der erst drei Jahre zuvor offiziell seine Funktion als G.P.O. Film Officer aufgegeben hatte. Highets Ablehnung der Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit beruhte auf Gegenseitigkeit, Harry Watt nannte ihn einen „aufgeblasenen Schotten“7 Highet machte keinen Hehl daraus, dass er die Finanzierung einer staatlichen Film Unit als unangemessen und für überteuert ansah: „(...) I had acquired considerable knowledge of the practices, prices and qualifications of the production units which had always been attacked by the so-called documentary movement, led by Mr. John Grierson. I found myself being drawn, somewhat unwillingly I admit, to the conclusion that a number of commercial producers could produce perfectly good films at prices strictly comparable with GPO Film Unit costs and with very much less trouble and friction.“8 Seine Animosität gegenüber den Mitarbeitern ging soweit, dass er im Juli 1940 empfahl, die Regisseure Harry Watt, Humprey Jennings und Alberto Cavalcanti aus Kostengründen zu entlassen. Beddington verhinderte jedoch die Unmsetzung dieser Empfehlung. Die Arrangements zwischen Ministry of Information und General Post Office bewährten sich in der Praxis nicht, da die Aufteilung der Verantwortlichkeit für die Film Unit zu umständlichen und komplizierten interministeriellen Vereinba- 7 „(...) a pompous Scot called Highet had been made head of the films division. This meant that the whole film effort of Britain at war, both instructional and propaganda, was controlled by someone whose total creative problems had been bounded by whether to paint the Post Office at Nether Wallop white or pink!“ Harry Watt, Don’t Look at the Camera, a.a.O. S. 127 8 A.G. Highet an Braund, 10.12.1940. POST 33/5555 M11692, zitiert nach: Swann, The British Documentary Film Movement, a.a.O., S. 154 227 rungen führte. Die beiden Ministerien einigten sich daher im Frühjahr 1940 auf ein neues Konzept. Auf Vorschlag von Sir John Reith wurde die Verwaltungs- und Finanzkontrolle über die Film Unit ab dem 1.4.1940 dem Ministry of Information übertragen. Die technische Ausstattung, das Filmarchiv und das Schnittmaterial der Film Library wurden dem Ministerium unter der Bedingung zur Verfügung gestellt, dass die Unit während der Dauer des Krieges intakt bliebe und nach Ende der Kampfhandlungen wieder dem Post Office eingegliedert würde. Die Post Office Communications Film Library im Imperial Institute kam ebenfalls für die Dauer des Krieges unter die Verantwortlichkeit des Ministeriums. Am 19.3.1940 bestand die Film Unit des Post Office aus 18 festangestellten hauptsächlich in der Verwaltung beschäftigten Mitarbeitern9, aus 31 freien Mitarbeitern (unestablished temporary staff), die bei der Filmproduktion und dem Verleih eingesetzt waren10 sowie 24 Mitarbeitern11 der Ealing Studios Ltd., die sich als Sub-Unternehmer (Contractor) für die Film Unit betätigten. 9 Zur den festangestellten Mitarbeiter gehörten der Office Manager, zwei Executive Officers, vier Clerical Officers, ein Zeichner, ein Clerical Officer für die Filmbibliothek, ein Executive Officer des Accountant General‘s Department; ein Production Supervisor (Jack B. Holmes), sieben Sekretärinnen/Arbeiter/Boten 10 Advisory Director/Producer: Alberto Cavalcanti; Directors: Harry Watt, Humphrey Jennings, Charles (C.W.E.) Hasse; Junior Directors: E.A. Craig, Pat Jackson, Ralph Elton, Stuart McAllister; Scenario Writer: Hugh Gray; Display Officer: J. Ferguson; Chief Projectionist: D.M. Robson; Vorführer: J. Evans, W.B. Powell, N. Procopides, C. Wiseman, D.N. Smith, J.W.R. Hill; Studio Projectionist: F.C. Rimell; Photographer: J. Bryson; Cameraman: Frederick F. Gamage; 11 weitere Mitarbeiter (Stills Assistants/Storekeepers/ Stenotypistinnen/Putzfrauen) 11 Studio Manager: J. Auton; Studio Manager‘s Assistant: Miss E. Stedman; Sound Recordist: Ken Cameron; Assistant Sound Recordists: Laurie Lee, J.D. Cooper; Cameramen: Jonah Jones, Henry E. Fowle; Editor: Robert Hamer; Film Editors: Ralph McNaughton, O. Cheatle; Assistant Editor: Geoff Foot; Continuity Girl: Budge Cooper; Negative Cutter: Miss V. Johnson, Miss M. Weston; Director‘s Assistants: W.B. Pollard, Jack D. Chambers, Jack Lee, Julian Spiro, Gordon Hales, Colin G. Taylor, Joe Mendoza; Electrician: F. Brice; Carpenter: R.P. Jacob, E. Pring. Die Lohnkosten der wöchentlich entlohnten Mitarbeiter – im Gegensatz zu den festangestellten, die auch weiterhin vom Post Office bezahlt wurden – , sowie die Lohnkosten des Contractors, und die laufenden Unkosten, wie Reise- und Materialkosten, beliefen sich auf £ 23.400, die das Ministry of Information zu tragen hatte 228 In fast gleichlautenden Briefen von Seiten des Ministry of Information und des General Post Office an die Treasury wurde dieses neue Arrangement festgeschrieben.12 Im April 1940 löste Jack Beddington Kenneth Clark als Direktor der Films Division ab. In den ersten drei Monaten seiner Ägide wurde nicht nur ein neues „Five Minute Film Scheme“ eingeführt, das Beddington und sein Berater Sidney Bernstein mit den Verleihern und Kinobesitzern aushandelten, sondern auch der Non-Theatrical-Verleih und Produktion zum festen Bestandteil der Abteilung gemacht und darüberhinaus die Personal- und Verwaltungsstruktur einer grundlegenden Revision unterworfen. Zur gleichen Zeit wurde die Films Division einer Organisations- und Finanzprüfung durch das Select Committee on National Expenditure unterzogen. Das Committee bemängelte die „relative Unterbeschäftigung“ der G.P.O. Film Unit in den ersten Kriegsmonaten und mahnte sowohl die angekündigte Umorganisierung an wie auch eine neue Form der Buchführung, die einen echten Kostenvergleich mit kommerziellen Produktionsfirmen ermöglichen sollte.13 Bereits im Juni (oder Anfang Juli) lag ein in Beddingtons Auftrag von Stanley Fletcher, einem Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit, erstelltes Diskussionspapier vor, das sich mit der Umstrukturierung und dem zukünftigen Programm der G.P.O. Film Unit beschäftigte.14 Fletchers Memorandum ging die Umorgani- 12 Kenneth Clark an The Secretary, Treasury, 1.3.1940. Post Office, P 11692/40, File No. 1, G.P.O. Film Unit; T.H. Boyd an The Secretary, H.M.Treasury, 19.3.1940. Post Office, P 11692/1940, File No. 2 13 Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 9. Die durchschnittlichen Produktionskosten für eine Rolle Film, einschließlich aller Unkosten, beliefen sich für die sieben Filme, die bis zum 30.6.1940 von der Film Unit produziert wurden, auf £ 1.667 im Gegensatz zu £ 1.350 pro Rolle Film von Produktionen, die von Fremdfirmen durchgeführt wurden. Die vergleichbaren Meterpreise (i.e.foot) lagen bei £ 2 4s 11d zu £ 2 6s 6d. Das Select Committee akzeptierte die höheren Kosten der Film Unit, die durch die besondere Produktionsform der Unit herrührten 14 Stanley Fletcher, G.P.O. Film Unit Reorganisation. Memorandum for discussion, 29.7.1940. PRO INF 1/57 229 sierung noch zaghaft an. Der „entertainment short“, dessen Inhalt „box-office appeal“ haben musste, sollte der vorherrschende Typ von Dokumentarfilm für die Unit sein. Auch die Möglichkeit, Spielfilme zu produzieren, wurde in Erwägung gezogen. Technisch war die Unit dazu in der Lage, doch bezweifelte Fletcher, ob der Zeitpunkt politisch opportun war. Das aus den frühen Tagen der G.P.O. übernommene System der Trennung von Kontrolle und Verantwortung sollte sich ändern. Auf dem Papier waren Alberto Cavalcanti als Advisory Director, Jack Holmes als Production Supervisor und Harry Watt als First Director angestellt, de facto arbeiteten aber Holmes und Watt als Regisseure mit Cavalcanti als Produzent. Der Office Manager hatte entgegen seinem Titel die „final lay vetting responsibility“ für die Arbeit der gesamten Unit und fungierte als Verbindungsmann gegenüber dem Controller. Der Vorschlag für eine Neustrukturierung betraf in erster Linie die Person Alberto Cavalcantis,15 dem Produzenten der Film Unit. Man versuchte eine Organisationsstruktur zu konstruieren, die es Cavalcanti als Ausländer auch weiterhin ermöglichen sollte, mit offizieller britischer Filmpropaganda betraut zu sein, da man seine Qualitäten zu schätzen wusste. „Mr Cavalcanti is without doubt the best Producer in the country and it is vital that the Film Unit should continue to have use of his services.“16 Für die Geschäftsführung (lay control) der Film Unit wurde der Status Quo sanktioniert, indem der Stellvertretende Direktor der Films Division für diese Funktion vorgeschlagen wurde; die Verantwortlichkeit des Produzenten dage- 15 Der aus der Filmindustrie kommende Brasilianer Alberto Cavalcanti wurde nach dem Weggang von Grierson Supervising Producer der G.P.O. Film Unit 16 So Stanley Flechter, Office Manager der Crown Film Unit. Memorandum, 26.7.1940. PRO, INF 1/57 230 gen wurde neu definiert und in diesem Zuge auch die Schaffung der Position eines Studio-Managers empfohlen.17 Weiteres Personal, wie Regisseure bzw. Techniker, sollten hingegen nur für größere, aus dem Rahmen fallender Produktionen angestellt werden. Empfohlen wurde auch die Zusammenführung der Studio- (in Blackheath) mit der Verwaltungsseite (Soho Square) an einem neuen Ort. Man erwog zudem die Möglichkeit eines Umzugs in die Ealing Studios, mit denen bereits seit langem ein Vertrag über die Bereitstellung von technischem Personal und anderer Dienste bestand. „Admittedly this has never worked in practice but it might form the basis on which a more satisfactory arrangement could be built.“18 Beddington hatte überlegt, ob er Michael Balcon, einem der Direktoren der Ealing Studios, die Leitung der Unit anbieten sollte.19 Erste informelle Gespräche zwischen Fletcher und Balcon über die Zukunft der G.P.O. Film Unit versuchten den Boden zu klären. Balcon wollte sein Engagement für die Film Unit dabei vor allem als Geste gegenüber Cavalcanti verstanden wissen. „As you know, I have had a preliminary conversation with Fletcher with regard to the G.P.O. Unit. The decision about this matter is, of course, in your hands, but assuming that we shall be called upon to do something about it, Cavalcanti and I have been discussing a programme. The programme divides itself up into several headings: (a) the feature films produced for the standard Ealing programme (b) any films we may be called upon to make for the Ministry of Information (c) the G.P.O. films.“20 17 „If only on account of his [i.e. Cavalcantis] outstanding artistic abilities, however, he is not a great organiser, and studio organisation should no longer be his responsibility. He should work only in the production capacity in which he is irreplacable (...).“ In: G.P.O. Film Unit Reorganisation, a.a.O. 18 G.P.O. Film Unit Reorganisation, a.a.O. 19 „You will remember no doubt that it was your suggestion I should take over the G.P.O. Unit and not mine.“ Brief von Michael Balcon an Jack Beddington, 6.8.1940. PRO, INF 1/57 20 Michael Balcon an Jack Beddington, 1.8.1940. PRO, INF 1/57 231 Als „formula“ für die Weiterbeschäftigung von Cavalcanti wollte Balcon die Film Unit seinen Ealing Studios eingliedern, wo sie weiterhin unter der Verantwortung von Calvalcanti als Produzent ihre Filme drehen sollte. Hinter den Ideen Balcons zur Übernahme der G.P.O. Film Unit stand ein starkes Eigeninteresse des Leiters der Ealing Studios. Seine Vorschläge lehnte Beddington zu recht ab. Michael Balcons Versuch, die G.P.O. Film Unit zu übernehmen, hatte die Kündigung Cavalcantis zu Folge, die sich bereits einige Monate vorher angedeutet hatte. Cavalcanti ging konsequenterweise als Produzent zu den Ealing Studios. Zwischen der Films Division und den Ealing Studios herrschten erstmals frostige Beziehungen. Auf Empfehlung der G.P.O. Film Unit wurde Ian Dalrymple am 12.8.1940 Cavalcantis Nachfolger als ‚Producer in charge of the G.P.O. Film Unit‘.21 Mit dem Wissen, dass die Unit aufgelöst werden könnte, trat Dalrymple die Stelle an. Mit ihm kam eine Persönlichkeit an die Spitze der Film Unit, die die zukünftige Crown Film Unit zum entscheidenden Machtfaktor innerhalb der staatlichen Produktionssphäre machen sollte. Ian Dalrymple22 war das ideale Bindeglied zwischen kommerziellem Kino und Dokumentarfilm, das für das ‚Crown-Projekt‘ von entscheidender Bedeutung 21 Siehe: Brief von Fletcher an Beddington, 5.8.1940. PRO, INF 1/57 Ian Dalrymple (26.8.1903 – 28.4.1989) wurde in Südafrika geboren, mit neun Jahren Übersiedlung nach England. Public School Erziehung (Rugby College) und Cambridge (Trinity College). Dank Ivor Montagu und Adrian Brunel 1927 Einstieg ins Filmbusiness. Dalrymple wurde von Montagu und Brunel als Mitarbeiter in der Film Editing Abteilung ihrer Firma eingesetzt, die ausländische Filme für den britischen Markt umschnitten und mit neuen Zwischentiteln versahen. Später arbeitete er bei den Gainsborough Pictures als Zwischentitler und Assistant Editor. Unter Michael Balcon war Dalrymple Leiter der Schnittabteilung von Gaumont-British beschäftigt, wo er u.a. The Calendar, The Ringer, Sunshine Susie, I was a Spy, Evergreen, Jew Suss und The Man Who Knew too much als Supervising Editor betreute. 1935 wurde Dalrymple Drehbuchautor und ging zu Victor Saville nach Denham, wo er u.a. an South Riding und Storm in a Teacup (hier führte er auch Co-Regie) arbeitete; und für The Citadel das Drehbuch schrieb. Als Drehbuchautor und Associate Producer war Dalrymple an Alexander Kordas The Lion Has Wings, dem ersten Propagandafilm des Krieges beteiligt. Dalrymple verließ die Crown Film Unit 1943 und gründete eine eigene Produktionsfirma, Wessex, die nach dem Krieg neben Filmen für Rank auch die beiden letzten Filme von Humphrey Jennings produzierte. Mit The Wooden Horse von Jack Lee, ebenfalls Regisseur 22 232 werden sollte. Als Drehbuchautor von The Citadel hatte Dalrymple „fresh location passages (and a degree of radicalism)“ [Charles Barr] in klassisch konstruierte Filmscripts eingebracht und als Autor von Kordas The Lion Has Wings konstruierte er immerhin einen Hybrid, der ‚dokumentarische‘ Wahrheit mit ‚fiktionaler‘ Identifikation in Einklang zu bringen versuchte. Dieses Konzept deckte sich mit den Vorstellungen der Senior Members der G.P.O. Film Unit. Die Wahl von Dalrymple war somit auch eine Entscheidung für eine spezifische Filmform. Und mit Humphrey Jennings, Jack Lee und Pat Jackson fand Dalrymple die Regisseure, die diese Idee in ihren Dokumentar-Dramen auch umsetzen konnten. Unter Dalrymple sollte die Crown Film Unit die Form des narrativen Dokumentarfilms zu ihrem unverwechselbaren Gütezeichen entwickeln, der sich sowohl von kommerziellen Spielfilmen unterschied wie auch von den Filmen anderer Dokumentarfilmer. In der G.P.O Film Unit hatte diese Filmform bereits Tradition. Mit Cavalcanti als Produzent hatte Harry Watt 1938 North Sea gedreht, den die Planer des Ministry of Information bereits als Modell zukünftiger Filme des Ministeriums heranzogen. Weitere narrative Dokumentarfilme sollten folgen, wie Men of the Lightship, ebenfalls von Cavalcanti produziert, und die spielfilmlangen Dokumentar-Dramen Coastal Command, Target for Tonight, Close Quarters, Fires Were Started, The Silent Village, Western Approaches, deren locations sich in Teilen bereits ins Studio verlagert hatten. Alle Dokumentar-Dramen der Crown Film Unit kennzeichneten bestimmte Charakteristika. Kein Film kam mehr ohne Drehbuch aus; aber dennoch gab es keine professionellen Schauspieler, gedreht wurde mit „wirklichen“ Menschen, real people, die ihr Leben verkörperten. Die Filme waren karg, ihre der Crown Film Unit, landete Dalrymple einen Publikumserfolg. Bei ihm debütierte Dirk Bogarde als Filmschauspieler, und Stanley Baker verdankt Dalrymple die erste Hauptrolle 233 Geschichten gradlinig, fast beobachtend erzählt; aufgrund erzählerischer Sparsamkeit wurde auf romantische und sentimentale Szenen verzichtet. Eine Kritik der Times zu Close Quarters, zitiert nach Chapman, bringt es auf den Punkt: „[Close Quarters] was made by the Crown Film Unit, which is another way of saying that it states an heroic case without indulging in heroics and presents the men through the plain, objective mirror of reporting rather than the distorting lens of fiction.“23 Dalrymple konnte nicht nur inhaltlich das Konzept der Dokumentar-Dramen zum wesentlichen Bestandteil der Arbeit der Film Unit machen, sondern auch die materielle Basis der Film Unit stabilisieren und ausbauen. Er vergrößerte den Personalbestand und die Finanzausstattung der Film Unit und kämpfte erfolgreich für eine bessere Bezahlung seiner Mitarbeiter. Seinen Regisseuren und Mitarbeitern ließ Dalrymple große künstlerische Freiheit und mischte sich selten in ihre Arbeit ein. „I didn‘t think that was my job at all because (a) all these boys knew their kind of work much better than I did and (b) a lot of films had to be organised and somebody had to be at base. Somebody had to do that.“24 Auch hielt er „the London end“, wie er es nannte, auf nützliche Distanz zu seinem Produktionsteam. „So part of my job was really to protect these people from being harassed from the London end (who, quite rightly, wanted to see a little end product).“25 Als Produzent verstand sich Dalrymple nicht als Kontrolleur, der den Fortgang der Dreharbeiten zu überwachen hatte. Seine Aufgabe sah er vielmehr darin, 23 The Times, 15.10.1942, S. 6 Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 131 25 Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 143 24 234 Anregungen und Anstöße zu geben, seine Regisseure zu motivieren und ihnen den Rücken freizuhalten. „I was producer, but I was really, in my view, merely running the show. I saw rushes, of course; I saw the film as it was gradually cut, but I kept muffled down as long as I thought things were going fine.“26 Er genoss dabei die Rückendeckung von Beddington und Bernstein, sehr zum Missfallen von Harry Watt, der wegen Dalrymple von der Crown Film Unit zu den Ealing Studios überwechselte.27 Ende 1941 leitete Dalrymple eine Diskussionsveranstaltung über „The Documentary Film“ mit den Crown Film Unit Regisseuren Humphrey Jennings und J.B. Holmes vor der British Kinematograph Society. J.B. Holmes, der im Juni 1943 Nachfolger von Dalrymple werden sollte, beschrieb die Funktion eines Dokumentarfilmproduzenten, die Dalrymple auch als die seine akzeptierte: „A point that is axiomatic is that in documentary films the director must write his own script. (...) That is the first thing a producer can do for me – he can shape and guide my script when I am buried in it. Then there is the normal producer‘s work of looking at the rushes and saying, you must shoot that again. There is also the very important function of the producer: to act as a kind of buffer between the director who is making the film and the sponsors or propaganda experts who all the time are telling him how to make it, when scenes to put in and what to leave out. Finally, you get to the stage where you get your rough cut; the director knows so well what each shot means, that he tends to see too much in any given sequence (...). The producer must tell him where he is going wrong, and if necessary re-shape the thing, and see how it can be really put across to an audience. (...) He must have the vision to see the heart of a film, to understand the people in the film, and to see what they are trying to get at.“28 26 Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 131 Harry Watts Einschätzung von Dalrymple war nicht schmeichelhaft, „I found our new producer, Ian Dalrymple, cold, distant, and generally discouraging – to me at any rate.“ Watt, Don‘t Look at the Camera, a.a.O., S. 183 28 Humphrey Jennings/J.B. Holmes/Ian Dalrymple, The Documentary Film, in: The Journal of the British Kinematograph Society, Vol. 4, No. 4, October 1941, S. 140 27 235 Dalrymples Entscheidungsspielraum war noch größer. So konnte er in alleiniger Verantwortung für bestimmte Filmprojekte Regisseure auswählen, denen er sich besonders verpflichtet fühlte, wie etwa Jack Lee und Humphrey Jennings, der zweieinhalb Jahre als Untermieter bei den Dalrymples wohnte. Die Wahl des erst sechsundzwanzigjährigen Pat Jackson zum Regisseur des aufwendigsten und teuersten Films der Crown Film Unit, Western Approaches, war Dalrymples alleinige Entscheidung. In einigen Fällen behielt sich Dalrymple auch die Abschluss-Tonmischung von Filmen vor, die er als Produzent zu verantworten hatte, so z.B. bei Target for Tonight, „as producer of course, I did mix.“29 Die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Crown Film Unit ähnelten denen der Produktionsabteilung der Films Division. War Arthur Elton als Supervising Producer lediglich Beddington und Bernstein verantwortlich, so war es Dalrymple wiederum nur diesen beiden gegenüber. Beddington und Bernstein machten von ihrem Weisungsrecht gegenüber der Crown Film Unit nur selten Gebrauch. Der Kontakt zwischen der Crown Film Unit und der Films Division beschränkte sich auf wenige Personen vor allem auf der Produzenten- und Leiterebene. Mit Eric Hodson besaß die Crown Film Unit in der Films Division einen London Contact Officer. Ein ehemaliger Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit aus Vorkriegstagen, Stanley Fletcher, blieb lange Jahre Liaison Officer innerhalb der Films Division und trug maßgeblich dazu bei, administrative Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit beider Abteilungen aus dem Weg zu räumen.30 In Konfliktfällen stand er natürlich auf Seiten der alten G.P.O. Film Unit. 29 Dalrymple an Bernstein, 7.8.1941. PRO, INF 1/210 „There was one particular man called S.J. Fletcher, who was our real contact in the ministry, and he was always fighting for us. He‘d been with the GPO film unit, and he was quite 30 236 Doch Dalrymples Anstellung im August 1940 geschah unter dem Vorbehalt, „that the Film Unit is at present under investiagtion and that the appointment must be subject to any decision which may be reached as a result.“31 Nicht nur Dalrymples sondern die Zukunft der gesamten Unit standen auf dem Prüfstein. Die Arbeit der Film Unit unterlag sowohl einer externen Prüfung durch das Select Committee on National Expenditure, wie auch einer internen Organisationsprüfung durch Frank Pick, Director General des Ministry of Information.32 Beddington wollte darüber hinaus eine unabhängige Organisationsprüfung der Film Unit. Er einigte sich mit Fletcher auf H.G. Boxall, einem Director der Denham Laboratories und ehemaligen Aufnahmeleiter (Production Manager) von Gaumont-British. Die Beauftragung der Organisationsprüfung wurde abgesegnet unter der Maßgabe, sich an die Ergebnisse und Empfehlungen des Experten zu halten. Das Policy Committee stimmte den Empfehlungen zu, bevor diese als O.E.P.E.C. Paper veröffentlicht und von der Treasury akzeptiert wurden.33 „It is necessary to maintain the G.P.O. Film Unit under the control of the Ministry to meet the increasing demands for direct production of films for the purposes of the Ministry’s film propaganda, due to the present difficulties of the film industry.“34 marvellous.“ So Dalrymple, in: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 143 31 D.B. Woodburn an Ian Dalrymple, 13.8.1940. PRO, INF 1/57 32 „It may be necessary to reconsider the whole question of keeping the GPO Film Unit in being either as a result of the Director-General’s review or in the event of an adverse report by the Select Committee.“ Bamford an Beddington, 13.8.1940. PRO, INF 1/57 33 Reorganisation of the G.P.O. Film Unit, O.E.P.E.C. Paper No. 583, 26.11.1940, einschließlich einer Note of Discussion with The Treasury on 28/11/40 of O.E.P.E.C. Paper No. 583. Post Office, P 11692/1940, File No. 4 34 Policy Committee, Note of a meeting held on 11th November to discuss the G.P.O. Film Unit, 14.11.1940. PRO, INF 1/849. Das Papier ist von F.P. [Frank Pick] unterzeichnet. Die Teilnehmer – neben Pick – waren Bamford, Beddington, Bernstein, Mercier 237 Die neue Film Unit, die das Signet der G.P.O. Film Unit im Titel beibehielt, sollte unter dem Titel „Crown Films“ firmieren. Man einigte sich später auf Vorschlag von Dalrymple auf „Crown Film Unit“.35 In den Empfehlungen des O.E.P.E.C. Papiers wurde die Arbeit der Film Unit klar definiert. Die Unit hatte sich ab sofort ausschließlich um die Produktion von Filmen zu kümmern. Produktionsfremde Aktivitäten, wie Standphotographie und der nichtkommerzielle Verleih, verteilte man auf andere Abteilungen des Ministeriums. Die gesamte Unit wurde vollständig dem Ministerium unterstellt, und die Stellen des Produzenten, der Production- und Business Manager und die Verwaltungsabteilung der Films Division eingegliedert. Ebenso hob man die von Grierson eingeführte Trennung zwischen Mitarbeitern, die ein kommerzieller Subunternehmer entlohnte und solchen, die Angestellte staatlicher Stellen waren, auf. Die technischen Mitarbeiter (Regisseur, Regieassistent, Kameramann mit Assistent) fasste man zu Produktionseinheiten zusammen.36 Das Arbeitsprogramm der Unit umriss man nur vage. Es schloss Filme ein, die im Studio produziert werden sollten, „as well as films of a strictly documentary type“.37 Die Anzahl der zu produzierenden Filme wurde ebenso vorgegeben wie die durchschnittliche Länge eines Films. Das Gesamtbudget der Film Unit belief sich auf £ 120.000.38 35 Ian Dalrymple, Memorandum, 14.10.1940. PRO, INF 1/81 Darüber hinaus bestand das Personal aus einer Sound Recording Unit aus drei Personen, aus der mit zwei Personen besetzten Colonial Film Unit, drei Filmarchivaren für die Film Library, einem Art Director, zwei Schnittmeistern samt Assistenten und weitere Mitarbeitern 37 Dabei sollte die Crown Film Unit nicht mehr als 25 (= 40,000 Fuß) und nicht weniger als 15 Filme (= 24,000 Fuß) jährlich selbst produzieren. Die Länge der Filme war auf 3,000 Fuß begrenzt. Es sollten nicht mehr als 78 Filme (oder 75,400 Fuß) produziert werden, entweder durch die eigene Unit oder durch Fremdfirmen. Wochenschauen, Spielfilme und die fremdsprachliche Synchronisation von Kurzfilmen waren davon ausgenommen 38 Das waren Kosten für 26 Dokumentarfilme und Filme für den nichtkommerziellen Verleih à £ 1.500 für £ 48.740 (einschließlich 25% für Unvorhergesehenes) und 52 Five-Minute-films à £ 750 für £ 58.500 (einschließlich 50% für Unvorhergesehenes) 36 238 Eine der wichtigsten Empfehlungen war der Umzug in moderne Studios. Verhandlungen mit den D.&P.-Studios waren bereits begonnen. Verwaltungs-, Verfahrens- und Personalfragen mussten noch detailliert abgeklärt wurden.39 Im April 1941 waren alle in O.E.P.E.C. Paper No. 583 autorisierten Veränderungen in die Praxis umgesetzt. Durch den Weggang von Frank Pick als Director General des Ministeriums im Dezember 1940 und mit Walter Monckton als neuem Director General änderte sich auch die Politik des Ministry of Information im Hinblick auf den Einsatz der Film Unit. Pick wollte die Unit so wenig wie möglich einsetzen und Produktionsaufträge vornehmlich an kommerzielle Firmen vergeben.40 Unter Walter Monckton änderte sich die Situation radikal. Monckton ließ der Unit sogar die Möglichkeit, bei Bedarf weitere Mitarbeiter anzustellen und zusätzlich zu den autorisierten drei Produktionsgruppen weitere Gruppen zu bilden. Zeitweise arbeiteten bis zu sechs Production Units, die die Lohnkosten des technischen 39 Um die Beschlüsse des O.E.P.E.C. Papers umzusetzen, wurden in den folgenden drei Monaten eine Reihe von Sitzungen mit betroffenen Abteilungen des Ministeriums (wie Establishment-, Finance-, Films-Division) und des General Post Office anberaumt. Siehe: Notes on a meeting held in room 136 on Wednesday 4th December, 1940, to discuss points arising in connection with the reorganisation of the G.P.O. Film Unit (O.E.P.E.C. Paper No. 583). PRO, INF 1/126. Notes of a meeting held on Thursday, 16th January, 1941 to discuss staff matters in connection with the Crown Film Unit. PRO, INF 1/81. Notes of a meeting held at the Ministry of Information on Monday, 3rd February, 1941, to discuss details in connection with the transfer of the G.P.O. Film Unit to the Ministry of Information. PRO, INF 1/81. Es wurden Fragen behandelt, wie die Anstellung eines Film Accountant und eines Commercial Manager; man legte das Procedere fest, wie der Contractor Staff gekündigt und sie gleichzeitig wieder neu angestellt werden könnte; Vergütungen für Mitarbeiter bedingt durch den Umzug nach Denham kamen zur Sprache, ebenso wie die Behandlung von Überstunden, Gehaltserhöhungen (Jennings wöchentlicher Lohn wurde von £ 8 auf £ 12 erhöht), und Urlaubsanspruch (es wurde die Praxis der Post Office-Zeit aufrechterhalten, bei der der Produzent Urlaub von Maximum zwei Wochen jährlich gewährte). Es wurde festgelegt, dass mit Beginn des neuen Finanzjahrs im April 1941 auch die Overheads der Film Unit als Produktionskosten zu berücksichtigen waren 40 „Mr. Bamford mentioned a change in policy since Mr. Pick left the Ministry: his idea had been that the unit should be used as little as possible, production work being given to commercial firms on contract.“ In: Notes of a meeting held in Mr. Bamford‘s room in Friday, 28th March, 1941, to discuss further [Wort nicht leserlich, J.B.] arrangements of the Crown Film Unit. PRO, INF 1/81 239 Stabes um fast ein Drittel erhöhten. Um diese Mehrausgaben zu rechtfertigen, wurde Qualitätsauftrag des Ministeriums als Kriterium herangezogen. „The rate of expenditure which has been provided will not be adequate for the programme which is now in contemplation. The unit (...) has proved to be well suited to produce films for commercial distribution in the Americas. (...) The successful production of this film [i.e. London can take it, J.B.] is considered to have been due on part to qualities which the official unit alone possesses. The Ministry is most anxious to develop the possibilities which exist of producing such films. The audiences which they are designed to reach are accustomed to the technical standards attained by the best feature films, and it is considered essential that those standards of quality should be approached as nearly as possible.“41 Das Overseas and Emergency Publicity Expenditure Committee autorisierte rückwirkend die erhöhten Ausgaben der Film Unit.42 Die Crown Film Unit hatte gegenüber den privaten Dokumentarfilmfirmen immer einen privilegierten Status. Die technische Ausstattung, die Nutzung der Pinewood Studios und die Freiheit bei der Themenwahl ließen viele Dokumentarfilmer neidisch auf diese „luxury unit“ (Watt) blicken, die sich immer mehr zu einem kleinen kommerziellen Studio gemausert hatte. Kommerzielle Filmproduzenten sahen in der Film Unit darüber hinaus eine unliebsame und unfaire Konkurrenz, die mit staatlicher Unterstützung kommerziell erfolgreiche Filme produzierte, die dadurch ihren eigenen Produktionen Profitchancen 41 Dieser Schritt war notwenig geworden, da die Film Unit heftige Kritik seitens der Establishment Division einstecken musste. Für die Einstellung der zusätzlichen Arbeitskräfte war, entgegen den Gepflogenheiten des Beamtenapparates, keine vorherige Genehmigung eingeholt worden. In dem Papier wurde zusätzlich zu den Kosten für weitere Produktionsgruppen Finanzautorisation ersucht für zusätzliche Mitarbeiter der neuen Colonial Film Unit; für eine zweite Toncrew, für die Ausweitung des Mitarbeiterstabes der Film Library und einer Erhöhung der Materialkosten. Crown Film Unit. O.E.P.E.C. Paper No. 778, 22.4.1941, PRO, INF 1/81 42 Gegenüber dem autorisierten Kostenrahmen von £ 42.500 wurde eine Erhöhung auf £ 61.200 genehmigt. Siehe: Extract from Minutes of O.E.P.E.C. Meeting, 8.10.1941, Paper No. 983. PRO, INF 1/81. Die Fortschreibung des Haushaltsansatzes von £ 62.000 wurde bis zum 30.11.1942 in Appendix A des O.E.P.E.C. Paper No. 1048 autorisiert 240 verbaute. Gerade wegen der teuren Produktionsausstattung und Kosten der Filme gab es auch interministeriell häufiger Erklärungsbedarf.43 Der Unterschied zum Gros der Filme, die von unabhängigen Produktionsfirmen im Auftrag des Ministeriums erstellt wurden, war erheblich. Deshalb überrascht es auch nicht, dass von den fast 90 Crown Film Unit-Produktionen 26 in den kommerziellen Verleih kamen. 44 Die Crown Film Unit produzierte 43 „The essential reason is that the more important of our films – which means a very large for those designed for commercial distribution both at home and abroad – we need high quality, and we are convinced that films of the required quality are made more economically by the Unit than by contractors. The documentary companies who produce our cheaper films do not reach the same standard. The feature companies are capable of doing so, but only at much greater costs than those of the Unit.“ Bamford an J.P. Harvey, 22.9.1941. PRO, INF 1/81 44 1939: Do it Now (9/39, T); The First Days (11/39, T). 1940: The City (1/40); Squadron 992 (6/40, T); Britain at Bay (8/40, 5-M); Musical Poster No. 1 (7/40, T); Men of the Lightship (8/40, T); The Front Line (10/40, 5-M); Britain Can Take It (10/40, 5-M, London Can Take It, Ov); War and Order (10/40, NT); Spring Offensive (10/40, NT, Unrecorded Victory 1/41, T); Health in War (11/40, NT); Welfare of the Workers (11/40, NT); Story of an Air Communiqué (11/40, 5-M); The Islanders (1940); Oh, Whiskers! (1940). 1941: Christmas Under Fire (1/41, 5-M); Heart of Britain (2/41, 5-M); India Marches! (3/41, 5M); Words for Battle (4/41, 5-M); Ordinary People (5/41, Ov); Merchant Seamen (6/41, T); Target for Tonight (8/41, T, Air Operations 2/42, NT); The Pilot is safe (9/41, 5-M); Venture, Adventure (11/41, 5-M); Trailer: Stop That Fire! (3/41). 1942: A Tale of Two Cities (2/42, 5-M); Ferry Pilot (2/42, T); Wavell‘s 30.000 (3/42, T); Builders (3/42, 5-M); Listen to Britain (4/42, T); America Moves Up! (6/42, Ov.); The Day That Saved the World (8/42, 5-M); Atlantic Charter (10/42, NT); Coastal Command (11/42, T); United Nations Day (1942); Soviet Embassy Ceremony. 1943: Malta G.C. (1/43, T); We Sail at Midnight (2/43, T); A Letter From Ulster (2/43, T); Fires Were Started (4/43, T); Close Quarters (7/43, T, Up Periscope, NT); Before the Raid (9/43, T); The Silent Village (9/43, T); Workers Weekend (10/43, 15-M); Come Again (10/43, Ov); Prisoners‘ of War Depot (Fertiggestellt aber nicht aufgeführt); Rediscovery of Britain ? Trailers: Get the Coke Habit; Tell me, Where is Fancy Bread? 1944: South Africa (Know the Commonwealth Series No. 1) (1/44, NT); New Zealand (Know the Commonwealth Series No. 2) (3/44, NT); The True Story of Lili Marlene (8/44, T); By Sea and Land (9/44, 15-M); Western Approaches (11/44, T); V 1 (11/44, Ov); Transatlantic Airport (12/44, 15-M); Trailers: Kitchen Nuts; Proceed according to Plan; Thank You Housewifes; That‘s the Stuff to Give ‘em!; Your Perishing Rubber. 1945: The Eighty Days (1/45, NT, V 1, T); The Eighth Plague (2/45, NT); Killing Farm Rats (3/45, NT); Children‘s Charter (3/45, NT); Southern Rhodesia (Know the Commonwealth Series) (5/45, NT); The Broad Fourteens (8/45, T); Farm Work (9/45, NT); This Was Japan (9/45, 15-M); Channel Islands (10/45, 15-M); Partners (Know the Commonwealth Series No. 4) (11/45, NT; Johnny Gurkha (12/45, NT); A Diary For Timothy (1945, T); Unrelenting Struggle (1945, Ov.); Patients Are In (1945, Ov.). Trailers: Don‘t Touch; Gas About Fuel; Land Girls for Scotland; A Light to Remember; When Winter Comes. 1946: Jungle Mariners (1/46, T); A Defeated People (1946, T); It Might be You (1/46, T); The Way From Germany (1946) 241 auch knapp 20 Filme für das Five- und Fifteen-Minute-Programm und 15 für das Non-Theatrical-Programm, doch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit konzentrierte sich hauptsächlich auf ihre dokumentarischen Spielfilme. Es war nur folgerichtig, dass die von Beddington intendierte und von der Treasury abgesegnete Unterstützung der Crown Film Unit eine weitere Ausweitung der Produktionsaktivitäten nach sich ziehen musste. Der Umzug der Crown Film Unit von Denham nach Pinewood im März 1942 markierte den Höhepunkt in der Geschichte der Crown Film Unit. Die requirierten Pinewood Studios gehörten zu den neuesten und bestausgerüsteten Studios in Großbritannien. Hinter der Entscheidung nach Pinewood zu gehen, stand der Wunsch, alle staatlichen Filmproduktionseinheiten, neben der Crown Film Unit die Army Film Unit und die R.A.F. Film Unit, unter einem Dach zu vereinen. Auch wenn die beiden Service Units ihre Aufträge von der Films Division erhielten, in deren Haushalt auch die Produktionskosten angesiedelt waren, waren sie dennoch dem War Office bzw. dem Air Ministry unterstellt. Die technischen Möglichkeiten der Studios sollten gemeinsam genutzt und die Erfahrung der größten Produktionseinheit45, der Crown Film Unit, bei den Produktionsaktivitäten der Service Units miteingebracht werden. Ian Dalrymple wurde zum Honorary Producer der neuen Service Units berufen. Dalrymple legte bereits im März 1942 Vorschläge für eine erneute Umorganisation der Crown Film Unit vor, die den neuen Örtlichkeiten und den damit 45 Zum 31.3.1943 beschäftigte die Crown Film Unit 225 Mitarbeiter, wobei knapp 100 festangestellte Produktions- und Verwaltungsmitarbeiter waren und der Rest auf Stundenbasis entlöhntes Studiopersonal, darunter Mitarbeiter für die Ausstattung, die Bauten, die Beleuchtung, für Transportarbeiten, Elektriker, Modellbauer, Reinigungspersonal 242 veränderten Aufgabenstellungen Rechnung tragen sollte. Seine Pläne46 für die Personalstruktur der Produktionsgruppen – im Gegensatz zu den festen Studiomitarbeitern – sahen wie folgt aus: Er unterschied vier Klassen von Filmen, die mit unterschiedlichem Produktionspersonal exekutiert werden sollten. Unter „Class I“-Filmen verstand er „Feature Calibre Factual Films“, mit einer Länge von 3,100 bis 6,000 Fuß (darunter fielen Produktionen wie Coastal Command, Fires Were Started und Western Approaches), die mit einem Stab von 13 Personen auskommen sollten.47 Unter „Class II“-Filme fielen die dokumentarischen Five-Minute Filme und Dokumentarfilme von bis zu 2 Rollen Länge, die von einer sechsköpfigen Crew produziert werden konnten. Unter „Class III“-Filmen verstand er „5-Minuters and shorts of Studio type“, die mit dem selben Personal wie die Class I Filme auskommen mussten, aber wesentlich kürzere Produktionszeiten hatten. Als vierte Gruppe von Filmen betrachtete er Koproduktionen mit den offiziellen Filmabteilungen der Alliierten, „as soon as a proper scheme for coordinated propaganda for the Cause has been worked out on a higher level.“ Alle Produktionsgruppen hatten Zugriff auf die allgemeinen Serviceleistungen des Studios, wie „Producer‘s Office, Production Manager‘s Office, Art Department, Scenario Department, Library“. „We must be equipped with personnel and apparatus to (i) Achieve our immediately scheduled programme. 46 Crown Film Unit, Production Staff Reorganisation, 10.3.1942. Ian Dalrymple an Beddington und an Fletcher [der zur Establishment Division gewechselt war, J.B.]. PRO, INF 1/462/A426/1C 47 Regisseur, Aufnahmeleiter, Regieassistenz, Continuity, jeweils drei Leute für Kamera und Toncrew und drei Mitarbeitern für den Schnitt 243 (ii) Be able to undertake films calculated to ventilate specific problems at short notice (...) (iii) Cope with M.o.I. requirements in Studio-type films: (iv) Collaborate and provide facilities for whatever American or even Russian Units may, as the unity of our Cause comes to be digested, be drafted to this country.“48 Um die von ihm beschriebenen Aufgaben erfüllen zu können, forderte Dalrymple eine Aufstockung des Produktionspersonals. Zwei entscheidende Veränderungen betrafen die personelle Erweiterung des „Producer‘s Office“ und die Einsetzung eines „Scenario Department“.49 Beiden Empfehlungen wurden entsprochen. Dalrymple befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, als er sich auf die Produktion von Western Approaches einließ, der aufwendigsten „wartime wedding“ von Spiel- und Dokumentarfilm. Die Schwierigkeiten bei Western Approaches, dem teuersten Film der Crown Film Unit, kosteten die Film Unit beinahe die Existenz, mit Sicherheit aber hatten sie Auswirkungen auf Dalrymples Entscheidung, als Produzent der Crown Film Unit im März 1943 zurückzutreten. Durch die ungeheure Verteuerung der Produktion, die einen kommerziellen Erfolg unbedingt notwendig machte, hatten mehrere Abteilungen des Ministry of Information kalte Füße bekommen. Um den möglichen Schaden politisch in Grenzen zu halten und die Verantwortung auf viele 48 Crown Film Unit, Production Staff Reorganisation, 10.3.1942, S. 2 Um dem gestiegenen Arbeitsaufwand durch die Liaison mit den neuen „Service Units“ gewachsen zu sein, schlug er zwei neue Stellen von Associate Producers vor, die er mit J.B. Holmes und John Monck zu besetzen wünschte. Die Einrichtung eines aus drei Personen bestehenden „Scenario Departments“ hielt er für unerlässlich. Normalerweise schrieben seine Regisseure ihr eigenes Drehbuch, aber für Recherchenarbeiten und Ausarbeitung von Drehbuchteilen hielt er die neuen Positionen für unerlässlich. Dalrymples Struktur- und Personalveränderungen innerhalb der Crown Film Unit und die damit verbundenen veränderten Filmproduktionskosten lagen dem Public Expenditure Committee als Paper No. 956 (Crown Film Unit. PRO, INF 1/462/A426/1C) und No. 1048 und No. 1271 (Crown Film Unit, 15.4.1942. PRO, INF 1/462/A426/1C) vor 49 244 Schultern abzuladen, wurde noch während der Produktion ein Kontrollgremium für die Film Unit geschaffen werden. Im März 1943 wurde der Crown Film Unit ein Board of Management vor die Nase gesetzt wurde, mit der Aufgabe, „to control the organisation and work of the Crown Film Unit“. Die Agenda des monatlich tagenden Gremiums basierte auf den Arbeitsberichten des Produzenten Dalrymple, in denen die Fortschritte der einzelnen Crown-Produktionen, die Arbeit an Projekten, Studioprobleme und Personalprobleme detailliert beschrieben wurden. Der erste dieser Producer‘s Reports enthielt eine persönliche Anmerkung von Dalrymple: „I took up the Post of Producer of the Crown Film Unit an 12th August, 1940. I inherited a small Unit of technicians of outstanding ability, imbued with a fine spirit, a lien on 3 or 4 Newman-Sinclair cameras and a Sound Truck. Beyond that, all had to be won, and won within the complexities of Government procedure. In addition, I have had some part in the formation of the Army and R.A.F. Film Units and in their productions, the Services Publicity Film Committee etc., Now, at Pinewood, the three Units are well settled in together and supported by a considerable Studio Staff. The organisation has now been consolidated by the appointment of a Board of Management and a Business Manager. The Crown Film Unit alone has delivered since August, 1940, or is about to deliver, four Feature-length films, 15 Featurettes and two Reelers and some 13 one-reel shorts totalling 75 reels of film. In addition, there are 3 films in production, 2 in preparation and 2 under investigation. There has been a return to the Treasury in some form from G.P.O. and Crown Film Unit productions some £ 120.000. In addition not negligible revenue will acrue on Coastal Command. Fires Were Started. We Sail At Midnight. Letter from Ulster. Malta G.C. apart from films not yet delivered. I sincerely suggest that one of the first consideration before the Board of Mangement should be the appointment of a successor to myself. The time has come for a new impetus and new ideas: and for somebody less battlescarred than myself to act as Producer and Administrator.“50 Es ist unschwer zu erraten, warum Dalrymple zurücktrat. Nachdem er über zweieinhalb Jahre die Film Unit erfolgreich geleitet hatte, empfand er die E- 50 Board of Management, Crown Film Unit, Producer‘s Report at First Meeting, 25th March, 1943. PRO, INF 1/58 245 tablierung eines Aufsichtsgremiums als Affront, auch wenn er im Nachhinein die mangelnde Bereitschaft des Ministeriums, sich auf zukunftsorientierte Themen einzulassen, als eigentlichen Grund seines Weggangs nannte.51 Die Suche nach einem Nachfolger Dalrymples gestaltete sich schwierig. Dalrymple und die Senior Members der Film Unit kümmerten sich selbst darum. Ihre Wahl fiel zuerst auf zwei Mitglieder des Documentary Movement, die als Regisseure und Produzenten zahlreiche Filme für die Films Division realisiert hatten. Basil Wright, der zuerst gefragt wurde, war „unable to accept“. Der zweite, Alexander Shaw, war sich nicht sicher, ob er den Posten wirklich wollte. „For one reason, he was not in sympathy with our type of product. Secondly, the salary and absence of a considerable expenses allowance was unsatisfactory.“ Dalrymples Wunschkandidat war sein Mitarbeiter John Monck. „In the past year, he has done excellent work on MALTA G.C., BEFORE THE RAID and as my general assistant: and, in my absence, has always been left in charge with excellent results.“52 Einer Ernennung von Shaw stand Dalrymple ablehnend gegenüber, da sie keine „harmonious results“ gebracht hätte. Auch in der letzten Sitzung des Aufsichtsgremiums, an der Dalrymple vor seinem Ausscheiden teilnahm, fiel keine Entscheidung. 51 „Then, victories and the Services requisitioned the war, and the Ministry forbade me reconstruction and the peace.“ In: Sight and Sound, April-Juni 1952, S. 38. Eine ähnliche Begründung gab er auch gegenüber Elizabeth Sussex, siehe: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 151f 52 Crown Film Unit, Board of Management: 2nd Meeting, Producer‘s Report, 29.4.1943. PRO, INF 1/58 246 In der Benennung eines Dalrymple-Nachfolgers tat sich Beddington schwer. Einerseits konnte er John Monck gegenüber Holmes, dem sieben Jahre älteren und erfahreneren Associate Producer der Unit, nicht bevorzugen, andererseits waren ihm aber die Schwierigkeiten, die Holmes mit einigen Mitarbeitern – insbesondere Humphrey Jennings – hatte, bekannt. Dalrymple hatte Holmes auch immer auf Distanz zu Produktionsaufgaben gehalten und ihn lieber Regie führen lassen. Die Entscheidung über die Nachfolge von Dalrymple war ein Kompromiss. Die Wahl fiel auf Holmes, der in den folgenden Sitzungen des Board of Managements über die Produktionsfortschritte der Unit zu berichten hatte. Die formale Anerkennung als Producer bekam Holmes aber nicht, er blieb weiterhin Associate Producer, der die Leitungsaufgaben als Acting Producer bis zu seinem Ausscheiden aus der Crown Film Unit Ende Dezember 1944 kommissarisch übernahm. Intern favorisierte die Crown Film Unit ein Modell, nach dem Holmes, Monck und Jennings als Associate Producers agieren sollten, die abwechselnd auch Regie führen.53 Dies scheiterte jedoch an Jennings, der nicht bereit war, Produktionsaufgaben zu übernehmen.54 Eine integrierende, die unterschiedlichen 53 Siehe [J.B. Holmes], Crown Film Unit Production Staff, Notes on Proposed Establishment Revision, o.D. [nach 19.6.1943], S. 2. PRO, INF 1/463/A426/1D 54 Mitte 1940 produzierte Holmes einen Film von Jennings in 16mm, in deren Verlauf es zu persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Holmes und Jennings kam, nicht so sehr über die filmische Methode, sondern über die Aufgaben, die ein Produzent zu übernehmen hatte. Jennings verlor jede Lust an dem Film. Es wurde sein einziger Film, für den er sich schämte. In Jennings Einschätzung war Holmes inkompetent und nur um seinen eigenen Vorteil bedacht. Als es um die Nachfolge von Dalrymple ging, war Jennings zu Dreharbeiten in Sizilien, um die alliierte Landung zu filmen und somit von dem Geschehen in der Film Unit abgeschnitten. Bevor er nach Sizilien fuhr, war er mit Recherchen zu einem Film über die Royal Marines beschäftigt, den Dalrymple produzieren sollte. Nach Jennings Rückkehr aus Sizilien hatte Dalrymple die Unit verlassen und Holmes die Produzentenrolle übernommen. Jennings modifizierte seinen Film aufgrund der Erfahrungen in Sizilien. Er begann den Film, und Teile des Drehbuchs wurden auch abgedreht. Jennings brach jedoch die Produktion ab, nachdem bereits £ 1.012 ausgegeben waren. Die offizielle Begründung lautete, „Difficulty in getting facilities, and subject would be long and costly“ (ANM). Inoffiziell fiel der Film dem schwelenden Konflikt zwischen Jennings (zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der Unit) und Holmes zum Opfer 247 Gruppierungen innerhalb der Film Unit zusammenhaltende Persönlichkeit, so wie sie Dalrymple verkörpert hatte, war Holmes nicht. „Pretentious behaviour“ war noch der mildeste Vorwurf, den andere Senior Members der Unit gegen ihn erhoben.55 Dalrymple hatte die sich anbahnende Veränderung in der Politik der Unit nur gespürt (seine viele Jahre später gegenüber Elisabeth Sussex ausgesprochenen Gründe für seinen Rücktritt hatten diese Stimmung ziemlich genau erfasst) – unter Holmes Leitung wurde sie Wirklichkeit. Es wurden keine Produktionen mehr in Angriff genommen, die Finanzen und Personal der Unit langfristig banden; die Unit sollte dadurch auf die Veränderungen des Krieges kurzfristiger reagieren können. Damit war das Ende der dokumentarischen Spielfilme besiegelt, die eine kommerzielle Kinoauswertung erhielten. Die Themen verflachten. Einen weiterer Grund für die Probleme der Crown Film Unit seit dem Weggang Dalrymples war eine unglückliche Hand in der Auswahl ihrer Projekte. „The Crown Film Unit was singularly unfortunate in the number of subjects that were suggested during the year as possible films but cancelled after investigation, (...) their cancellation is the chief reason why relatively few highpriced major productions were put in hand or photographed during the year.“56 Das Board of Management konnte diesen Prozess auch nicht mehr aufhalten. Dalrymples Kritik an der Unzulänglichkeit dieses Gremiums, geäußert in seinem Rücktrittsbrief an Beddington, legte das Dilemma bloß: 55 „(...) on my return I found the unit in two camps – - – one of which was outraged not merely sick but outraged by the pretentious behaviour of Holmes – - – immediately instituting barriers between himself and the unit – sending people memos when they were only a corridor away or on the phone – - – becoming someone apart from the boys... and at the same time gathering round him a group of people excellent in themselves for the most part – but who in the main were not the old members of the unit (...).“ Humphrey Jennings papers im British Film Institute, London, [1943, die Druckfehler in dem auf einer fehlerhaften Schreibmaschine getippten Manuskript wurden verbessert, J.B.] 56 Ralph Nunn May an Beddington, 24.4.1945. PRO, INF 1/56 248 „(...) the present constitution and function of the Board of Management or Control seem to me to be unsatisfactory. In the first place, it does not manage; secondly, it is not permitted to control; thirdly, the representation of the Administrative Departments is limited to points of information and is not on a level of responsibility: and fourthly, although we have on the Board an eminent representative of the Trade, we are not using him either as an adviser, on the one hand, or an advocate, on the other.“ Ob das Board eine längere Lebensdauer hatte, als die erhaltenen Akten über seine ersten fünf Sitzungen belegen, ist nicht zu belegen. Seine Funktion hatte es, wenn auch unbeabsichtigt, erfüllt. Es war der Katalysator für den künstlerischen Niedergang der Crown Film Unit. Gegen Ende des Krieges musste Director-General Cyril Radcliffe seinem Minister berichten, „that 1944 was a poor year for the Crown Film Unit (...). We knew at the time that they were inadequately employed and a lack of leadership was getting business into some confusion and holding up production.“57 Jack Holmes wurde Ende 1944 nach Indien versetzt. An seiner Stelle übernahm Basil Wright offiziell zum 1. Januar 1945 als ‚Producer in charge‘ die Leitung der Film Unit, einen Posten, den er inoffiziell bereits durch Holmes‘ Weggang seit Ende Oktober 1944 innehatte.58 Mit der Ernennung von Basil Wright schloss sich der Kreis der angeblichen „sinistren Verschwörung“, die Kearney vom British Council bereits 1941 gesehen haben wollte: Die „documentary boys“ hatten das Ruder der staatlichen Filmproduktion übernommen, wenn auch eher ohne ihr zutun, denn aus verschwörerischer Absicht – es mangelte an qualifizierten Filmemachern. Mit Wright kam ein weiterer prominenter Vertreter des Documentary Movement in eine leitende Funktion in der Films Division, deren Arbeit er als Mitherausgeber der Documentary News Letter während des ganzen Krieges scharf attackiert hatte. Wright blieb nur 57 Cyril Radcliffe an Brendan Bracken, 9.4.1945. PRO, INF 1/56 Wright arbeitete schon seit längerem als freischaffender Adviser und Associate Producer für das Ministry of Information. Von Herbst 1943 bis Frühjahr 1944 wurde er vom Ministry of 58 249 ein Jahr auf seinem neuen Posten,59 ihm folgte im März 1946 der Produzent und Regisseur Alexander Shaw, ein weiterer Vertreter des Documentary Movements. Das Ministry of Information wurde zum 1. April 1946 aufgelöst und Teile des bestehenden Apparates in ein neugebildetes Central Office of Information überführt, dem auch die Crown Film Unit eingegliedert wurde. Wright gibt mehrere Gründe an, warum nach dem Krieg die Crown Film Unit und das Documentary Movement nie mehr wieder ihre herausragende Stellung, wie sie während des Krieges existierte, erreichen konnte: „First of all, exhaustion set in because you‘ve got to remember that we had a manpower crisis during the war. (...) The intensity of the work during the war was absolutely tremendous. Secondly, the situation for the making of documentary films deteriorated rapidly after the war for a number of reasons, of which the principal was the election of a Labour government (...). They were so stupid and you could never get any sense out of them at all. They didn’t understand anything about the motion picture. (...) Churchill was hoodwinked into abolishing the Crown Film Unit, and this all came from the other side of the picture, which was the Treasury taking its revenge on the Ministry of Information because, during the war, Churchill gave Brendan Bracken at the ministry more or less carte blanche. He said information is important, and so the Treasury had to pour out money, which they deeply resented, for the Crown film unit and for the MOI. (...) Another point, the third point, was like all movements in the arts you start by being wild men, then you become established, and then you become oldfashioned. (...) And then simultaneously there was coming up television.“60 Information an das National Film Board of Canada ausgeliehen, wo er der Films Division als Liaison Officer diente 59 Wright verließ zum 1. Januar 1946 die Crown Film Unit, um für das Ministry of Information Empfehlungen zu entwickeln für die weitere Nutzung des Ministeriums in Friedenszeiten 250 60 Basil Wright, in: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 175f. Über den Niedergang der Crown Film Unit nach dem Krieg, siehe auch: Vaughn, Portrait of an Invisible Man, a.a.O., S. 145-152 251 6.2. An African in London: Die Colonial Film Unit Zu Beginn des Krieges sah das Colonial Office die Möglichkeit, seine Pläne für die Produktion von Lehr- und Propagandafilmen für Schwarzafrika, die aus Kostengründen bisher gescheitert waren, in die Tat umzusetzen.1 William Sellers, der bereits in den dreißiger Jahren in Nigeria eine Film Unit in Nigeria aufgebaut hatte, wurde von der dortigen Kolonialregierung an das Ministry of Information abgeordnet, mit dem Auftrag eine Film Unit zu schaffen, die dem Colonial Office zuarbeiten sollte. Sellers fungierte bei der neuen Colonial Film Unit als Chefadministrator wie auch als Produzent. Er war der G.P.O. Film Unit assoziiert, in deren Räumen am Soho Square er seit Oktober 1939 arbeitete, und die ihm bei Bedarf eigene Mitarbeiter zur Verfügung stellte. Diese nicht nur räumliche Gemeinschaft mit der G.P.O. Film Unit hatte noch bis zu deren Umzug in die Denham-Studios Mitte 1941 Bestand. In dieser Zeit erfüllte die Colonial Film Unit bei Bedarf auch direkte Aufgaben für die Films Division, wie z.B. für die Central Film Library Stummfilmfassungen von ministeriumseigenen Tonfilmen herzustellen.2 Die personelle Ausstattung der Colonial Film Unit war minimal – erst Mitte 1940 konnte Sellers eigenes Personal rekrutieren und mit George Pearson als First Director einem erfahrenen Regisseur die Hauptarbeit der Unit übertragen. Ebenso minimal war das Produktionsbudget, das in den Haushaltsmitteln der Crown Film Unit angesiedelt war. Die Abwicklung der gesamten Ad- 1 Über die Geschichte der Colonial Film Unit aufgrund der Akten des Colonial Office, siehe: Rosaleen Smyth, The British Colonial Film Unit and Sub-Sahara Africa, 1939-1945, in: Historical Journal of Film, Radio and Television, Vol. 8, No. 3, 1988, S. 285-298 2 „(...) there is an increasing demand for silent versions of Ministry films. (...) It is proposed that the work should be undertaken by the Ministry’s unit employed in making silent films for the Colonies.“ Home Planning Committee. Film Proposals, 10.7.1941. PRO, INF 1/251 252 ministration erfolgte über die Crown Film Unit, darunter das komplizierte Bestellwesen und die Finanzbuchhaltung.3 Um die Liaison mit den Heeresabteilungen und die Bereitstellung von ‚facilities‘ kümmerte sich der London Contact Officer der Crown Film Unit.4 Sellers lieferte nicht nur die Ideen für die Produktionen, sondern stellte auch das Budget auf5, wofür er über die Films Division jeweils die Genehmigung der Finance Division einholen musste. Trotz ihrer verantwortlichen Position übte die Crown Film Unit nur geringen Einfluss auf Sellers Produktionen aus, und so konnte sich die Unit auch auf Druck des Colonial Office, zu einer unabhängigen Einheit entwickeln. „While this Unit has always been part of the Ministry‘s Unit, it has from the outset operated separately, and I think that it should now be properly organised and a separate allocation for it agreed. (...) Mr.Dalrymple agrees that it should work independently since its functions are of a highly specialised kind.“6 In der Folgezeit erhielt die Unit einen eigenen Haushalt7 und einen eigenen Mitarbeiterstab.8 Beddington und Mercier wollten die administrative Kontrolle 3 „As regards accounts, the present procedure for all orders connected with production is as follows: we describe to Crown what is required; Crown places the order to our specification; the account is sent to Crown; we certify that the goods have been received, etc; we return to Crown; Crown then sends the account to the Accounts Division for Payment.“ Sellers an Mercier [Deputy Director Films Division, J.B.], 26.5.1941. PRO, INF 1/144/A 529/40 Part A 4 „So far as facilities are concerned, I should prefer to be in the same position as ordinary contractors to the Ministry. The ordinary contractor‘s first contact with service departments is through the Ministry and thereafter the contractor makes his own arrangements. Films for Africans require very different material from films for Western audiences. It is therefore very desirable that we should make our own arrangements and thus save a great deal of trouble. Much time may be wasted and disappointment caused if people anticipate a Crown unit with sound recording channel, heavy lights, etc., and then find that some quite simple piece of work is required for a silent film.“ Sellers an Mercier, 26.5.1941. PRO, INF 1/144 5 Die zwölfte Produktion der Colonial Film Unit, This is a Barrage Balloon, hatte ein Budget von £ 150. Für die vierwöchige Produktionszeit vom 23.6. bis 19.7.1941 kalkulierte die Unit mit £ 85 für Personalkosten, £ 14 für Kameramiete, £ 6 für Transportkosten, und £ 23 für Laborund Kopierkosten. Siehe: PRO, INF 1/144 6 Beddington an Welch, o.D. [nach 22.4.1941]. PRO, INF 1/144/A 529/40 Part A 7 Siehe: O.E.P.E.C. Paper No. 1048, paragraph 9 8 O.E.P.E.C. Paper No. 1278, 17.4.1942. PRO, INF 1/144/A 529/40/Part A 253 jedoch nicht vollständig an das Colonial Office abgeben; so behielt sich Beddington Personalentscheidungen vor.9 Den Verleih ihrer Filme organisierte die Unit selbst. Fünfzehn afrikanische Kolonien wurden regelmäßig mit Filmen versorgt.10 Weitere Dominions, Kolonien und auch andere Staaten wurden auf Anfrage beliefert. In Afrika wurden die Kopien Filme wurden mit eigens konstruierten ‚kinema vans‘ vorgeführt, die mit einer 16mm-Rückprojektionseinrichtung ausgestattet waren.11 Die Filme wurden stumm vorgeführt und der Kommentar, den die Film Unit für jeden Film geschrieben hatte, durch einen lokalen Dolmetscher eingesprochen. Die Filmvorführungen waren in regelrechte Shows eingebettet, die einer genauen Choreographie unterlagen.12 9 „I (...) wish to be consulted when it comes to choosing technical staff owing to shortage of manpower.“ Jack Beddingtons handschriftliche Notiz auf einem Memo von Mercier, 6.2.1942. PRO, INF 1/144/A529/40 Part A 10 „Nigeria, Gold Coast, Sierraleone, The Gambia, Kenya, Uganda, Tanganyika, Nyasaland, Northern Rhodesia, Zanzibar, Basutoland, Bechuanaland, Swaziland, British Somaliland, St.Helena.“ PRO, INF 1/76 11 Eine genaue Beschreibung der technischen Ausrüstung gibt William Sellers in: The Production of Films for Primitive People, in: The Journal of the British Kinematograph Society, Vol. 4, No. 3, July 1941, S. 111 12 Wie eine solche Vorführung ausgesehen hatte, beschrieb die Filmabteilung des britischen Information Office der Gold Coast in: Colonial Cinema, Vol. 2, No. 1, 1944, S. 3: „(1) Loud martial music or recording of vernacular songs popular locally, to bring the audience to the van (15-30 minutes). (2) Opening talk, dealing with the reason for the van‘s presence, the care of Britain for colonial people, the African family life and the strong feeling for the land, and the attempts of the Nazis to destroy in occupied Europe similar ways of life and filch the ownership of the land and the fruits of the soil. (3) Film: Empire‘s New Armies – Army training from various parts of the Empire, the aim being to stress the power of the Empire. (4) Recorded Music. (5) News of the week. External and internal. The trends of the war. (6) Film. Searchlight and Anti-aircaft Gun, or other film explanatory of modern war weapons. This series has been running for some time as a preliminary training of the audiences in preparation for newsreels. (7) recorded music. (8) Topical talk – Grow more food, Save more money, Crack more palm kenels, Tap more rubber – according to the local need of the moment. (9) Film. An African in London. A short tour of some of London‘s landmarks with a well known West African from Nigeria in the principal role, developing the idea all are members of the Empire, that all may look to the imperial centre, that all are welcomed there, and that there is opportunity for all irrespective of race and creed. (10) Message from Governor, Resident Minister, Provincial Commissioner, or District Commissioner on the need of the moment. (11) Film: Self Help in Food – or other film illustrating the war effort of the common man of the type of an educated British craftsman, with his wife and child doing a little extra for the war. (12) Closing talk: Remember what you have seen: The Empire is strong; all are members and are safe and free within it. Everyone must do his bit towards 254 Angeregt durch den 1941 verabschiedeteten Colonial Development and Welfare Act sorgte das Colonial Office Anfang 1942 für eine Ausweitung in der Politik der Colonial Film Unit: das Programm sollte ab sofort Lehrfilme aufnehmen, „to show now and to build up for peacetime showing to backward audiences a library of films that are not war propaganda.“ Die veränderte Aufgabenstellung der Colonial film Unit wurde durch ein O.E.P.E.C. Papier formalisiert, wonach der Unit in Ergänzung ihres ursprünglichen Auftrags nun folgende Aufgaben zukamen: „(a) the production of such non-propaganda films as the Colonial Office may consider to be suitable for exhibition in the Colonies; (b) a survey of existing film Libraries to find material suitable for exhibition to unsophisticated audiences in the Colonies; (c) the production of a Colonial Film Bulletin containing information on film matters for the guidance of officers concerned with films in the Colonies; (d) courses of instruction in film work for visiting officers from the Colonies.“13 Die Treasury genehmigte 1942 ein Budget von £ 24.500 für die Produktion von 36 neuen Filmen und die gleiche Anzahl von Bearbeitungen bereits existierender Filme14, aber sie koppelte diese Genehmigung mit der Auflage, dass Filme über wohlfahrtstaatliche Projekte nur untergeordnete Priorität haben dürften. Die Unit etablierte zwei neue Produktionsgruppen und zählte damit Ende 1943 23 Mitglieder. Aber in keinem der folgenden Jahre konnte sie den vorgegebenen Produktionsrahmen auch nur annähernd ausschöpfen.15 Trotz winning the war. You have been told what you can do to help. The truth has been shown; avoid rumour. (13) Entertainment film. (14) The King.“ 13 Colonial Film Unit, O.E.P.E.C. Paper No. 1369, 9.6.1942. PRO, INF 1/144/A529/40 Part B 14 Nach dem Vorschlag des O.E.P.E.C. Paper No. 1369 waren die Kosten für Eigenproduktionen mit jeweils £ 300 angesetzt und für die Adaptierung von ‚library material‘ konnte pro Film £ 150 ausgegeben werden 15 Von 29 im Jahre 1942 produzierten Filmen waren gerade einmal 15 Eigenproduktionen und 14 Adaptionen existierender Ministry of Information-Filme. Von den 34 Filmen des Jahres 255 des vergrößerten Personalbestands bereitete die Produktion von Lehrfilmen erhebliche Schwierigkeiten. Ein Grund lag im Fehlen geeigneten Filmmaterials aus den Kolonien. Da die Unit aus Geldmangel keine Kamerateams nach Afrika zu schicken konnte, initiierte sie ein ‚Raw Stock Scheme‘, das weiße Beamten der Kolonialverwaltungen zu Filmaufnahmen animieren sollte. In- 1943 – ursprünglich waren 72 geplant – produzierte die Unit 16 neue Filme und 18 Ausgaben der stummen Wochenschau The British Empire at War. Die Produktionen der Colonial Film Unit. In Klammern der Monat des ‚date of despatch overseas‘. (Fett = fehlen in Pronay/Thorpe, a.a.O.): 1940 [8]: Children of the Empire (3); The Empire at Work (3); Heritage of (for?) Defence (3); The British Army (11); Mr. English at Home (11); The Story of Cotton (11); The Royal Air Force (12); R.A.F. Commentary (12); English and African Life 5/41?); Progress in the Colonies – African Hospital (5/41). 1941 [15/14 MoI shorts]: Guns in the Desert (1); An African in London (7); This is a Searchlight (11); This is a Special Constable (11); This is a Barrage Balloon (11); This is an Anti-Aircraft Gun (11); These are Paratroops (12); This is an A.R.P. Warden (12); These are London Firemen (?). 1942 [15/14 MoI shorts]: Our Indian Soldiers (2); Self Help in Food (2); With Our African Troops – Early Training (2); With our African Troops – On Active Service (2); Soldiers‘ Comforts from Uganda (2); This is a Fireman (4/42 siehe o.); These are British Soldiers (4); Bren Gun Carriers (6); These are A.T.S. and W.R.N.S. (6); Barbados Day at Portsmouth (6); Uganda Police (7); Feeding the Army (8); RAF Rescue Boats (9); These are mobile Canteens (9); Take cover (12); Return of the Emperor (12); Africans‘ War Effort (?); Harvest Festival (?); Alakija (?). 1943 [16/18 newsreels]: Charlie the Rascal (1); Heroic Malta (1); Farming in Russia (2); Machi Gaba [The Town That Crept Ahead] (2); Katsina Tank (2); Take Cover (3); Timbermen from Honduras (6); Land and Water (7); P/O [Pilot Officer] Peter Thomas (8); Colonial Centre (8); Don‘t Neglect Your Bicycle (8); Blind People (9); We Want Rubber (10); These are British Sailors (11); India (11); Nurse Ademola (12); Mobile Library (12); Education in England (?); The British Empire at War No. 1 – 12 (25.6.1943 – 22.11.1943). 1944: Progress in the Colonies (1); Africa‘s Fighting Men (2); West African Editors (2); West African Editors (two reel Version) (2); A British Family in Peace and war (2); Sam the Cyclist (3); Cossack Horsemen (3); Progress in the Colonies (Kenya) (6); Springtime in an English Village (9); West Indians Join the R.A.F. (10); Germans in Norway (10); Margarine (?); West African Editors (11); (?); Your People in Britain (11); Land and Water (11); Africa‘s Fighting Men (1reel-version) (11); Food from Oil Nuts (?); The British Empire at War No. 13 – 30 (14.1.1944 – 15.12.1944); Freed Prisoners of War Return to South Africa (?); Mr Wise and Mr Foolish Go to Town (?) [Neuausgabe des Vorkriegsfilms The Two Brothers]; Yaws (?). 1945: African Timber [Gold Coast Timber], African Study Social Work in Britain; Boy Scouts; Boy Scouts in Uganda; Girl Guides in Uganda; Home Guard Stand Down; Jonathan Builds a Dam [vormals: A Kenya Village Builds a Dam]; Kenya Daisies; Kaduna Chief‘s Conference; London Children Celebrate Victory; Learie Constantine; Plainsmen of Barotseland; Rider; Slim Rhyder; Secondary Modern School; Village School; West African Church Parade; The British Empire at Work No.31 – 39; Colonial Cinemagazine No. 1-3. 1946: Deck Chair; English Village; Fight Tuberculosis in the Home; Home to West Africa; Keepers of the Peace; Local Native Councils; On Patrol; Silver Jubilee of the Alake of Abeokuta; Swollen Shoot; Teddy Bears; Victory March – West Africa; Victory March – East Africa; Victory March – Middle East; Victory Parade; Victory March – Far East; Weaving in Togoland; Welcome Home 256 formation Officers aus den Kolonien, die in London einen dreimonatigen Kamerakurs absolviert hatten, erhielten eine komplette 16mm-Ausrüstung und etwa 5.000 Fuß Rohfilm pro Monat. Die Unit half beim Drehbuchschreiben oder lieferte fertige Drehbücher. Das Filmmaterial, das in acht afrikanischen Kolonien gedreht wurde, kam zum Entwickeln und zur Weiterverwendung nach London, „giving African background and atmosphere“. Jack Beddingtons Vorschlag, ein oder zwei Schwarzafrikaner in die ausschließlich aus Weißen bestehende Unit zu integrieren, stieß bei Sellers nicht auf Zustimmung. „An African with the necessary qualifications would be too out of touch with conditions among the more illiterate sections of the community for whom the films were principally designed.“16 Es dauerte fast anderthalb Jahre, bis Beddington sich durchsetzen konnte und mit Fela Sowanda ein afrikanischer Komponist und Musiker Mitglied der Unit wurde.17 16 Minutes of a Meeting held at the MOI on 11 December 1942 to discuss the Colonial Film Unit. PRO, CO 875/10/6282/120, zitiert nach: Smyth, a.a.O., S. 293 17 Da ab 1944 die neuen ‚cinema vans‘ in den Kolonien auch mit Tonfilmprojektoren ausgestattet waren, begann man mit der Vertonung der bis dahin stummen Filme durch afrikanische Musik zu experimentieren. 1944 komponierte und arrangierte Sowanda für mehr als 15 Filme die Musik 257 6.3. The True Glory: Die Army-/ Royal Air Force-/ Navy-Film Units Die Crown- und die Colonial-Film Units waren nicht die einzigen staatlichen Produktionsgruppierungen, die offizielle Filmpropaganda durchführten. Auch die verschiedenen Armeegattungen unterhielten eigene Film Units. Ihr Personal rekrutierte sich – im Gegensatz zu den Mitarbeitern der Crown Film Unit – aus Soldaten. Die Kontrolle der personellen Zusammensetzung der militärischen Film Units und ihre Organsation oblag dem Militär. Für die Inhalte ihrer Filme jedoch und deren Finanzierung war das Ministry of Information verantwortlich. „The Army Film Unit and the R.A.F. Film Unit, although working in close cooperation with the Crown Film Unit, are under the control of the War Office and the Air Ministry respectively. In addition to activities which are the sole concern of the Service Departments, each Unit makes such propaganda films as are requested by this Ministry [i.e. Ministry of Information, J.B.] (...) approved by the Treasury for this purpose in the case of each of the two units. All such films are handed over to this Ministry for distribution.“1 Die Zusammenführung von „zivilen“ und „militärischen“ Filmaktivitäten, die durch die Requirierung der Pinewood Studios als gemeinsame Produktionsstätte sich auch räumlich vollzog, bot genügend politische Brisanz allein durch die Vermischung von Befehlshierarchien. Die folgenden Kapitel beschreiben die Organisationsstrukturen der verschiedenen militärischen Film Units. Die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit werden in Kapitel 7.5. beschrieben. Die Army Film Unit des War Office 1 Public Accounts Committee 1944. Section IV. Statement 16. Production, Distribution and Exhibition of Films, 1944. PRO, INF 1/74,2 258 Vor dem Krieg unterhielt die Landarmee ein Army Cinema Centre in Aldershot, das für die Produktion von militärischen Lehrfilmen zuständig war. Da die Unit weder über Tonaufnahmeapparaturen verfügte noch ein eigenes Entwicklungslabor besaß, wurden die Arbeiten zumeist an kommerzielle Firmen vergeben. Zu Kriegsbeginn verfügte die Armee über 59 – größtenteils veraltete – Ausbildungsfilme. Nach dem (auch filmischen) Debakel von Dunkerque – neben einem Kameramann von Pathé filmte nur Harry Rignold von der Film- und Photoabteilung des Public Relations Service des War Office den Rückzug – war der Druck groß, die eigene Filmabteilung zu vergrößern, um auf die Nachfrage vor allem der Wochenschauen nach aktuellem Filmmaterial vom Kriegsgeschehen reagieren zu können. Die Initiative ging von der Filmabteilung der Public Relation Section (P.R.2) des Kriegsministeriums aus, die u.a. die Aktivitäten der Armee der Öffentlichkeit zugänglich zu machen hatte. Auch wenn das übergeordnete Directorate of Public Relation unter militärischem Kommando stand, war mit Roland Tritton als Publicity Officer der Filmabteilung (P.R.2) ein Zivilist ernannt worden. Die Abteilung „P.R.2 (films)“ unter Tritton war für Filmpropaganda zuständig. Ihre Aufgabe war es, „film material about the Army“ zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck sollte auch eine neue Film Unit eingerichtet werden. Eine weitere Aufgabe von Tritton war die Liaison mit den Wochenschauen, was keine leichte Aufgabe war angesichts der Rivalitäten zwischen den einzelnen Gesellschaften und deren Abneigung gegen das vom War Cabinet eingeführte Rotationssystem bei der Berichterstattung. Mit der Films Division des Ministry of Information bestand ein regelmäßiger Informationsaustausch. 259 „[The Army Film Unit] is concerned with propaganda and Army publicity and therefore very closely related to the Films Division of the Ministry of Information.“2 Die seit Sommer 1940 diskutierten Umstrukturierungs- und Erweiterungspläne wurden im November des Jahres verwirklicht, wobei allerdings die Überlegung, die neue Unit der Crown Film Unit anzugliedern, keine Berücksichtigung fand. David Macdonald, ein ehemaliger Produzent der G.P.O. Film Unit und Regisseur von Men of the Lightship wechselte als erster Commanding Officer zur Army Film Unit, die nach Eingliederung der fotografischen Abteilung im Oktober 1941 offiziell in Army Film and Photographic Services (A.F.P.S.) umbenannt wurde. Der Name Army Film Unit blieb jedoch als Kurzform für die von Pinewood aus agierende zentrale Unit erhalten. Zwischen November 1940 und Kriegsende produzierte die Army Film Unit, teilweise in Zusammenarbeit mit der Crown Film Unit, 31 Filme, die allesamt in den Kinos gezeigt wurden.3 David Macdonald hatte eine glückliche Hand in der Auswahl seiner Mitarbeiter, die er aus der Filmindustrie rekrutierte. Kameramann Walter Tennyson d‘Eyncourt, Filmeditor Hugh Stewart, der später die Army Film Unit in Pine- 2 Aus einer Erklärung des War Office vom Dezember 1941, abgedruckt in: ‚Getting Them Shown‘, in: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 1, January 1942, S. 3 3 Die Filme in der Chronologie ihrer Aufführungsdaten: Northern Outpost (2/41, 5-M); Lion of Judah (3/41); Lofoten (3/41, 5-M); A.T.S. (6/41, 5-M); Special Despatch (11/41, 5-M); The Right Man (6/41, 5-M); The Army Lays the Rails (1/42, 5M); Eve of Battle (1942); Siege of Tobruk (6/42); Troopship (7/42, 5-M); Wavell‘s 30,000 (1942); Twenty one Miles (8/42, 5-M); Via Persia (10/42, 5-M); Tank Battle (12/42, T); A.B.C.A. (1943); Desert Victory (1943); Malta GC (1943, mit Crown und R.A.F. F.U.); Tunisian Victory (1943); She Serves Abroad (1944); Write to the Forces (1944, Trailer); Naples is a Battlefield (2/44, 15-M; mit RAF FU); Minefield (4/44, 15-M); Date With a Tank (8/44, 15-M); Men Wounded (1944); Towards the Offensive (1944); Harbour Goes to France (11/44, 15-M; mit Admirality); True Glory (10/45, T); Left of the Line (? 1945); Liberation of Rome (? 1945, re-edited); Burma Victory (11/45, T); Eve of Battle (?); Stricken Peninsula (1945); R.E.M.E. (1945); The Way From Germany (1946, mit COI, Allied Control Commission) 260 wood leiten sollte, und der Regisseur Roy Boulting kamen auf Macdonalds Veranlassung zur Army Film Unit. Macdonalds Hauptverdienst bestand jedoch darin, verschiedene Army Film and Photography Units eingesetzt und durchorganisiert zu haben. Die Primäraufgaben dieser Einheiten der A.F.P.S. bestanden darin, Kampfhandlungen zu filmen sowie die übrigen Aktivitäten der Armee zu dokumentieren. Mitte 1943 existierten fünf Einheiten.4 Jede Einheit besaß größtmögliche Eigenverantwortung und Unabhängigkeit gegenüber anderen Militäreinheiten und war lediglich dem Assistant Director of Public Relations gegenüber verantwortlich. Die Kameramänner der verschiedenen Einheiten des A.F.P.S. lieferten das Rohmaterial, das von staatlichen wie privaten Produktionseinheiten für ihre Filmarbeit benutzt wurde.5 Größter Abnehmer waren die Wochenschauen, die das von der Sicherheitszensur freigegebene Filmmaterial der A.F.P.Us kostenlos zur Auswertung erhielten. Das Ministry of Information war für seine eigenen Produktionen ebenfalls Nutznießer dieses Arrangements. Als die Crown Film Unit im März 1942 in die leerstehenden Pinewood Studios zog, fanden auch die Army Film Unit und die neugegründete R.A.F. Film Unit dort Unterkunft. Das machte eine Neuformulierung der Politik ihrer gemeinsamen filmischen Aktivitäten erforderlich. 4 Die größte dieser Front-Line-Dokumentarfilmgruppen, die No. 1 Unit der A.F.P.S., seit 1942 unter der direkten Verantwortung von David Macdonald, bestand aus vier Regisseuren und 40 Kameramännern, die der 8. Armee angegliedert waren, und deren Berichterstattung den ganzen Mittleren Osten abzudecken hatte. Die zweite Einheit unter der Leitung von Geoffrey Keating war mit der 1. Arme in Tunesien stationiert. Die verbleibenden zwei Units waren wesentlich kleiner; Unit No. 3, die den Heimattruppen zugeordnet war, bestand aus drei Kameramännern, und No. 4, den Luftlandetruppen beigestellt, aus vier Kameramännern und Paul Fletcher als Regisseur 5 Zur Sichtung und Auswahl, zur Zensur, zur Klassifizierung und Archivierung musste alles Filmmaterial der Public Relations 2 – Abteilung als zentraler Kontrollstelle vorgelegt werden, die sich auch um den Vertrieb kümmerte 261 Die Publizierung allgemeiner Kriegsanstrengungen und die Berichterstattung über die Heimatfront blieb weiterhin dem Ministry of Information überlassen, jeweils in Absprache mit den Public Relations Abteilungen der unterschiedlichen Ministerien. Die Publizierung der Aktivitäten der kämpfenden Truppe hingegen kontrollierte ab sofort ein Services Publicity Film Committee, bestehend aus den Verantwortlichen der drei Service Film Units, Repräsentanten von Ministry of Information und den Public Relations Departments der Armee, Luftwaffe und der Marine. Aufgabe des Committee war es, „to present a direct and accurate impression of the British and Allied war effort for the information and stimulus of the British, Allied and neutral public; and to secure pictorial records if these momentous times for the examination of posteriority.“6 Allen drei Produktionseinheiten hatte es an geeigneten Räumlichkeiten gemangelt. Die Crown Film Unit besaß nur die viel zu kleinen Studios in Denham, die Army Film Unit arbeitete mehr schlecht als Recht in Räumen des War Office und die R.A. F. Film Unit besaß neben einer kleinen Zentrale zwar vier mobile Produktionsgruppen aber kein festes Studio. Die Requirierung der Pinewood Studios ermöglichte den Production Units nun zum erstenmal eine ökonomische Nutzung der Ressourcen eines gut ausgestatteten Studiokomplexes: Bild- und Tonaufnahmeapparaturen, Schneideräume, Vorführtheater und Arbeitskräfte standen allen Production Units gemeinsam zur Verfügung. Dadurch minderte sich der Druck auf die nur gering vorhandenen Studiokapazitäten, und überhaupt zeichnete sich mit der neuerlichen Nutzung der zu Kriegsbeginn stillgelegten Pinewood-Studios die Möglichkeit ab, nach Kriegs- 6 The Combined Services Film Studio, in: The Journal of the British Kinematograph Society , Vol. 5, No. 3, July 1942, S. 87 262 ende der kommerziellen Filmproduktion erneut ein funktionierendes Studio zur Verfügung stellen zu können. Auch wenn die beiden militärischen Filmabteilungen dem War Office, respektive dem Air Ministry unterstellt waren, verwaltete die Crown Film Unit den gesamten Studiokomplex und ihr Produzent Ian Dalrymple fungierte als Honorary Producer der beiden Service Units.7 Leiter der Army Film Unit in Pinewood wurde Hugh Stewart, ein ehemaliger Film Editor, der bereits mit Special Despatch einen Ministry of InformationFilm aus dem Five-Minute-Programm gedreht hatte. In Pinewood war auch die „school of battle photography“ der A.F.P.S. stationiert, die unter realistischen Bedingungen Soldaten zu Kriegsberichterstattern ausbildete.8 Training the Army Neben dem Directorate of Public Relations des War Office, das für die Army Film and Photographic Services zuständig war, unterhielt das Kriegsministerium auch ein Directorate of Army Kinematography, das die Produktion von Lehrfilmen verantwortete. Die personelle Besetzung veranlasste Documentary News Letter Ende 1940 zu einem sarkastischen Kommentar.9 Paul Kimberley, Honorary Technical Adviser des Kriegsministeriums und im zivilen Beruf Di- 7 Die Crown Film Unit stellte zudem die Mitarbeiter des Art Departments und die Dienste des Musical Directors zur Verfügung, während die Army Film Unit für die Tonaufnahmeapparaturen von Western Electric verantwortlich war. Die R.A.F. Film Unit kontrollierte die Photoabteilung und das Archiv und war für die Verpflegung der Mitarbeiter des gesamten Studiokomplexes zuständig 8 Siehe: Ian Grant, Cameramen at War, Cambridge 1980, S. 31ff 9 „Responsible for the ordering of production is a Colonel, recently promoted from Major, who, as far as we know, has no experience of film production (...). Working to the Colonel is a Major, recently promoted from Captain, who was associated with British comedy feature production. Working to the Major is a Captain, recently promoted from Lieutenant, an actor and commentator listed in The Spotlight as a ‚Feature Comedian‘.“ In: Training the Army, Documentary News Letter, Vol. 1, No. 12, December 1940, S. 1 263 rektor der National Screen Services, erhielt darauf im Frühsommer 1941 den Auftrag mit dem Government Cinematograph Adviser einen neuen Organisationsplan zu entwickeln, der die Produktion von Armee-Lehrfilmen und deren Vertrieb neu organisieren sollte. Die neue Organisationsstruktur unter zentraler Kontrolle von Paul Kimberley als erstem Direktor der Army Kinematography Services (A.K.S.) wurde im Sommer 1941 eingeführt. Die A.K.S. waren für die Produktion von allen Lehr- und Unterrichtsfilmen der Armee zuständig, die überwiegend während der Grundausbildung eingesetzt wurden.10 Neben diesen einfachen Trainingsfilmen, die kein direktes militärisches Sicherheitsrisiko darstellten, gab es darüber hinaus einen Bedarf an Lehrfilmen, die militärtaktische und damit sicherheitsrelevante Fragen behandelten. Für diese Filme, die häufig Sicherheitsfragen tangierten und deren Produktion militärische Entwicklungen zu berücksichtigen hatte, waren weitere Abteilungen der A.K. zuständig.11 Eine letzte Abteilung, A.K.3, war für Eigenproduktionen der Armee zuständig, die nicht ins Raster der klassischen Lehrfilme passten. Zeitweise waren dieser Abteilung die Regisseure Thorold Dickinson und Carol Reed unterstellt. Carol Reed drehte für die Unit The New Lot, einen Film über die Schwierigkeiten der Eingliederung von Zivilisten in die Armee. Der Film, der als „Vorlage“ für The Way Ahead diente, wurde indes nie aufgeführt. 10 Für diese Form der einfachen Lehrfilme über den Gebrauch von Waffen, Gas Drill und Maschierenlernen war die Abteilung 2(b) der Army Kinematography zuständig, die die Produktion von Filmen überwachte, die an kommerzielle Produktionsfirmen vergeben wurden. Bis zu zwanzig kommerzielle Produktionsfirmen arbeiteten im Auftrag der A.K.S. 11 Die Produktionsabteilungen 2 (a) und 3 der A.K. hatten ihre Produktionsstätten in den ehemaligen Fox Studios in Wembley. Drei bis vier dieser militärischen Film Units begleiteten regelmäßig Manöver und Gefechtsübungen und konnten schnell auf neue Taktiken oder Drills reagieren 264 Die Durchschnittslänge eines Lehrfilms betrug 20 Minuten. Im Jahr 1942 wurden 110 Auftragsproduktionen für Lehrfilme vergeben; eine Zahl, die in den kommenden Jahren stets übertroffen wurde.12 Weder über die Lehrfilme der Armee noch über die Filme der Luftwaffe und der Marine existieren zuverlässige Dokumentationen oder Filmlisten.13 Über diese „nichtöffentliche“ staatliche Produktion, die ihrem Umfang nach die „öffentliche“ bei weitem überstieg, gibt es nur spärliche Informationen. Nach dem Krieg wurden die meisten Filme dem Imperial War Museum übereignet, wo sie bis heute auf ihre Erfassung und Katalogisierung warten. Der Verleih und die Aufführung der eigenproduzierten Lehrfilme wurde von der Abteilung A.K. 4 organisiert und kontrolliert, deren Ausstattung bei weitem die des Non-Theatrical Verleihs der Films Division übertraf.14 Die Projektoren wurden auch dazu benutzt kommerzielle Unterhaltungsfilme zu zeigen, „It is intended to use this apparatus primarily for educational purposes, but half the time it will be available for entertainment purposes.“15 Dabei arbeitete die Abteilung A.K. 5 eng mit der Kinema Division der Entertainments National Service Association (E.N.S.A.) zusammen, die die kostenlose Vorführung von Unterhaltungsfilmen für die Truppen organisierte.16 12 Siehe auch: Film Progress in the Services, in: Documentary News Letter, No. 5, 1943, S. 210-214 13 In einem Artikel ‚Army Training Films‘ in The Journal of the British Kinematograph Society, Vol. 6, No. 2, April 1943, S. 46 werden einige der Trainingsfilme der Armee detailliert vorgestellt, so z.B. Everybody‘s Business, ein Film über Feuerprävention, Field Artillery versus Tank; Duty Watch, die Rekonstruktion eines Schiffsangriffs auf eine Küstenbatterie; einen Film in Technicolor: Camouflage – Air View, und ein Film über das Laden und Abfeuern eines 6-pdrs Doppelgeschütz in Zeitlupe, um aus Fehlern bei der Bedienung zu lernen 14 Mitte 1943 waren über 150 mobile 35mm-Projektionsfahrzeuge mit eigener Stromversorgung und über 400 mobile 16mm Projektoren im Einsatz. Weitere 200 festinstallierte Projektoren gab es in den Ausbildungszentren. Insgesamt wurden über 1500 Vorführer beschäftigt 15 Getting them Shown, a.a.O., S. 3 16 Anfang 1942 waren 85 mobile Kinos für E.N.S.A. auf den Britischen Inseln im Einsatz. In den 10 Monaten zwischen August 1941, der Einführung von „co-ordinated entertainment“, und April 1942 wurden 17,792 kostenlose Filmvorführungen vor über 2,3 Millionen Militärangehörigen gegeben. Im gleichen Zeitraum wurden auch in 33 Kinos 4422 Vorführungen or- 265 Die R.A.F. Film Unit Im September 1941 wurde nach längeren Verhandlungen grünes Licht für eine Royal Air Force Film Production Unit gegeben, die aus ca. 60 Personen bestehen sollte. Neben fünf mobilen Produktionseinheiten, deren größte im Mittleren Osten stationiert war, diente das Combined Services Studio in Pinewood als Studio, Archiv und als Arbeitsplatz zur Post-Production. Hatte die Filmproduktion der Royal Air Force in ihren Anfängen lediglich die Funktion, historische Ereignisse zu dokumentieren, wurden mit der Etablierung der Film Unit auch die erweiterten Aufgaben der Unit definiert: „(i) (ii) (iii) A film record of the work of the Royal Air Force; The production of documentary films for propaganda purposes; The production of such R.A.F. training films and films of experimental ork as cannot, for security or other reasons, be entrusted to commercial companies; (iv) The preparation of film bulletins for official use only; and (v) he supply of special material for commercial productions for which library material is not available and for which facilities cannot be granted to commercial companies.“17 Die Film Unit war der Public Relation Abteilung des Air Ministry unterstellt. Wie die Kameramänner des A.F.P.S. schickten die Kameraleute der R.A.F. Unit ihr Filmmaterial von den Kriegsschauplätzen nach Pinewood18, wo es ganisiert, die 2,2 Millionen Besucher hatten. E.N.S.A. übernahm auch teilweise die Organisation der Ausleihe von 16- und 35mm-Filmen für die Truppenkinos 17 The Combined Services Film Studio, a.a.O., S. 89 18 Eine Beschreibung der Arbeit der Kameramänner der R.A.F. und ihrer Kameras – die Newman-Sinclair war neben Eyemos und Bell Howells die am meisten verwendete Kamera – findet sich in: Operational Operators. An Interview with the R.A.F. Film Production Unit. In: The Cine-Technician, Vol. 9, No. 40, January-February 1943, S. 1ff 266 entwickelt, gesichtet, zensiert und den Nutzergruppen zur Verfügung gestellt wurde.19 Zwischen 1942 und 1945 produzierte die R.A.F. Film Production Unit 11 Dokumentarfilme, von denen die meisten erst im letzten Kriegsjahr in die Kinos kamen.20 Die Anzahl von Lehrfilmen lag erheblich unter denen der Armee, lediglich Filme zur Erkennung von unterschiedlichen Flugzeugtypen nahmen breiten Raum ein. Bis Anfang 1943 wurden an die Hundert dieser Filme produziert. Die R.A.F. Film Unit in Pinewood produzierte auch ein eigenes monatliches Filmmagazin, The Gen, das die verschiedenen Aktivitäten der Air Force dokumentierte und das in Luftwaffeneinrichtungen zirkulierte. Die Royal Naval School of Photography Im Gegensatz zur Armee und zur Luftwaffe ließ die Admiralität durch ihre Training and Staff Duties Division dagegen ausschließlich Lehrfilme produzieren. Die Filme wurden durch Auftragsproduzenten realisiert, gelegentlich aber auch durch das eigene Filmstudio der Royal Naval School of Photography in Portsmouth, das bereits vor dem Krieg Lehrfilme produziert hatte.21 Diese Filmproduktionsabteilung der Marine verfügte im Gegensatz zur Army Film 19 Hauptabnehmer waren die Wochenschauen, das Ministry of Information, die eigene R.A.F. Film Production Unit und „T films“, eine Abteilung des Air Ministry, die für Auftragsproduktionen zuständig war 20 Filme der RAF Film Unit in der Chronologie ihrer Kinoaufführung: Between Friends (?); Malta GC (1943, mit Crown und Army F.U.); Operational Height (3/43, T); Naples is a Battlefield (2/44; mit Army F.U.); Night Flight (10/44, NT); Towards the Offensive (1944); The Last Hazard (1944); The Air Plan (7/45, T); In Defense of Britain (1945); R.A.A.F. (? ); The Big Pack (1945); Front Line Air Force (1945); Journey Together (1/46, T); Ship-Busters (1946) 21 Wie schon beschrieben, ist die Dokumentation der Titel äußert lückenhaft. Use of Tracer, oder A Day on a Battleship oder Night Attack sind eine der wenigen Ausnahmen. Siehe: F. George Gunn, Tracer Observation in Gunnery, in: The Journal of the British Kinematograph Society, Vol. 6, No. 2, April 1943, S. 43 und Naval Film Unit, in: Documentary News Letter, Vol. 2, No. 8, August 1941 267 Unit über eigenes Studio mit kompletter technischer Ausstattung wie Tonaufnahmeapparaturen, Entwicklungslabor und Werkstätten. Da die Kapazität des Studios bei weitem nicht ausreichte, den enormen Bedarf an Lehrfilmen abzudecken – bis Ende 1941 waren bereits über 100 Lehrfilme im Angebot – beschränkte sich die Filmabteilung vornehmlich darauf, die Produktionen kommerzieller Firmen zu unterstützen. Das 30-40-köpfige Personal der Filmabteilung rekrutierte sich vor allem aus abkommandierten Filmtechnikern und Schauspielern.22 Die Produktion von Propaganda- oder Public Relations Filme über die Marine übertrug die Admiralität als „allied service“ dem Ministry of Information oder beauftragte Wochenschauen.23 Aufgrund des umfangreichen Lehrfilmangebots der Marine, bis Mitte 1943 waren 350 Filme im Umlauf und über 50 in Produktion, hatte die Training und Staff Duties Abteilung als einzige staatliche Stelle „Notes on the Design and Construction of Instructional Films“ für Produzenten herausgegeben, die sich sowohl mit Lehrfilmen als auch mit dem „film strip“ beschäftigten, einem Filmstreifen aus Fotos und Texttafeln, der wie bei einem Diavortrag in Einzelbildern projiziert wurde.24 „As a first and cardinal principle it must be recognised that the purpose of an Instructional film is to teach and, if it is to present a clear picture, it must be shorn of all extraneous material that is not essential to the subject. There is a tendency to blur the instructional value of films by building the subject round a 22 So u.a. der Regisseur Pen Tennyson, die Schauspieler Harold Warrender, Ralph Richardson, Laurence Olivier und Robert Newton. Siehe auch: Naval Film Unit, a.a.O., S. 154 23 u.a. Corvettes (1941); HM Minelayer (1941); WRNS (1941); HM Motor Launches (1942); HMS King George V (1942); Men from the Sea (1943); Close Quarters (1943); Clydebuilt (1944); By Sea and Land (1944); Up Periscope (1944); Time and Tide (1945) 24 Ein Film strip war entweder die Synopsis eines Films, der die wichtigsten Punkte eines Lehrfilms rekapitulierte, und man verwendete ihn als Ergänzung zu einem Filmvortrag, oder man setzte sie als eigenständige „Instructional Stills“ ein. Film wie auch der film strip wurden hauptsächlich jedoch komplementär benutzt. Es sollen bis zu 1100 unterschiedliche filmstrips zum Einsatz gekommen sein 268 story. The argument put forward to justify this practice hinges upon a plausible theory that men under training need a titivation of interest. It is, however, entirely wrong to attract attention to a manufactured story which purports to provide human interest if, in doing so, attention must be aroused by interest in the subject that is being taught. Mental alertness must be aroused by interest in the subject and it should be the main purpose of the designer of an Instructional film to see that the subject is made interesting.“25 25 Film Progress in the Services, a.a.O., S. 212 269 7. Kontrolle über die staatliche Filmproduktion 7.1. Subject for Discussion: Pre-production I: Ideenproduzenten und Drehbuchkontrolle Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit den Produktionsaktivitäten der Films Division, die sie durch Fremdfirmen oder durch eigene Produktionsgruppen durchführen ließen. Es wird beschrieben, wie Produktionen geplant, genehmigt und realisiert wurden. Dabei wird besonders der Frage nachgegangen, wie die Films Division die von den Politikern vorgegebenen Propagandaabsichten umgesetzt hat. Im weiteren werden die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Films Division auf den Verlauf des Produktionsprozesses untersucht. Es interessiert, welche Projekte der Films Division bewusst ausgewählt werden konnten und welche durch Beauftragung zwangsweise produziert werden mussten. Wer konnte bestimmte Filmprojekte ablehnen und was waren sein Beweggründe? Ein letztes Kapitel beschäftigt sich mit dem Abbruch laufender Produktionen. In den ersten vier Monaten ihres Bestehen war die Films Division damit beschäftigt, ein politisches Selbstverständnis wie auch eine effektive Arbeitsstruktur zu finden. In dieser Zeit unterstützte sie Filmproduktionen lediglich durch Hilfestellung bei der Finanzierung und der Bereitstellung von „facilities“. Erst im Frühsommer 1940 begann die Films Division im Produktionsbereich umfassend aktiv zu werden. Woher kamen die Ideen, die die Films Division in Filme umsetzte. Solange Joseph Ball die Films Division leitete, produzierte die Abteilung keine eigenen 270 Ideen für Filme. Ein regulärer Etat für die Produktion von Filmen existierte nicht und offizielle Propaganda, „sponsored by Government“, stand für Ball aus politischen Gründen sowieso nicht zur Debatte.1 Neben der G.P.O. Film Unit, die Anfang September 1939 ihrem Liaison Officer G.E.G. Forbes die Idee für einen Film „showing the calm way in which London had made the transition from peace conditions to those of war“2 vorschlug (das Resultat war The First Days), unterbreiteten nur die American, Empire und Foreign Divisions – die sogenannten User Divisions –, der Films Division Ideen für Filme. „A note may come in from either the Foreign or Empire Publicity Divisions urging that more film material be supplied by the film section for a particular country, or territory.“3 Die drei User Divisions einigten sich auf ein bestimmtes Verfahren im Umgang mit der Films Division, nach welchem sie das Recht besaßen, „to propose subjects which they wish to see treated filmically, and possess also the right to judge the suitability or otherwise from the point of view of the Empire or neutral country with which they deal, of any Ministry film.“4 Vor der Genehmigung des Drehbuchs und der Schnittabnahme sollte die Films Division die User Division konsultieren. Zur Diskussion der Projekte 1 „If money were no object, the various sections of the industry could be subsidised for the period of the war to enable them to compete with the heavily subsidised German industry, and in this event we should fairly quickly be able to supply the whole world with a flood of free films – both feature films, documentaries and news-reels – and we could pay the various renters and exhibitors to show them. But apart from [zwei Worte unleserlich] that such a policy would run into millions, it is doubtful whether it would succeed, since not only would the quality of the material inevitably tend to suffer, but in addition it would tend to become more and more stereotyped, more and more obviously of ‚propaganda origin‘, and ‚sponsored by Government‘; all of which things would cause it to defeat its own object.“ [Films Division: General Policy], PRO, INF 1/196, o.D. [November 1939] 2 G.E.G. Forbes, Memorandum, 9.9.1939. Post Office, P 11692/40, File No. 1 3 [Films Division: General Policy]. PRO, INF 1/196 4 First draft for minute to be signed by American, Empire and Foreign Division Directors, Director General and Minister, with copies to adviser of Foreign Publicity Deputy Secretary and Director of Film Division, o.D. [März 1940], PRO, INF 1/196 271 samt anstehender Probleme wurde ein Joint Committee aus Films Division und den User Divisions gebildet, das sich wöchentlich traf. Im Oktober 1939 einigten sich die User Divisions intern auf eine erste Liste mit sechs Filmen, die man der Films Division mit dem Hinweis vorlegte, dass ähnliche Vorschlagslisten in regelmäßigen Abständen folgen würden. Bis zum Januar 1940 wurden 32 Filmprojekte vom Joint Committee diskutiert. Die Reaktion der Films Division auf das Vorgehen der User Division – nämlich sich passiv zu verhalten – war politisch gesehen klug, garantierte sie doch den Fortbestand der Films Division als eigenständige Abteilung und verhinderte ihre politische Annektierung durch die Foreign Publicity Division, die in der Films Division lediglich einen technischen Handlanger für die Umsetzungen ihrer Ideen und Politik sah. „The Films Section should work as the ‚servant‘ of the Foreign Publicity Division so far as policy is concerned, and its chief function should be, by virtue of the specialised knowledge which it should possess and of its contacts with the film industry, to put into effect the policy laid down by the Foreign Office, the Colonial and Dominions Offices. (...) the balance between this Department and the Foreign Publicity Division should be so modified that instead of this Division running as an end in itself, it should be run as an adjunct to the Foreign Publicity Division.“5 Weder die sechs Filme der ersten Liste noch zahllose andere Projekte der User Divisions wurden je verwirklicht, eine Tatsache, über die sich die User Divisions bitter beklagten. Es sollte noch ärger kommen. Mit dem Amtsantritt von Kenneth Clark als Nachfolger Joseph Balls begann die Films Division die Produktionsaktivitäten von Filmen selbst in die Hand zu nehmen. Am 14.2.1940 erhielten die User Divisions eine Liste von 54 Kurzfilmen, die sich entweder kurz vor oder bereits 5 [Films Division: General Policy]. PRO, INF 1/196 272 im Produktionsstadium befanden. Die meisten Filme waren ohne vorherige Konsultationen mit den User Divisions in Auftrag gegeben worden. Auch wenn von den 54 Produktionen höchstens zehn realisiert wurden6, setzte die Films Division damit doch ein deutliches Zeichen. Zwar dauerte es noch zwei Jahre bis die Eigeninitiative der Films Division auch politisch sanktioniert war – aber staatliche Filmproduktion war ohne die Films Division nicht mehr denkbar. Über die Ideenlieferanten der 54 Projekte ist nichts bekannt. Erst mit Clarks Nachfolger Jack Beddington gewann die Arbeit der Films Division Struktur und es wurden Produktionsschwerpunkte und Ideenlieferanten erkennbar. Themenvorschläge und Ideen rekrutierten sich aus vier Bereichen: (1) Sie kamen entweder aus den Reihen der Films Divisions, (2) aus anderen Abteilungen des Ministry of Information, (3) aus anderen Ministerien, oder sie wurden (4) von außen durch Privatpersonen, Regisseure oder Produzenten an die Films Division herangetragen. Zuweilen enstand eine Melange, bei der nicht mehr eindeutig festzustellen war, wer der ursprüngliche Ideenlieferant war. Da es an einer eindeutig formulierten (Film)Propagandapolitik mangelte, arbeitete die Films Division häufig mit „fremden“ Ideen, übernahm Vorschläge oder überarbeitete sie so, dass neue Themenstellungen entstanden. Etwa die Hälfte der Ideen für Filme kam aus den Reihen der Films Division, die anfangs vier, später fünf Produktionsabteilungen besaß. Neben der eigentlichen Produktionsabteilung steuerten die G.P.O./Crown Film Unit, die 6 Die Zahl kann nur geschätzt werden. Mehr als die drei Anti-Gossip Filme, zwei G.P.O Produktionen und vier Wochenschaukompilationen sind unter der Ägide von Kenneth Clark nicht entstanden 273 Colonial Film Unit, die Non-Theatrical-Abteilung und ab April 1943 die Sektion „Films for Liberated Territories“ Ideen zum Programm der Films Division bei. Auch wenn die drei Filmabteilungen des Heeres organisatorisch zur Crown Film Unit gehörten, und die formale Absegnung durch die Films Division erfolgen musste, projektierten und planten die Filmabteilungen des Heeres eigene Filme ohne Mitwirkung der Films Division. Die Schnittstelle, an der externe wie auch interne Ideen und Vorschläge für Filme zusammenliefen, war die Drehbuchabteilung innerhalb der Production Section der Films Division, die dafür verantwortlich war, „seeing a film through, from the original idea to the final shooting script.“7 Auch die Filme für den nichtkommerziellen Verleih liefen über diese Abteilung. Aus einer EinMann Abteilung im April 1940 entwickelte sich die Sektion im Laufe des Krieges zu einer zehnköpfigen Spezialabteilung der Production Section mit knapp der gleichen Personalstärke wie die anderen Sektionen der Films Division.8 Kenneth Clark hatte seinen Freund, den Schriftsteller John Betjeman im April 1940 als Drehbuchautor und als Script Supervisor in die Films Division geholt, wo dieser in den ersten Monaten vor allem für die Drehbücher der FiveMinute-Films verantwortlich war. Als Kenneth Clark Betjeman zu seinem persönlichen Berater machte, übernahm Anfang 1941 R.A. Burford die Stelle. Im August 1941 stießen Arthur Calder-Marshall und ein weiterer Research Assistant zur Drehbuchabteilung. 7 8 Beddington an Woodburn, 11.8.1941. PRO, INF 1/126 Den neun Senior Grades (Specialists, Assistant Specialists und Research Assistants) der Drehbuchsektion standen ebenfalls neun in der Non-Theatrical Sektion gegenüber, 13 in der Verleihabteilung, 14 in der Liberated Territories Sektion und 15 in der Produktionsabteilung 274 Auch wenn sich die Drehbuchabteilung in den folgenden Jahren wegen des Arbeitsanfalls quantitativ extrem vergrößern sollte, blieb die unter Betjeman entwickelte Arbeitsweise fast gleich. Der Drehbuchspezialist erhielt Anregungen oder Ideen für Filme hauptsächlich von außerhalb der Films Division. Die Abteilung wurde mit – meist unbrauchbaren – Vorschlägen buchstäblich bombardiert. Jeder Interessierte konnte Ideen oder gleich ganze Drehbücher einreichen. Dieses ungesteuerte Procedere war in den ersten Jahren symptomatisch für die chaotische Politik der Abteilung. Irgendwelche Privatpersonen schickten ihr unaufgefordert ausgearbeitete Drehbücher zu, die Public Relations Abteilungen anderer Ministerien, wie z.b. das Ministry of Food, forderten Drehbuchvorschläge an, Berichte von Regional Information Officers wurden als Ideengrundlage benutzt, Produzenten unterbreiteten Filmprojekte. Man nahm, was man brauchen, oder nicht ablehnen konnte. Die Drehbuchspezialisten sammelten die Filmideen und schlugen einen Autor für Treatment und Drehbuch vor, häufig in Absprache mit anderen Abteilungen der Films Division, wie der Produktions- oder der Non-Theatrical Sektion. Die Vorschläge mussten dem Leiter der Films Divsion, Jack Beddington, zur Genehmigung vorgelegt werden. Mit seinem Honorary Adviser Sidney Bernstein stimmte Beddington selten gegen die unterbreiteten Vorschläge.9 Betjeman selbst hat in einem unveröffentlichten Gedicht die Arbeitsweise des Drehbuchabteilung selbstironisch kommentiert. „Take down this letter, dear Miss Broom, And send it – to you know whom Say that we’ve got a peculiar feeling There was an idea received from Ealing Last month – or was it the month before – We’ve lost it – but couldn’t he send some more 9 Siehe auch: Betjeman an Beddington, Scripts for 5-minute films. PRO, INF 1/206 275 Say that we’re glad to have anything new, Sir Make it amusing – write Dear Producer. There’s the letter – now go and compile it Get a reply and forget to file it – Sing, Beddington, Bernstein, Betjeman, Bower Sing, Ho! for the Treasure-ee Sing, Hey! for a Conference once an hour Sing, Ho! for Victore-ee“10 Vom August 1940 bis Ende 1941 mussten die Vorschläge und Ideen aus der Drehbuchabteilung der Films Division auch durch das Planning Committee abgesegnet werden. Der Drehbuchabteilung oblag es danach, einen geeigneten Autor für ein Treatment zu finden. Die Inhalte und die Propagandaabsicht wurden den Autoren vorgegeben. Die redaktionelle Kontrolle oblag der Abteilung, die auch die unzähligen Treatment-Änderungen zu verantworten hatte. Wie Beddington feststellte: „There are few treatments which, owing to the number of policy points involved and the direct interest of other Government Departments, do not require alteration and frequent conferences.“11 Es war Praxis, Filme aufgrund ihres Treatments in Auftrag zu geben, ohne dass ein fertiges Shooting Script vorlag. Wurde der Auftrag einer erfahrenen Produktionsfirma mit eigener Drehbuchabteilung erteilt, bereitete dies auch keine Probleme. Die Drehbuchabteilung des Ministeriums arbeitete eng mit dem Autor zusammen und nahm Einfluss auf den Fortschritt des Buches. Vor allem diente sie als Schnittstelle und Ansprechpartner für andere Regierungs- 10 11 John Betjeman, zitiert nach: Moorehead, Sidney Bernstein, a.a.O., S. 120 Beddington an Woodburn, a.a.O. 276 stellen und Abteilungen des Ministry of Information, denen die fertigen Drehbücher, sofern es sie tangierte, zur Begutachtung vorgelegt wurden. Bei kleineren Dokumentarfilmfirmen, die über keine eigene Drehbuchabteilung verfügten, wurde bald dazu übergegangen, Produktionsaufträge nur noch zu vergeben, wenn ein vollständiges Shooting Script vorlag. Die Drehbuchspezialisten griffen auch selbst zur Feder, wenn eine veränderte politische Situation oder technische Schwierigkeiten die Überarbeitung eines Originaldrehbuchs notwendig machten, „thus obviating in some cases the delay caused by employing a special freelance writer and briefing him in a matter which at this stage may be rather complex, and depend upon fine shades of artistry or policy.“12 Die G.P.O. Film Unit/Crown Film Unit war in der glücklichen Lage sich durch ihre schiere Größe und ihre geographische Distanz zur Zentrale in London zumindest bis 1943 eine relative Unabhängigkeit und Eigenständigkeit gegenüber der übergeordneten Films Division zu behaupten. Auch wenn bald nach Eingliederung der G.P.O. Film Unit in die Films Division andere Ministerien die Dienste der Unit zu nutzen suchten, hatte diese dennoch Gelegenheit, eigene Ideen in Filme umzusetzen; das Resultat war z.B. der erste „offizielle“ Film, der nach Kriegsbeginn produziert wurde, The First Days. Bereits fünf Tage nach der britischen Kriegserklärung hatten Alberto Cavalcanti und die Regisseure Harry Watt, Humphrey Jennings und Jack Holmes „sketched out a film showing the calm way in which London had made the transition from peace conditions to those of war.“13 Der Film sollte nicht nur in Großbritannien sondern auch im Ausland gezeigt werden, eine Idee, die sogar das Joint Committee des British Council und der Travel Association befürwortete, 12 13 Beddington an Woodburn, a.a.O. Forbes, Memorandum, 9.9.1939, a.a.O. 277 wie das Memorandum von G.E.G. Forbes, dem Verbindungsmann der G.P.O. Film Unit in der Films Division, vom 9. 9.1939 weiter festhält. Das Memorandum räumt mit einer Legende der Filmgeschichtsschreibung auf, die auch von Regisseuren der G.P.O. Film Unit gerne aufrechtgehalten wurde, so durch die „Irreverent Memoirs“ von Harry Watt: nämlich der Legende, dass die G.P.O. Film Unit zu Beginn des Krieges in eigener Verantwortung und ohne Unterstützung staatliche Filmpropaganda unternommen hätte.14 Auch wenn Watts Beschreibung die Stimmung jener Tage traf, die Fakten lagen anders. „On the evening of the 8th September I represented to Sir Joseph Ball that the G.P.O. Film Unit, of which the standing charges fall on public funds, is at present doing practically nothing; and that in order to avoid waste of public money and of the enthusiasm of the personnel it was highly desirable to get the Unit to work at once. (...) Sir Joseph agreed that in the circumstances the Unit should get to work at once on a film of the kind indicated, not to exceed a length of two reels or a cost of £ 1.500. (...) I have therefore instructed the Film Unit to proceed at once, in order to take advantage of present opportunities and of the splendid light-conditions.“15 Nach dem gemeinsamen Start mit The First Days war der größte Teil der Regisseure und Mitarbeiter der G.P.O Unit für die nächsten Monate zur Untätigkeit verdammt, denn Squadron 992, und die Arbeiten an Spring Offensive und 14 „Next day [4.9.1939] we got orders to get out of our familiar headquarters in Soho Square and move to the offices of a publicity film company called Spectator Film, in Saville Road. (...) Working at full pressure, within a week we were ready in the new headquarters, poised for action, with half a dozen fully equipped units, miles of film, enormous enthusiasm – and, of course, nothing happened at all! Nothing, not even waffling words of encouragement, or meaningless memos. It was only later that we discovered the abyss of chaos that was our new administrator, the Ministry of Information.(...) As all the work in progress had been cancelled on the declaration of war, we had absolutely nothing to do at all. (...) It was then that Cavalcanti (...) took the law into his own hands, and sent us all into the streets to film anything we saw that was new and different. (...) By the end of about ten days, we had an enormous amount of material and still no word from the Ministry, so, absolutely off our own bat, we decided to make a film of it. (...) We bashed out a script, and, with the help of an excellent commentary by Robert Sinclair, produced a half-hour picture we called The First Days. (...) Off we went to the Ministry and proudly announced ‚we‘ve made a film‘, and they really replied ‚Good God!‘ They seemed genuinely shocked that someone had actually done something, and horrified when we asked them to handle it for us.“ In: Watt, Don‘t Look at the Camera, a.a.O., S. 126-129 15 Forbes, Memorandum, a.a.O. 278 Men of the Lightship lasteten die Unit bei weitem nicht aus, was A.G. Highet, verantwortlich für die G.P.O. Film Unit in der Films Division, zur angekündigten – wenn auch nicht durchgeführten – Entlassung von Cavalcanti, Jennings, Watt und Stewart McAllister veranlassen sollte. Wie sich die Idee zu einem Film durch die aktuellen Kriegsgeschehnisse verändern sollte, zeigt die G.P.O. Produktion The Front Line. Harry Watt war vom Kriegsministerium als Regisseur für einen Film über die Armee vorge-sehen, den die G.P.O. Film Unit verantworten sollte, der aber hauptsächlich aus Filmmaterial bestehen würde, das von Kameraleuten des War Office gedreht worden war. Bei der ersten Durchsicht des Materials Ende Juli/Anfang August 1940 reagierte Watt nicht gerade enthusiastisch: „Pretty scrappy and discursive and lacking the breadth of feeling of quantity that Tritton wants.“ Beddington gegenüber äußerte er den Wunsch, einen weiteren Five-Minute-Film drehen zu dürfen, eine Art Fortsetzung von Britain at Bay, wiederum mit J.B. Priestley als Kommentator, „and the line would be that we now we are ready and even able to strike back. (...) The underlying theme would be the Army principle of a safe base. That before aggressive tactics can be undertaken, bases and supplies must be assured and protected. But that now we are in that position we are no longer crouching behind our defences, but ready and willing to come out and give as good as we get and a bit more.“16 Watt meinte, dass einiges Material des War Office, das hauptsächlich aus Manöveraufnahmen bestand, benutzt werden könne, ansonsten schlug er vor, „that we start on this basis right away and arrange with the War Office to use their Units for the additional shooting necessary, under our supervision“. Ob 16 Harry Watt an Jack Beddington, 3.8.1940. PRO, INF 5/70 279 Harry Watts Versuch, das War Office Projekt auf diese Art und Weise zu einem G.P.O. Projekt umzuwidmen, auf Beddingtons Einverständnis stieß, bleibt offen. Doch das aktuelle Kriegsgeschehen – am 8.8.1940 begann die Battle of Britain mit massiven Tageslichtangriffen deutscher Flugzeuge auf Großbritannien – gab Watt die Gelegenheit, das War Office Projekt in seinem Sinne umzufunktionieren. „I do think that by this time the public are tired of seeing manoeuvres and wish for some real action stuff. To obtain this I suggest that I should go as soon as possible with Captain Rignold to the South Coast and get some action shots of anti-aircraft guns, Lewis guns etc., actually firing against the invading aircraft. If any other development took place we would also be on the spot to obtain exclusive records and valuable propaganda material. (...) I do feel that this is a great opportunity to obtain real war pictures and I hope that the authorities will see their way to letting us have the necessary facilities.“17 Das Kriegsministerium war einverstanden, stellte die gewünschten Drehgenehmigungen für Dover und Umgebung aus und orderte auch Harry Rignold zu Watts Kameracrew ab. The Front Line war der erste „offizielle“ Film, der aktuelle Kampfszenen zeigte. Die Eigenständigkeit der Crown Film Unit war indes eine relative. Natürlich konnten die Regisseure, besonders in den ersten Kriegsjahren noch eigene Ideen in Filme umsetzen, wie Britain at Bay, Heart of Britain, Words for Battle, Target for Tonight18, Ordinary People; Merchant Seamen, A Diary for Timothy und Builders. Das Gros der Filme aber entstand nach Wünschen und Ideen, 17 Watt an C.H. Ward, [Public Relations Department, War Office], 14.8.1940. PRO, INF 5/70 Auch wenn die Films Division gegenüber dem Planning Committee die Idee zu diesem Film als ein Projekt des Air Ministry ausgab, stammte sie aus der Crown Film Unit, wie Harry Watt beschreibt: „Target for Tonight was produced by Ian Dalrymple, but it came about through discussions at the unit before Ian Dalrymple joined us. We were getting very tired of the „taking it“ angle, and so it was decided that we would try and make a film about bombing them, about Bomber Command. The initiative came from us at Crown film unit, not from the air force.“ In: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 128. Auch wenn Erinnerungen trügen könne und Tatsachen häufig idealisiert wurden, ist der Äußerung von Watt zu glauben, siehe auch: Kapitel 7.1., Fußnote 16 18 280 die von außen an die Crown Film Unit oder an die Films Division herangetragen wurde. Der fundamentale Unterschied zu den übrigen Auftragsproduktionen des Ministeriums bestand darin, dass die Crown Film Unit Wahlmöglichkeiten hatte und nicht gezwungen wurde, einen bestimmten Film zu drehen. So griffen die Regisseure Ideen auf und machten sie zu ihren eigenen. Form und Inhalt konnten sie dabei selbst bestimmen. Wie sehr sich dabei eine ursprüngliche Idee verwandelte, gelegentlich gar in ihr Gegenteil, wird in Kapiteln 7.3 und 7.4 beschrieben. Air Vice Marshal Boyd wünschte von der G.P.O. Film Unit einen Film über die Balloon Barrage, aus dem Squadron 992 wurde19; die BBC schlug der Crown Film Unit einen Film über den von Lale Anderson gesungenen Schlager ‚Lili Marlene‘ vor, der zum Lieblingslied britischer Soldaten geworden war, und aus dem Humphrey Jennings seinen Film The True Story of Lili Marlene entwickelte. Seinen Film The Silent Village schrieb Jennings nach einer Idee von Viktor Fischl von der tschechoslowakischen Exilregierung. Der teuerste Film der Crown Film Unit Western Approaches entstand aufgrund eines Vorschlags von Captain C.A.H. Brooking von der Presseabteilung der Admirality, der sowohl Beddington als auch Dalrymple im November 1941 19 Harry Watt beschreibt in seinen Memoiren, wie die Unit zu diesem Projekt kam: „We were starting to rot again when in walked our saviour in the shape of an Air Vice-Marshal Boyd, the commanding officer of the Balloon Barrage. he went straight to the point. ‚I understand you are the official Government film unit, will you make me a film?‘ We chorused ‚Yes sir, please sir‘, and asked for the story. Apparently, morale in Balloon Command was at a very low ebb. (...) The Air Vice-Marshal wanted us to make a morale-boosting film, to show the value and necessity of the balloon barrage and why the continual vigilance of all concerned was vital. (...) I was given the job, and pretty soon found myself stuck for ideas. (...) I couldn't think of an angle by which I could make them at all interesting or attractive until suddenly the Germans saved my bacon. They put on a small bomber raid on the warships around the Forth Bridge, and, believe it or not, there wasn‘t a balloon within hundred miles! They were all concentrated round the dock areas, and immediately there was a frantic rush to move them to the naval bases, including the Forth area. Here was my theme, and I was off.“ In: Watt, Don‘t Look at the Camera, a.a.O., S. 129f 281 ein zehnseitiges Treatment zu einem Film über einen Atlantik-Konvoi mit der Bitte um Prüfung zukommen ließ. „It has the makings of a good propaganda film. (...) The Admirality favours the idea and the Commander-in-Chief Western Approaches is prepared to give full co-operation provided that the film is made on a proper official basis and not merely as a commercial speculation.“20 Brooking fragte gleichzeitig an, „wether the Crown Film Unit might be inclined to take on the production.“ Sowohl Beddington als auch Dalrymple erklärten unabhängig voneinander ihr Interesse an einem Treatment von Owen Rutter, das die Arbeitsweise des Konvoi-Systems beschrieb, „how closely the ships under the White Ensign and the Red Ensign work together in time of war, and how the Royal and Merchant navies together from British sea power.(...) The treatment will be documentary, the actors being the naval, mercantile marine and RAF personnel who are engaged in the operations.“21 Doch trotz des großen Interesses an einem weiteren Propagandafilm über die Handelsmarine – der von der G.P.O. Film Unit produzierte Merchant Seamen war erst sieben Monate zuvor in die Kinos gekommen – hatte Beddington Bedenken wegen zu großer Ähnlichkeit der Themen. Darüber hinaus war die Crown Film Unit gerade mit der Produktion von Coastal Command, einem weiteren Marinethema, beschäftigt. Rutters Konvoi-Filmprojekt wurde inner- 20 Brooking an Beddington, 28.11.1941. PRO, INF 1/213, siehe auch: The War the Documentarists Won: Western Approaches. In: Aldgate/Richards, Britain can Take it, a.a.O., S. 247ff 21 Der ehemalige Armeeoffizier, Schriftsteller und Marinehistoriker Owen Rutter hat als Hauptdarsteller den Kommandanten des Zerstörers, der den Konvoi begleitet, ihn amerikanischen Begleitschiffen in der Mitte des Atlantik übergibt und deren Konvoi für die Rückreise nach Großbritannien übernimmt. Ein deutscher Luftangriff und eine U-Boot Attacke sollten sich mit Szenen auf dem Deck des Zerstörers, der Brücke eines Konvoischiffes, aus dem Hauptquartier von Western Approaches, wo ein Konvoi logistisch geplant wurde und den Büros der Schiffsgesellschaften abwechseln. „Every scene will thus carry conviction by its authenticity“, siehe auch: Aldgate/Richards, Britain Can Take it, a.a.O., S. 248 282 halb der Films Division Arthur Calder Marshall, dem Drehbuchspezialisten der Produktionsabteilung, zur Begutachtung übergeben. Calder-Marshall teilte zwar Beddingtons Bedenken, schätzte das ganze Projekt aber als einen „very valuable and very interesting propaganda film“ ein. „Naval subjects of this type will always be extremely popular, and extremely good propaganda, especially for shipyard workers, the state of affairs in shipyards being such that at the moment we can make no films of shipbuilding. (...) The question of security really governs the whole film (...) A lot of this material of Rutter‘s is extremely interesting and will be very novel to a film audience if it is allowed to be shown.“22 Auch wenn alle Beteiligten den produktionstechnischen und finanziellen Aufwand für das Projekt wohl ahnten, beantragte Dalrymple am 11.12.1941 von Beddington die formale Erlaubnis, das Projekt weiterverfolgen zu dürfen. So wie die Crown Film Unit gegenüber der Production Division der Films Division nicht nur ein eigenständiges Produktionsprogramm zu entwickeln und durchzusetzen versuchte23, wurden auch andere Funktionsbereiche personell verdoppelt. Für das Haushaltsjahr 1942/43 beantragte Dalrymple ein eigenes ‚Script and Research Department‘. „We never had Posts for Script Writers on the Staff. Although the Director normally writes his script, it is now necessary to have one or two persons for primary investigations of subjects and elaboration of sections of Script. I also require a post of Research Officer, making an addition of three Posts under this new department.“24 22 Calder-Marshall an Beddington, 29.11.1941. PRO, INF 1/213 Für Helen Forman war die Crown Film Unit, „which for a time had its own programme of production, which was not tied in with that of the Films Division“, ein relativ autonomer Teil der gesamten Films Division, deren Kontakte lediglich über ihren direkten Vorgesetzten Jack Beddington lief. Helen Forman, The Non-Theatrical Distribution of Films by the Ministry of Information, in: Pronay/Spring, Propaganda, Politics and Film, a.a.O., S. 222 24 Dalrymple an Beddington, c.c. Establishment Division (Mr. Fletcher), 10.3.1942. PRO, INF 1/462. Laurie Lee wurde einer der ersten Mitarbeiter 23 283 Dalrymples Nachfolger J.B. Holmes versuchte sogar das Script and Research Department – wenn auch ohne Erfolg – auf fünf Personen zu erweitern.25 Eine Lieblingsidee von Dalrymple, die sich mit den Vorstellungen von Sidney Bernstein trafen, war die „Film History of the War“. Dalrymple wie Bernstein hatten Beddington ihre Ideen schriftlich unterbreitet. Doch weder die Crown Film Unit noch Bernsteins Sektion für „liberated territories“ konnte die Idee einer Filmgeschichte des Krieges in die Tat umsetzen. „Both Mr. Bernstein and myself submitted schemes for the compilation of a film history of the war: but, as a certain permanent civil servant warned us, with reference to the Treasury, ‚They don’t like History‘.“26 Bis April 1942 war die Colonial Film Unit unter Leitung von Dalrymple ein Teil der Crown Film Unit. Die Colonial Film konnte jedoch gegenüber der Films Division stärker noch als die Service Units eine Eigenständigkeit entwickeln, die nicht nur aus ihrem spezifischen Auftrag resultierte, sondern teilweise auch aus dem Desinteresse der Films Division an einer wenig prestigeträchtigen und dazu noch billigen Produktionsabteilung. Da das Colonial Office die Inhalte kolonialer Propagandapolitik bestimmte und auch ein Vetorecht besaß, ließ die Films Division bis auf wenige Ausnahmen die Colonial Film Unit die Ideen 25 „Although in some cases Directors may continue to write their own scripts, there will be many occasions when a subject can be ‚worked up‘, and even brought to the Treatment or Script Stage, before being handed over to a Director. I do not think it necessary to add to out Staff any expert Script or Dialogue Writers; (...) But I think it essential that we should have at least a small staff of people with intelligence and imagination who would be capable of doing some creative research on subjects and sometimes to write Treatments.“ [H.B. Holmes, J.B.], Crown Film Unit Production Staff. Notes on Proposed Establishment Revision, Juni 1943 (nach 19.6.1943). PRO, INF 1/463. Ob Holmes zusätzliche Mitarbeiter für das Script Department bekam, ist nicht zu ermitteln. Neun Monate später bestand das Script and Research Department jedenfalls nur noch aus ‚Frank O‘Connor‘ (einem Pseudonym) und John Mortimer. [Personal der Crown Film Unit], 16.3.1944. PRO, INF 1/56 26 Ian Dalrymple an Nunn May, 18.12.1941. PRO, INF 1/626 F 405 284 zu ihren Filmen selbst bestimmen. In den Policy Meetings mit Vertretern des Colonial Office, der Colonial Film Unit, der Empire Publicity Division und der Films Division kam es häufig zu Kritik an der armseligen technischen Qualität der Filme, an der fehlenden Kriegspropaganda und der „somewhat haphazard and limited selection of subjects.“27 An der langfristigen Politik des Colonial Office, das eher an Erziehungs- und Wohlfahrtspolitik interessiert war und nicht an Kriegspropaganda, vermochte die Kritik aus den Reihen der Films Division und dem Ministry of Information dennoch nichts ändern. Die Themenauswahl für das Non-Theatrical Programm war durch die unterschiedlichen Zielgruppen und die besondere Vorführweise der Filme bestimmt. Zwei Drittel aller Filme waren Auftragsproduktionen, sogenannte Allied Productions, bei denen die Themen von anderen Ministerien vorgegeben wurden. „The other factor which needs stressing is the constant consultation we had with other government departments. A member of Films Division, or an outside producer, would spent a great deal of time discussing immediate problems and future plans with the Information Officers of the Ministry of Agriculture, or Health or education and so on. These discussions not only produced ideas for specialised instructional films for non-theatrical distribution, but also much wider themes“.28 Neben der eingeschränkten Autonomie, was die Themenauswahl anbelangte, auch wenn die meisten Auftragsthemen in einem wechselseitigen Diskussionsprozess entstanden waren29, hatte die Non-Theatrical Sektion genügend 27 Grossmith an Blaxter, 13.12.1942. PRO, CO 859/46/12155/1 Forman, The Non-Theatrical Distribution of Films, a.a.O., S.223 29 „Films Division and the producers, directors and writers outside it, generated their ideas for films, or a whole series of films, by constant debate, argument, our own research efforts, contacts with subject experts, and other government departments.“ Forman, The NonTheatrical Distribution of Films, a.a.O., S. 222 28 285 Spielraum, eigene kritische Ideen zu entwickeln, zumal sie durch die eingeschränkte öffentliche Präsenz der Filme im „Celluloid Circus“ der Kritik des politischen Apparates fast entzogen waren. So wurden Filme vorgeschlagen wie „‘The Social Services and Democracy‘, the history of our social services – (1) charity, (2) local government control, (3) national planning. The Value of social services to help people become better citizens – to themselves and to society. The distinction of the aim between Nazi Social services and democratic social services, taking a special emphasis on health“30 [oder] ‘Pulling together‘ „the story of social and community planning in this country.“ 31 Gerade letzteres wurde als besonders geeignetes Thema für den nichtkommerziellen Verleih angesehen. Über das weitere Schicksal der Filme ist nichts bekannt. Sie wurden zwar durch das Planning Committee genehmigt, aber dennoch nicht produziert. Die Filmabteilung der Public Relation Section (P.R.2) des Kriegsministeriums unter Roland Tritton war für Filmpropaganda der Armee zuständig. Noch bevor die Abteilung im November 1940 eine eigene Army Film Unit etablierte, unterhielt Tritton engen Kontakt zur G.P.O. Film Unit. In Trittons Auftrag sollte die G.P.O. Film Unit unter der Leitung von Harry Watt im August 1940 einen Film über die Armee fertigstellen, für den Material vorlag, das Kameraleute des War Office gedreht hatten. Der Kontakt zur G.P.O. Film Unit/Crown Film Unit und deren Hilfestellungen blieben erhalten, auch wenn die Army und die RAF Film Unit der Crown Film Unit organisatorisch nicht eingegliedert wurden. Die Ideen für Filme kamen jedoch von der Filmabteilung des War Office. Im März 1942, mit dem Umzug von Crown und den anderen beiden Service Units nach Pinewood, wurde ein Inter-Services Film Publicity Committee etabliert. 30 31 Home Planning Committee, Films: Non Theatrical Production, 2.10.1941. PRO, INF 1/251 Home Planning Committee, Subject: Non-Theatrical Films, 11.12.1940. PRO, INF 1/251 286 Während man die filmische Darstellung der allgemeinen Kriegsanstrengungen weiterhin der Films Division überließ, lag die Verantwortung für die filmische Darstellung der Aktivitäten der kämpfenden Truppe beim Services Film Publicity Committee. Dieses Komitee bestand aus den Verantwortlichen der drei Film Units, Repräsentanten des Ministry of Information und den Public Relations Departments der Armee, Luftwaffe und Marine. Seine Aufgabe war es, „to present a direct and accurate impression of the British and Allied war effort for the information and stimulus of the British, Allied and neutral public; and to secure pictorial records of these momentous times for the examination of posteriority.“32 Auch wenn das Genehmigungs- und Finanzierungsverfahren von Filmen der drei Service Film Units weiterhin über das Ministry of Information abgewickelt werden musste, hatte die Films Division wenig Einfluss auf die Filmprojekte, zumal das Kriegsgeschehen die Themenwahl zwangsläufig choreographierte. Die Filmabteilung des War Office (P.R.2) informierte Beddington lediglich, häufig über Dalrymple, der bis zu seinem Rücktritt im Mai 1943 zugleich auch Honorary Producer der Service Film Units war, über die Themen der projektierten Filme und bat um qualifizierte Meinungen, mehr aber nicht.33 Wie so häufig wurden dabei wichtige Entscheidungen „over lunch“, bei einem Arbeitsessen, den Verantwortlichen der Films Division mitgeteilt. „I lunched with Commander Johnstone of the Admirality Press Division, who stated a film was required featuring the Royal Marines and that a request might be made to Films Division for C.F.U. to undertake it.“34 32 The Combined Services Film Studio, a.a.O., S. 87 So erhielt Beddington am 25.11.1942 von Tritton den ersten Entwurf zu Desert Victory mit einem Kostenvoranschlag über £ 809 für einen 2000 Fuß langen Film mit der Bitte, seine Meinung darüber zu äußern. Beddingtons Zustimmung zu dem Projekt wurde stillschweigend vorausgesetzt. PRO, INF 1/221 34 Crown Film Unit. Board of Mangement. Producer’s Report [Ian Dalrymple]. 29.4.1943. PRO, INF 1/58 33 287 Die Militärs ließen sich die Initiative nicht aus der Hand nehmen. Die Einflussmöglichkeiten der Films Division reduzierten sich noch weiter, als 1943 parallell zum Services Film Publicity Planning Committee ein Joint AngloAmerican Film Planning Committee ins Leben gerufen wurde, das die nationalen Filmaktivitäten der Truppenteile jetzt auch noch mit den Amerikanern und dem OWI abzustimmen hatte. Die Films Division hatte auch über Ideen aus dem eigenen Ministerium zu entscheiden. Neben den bereits erwähnten Filmprojekten der „geographischen“ Publicity Divisions (Foreign und American Division) unterbreitete auch die Empire Division Vorschläge, die vom Policy Committee die Verantwortung für ‚Publicity about the British Empire‘ nicht nur im Ausland sondern auch an der Heimatfront übertragen bekommen hatte. So lag dem Planning Committee am 4.12.1940 unter dem vorläufigen Titel ‚Empire men in Britain‘ ein Filmprojekt vor, aus dem From the Four Corners wurde. „The object is to show the co-operation given by the Empire. The Empire Division has suggested such a film, which will be issued as part of the Empire campaign.“35 Es konnte der Films Division auch passieren, dass übergeordnete Gremien, wie das Policy oder das Planning Committee, oder auch der Minister konkrete Vorschläge für Filme einbrachten. Informationsminister John Reith wollte als eine „measure against apathy“ die Bombardierung eines Leuchtschiffs durch deutsche Flugzeuge propagandistisch ausgeschlachtet sehen. 35 Home Planning Committee, Films, 4.12.1941. PRO, INF 1/251 288 „The Minister referred to the East Dudgeon Lightship incident as a suitable theme. It was generally agreed that this could be dealt with at public meetings, in the press, on films, by the B.B.C. and by posters in that order of importance. (...) It was noted that a principle of treatment should be the diversion of present public resentment away from domestic affairs towards the enemy (...).“36 Mit Men of the Lightship setzte die G.P.O.Film Unit den Auftrag um. Minister Duff Cooper wünschte einen Film über ‚Evacuees‘, „to improve the reception given to evacuees in the reception areas“, den die Films Division als Five-Minute Film realisieren wollte37. Die dritte und zugleich größte Produktionsgruppe waren die direkten Projekte für andere Ministerien, die bevorzugt für den nichtkommerziellen Verleih in der Form des „allied service“ von der Films Division ausgeführt wurden. Die Treasury hatte zu Beginn des Krieges verfügt, dass die verschiedenen Ministerien die Kosten ihrer Publicity über den Haushalt des Ministry of Information abzuwickeln hatten. Ausgaben konnten somit nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Ministry of Information erfolgen. Auf diese Weise kontrollierte das Ministry of Information zwar die Ausgaben für Publicity, hatte aber dennoch fast keinen oder nur geringen Einfluss auf die Inhalte der von anderen Ministerien initiierten Propagandakampagnen.38 Die Films Division wurde dadurch häufig in die Rolle eines ausführenden Produzenten gedrängt, der zwar über die technische oder finanzielle Durchführbarkeit eines Projekts entscheiden konnte, aber keinen Einfluss auf die Themen der Filme hatte, die von anderen Ministerien und deren Public Relations36 Policy Committee, 9.2.1940. PRO, INF 1/848 Home Planning Committee, Five Minute Films, 30.10.1940. PRO, INF 1/251. Auch wenn der Film die Zustimmung des Planning Committee erhielt, so ereilte ihn dennoch das Schicksal der meisten Vorschläge. Als Five-Minute-Film wurde er nicht realisiert 38 Siehe: PRO, INF 1/73 und 864. Sonderstellungen nahmen das Ministry of Food und auch das Schatzamt ein, die direkte Kontakte mit den Werbeagenturen oder Produktionsfirmen unterhielten, unter direkter Umgehung des Ministry of Information 37 289 Abteilungen vorgeschlagen wurden. Der einzige Unterschied zu Eigenproduktionen der Films Division bestand darin, dass die jeweiligen Ministerien für jeden Film die Finanzautorisation der Treasury selbst einholen mussten. Die meisten Filme dienten als Ergänzung oder auch als Visualisierung der in anderen Medien geführten Propagandakampagnen der Ministerien oder anderer staatlicher Stellen. Da sich jede ministerielle Public-Relations-Abteilung allzu gerne auch mit Filmen schmückte, wurde von dem „allied service“ mit der Films Division als Dienstleistungsbetrieb rege Gebrauch gemacht. Da es aber weder eine koordinierte Propagandapolitik der Regierung, noch planmäßige Überlegungen der einzelnen Ministerien gab, die sich nicht an den tagesaktuellen Propagandabedürfnissen orientierte, wurde die Films Division mit einer Flut von Themen überschwemmt, die von ihrer Seite inhaltlich nur schwer zu kanalisieren war. Auf die Themenvielfalt konnte die Films Division nur reagieren, indem sie die Vorschläge, die ihr interessant genug erschienen, übernahm und den eigenen Produktionsprogrammen eingliederte. Viel Zeit, eine eigene Filmpolitik zu entwickeln, blieb dabei nicht. Das Spektrum jener Projekte, die als „allied productions“ realisiert werden sollten, reichte von einem Film über Milchproduktion, den das Scottish Department of Agriculture wünschte, „to stress the importance of hygienic methods in handling milk“39; über einen Film über die Nachschicht in einer Fabrik für das Ministry of Labour, „this would be a descriptive film of night shift in a large factory where there are women. It should show jobs and welfare, and be about the life of the people in a factory, not about the processes“40; das Ministry of Health schlug einen Film über Hospital Nurses vor, „the film will show the working of an emergency hospital – training school, nurses, 39 40 Home Planning Committee, Non-Theatrical Films, 16.1.1941. PRO, INF 1/251 Home Planning Committee, Films: Non Theatrical Production, 2.10.1941. PRO, INF 1/251 290 operating theatre, children‘s ward, and day to day working“41; das Ministry of Food wünschte einen Five-Minute-Film über ‚Special Rations‘, „built around the subject of meeting different kinds of jobs with different kinds of rations and showing how the Ministry of Food is meeeting the problem of special rations for miners, dockers and, perhaps also, special diet for children“42; das Ministry of Supply verlangte einen ergänzenden Film zu Transfer of Skill, „it should show the ‚small workshop‘, say a garage now transferred to the making of one small part which is supplied to a big factory. It is the story of the little man with one little job to do, in the perspective of the whole industrial effort“43; das Board of Education forderte einmal gleich eine ganze Serie von Filmen, „the object of the films is to arouse interest of young people, in the 14-20 age group, in physical training and healthy recreative and social pursuits, and would deal graphically and topically with the necessity to prepare to serve their country“44. Auch bekannte Produktionen der Crown Film Unit wie Target for Tonight und Fires Were Started entstanden als „allied service“. „The Ministry of Home Security has asked for a three-reel film to draw attention to the problem of incendiary bombs. (...) Home Security, however, asked that in addition a dramatic, human three-reel film should be made for commercial distribution in this country. It is proposed that, if the subject is agreed, the film should be made as an allied service by the Crown Film Unit. (...) This film is primarily intended to do for the fire-fighting services what ‚Target‘ did for Bomber Command.“45 Für kurzfristige Propagandakampagnen bedienten sich die Ministerien des Trailer-Programms der Films Division, das ebenfalls zum größten Teil als „allied service“ finanziert wurde. 41 Home Planning Committee, Films Division Proposals, 26.6.1941. PRO, INF 1/251 Home Planning Committee, Films Division Proposals, 18.9.1941. PRO, INF 1/251 43 Home Planning Committee, Films: Non Theatrical Production, 2.10.1941. PRO, INF 1/251 44 Home Planning Committee, Films for Board of Education, 16.1.1941. PRO, INF 1/251 45 Home Planning Committee, Films Division Proposals, 11.9.1941. PRO, INF 1/251 42 291 Auch wenn es so aussah, als betrachteten die anderen Ministerien die Films Division als bloßen Dienstleistungsbetrieb, der in ihrem Auftrag ihre Filmvorschläge in die Praxis umsetzte, hatte die Filmabteilung dennoch genügend Einflussmöglichkeiten, Projekte nach ihren Wünschen zu steuern und zu gestalten. Am Beispiel des Films Manpower läßt sich erläutern, wie diese Einflussmöglichkeiten aussahen. In einem Gespräch, das ein Beamter des Ministry of Labour im Januar 1942 mit einem Vertreter der Films Divsion führte, tauchte zum erstenmal die Idee zu einem Film über die Zwangsrekrutierung von weiblichen Arbeitskräften auf. Das Arbeitsministerium beabsichtigte alle ‚mobile women‘ aus nichtkriegsnotwendigen Industriezweigen, der sogenannten non-essential industry abzuziehen, was bedeutete, dass „no able-bodied unattached women of an age for compulsory service will be allowed to serve behind the counter“46. Ihr Platz sollte von Hausfrauen in Teilzeitarbeit besetzt werden. Gegenüber Anzeigenkampagnen und Plakataktionen favorisierte das Ministry of Labour eindeutig einen Film, „(a) to impress upon non-mobile women that by undertaking part-time jobs which release mobile women for aircraft or ordnance factories, they are performing valuable war work, (b) to convey to employers, delicately, the threat that if they do not part now with their mobile young women and replace them with part-time non-mobile women, they may have the former taken away from them and be unable to find replacements.“47 In der Gesprächsnotiz an Beddington versprach S.G. dem Vertreter des Ministry of Labour, die Idee weiter zu verfolgen: „The film is either worth doing very soon or not at all.“ 46 47 S.G. (?) an Beddington, 27.1.1942. PRO, INF 1/215 S.G. (?) an Beddington, a.a.O. 292 Beddington stimmte weitergehenden Recherchen zu und teilte dies auch Arthur Elton, dem Produzenten der Films Division mit. Am 4.2.1942 erhielt Elton als Diskussionsgrundlage von einem PR-Mann des Ministry of Labour48 den ersten Entwurf für das Filmprojekt. Dieser Entwurf, wenn man sich darauf einigen könnte, sollte auch als Vorlage zur Finanzautorisation gegenüber der Treasury dienen. Gleichzeitig lud Hornsby Elton zu einem Treffen mit dem Direktor der Public-Relation-Abteilung des Arbeitsministeriums ein, mit der Bitte, detaillierte Vorschläge zu unterbreiten. Elton schickte den Drehbuchspezialisten seiner Abteilung, Arthur Calder-Marshall, zu dem Treffen. Das Ministry of Labour wollte einen Film, der das komplizierte Einberufungssystem für Frauen detailliert beschrieb. Mit Hinweis auf bereits laufende Projekte über Frauen im Produktionsprozess konnte Calder Marshall dem Public Relation Director des Ministry of Labour den gewünschten Film ausreden, „we have found out that the Ministry of Labour are not very good at producing their ideas in a clear and filmic way,“49 und ihm statt dessen einen Film mit einem leicht modifizierten Thema schmackhaft machen. „Mr. Frere considered that it would be of great importance if we could make a longer film – some two reels – explaining the whole question of manpower during the war and giving some indication of the way in which women will be more and more absorbed into war industries and the changes that may have to take place in labour policy. This film would not be confined to women in industry or women in the war effort, but would also embrace women in the Forces and men in industry and the Forces. He considered that a general explanation of the plan behind the calling-up of labour (...) would be very valuable propaganda in explaining the background of the new scheme of compulsory call-up and direction.“50 48 L.H. Hornsby, „We are to be asked by the Ministry of Labour to assist them in publicising and explaining Registration, Conscription, ‚direction‘, and also to assist in creating a favourable reaction from women of this country.“ PRO, INF 1/215 49 Calder-Marshall an Beddington, 1.12.1942. PRO, INF 1/215 50 Calder-Marshall an Beddington, 7.2.1942. PRO, INF 1/215 293 Calder-Marshall und Elton waren sich einig, dass das Thema einen „extremely interesting“ Film abgeben würde, der zwar als two-reel non-theatrical geplant werden sollte, „which Baird is quite prepared to accept, but that if it is as good a film as it might turn out to be we should consider the possibility of making it a theatrical special“. Um den Film produzieren zu können, bat Calder-Marshall Beddington, ein detailliertes Treatment und einen Kostenplan in Auftrag geben zu dürfen. Beddington gab sein OK für einen Film „primarily for commercial release“.51 Die letzte Gruppe, die Filmprojekte initiierte, befand sich gänzlich außerhalb des staatlichen Apparates. Seit Kenneth Clark Anfang 1940 die aktive Rolle der Films Division bei der Produktion von Filmen für das Ministry of Information propagiert hatte, fühlten sich Privatpersonen, Filmemacher und Produzenten aufgefordert, die Films Division mit ihren Filmideen anzugehen. Für ihre Five-Minute- und Non-Theatrical-Filmprogramm benötigte die Films Division einen erheblichen Fundus an Ideen. Noch bis Anfang 1941 hatten daher von aussen herangetragene Ideen eine gute Chance, realisiert zu werden, zumal die ursprüngliche Politik bei den Five-Minute Filmen – wenn man Ian Dalrymple glauben kann – darin bestand, vor der Wahl des Themas zuerst einen Filmemacher auszuwählen, der sich sein Thema selbst aussuchen konnte.52 Diese von Dalrymple beschriebene Prozedur war mit Sicherheit die Ausnah- 51 Handschriftliche Anmerkung von Beddington auf der Notiz von Calder-Marshall vom 7.2.1942, a.a.O. 52 „Persons prominent in feature production were invited to make these [five-minute films] at their own risk and allocated £ 500 per film. Makers were free to choose their subjects and, once these were adopted, there was no pressure nor interference. I was allotted two slots and chose for my first an off-shore fort (...).“ Ian Dalrymple, The Crown Film Unit, 1940-43, in: Pronay/Spring, Propaganda, Politics and Film, 1918-45, a.a.O., S. 211 294 me.53 Bevor einem Filmemacher oder einer Produktionsfirma ein Film übertragen wurde, hatte die Films Division wenigstens das Treatment, in den meisten Fälle aber auch das Script abgesegnet. Bevor das Filmprogramm der Films Division durch das Kriegsgeschehen verstärkt beeinflusst wurde, das mit den deutschen Luftangriffen auf London und andere Städte auch an der Heimatfront zu spüren war, und die Propagandabedürfnisse der übrigen Ministerien ihren Einfluss auf die Filmpolitik der Abteilung zeigten, konnte die Films Division eigenständig eingereichte Ideen auf ihre Tauglichkeit überprüfen. „The success of the Ministry films has led to a great increase in the number of ideas and suggestions submitted. Every suggestion must receive consideration. Many of them are completely useless, but some repay careful study.“54 Privatpersonen schickten ausgearbeitete Drehbücher über „What‘s Right With England“55, auf Empfehlung von Leslie Howard erhielt die Films Division ein Drehbuch mit dem Titel „Never Too Late to Learn“56; Produktionsfirmen boten der Films Division Projekte an, wie Verity Film einen Film für das Ministry of Food mit dem Komiker Jack Warner57, und Michael Balcon von den Ealing 53 In seinem Falle höchstens erklärbar durch die besonderen Beziehungen zwischen Cavalcanti, dem Produzenten seines Films, der auch Produzent der G.P.O. Film Unit war, der Films Division und Michael Balcon von den Ealing Studios, der seinen Film produzierte 54 Beddington an Woodburn, 11.8.1941. PRO, INF 1/126 55 „Miss Jane head has sent in a really excellent script, which I have marked with an ‚Action Here‘ slip. It needs a first-class light director.“ Betjeman an Beddington, 20.7.1940. PRO, INF 1/206 56 „A recommendation from Mr. Leslie Howard has resulted in a script being sent in by Mr. T.H. Morahan, to whom I have sent a postcard of acknowledgement, but nothing more. It is called "Never Too Late to Learn" and covers thrift, home food growing, air-raid shelters and air-raid warnings and is far too diffuse for a 5-minute film, but it strikes me that this writer could be used for one of the Ministry of Food subjects.“ Betjeman an Beddington, 20.7.1940, a.a.O. 57 Sydney Box von Verity Film war sowohl Beddington als auch das Ministry of Food mit seiner Idee zu einem Film mit Jack Warner angegangen. Das Ministry of Food versuchte darauf auch Sidney Bernstein für die Idee zu begeistern. Beddington wie Bernstein übergaben beide Veritys Treatment zur Beurteilung an Betjeman, der am 22.8.1940 handschriftlich seinen 295 Studios entwickelte sogar eine ganze Serie von Filmideen, die die G.P.O. Film Unit realisieren sollte. Als Balcon Beddington seine Ideen unterbreitete58, ging er noch davon aus, dass die G.P.O. Film Unit seiner Kontrolle unterstellt würde. Beddington selbst hatte ihm diesen Vorschlag gemacht. Nach Diskussionen mit Fletcher, dem Verbindungsmann der G.P.O. Film Unit im Ministry of Information, hatte Balcon mit Cavalcanti ein erstes Programm für die G.P.O. Film Unit entwickelt, das er Beddington vorlegte. Wie mag sich der Direktor der Films Division gefühlt haben, als er auf diesem Weg über einen Außenstehenden, die Ideen seiner ihm direkt unterstellten Regisseure und Produzenten erfuhr? Harry Watt arbeitete an einem Drehbuch zu ‚H.M.S. Matilda‘, „the idea, which has been outlined to me, seems excellent in every possible way and portrays the spirit of the Navy in a most excellent manner“. Nach einer Idee von Cavalcanti hatte Roger MacDougall, ein Mitarbeiter von Balcon, bereits eine Geschichte über die ‚E.N.S.A.‘ skizziert. Weiter erfuhr Beddington, dass die G.P.O. Film Unit bereits seit einiger Zeit mit einer Filmidee zu ‚Spitfire‘ schwanger ging, „the story would deal with the training of a Spitfire crew, parallel with the construction of the aircraft. The climax would be the crew and the machine in action. The suggested director for this film is Harry Watt of the G.P.O. Film Unit.“ J.B. Holmes war ausersehen, eine Geschichte von Louis Golding zu verfilmen, „it deals with a conventional city warehouse-man who knows something about sea navigation. At the time Dunkirk some friends of his, intending to go across Kommentar lieferte: „I don‘t think by turning a serious instruction into a comic one, you are going to get the point across – even with Jack Warner. But if the don‘ts are to filmed this is a way of showing them that‘s at least bearable. I am not mad keen on this film but am open to argument.“ Betjeman an Beddington, 22.8.1940. PRO, INF 1/207. Die Akte enthält auch den Briefwechsel zwischen Verity Films und der Films Division. Der Film wurde nicht produziert 58 Michael Balcon an Beddington, 1.8.1940. PRO, INF 1/57. Die nachfolgenden Zitate sind diesem Brief entnommen 296 in a fire float, ask him for his help. He takes his top hat off the peg and navigates them across in top hat and frock coat, returning to his office without any fuss at the completion of the job.“ Beddingtons Antwort an Balcon vom 2.8.1940 ist nicht erhalten, mit Sicherheit war er ‚not amused‘. Aus Balcons Reaktion59 lässt sich jedenfalls schließen, dass Beddington seine ihm gegebene Zusage betreffs der Übernahme der G.P.O. Film Unit zurückgenommen hatte. 59 Balcon an Beddington, 6.8.1940. PRO, INF 1/57 297 7.2. Subject Discussed: Pre-Production II: Das Planning Committee als politisches Entscheidungsgremium für die filmische Umsetzung von Propagandaideen Die letzte Hürde, die ein Filmprojekt beim Weg durch die Instanzen des Ministry of Information zu nehmen hatte, war das (Home) Planning Committee. Das Planning Committee besaß die Autorität, Projekte zu genehmigen, abzulehnen oder zu modifizieren. Die Entscheidungsgewalt, die dieses Gremium hatte, war aber nur eine scheinbare, wie sich aus den Akten und Protokollen des Komitees ablesen lässt. Mochte eine Propagandaidee dank ihrer Eindimensionalität und der deutlich erkennbaren Absicht problemlos genehmigt werden, so konnte das fertige Produkt später in jeder Hinsicht ganz anders wirken und unerwartete Reaktionen nach sich ziehen. Das Wissen um diese Ambivalenz nutzte die Films Division in ihren Vorlagen für das Planning Committee weidlich aus, um sich Projekte genehmigen oder unliebsame Entscheidungen abnehmen zu lassen, etwa Projekte wieder loszuwerden, hinter denen sie nicht voll stand. In den Augen der Films Division war das Planning Committee nicht mehr als eine formale Hürde, auf dem Weg zur Produktion von Filmen. Vorläufer des Planning Committee war das Home Morale Emergency Committee, das im Mai 1940 vor dem Hintergrund einer möglichen militärischen Niederlage des British Expeditionary Force in Frankreich gebildet worden war, mit der Aufgabe „of examining methods to maintain public morale during the days of stress and danger.“1 Als die Katastrophe von Dunkerque ausblieb, 1 Home Morale Emergency Committee, Report to Policy Committee, 4.6.1940. PRO, INF 1/254. Das Komitee setzte sich aus Harold Nicolson, dem Parlamentarischen Staatssekretär, Kenneth Clark und Ivor Macadam zusammen 298 wurde das Home Morale Emergency Committee Anfang Juni 1940 in das (Home) Planning Committee überführt, „it was constituted in order that there might be some body in the Ministry which could follow up in detail the general lines of policy laid down by the Policy Committee.“2 In der Praxis waren die Funktionen des Home Planning Committee noch umfassender. Das Gremium sollte Forum für Vorschläge der Abteilungen sein aber auch Anregungen von außerhalb der Ministerien miteinbeziehen, „especially when such suggestions touched on the Ministry‘s policy as a whole or affected more than one Division.“ Im August 1940 wurde die Zusammensetzung des Committee nochmals verändert und seine Kompetenzen erheblich erweitert. „The Committee would be a co-ordinating piece of machinery designed to canalize from time to time the aims and objects of the Ministry so as to secure a cumulative effect. All posters, leaflets and other publications would be submitted for approval as to form, appearance and contents. (...) no fresh financial commitments might be made without the Committee‘s approval.“3 Mit Kenneth Clark wurde die neu geschaffene Position eines Director of Productions besetzt, der für die Umsetzung der Regierungspolitik in den ver- 2 Planning Committee, 19.8.1940. PRO, INF 1/249. „Thus, the Policy Committee gave a general instruction to stop rumour; the Planning Committee decided what part should be played by various means, and discussed the general lines of the campaign with the heads of Divisions present. The heads of the Divisions then worked out their schemes in detail and brought them back to the Planning Committee, who, when they were satisfied with them, reported them to the Policy Committee.“ Bis zum 21.8.1940 bestand das Komitee aus den Leitern der verschiedenen Abteilungen, wie General Division, Broadcasting, Films, Regions, Commercial Relations, Religion und Finance; dem Parlamentarischen Staatssekretär Harold Nicolson und zwei Abgeordneten 3 Planning Committee, 21.8.1940. PRO, INF 1/249. Vorsitzender des Gremiums war der Director General des Ministry of Information und als sein Stellvertreter fungierte – in einer neu geschaffenen Funktion – ein Director of Productions 299 schiedenen Medien verantwortlich war.4 Auch legte man in einer der ersten Sitzungen die zukünftigen Arbeitsrichtlinien des Ministeriums fest.5 Im Hinblick auf die Films Division hatte as Planning Committee nie die aktive Rolle gespielt, die sie gegenüber Printmedien und Radio ausfüllte. Ideen oder konkrete Vorschläge aus den Reihen des Gremiums an die Adresse der Films Divisions blieben eine Seltenheit. Eine Aufforderung, wie sie das Home Morale Emergency Committee noch im Juni 1940 aussprach, „I think it is most important that we should embark without the slightest delay on short documentary films illustrating what the citizen is doing now to assist the national war effort and also what he should do in the event of invasion“6, vermisst man in den Protokollen des Planning Committee. Das Komitee reagierte nur auf die Vorschläge und Tagesordnungspunkte, die die Films Division einbrachte; die aktive Rolle lag bei der Films Division. Selbst bei der Diskussion allgemeinerer Propagandaabsichten, wie etwa die Behandlung der ‚Battle of the Atlantic‘, kam es zu keiner direkten Handlungsanweisung an die Films Division. Das Planning Committee gab lediglich zu Protokoll: 4 Der Director of Production hatte die Funktion: „(a) To give formal and tangible expression to the policy and activities of the Government in so far as they fall within the scope of the Production Divisions of the Ministry, i.e., those Divisions responsible for the various media of publicity other than news. To bring up programmes for that purpose, to ensure coordination of effort within the Ministry. (b) To survey and approve the entire output of the Production Divisions in order to maintain a standard of quality and a uniformity of treatment which would ensure a high reputation for such output.“ Planning Committee, 21.8.1940. PRO, INF 1/249 5 „(a) Output should be strictly limited, and choice thus made necessary. (...) (d) The Ministry itself to undertake no major work but to use ordinary trade channels wherever these are adequate. (...) (h) No production except as part of a programme. (...) (l) The Ministry to remain as anonymous as possible, using the voices of others to put across its material. (...) (m) Production to be planned three months in advance (...).“ Planning Committee, 21.8.1940, a.a.O. 6 Anger Campaign, 8.6.1940. PRO, INF 1/251 300 „While the departments concerned declared that the dangers of the Merchant Navy must not be stressed for fear of scaring seamen out of signing on for service, the ship owners held that seamen could only be persuaded to serve if the dangers were stressed, though in combination with emphasis on the vital importance of the job done. It was agreed that publicity at home had to take into account both the encouragement of merchant seamen – where womenfolk were probably the key – and the creation of interest among the public as a whole.“7 Mehr als Anregungen für die einzelnen Abteilungen konnten solche Aussagen nicht sein. Die politischen Statements des Policy und des Planning Committee lieferten in ihrer Vagheit der Films Division genügend Möglichkeiten und Freiräume bei der Begründung ihrer Filmprojekte. Mit der oben zitierten Entscheidung des Planning Committee hatte die Films Division keinen direkten Handlungsauftrag erhalten, konnte sie aber für mehrere Projekte nutzbringend einsetzen, etwa um einen Film fertigzustellen, der bereits im Sommer 1940 unter dem Arbeitstitel ‚Able Seamen‘ abgedreht worden war,8 oder auch um die Filmprojekte ‚Trawlers‘9 und Western Approaches zu begründen. 7 Planning Committee minutes, 3.4.1941. PRO, INF 1/249 Das oben erwähnte Statement erleichterte der Films Division die Fertigstellung von Merchant Seamen 9 Für einen Film, „dealing with trawlers convoying ships in Battle of the Atlantic“, wurde das Planning Committee gebeten, die Kosten für ein Drehbuch zu genehmigen (Home Planning Committee, Films Division porposals, 1.5.1941. PRO, INF 1/251), dem es auch nachkam. Am 22.5.1941 lag ein Antrag der Films Division zur Produktionsgenehmigung vor. „The film has now been scripted and Films Division seeks authority to put it into production with the Crown Film Unit at the direct cost of £ 3.216. 2. 0 as a three reel film. As a result of their experience with the film Merchant Seamen, and because of the contacts already made, as well as the general standard of their work, it seems desirable that the Crown Film Unit should be given the commission. The film will describe the work of the minesweepers and it is felt that the film would receive commercial distribution.“ (Home Planning Committee, Films, 22.5.1941, PRO, INF 1/251). Die Finance Division meldet im selben Papier ihre Bedenken wegen möglicher Arbeitsüberlastung der Films Division an: „Finance Division is in doubt whether another film of this magnitude should be added to the work of the Film Unit which has already large outstanding commitments.“ Als der Crown Film Unit im November 1941 das Drehbuch zu einem Film über Convoys vorgelegt wurde, aus dem sich Western Approaches entwickeln sollte, wurde das Projekt ‚Trawlers‘ zugunsten des neuen Films fallengelassen 8 301 Das Planning Committee machte der Films Division selten Schwierigkeiten, und folgte in fast allen Fällen dessen Vorschlägen. Die Freundschaft zwischen dem Leiter der Films Division, Jack Beddington, und Kenneth Clark, dem neuen Director of Production, erleichterte Entscheidungen zugunsten der Films Division. Dass die Films Division häufig völlig anders vorging als vom Planning Committee beschlossen, lassen nur den Schluss zu, dass Beddington volle Rückendeckung von Clark hatte. Für die Genehmigung eines Projekts mussten die produzierenden Abteilungen einen schriftlichen Antrag stellen. Bei Filmprojekten entschied das Planning Committee über Vorlagen, die auf eine griffige Idee oder ein anschauliches Thema reduziert waren. Die kumulierten Themenvorschläge wirken dabei wie eine Anhäufung (kriegsbedingter) Banalitäten (Verkehrssicherheit auf den Straßen; Seuchengefahr durch Ratten; Seenotrettung; Gaffer bei Bombenschäden; den Bau von Luftschutzkellern; den Black-out; Leben im Luftschutzkeller; moderne Landschulen; Volksküchen; das Radio im Krieg; Evakuierung; Erste Hilfe). Die Reduzierung auf jeweils ein Thema ließ der Films Division bei der Realisierung der Projekte alle Optionen offen. Das Planning Committee segnete einen Film über ‚War and the National Gallery‘ ab, der in den Protokollen als ‚R.A.F. Fighters and R.A.F. Music‘ aufgenommen wurde.10 Dass sich dahinter die erste Idee zu Humphrey Jennings Listen to Britain verbarg, macht nur die Autonomie und auch Kreativität der (Filme)Macher und -produzenten gegenüber den Absichten der Propagandisten des Staatsapparates sichtbar.11 Um die Entscheidung für ein bestimmtes Thema zu forcieren, genügte der Films Division meist ein kurz formulierter Hinweis auf den Propagandawert 10 „Film connecting National Gallery Concert by R.A.F. String Quartett with R.A.F. defence of Britain.“ Home Planning Committee, 1.5.1941. PRO, INF 1/251 und INF 1/249 11 Siehe auch, Vaughn, Portrait of an Invisible Man, a.a.O., S. 84f 302 des Films12, oder die Zusage der Unterstützung des Projekts durch ein anderes Ministerium13. Zur Genehmigung eines Films musste neben einer kurzen inhaltlichen Beschreibung, die Länge des Films in Rollen (eine Rolle entspricht ca. 600 Meter 35mm-Film), die Einordnung in eines der Produktionsprogramme, die voraussichtlichen Produktionskosten und die bereits im Vorfeld eingeholte Zustimmung durch die Finance Division vorliegen.14 Zur Wiedervorlage von Vorschlägen kam es nur, wenn die Genehmigung durch die Finance Division ausstand oder der Ausschuss eine detailliertere Projektbeschreibung verlangte. 12 „The Army Film Unit has taken some interesting material showing tactical FOOTBALL IN THE ARMY, a special game which has been developed for a large number of men to encourage resource and initiative as well as provide exercise. Films Division is of opinion that the subject would make an excellent film for the five-minute series and authority is sought accordingly.“ Home Planning Committee, Film proposals, 12.6.1941. PRO, INF 1/251. Andere Filme würden „encourage by example“, oder helfen, „to reassure“ oder den „spirit of Christmas“ zu evozieren 13 „Films Division proposes to make a film showing the WORK OF AFRICANS IN ENGLAND, particularly the work of an A.R.P. African warden in this country. The Colonial Office strongly supports the proposal and authority is sought to proceed with a five-minute film on the subject.“ Home Planning Committee, Film Division Proposals, 26.6.1941. PRO, INF 1/251 14 Für den Film Christmas Under Fire lag dem der Sitzung des Home Planning Committee am 13.11.1940 (PRO, INF 1/251) folgende Vorlage zur Abstimmung vor: „(1) One-reel film on Christmas Eve, 1940. (2) The film is intended for release before Christmas, both in this country and America, to show, without sentimentality, the spirit of Christmas. A treatment has been received and is regarded as a very promising basis. (3) This will be a documentary film for commercial distribution. The home version will be shorter than the version for overseas. (4) Production cost is estimated at £ 1.250 or, if colour is used, £ 2.000. Films Division will, of course obtain budget for examination by Finance before commissioning the film. It has not yet been satisfied itself that colour is desirable, but further enquiries are being made. In order to have the film ready by Xmas, it will be necessary to go into production almost at once, and authority is sought to proceed accordingly. (5) It is suggested that it is unlikely this Film will be completed in time for release in America before Xmas. There is no evidence at present to enable Finance Division to agree to £ 1.250 or £ 2.000, as an estimate of the cost of the film. Finance would wish to see a budget beforehand if the scheme is approved. (6) Treasury authority is not required.“ 303 In seltenen Fällen verweigerte das Planning Committee seine Zustimmung zu einem Filmthema15, Einschränkungen oder Ergänzungen wurden dagegen schon häufiger formuliert; zu dem Film ‚Trawlers‘ etwa: „As far as possible, emphasis on risks run in trawlers was to be avoided“16, oder einem Film über den W.R.N.S. [Women’s Royal Naval Service]: „Authority given to have a script prepared, as a film to give information rather than to encourage recruiting“.17 Es war ein glücklicher Zufall, dass Kenneth Clark als ehemaliger Leiter der Films Division nun eine verantwortliche Position im Planning Committee innehatte. Die Films Division hatte dadurch keine Schwierigkeiten, sich sowohl die Programme für das Five-Minute-Film-Scheme als auch für den Non Theatrical-Verleih absegnen zu lassen, die sich schon unter Clarks Leitung der Films Division zu entwickeln begannen. Für die ersten Filme des Five-Minute-Programms hatte die Treasury eine Produktionspauschale von jeweils £ 500 genehmigt. Diese Summe erwies sich als unflexibel und zu niedrig.18 Die Films Division legte daraufhin dem Planning Committee ein Programm für das Five-Minute-Scheme vor, das auch im Detail festlegte, wie bei der Produktion der Fünf-Minuten-Filme vorzugehen war. 15 Das Komitee verweigerte seine Zustimmung zu Filmen über ‚Die Welt nach dem Krieg‘, über britische Lebensgewohnheiten durch die Augen der Nazis gesehen, über die Zensur von Briefen und Telefonaten. Siehe auch: Kapitel 7.5. 16 Home Planning Committee minutes, Tagesordnungspunkt 507, 9.1.1941. PRO, INF 1/249 17 Home Planning Committee minutes, Tagesordnungspunkt 786, 10.4.1941, PRO, INF 1/249 18 Die Films Division hatte den begründeten Verdacht, dass viele Produzenten ihre Ausgaben nicht vollständig abrechneten, um in der Auftragssumme zu bleiben, und benutzte dies auch in ihrer Argumentation zur Erhöhung der Pauschalsumme. „It has, indeed, reason to believe that some of the producers have not cleared expenses, and production within the limits laid down has often been possible only by the public spirit of members of the cast and the technical staff in giving their services free of charge, or at greatly reduced rates.“ E.L. Mercier in einer Vorlage für das Home Planning Committee. Subject: Five-Minute Films, 13.11.1940. PRO, INF 1/251 304 „1). Approval will be sought from the Committee for all new subjects, and Films Division will, if necessary, incur expenditure not exceeding £ 25 per subject in preparation. 2). A budget will be obtained for each film. If the cost is £ 600 or under, Films Division will commission the film, if satisfied, and pass the budget to Finance for information. 3). If the price exceeds £ 600 but does not exceed £ 750, Films Division will commission the film only after Finance Division has agreed the budget. 4). If the price exceeds £ 750, the matter will be submitted to the Committee.“19 Das Planning Committee akzeptierte die Vorschläge der Films Division in vollem Umfang.20 Die Films Division verstand es hervorragend das Planning Committee für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Es war unvermeidlich, dass etliche Produktionen der Films Division Themenbereiche tangierten, die in die Verantwortung anderer Abteilungen oder Ministerien fielen. Da das Planning Committee einen Koordinierungsauftrag hatte, oblag es ihm, etwaige Konflikte wegen möglicher Kompetenzüberschreitungen im Vorfeld auszuräumen, was das Planning Committee stets zur Zufriedenheit der Films Division erledigte.21 Für Filme, die die Films Division unbedingt als Eigenproduktionen durchführen wollte, waren die Begründungen generell ausführlicher, und durch geschickte Formulierungen wurde dem Planning Committee die Entscheidung für ein Projekt fast zwingend vorgegeben: „Films Division asks authority to proceed accordingly, in view of the appeal of the subject to audiences on both sides of the Atlantic and of the importance of stressing the work of the merchant seamen and the factory workers in 19 Home Planning Committee: Subject: Five-Minute Films; a.a.O. Home Planning Committee, 20.11.1940. PRO, INF 1/249 21 „The Committee were inclined to proceed with this film [unter dem provisorischen Titel ‚It All Depends On Me‘] provided that it was general in character and not primarily concerned with factory production. In view, however, of some doubts as to the wisdom of risking a conflict with the Ministry of Labour, Sir Kenneth Clark promised to consult D.G.“ Home Planning Committee minutes, 1.5.1941. PRO, INF 1/249 20 305 America and England by a film which has entertainment as well as propaganda value.“22 Die Films Division bediente sich auch bei dem Versuch, Filmprojekte anderer Ministerien zu boykottieren des Planning Committee. Musste die Films Division den Vorschlag eines anderen Ministeriums für eine „allied production“, die sie selbst nicht wollte, dem Planning Committee vorlegen, konnte die geschickte Formulierung des Antrags zum gewünschten Ergebnis führen. Ein Projekt des Ministry of Supply wurde auf diese Weise gekippt.23 Bei Projekten, die ebenfalls keine Zustimmung der Films Division fanden, aber die das beauftragende Ministeriums unbedingt wünschte, und die nicht durch geschickte Formulierungen umzustoßen waren, überließ die Films Division nach Darlegung ihrer Ablehnungsgründe die Entscheidung für oder gegen ein Projekt dem Planning Committee: „Films Division has again carefully considered the matter. It sees no means by which Black Markets can be dealt with on the screen without the danger of arousing antagonism to shopkeepers, increasing the knowledge of Black Markets and arousing criticism of the government for not stamping out the offence by energetic administrative action. In view of the personal interest of the Ministry of Food in having the subject dealt with on the screen, Films 22 Home Planning Committee, Films Division Proposals, 16.10.1941. PRO, INF 1/251. Bei dem Antrag handelt es sich um die Genehmigung der Crown Film Unit-Produktion We Sail at Midnight, der das „lend-lease“ Programm zum Thema hatte 23 „The Ministry of Supply consider that such a film would be especially suitable for America and would be informative and reassuring at home. If made for America, the film would be for non-theatrical showing, but Finance Division are not satisfied that the prospects of obtaining such showing in America are good enough to justify the film being made solely for that purpose. If, however, the material proved suitable, it might be used for a 5-minute film at home. The Committee is therefore asked to consider wether on the strength of this possibility it will authorise the expenditure of £ 50 for examination and screen treatment of the subject.“ Home Planning Committee, Films Division Proposals, 1.5.1941. PRO, INF 1/251. Die Antwort des Gremiums war die gewünschte Ablehnung: „It was suggested that a considerable amount of similar material was available, some of which had been exhibited, and that fresh treatment would be difficult to obtain.“ Home Planning Committee, 1.5.1941. PRO, INF 1/249 306 Division, which would be very glad to abandon any project for films on Black Markets, seeks the guidance of the Committee.“24 Die legendäre Flexibilität der Films Division, ihre Fähigkeit, jederzeit auf die aktuelle politische Situation, auf die Wünsche anderer Ministerien oder eigene Bedürfnisse reagieren zu können, lag an der Vielzahl an Projekten, die sie gleichzeitig in Bearbeitung hatte. Dem Planning Committee wurden zahlenmäßig mehr Filme zur Genehmigung vorgelegt, als es der Finanzrahmen der Films Division erlaubte. Ein Konflikt mit der Finance Division war dadurch vorprogrammiert. Die Finance Division brachte das Problem zwar vor das Gremium25, setzte sich aber nicht durch, da die Films Division es schaffte, die Vorwürfe ins Positive zu wenden. „As regards the difficulty caused by the exhaustion of the quota authorised in the Ministry‘s film programme, it was to be regarded that some of the subjects in hand would never be completed, and that it was consequently legitimate to have in hand rather more subjects than the programme might allow.“26 Detaillierte Finanzpläne interessierten das Planning Committee wenig. Es gab der Films Division lediglich den Auftrag sich mit der Finance Division intern zu einigen, insbesondere was die kostenmäßig weit überzogenen Projekte der Crown Film Unit anging. Die Eigenproduktionen des Ministeriums wurden zwar selten abgelehnt, doch verlangte das Planning Committee nötigenfalls unter der Auflage sich untereinander zu einigen eine erneute Vorlage des ü- 24 Home Planning Committee, Films Division Proposals, 2.10.1941. PRO, INF 1/251. Das Home Planning Committee ließ Recherchen und Treatment für einen Trailer zu. Doch musste die Produktion „aus politischen Gründen“ abgebrochen werden 25 „Finance Division point out that the number of documentary films now in production (15) and in preparation (10+) will fill the Ministry‘s authorised programme for practically a year ahead. They therefore, ask that the present proposal should only be approved on condition that the situation is discussed between Films and Finance Divisions before any further proposals are put forward.“ Home Planning Committee, Films Division Proposals, 15.5.1941. PRO, INF 1/251 26 Home Planning Committee minutes, Tagesordnungspunkt 887, 15.5.1941. PRO, INF 1/249 307 berhöhten Budgets. War auch danach keine Einigung zu erzielen, gab es noch die Möglichkeit das „Executive Board“ anzurufen. „In the event of any differences arising on this wider question of policy, they might conveniently be reffered to the Executive Board.“27 Auch wenn das Planning Committee glaubte, Einfluss auf die Initiierung und Ausführung von Propagandaideen zu haben, traf dies im Falle der Films Division nicht zu. Der aktive Part lag bei der Films Division, die Themen oder Vorgaben nach Lust und Laune veränderte, sich über vorgegebene Inhalte hinwegsetzte oder gar genehmigte Stoffe aus dem Programm warf und durch andere ersetzte. Natürlich konnte sich im Verlauf der Arbeit an einem Film die ursprüngliche Propagandaabsicht verändern: ein Film, der zum Blutspenden aufrufen sollte, wurde etwa zu einem Film, der sich unter technischen Aspekten mit dem Thema Bluttransfusion beschäftigte28; ein Film über ein Play Centre in Wales erwies sich als „not satisfactory“ und wurde durch einen Film über eine Kindertagesstätte ersetzt; ein Five-Minute-Film wurde zu einem langen Dokumentarfilm gestreckt, der kommerziell ausgewertet werden sollte, so geschehen bei Ferry Pilot29. Es passierte auch, dass genehmigte Projekte durch vollständig neue Themen ersetzt wurden: aus einem Filmprojekt, „showing how people are learning to adjust themselves to the disorganisation caused by air raids“, wurde ein Film über die Bedeutung der Home Guard. Es konnte auch vorkommen, dass die Films Division Filme, die das Komitee bereits gebilligt 27 Home Planning Committee minutes, 22.5.1941. PRO, INF 1/249. „Mr. Bamford said, that this subject had shifted its character from a film designed to attract blood-donors to a technical film on the whole subject.“ Home Planning Committee minutes, Tagesordnungspunkt 886, 15.5.1941. PRO, INF 1/249 29 Home Planning Committee, 15.5.1941. PRO, INF 1/249 und 1/251 28 308 hatte, ersatzlos unter den Tisch fallen ließ.30 In allen Fällen blieb dem Planning Committee nichts anderes übrig, als die Änderungen nachträglich zu billigen. Auch über protokollierte Empfehlungen setzte sich die Films Division hinweg. Für einen Film über ‚Coughing and Sneezing‘ hatte das Planning Committee bestimmt, „a serious instructional film might be made for the non-theatrical programme, but that a subject which tried to correct personal manners would give an impression of official fussiness and was unsuitable for the five-minute programme or for humorous treatment.“31 Mit The Nose Has it produzierte die Films Division genau das Gegenteil, einen humorvollen Five-Minute-Film mit dem Komiker Arthur Askey in der Hauptrolle. Das Komitee erhielt zwar die Ergebnisse der Publicity-produzierenden Abteilungen zur Kenntnis, konnte sie aber nur akzeptieren, da es mit der konkreten Realisierung eines Films nichts mehr zu tun hatte. Der Einfluss des Planning Committee endete mit der Genehmigung eines Filmprojekts. Da seit August 1940 alle Publicity des Ministry of Information dem Planning Committee zur Autorisierung vorgelegt werden musste, geben die Protokolle des Komitees Aufschluss darüber, wo sensible politische Bereiche lagen. Auch wenn vieles bereits im Vorfeld geklärt wurde und die Zustimmung des Planning Committee meist nur Formsache war, erlauben die wenigen abschlägigen Entscheidungen des Komitees interessante Einblicke in das Weltbild von dessen Mitgliedern. 30 Ein Five-Minute-Film unter dem provisorischen Titel ‚Over the Counter‘ , der die ‚Limitation of Supply Order‘ erläutern sollte, hatte das Planning Committee am 10.3.1941 genehmigt. Auf der nächsten Sitzung des Gremiums teilt die Films Division mit, dass sie das Projekt fallengelassen hat. Home Planning Committee minutes, Tagesordnungspunkt 249, 20.3.1941. PRO, INF 1/249 31 Home Planning Committee minutes, Tagesordnungspunkt 963, 12.6.1941. PRO, INF 1/249 309 Vorsicht schien der oberste Grundsatz. Unerwünscht war: Alternativen zur bestehenden Wirtschaftsordnung aufzuzeigen; bestimmte Wirtschaftsgruppen vor den Kopf zu stoßen; utopische Vorstellungen zu entwickeln; die Überwachung der Bevölkerung auch nur anzudeuten; den Feind zu verunglimpfen oder lächerlich zu machen; Humor zu verbreiten. Eine der ersten Entscheidungen des Planning Committee betrafen einen Film über das ‚Co-operative Movement‘. Die Films Division, die kalte Füße bekommen hatte, erwartete eine Grundsatzentscheidung über die „political desirability“ eines solchen Films. Die Entscheidung war klar, doch im Protokoll der Sitzung eindeutig zweideutig formuliert. „The committee agreed that such a film could only handled by the Ministry after the most careful consideration, if at all, and that the proper people to produce it were the Co-operatives themselves.“32 Versorgungsengpässe durch Mangel an Rohstoffen hatten viele kleine Ladenbesitzer und Handwerker in den Konkurs getrieben. Das Board of Trade hatte eine „Limitation of Supply“-Verfügung erlassen, welche die Verteilung von Waren und Kosumgütern regeln sollte. Zu dem Thema hatte die Films Division ein Filmprojekt entwickelt, ‚Over the Counter‘, welches das Planning Committee bereits abgesegnet hatte. Nach internen Diskussionen nahm die Films Division jedoch Abstand davon, den Film zu produzieren, um eine bestimmte wichtige Gruppe von Kinogängern nicht vor den Kopf zu stoßen, „because it was felt by small shopkeepers, who composed a large part of cinema audiences, that they were being unfairly treated in this matter as compared with big stores.“33 32 33 Planning Committee, Tagesordnungspunkt 236, 5.8.1940. PRO, INF 1/249 Planning Committee, Tagesordnungspunkt 731, 20.3.1941. PRO, INF 1/249 310 Auch wenn das Komitee gern eine Verzahnung der verschiedenen Publikationsformen zur Propagierung der Verfügung gesehen hätte – es gab auch eine Pressekampagne zu diesem Thema – akzeptierte es die von der Films Division angeführte Begründung. Ein heikles Thema, über das man nicht gern redete, war die Überwachung der Bevölkerung, wie z.b. das Abhören von Telefongesprächen. Auf Vorschlag des General Post Office, von der Home Intelligence Section befürwortet, brachte die Films Division einen Film über Telephone Gossip zur Vorlage. Das Planning Committee stimmte zu, unter der Bedingung, „that no mention should be made of censorship on conversations on the telephone.“34 Auf heftigste Ablehnung („rejected“) stieß ein Projekt für einen Five-MinuteFilm, der deutsche Propaganda beim Wort nehmen und britische Lebensgewohnheiten in der Form ihrer deutschen Darstellung und Verbreitung karikieren sollte. Dieses „anstößige“ Unternehmen war dem Planning Committee zu gefährlich. Der Durchschnittsengländer könnte sich womöglich wiedererkennen. „5-Minute satirical film on British life as represented by Nazi propagandists. Proposal rejected, as involving contrasts which were to dangerous. A proposal for a similar film, ‚Rake your Choice‘, contrasting British individualism with German regimentation, was rejected for the same reason. If contrasts were wanted, the themes ‚Service and Servitude‘ or ‚Loyalty and Obedience‘ were suggested as much less obnoxious.“35 34 Planning Committee, Tagesordnungspunkt 379, 4.12.1940. PRO, INF 1/251. Am 12.8.1940 hatte das Planning Committee bereits einen Film über „Postal Censorship“ abgeleht. PRO, INF 1/206 35 Planning Committee, Tagesordnungspunkt 732, 20.3.1941. PRO, INF 1/249 311 Für eine Diskussion sozialistischer Modelle oder alternativer Wirtschaftsformen, wie sie durch den länger andauernden Krieg immer häufiger geführt wurde, war es 1940 noch zu früh. Die Propagierung von Friedenszielen, Visionen über die Welt nach dem Krieg waren für die Regierung Churchill kein Thema. Churchills Politik bestand darin, Krieg zu führen mit dem einzigen Ziel, den Krieg zu gewinnen. Es gab Kriegsziele aber keine Friedensziele. Das Planning Committee, dessen Aufgabe in der Umsetzung der Regierungspolitik bestand, reagierte entsprechend, als die Films Division einen Film vorschlug, der sich mit der Welt nach dem Krieg beschäftigte. Das Komitee brachte das politische Dilemma, das auch das Kernproblem des gesamten Ministry of Information war, auf den Punkt, „that in absence of any guidance as the kind of world which the Cabinet wished to see after the war, any project of this kind was out of question.“36 Dies hinderte die Films Division jedoch nicht daran, nur vierzehn Tage später erneut einen Film vorzuschlagen, der nach seinem Arbeitstitel ‚The Future‘ zu urteilen, wahrscheinlich ein ähnliches Thema anging. Dieses Projekt wurde gebilligt (Budget £ 2.038) unter der Auflage, dass mehrere Mitglieder des Planning Committee einschließlich Kenneth Clarks, das Drehbuch im vorhinein zu lesen bekamen. Hier zeigt sich das ganze Dilemma eines bürokratischen Apparats, aber auch dessen positive Möglichkeiten. Da die Films Division in ihren Vorlagen meist nur mit ein, zwei Sätzen auf den Inhalt eines Films einging, besaß jedes Thema in der praktischen Umsetzung unendliche Variationsmöglichkeiten. Ein abgelehntes Projekt brauchte nur in leicht abgewandelten Form erneut zur 36 Planning Committee, Tagesordnungspunkt 594, 3.2.1941. PRO, INF 1/249 312 Entscheidung vorgelegt werden, um die Genehmigungshürde des Planning Committee zu passieren. Was danach mit dem Projekt passierte, konnte nicht mehr im Interesse der Kontrollgremien sein, zu schnell wandelte sich der Alltag im Krieg. Diesen Freiraum nutzte die Films Division weidlich aus. Das Planning Committee machte von seinen Rechten gegenüber der Films Division nur dann Gebrauch, wenn es Unausgewogenheit witterte oder wenn ihm Projekte zu kontrovers erschienen. Ein Film über die Kriegsaktivitäten Nordirlands könnte die Beziehung zur Republik Irland beeinträchtigen, und sollte daher unterlassen werden37; ein Film über polnische Emigranten im Kriegseinsatz für England sollte auch auf andere ausländische Kriegsteilnehmer eingehen, die an der Seite Englands kämpften38; man wollte keinen Film über die Verkehrssicherheit auf den Straßen während der Verdunkelung39; ein Film über das Rote Kreuz war genauso unerwünscht40 wie ein Film über die 37 „(...) if such a film dwelt on Northern Ireland’s contribution to the war effort, it would be much resented in Eire.“ Der Film, den die Regierung von Nordirland von der Films Division wünschte, fand keine Mehrheit im Planning Committee, Tagesordnungspunkt 264, 12.8.1940. PRO, INF 1/249 38 „Before this could be undertaken it was necessary to strike a correct balance between the countries involved.“ Planning Committee, 12.8.1940, a.a.O. 39 Planning Committee, Tagesordnungspunkt 65, 9.9.1940. PRO, INF 1/249 40 „Agreed not to proceed with this subject, as too controversial at present.“ Planning Committee, Tagesordnungspunkt 788, 10.4.1941. PRO, INF 1/249 313 Stillegung von Privatautos41; und Filme über Mohrrüben wurden ab März 1941 für immer von der Leinwand verbannt.42 41 „Agreed that the proportion of car-owners among cinema audiences was not great enough, and the subject too complicated to justify it being treated in a trailer“. Planning Committee, Tagesordnungspunkt 840, 1.5.1941. PRO, INF 1/249 42 „Film on ‚Making Soup‘ agreed (...). It was however felt that the public were tired of being told about carrots.“ Planning Committee, Tagesordnungspunkt 705, 10.3.1941. PRO, INF 1/249 314 7.3. Transfer of Skill: Produktionskontrolle I: Kontrolle über Auftragsproduktionen Die vorangehenden Kapitel hatten die Pre-production Phase von Filmprojekten unter die Lupe genommen. Es wurde untersucht, wie die Films Division mit Vorschlägen und Ideen für Filme umgegangen war, und welchen Einfluss das Planning Committee, eine Films Division-externe Kontrollinstanz, auf den weiteren Produktionsfortgang hatte. In den folgenden Kapitel wird aufgezeigt, welche aktiven Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten die Films Division im weiteren Verlauf des Produktionsprozesses auf das Produkt Film hatte. Es wird dabei unterschieden zwischen Produktionen, die durch externe Firmen ausgeführt wurden und Produktionen, die die Films Division mit ihren eigenen Produktionsabteilungen wie die Crown oder die Colonial Film Unit durchgeführt hat. Dabei interessieren vor allem die Schnittstellen der Einflussnahme und die Art wie Konflikte ausgetragen bzw. vermieden wurden. Verfolgen wir noch einmal den Weg, den eine Auftragsproduktion in der Maschinerie des Ministry of Information bisher zu durchlaufen hatte: Die Idee zu einem Film, häufig verbunden mit einem Vorschlag für den Drehbuchautor, wurde von Jack Beddington in Konsultation mit Bernstein und dessen Drehbuchspezialisten abgesegnet. Die interne Finanzabteilung des Ministry of Information wurde anschließend über den Inhalt des Films, die Kosten für ein Treatment oder ein Drehbuch oder aber auch über die veranschlagten Gesamtkosten. Die Finance Division stimmte in der Regel mit wenigen ergänzenden Kommentaren dem Filmprojekt zu. Bei Auftragsprouktionen für andere Ministerien, den allied productions, reichte die Zustimmung der Finance Division alleine nicht aus, sondern es wurde zusätzlich die formale Genehmi- 315 gung durch die Treasury benötigt.1 Danach ging das Projekt an das Planning Committee. Für das Planungsgremiums arbeitete die Films Division die Entscheidung oder Empfehlung der Finanzabteilung in ihren Antrag mit ein. Hatte das Planning Committee ein Projekt bestätigt, wurde als nächster Schritt der vorgeschlagene Autor kontaktiert und ein Script oder ein Treatment in Auftrag gegeben (bei den ersten Five-Minute-Filmen für £ 10.10.0d). Die Films Division engagierte dazu häufig freischaffende Autoren, die bei keiner Produktionsfirma unter Vertrag standen. Damit entzog sich die Films Division der Verpflichtung, einer bestimmten Firma automatisch auch den Produktionsauftrag geben zu müssen. Man hatte somit freie Hand bei der Auswahl der Produktionsfirma, die als nächsten Schritt auf Grundlage des Drehbuchs eine Kostenkalkulation erstellen musste. Ab 1941 ging man jedoch immer mehr dazu über, Drehbuchauftrag und Kostenkalkulation in einer Hand zu belassen, indem man den Auftrag in toto an eine Firma oder einen Produzenten als Generalunternehmer vergab. Wurden mit den ersten Five-Minute-Filme noch Studios und Firmen beauftragt, die einen festen Mitarbeiterstamm hatten, so zog man für die Produktion der Non-Theatrical-Filme und einige der Dokumentarfilme innerhalb des FiveMinute-Programm immer häufiger freie Produzenten heran, die ein Produktionsteam erst engagieren mussten. Diese Vorgehensweise wurde von der Finance Division des Ministry of Information zwar gerügt2, aber mit Auflagen an 1 „Allied service films originate by specific requests from time to time from other Government Departments, and Treasury approval is required separately for each film.“ Home Planning Committee, 2.10.1941. PRO, INF 1/251. Die Films Division hatte dazu einen Antrag an die Treasury zu stellen. Sie musste begründen, warum der Film produziert werden sollte, und sie musste die geschätzten Produktionskosten benennen 2 „The normal practice in placing Government contracts is to employ a contractor who possesses equipment with which the work can be done.“ Home Planning Committee, 11.12.1940. PRO, INF 1/251. Die Realität, mit der die meisten Dokumentarfilmproduzenten 316 den Contractor, der seine Bücher offenzulegen hatte, letzendlich auch akzeptiert. Die Praxis, Filme durch Auftragsproduzenten herstellen zu lassen, eröffnete den Mitgliedern des Documentary Movements die lange gewünschten Produktionsmöglichkeiten.3 Bevor eine Firma den eigentlichen Produktionsauftrag bekam, prüfte die Films Division das Drehbuch und die Kostenaufstellung. Gegebenenfalls äusserte sie Änderungswünsche oder machte Abstriche an der vorgelegten Kalkulation.4 Erst nachdem die Wünsche der Films Division befriedigt waren, erhielten die Produktionsfirmen von Beddington oder seinem Stellvertreter E.L. Mercier einen „commissioning letter“ und die „Conditions of Contract governing the Production of films for the Ministry of Information“. Seit August 1940 war man davon abgekommen, „Formal contracts under seal“ für Auftragsproduktionen auszufertigen. Wenn aus Zeitgründen kein formaler Vertrag möglich war, hatten die Finanzabteilung des Ministeriums und die Treasury „in cases of lesser importance“5 bestimmt, dass dem Vertragsnehmer lediglich sogenannte „Conditions of Contract“ zur Unterschrift zu leben hatten, hätte sie damit von jeder Produktionsaktivität ausgeschlossen. Paul Rotha beschreibt die Situation – auch der bekannten Dokumentarfilmfirmen – sehr drastisch: „We worked on the proverbial shoestring. The GPO film unit became, as you know, the Crown Film Unit, and they were in many ways „the luxury unit“. They had cameras. They moved down to Pinewood Studios. They had unlimited film stock and so on. The independent units, such as my own and such as Realist, had none of these privileges. We had no special equipment. You couldn’t buy cameras because they were all wanted for the war, for the army units. Film stock was rationed. Out technicians were under deferment, and those under thirty, of course, were called up. I can say that with my own unit we were working literally with the halt and the maimed and the blind.“ In: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 134 3 So erhielten allein in einer Planning Committee-Sitzung im Dezember 1940, als über die Vergabe von sechs Produktionsaufträgen entschieden wurde, mit Arthur Elton, Basil Wright, Edgar Anstey und Paul Rotha allesamt Mitglieder des Documentary Movement den Zuschlag als Produzent 4 „Films Division would undertake to examine budgets critically and, to the best of ist ability, prevent any company from overloading on individual items or from engaging in production on an unnecessarily elaborate scale.“ Home Planning Committee, 13.11.1940. PRO, INF 1/251 5 J.B. [Jack Beddington, J.B.], Contracts for Production, 26.7.1940. PRO, INF 1/616 317 vorzulegen waren. Da das Zeitdruckargument immer griff, kam diese Form der Vertragsbindung bei fast allen Auftragsproduktionen der Films Division zum Einsatz. Bei Auftragsproduktionen handelte sich die Films Division häufiger Konflikte mit andere Abteilungen und Ministerien ein. Zu Auseinandersetzungen kam es vor allem während der Drehbuchphase, das heißt dem Zeitraum zwischen Genehmigung eines Filmprojekts und der Auftragserteilung an eine Produktionsfirma. Dies war der einzig mögliche Zeitpunkt, an dem andere Abteilungen oder Ministerien Einfluss auf ein Projekt der Films Division nehmen konnten. Die Films Division versuchte trickreich, mal versteckt mal offensiv, ihre Politik und ihre Ideen bei den Auftraggebern durchzusetzen. Dabei war sie sich bewusst, dass sie bei einer direkten Auseinandersetzung mit anderen Ministerien leicht ins Hintertreffen geraten konnte. Um Einmischungen zu vermeiden, sich gleichzeitig aber den Goodwill des auftraggebenden Ministeriums zu erhalten, bediente sich die Films Division gern der Verzögerungstaktik. Wenn es sich nicht gerade um direkte Auftragsproduktionen handelte, vermied man nach Möglichkeit einen frühzeitigen Kontakt zu anderen staatlichen Stellen. Um mögliche Einwände anderer Ministerien im Vorfeld abklären zu lassen, bediente sich die Films Division auch gern des Planning Committee.6 Häufig wurde die filmische Idee, die ein anderes Ministerium initiiert hatte oder dessen Zuständigkeit sie tangierte, diesem erst als fertiges Shooting Script zur Begutachtung vorgelegt. „At the moment the script has certain inaccuracies in it which I want cleared up before we start showing it around,“7 6 7 Siehe: Planning Committee minutes, Tagesordnungspunkt 841, 1.5.1941. PRO, INF 1/249 Calder-Marshall an Beddington, 1.12.1942. PRO, INF 1/215 318 diente z.B. als interne Begründung, warum ein Drehbuch über „Merchant Seamen Ashore“ nicht schon früher dem Ministry of Labour zur Begutachtung vorgelegt wurde. Entsprechend häufig wurde Jack Beddington von empörten Public Relations-Officers anderer Ministerien angegriffen, die wiederholt damit drohten, der Films Division Kooperation und Hilfestellung bei der Produktion aufzukündigen.8 In vielen Fällen tangierte die Themenstellung einzelner Filme gleich mehrere Ministerien, doch hatte die Films Division immer eine Entschuldigung parat, wenn sich ein Ministerium übergangen fühlte. „(...) the sort of film that we are making now does involve the work of a large number of government departments, and so it sometimes does happen that something we have investigated on the spot has come within the province of another Ministry without our realising it. We do, however, try to analyse all our films so that we are not [das ‚not‘ wurde handschriftlich eingefügt – sic! J.B.] acting without making contact with the relevant Ministries.“9 In den Akten des Public Record Office finden sich nur wenige Beispiele für eine offene Auseinandersetzung der Films Division mit anderen Ministerien oder eigenen Abteilungen. Die Auseinandersetzung um den Film „Men of India“ ist hier symptomatisch. 8 „A few days ago, we put forward to your Division a number of suggestions for a film on this subject [depicting the life of merchant seamen ashore], only to learn for the first time that, while they were welcomed, a story is already scripted. I really must protest against methods of this kind. We all know that accuracy of detail is a first essential in these films. I cannot believe that the most effective approach is for a script writer to go to work without the knowledge to be gained from those who are expert in very specialised fields. From my point of view, I have the difficult task of securing serious interest in scripts which require fundamental alterations before they give any sort of accurate presentation of the facts. In such circumstances, I cannot offer the degree of co-operation needed, and I should be glad to hear from you what measures you would propose for the improvement of a procedure very much in need of it.“ Frere [Director of Public Relations des Ministry of Labour and National Service, J.B.] an Beddington, 30.11.1942. PRO, INF 1/215 9 Calder-Marshall an Beddington, 1.12.1942. PRO, INF 1/215 319 Alexander Shaw, der für ein Jahr nach Indien abgeordnet war, um dort eine staatliche Film Unit aufzubauen, hatte nach seiner Rückkehr zur Produktionsfirma Strand der Films Division Anfang Mai 1942 ein Drehbuch für einen Film über Indien unter dem provisorischen Titel „Men of India“ vorgelegt. Der Supervising Producer der Film Division, Arthur Elton, unterstützte das Projekt. Elton legte das Treatment der Indischen Sektion der Empire Division zur Begutachtung vor, worauf sich eine heftige Kontroverse entzündete. Zuerst einmal kritisiert die Empire Division, wie so häufig, die prinzipielle Vorgehensweise der Films Division. Da es um „a very debatable subject like Indian politics“ ging, hätte die Empire Division zuerst konsultiert werden müssen, „that the treatment should then be worked out by the Films Division in accordance with the policy laid down by us“.10 Die inhaltliche Kritik richtete sich vor allem gegen die angeblich zu einseitige Ausrichtung des Films auf die Unabhängigkeitsforderung des indischen Kongresses und gegen die Behauptung, dass England nur durch den Krieg gezwungen war, den Indern Verfassungsänderungen zuzugestehen.11 Die Empire Division legte darauf ein eigenes Drehbuch von Clive Rattigan vor. Elton war mit der politischen Ausrichtung des Rattigan-Drehbuchs nicht einverstanden. In einem detaillierten Memorandum an Beddington zerpflückte er die chauvinistische und jede Kontroverse vermeidende Argumentation der Empire Division. Er unterstützte weiterhin die Produktion des Films nach dem Treatment von Shaw. Filme über Indien 10 Burton Leach an Lord Dufferin, 6.5.1942. PRO, INF 1/216 „The propaganda stress is in the wrong direction, that is to say that it plays up too prominently Indian Congress ‚freedom‘ demands and the compelling force of external events and inevitably must leave the impression on any audience to wich a film of this kind is shown that Britain has done very little for India in the past and is even now hesitating to do the right thing with India.“ Clive Rattigan an Lord Dufferin, 4.5.1942. PRO, INF 1/216 11 320 „should be trenchant, to the point, not seeking to suggest that British rule has been universally good (...). Mr. Burton Leach and Mr. Rattigan believe in a dull, conventional statement avoiding all the controversial issues.“12 Trotz ihrer relativen Autonomie war sich die Films Division bewusst, auf welch schmalen Grad sie wanderte, da sie wie alle Propagandamaterialien produzierenden Abteilungen auf politische Vorgaben Rücksicht zu nehmen hatte. Die Empire Division machte unverblümt klar, wer das Sagen hatte, „if we do not consider the policy line suitable the whole script may have to be redrafted from the beginning.“13 Zunächst passierte gar nichts. Die Films Division ließ den „Indien“-Vorgang erst einmal liegen. Wie der Konflikt ausgegangen wäre, bleibt offen. Denn als nur einen Monat später der March of Time-Film India in Crisis in die Kinos kam, fand er die inhaltliche Zustimmung der Empire Division, „coming from the March of Time this is much more valuable than any direct propaganda which we could put out.“ Die Empfehlung an die Films Division war eindeutig: „I also think that now this film has come out, the film which was in preparation about Indians (...) should be dropped entirely.“14 Noch am gleichen Tag teilte Arthur Elton der Produktionsgesellschaft Strand ohne Angabe von Gründen mit, dass das Ministry of Information die Produktion des Films „Face of India“ einstellt.15 Der Empire Division hatte der glückliche Umstand geholfen, dass ein Film mit einem ähnlichen Thema den projektierten Film der Films Division obsolet machte. Es ist aber zu bezweifeln, dass 12 Arthur Elton an Jack Beddington, 12.5.1942. PRO, INF 1/216 Leach an Lord Dufferin, a.a.O. 14 Burton Leach an Fraser [Empire Division] und an Beddington, 9.5.1942. PRO, INF 1/216 15 Entwurf des Briefs an die Produktionsgesellschaft, 9.6.1942. PRO, INF 1/216 13 321 Arthur Elton einen Film produziert hätte, der nicht seiner politischen Einstellung entsprach und bei dem seine Kritik nicht berücksichtigt worden wäre. Ein anderer Film, dessen Produktion bereits im vorigen Kapitel angesprochen wurde, ist der „Manpower“-Film. Am 9.2.1942 hatte Beddington das Projekt als Theatrical Release autorisiert. Mitte April wurde die Produktionsfirma Strand Films und Thomas Balogh vom Balliol College in Oxford um Mitarbeit gebeten. Sieben Tage später erhielt Strand Films den offiziellen Auftrag für eine Expertise und ein Treatment zu einem Film über „Manpower“.16 Der Brief des Ministry of Information an Strand und Balogh lieferte Hintergrundinformationen über das Gesetz zur Zwangsrekrutierung von Frauen und deren „direction“ in kriegswichtige Industrien. Er enthielt detaillierte Angaben, welche Propagandaziele mit dem Film erreicht werden sollten. Um die „considerable uncertainty and worry among individuals as to how they will be affected by the present arrangements“17 zu zerstreuen, sollte das Gesetz und dessen Ausführungsbestimmungen erklärt werden. Als Ziele der Propagandakampagne waren neun Themen aufgelistet, von denen jedes einzelne schon einen separaten Film hätte ergeben können.18 Neben diesen speziellen Themen sollte der 16 „This Ministry is considering a theatrical film of 2,000 feet in length the theme of ‚Manpower‘ and offers your company the sum of £ 25. for the preparation of a report and treatment which should be delivered within one month from this date. (...) It should be noted that this Ministry has in mind a 2-reel film which would not cost more than £ 3.000 to produce, and no doubt your treatment will be framed accordingly.“ George Campbell [Films Division] an Strand Films Ltd., 22.4.1942. PRO, INF 1/215 17 Manpower. Brief for a two reel film for Theatrical exhibition, o.D. [ca. 15.4.1942]. PRO, INF 1/215 18 „1. To explain how women are affected by the Call-up. 2. To ensure that the women who are called up or directed come in willingly. 3. To assist officials of the Ministry of Labour by explaining to women in advance the procedure of the Call-up and assisting them to make up their minds in advance. 4. To assist the Ministry of Labour in getting willing workers (...) and to assist them in placing women in the jobs most suited to their requirements. 5. To allow for recruiting of specially qualified women (...). 6. To ensure that parents and male relatives understand the Orders and the need for them. 7. To demonstrate to all women that there is some kind of National Service for everyone (...). 8. To show women outside the groups which are being either directed or conscripted that volunteers are still required. 9. To make it clear 322 Film das Gesamtproblem des Arbeitskräftepotentials, sowohl an Männern als auch an Frauen, als Teil der Gesamtstrategie in einem „totalen“ Krieg erklären: „(...) the need for mobility of labour (Russian example useful): the concentration of labour supply: the shifting demand for various weapons, related to the mass production plants as they come into use.“ Strand hatte somit mehr als genügend Material, einen Film zum Thema „manpower“ zu gestalten. Da der Film als Theatrical Release geplant war, hatte Burford von der Drehbuchabteilung der Films Division die Federführung übernommen. Strands Treatment vom 3. Juni war zufriedenstellend, so dass für weitere £ 40 ein Shooting Script und eine Kostenaufstellung in Auftrag gegeben wurde. „We shall be glad if you will be good enough to submit a budget for the above film under the Conditions of Contract dated June, 1941, and on the lines of the specimen budget sheet copies of which were sent to you previously.“19 Strand lieferte einen Monat später ein erstes Drehbuch, dass von Burford Ende Juli auch akzeptiert wurde. Burfords Entscheidung stieß jedoch bei Arthur Calder-Marshall und Leslie Fenton von der Films Division auf Ablehnung. Bis zum 18. November legte Strand neue bzw. revidierte Drehbuchfassungen; eine, die aber verworfen wurde, hatte der Dichter Dylan Thomas bearbeitet. Zum Ministry of Labour hatte es seit Anfang des Jahres 1942 keine weiteren Kontakte mehr gegeben. Das Arbeitsministerium reagierte entsprechend negativ, als es die von der Films Division favorisierte Fassung des Drehbuchs that there is a properly worked out plan and thus to increase confidence in Government arrangements.“ Manpower. Brief for a two reel film for Theatrical exhibition, a.a.O. 19 Campbell an Strand Film, 16.6.1941. PRO, INF 1/215 323 schließlich überraschend zur Begutachtung erhielt.20 Es verweigerte jegliche Kooperation. Die Films Division mokierte sich zwar über dieses Verhalten, „as Mr. Freer [sic] did agree early this year on this Manpower film, I think we should point out that his refusal of co-operation is, to say the least, unorthodox“21, war aber dennoch bereit, Vorschläge des Arbeitsministeriums in die Endfassung des Drehbuchs einzuarbeiten. Man hatte es dabei keineswegs eilig. Es vergingen noch einmal Monate bis das endgültige Shooting Script vorlag, das sich von der Fassung vom November 1942 kaum unterschied. Es war lediglich eine Sequenz mit Ernest Bevin, dem Arbeitsminister, hinzugekommen. Dieses Drehbuch diente Strand Film zur Kostenkalkulation. Am 11. Februar 1943 lag eine Kostenaufstellung vor22, die das Ministerium noch um £ 63 kürzte. Für einen akzeptierten Herstellungspreis von £ 1999 erhielt Strand am 22. Februar 1943 einen „commissioning letter“23 und die „Conditions of 20 „I have been looking through the enclosed script of a proposed film entitled ‚Manpower‘, sent to us by your Division for comment. Much as we value all the help and co-operation you can give us, I am not happy about the method of approach. Having regard to the ramifications of the subject, its many complexities, its numerous phases of interest and importance, it is surprising that so much work has been done on a treatment without prior discussions with this Department. I cannot possibly submit this script to anyone here for it would only provoke the inescapable comment that it had been done by someone who knows nothing about Manpower.“ Frere [Director of Public Relations des Ministry of Labour] an Beddington, 30.11.1942. PRO, INF 1/215 21 Calder-Marshall an Beddington, 1.12.1942. PRO, INF 1/215 22 Die reinen Produktionskosten beliefen sich danach auf £ 1.307, auf die noch die 50%ige Firmenunkosten aufgeschlagen wurden. Die Gesamtkosten betrugen £ 1.999 (abgerundet). Im einzelnen veranschlagte Strand für Regie (6 Wochen) £ 52; Regieassistenz (2 Wochen) £ 12; Kamera (4 Wochen) £ 37; Kameraassistenz (2 Wochen) £ 12; Studioarbeiter £ 95; Schnitt (3 Wochen) £ 69; Bauten £ 100; Schauspieler £ 128; Kommentar £ 10; Maske (3 Tage) £ 9; Transport, Licht, location expenses £ 157; Musik/Orchester £ 106; Animationen/Opticals £ 85; Entwicklung-/Kopierkosten £ 238; Studiomiete £ 120; Tonstudio £ 45 23 „Title: ‚Strategy of Manpower‘. Contract Price: £ 1.999: 5; 0d. Production no.: 716. Length: 1500 feet. I am directed to offer you a contract for the production of the above film, subject to the Conditions of Contract governing the production of films for the Ministry of Information dated May 1942, a copy of which was sent to you previously, and to the additional costing sub-clauses 18 (d) to 18 (h) inclusive, as detailed in the letter dated 2nd February from this office. The controlling officer for the film will be Mr. Arthur Elton. World clearance, theatrical, in respect of music and sound recording system rights is required. (...) In addition to the contract price of £ 1.999: 5: 0d, this Ministry will be responsible for library rights up to a sum 324 Contract governing the Production of films for the Ministry of Information, May, 1942“24 für den Film „Strategy of Manpower“. Die Produktionsüberwachung seitens der Films Division übernahm Arthur Elton. Bedingung des Vertrags war, dass ein genehmigtes Drehbuch nicht mehr ohne ausdrückliche Erlaubnis des Ministeriums „materially varied“ werden durfte.25 Bei den eigentlichen Dreharbeiten mischte sich die Films Division wenig ein. Der Auftragsproduzent war verpflichtet, der Films Division die Außendrehorte (locations) zu nennen und sie zu informieren, wenn „facilities“ öffentlicher Institutionen benötigt wurden. Für „special facility shots“ oder „red permit shots“, welche die Kooperation anderer staatlicher Stellen und der Heeresabteilungen bedurften, musste die Films Division eingeschaltet werden.26 Der Contractor legte dabei der Films Division eine Liste gewünschter militärischer Drehorte vor, für die – nach Zustimmung durch den Controlling Officer – die Verwaltungsabteilung der Films Division die erforderlichen Drehgenehmigungen beantragte. Im Falle von Manpower schrieb Ivor Smith am 12. Februar 1943 an das Air-Ministry, das Ministry of Aircraft Production, den Press Officer des Ministry of War Transport, an das War Office und den Press Officer des Ministry of Supply. Die Produktionsfirma war darüber hinaus verpflichtet noch vor Beginn der Dreharbeiten das Tonaufnahmeverfahren (Western Electric oder RCA) und not exceeding £ 75: 0: 0d. (...).“ E.L. Mercier [Deputy Director der Films Division] an Strand Film Company Ltd., 22.2.1943. PRO, INF 1/215 24 Conditions of Contract governing the Production of films for the Ministry of Information, May, 1942. PRO, INF 1/616 25 § 2(b), Conditions of Contract, May 1942, a.a.O.Für den genauen Wortlaut siehe den Abdruck des Vertrages im Anhang 26 § 13(a) [facilities] und § 14(b) [special facilities/Red Permit], Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. 325 das Tonstudio bekanntzugeben.27 Das Ministry of Information hatte mit etlichen Tonstudios Sonderkonditionen für staatliche Propagandafilme ausgehandelt.28 Doch bevor der Kommentar im Studio aufgezeichnet wurde, musste sowohl der Text als auch der Sprecher nochmals durch die Films Division genehmigt werden.29 Neben den Tonverfahren waren auch alle Informationen über die zu verwendende Musik und deren Rechteinhaber vorzulegen. Die Verwendung von Musikstücken, deren Rechte „in Feindeshand“ lagen und treuhänderisch durch den Custodian of Enemy Property verwaltet wurden, bedurfte der ausdrücklichen Genehmigung durch den Controlling Officer.30 Die Films Division behielt sich auch ein Veto-Recht gegenüber der zu beauftragenden Entwicklungsanstalt vor. Für Produktionen des Non-Theatrical-Programms, die in 35mm gedreht und später auf 16mm herunterkopiert wurden, hatte die Films Division einen ganzen Katalog an technischen Anforderungen erstellt, was die Vorführbedingungen der Filme betraf. Unzulängliche Verdunkelungsmöglichkeiten, schlechte Akustik des Vorführsaals, hoher Geräuschpegel bei Aufführungen während der Mittagspause in Fabriken, und unzulängliche 16mm-Projektoren waren nur einige der Schwierigkeiten, die es zu meistern galt. Auch wenn die Non-Theatrical-Abteilung um diese Probleme wusste, waren die Handreichungen an die Filmemacher nicht mehr als Empfehlungen und keine strikten Anweisungen, wie Helen Forman anmerkte.31 Die Tonspur soll- 27 § 8(a-c), Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. Siehe auch: Beddington, Contracts for Production, a.a.O. 29 § 6(a), Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. 30 § 8(d-g), § 9, Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. 31 „Uncomplicated soundtracks, clear commentary without music, bold diagrams, these were some of the things we kept nagging on about. Whether we were successful in dealing at the film making end with some of the problems of 16mm projection, it is difficult to say.“ Forman, The Non-Theatrical Film Distribution of Films by the Ministry of Information, a.a.O., S. 228 28 326 te einfach gehalten sein und auf überlagernde Musik oder ausgefeilte Toneffekte verzichten, damit der Kommentar oder die Dialoge nicht in den Hintergrund gedrängt würden. „It is more important to achieve clarity than atmosphere.“32 Dazu dienten auch Zwischentitel oder kurze Untertitel. Zum besseren Hörverständnis empfahl man als Kommentatoren Sprecher der B.B.C., „The recognition of B.B.C. voices helps audiences quickly to adjust themselves to listening and their attention is heightened.“ Filme, die in der Nacht spielten – zur Zeit des Blitz gängiges Thema –, waren bei unzureichender Verdunkelung kaum auf der Leinwand zu erkennen. Detaillierte Graphiken oder unauffällige Schrifttypen hielten einer Verkleinerung auf 16mm nicht stand, und waren bei Non-Theatrical-Produktionen zu vermeiden. Im Hinblick auf die Verständlichkeit sollte auch starker Dialekt oder Slang vermieden werden. Die Verwendung von Slang und Dialekt im Film war ein heikles Thema nicht nur für die Non-Theatrical-Filme, die vor heimischen Publikum gezeigt wurden, sondern auch für die Produktionen, die ihren Weg nach Übersee fanden. „Much of our vernacular is unintelligible to U.S. audiences; some of our accents sound sissy and irritating to them“33, lautete ein Vorwurf der Documentary News Letter an das Ministry of Information, der sich eher an die Adresse der Filmemacher selbst richtete, die ‚ordinary people‘ in ihren Filmen auftreten ließen, als an die Films Division. Auch wenn letztere es für wichtig hielt, „to have clarity and intelligibility than at- 32 Film Shows in Factories, in: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 2, February 1942, S. 31. Der Artikel war ein offizielles Papier der Non-Theatrical Abteilung der Films Division, das Documentary News Letter nachdruckte 33 Britain‘s Film Rôle in America, in: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 2, February 1943, S. 173 327 mosphere, even if the romantic appeal of rusticity has to be sacrificed“34, erhob sie zunächst wenig Einspruch gegen die Verwendung von Umgangssprache und Dialekt. Arthur Elton, der Production Supervisor der Films Division, sah in der Verwendung von ‚real people‘ und ihrer Sprache eine ästhetische und ideologische Sackgasse. Es war ein Weg, der, wie er es nannte, „can end in a brick wall. (...) Hitherto documentary has turned to natural types because they are ‚real‘ and convincing; and because the audiences reached have been, on the whole, relatively small, sympathetic and ready to meet documentary halfway. To-day things are different. If, for example, a film is to be made about Joint Production Committees, better the whole world should get the message from ham actors, than only half the world the message from managers and workers themselves. (...) Not that I suggest the jettisoning the use of people as people, but only, if people cannot be persuaded to act or to speak clearly so that everyone can understand, then it is better to use good actors than to turn ordinary people into bad actors. In short, what documentary needs, and what it is slowly – too slowly – finding, is a school of documentary acting which will allow it to take advantage of the technique of the studio and everything which goes with it.“35 In dieser Meinung wurde Elton auch von Ken Cameron, dem Sound Recordist der Crown Film Unit unterstützt.36 Ein Kompromiss, der sich allmählich durchsetzte, bestand im Einsatz von Schauspielern für die „Rollen“ der Ordinary 34 Film Shows in Factories, a.a.O., S. 31 Arthur Elton, A Letter to Documentary, in: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 4, 1943, S. 207 36 Ken Cameron, Sound on Documentaries Could be Improved, in: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 6, 1943, S. 230. „Recordist who after all are not born saboteurs, agree with their directors that the best person to play the part of a Cornish fisherman is a man who is at least connected intimately with both Cornwall and fish. Such realism is the lifeblood of documentary. But in so many cases a more careful choice of artiste could result in a sound track that would satisfy all needs. So often tests are made, and principles chosen without real regard to their diction, their accent, or their control of the spoken word.“ Neben dieser Kritik nennt Cameron noch weitere Gründe für die schlechte Tonqualität in Dokumentarfilmen. Da ist zum einen die mangelnde Beteiligung der Toncrew während der Pre-Production: „The recordist must be regarded as an essential and valuable member of the production unit, and no longer as some sort of necessary evil. He should be consulted on artistes, on locations, on sets and on dialogue.“ Einen weiteren Grund für schlechte Tonqualität sieht er in der mangelnden Qualitätskontrolle der Laboratorien: „(...) I feel that the main part of the work of laboratory supervision and print checking should be borne by the controlling distributor – generally the M.O.I. This work appears to have been done by them in the past with a singular lack of effectiveness.“ 35 328 People, die durch ihre Sprachausbildung Slang oder Dialekt beliebig modifizieren konnten. Filme wie The Harvest Shall Come oder Tyneside Story sind Beispiele dafür. Nach dem Rücktritt Dallas Bowers wurde Arthur Elton37 im Januar 1941 dessen Nachfolger in der neugeschaffenen Funktion eines Supervisors of Production der Films Division und damit Controlling Officer der Produktionsabteilung. Arthur Elton, nach dem Weggang von John Grierson nach Kanada Wortführer des Documentary Movements, sah sich in einer ähnlichen Vermittlerrolle wie Beddington zwischen den politischen Ansprüchen des Documentary Movements und den Notwendigkeiten der Produktionsabteilung der Films Division auszugleichen. Eine der ersten Aufgaben des neuen Supervisors of Production bestand in der Abnahme des Rohschnitts eines durch die Films Division beauftragten Films. Bis zu Eltons Berufung hatte Beddington diese Aufgabe zusammen mit Bernstein ausgeübt, manchmal assistiert durch Betjeman oder Dallas Bower.38 37 Nach seiner Public School Erziehung studierte Arthur Elton Geschichte und Archäologie in Cambridge. 1927 begann seine Filmkarriere in der Drehbuchabteilung von Gainsborough Pictures unter Michael Balcon. Er arbeitete zusammen mit John Grierson und Stephens Tallents in der Filmabteilung des Empire Marketing Boards, für das er seine ersten Filme drehte. Es folgten Filme als Regisseur und Produzent für das Post Office, das Ministry of Labour, Filme für private Sponsoren. 1936 wurde er Consultant Producer der Shell Film Unit, die als Teil der Publicity-Abteilung der Asiatic Petroleum Company die internationale Werbung von Shell betrieb. Zusammen mit John Grierson und J.P.R. Golightly gründete er 1937 Film Centre, das er nach Griersons Weggang nach Kanada auch leitete. An dem Zusammenschluss der Dokumentarfilmproduzenten unter dem Namen Associated Realist Film Producers war er 1935 maßgeblich beteiligt. Auf seine Initiative hin publizierte Film Centre seit Januar 1940 die Zeitschrift Documentary News Letter, welche die Politik der Films Division während des ganzen Krieges mehr als kritisch begleitete. Bis zu seinem Eintritt in die Films Division saß Elton im ersten Redaktionskollegium der Zeitschrift zusammen mit Thomas Baird, John Grierson, Paul Rotha und Basil Wright. Zur Zeit seiner Berufung an die Films Division war er Vertreter der Kurzfilmproduzenten im Films National Service Sub-Committee, welches das Ministry of Labour über die Freistellung von Personen aus der Filmbereich beriet, und Schatzmeister der Filmgewerkschaft Association of Cine-Technicians. Siehe auch: Frank Sainsbury, Close-ups No. 2 – Arthur Elton, in: The Cine-Technician, Vol. 5, No. 22, July-August 1939, S. 57f 38 Siehe: Minute von Dallas Bower an John Betjeman, 3.8.1940. PRO, INF 1/206 329 „(...) the Contractor shall submit to the Controlling Officer a cutting copy of the film and shall with due diligence comply with all reasonable requirements of the Controlling Officer as to amendment and in particular shall re-take or rerecord at his own expense any scene or sound which in the reasonable opinion of the Controlling Officer is indistinct or of poor quality.“39 Was unter die Begriffe „indistinct“ oder „of poor quality“ subsumiert war, lag in Eltons eigenem Ermessen. Diese vagen Kriterien konnten sich genauso auf ästhetische Qualitäten wie auch auf eine politische oder thematische Einschätzung beziehen. Da das Ministerium jederzeit aus politischen Gründen eine Produktion abbrechen konnte, war hier wohl eher die ästhetische Bewertung gemeint. „If at any time the Minister considers it desirable on grounds of public policy of which he shall be the sole judge to abandon the production of the film the Minister may by notice in writing to the Contractor forthwith determine the Contract (...).“40 Das Ministerium war in diesem Falle nur verpflichtet, die bis dahin angefallenen direkten Kosten des Vertragsnehmers zu zahlen. Musste in den späteren Jahren der Contractor die Schnittauflagen selbst erfüllen und ausführen, so wurden 1940 stets Editor und Cutter der G.P.O. Film Unit herangezogen, so z. B. Stewart McAllister für den re-cut der D&P Studioproduktion von Scaremongers (auch bekannt unter dem Titel Miss Know-All), einen der ersten FiveMinute-Filme.41 Erfüllte der Film die Anforderungen des Controlling Officers, wurde er freigegeben. Der Auftragnehmer musste nun auf eigene Kosten die notwendige 39 § 15, Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. § 19, Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. 41 „Fletcher, G.P.O. Film Unit (Ger 2666) should be asked today how the re-cut of the SCAREMONGERS is proceeding. (...) The name of the editor at the G.P.O. Film Unit who is working on this is MacAlister [sic].“ Dallas Bower an John Betjeman, 3.8.1940. PRO, INF 1/206 40 330 Zensurfreigabe durch das British Board of Film Censors einholen. Der Controlling Officer erhielt sodann das Bild-, Ton-, wie auch ein Negativ ohne Kommentar, das zur Synchronisation in andere Sprachen benutzt werden konnte, sowie eine kombinierte Positivkopie, die bereits das Zensurzertifikat enthielt. Die Schnittkopie, sowie alle optischen Tricks und Schnittreste waren der Filmbibliothek der Crown Film Unit zu übergeben, ausserdem ein komplettes Shooting Script, sowie eine Liste mit allen Dialogen und dem Kommentar. Die Produktionsfirma musste alles Film- und Tonmaterial belegen, für das Urheberrechte bezahlt wurden einschließlich eines Music Cue Sheets. Eine Liste der Einstellungen, die für den Film gedreht wurden, mit kurzer Beschreibung und Drehort war beizufügen.42 Von den Akten der Films Division im Public Record Office haben vor allem diese Materialien, wie Shooting Script, Dialogliste und Music Cue Sheet die Aufräumaktion nach dem Krieg überlebt. Zu immerhin 256 Filmen existieren Bild- und Tonprotokolle [in der Filmografie im Anhang angemerkt]. Das Negativ der Five- und Fifteen-Minute-Filme schickte die Films Division zu National Screen Services, die sowohl die Kopierarbeiten für die Verleihkopien als auch den Vertrieb des Films übernahmen. Damit der Produktionsfirma der vereinbarte Herstellungspreis vollständig ausbezahlt wurde – die Produktionskosten konnten auch in Abschlagszahlungen beglichen werden –, war der Contractor verpflichtet, seine eigenen Bücher und die Bücher seiner Subunternehmer den Inspektoren des Ministry of Information offenzulegen. Als Kriterium für die endgültige Abnahme des Films 42 §16 (a-c), Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. 331 galt, „that the charges for materials, labour and overhead costs and the profit margin are fair and reasonable.“43 Verity Films Ltd. war im Mai 1944 für einen Preis von £ 5.235 beauftragt worden, einen Anti-Gossip-Film mit dem vorläufigen Titel ‚Under the Clock (Facts of death)‘ zu produzieren. Durch Änderungswünsche des Ministeriums beliefen sich die endgültigen Kosten des Films, der als Other Men‘s Lives kurzfristig in die Kinos kam, auf £ 6.007, in denen Herstellungs- und Verwaltungskosten der Produktionsfirma von knapp 60 Prozent enthalten waren. Verity Films erlebte Anfang Februar 1945 eine Buchprüfung durch einen Finanzbeamten des War Office, bei der sowohl die anrechenbaren Herstellungs- und Verwaltungsunkosten aufgrund des Jahresabschlusses 1944 neu festgelegt, als auch eine Profitmarge von 5,4 Prozent aufgrund des jährlichen Kapitaleinsatzes vs. Produktionskosten bestimmt wurden.44 Die einzelnen Etatposten hatten sich gegenüber der ersten Kostenrechnung gewaltig verändert. Da aber die Gesamtkosten nicht gestiegen waren, wurde die Empfehlung ausgesprochen, dass der Endpreis von £ 5.861.17.6d. „fair and reasonable“ ist. Der Produktionsvertrags untersagte dem Contractor ausdrücklich, ohne schriftliche Genehmigung des Ministry of Information „to issue directly or indirectly any publicity matter or any statements to the Press concerning the film or its production.“45 Die Angst, dass sich politische Propaganda, sobald sie sich als solche zu erkennen gab, den Zielen und Absichten der Propagandisten entgegenlief – eine Angst, die sich bis in die ersten Planungspapiere des Ministry of Informati- 43 §18 (c – f), Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. D.C.7. – War Office, [Cost Investigation Report], Production of M.O.I. film entitled „Under The Clock (Facts of Death)“, 7.2.1945. PRO. INF 1/618 45 § 20, Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. 44 332 on zurückverfolgen ließ – , fand auch ihren Niederschlag in einem Paragraphen des Vertragstexts, der, wie alle Produktionsverträge des Ministry of Information, der Geheimhaltungspflicht unterlag. Dem Contractor war es ausdrücklich untersagt, „to publish or issue directly or indirectly to the Press any statement suggesting that the film comes within the category of propaganda or that the Ministry of Information is concerned with it or its production.“46 46 § 20, Conditions of Contract, May 1942, a.a.O. Die Films Division warf dieser Bestimmung besondere Beachtung bei, da bei dem Anschreiben an den Produzenten nochmals ausdrücklich auf die Einhaltung dieser Regelung verwiesen wurde 333 7.4. A Job to be Done: Produktionskontrolle II: Kontrolle über Eigenproduktionen Man könnte erwarten, dass eine Films Division weniger Probleme mit eigenen Produktionseinheiten haben sollte als mit Firmen, die in ihrem Auftrag Filme produzierten. Die Crown Film Unit, die Colonial Film Unit, die Army und die R.A.F. Film Unit entwickelten alle eine relative Autonomie gegenüber der Films Division, die zwar weiterhin oberste Instanz für Formalentscheidungen blieb, die den Fim Units aber großtmögliche Eigenständigkeit zugestand (oder in einigen Fällen auch zugestehen musste). Die Gewährung dieses Freiraums war bewusste Politik Jack Beddingtons. Das folgende Kapitel verfolgt die Zusammenarbeit der Films Division mit der Crown Film Unit und den anderen ministeriumseigenen Produktionsgruppen im Produktionsprozess. Bevor die G.P.O. Film Unit am 1. April 1940 offiziell dem Ministry of Information eingegliedert und der Films Division unterstellt wurde, und mit Ian Dalrymple im August 1940 ihr neuer Leiter bestellt war, gab es keine Person, die ihre Produktionsaktivitäten für das Ministry of Information verantwortlich hätte koordinieren können. Keine Seite, weder die Films Division noch die G.P.O. Film Unit, war sich im Klaren darüber, was sie genau miteinander anfangen sollte. Die Produktion von Filmen gehörte noch nicht zur Politik der Films Division, und Fletcher und Highet, die in der Films Division Verantwortlichen für die G.P.O. Film Unit, bekamen in den ersten Monaten keine Produktionsaufträge von ihrem Vorgesetzten Joseph Ball. Der Brasilianer Alberto Cavalcanti, Senior Producer der G.P.O. Film Unit, verstand sich eher als kreativer Angestellter der G.P.O. denn als Politiker, der sich aktiv um britische Filmpropa- 334 ganda zu kümmern hatte. In Folge dieses Dilemmas waren die mehr als dreissig Mitarbeiter der Film Unit, darunter sechs Regisseure, fast schon zur Untätigkeit verdammt. Im Sommer 1939 hatte das Home Office die G.P.O. Film Unit mit einem Projekt beauftragt, in dem es um Verhaltensregeln für die Zivilbevölkerung in einem möglichen Krieg ging. Nach nur einer Woche war die Produktion, die auch auf Material von The Warning, einem früheren G.P.O. Film zurückgriff, abgeschlossen. Das Home Office ließ 2000 Verleihkopien von If War Should Come ziehen. Doch bevor der Film in den Kinos gezeigt werden konnte, brach der Krieg aus. Die Film Unit musste den Film mit einer neuen Einleitung versehen und die bereits fertigestellten Verleihkopien ergänzen. Nach Wiedereröffnung der zu Kriegsbeginn geschlossenen Filmtheater kam der Film am 18. September unter dem Titel Do It Now in die Kinos. Auf Produktionsaufträge aus der neugegründeten Films Division wartete die G.P.O. Film Unit vergebens. Um überhaupt arbeiten zu können, versuchte sie eigene Ideen umzusetzen, wie bei The First Days, oder übernahm Aufträge von anderen Ministerien oder militärischen Dienststellen, die sich direkt an die Film Unit gewandt hatten, wie Squadron 992 für die R.A.F., Spring Offensive für das Ministry of Agriculture und Welfare of the Workers in Zusammenarbeit mit dem Ministry of Labour. Die Produktionskontrolle lag dabei in den Händen der G.P.O. Film Unit, da die Films Division zu sehr mit internen Organisationsproblemen beschäftigt war, als dass sie sich um Produktions-probleme einer noch nicht einmal offiziell assoziierten Dienststelle der Post kümmern konnte. Erst bei Men of the Lightship schien die Films Division die G.P.O. Film 335 Unit bei der Vergabe von Produktionsaufträgen nicht mehr links liegen zu lassen. Die Arbeit an den genannten Filmen konnte die Unit aber bei weitem nicht auslasten, was A.G. Highet, als Assistant Director verantwortlich für die Belange der G.P.O. Film Unit in der Films Division, zur Entlassung von Alberto Cavalcanti, Humphrey Jennings, Harry Watt und Stewart McAllister veranlassen sollte.1 Der neue Leiter der Films Division, Jack Beddington, wusste dies jedoch zu verhindern und es war Highet, der Mitte des Jahres wieder zum Post Office zurückkehren musste. Das Policy Committee hatte im Februar 1940 empfohlen, die Bombardierung des East Dudgeon Feuerschiffs vor der Küste von Kent durch deutsche Flugzeuge propagandistisch auszuschlachten. Die Films Division unter der neuen Leitung von Kenneth Clark griff die Empfehlung auf und beauftragte die G.P.O. Film Unit mit einem Film. Hugh Gray wurde als Drehbuchautor für die filmische Rekonstruktion des Vorfalls verpflichtet. Die Admiralität wünschte eine Tatsache besonders hervorzuheben, dass ein Angriff auf ein englisches Feuerschiff auch die neutrale Schiffahrt gefährdete. Am 20. Februar 1940 wurde das Drehbuch genehmigt und sechs Tage später begannen die Dreharbeiten.2 Anfang März informierte S.J. Fletcher, der Liaison Officer der G.P.O. Film Unit innerhalb der Films Divisions, Kenneth Clark in einem Schreiben über sein Treffen zwischen Cavalcanti, J.B. Holmes und Vertretern des Air Ministry, bei 1 „I cannot justify the retention of highly paid film directors. I therefore propose to dispense with the services of the following unestablished officers: Cavalcanti, Watt, Jennings. One week’s notice please.“ Highet an die Establishment Division, 11.7.1940, zitiert nach: Barr, War Record, a.a.O., S. 265 2 Der genaue Produktionsfortgang ist in den Akten des Public Record Office dokumentiert. PRO, INF 5/66, 67, 68 336 dem es um die Unterstützung und Beteiligung der R.A.F. bei dem simulierten Angriff auf das Feuerschiff gehen sollte. Das Air Ministry verlangte eine gravierende Änderung des Drehbuchs. „Wing Commander Beauman said that the Air Ministry could not agree to the first general treatment (...) as it stood because it omitted any reference to the defence machinery. He said that it was considered undesirable that the impression should be created abroad that raids on lightships could be made, with impunity, by German aircraft, without any apparent effort to counter them.“3 Anstelle der beanstandeten Drehbuchpassage wurde ein geänderter Handlungsablauf vorgeschlagen. Die deutschen Bomber sollten von englischen Kampfflugzeugen angegriffen und eine deutsche Maschine auch abgeschossen werden. Cavalcanti und Holmes waren mit den Änderungen nicht einverstanden. Fletcher fasste die Gegenargumente der G.P.O. Unit zusammen, die nicht an propagandistischem Säbelrasseln interessiert waren, sondern an historischer Authentizität. Die Einführung eines Luftkampfs zwischen deutschen und britischen Flugzeugen entspräche nicht den Tatsachen; es ließe sich auch kaum erklären, dass die Besatzung des Feuerschiffs zwei Tage in einem Rettungsboot zubrächte, ohne dass man ihr zu Hilfe käme; und wenn man die R.A.F. für einen solchen Vorfall gerüstet zeigte, würde davon abgelenkt, dass es sich um einen Angriff auf eine neutrale Institution handelte. „Our intention was to portray the German bombers sneaking out of the blue on to a defenceless target, bombing and machine-gunning, and then running for home. A cowardly act which, if portrayed correctly, would cast not the slightest reflection on the fighter arm for not being there to prevent something which never before had occurred in history. (...) In other words, to introduce a dogfight into the picture really meant, from the propaganda angle, a recasting 3 Fletcher an Ministry of Information, Films Division, 9.3.1940. PRO, INF 5/66 337 of the whole story and therefore a departure from the original intention of authentically reconstructing what actually happened, and substituting a picture which an audience would be inclined to regard as introducing the usual element of ‚movie fiction‘.“4 Die Argumentation der Dokumentaristen, die ihr Propagandaziel durch eine authentische Rekonstruktion der Ereignisse erreichen wollten, war für die Vertreter des Air Ministry nicht nachvollziehbar. Sie beharrten auf ihrer Version: „It is felt very strongly that we should not arrange facilities for the film until we have a definite assurance from the Ministry of Information that the fighter sequences will be included in the film.“5 Der Konflikt, der hier aufbrach, berührte das Selbstverständnis der Dokumentaristen. Es war die Gretchenfrage ihrer filmischen Methode. Eine narrative Struktur, die sich aus dem „creative treatment of reality“ entwickelt, darf sich nur aus dem vor-filmischen, dem ‚vorgegebenen‘ Material bedienen; eine narrative Struktur hingegen, die sich aus fiktionalen Elementen zusammensetzt, würde einen Film ergeben, „which an audience would be inclined to regard as introducing the usual element of ‚movie fiction‘ “. Das lehnten die Dokumentaristen ab. Das Problem konnte erst Ende März gelöst werden. Fletchers Brandbriefe an die Films Division, dass die Kooperationsunwilligkeit des Air Ministry erhöhte Kosten und eine unnötige Verzögerung des Projekts bedeuteten, hatten Erfolg. „(...) in view of the representations made by the Ministry of Information we are willing to arrange facilities forthwith for the projected lightship film in the form in which it is summarised in Mr Hugh Gray‘s first general treatment.“6 Die dokumentarische Methode hatte triumphiert. 4 Fletcher an Ministry of Information, Films Division, 9.3.1940, a.a.O. Air Ministry an Fletcher, 19.3.1940. PRO, INF 5/66 6 Air Ministry an Fletcher, 28.3.1940. PRO, INF 5/66 5 338 Die Presseinformation zum Film beschreibt die tatsächlichen Ereignisse vom 29. Januar 1940, bei denen etliche Mitglieder der Feuerschiffbesatzung den Tod gefunden hatten. „Men of the Lightship follows this story as closely as possible. There are no professional actors. Men of Trinity House and the Royal Navy are used throughout. The lightship scenes were taken on a lightship off the East Coast. The naval scenes were all actual. Thanks to the Air Force, it was possible to reconstruct the bombing from the airmen‘s point of view.“7 Bestand noch Mitte 1940 die Gefahr, dass die G.P.O. Film Unit aufgelöst werden könnte,8 trat mit dem neuen Produzenten Ian Dalrymple, der Cavalcanti im August 1940 ablöste, eine Persönlichkeit an dessen Spitze, die nicht nur durch seinen konsequenten Einsatz für die G.P.O./Crown Film Unit die Gefahr seiner Abwicklung minimieren, sondern sie darüber hinaus zu einem entscheidenden Machtfaktor innerhalb der staatlichen Produktionssphäre machen sollte. Mit der Ernennung von Ian Dalrymple zum Producer der noch unter dem Namen G.P.O. Film Unit firmierenden Production Unit im August 1940 und der von ihm eingeleiteten Umorganisierung der Unit begann zwar eine formale Annäherung an die Films Division aber gleichzeitig auch die Konsolidierung der Crown Film Unit als eigenständiges Machtzentrum, dessen Entscheidungsstrukturen Dalrymple mitzugestalten wusste. Diese Strukturen ähnelten denen der Produktionsabteilung der Films Division. So wie dort Arthur Elton sich als Supervising Producer lediglich Beddington und Bernstein gegenüber zu verantworten hatte, waren Beddington und Bernstein auch Dalrymples 7 Presseinformation zu Men of the Lightship, o.D., Mikrofiche zu Men of the Lightship in der Bibliothek des British Film Institute, London 8 Siehe auch: Kapitel 6.2. 339 Vorgesetzte. Beide machten jedoch von ihrem Weisungsrecht gegenüber der Crown Film Unit nur selten Gebrauch. Kontakte zwischen der Crown Film Unit und der Films Division beschränkten sich auf wenige Personen, sie liefen vor allem auf der Produzentenebene. Ein ehemaliger Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit aus Vorkriegstagen, S.J. Fletcher, blieb lange Jahre Liaison Officer innerhalb der Films Division und trug maßgeblich dazu bei, administrative Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit aus dem Weg zu räumen.9 Späterhin wurde Eric Hodson der London Contact Officer der Crown Film Unit. Die Programmgestaltung der Crown Film Unit, also auch das Vorschlagsrecht für Filme sowie die Entscheidung über Vorschläge lag bei Ian Dalrymple. Er musste sich zwar die Themen von Beddington und den übergeordneten Gremien wie dem Planning Committee genehmigen lassen, doch stießen seine Vorschläge selten auf Widerspruch. Die Genehmigung des Haushalts der Crown Film Unit erfolgte durch die Treasury. Die Finance Division des Ministry of Information kontrollierte die Ausgabenseite. Der Kostenrahmen einer Produktion musste der Finance Division zur Genehmigung vorgelegt werden.10 Während seiner dreijährigen Amtszeit setzte sich Dalrymple vehement dafür ein, die Arbeitsbedingungen und Löhne seiner Mitarbeiter zu verbessern. Unterstützung erhielt er dabei vor allem durch S.J. Fletcher, der Ende 1941 von der Films Division zur Establishment Division des Ministry of Information ge- 9 „There was one particular man called S.J. Fletcher, who was our real contact in the ministry, and he was always fighting for us. He‘d been with the GPO film unit, and he was quite marvellous.“ Dalrymple, in: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 143 10 Auch Löhne und Gehälter mussten durch die Treasury bewilligt werden. Über personelle Veränderungen und Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen entschied auf Vorschlag der Film Unit die Establishment Division 340 wechselt war. Dalrymple konnte erreichen, dass die Stundenlöhne der Arbeiter in den Pinewood Studios den Löhnen bei kommerziellen Spielfilmproduktionen angeglichen wurden und dass die Gehälter der Produktionsmitarbeiter und der Regisseure wenigstens auf das tarifliche Minimum angehoben wurden, auf das sich die A.C.T. und die Short Film Producers‘ Association geeinigt hatten.11 Viele Vermerke und Briefe Dalrymples in den erhaltenen Akten der Films Division belegen die unbedingte Loyalität zu seinen Mitarbeitern und den Weitblick bei Organisationsveränderungen zum langfristigen Erhalt der Unit. „Owing to the general increase in my work, including liaison with Service Units, I must have the help of Associate Producers. Moreover, I really must now organise the Unit in such a way that I personally can be dispensed with. I shall soon have served for two years: and both the Unit and myself will need a change. I propose to appoint 2 Associate Producers – J.B. Holmes and John Monck. I don‘t propose to stop Holmes directing films, I can‘t afford it: but his long years of service with the Unit and his previous post of Producer make it desirable that he should hold the title of Associate Producer as well as Senior Director. And he should have more say in what we do. John Monck will be the working Associate Producer and will not normally direct film. Both these men are already on the Staff but their change in appointment must be regularised by Establishment owing to slight increases in their money and to make vacant posts under ‚Director‘.“12 Ende 1940 bat das Air Ministry die Films Division einen Film über die Arbeit des Bomber Command zu produzieren, der die Geschichte und die Diskussion über die richtige Luftkriegstrategie und den Einsatz von Bombern zum Thema haben sollte. Mit der Rekonstruktion eines Tagesangriff über Frankreich sollte der Film enden, „to show our major striking weapon actually on the 11 Siehe auch: Crown Film Unit, Board of Management, Paper No.1, April 1943. PRO, INF 1/58 12 Ian Dalrymple an Beddington, c.c. Establishment Division (Mr. Fletcher), 12.3.1942. PRO, INF 1/462/A 426/1C 341 job.“ Das Air Ministry „was anxious for such a film to be made as soon as possible and would co-operate in every way and provide the fullest facilities to the GPO Film Unit.“13 Beddington und Dalrymple einigten sich auf Harry Watt als Regisseur, der mit Squadron 992 bereits einen Film für das Air Ministry realisiert hatte, und das Planning Committee segnete den two-reeler unter dem vorläufigen Titel ,Bomber Command‘ Ende November ab.14 Doch mit der Beauftragung der Crown Film Unit und Harry Watts, der auch das Drehbuch schreiben sollte, änderte sich das Thema des Films radikal. Aus einem Dokumentarfilm über strategischen Bombereinsatz wurde die narrative Rekonstruktion eines Nachtangriffs auf Deutschland, dem ersten wirklichen Dokumentardrama der Crown Film Unit. Die Auseinandersetzung zwischen Watt, der auch das Drehbuch schrieb, mit seinen Auftraggebern, der Public Relations Abteilung des Air Ministry, die das Bomber Command vertrat, wirft ein interessantes Licht auf das Selbstverständnis der Dokumentaristen der Crown Film Unit. Das Air Ministry wollte einen Film, „which is intended to give a generalised picture or summary of the work of Bomber Command“, und keine fiktive Geschichte, wie Watts Drehbuch belegt, die sich mit einem plötzlich entdeckten „hot target“ beschäftigt, das bombardiert werden soll. „Any film producer will naturally prefer an unlikely event for his story (...) but these documentary films and technique which has been worked out for them ought to be able to do without such adventitious aids as a fictional plot. (...) the whole point of a documentry film is to be able to describe in an exciting and interesting fashion a routine succession of events.“15 13 Bomber Command Film, o.D. PRO, INF 1/210. Über die Produktionsgeschichte von Target for Tonight, siehe auch: Vaughn, Portrait of an Invisible Man, a.a.O., S. 77-81; Chapman, The British at War, a.a.O., S. 129-132; Clive Coultass, Images for Battle – British Film and the Second World War, 1939-1945, Newark/London/Toronto 1989, S. 57-60 14 Home Planning Committee, Minutes, 30.11.1940. PRO, INF 1/210 15 John Lawrence [Headquarters, Bomber Command] an Wing Commander William Williams [Directorate of Public Relations, Air Ministry], 29.1.1941. PRO, INF 1/78 F 2441 342 Das Statement des Bomber Commands liest sich wie eine puristsche Definition von filmischem Dokumentarismus. Doch Watts Antwort erläutert sein Verständnis von Dokumentarfilm und der Produktionsideologie der Crown Film Unit: „I had thought that the idea was to make a prestige film of Bomber Command, not a factual resume of the long term policy. (...) Lawrence’s remarks about documentary technique are wholly wrong and to me rather impertinent. A film must always choose the high-lights of a subject. Its a dramatic medium. In Squadron 992 I presume Lawrence would have preferred a film in which a number of aircraftmen let a balloon up and then hauled it down again, which is all there would be in a „routine succession of events“. Lawrence also says the documentary film people have had „a technique worked out for them“. This from him to me is a bit rich! The only film he has been associated with is a dreary exposition of how the Times works (...). If this is the kind of film we have to make then I give up.“16 Watt konnte sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen. Der Film, der als „second feature“ in die Kinos kam, wurde zum größten finanziellen Erfolg der Crown Film Unit und zum Maßstab für alle folgenden dokumentarischen Spielfilme der Film Unit. Der Fall Western Approaches In der Regel wurden Produktionsentscheidungen über Crown Filme zwischen Dalrymple, Beddington und den Finanzbürokraten des Ministry of Information ausgehandelt. Anstehende Produktionsprobleme konnten zwischen Beddington und Dalrymple ausgeräumt werden. Nur in einem Fall kam die Auseinandersetzung um die Produktion eines Films vor die höchsten Entscheidungsträger des Ministeriums. Den Kampf um Western Approaches konnten die 16 Harry Watt an William Williams, 7.2.1941. PRO, INF 1/78 F2441 343 Dokumentaristen zwar gewinnen, so Aldgate/Richards17, aber die im Umfeld dieser Produktion eingesetzten administrativen Kontroll-mechanismen und ihre Auswirkungen haben der Crown Film Unit langfristig mehr geschadet als der Prestigeerfolg des fertigen Films. Die Ideen- und Planungsphase des Films Western Approaches war bereits in einem früheren Kapitel Thema. Wie sahen nun die weiteren Produktionsschritte aus? Am 11. Dezember 1941 bat Dalrymple Beddington formal um Erlaubnis, die Produktion aufzunehmen zu dürfen, und beantragte £ 250 für die Vorbereitung des Drehbuchs. In dieser Summe war der Ankauf des Treatments von Owen Rutter und seine Dienste als Technical Writer enthalten. Dalrymple schlug auch vor, Rutter während der Produktion als Naval Liaison Officer zu engagieren, um seine guten Kontakte zur Admiralität für die vorhersehbaren Probleme zu nutzen.18 Finance Division willigte acht Tage später ein, verwies aber darauf, dass die temporäre Anstellung von Rutter erst erfolgen könnte, wenn ein detailliertes Budget und die Einwilligung der Establishment Division zu seiner Beschäftigung vorläge.19 Anfang 1942 erfuhr Dalrymple, dass die Admiralität Rutters Treatment für eigene Filmpläne nutzen wollte. Bei diesem Film, der unter dem provisorischen Titel ‚They Sail Again‘ in Technicolor gedreht werden sollte, war Harry Watt als Regisseur vorgesehen, während die Finanzierung Arthur Ranks General Film Distributors übernehmen wollte. Nur mit Bluff über die bereits weit fortgeschrittenen Produktionsvorbereitungen – er präsentierte sogar den zukünfti- 17 Für eine detaillierte Beschreibung des Produktionsablaufs zu Western Approaches, siehe: The War the Documentarists Won: Western Approaches, in: Aldgate/Richards, Britain Can Take it, a.a.O., S.264-276 18 Dalrymple an Beddington, 11.12.1941. PRO, INF 1/213 19 Campbell an Dalrymple, 19.12.1941. PRO, INF 1/213 344 gen Regisseur – konnte Dalrymple erreichen, dass die Admiralität ihre eigenes Projekt fallenließ. Doch war Dalrymple von der Idee einer Farbfilmproduktion fasziniert und er wollte sie für Western Approaches verwenden. Gegenüber Beddington begründete er seine Absicht, „1 Colour is still sufficiently a novelty to attract patronage. In other words, it sells propaganda. 2 The first British naval subject in Technicolor will attract enormous notice. (...) 4 Colour will have a most salutory effect on revenue (...) 7 It will be particularly useful to distribute the film in the United States.“20 Obwohl das Angebot einer kompletten Fremdfinanzierung durch Arthur J. Rank immer noch Bestand hatte, empfahl Dalrymple, nach einigem Abwägen des Für und Wider – u.a. dem Sicherheitsaspekt, Ranks Partizipation an den Verleiheinnahmen, der moralischen Verpflichtung GFD als Verleiher einzuschalten – dass der Film als Eigenproduktion realisiert und die Finanzierung über das Schatzamt erfolgen sollte. Die Kosten für die Crown Film Unit schätzte er auf £ 15.755, die damit bereits deutlich die durchschnittlichen Kosten für die im Haushalt pro Film veranschlagten £ 10.200 an Produktionsmitteln überschritten hatten.21 In einer handschriftlichen Notiz stimmte Beddington zu. Er hielt es für „much better to finance it ourselves“ und „to go ahead in Technicolor“22. Doch bevor ein entsprechender Antrag an die Treasury gestellt wurde, kam es innerhalb der Administration der Films Division zu Diskussionen, da die Finance Division sich erst einmal sträubte, den Wünschen von Dalrymple und Beddington zu folgen. Um die Bedenken der Finanzabteilung zu zerstreuen, musste die ganze Verwaltungsspitze der Films Division aufgeboten werden, 20 Dalrymple an Beddington, 26.1.1942. PRO, INF 1/213 Dalrymple an Beddington, 26.1.1942, a.a.O. 22 Handschriftliche Notiz von Beddington, 30.1.1942. PRO, INF 1/213 21 345 inklusive des Honorary Advisers und des Controllers. H.G.C. Welch von der Finance Division hatte Bedenken gegenüber der Verwendung von Farbe und übte auch Kritik an den geschätzten Kosten, die bei einem Jahresbudget von £ 62.000 für weitere Filmproduktionen der Crown Film Unit wenig Spielraum ließen. Der Haupteinwand richtete sich jedoch gegen die Einmischung einer staatlichen Institution in eine Unternehmung, die auch privatwirtschaftlich durchgeführt werden konnte. „There may be difficulty in convincing the Treasury that it is in the public interest for this film to be made at the public expense rather than by the commercial interests who are apparently willing to make it at their own expense with the aid of facilities from the Admirality.“23 Das Memorandum der Finance Division wurde dem Honorary Adviser Colonel A.C. Bromhead vorgelegt, der die Kosten zwar für zu gering angesetzt hielt, aber der Verwendung von Farbe und der Finanzierung über die Treasury zuriet. „All the costs of the film, if well produced in colour, should be recouped with a comfortable margin“. Für die „necessity for private finance or participation“ sah er „no room“.24 Auch Sidney Bernstein stimmte Bromheads Ausführungen zu. Um die Bedenken der Finance Division zu zerstreuen und zur Erhärtung der Argumentation wurde von Beddington zusätzlich noch der Controller der Films Division, S.G. Gates, eingeschaltet. Dieser hielt die Verwendung von Farbe vor allem für den Verleih in den USA für wichtig und befürwortete eine Ministry of Information-interne Produktion. „I feel strongly the film is unsuitable for private enterprise and peculiarly suitable for the Crown Film Unit. I am sure that on security grounds alone, the Admirality would prefer us to make it. Moreover if, as I believe, the film has a good chance of success in the United States of America, it would be a pity to 23 24 Memorandum von H.G.C. Welch, 3.2.1942. PRO, INF 1/213 Bromhead an Beddington und Welch, 9.2.1942. PRO, INF 1/213 346 lose the chance of increasing the prestige of British Government films over there.“25 Nach soviel ‚Fürsprache‘ schwenkte die Finanzabteilung auf den Kurs der Films Division ein und Welch formulierte einen brillanten Antrag an das Schatzamt, in dem er um finanzielle Autorisierung von £ 16.000 bat exklusive der Kosten, die durch Bereitstellung von „facilities“ durch die Admiralität entstünden.26 Die zusätzlichen Verleihkosten für 210 Kopien, die ebenfalls angesprochen wurden, beliefen sich in der Größenordnung von £ 20.000 – 25,000. Welch empfahl – allerdings ohne Erfolg – der Treasury die Kosten als zusätzliche „allocation“ zum laufenden Programm der Films Division zu buchen oder sie in toto auf die Admiralität abzuwälzen, als deren Agent die Films Division ja tätig war. Die Treasury bewilligte lediglich den vorgeschlagenen Kostenrahmen ohne die „facilities“-Kosten der Admiralität. Die Genehmigung begleitete eine Ermahnung an die Films Division, innerhalb des vorgesehen Haushaltsansatzes zu bleiben.27 Welch wiederholte gegenüber Beddington seine Bedenken bezüglich der überproportional hohen Kosten für nur einen Film. Der Haushaltsansatz von £ 46.000 sah vier „theatrical releases“ vor. Beddington versprach die Produktion im Auge zu behalten, fügte aber hinzu, „I fear it is not practicable to give an assurance that the Crown Film Unit‘s programme of theatrical films will be confined to four and completed within £ 46.000. The figure for expenditure on this class of work were an estimate and circumstances are constantly changing. The entry of the United States into the war for instance is a new development which affects the Crown Film Unit‘s work very closely. The great success of certain Crown Film Unit productions is another factor which must be borne in mind.“28 25 Memorandum von Gates, 14.2.1942. PRO, INF 1/213 Welch an R.J.P. Harvey, 18.2.1942. PRO, INF 1/213 27 Harvey an Welch, 3.3.1942. PRO, INF 1/213 28 Beddington an Welch, 9.3.1942. PRO, INF 1/213 26 347 Dalrymple hatte grünes Licht, mit der Produktion zu beginnen, auch wenn ein detailliertes Budget aufgrund des fehlenden Drehbuchs noch ausstand. Ohne das Budget durfte Dalrymple keine größeren Summen ausgeben. Mitte Juni 1942 legte Pat Jackson ein Shooting Script vor, das sich von Owen Rutters ursprünglichen Konzept radikal unterschied. Der thematische Schwerpunkt lag nicht mehr auf der Kriegsmarine sondern hatte sich auf die Handelsmarine verlagert. Auch wenn weiterhin die Organisation eines Konvois Thema war, rückte ein Handelsschiff, die ‚Leander‘ und seine Besatzung, in den Mittelpunkt der Handlung. Als Neuerung hatte Jackson ein dramatisches Element eingefügt: den Überlebenskampf der Besatzung der ‚Jason‘, die von einem deutschen U-Boot versenkt wird, und in einem Rettungsboot im Atlantik treibt. Die Rettungssignale der Jason werden von der Leander aufgegriffen, die umgehend zu Hilfe eilt. Ein dramatischer Konflikt entsteht, als sich herausstellt, dass das deutsche U-Boot das Rettungsboot der Jason dazu benutzt, andere Schiffe in eine tödliche Falle zu locken. Der Kampf zwischen dem deutschen U-Boot und dem britischen Handelsschiff ist der Höhepunkt des Films. Für die Films Division stand einiges auf dem Spiel, und die vielen Berater brauchten dringend ein fertiges Drehbuch, um effektiv zu arbeiten. Jacksons Script wurde auch dem Drehbuchspezialisten der der Produktionsabteilung der Films Division, Arthur Calder-Marshall zur Begutachtung vorgelegt, dessen Urteil über das „first class script“ enthusiastisch ausfiel: „The film differs from a feature made with the same story, even the same motive, by the amount of footage given to the various operations guided or recorded by the operations room, so that the film does give one a feeling of a message at a second level – which is that in the war, or in fact in life today – 348 the history of the individual is intimately tied up with the history of all sorts of people.“29 Anhand des fertigen Drehbuch konnte die Crown Film Unit nun endlich die Kostenschätzung für Western Approaches erstellen.30 Gegenüber dem ursprünglichen Ansatz hatte sich das Projekt erheblich verändert und erweitert, der Film wurde von einem six- zu einem eight-reeler, die Zeit für Außendrehs war auf elf Wochen, die der Studiodrehs auf neun Wochen veranschlagt und weitere zwei Monate waren für Aufnahmen von Konvoi-Material angesetzt. Die Kosten den Films hatten sich dabei verdoppelt, und standen jetzt bei £ 32.390, wobei die Summe noch nicht einmal das Technicolor-Filmaterial enthielt, das die Crown Film Unit bereits gekauft hatte. Die Finanzabteilung hatte noch heftigere Bedenken als zuvor und schickte ein Memorandum an Bamford, den Deputy Director General des Ministry of Information, in dem auf die Kosten von £ 53.012, in die die 50 Prozent overheads der Crown Film Unit eingearbeitet waren, verwiesen wurde. „You will no doubt wish to obtain their [Colonel Bromhead und S.G. Gates] further observations now and to consider whether the proposal should go forward to the Treasury.“31 Bamford konsultierte Bromhead, den Government Film Adviser, der mit den gleichen Argumenten wie in seiner ersten Begründung auch die Produktionskosten von „£ 50.000 or so“ für gerechtfertigt hielt. Das Absicherungsspiel ging aber noch weiter. Bamford holte sich auch die Einwilligung von Cyril 29 Memorandum von Calder-Marshall, 15.7.1942. PRO, INF 1/213 Estimates of Costs, Western Approaches, 5.8.1942. PRO, INF 1/213 31 Welch an Bamford, 12.8.1942. PRO, INF 1/213 30 349 Radcliffe, dem Director General des Ministry of Information, der die Produktion befürwortete. „The project should go ahead in view of the paramount value of this film for home propaganda and I hope abroad,“ ließ aber gleichzeitig die Warnung mitschwingen, „We are bound to recognize that if this film is not a success in exhibition, we shall have to adapt the future policy of the Crown Film Unit accordingly.“32 Es ging jetzt mehr als nur um einen teuren Film. Die Zukunft der Crown Film Unit stand auf dem Spiel. Bamford selbst musste mit den Beamten der Treasury verhandeln, die in einem ausführlichen Brief die Verhandlungsdiskussionen protokollierten. Die Crown Film Unit erhielt grünes Licht, „subject to confirmation from a higher authority“, zwischen £ 50.000 und £ 70.000 für die Produktion auszugeben. „To invest up to £ 70.000 of public funds in a particular film inevitably involves a measure of risk. There is nothing more uncertain than a film success, but in view of the importance of the subject from the propaganda standpoint and also in view of the successes of the ambitious ventures of the Crown Film Unit so far undertaken, you felt that the risk was worth taking. In the considered view of the Film Advisers to the Ministry, the film Western Approaches was likely to be a box office success and they were confident that the film would pay for itself and possibly make a profit as well.“ Zur Sprache kam auch der mögliche Konflikt, der aus dem Nichteinhalten der Empfehlungen des Select Committee on National Expenditure aus dem Jahre 1940 resultieren konnte, die dem Ministry of Information eine direkte Beteiligung an Spielfilmproduktionen untersagten.33 32 Radcliffe an Bamford, 27.8.1942. PRO, INF 1/213 „The Films Division should not in future assume direct responsibility for the production of feature films by the provision of public money.“ Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 14 33 350 „From our discussion, however, it seemed clear that the Select Committee had not this kind of film in mind but rather the entertainment film in the production of which stars are employed. There will be no stars as such in Western Approaches and in your view, which we accept, the film does not conflict with the Select Committee‘s recommendations.“34 Die eigentlichen Dreharbeiten begannen im September 1942. Vor Holyhead an der Küste von Kent wurden in den nächsten sechs Monaten die Szenen mit dem Rettungsboot der Jason gedreht. Die massiven technischen Schwierigkeiten, die mit den Rettungsbootszenen verbunden waren, beschrieb Kameramann Jack Cardiff plastisch: eine geblimpte Technicolorkamera, die Tonaufnahmenapparaturen und Lampen mussten auf der angebauten Plattform eines Rettungsbootes bei rauher See von Technikern bedient werden, die genauso seekrank wurden, wie die professionellen Seeleute, die als Schauspieler agierten.35 Nicht nur diese Probleme, die zu Produktionsverzögerungen und damit Kostensteigerungen führten, blieben in der Bürokratie des Ministry of Information nicht unbemerkt. Die Produktion von Western Approaches war zum Erfolg verdammt, und es war nicht nur die Existenz der Crown Film Unit bedroht. Das ganze Ministerium bis hinauf zum Director General war im Falle eines Misserfolges betroffen und die Treasury, die ja nur auf „höhere Anweisung“ den Kosten zugestimmt hatte, machte dem Ministerium – und nicht etwa der Films Division oder der Crown Film Unit – unmissverständlich klar, dass sie dabei waren, „risking a good deal by putting all our eggs in one basket“. Um den möglichen Schaden politisch in Grenzen zu halten und die Verantwortung auf viele Schultern abzuladen, wurde die Crown Film Unit an die 34 Harvey an Bamford, 14.9.1942. PRO, INF 1/213 Jack Cardiff, Shooting Western Approaches in Colour by the Cameraman who did it, o.D., Mikrofiche zu Western Approaches in der Bibliothek des British Film Institutes, London 35 351 Kandare genommen. Im März 1943 wurde mit den neuen Board of Management ein Kontrollgremium für die Film Unit geschaffen, das die alleinige Aufgabe hatte, „to control the organisation and work of the Crown Film Unit“. Die existierenden administrativen und finanziellen Kontrollmöglichkeiten blieben davon unberührt. Der neue Aufsichtsrat sollte für die Themen und das Programm der Unit und deren effiziente Umsetzung verantwortlich sein. „In view of its position under the Ministry, the activities of the Unit must continue to be subject to the usual departmental and Treasury controls. To this extent the Board must be advisory, but subject to this qualification it will be responsible for the supervision of the programme and progress of work and generally for the efficient running of the Unit.“36 Den Vorsitz des Gremiums hatte S.G. Gates übernommen, der Controller der Films Division. Neben Beddington und Dalrymple saßen der Business Manager der Crown Film Unit, A.W. Osborne, und Vertreter der Finanz- und Establishment-Abteilung in diesem Gremium. Die Wahl von Arthur J. Rank in das Board, von Beddington sehr begrüßt, „to co-opt an adviser from the industry, especially in the fields of distribution and finance“37, blieb nicht ohne kritische öffentliche Resonanz. Informationsminister Brendan Bracken musste sogar eine entsprechende Anfrage im Parlament beantworten.38 Mit Rank befand sich eine Person im Aufsichtsrat der Crown Film Unit, die kurze Zeit zuvor noch ein persönliches finanzielles Interesse an der Produktion von Western Approaches hatte. Die Ernennung, wenn sie denn nicht als appeasement gegenüber den nicht zum Zuge gekommenen Rank-Interessen gewertet werden musste, hinterließ einen schlechten Nachgeschmack. 36 Crown Film Unit, Board of Management, Paper No.1, March 1943. PRO, INF 1/58 Arthur Rank in Crown F.U., Daily Film Renter, 7.4.1943 38 „Mr. Rank was invited to join the Board because of his great experience in matters appertaining to the production of Films“. In: Crown Film Unit – Why J. Arthur Rank Was Appointed, Kinematograph Weekly, 22.4.1943 37 352 Die Tagesordnung des monatlich tagenden Gremiums basierte auf den Arbeitsberichten des Produzenten. Der erste dieser Producer‘s Reports endete mit der schriftlichen Rücktrittserklärung von Ian Dalrymple, der es als Affront empfand, ein Aufsichtsgremium vor die Nase gesetzt zu bekommen. Die Einsetzung eines Board of Managements und Dalrymples Rücktritt waren auch Symptom einer beginnende Veränderung in der Politik der Films Division. Dalrymple hatte nicht ganz unrecht, als er nach 1945 seinen Rücktritt mit den Schwierigkeiten in Verbindung brachte, langfristige Projekte und Ideen für den Wiederaufbau nach dem Krieg zu initiieren, auch wenn sich diese im Frühjahr 1943 noch nicht deutlich abzeichneten. Doch zurück zur Produktion von Western Approaches. Die Außenaufnahmen mit dem Rettungsboot waren nach sechs Monaten, Anfang März 1943, abgedreht. Geplante weitere Außenaufnahmen in Nordirland fielen ins Wasser, da die Admiralität der Unit ein ungeeignetes Schiff zur Verfügung gestellt hatte. So wurden die auf sieben Wochen angesetzten Studiodreharbeiten vorgezogen, und sie kamen wider Erwarten schneller voran als geplant, „A new record for Technicolor shooting was established with 27 Camera Set-Ups in a day.“39 Doch dieser Erfolg durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass zusätzliche Studiodreharbeiten notwendig wurden und erhebliche Drehverzögerungen eintraten, weil sich zur gewünschten Zeit kein Konvoi, der die Dreharbeiten begleiten sollte, arrangieren ließ, und die zwei Monate Dreharbeiten während der Überfahrt des Konvois nach den USA mit Szenen im New Yorker Hafen 39 Crown Film Unit, Board of Management, Third Meeting, Producer‘s Report, 27.5.43. PRO, INF 1/58 353 überdies nicht im ursprünglichen Budget erhalten waren. Weitere £ 30.000 gegenüber den von der Treasury bereits abgesegneten £ 70.000 wurden beantragt und auch genehmigt. „It is distressing that the original budget and time schedule have been so far exceeded.“40 Erst gegen Ende 1943 waren die letzten Nachdrehs beendet. Technische Fehler, die erst nach dem Kopieren erkennbar waren, hatten sie erforderlich gemacht. Man darf nicht vergessen, dass die Technicolornegative in Los Angeles unter Sicherheitsbedingungen entwickelt werden mussten, was einen enormen logistischen und zeitlichen Aufwand im Hinblick auf die Transportwege bedeutete. Erst Ende 1943 konnten Pat Jackson und seine Schwester mit der Montage des Films beginnen; der Rohschnitt lag Ende Januar 1944 vor. Der ursprünglich als Schnittmeister vorgesehene Michael Gordon, einer von Holmes neu engagierten Mitarbeitern, hatte Schwierigkeiten mit der Absicht des Filmemachers, „we were having a little trouble in the cutting room and we had to change the editor because he wasn‘t really understanding what Pat Jackson was up to.“41 Für Eingriffe in die vom Filmemacher intendierte Fassung seines Films, die zu Veränderungen ja sogar zum Nachdreh von Szenen führen konnte, gab es während der Post-Production von Crown Filmen drei Gründe: (1) die Verantwortlichen der Films Division hatte inhaltliche Einwände; (2) das British Board of Film Censors verlangte es; oder (3) die Films Divison setzte kommerzielle Überlegungen vor künstlerische, indem sie Rücksicht auf die Verleiher nahm. 40 41 Bamford an Welch, 6.7.1943. PRP, INF 1/213 Dalrymple, zitiert nach: Essex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 151 354 Endabnahme Alle Filme, welche die Films Division produziert hatte, unabhängig davon, ob sie Eigenproduktionen der Crown Film Unit oder Auftragsproduktionen durch private Firmen waren, mussten zur Endabnahme Beddington vorgelegt werden. Handelte es sich um Produktionen, die als Five- oder Fifteen MinuteFilme oder als reguläre Theatrical Releases in die Kinos kamen, war auch Sidney Bernstein an der Endabnahme beteiligt. Häufig wurde auch der Controller der Filmabteilung, S.J. Gates, hinzugezogen. Die Filme wurden in ihrer Rohschnittfassung im Preview Theatre des Ministry of Information vorgeführt, häufig als stumme Schnittkopie, bei der über den aufgenommenen Kommentar oder Dialog separat entschieden wurde.42 Humphrey Jennings Film The Silent Village, eine Crown Produktion, wurde Beddington und Gates als stumme Schnittfassung vorgeführt, „As a result of the projection the cutting of certain sections has been revised.“43 Um welche Sequenzen es sich dabei handelte, ist nicht mehr zu ermitteln. Die geänderte Fassung mit der Tonspur musste erneut der Leitung der Films Division vorgelegt werden. „Two commentaries have been recorded, both unsatisfactory, and it has been decided to substitute titles. The dubbed cutting copy will be available for reexamination by Films Division about 5.5.43.“44 Zensur Als der Film Western Approaches dem British Board of Film Censors vorgelegt wurde, beanstandeten diese die Verwendung des Wortes „bloody“, das fünfzehnmal im Dialog des Films auftauchte. Hudson beschrieb die Konversation mit dem Chef des B.B.F.C., J. Brooke Wilkinson: 42 Siehe: Dallas Bower an John Betjeman, 3.6.1940. PRO, INF 1/206 Crown Film Unit, Board of Management, Producer‘s Report, 29.4.1943. PRO, INF 1/58 44 Crown Film Unit, Board of Management, Producer‘s Report, 29.4.1943, a.a.O. 43 355 „Western Approaches went to the BBFC today. Mr Brooke Wilkinson rang me to say that he considers the film is one which should go for general distribution. At the same time he cannot give it even an ‚A‘ certificate as long as it contains the word ‚bloody‘. He asserted, and I did not argue with him on the point, that they had never allowed this word except (during the war) as applied to a German. (...) It will suffice if the offending word is blurred in each case.“45 Um gegen die Argumentation des B.B.F.C. gewappnet zu sein, stellte die Films Division eine Liste mit Filmen zusammen, in denen die Zensur die Verwendung des Wortes ‚bloody‘ in früheren Fällen zugelassen hatte. Doch die Films Division ließ sich nicht auf eine harte Auseinandersetzung mit den Zensoren ein. Pat Jackson musste auf Veranlassung des Deputy Directors der Films Division, Nunn May, zwölf ‚bloodies‘ entfernen, das ihn zu dem zynischen statement verleitete, „I hope in view of our recent purge the Ministry will be successful in taking Mr Censor by storm.“ Drei beanstandete ‚bloodies‘ blieben aus dramaturgischen Gründen stehen.46 Am 12. Juni 1944 erteilte Lord Tyrell die Erlaubnis zur Freigabe des Films mit einem ‚A‘ – Zertifikat trotz der dreimaligen Verwendung des Wortes ‚bloody‘. Bei der Vorlage des Films Fires Were Started beanstandete das British Board of Film Censors aus Gründen der Sicherheits-Zensur eine Szene, in der Waffen verladen wurden, die auf der Geheimhaltungsliste standen. Den raschen Nachdreh dieser Szene arrangierte der London Contact Officer der Film Unit.47 Nur einen Tag nach Drehschluss erfolgte die Freigabe durch das B.B.F.C. 45 Hudson an Holmes, 6.5.1944. PRO, INF 1/213 „We hope that in the rather special circumstances of this case and in the assurance that we shall not regard it as in any way a precedent, you may see your way to pass the film with these three scenes as they stand.“ Nunn May an Brooke Wilkinson, 8.6.1944. PRO, INF 1/213 47 „(...) we are desirous of making some shots of any type of armament being loaded into a moderate size merchant ship. (...) As I mentioned yesterday the gun which we then showed 46 356 Verleihkontrolle Für die Verhandlungen mit den kommerziellen Verleihfirmen bzw. der Kinematograph Renters‘ Society, dem Dachverband der Filmverleiher, war Sidney Bernstein zuständig. Die unglückliche Mittlerrolle, einerseits den Filmen des Ministry of Information, insbesondere den Produktionen der Crown Film Unit, die größtmögliche Publizität zu ermöglichen, die auch noch Verleiheinnahmen erzielt, und andererseits den Verleihern und Kinobesitzern, die ihn immer noch als einen der Ihren ansahen, profitable Filme zu günstigen Konditionen zu verschaffen, ließen Bernstein häufig Kritik von beiden Seiten einstecken. Mal waren die Kinobesitzer gegen Bernstein und das Ministerium aufgebracht, so geschehen bei Target for Tonight, als Bernstein dessen Kinoaufführung nicht wie bis dato üblich mit dem C.E.A. und den Kinobesitzern ausgehandelt hatte, sondern mit einem Verleiher, der den Film zu seinen Konditionen den Kinos anbot,48 ein anderes Mal waren es die Filmemacher, die ihre Produkte verschandelt sahen, wenn Bernstein, um Wünschen der Verleiher entgegenzukommen, Eingriffe und Schnitte in ihre Filme erlaubte. Die Dreharbeiten zu I Was a Fireman hatten länger gedauert als geplant und brachten die Films Division in ein zeitliches Dilemma, da die Ealing Studios being dealt with proves to have been on the secret list and we are anxious on this occasion to ensure that anything appearing on the film is definetely suitable for general exhibition. (...) We are anxious to do the filming as soon as possible since this unexpected censorship point has seriously disorganised our distribution arrangements for the film.“ Hudson an Col. Pelleteau [Royal Arsenal], 24.10.1942. PRO, INF 5/88 48 „(...) ‚Target for To-night‘ has not been handled in the manner it should have been, and we request that the film should be made available to all exhibitors at reasonable terms and concurrently with their competitors. We ask an immediate conference with the Ministry to discuss the booking of ‚Target for Tonight‘ and also request that the Ministry of Information in future consult the Committee already in being [das Trade Committee der C.E.A., J.B.] to discuss their films, other than free shorts, and the method of their distribution.“ „Target for To-night“ Release „Mishandled“, in: Kinematograph Weekly, 21.8.1941, S. 13 357 zur selben Zeit einen Spielfilm über das gleiche Thema des „Auxilliary Fire Service“ unter dem Titel The Bells Go Down in Produktion hatten. Die Films Division wollte ihren Film unbedingt als erster in die Kinos bringen, um von der Neugierde des Publikums auf ein neues Thema zu profitieren. Sie hatte schon einmal das Nachsehen gegenüber einer kommerziellen Produktion gehabt: Bei Close Quarters, einem Film über den U-Boot Krieg, dem We Dive at Dawn die Schau stahl. Bernstein hatte, auch aufgrund der Erfahrungen mit Target for Tonight ein System mit der C.E.A. ausgehandelt, bei dem die sechs großen kommerziellen Verleihfirmen nach dem Rotationsprinzip die Theatrical Releases der staatlichen Filmproduktion erhielten. Für I Was a Fireman, so lautete der offizielle Titel, den die Crown Film Unit dem Film gegeben hatte, war Arthur J. Ranks General Film Distributors als Verleiher vorgesehen.49 Es war schon häufiger vorgekommen, dass kleine Änderungen an den Theatrical Releases der Crown Filme in Absprache mit Verleihern vorgenommen wurden, so bei der Titelfindung zu Close Quarters.50 Bei I Was a Fireman versuchte der Verleih massive Änderungen durchzusetzen. Arthur Jarratt und 49 Auch wenn die Verleihverträge von Bernstein für jeden Film gesondert ausgehandelt wurden, enthielten die Verträge über den Verleih von staatlich geförderten Filmen „on British Territory“, i.e. Great Britain, Northern Ireland, Eire, Isle of Man,, Gibraltar, Malta and „in British Ships“ zumeist folgende Vereinbarungen: die Länge der Auswertungszeit; die Prozentzahlen für das Splitting der Einspieleinnahmen zwischen Verleihfirma und dem Ministry of Information als Produktionsfirma (gewöhnlich 30% an Verleiher 70% an das Ministerium). Die Kosten für Kopien und für Werbung, bei der gewöhnlich eine Summe von £ 500 vorgesehen war, konnte der Verleiher als einmalige Ausgabe von den Einspieleinnahmen abziehen. Darüber hinaus behielt sich das Ministry of Information die Rechte für den Verleih im Ausland und für die nichtkommerzielle Auswertung vor. Siehe: [Verleihvertrag], 1.10.1940. PRO, INF 1/616 F 242. Über die Anzahl der für die Kinoaufführung zu ziehenden Kopien und die Form des Einsatzes als Vorfilm oder als Second Feature wurden gesonderte Absprachen getroffen 50 „Operations ‚Primrose‘ (working title). A suggestion that the title be altered to ‚Breafast at Night‘ had not met with the approval of the Admirality. An alternative title ‚Close Quarters‘ had been suggested and it was agreed that Mr. Dalrymple should consult Mr. David Griffith of A.B.F.D. in order to ascertain whether ‚Close Quarters‘ would be considered a good selling title.“ Minutes of the First Meeting of the Crown Film Unit Board of Management, 25.3.1943. PRO, INF 1/58 358 C.M. Woolf, die Direktoren von General Film Distributors, weigerten sich, den Film so zu übernehmen, wie Jennings und die Crown Film Unit ihn realisiert hatten.51 Sie verlangten eine Änderung des Titels und Schnitte, um dem Film mehr Tempo zu geben. Beddington schrieb an Dalrymple: „I would not accept their judgement for one moment did I not feel myself that the film can be much improved both from a propaganda and entertainment point of view.“52 Beddington verlangte daraufhin von Dalrymple die Kürzung der Eingangssequenzen, die Einführung eines Erzählers, um Teilaspekte der Handlung zu pointieren, und einen Hinweis, dass die Handlung des Films in den Anfangsjahren des National Fire Service spielt. Dalrymple war nicht bereit, den gewünschten Schnittauflagen Folge zu leisten. Er suchte Schützenhilfe von außerhalb der Film Unit. C.A. Lejeune, der bekannte Filmkritiker des Observer, schrieb an Beddington: „I promised Dalrymple I would send you a line about the A.F.S. film. In my opinion, this is a film on which a stand ought to be made. It should be shown quickly, it should be shown widely, and it should be shown in its present form. Apart from a few small criticisms, which I have made to Crown, I think it is one of the finest documentaries we have ever made. I am quite sure it will bring prestige to the unit and to British films generally. I can guarantee that what I may call ‚my‘ public will like it, and I have enough faith in the good heart of the wider public to believe that they will like it too. I have never yet known a film as honest and human as this one fail to get its message through. If it were my film, I should be very proud of it.“53 Jennings war bereits mit seinem nächsten Projekt The Silent Village beschäftigt, als er von den Vorkommnissen erfuhr. 51 Siehe auch: England, Their England: Fires Were Started, in: Aldgate/ Richards, Britain Can Take it, a.a.O., S. 238-240 52 Beddington an Dalrymple, 26.11.1942. PRO, INF 1/212 53 C.A. Lejeune an Beddington, o.D., PRO, INF 6/985 359 „All sorts of people – official and otherwise – who apparently had not had the courage to speak out before, suddenly discovered that that was what they had thought all along, that the picture was much too long and much too slow and that really instead of being the finest picture we had produced (which was the general opinion till then) it was a hopeless muddle which would only be ‚saved‘ by being cut right down an so on. Well of course one expects that from spineless well-known modern novelists and poets who have somehow got into the propaganda business – who have no technical knowledge and no sense of solidarity or moral courage. But worse – the opinion of people at Pinewood began to change. All this arising out of the criticism of one or two people in Wardour Street – who had other irons in the fire anyway and who fight every inch against us trespassing on what they pretend is their field. In the meantime Lejeune of the Observer has seen it and said it was easily the finest documentary ever made and that to touch it would be like cutting up Beethoven!“54 Jennings war nicht nur frustiert und wütend, sondern dachte auch ernsthaft daran, die Crown Film Unit zu verlassen, nachdem er erfahren hatte, dass Beddington das Ministry of Home Security, das bei der Produktion kooperierte, über eine definitive Kürzung des Films um 700-800 Fuß informiert hatte. Stewart McAllister, der eine Reihe von Jennings Filmen geschnitten hatte, u.a. auch I Was a Fireman, weigerte sich ebenfalls, die verlangten Schnittauflagen auszuführen. D.D. Evans, der Agent der South Wales Miners‘ Federation, der Jennings den Zugang zu den walisischen Bergleuten für seinen Film The Silent Village eröffnet hatte und mit dem Jennings eine herzliche Freundschaft verband, schrieb ihm einen bemerkenswerten Brief, der Jennings von seinem Entschluss abbrachte, die Schnittauflagen zu verweigern und die Unit zu verlassen. „I learned from Miss Pine and Mac., on my last visit to London that things were going very badly over the Fire Service Film. I felt that Mac., and yourself were cut very cut up over the attitude of the Ministry and the Commercials in this connection. (...) It must be hard to realise after 12 months hard work, that 54 Jennings an seine Frau Cicely, 18.11.1942. Zitiert nach: Mary-Lou Jennings (Hrsg.), Humphrey Jennings: Film-Maker/Painter/Poet, London 1982, S. 35 360 the final result is to be mutilated practically beyond recognition. In fact, that the whole of the policy persued, which has been responsible for the building or making of the Unit what it is, is to be set aside, because of vested interests. I can appreciate to the full your reactions, but cannot accept them as being the correct line to persue in the present impasse. It would be a tragedy if you left Pinewood because of this incident, however much you feel frustrated by their actions. After all, it is what one expects. First they advance all kind of excuses to whittle down the content of a piece of documentary representation of life as it is, and if need transform the whole of its being entirely, but as the struggle sharpens, one is to expect, even sabotage of the whole movement that attempts to portray life as it actually is. That is due to the fact, that all institutions are due to express the life of the people, of movements and the general picture of Society as a whole, not as it is in actuality, but as it is desired to present it. (...) You not only work for wages or salaries – you produce a thing that can express your own personalities. You have a very deep interest in the final product of your collective labours, but in the main the ideas of one or at the outside two individuals, hence your strong personal feeling when that work is to be mutilated, and Mac‘s strong objections to doing the mauling of your creative effort. Perhaps, even that could be made much more effective, if the whole Unit was to be made to feel that the finished article was a part of them to a greater degree than they do at present. One would feel that, in one‘s sense of frustration a communal feeling, a mutual understanding, that OUR work is being shattered, circumscribed and in fact completely changed. Then the feeling of resentment would have a much greater mass basis, and the revolt would have a much wider base. (...) Therefore, Humphrey whatever the intensity of your feelings on the matter, you should not leave Pinewood.“55 Jennings gab nach, zumal er auch von Dalrymple bedrängt wurde, der sich zwangsweise „between two fires“ fühlen musste. Aber Dalrymple kapitulierte erst, nachdem ihm die Vertragsverhandlungen mit weiteren Verleihern keinen Raum mehr ließen. Die Erfahrungen, die Dalrymple nicht nur bei diesem Film in der Auseinandersetzung mit kommerziellen Verleihern machte, bestärkten ihn später in seinem Rücktritt. „(...) The commercial exploitation of our films is exposed to the mercy of whims and wangles of private distribution, with the result that the same artificial conditions are created to prevent the producer even recovering cost. The attitude of the Distributor or Exhibitor is either that a film is the old his too 55 D.D. Evans an Humphrey Jennings, 25.12.1942. Humphrey Jennings papers, Box 10 (The Silent Village), in der Bibliothek (Special Collections) des British Film Institute, London 361 difficult to be popular: or so popular that he should get it for nothing. Where a ‚difficult‘ film proves popular, as it almost invariably does, it is prevented by the usual devices from receiving its proper revenue. In these conditions, if they remain uncombatted, it is no longer possible to invent a programme of production which will at once serve the needs of war publicity and not be a burden on the Treasury.“56 Die ersten vier Rollen von Jennings I Was a Fireman wurden fast vollständig neu geschnitten und teilweise auch neu synchronisiert.57 Nachdem die Verhandlungen mit GFD ins Stocken geraten waren, hatte Bernstein versucht, mit Columbia einen Verleihvertrag zu schließen, der aber daran scheiterte, dass Columbia keinen schnellen Kinostart garantieren konnte. Bernstein verhandelte erneut mit Frank Ditcham, dem Managing Director von GFD, auf dessen Grundlage GFD den Verleih des Films übernahm.58 Für die Zusage einer West End Premiere Ende März und einem allgemeinen Kinostart im April, bekam der Film einen neuen Titel, Fires Were Started, wurde 56 Ian Dalrymple an Jack Beddington, 10.5.1943, zitiert nach: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 151 57 Da laut Vertrag mit dem Verleiher die Kosten der Änderungen dem Produzenten angelastet wurden, erhielt Crown £ 326 für den Neuschnitt und weitere £ 175 für die Erstellung neuer Negative und Lavendel. Die gesamten direkten Kosten (ohne overheads der Crown Film Unit) beliefen sich damit auf £ 13.571 58 „I saw Ditcham today, and we agreed the following: (1) The title may be changed, and Ditcham is to telephone Ian Dalrymple and get his consent to the proposed new title. (2) The film can be cut if necessary, but only in association with Dalrymple at Pinewood Studios, and at our expense. (3) The film is to be offered for its West End run to the Empire, Leicester Square. (4) General release must not be later than April. (5) G.F.D. to give the exclusive services of one of their special exploiters for this film until it is successfully launched and to co-operate with Griggs [J.D. Griggs, Press Officer der Films Division] in arranging tie-ups with Home Office, Fire Services, A.R.P., etc. (6) Distributors‘ terms to be 20% and contract in the same form as Desert Victory. (7) Rental terms to exhibitors to be discussed with M.O.I. after the Press and Trade shows, but we anticipate the film being sold as a second feature because of our desire to get quick and wide distribution. Ditcham stated G.B. terms for a second feature were about £ 7.500 to £ 8.000. (8) The number of copies to be used will be governed by the number for the London release. It will be approximately 50. (9) The sum of £ 500, which is usually laid down for Trade press and general advertising, to be increased to £ 1.000. I explained to Ditcham that on no account could we consider the release of this film being delayed in any way because Odeon Theatres, in which Mr. Rank has an interest, have a tentative reservation for another film dealing with the Fire Brigade for May 10th. I explained that our film had been ready for some time, and we could not consider its release being further delayed for another film not yet complete and not Trade shown on account of G.F.D.‘s Chairman‘s other interests.“ Bernstein an Weait (cc. Beddington und Dalrymple), 18.3.1943. PRO, INF 1/212 362 um neun Minuten gekürzt und mit einem erklärenden Einleitungstitel versehen, der den historischen Kontext klarstellte. Über weitere Abspielstätten verhandelte Bernstein mit Mark Ostrer, dem Managing Director der Kinokette Gaumont British, der ihm versprach, den Film im April in seinen Kinos einzusetzen. Kontrolle über die Arbeit der Colonial Film Unit Die unterschiedlichen Interessenlagen der Mitarbeiter des Colonial Office einerseits und der Films Division andererseits brachte die Colonial Film Unit häufiger in Kompetenzgerangel mit den beteiligten Ministerien. Die Politiker des Colonial Office befürchteten einen Eingriff in ihre Domäne, und zwar derart, dass die Propagandapolitik des Ministry of Information sie zu Handlungen und zu einer Politik verleiten könnte, die sie nicht vertreten konnten und wollten. Um das zu verhindern, etablierte das Colonial Office 1940 eine eigene Public-Relations-Abteilung, und das Ministry of Information hatte zu akzeptieren, dass das Colonial Office eigene Richtlinien für ihre Propagandapolitik in den Kolonien festlegte. Die Colonial Film Unit war mithin einer doppelten Kontrolle ausgesetzt. Erfolgte in der Anfangszeit die administrative und in eingeschränktem Maße auch inhaltliche Kontrolle durch die G.P.O./Crown Film Unit, entschied seit 1942 ein gemeinsames Komitee, „to guide the activities of the Unit“59, über die Politik der Colonial Film Unit. Dieses Komitee bestand aus Mitgliedern der Film Unit, Vertretern des Colonial Office, der Empire Division des Ministry of Information und der Films Division. Waren die Befürchtungen des Colonial Office über eine Einflussnahme des Ministry of Information politisch begründet, so beschränkte sich der tatsächliche Einfluss der Films Division auf die Colonial Film Unit und ihre Produkte 59 Notes of the work of Films Division 1942-1943, o.D., S. 4. PRO, INF 1/75/A729/8 363 dann eher auf den praktischen Aspekt der Dokumentarfilmarbeit. Hieran lassen sich die unterschiedlichen Einschätzungen der Arbeit der Colonial Film Unit erkennen. Sah das Colonial Office in der Film Unit ein wichtiges Mittel für die langfristige Umsetzung ihre entwicklungspolitischen Ideen, war die Unit in den Augen der Films Division dagegen eher ein geduldetes, nicht gerade geliebtes Anhängsel der Crown Film Unit, dessen Produkte belächelt wurden. Beddington und die Crown Film Unit zeigten daher auch kein großes Interesse an der Arbeit des Leiters der Colonial Film Unit, William Sellers. So war es nur folgerichtig, dass sich die Unit immer mehr zu einer eigenständigen Spezialabteilung entwickelte. Die administrative wie finanzielle Kontrolle wurden mit Einwilligung von Beddington 1942 dem Colonial Office übertragen. Beddington und Mercier waren jedoch nicht bereit, dem Office auch in Personalfragen freie Hand zu geben, da ihnen damit die letzte Einflussmöglichkeit über die Unit genommen worden wäre.60 Wie schwierig es für Beddington war, seine Vorstellungen durchzusetzen, zeigte sich an dem müheseligen Unterfangen, farbige Mitarbeiter in die Unit zu integrieren.61 Durch den Colonial Development and Welfare Act von 1941 änderte sich die Politik der Colonial Film Unit dahingehend, dass sie auch Lehrfilme in ihr Programm aufnehmen konnte. Auch wenn dies dem Propagandaauftrag des Ministry of Information entgegenlief, unterstützte Beddington die Forderung des Colonial Office, zumal ein Argument des Kolonialministerium, 60 „(...) wish to be consulted when it comes to choosing technical staff owing to shortage of manpower.“ Jack Beddingtons handschriftliche Notiz auf einem Memorandum von Mercier, 6.2.1942. PRO, INF 1/144/A529/40 Part A 61 Gegen den Willen von Sellers konnte Beddington durchsetzen, dass der afrikanische Komponist und Musiker N. Sowanda Mitglied der Unit wurde. Da ab 1944 die neuen ‚cinema vans‘ in den Kolonien auch mit Tonfilmprojektoren ausgestattet waren, wollte Beddington die Vertonung der bis dahin stummen Filme durch afrikanische Musik 364 „when peace comes and war propaganda films are useless, the elaborate organisation for display will come to an abrupt end“62, auch für den Fortbestand der Non-Theatrical Organisation der Films Division nach dem Krieg als Präzendenzfall dienen konnte. Der erste eigenproduzierte Film der Colonial Film Unit war Mr. English at Home, das idealisierte Alltagsporträt einer typischen englischen Arbeiterfamilie mit zwei Kindern. Der Film mit seiner ‚Projection of England‘-Ideologie und seiner „amateurhaften“ Technik stieß auf heftige Kritik der Films Division und auch des Educational Advisory Committee des Colonial Office. Doch diese Kritik, die im Verlaufe des Krieges von Seiten der Films Division und auch der Empire Division wiederholt geäußert wurde, bewirkte keine Veränderungen des Produktionsprogramm der Colonial Film Unit. Aus Mangel an geeignetem Filmmaterial aus den Kolonien wurde 1943 ein ‚Raw Stock Scheme‘ für weiße Mitarbeiter der Kolonialverwaltungen initiiert, die animiert wurden, eigene Filme zu drehen. Das Programm hatte in der Einschätzung der Colonial Film Unit ermutigende Resultate, und das auf diese Weise gewonnene Filmmaterial fand Eingang in einige Filme der Unit. Die Colonial Film Unit hatte jedoch einige Schwierigkeiten, die Meinung der Establishment und auch der Finance Division zu korrigieren, in deren Einschätzung „the work being done under this Raw Stock Scheme was mere dabbling by amateurs and that it did not really amount to much.“63 Sellers hatte eine eigene Theorie über und auch Praxis für „films for primitive people“ entwickelt, basierend auf Erfahrungen, die er mit seinen Filmen vor 62 Mercier an Beddington, 6.2.1942. PRO, INF 1/144/A529/40 Part A Bradshaw [Colonial Film Unit] an Usill [Empire Division]. April 1944. PRO, INF 1/144/ A529/40 Part B. African Timber und Margarine bestanden zu größten Teilen aus Filmmaterial, das mithilfe des Raw Stock Schemes von Amateuren in Afrika gedreht wurde 63 365 dem Krieg in Nigeria gemacht hatte, und wies die Kritik des Amateurhaften heftig von sich. „I should like to make it clear that the idea that films for Africans are something in the nature of amateurish versions of films for Europeans is wholly erroneous.“64 Sellers hatte seine Überlegungen für eine Filmsprache für „illiterate Africans“ mehrmals schriftlich dargelegt. Die Aufnahmen sollten so einfach wie möglich sein, und, wenn möglich mit statischer Kamera gedreht werden; horizontale und vertikale Schwenks sollten vermieden werden65; jede Form von Trickaufnahmen war zu vermeiden, ebenso wie extreme Kamerawinkel, da sie „very confusing to the minds of illiterate people“ seien. Einstellungsänderungen hatten „smooth“ zu sein, ohne abrupten Wechsel des Kamerastandpunkts.66 „To enable illiterate Africans to analyse the scenes in detail“, hatten die einzelnen Einstellungen wesentlich länger zu sein als in ‚europäischen‘ Filmen. Diese Technik stieß von seiten der Films Division, des British Council und auch der Empire Division auf Skepsis – sogar die Hauszeitschrift der Film Unit, das Colonial Cinema, hielt sie für „a debatable business“. Auch wenn man für das Verständnisproblem eher psychologische denn filmtechnische Prob64 Sellers an Mercier, 26.5.1941. PRO, INF 1/144/A529/40 Part A „One important point appeared early – the great difference between the angle of acceptance of human vision compared with that of the kinema camera. Human vision covers roughly 190° whereas the normal camera lens covers only about 30°. (...) The difference in the field covered by a camera lens compared with human vision is very noticeable in all „panning“ shots, the effect of which educated people always take for granted. Show a horizontal „panning“ shot of buildings to an illiterate and he will tell you he saw the buildings rush by. Show him a vertical pan and he will tell you he saw the building sink into the ground. This means that panning shots can only be introduced in a film for such people under exceptional circumstances.“ In: William Sellers, The Production of Films For Primitive People, a.a.O., S. 104. Eine leicht gekürzte und überarbeitete Version erschien unter dem Titel ‚Films for Primitive People‘ in: Documentary News Letter, Vol. 2. No. 9, September 1941, S. 173, siehe auch: William Sellers, Making Films in and for the Colonies, in: Journal of the Royal Society of Arts, No. 101, 1953, S. 828-837 66 „This is probably the most difficult of camera changes to make, as cutting must be perfectly matched on some definite action (...).“ Sellers, The Production of Films For Primitive People, a.a.O. S. 107 65 366 leme verantwortlich machte, blieb die Film Unit ihrem Stil die ganzen Kriegsjahre über treu. „It was agreed that the problem was possibly more one of psychological approach than of cinematograph technique, though the latter should be kept as simple as possible.“67 Auch bei der Auswahl ihrer Themen musste die Colonial Film Unit Kritik von Seiten der Films Divsion und der Empire Division einstecken. Es war vor allem die „somewhat haphazard and limited selection of subjects“68, die man ihr ankreidete, und die Tatsache, dass die ‚war propaganda‘ der Unit tatsächlich ‚cultural propaganda‘ war, welche die ‚Projection of England‘-Ideologie transportierte.69 Diese Funktion kam eher einer Kulturinstitution wie dem British Council zu denn einem Informationsministerium, dessen Aufgabe vorrangig in der Verbreitung von Kriegspropaganda bestand. Die Army Film Unit Die Beziehung zwischen den Service Units – der Army und der R.A.F. Film Unit – und der Films Division, die als ‚mutual friendship‘ begann, endete in interministerieller Rivalität, bei der die Films Division immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Army Film Unit hatte sich aus bescheidenen Anfängen entwickelt, bei denen die Crown Film Unit Pate gestanden hatte. Doch der Versuch, eine militärische, eher auf Armeeaktivitäten ausgerichtete Filmgruppe, im Zuge der 67 Minutes of a Meeting held at the MOI, 17.6.1943. PRO, CO 875 Grossmith an Blaxter, 13.12.1942. PRO, CO 859/46/12155/1, zitiert nach: Smyth, The British Colonial Film Unit and Sub-Saharan Africa, a.a.O., S. 293 69 Gervas Huxley, der neue Direktor der Empire Publicity Division, war entsetzt über die Themen, welche die Unit Ende 1943 in ihrem Produktionsprogramm hatte: Santa Claus und der Weihnachtsbaum; Spiele von englischen Kindern; ein Film über Pfadfinder und eine Film über die ‚village hall‘ als Zentrum von sozialen Aktivitäten einer Dorfgemeinschaft 68 367 Umstrukturierungs- und Erweiterungspläne für eine Army Film Unit in die ‚zivile‘ Crown Film Unit einzugliedern, scheiterte am Widerstand des War Office, das eine Eingliederung von Militärpersonen in eine Zivilbehörde für unmöglich hielt. Man entschied sich für ein Kooperationsmodell, bei der die Army Film Unit und später auch die R.A.F. Film Unit verwaltungsmäßig dem War Office respektive dem Air Ministry unterstellt waren, während die Films Division und die Crown Film Unit logistische und personelle Hilfestellung lieferten. Da das Produktionsbudget der Service Units dem Haushalt der Films Division angegliedert war, mussten ihre Produktionsetats über die Films Division der Finance Division zur Genehmigung vorgelegt werden. Das war eine reine Formsache, da das eigentliche Kontroll- und Entscheidungsgremium das Services Publicity Film Committee war, bestehend aus den Verantwortlichen der drei Government Film Units, Repräsentanten des Ministry of Information und Vertretern der Public-Relations-Departments der drei Waffengattungen. Die ersten Produktionen der Army Film Unit entstanden für das Five-MinuteProgramm der Films Division, bei denen die Unit noch auf die Hilfestellung und Kooperation der Crown Film Unit zurückgriff, die mit den Denham-Studios wesentlich bessere Produktionsstätten besaß als die in Räumen des War Office untergebrachte Army Film Unit. Mit David MacDonald hatte die Army Film and Photographic Services (A.F.P.S.), wie die Army Film Unit offiziell hieß, zumal auch einen ehemaligen Mitarbeiter der G.P.O. Film Unit, der Men of the Lightship gedreht hatte, als ihren ersten Commanding Officer. Auch wenn die Aussage des Public Accounts Committee von 1944 für die späteren Kriegsjahre nicht mehr stimmte, dass 368 „In addition to activities which are the sole concern of the Service Departments, each Unit makes such propaganda films as are requested by this Ministry“70 [i.e. Ministry of Information, Unterstreichung von mir, J.B.], war die Zusammenarbeit zwischen Films Division und Service Units während 1941 gegeben, wenn auch nicht gerade in der Public Accounts Committee behaupteten Eindimensionalität, aber immerhin in gemeinsamer Absprache der Themen. Für den Vertrieb der Filme sollte die Films Division sorgen. Solange noch keine entscheidenden militärischen Erfolge vorzuweisen waren, die sich zwangsläufig in Filmen niederschlagen würden, klammerte die Army Film Unit Kampfhandlungen oder militärische Kampagnen aus ihren Filmthemen aus. Filme wie Northern Outpost, A.T.S., Special Despatch, The Right Man waren Produktionen, die ohne weiteres mit dem Etikett „as requested by this Ministry“ hätten versehen werden können. Drehbuchvorschläge entstanden gemeinsam mit der Crown Film Unit, und man hörte auf die Ratschläge der Kollegen. Drei Faktoren veränderten jedoch die Basis der Zusammenarbeit zwischen Crown und Army Film Unit: der Kriegseintritt der USA, das Kriegsgeschehen in Afrika und der Umzug der staatlichen Produktionsfirmen in die Pinewood Studios. Als im März 1942 die Crown Film Unit in die leerstehenden Pinewood Studios umzog, und die Army Film Unit und die neugegründete R.A.F. Film Unit dort ebenfalls eine neue Unterkunft fanden, wurde auch eine neue Politik ihrer filmischen Aktivitäten und ihrer Koordinierung formuliert. Die Publizierung der allgemeinen Kriegsanstrengungen wie Ausbildung, Nachschub, Transport, technische Informationen und Kontakt mit der Zivilbevölkerung blieb weiterhin der Initiative der Films Division überlassen, jeweils in Absprache mit den Public Relations Abteilungen der unterschiedlichen Ministerien. 70 Public Accounts Committee 1944, Statement 16, Section IV, Production, Distribution and Exhibition of Films. PRO, INF 1/74,2 369 Die Publizierung der Aktivitäten der kämpfenden Truppe hingegen kontrollierte das Services Publicity Film Committee, in dem die Films Division nur noch eine Stimme unter vielen Militärs war. Das Services Publicity Film Committee hatte die Aufgabe, „to present a direct and accurate impression of the British and Allied war effort for the information and stimulus of the British, Allied and neutral public; and to secure pictorial records of these momentous times for the examination of posteriority.“71 Die Verwaltung des gesamten Studiokomplexes in Pinewood wurde der Crown Film Unit übertragen. Die Service Units hatten Zugriff auf das Art Department und die Musikabteilung der Crown Film Unit und Produzent Ian Dalrymple fungierte als Honorary Producer für beide Service Units. Doch damit endete auch die Einflussnahme des Ministry of Information. Das Studiomanagement oblag noch bis zum Ende des Krieges der Crown Film Unit, aber die Option, ihren Produzenten gleichzeitig auch als ehrenamtlichen Produzenten für die Service Units agieren zu lassen, wurde nach Dalrymples Weggang nicht erneuert. Die Service Units glaubten nach dem Erfolg von Desert Victory, nicht mehr auf eine solche Unterstützung angewiesen zu sein. Dalrymples Rücktritt gab ihnen die Gelegenheit, diese Position mit eigenen Leuten zu besetzen. Anhand der Produktionen von Desert Victory und Africa Freed/Tunisian Victory soll das Arbeitsverhältnis zwischen AFU und Films Division beschrieben werden.72 71 The Combined Services Film Studio, a.a.O., S. 87 Zu Desert Victory, siehe: Anthony Aldgate, Creative Tensions: Desert Victory, the Army Film Unit and Anglo-American Rivalry, 1943-5, in: Taylor (Hrsg.), Britain and the Cinema in the Second World War, a.a.O., S. 144-167. Zu Tunisian Victory ,siehe: Tony Aldgate, Mr Capra Goes to War: Frank Capra, the British Army Film Unit, and Anglo-American travails in the production of ‚Tunisian Victory‘, in: 72 370 Die Arbeit an Desert Victory, der größte Box-Office Erfolg aller Ministry of Information-Dokumentarfilme, begann unter dem Arbeitstitel The Battle of Egypt und sollte die militärische Offensive von Montgomery gegen Rommel in Nordafrika vom 23.10.1942 filmisch begleiten.73 Roy Boulting war als Regisseur und Supervising Editor bereits bei der Sichtung des Filmmaterials, das die Einheiten des Army Film and Photographic Services (A.F.P.S.) aus Nordafrika lieferten, als er von Alex Bryce, dem Commanding Officer der Army Film Unit und seinem direkten Vorgesetzten von dieser Aufgabe entbunden wurde. Bryce hatte für die AFU bereits zwei Filme über die NordafrikaKriegsschauplatz gedreht, The Siege of Tobruk und Tobruk, und hielt sich daher – nicht ganz ungerechtfertigt – für prädestiniert einen weiteren Film zum Thema zu drehen. Der erste Entwurf von Bryce für die Montagestruktur des Films machte wenig Eindruck und wurde von Seiten der Films Division und der Crown Film Unit heftig kritisiert. Ronald Tritton, der Public Relation Officer der Filmabteilung des War Office, hatte den Entwurf zur Begutachtung sowohl an Jack Beddington als auch an Ian Dalrymple geschickt, mit der Bitte um einen schnellstmöglichen Kommentar, da die Montage des Film schon fortgeschritten und ein Rohschnitt in Kürze zu erwarten sei.74 Arthur Calder-Marshall, der Drehbuchspezialist in der Films Division, schrieb ein langes Gutachten für Beddington, in dem er Beddingtons Meinung über den „dürftigen“ Entwurf, der „das gesamte Ausmaß der Operation nicht erfasste“, teilte. Als Gliederung des Films schlug er Churchills WaffenstillstandsHistorical Journal of Film, Radio and Television, Vol. 11, No. 1, 1991, S. 21-39 und Clive Coultass, Tunisian Victory – a Film Too Late? in: Imperial War Museum Review, No. 1, 1986. Über die Produktionsbedingungen eines weiteren Films der Army Film Unit, Burma Victory, siehe: Ian Jarvie, The Burma Campaign on Film: ‚Objective Burma‘ (1945), ‚The Stilwell Road‘ (1945) and ‚Burma Victory‘ (1945), in: Historical Journal of Film, Radio and Television, Vol. 8, No. 1, 1988, S. 55-73 73 Die Desert Victory-Akte im Public Record Office gibt detaillierte Informationen über den Produktionsverlauf. PRO, INF 1/221 74 Ronald Tritton an Jack Beddington, 25.11.1942. PRO, INF 1/221 371 rede vor dem House of Commons vor, in dem er die Strategie des Wüstenkampfes erläutert hatte: „The Prime Minister divided his speech into three sections. 1. The time required for preparation. 2. The need of combination and concert. 3. The importance of surprise. I can think of no better text on which to base the film of these operations than the prime Minister‘s speech itself.“ Churchills Rede machte „a broadness of vision“ deutlich, „which is entirely lacking in the AFU treatment.“75 Der Hauptvorwurf an Bryce‘s Drehbuch war seine defensive Grundeinstellung, die den historischen britischen Sieg, der „the end of the beginning“ markierte, viel zu ungebührend feierte. Dalrymples Kritik richtete sich vor allem gegen die personelle Besetzung des Films. Im Nachhinein sah er seinen Beitrag zu dem Film in der Tatsache, dass er Stewart MacDonald, aufmerksam gemacht hatte, „of the situation in which Boulting had been pointedly and specifically excluded from the production.“76 Die Verantwortlichen der Army Film Unit beherzigten die Kritik aus den Reihen der Films Division. Nach seiner Rückkehr aus Ägypten, wo er die No.1 Unit der A.F.P.S. kommandiert hatte, wurde Bryce von David MacDonald als verantwortlicher Produzent abgelöst, der Roy Boulting wieder als Regisseur und Supervising Editor einsetzte. Die beiden legten ein neues Treatment vor, das Calder-Marshalls Vorschlag, den Film auf Churchills Rede aufzubauen, berücksichtigte. Tritton legte Beddington ein „Revised budget for Battle of Egypt“ vor, das die ursprünglichen direkten Kosten von £ 809 um über £ 2.000 überschritt und die Länge des Films mit 3.500 Fuß angab gegenüber geplanten 2.000 Fuß.77 Die Films Division bewilligte den erhöhten Kostenplan, konn75 Arthur Calder-Marshall an Beddington, 26.11.1942. PRO, INF 1/221 Nachdem Dalrymple die Crown Film Unit bereits verlassen hatte, beantwortete er Beddingtons Frage, was Crown zur Produktion von Desert Victory beigetragen hatte. Dalrymple an Beddington, 9.6.1943. PRO, INF 1/221 77 Revised budget for Battle of Egypt, 4.1.1943. PRO, INF 1/221 76 372 te es sich aber nicht verkneifen, der Public Relations Abteilung des War Office unter Tritton eine Ermahnung mit auf den Weg zu geben, „the agreement is not intended to relieve the War Office of their financial responsibility for the budget or for the control of expenditure by the Army Film Unit.“78 Diese gutgemeinten Ermahnungen wurden von seiten der Army Film Unit ebenso widerspruchslos hingenommen wie die von der Films Division ausgesprochene Ablehnung eines Sprechers, den die AFU als Kommentator des Films einsetzten wollte. Wie Aldgate anmerkte, „after all, they were still working in comparative harmony with the Films Division and everybody agreed that it was essential to finish the film as quickly as possible.“79 Die Films Division wollte den Film für den kommerziellen Verleih. „This film is wanted for our distribution programme and we should be glad if AFU would proceed with it at once.“ Der Film wurde Ende Februar 1943 fertiggestellt, erheblich später als geplant. Seine Länge hatte sich mit annähernd 6.000 Fuß verdoppelt, wie auch die Produktionskosten, die sich auf £ 5.793 beliefen. Da alle Beteiligten, War Office, Army Film Unit und auch Films Division, den fertigen Film erfolgsträchtig hielten und einen sicheren Box-Office-Hit voraussahen, akzeptierte man stillschweigend die Kostenüberschreitungen. Der überzeugende kommerzielle und inhaltliche Erfolg des Films brachte Neider auf den Plan. Hinter Beddingtons Lob an David MacDonald für einen Film, der „a strong, virile, confident and victorious people“ zeigt, „that is what I have always wanted to see in one of our pictures and I can assure you that it is worth many, many munitions of war“80, klang ein gehöriges Maß an Enttäu- 78 E.L. Mercier an Tritton, 27.1.1943. PRO, INF 1/221 Aldgate, Creative tension.., a.a.O., S. 147 80 Beddington an MacDonald, 4.3.1943. PRO, INF 1/221 79 373 schung mit, dass Desert Victory keine Crown Produktion war, und Ian Dalrymple war gar „sichtbar eifersüchtig“ auf den Erfolg bei den Kritikern wie an der Kinokasse. Darum setzte er alles daran, die Produktionskontrolle über jedes weitere Anschlussprojekt an Desert Victory für die Crown Film Unit zu reklamieren. In seinem ersten Producer‘s Report für das Board of Management der Crown Film Unit stellte Dalrymple das Projekt ‚Mediterranean War‘ vor, für dessen Realisierung bereits ein Master Treatment vorbereitet war. „Re-construction of the tremendous organisation behind the N. African expedition, covering R.N., R.A.F., Army Supply, M.W.T., The Railway, Counter lease-Land, etc., Length, approx 5,000 ft. (...) It is hoped that steps may be taken on a high level to ensure that this becomes a joint Services and C.F.U. production, the last sequence to cover the final operations in Tunisia.“81 Dalrymple hatte allen Grund, den Controller der Films Division, Mr. Gates, einzuschalten, „to secure that the film should be a total collaboration between the Services and the Crown Film Unit“, da die Army Film Unit ihm gegenüber bereits angedeutet hatte, dass sie einen eigenen Film bevorzugte. Gates‘ Vorstoß schlug Wellen bis zur obersten Spitze des Ministry of Information. Ein Inter-Services Film Publicity Committee bestehend aus Vertretern der Admiralität, des War Office, des Air Ministry, des Ministry of War Transport, der Films Division und Offizieren des Combined Operations H.Q., wurde eingesetzt, welche die Draft Synopsis der Crown Film Unit prüfen sollte. Parallel dazu entwickelte eine Arbeitsgruppe aus Army Film Unit und Crown einen endgültigen Entwurf (Final Draft), den alle Beteiligten erhielten. Man einigte sich darauf, dass die Crown Film Unit „should be responsible for the section dealing 81 Crown Film Unit, Board of Management, Producer‘s Report, 25.3.1943. PRO, INF 1/58 374 with the preparation and convoy of the N. African expedition“82, mit der eingebauten Vorsichtsmaßnahme, dass die Montage des Films von Mitgliedern der Army Film Unit durchgeführt werden sollte, die man zu diesem Zweck an die Crown Film Unit abordnete. Captain Roy Boulting war für den zweiten Teil des Films verantwortlich, der das Kriegsgeschehen in Tunesien beinhaltete. Auch wenn „this film was about the British angle of a combined Anglo-American operation“, sollte auf ausdrückliche Anordnung von Brendan Bracken das amerikanische Office of War Information um „full facilities and co-operation in the making of the film“ angegangen werden, sobald ein vollständiges Treatment ausgearbeitet war.83 Dalrymple hatte keine Probleme mit dem Wunsch des Ministers, und die Entscheidung fand Aufnahme in seinen monatlichen Report. „It is fairly generally agreed that to produce another DESERT VICTORY in praise of British Arms would probably lack impact on home audiences and certainly on those in the U.S. The points to be stressed in this film are: (a) The expedition and campaign were a United Nations enterprise. (b) They were a triumph of planning and organisation. (c) They were a triumph of all Services working as one war-force and of the use of the Air Forces as a military weapon. (d) The civilian effort was an integral part. (e) The victory marks the dawn of liberation. Obviously, therefore, the representatives of the American participation is of paramount importance: and every effort is being made to cover American activities both in the preparatory and operational stages.“84 Die Schwierigkeiten, die Dalrymple vorhersah, resultierten aus der Tatsache, „that all American film from Tunisia was sent direct to America and was not forwarded via this country.“85 Über den Director General, Cyril Radcliffe, wurde das O.W.I. um Filmmaterial und Unterstützung gebeten. Aber die amerika- 82 Crown Film Unit, Board of Management, Producer‘s Report, 29.4.1943. PRO, INF 1/58 Minutes of the Inter-Services Film Publicity Committee, 6.4.1943. PRO, INF 1/223 84 Crown Film Unit, Board of Management, Producer‘s Report, 27.5.1943. PRO, INF 1/58 85 Minutes of the Second Meeting of the Crown Film Unit Board of Management, 29.4.1943. PRO, INF 1/58 83 375 nische Hilfe erfolgte nur halbherzig, vor allem Filmmaterial mit Kampfszenen ließ auf sich warten.86 Auf den angekündigten Rücktritt von Ian Dalrymple als Produzent der Crown Film Unit, der formell am 11. Juni 1943 erfolgte, schien die Army Film Unit nur gewartet zu haben. Da die Films Division keinen offiziellen Nachfolger benannte, J.B. Holmes füllte den Posten nur kommissarisch aus, sah das War Office und auch das Air Ministry keine Notwendigkeit, die Position des Honorary Producers neu zu besetzen. Bei einem Treffen von Vertretern der drei Waffengattungen und der Crown Film Unit übertrug man Hugh Stewart von der Army Film Unit die Rolle des Ausführenden Produzenten. Durch Dalrymples Rücktritt lag nun die Verantwortung bei Army Film Unit, und die Crown Film Unit ahnte, was das für Konsequenzen haben würde. Die Crown Film Unit hatte ihren Teil des Films, der aus vielen nachgestellten Szenen bestand, Ende Juni abgedreht und musste das bereits montierte Material der Army Film Unit zur Endproduktion überlassen. Der Kompromiss, den Crown und Army Film Unit eingegangen war, schien gefährdet – eine Befürchtung, die J.B. Holmes in seinem ersten Producer‘s Report nach Dalrymples Ausscheiden auch äußerte. „There is apparently still some difference of opinion as to what proportion of the total footage should be devoted to this section, which deals with the Planning and preparation of the Campaign.“87 86 Major Hugh Stewart, der ausführende Produzent des Films nach dem Rücktritt von Dalrymple, äußerte sich gegenüber Dalrymple offen über die Hinhaltetaktik und Kooperationsunwilligkeit der Amerikaner: „We have all been aware that for some time there would be inadequate representation in ‚Africa Freed‘ of the part played by the Americans in the Tunisian campaign. This is due entirely to lack of satisfactory film material of American troops in action. (...) In order to clear ourselves of the unavoidable charge of intentional bias, I feel we must say somewhere that we were short of good American battle material.“ Stewart an Beddington und Bernstein, 20.7.1943. PRO, INF 1/223 87 Crown Film Unit, Board of Management, Producer‘s report, 30.6.1943. PRO, INF 1/58 376 Doch vorerst bewahrheiteten sich die Befürchtungen der Films Division noch nicht. Die eigentlichen Probleme mit dem Film begannen erst, als Mitte Juli 1943 der Rohschnitt von Africa Freed dem Leiter der Public RelationsAbteilung des War Office, General Lord Burnham, Sam Spewack vom Londoner Büro des O.W.I. und Colonel Tristam Tupper von der Public Relations Abteilung der US Armee in einer Privatvorführung gezeigt wurde. In einer Gesprächsnotiz fasste Beddington die Vorbehalte der Beteiligten zusammen: „General Burnham pointed out that not enough prominence was given to the American participation in the North African campaign (...). Lord‘s Bunham‘s views were agreed by Colonel Tupper on behalf of the US Army. All present were in entire agreement. Since that showing, however, it has borne in on Mr. Spewack that Anglo-American friction is rising. (...) He therefore feels it more necessary than ever to safeguard ourselves against attacks by American isolationist newspapers and even more by that section of the American community which has not made up its mind. He accepts the fact that we asked for American film and didn‘t get it, we asked for a joint film with Capra and didn‘t get it, and that there is no blame attached to anybody. His anxiety is the same as mine – this was a joint operation and to present a heavily loaded film can do an enourmous amount of harm.“88 Africa Freed wurde noch fertiggestellt verschwand aber sofort im Regal. Hatte die Crown Film Unit in der Auseinandersetzung um die Kontrolle über Africa Freed gegenüber der Army Film Unit das Nachsehen, blieb diese wiederum gegenüber dem OWI bei Tunisian Victory, in dem der Film Africa Freed aufging, im Hintertreffen. Die Bedenken der Amerikaner gegenüber einem Film, der ihre Kriegsbemühungen in Afrika unterrepräsentierte, zahlten sich aus: Bracken stimmte zu, die Möglichkeiten für einen britisch-amerikanischen Film auszuloten, unter der gemeinsamen Produktionsleitung von Hugh Stewart und Frank Capra, der einen eigenen Film über den Nordafrikafeldzug vorbereitete. 88 Jack Beddington, Notes of meeting with Mr. Spewack, 20.7.1943. PRO, INF 1/223 377 „I have agreed with Burnham and the other Service departments to offer Capra the following conditions for a joint film on the Tunisian campaign. (1) He must produce a new commentary to be approved by us and the Service departments. His present commentary is all American. (2) He will bring over his film for us to see this week and he will not use in the joint film any material to which we object as make-up or fake. (3) He and Stewart (of the AFU) will be joint producers and the final film is to be subject to our approval. (4) The film to be completed in 4 weeks (though we all doubt this). If the final film does not satisfy these conditions, each will complete and produce separate films with explanatory openings.“89 Wie Capra der Army Film Unit äußerst geschickt die Kontrolle über den Film entzog, dieser „hell of a dirty trick we played on the English“ (John Huston), ist bei Aldgate nachzulesen.90 Das gesamte Material, das die Crown Film Unit für Africa Freed gedreht hatte, fiel dabei unter den Tisch. Auch wenn die Army Film Unit bei Tunisian Victory in der Auseinandersetzung mit den OWI und Capra Blessuren erlitten hatte, zeigte der Verlauf dieser Produktion auch den politischen Wandel, der die Einflussmöglicheiten der Films Division zunehmend einengte und für den der Weggang von Dalrymple symptomatisch war.91 89 Cyril Radcliffe [Director General des Ministry of Information] an Brendan Bracken, 19.8.1943. PRO, INF 1/223 90 Aldgate, Mr. Capra Goes to War..., a.a.O., S. 28ff 91 Dieses Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, seine politische Aufgabe erfüllt zu haben, beschrieb Dalrymple in seiner Erinnerung an die Produktion von Africa Freed und Tunisian 378 Victory: „Then, as a record of our invasion of North Africa, I planned a film to show it as the total military and civil effort which it was; and indeed we shot a considerable amount of material covering the industrial and organisational preliminaries which made the landings and campaign possible. This material was handed over to the Army Film Unit who were to undertake the actual film production. But, in the event, they ignored it and confined the film to the Services‘ operations. I began to feel superfluous. I had been over three years in my job and was exhausted.“ Ian Dalrymple, The Crown Film Unit, 1940-43, in: Pronay/Spring (Hrsg.), Propaganda, Politics and Film 1918-1945, a.a.O., S. 218 379 7.5. Salvage with a Smile: Produktionskontrolle III: Abbruch von Produktionen und intraministerielle Zensur Aus der großen Zahl von Filmen, die durch die Films Divisions in Auftrag gegeben wurden, gab es einen nicht geringen Anteil, der während der Produktionsphase abgebrochen wurde. Das folgende Kapitel versucht Gründe zu benennen, die zum Abbruch einer bereits in Angriff genommenen Produktion führten. In den Akten des Ministry of Information finden sich nur wenige Hinweise auf die Gründe für den Abbruch eines Filmprojekts. Der Diskussionsprozess, der in einem Abbruch mündete, ist nur in wenigen Fällen nachprüfbar. Da Auseinandersetzungen zwischen Films Division und externen Produktionsgesellschaften immer im Vorfeld oder während der Produktion geklärt werden konnten, gibt es auch kaum Material, das einen Abbruch oder ein direktes Verbot einzelner Filme belegt. Meist wird nur die Zahl der eingestellten Projekte genannt, in wenigen Fällen auch der Filmtitel.1 1 A.[rthur] E.[lton], Films Commissioned from Newsreel Companies, 25.4.1941. PRO, INF 1/205/F 256. Elton erwähnt 17 Filme, die von Wochenschaufirmen realisiert werden sollten, aber abgebrochen wurden (in Klammer die Produktionsgesellschaft): ‚Guns and Tanks‘ (Gaumont British); ‚Mechanised Army‘ (Paramount); ‚The Navy and its Work‘ (Gaumont British); ‚Battle of Jutland to Graf Spee‘ (Paramount); ‚British War Workers‘ (Paramount); ‚They Sought Freedom‘ (Movietone); ‚Arms from Overseas‘ (Paramount); ‚Fire Fighters‘ (Paramount); ‚Coventry‘ (Paramount); ‚Conquest‘ (Paramount); ‚Anti-Aircraft‘ (G.B. News); die beiden Trailer ‚Behaviour in a Raid‘ (Paramount) und ‚Economical Use of Coal‘ (Movietone); und drei experimentelle Wochenschauen, ein ‚Cine Magazine‘ (Movietone), ‚The Empire Rallies‘ (Movietone) und ‚British Review‘ (Universal). ‚London Can Take It‘ sollte ursprünglich G.B. News drehen, der Film wurde dann aber an die G.P.O. Film Unit vergeben. Aus dem Five-Minute Filmprogramm wurden folgende Filme abgebrochen, in Klammern Produktionsjahr und, soweit zu ermitteln, die bereits entstandenen Kosten: ‚Communal Feeding‘ (1940, £ 429); ‚Pick and Shovellers‘ (1940, £ 432); ‚Invisible Army‘ (1940, £ 600); ‚All for the Want of a Nail‘ (1940, £ 1.200); ‚Overground‘ (1941, ein Film über Fernfahrer und ihre LKWs; £ 900); ‚Dear Doctor‘ (Crown Film Unit, 1941, £ 610); ‚Six Civilians‘ (1941, £ 1.000); ‚Youth Service Corps‘ (1941, £ 1.049); ‚Sea Power‘ (1940, £ 600); ‚Bren Gun‘ (1940, £ 600); ‚Spitfires and Bombers‘ (1940, £ 600); ‚The Empire is marching‘ (1941, £ 700); ‚Railways‘ (1941, £ 430) 380 Die Absetzung bereits genehmigter Filmprojekte erfolgte vor allem bei Eigenproduktionen der Films Division, 163 Fälle sind nachweisbar. Jack Beddington listete in einem Memorandum 97 Filmprojekte auf, die zwischen April 1942 und Dezember 1944 nicht weiter verfolgt wurden und gibt für jeden Fall eine kurze Begründung.2 Meist war es einer von fünf Gründen (oder auch mehrere gleichzeitig), die zum Abbruch einer Produktion geführt hatten: (1) Technische Schwierigkeiten waren der vorherrschende Grund. (2) Andere staatlichen Stellen wünschten den Abbruch der Produktion. Diese Form von offizieller Einmischung wurde häufiger praktiziert als die direkte politische Zensur, die aus Meinungsdifferenzen zwischen der Films Division und der Politik der Regierung herrührte. (3) Aktuelle Ereignisse ließen den Nachrichten- oder Propagandawert eines Filmprojekts veralten. (4) Ministeriumsinternen Auseinandersetzungen fielen nicht wenige Filme zum Opfer, da sie entweder den politischen Intentionen oder den Qualitätsansprüchen der Films Division nicht entsprachen oder andere Abteilungen des Ministry of Information Anstoß am Treatment oder Drehbuch des Films nahmen. (5) Eine direkte Zensur der Films Division lässt sich auch belegen, bei der Filme gegen den erklärten Willen der Films Division aus politischen Gründen in der Produktionsphase abgebrochen werden mussten. 2 JB [Jack Beddington], Film projects commenced since 1st April 1942, but abandoned up to 30th Nov. 1944, PRO, INF 1/199. Weitere Filme lassen sich in anderen Akten des Public Record Office finden, so in INF 1/56 (O.E.P.E.C. Paper No. 2184, 8.1.1945) 381 Hinter technischen Schwierigkeiten verbarg sich häufig das Problem, mittels der Heeresabteilungen geeignete „facilities“, d.h. militärische Drehorte, zu finden oder für Dreharbeiten eine Erlaubnis zu erhalten. Mit dieser Schwierigkeit sahen sich alle Produktionsfirmen konfrontiert, die staatlichen Film Units eingeschlossen. Die Kritik der Produzenten richtete sich gegen die Public Relations Officers einzelner Ministerien, wie der Admirality, des Air Ministry, des Ministry of Home Security, deren Aufgabe darin bestand, den Filmproduzenten durch die Bereitstellung von Drehorten, Personal und auch Geräten bei ihrer Arbeit im Auftrag des Ministry of Information zu helfen. Nachdem die Verwaltungsabteilung der Films Division die Kontakte zu den anderen Ministerien hergestellt hatte, mussten die Produktionsfirmen bisweilen monatelang auf Drehgenehmigungen warten. Es gab Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Militärpersonal für Interviews und häufig mussten sich die Produktionsfirmen damit auseinandersetzen, dass die Militärs Änderungen und Eingriffe am Drehbuch verlangten bevor sie militärische „facilities“ zur Verfügung stellten. Diese bürokratischen Hindernisse waren den Documentary News Letter ein Dorn im Auge: „Bureaucracy, and its attendant evil, has reduced the effect of film propaganda by half or maybe more. (...) To-day obstruction has reached a new high level. It almost looks like a deliberate campaign to stop films being effective.3 Die Angriffe richteten sich auch gegen die Films Division, der man einen Mangel an Durchsetzungsfähigkeit und Durchsetzungswillen gegenüber den Public Relations-Abteilungen der anderen Ministerien ankreidete. Auch wenn der Vorwurf an die Adresse der Films Division gerechtfertigt war, wurde gera- 3 Kicking Against the Pricks, in: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 3, March 1943, S. 186 382 de den Produktionen der Crown Film Unit häufig durch andere Ministerien die geeigneten „facilities“ verweigert.4 Technische Schwierigkeiten konnte aber auch heißen, dass man keine geeigneten Darsteller fand5; oder dass das zu verwendende Ausgangsmaterial, neue Aufnahmen wie auch Archivmaterial, unzureichend oder nicht geeignet war6; gelegentlich brachten auch meteorologische Probleme ein Projekt zu Fall7. Viele Filme wurden während der Drehbuchphase abgebrochen, weil andere Filme bereits ein ähnliches Thema abdeckten8, oder weil ihr Propagandawert als zu gering bemessen wurde, um die hohen Produktionskosten zu rechtfertigen9. Gelegentlich übernahm sich ein Auftrags-produzent auch in der 4 Darunter fielen im Juni 1943 ‚H.M. Escort Aircraft Carrier‘, der bereits £ 3.598 an Produktionskosten verschlungen hatte, und Humphrey Jennings ‚Royal Marines‘, der die Landung der Alliierten in Sizilien zum Thema haben sollte. Jennings und sein Kameramann Jonah Jones hatten bereits in „special mission“ mehr als 10.000 Fuß an Filmmaterial gedreht. „Jennings’s experience on the Sicily operations have caused him to modify his conception of the whole film. He is drafting a preliminary exposé of the subject from a new angle.“ (Board of Management. Crown Film Unit, 5.8.1940, a.a.O.). Doch der Film wurde aufgegeben, nachdem bereits £ 1.012 ausgegeben waren. Der Grund war: „Difficulty in getting facilities, and subject would be long and costly.“ Dass der eigentliche Grund des Abbruchs in persönlichen Schwierigkeiten zwischen Jennings und Holmes lagen, wird nicht genannt. ‚Coastal Convoy‘, den Spectator 1940 produzieren sollte, und ‚Bomber Offensive‘ (Juni 1943) erhielten keine Unterstützung durch das Air Ministry, für ‚Mechanised Army‘ (Paramount, 1940) und ‚Bren Gun‘ (1940) stellte das War Office keine „facilities“ zur Verfügung, ‚Highland Planning‘ (November 1943) wurde durch das Scottish Office behindert, und ‚Sea Power‘ (1940) durch die Admirality 5 ‚Ces Drôles D‘Anglais‘ (April 1944); ‚La Flotte Français‘ (1945); ‚Quiz Kids‘ (Januar 1944) 6 ‚Know the Commonwealth India‘ (Juli 1943); ‚Vaagso Raid‘ (1945); ‚L‘Empire Français‘ (Dezember 1943); ‚Tokio to Peking‘ (April 1944); ‚Airborne Troops‘ (März 1944); ‚Mechanisation of Agriculture II‘ (April 1943); ‚Emergency Services Order‘ (auch politische Gründe) (Januar 1943); ‚Fourth Indian Division‘ (September 1943); ‚Hampstead Heath‘ (August 1942) 7 ‚Alpine Warfare‘ (Februar 1943) 8 ‚Hospitals in War‘ (Juni 1942); ‚Fire Party‘ (Januar 1943); ‚Battle of Britain‘ (dreiteilige italienische Version) (Dezember 1943-März 1944); ‚Setting a Plough‘ (Juli 1942); ‚The Empire – What Is It?‘ (Mai 1943); ‚Planning a Small Town‘ (Juli 1943); ‚North Africa‘ (November 1942); ‚Sicilian Campaign‘ (Oktober 1943); ‚Mechanisation of Agriculture‘ (Mai 1942); ‚Fighting Women‘ (Februar 1943); ‚Production of Food‘ (Juli 1942) 9 ‚Middle East Album No. 2,3,4‘ (Juni 1943); ‚Conversation Piece No. 6‘ (Czechoslovakia) (September 1943); ‚Conversation Piece No. 1‘ (Yugoslavia) (August 1943) 383 Einschätzung seiner Produktionskapazitäten und -fähigkeiten.10 Vor allem die Crown Film Unit konnte es sich leisten, aus Qualitätsgründen – dies wurde dann auch unter technische Schwierigkeiten subsumiert – Filme während der Produktion abzusetzen.11 Den kostspieligsten Abbruch eines Filmprojekts aus technischen Schwierigkeiten, traf die Army Film Unit. Für den Film New Discipline waren bereits über zehntausend Pfund ausgegeben, als die Militäreinheit, mit der der Film gedreht wurde, von England nach Übersee verlegt wurde, und die Dreharbeiten abgebrochen werden mussten. Zu einer zweiten Gruppe von Filmen gehörten Produktionen, die von aktuellen politischen oder militärischen Ereignissen überholt und dadurch obsolet wurden, wie z.B. nach der Niederlage Frankreichs, der Kriegswende vor Stalingrad oder der Befreiung Italiens.12 Hierzu zählt auch Other Men‘s Lives, ein Film über ‚careless talk‘ in einer Munitionsfabrik, einer der wenigen fertiggestellten Filme, die nie in die Kinos kamen. 10 Der Film ‚Attack‘ (1944) wurde aus diesem Grund abgebrochen. Die in den Sand gesetzten Produktionskosten von £ 4.666 bereiteten einigen Erklärungsbedarf gegenüber dem Director General und der Treasury 11 Für das Projekt „Dear Doktor Goebbels“ nach einem Radiofeature und Drehbuch von Quentin Reynolds hatte Humphrey Jennings bereits mehrere Szenen abgedreht. Insgesamt waren bereits Kosten von £ 610 enstanden. „Then ‚Dear Doktor‘ wouldn‘t work, because it was all talk; and Humphrey abandoned it.“ Joe Mendoza, ein Mitarbeiter Jennings, zitiert nach: Vaughn, Portrait of an Invisible Man, a.a.O., S. 86 12 ‚France‘ und ‚France‘s War Effort‘ mussten im Mai 1940 aufgegeben werden, noch bevor die Films Division eine Produktionsfirma beauftragt hatte. Warum ‚Steel from Sheffield‘ aufgrund der „Entwicklung der russischen Lage“ im September 1943 abgesetzt wurde, ist nicht genauer zu klären. ‚They Made it‘, die italienische Version von Malta Convoy, fiel im September 1943 der „rapid change in international situation“ zum Opfer. Andere Filme waren ‚Civil Attack‘ (März 1943); ‚Hit and Miss‘, für den immerhin schon £ 1.046 an Produktionskosten angefallen waren (Januar 1944); ‚Dover Patrol‘ der G.P.O. Film Unit (Mai 1940); ‚Duet for Victory‘ der Crown Film Unit (1942 ?); ‚Anglo-American Supply Survey‘ (Juli 1943); ‚Railways II‘ (Oktober 1943); ‚Guns and Tanks‘ (Mai 1940); ‚Battle of Jutland to Graf Spee‘ (Mai 1940); ‚Mechanised Army‘ (Mai 1940); ‚Swedish News Reel‘ (Mai 1940) 384 Im Mai 1940 beschloss die Films Division 14 Filmprojekte13, von denen elf bereits an externe Produktionsfirmen vergeben worden waren, nicht weiter zu verfolgen. Der Entwurf des Briefes, der an die Firmen geschickt werden sollte, wurde intern diskutiert. Die Finance Division – der nur die Titel der Filme bekannt war – hatte Schwierigkeiten, den geplanten Stopp nachzuvollziehen. Doch Highet bestätigte nochmals, dass die Filme ihren „interest value“ im Lichte der vorangegangenen Ereignisse verloren hätten und der Brief an die Firmen nennt als Grund, „in the light of recent military developments (....) the proposed film can no longer be regarded as likely to serve a useful purpose.“14 Keine der Produktionsfirmen hatte einen schriftlichen Vertrag mit der Films Division, die den Firmen daher auch nur deren tatsächlich entstandene Kosten ersetzen wollte. Seit Juni 1940 wurden Produktionsaufträge nur noch auf Basis eines schriftlichen Vertrags vergeben. Einer dritten Gruppe sind die Filme zuzuordnen, die aufgrund der Einflussnahme anderer Ministerien aufgegeben werden mussten.15 Auch die Crown Film Unit war hiervon betroffen. Die Intentionen von For Absent Friends (Pri- 13 ‚Coastal Command‘ (Spectator); ‚Dover Patrol‘ (G.P.O.); ‚Mechanised Army‘ (Paramount); ‚Jutland to Graf Spee‘ (Paramount); ‚Fighter Command‘ (G.P.O.); ‚Pioneers of Industry‘ und ‚Pioneers of Science‘ (Spectator); ‚They Sought Freedom‘ (Movietone); ‚Practical Religion‘ (Strand); ‚Free to Think‘ (Concanen); ‚Minesweeper‘ (Ortus); ‚France‘, ‚France‘s War Effort‘ und eine schwedische Wochenschau waren noch an keine Produktionsfirmen vergeben 14 Brief von G.E.G. Forbes an British Paramount News, 25.5.1940. PRO, INF 1/199 F 228 15 Hinter der Jahreszahl steht das Ministerium, das den Film verhindert hatte: For Absent Friends (Prisoners of War Depot) (Crown, Oktober 1942; War Office und Rotes Kreuz); Is Your Journey Really Necessary (Februar 1943; Ministry of War Transport); ‚Mechanised Army‘ (1940; War Office); ‚Visit to the Town Hall‘ (1942; Ministry of Health); ‚Rehabilitation of Bad Pastures‘ (1944; Ministry of Agriculture); It‘s Just the Way It Is (Two Cities,1943; Air Ministry); ‚Northern Depot‘ (1943, Ministry of Aircraft Production); ‚Battle of Steel‘ (Ealing; Mines Department); ‚Essential Works Order‘ (1942, Ministry of Labour); ‚Wartime Civil Aviation‘ (Crown, 1943; Air Ministry und B.O.A.C.); ‚Rats II‘ (1942, Ministry of Food); ‚Jet Propulsion‘ (1944, Air Ministry) 385 soners of War Depot), „Illustration of civilian work for Prisoners of War and for their relatives“16, einem 1942 für £ 6.462 fertiggestellten Film, passten weder dem War Office noch dem Roten Kreuz. Der Film wurde nie öffentlich aufgeführt. Ein Film über ‚Wartime Civil Aviation‘, der immerhin schon £ 591 an Produktionsgeldern verbraucht hatte, wurde aufgrund eines Einspruchs des Air Ministry und der B.O.A.C. ins Regal verbannt, „it was considered impracticable to make the film“. Das britisch-norwegische Gemeinschaftsprojekt ‚The Vikings Sail Again‘, ein Film über den Einsatz von Torpedobooten, scheiterte am Einspruch der Admiralität. „(...) the Admirality is unwilling that the first film to be devoted to them [Light Naval Forces, J.B.] should star the Norwegians.“17 Den Fortgang der Crown Produktion ‚Morning, Noon and Night‘, „Impression of one day in the life of the British Commonwealth in wartime, on the lines of similar Soviet films“18, für die zivile wie auch militärischen Film Units des gesamten Commonwealth Filmmaterial liefern sollten und die Crown Film Unit kompilieren wollte, lässt sich in den Protokollen des Board of Managements der Crown Film Unit verfolgen. Der Film wurde nicht fertiggestellt, der Abbruch ist nicht dokumentiert. Die Produktionskosten der Crown Film Unit einschließlich „various contractors“, in denen die Finanzbeiträge der Dominions nicht enthalten sind, beliefen sich auf £ 5.540 und machten ‚Morning, Noon and Night‘ zu einem der teurersten Produktionsabbrüche der Films Division.19 Da die meisten Filme zu Beginn der Produktion abgebrochen wurden, einem Augenblick also, da sie erst geringe Kosten verursacht hatten, die im Gesamtbudget der Films Division kaum zu Buche schlugen, verwundert es umso 16 Board of Management, Crown Film Unit, 25.3.1943. PRO, INF 1/58 Board of Management, Crown Film Unit, 29.4.1943. PRO, INF 1/58 18 Board of Management, Crown Film Unit, 25.3.1943, a.a.O. 19 Siehe auch: Vaughn, Portrait of an Invisile Man, a.a.O., S. 117-124 17 386 mehr, dass auch „teure“ fertige Filme an der Aufführung gehindert wurden. Is Your Journey Really Necessary wurde 1943 von einem Contractor für £ 4.598 fertiggestellt, doch das Ministry of War Transport verhinderte die öffentliche Aufführung. Der 15-Minute-Film It‘s Just the Way It Is wurde auf Einspruch des Air Ministry aus dem Verleih genommen, als er bereits in den Kinos lief. ‚Battle of Steel‘, den die Ealing Studios für das Ministry of Information produzieren sollten, wurde auf Druck des Mines Department abgebrochen, weil dieses glaubte, die Darstellung der Gefahren des Bergbaus würde die Rekrutierung neuer Kumpel erschweren. Ein Film über die Ausbildung von Bergleuten, ‚Miners Training‘, musste 1943 ausgesetzt werden, da das Ministry of Fuel sich noch nicht über seine Kohleabbau-Politik für die Nachkriegszeit im klaren war. Für ‚Jobs in the Mine‘ konnten sich Films Division und Ministry of Fuel nicht auf ein gemeinsames Treatment einigen. Der Kritik innerhalb der Films Division und von anderen Abteilungen des Ministry of Information fielen ebenfalls einige Filme zum Opfer. Nachdem bis zu £ 50 für ein erstes Treatment und auch ein Drehbuch ausgegeben worden waren, erwiesen sich einige Ideen als „unfilmisch“20 oder schlicht „langweilig“21. Andere, in der Produktion weiter fortgeschrittene oder gar fertiggestellte Filme, entsprachen nicht den Qualitätsansprüchen der Films Division und wurden auf Eis gelegt.22 Hin und wieder nahmen andere Abteilungen des Mi20 ‚Administrative Centres‘ (April 1943, „not filmic“); ‚Sihks in Manchester Factories‘ (April 1943); ‚Campbeltown‘ (Dezember 1943); ‚The Easier the Faster‘ (April 1942); ‚Italian Cooperators‘ (Juni 1944); ‚Concentrated Feeding Stuff‘ (Januar 1943,); ‚International Youth‘ (September 1943); ‚Conversation Piece No. 3‘ (Holland) (März 1944) 21 ‚Aerial Torpedoes‘ (Juni1943, „dull and unfilmic“); ‚Against America‘ (Januar 1944, „dull and poor propaganda“); ‚Have you heard?‘ (Oktober 1943, „treatment on wrong basis“); ‚Le Cheminot‘ (Dezember 1943, „treatment not on suitable lines“); ‚Scottish Hydro-Electric Scheme‘ (Mai 1943, „treatment not on suitable lines“) 22 Bevin Boys at Home wurde 1942 für £ 1.276 fertiggestellt aber nicht aufgeführt („film did not attain the standard required for public exhibition“). Das gleiche galt für People at War, der 1942 für £ 861 produziert wurde („dull and monotonous“). ‚All God's Children Got Shoes‘, für 387 nistry of Information Anstoß an einem Treatment oder Drehbuch eines Films. In Kapitel 7.5. wurde bereits die Auseinandersetzung um das Filmprojekt ‚Men of India‘ beschrieben und erläutert, zu welchen Konflikten es kommen konnte, wenn die Films Division mit der Politik einer anderen Abteilung nicht einverstanden war. Besonders bei Projekten, deren politische Thematik kontrovers war, stieß die Films Division häufig auf intraministeriellen Widerstand. So scheiterten Filmprojekte, die das Verhältnis Kapital/Arbeit thematisierten und auf alternative, neue Wirtschaftsformen eingingen, besonders leicht. Der zweimalige Versuch, einen Film über Joint Production Committees, einer Art Konzertierten Aktion, zu realisieren, kam nicht zur Produktionsreife, weil es nicht möglich war, sich auf eine Geschichte und eine Art der Darstellung zu einigen, die alle Seiten zufriedenstellte. Ein Film über die Essential Works Order wurde 1942 durch den Einspruch des Ministry of Labour gestoppt; 1943 war für einen Film über Machinery Pools „die Zeit psychologisch noch nicht reif“.23 Geht man davon aus, dass Produktionen der Crown Film Unit im Gegensatz zu Filmprojekten, welche die Films Division als Allied Service im Auftrag anderer Ministerien durchführte, die volle Unterstützung der Films Division, also auch deren politische Rückendeckung besaßen, so können Eingriffe in die laufenden Projekte der Unit nur als politische Zensur verstanden werden. den £ 445 ausgegeben wurden, wurde abgebrochen, weil „filming of the substance of the treatment did not prove successful“ 23 Aus politischer Einflussnahme wurden eine Reihe weiterer Filme abgebrochen: ‚People and the News‘ (Januar 1943, „trend of war situation made present an unfavourable time for this subject“); ‚Refugees War Effort in Britain‘ (September 1942); ‚Americans Off Duty‘ (August 1943, „subject (...) would not be welcome in America“); der Halas Batchelor-Zeichentrickfilm ‚Fables No. 1‘ (June 1943, „policy grounds“); ‚Black Market Trailer‘; USA-Film; ‚Western Offensive‘ (Januar 1944, „at request of General Montgomery“) 388 Leider lässt sich nicht rekonstruieren, welche „politischen Gründe“ hinter dem Abbruch der Crown-Produktionen ‚Second Front Coverage No.7.‘ (Liberation of Paris), ‚Youth Service‘ – „Full dialogue treatment rejected by D.G. [Director General, J.B.] on policy grounds“24 – oder ‚Escape to Freedom‘ (1944) standen. Ebenfalls aus „policy reasons“ wurde ein Film über die Geschichte des Faschismus aufgegeben, der für „liberated territories“ bestimmt gewesen war. Pat Jackson von der Crown Film Unit hatte sechs Monate an einem Drehbuch über den Beveridge Report gesessen, der den Entwurf für eine umfassende Sozialreform nach Ende des Krieges enthielt. Da Innenminister Sir John Anderson sich bei Brendan Bracken schon häufiger über den Tenor einiger Äußerungen des Informationsministeriums beklagt hatte25, und er eine ausgewogene und realistische Berichterstattung nicht gewährleistet sah, wurde der Beveridge Report mit Schweigen belegt: das Filmprojekt musste fallengelassen werden.26 24 Board of Management, Crown Film Unit, 25.3.1943. PRO, INF 1/58 „(...) on various post-war topics extreme views seem to be catching the public imagination“, McLaine, Ministry of Morale, a.a.O., S. 181 26 Nach Pronay ist es nicht klar, ob der Film aufgrund des allgemeinen Banns über den Beveridge Report fallengelassen wurde, oder aufgrund seiner radikalen politischen Meinung, da das Drehbuch laut Jackson „an exceedingly radical document indeed“ war 25 389 Durch den Abbruch von Filmprojekten sind dem Ministry of Information in drei Jahren Verluste von knapp £ 60.000 entstanden, angesichts eines Produktionsetats von £ 510.000 für denselben Zeitraum eine hohe Summe.27 27 Die staatlichen Produktionsfirmen, Crown-, Army- und R.A.F.-Film Units hatten mit 14,7 % dabei einen höheren Anteil an Abschreibungskosten als die externen Produktionsfirmen, die nur mit 6,8 % zu Buche schlugen 390 8. Die Kontrolle über die private Filmproduktion 8.1. Camouflage: Staatliche Filmzensur und das British Board of Film Censors Der Krieg ermöglichte dem Staat eine weitreichende und umfassende Kontrolle über Inhalte und Aufführung von Filmen. Es war eine Kontrolle, die alle Filmformen einschloss, von Dokumentarfilmen über Wochenschauen bis zu Spielfilmen. Dabei war es unmaßgeblich, ob es sich um privatwirtschaftlich produzierte Filme handelte oder um Produktionen, die der Staatsapparat förderte. Der Krieg zwang unter Vortäuschung der Beibehaltung existierender Strukturen, wie dem British Board of Film Censors, die Produzenten und Filmemacher unter die Kuratel des Staates, der durch sein Ministry of Information verschärfte Zensurmöglichkeiten besaß. Inwieweit nun realer Zwang ausgeübt werden musste, die Interessen des Staatsapparates und der Propagandisten durchzusetzen, oder ein anderer Weg beschritten wurde, untersuchen die folgenden Kapitel. Die öffentliche Aufführung von Filmen regelte erstmalig der Cinematograph Act von 1909. Dieses Gesetz diente lediglich dazu, die Besucher von Filmveranstaltungen vor materiellen Risiken, wie Feuer, zu schützen. Aufgrund der Bestimmungen durfte ein ‚inflammable‘ film, das heißt ein entzündlicher Nitrofilm im Standard 35mm-Format, öffentlich nur in Räumen gezeigt werden, die für Filmaufführungen eine Betriebserlaubnis besaßen. „Non-inflammable films“, das heißt Filme auf Sicherheitsfilm im Schmalfilmformat, fielen nicht 391 unter das Gesetz, und ermöglichten politischen, religiösen und erzieherischen Gruppen, auch Filme, die keine Freigabe besaßen, öffentlich zu zeigen.1 Die Betriebserlaubnis, und damit die Aufführungsgenehmigung, erteilten die ‚local authorities‘, die County Councils and County Borough Councils, in deren alleiniger Macht es damit lag, die öffentliche Aufführung eines Films zu gestatten oder zu verbieten. Der Gesetzestext von 1909 sah keinerlei Maßnahmen einer Zensur vor. Ein Zensursystem, das die öffentliche Aufführung von Filmen reglementieren sollte, existierte erst seit 1912. Die Association of Kinematograph Manufacturers, die einzige ständische Organisation der Filmindustrie, hatte als Zensurinstanz ein British Board of Film Censors (B.B.F.C.) eingesetzt, eine unabhängige Körperschaft aus Vertretern der drei Sparten der Filmwirtschaft, deren Präsident vom Innenminister ernannt wurde. Die Produzenten legten dem Board ihre Filme vor, um ein ‚Certificate‘ zu erhalten. Dieses Zertifikat hatte theoretisch nur empfehlende Funktion für die Entscheidung der ‚local authorities, einem Film die öffentliche Vorführung zu gestatten. In der Praxis war jedoch für die öffentliche Aufführung eines Films seit den zwanziger Jahren eine Freigabe durch das B.B.F.C. unabdingbar. In den den Ausführungsbestimmungen des Cinematograph Act war es den „licensing authorities“ erlaubt, Regeln aufzustellen „governing the management of places of entertainment“. Und darin hieß es, kein „cinematograph film“ durfte in 1 Der Versuch einiger Local Councils, auch ‚non-inflammable films‘ dem Genehmigungsverfahren unterzuordnen und damit der Zensur zu unterwerfen, scheiterte 1939, siehe auch: Ivor Montagu, Sub-Standard Films, Last Year‘s Home Office Enquiry, in: The Cine-Technician, June-July 1940, S. 54-57 392 lizensierten Räumen zu Aufführung gelangen, wenn er nicht folgende Bedingungen erfüllte: „(1) it is a film known to the trade as a „topical“ or „local“ film, and consists only of photographs of actual events recorded in the press at or about the time of exhibition; or (2) it has been passed by the British Board of Film Censors as suitable for exhibition as a ‘U‘.‘A‘ or ‘H‘ film; or (3) the Council has expressly consented in writing to the exhibition of the film.“2 Auch wenn kein Produzent offiziell verpflichtet war, seinen Film der Zensurbehörde vorzulegen, bedurfte es der Zustimmung des B.B.F.C., wenn er das Werk in den Kinos zeigen wollte, da sich die Mitglieder der Kinematograph Renters Society 1933 in einem Gentleman‘s Agreement verpflichtet hatten, nur freigegebene Filme in den Verleih zu nehmen. Das British Board of Film Censors entschied lediglich in Bezug auf die ‚suitability‘ für eine bestimmte Altersgruppe.3 Die Entscheidungen des Gremiums, dessen Zusammensetzung der Geheimhaltung unterlag, wurden nicht veröffentlicht. Die Liste der Gründe für eine Freigabe-Verweigerung umfasste 90 Punkte, aufgeteilt in Kategorien wie Religion; Politik; Militär; Justiz; Soziales; „Questions of Sex“; Verbrechen; Grausamkeit.4 Neben moralischer Zensur bestand die Politik des Boards darin, die Kinoleinwand von jeder Form der 2 Cinematograph Act, Section 8(a), zitiert nach: Censorship of Films, PRO, INF 1/178/CN4/Part II 3 Die Klassifizierungen waren U (für eine universelle Aufführung), A (Aufführung für ein erwachsenes Publikum. Jugendliche unter 16 Jahren waren nur in Begleitung eines Erwachsenen zugelassen) und H (‚horrific‘, nur für Personen über 16 Jahren) 4 Verbotene Darstellungen waren u.a., „unfavourable portrayals of the British armed forces and their officers (...), of British officials or their wives serving overseas (...), of the British police, judges, public personalities; (...) satire on the institution of monarchy (...); labour relations or incitement to revolution, (...) conflicts between armed forces and the civil population, (...) subject, themes or incidents which might offend friendly countries.“ James C. Robertson, British Film Censorship Goes to War, in: Historical Journal of Film Radio and Television, Vol. 2, No. 1, 1982, S. 49 393 ‚controversy‘ freizuhalten, indem man den politischen und sozialen status quo unangetastet ließ. Unter die „no controversy“-Regel fiel internationale Politik ebenso wie die Behandlung von Bolschewismus, Faschismus oder Pazifismus. Bis Ende der zwanziger Jahre wurden ausschließlich fertiggestellte Filme begutachtet. Gab es Beanstandungen, wurde der Film erst freigegeben, wenn die notwendigen Kürzungen und Schnitte ausgeführt waren. Zu Beginn der dreißiger Jahre wandelte sich jedoch diese Form der (Nach-)Zensur zu einer Zensur, die bereits während der Produktion eines Films tätig wurde. Produzenten wurden ‚ermutigt‘, Rohfassungen des Drehbuchs vorzulegen, um nach der ‚guidance‘ des Boards das Shooting Script zu erstellen. Dieses System, „a truly amazing departure from the principles of free expression in a parliamentary democracy, came to be quietly and generally accepted by the film world in Britain.“5 Diese Praxis bei der Durchführung der Zensurmaßnahmen änderte sich auch während des Krieges nur minimal. Kontroll- und Zensuraufgaben standen im Mittelpunkt der Überlegungen der Planer des zukünftigen Ministry of Information. Ein Memorandum von C.P.C. Robinson vom Februar 1936 benannte die zukünftigen Zensurmaßnahmen: staatliches Veto-Recht gegen die Entscheidungen von Aufführungsgenehmigungen der „local authorities“; das Recht, aufgrund der Defence Regulations Filme zu verbieten; die Eingliederung von Wochenschauen, Dokumentarfilmen und „non-flam-films“ in das existierende Zensursystem. Das Standing 5 Nicholas Pronay/Jeremy Croft, British Film Censorship and Propaganda Policy During the Second World War. In: James Curran/Vincent Porter (Hrsg.), British Cinema History, London 1983, S. 146 394 Committee on Censorship berücksichtigte in seinen Empfehlungen vom Juli 1936 die Ideen dieses Memorandums. Die praktische Umsetzung der Empfehlungen und die damit notwendigen Konsultationen mit Personen ausserhalb des engen Planungszirkels der Regierung begannen erst im Juli 1938, als die Kriegsgefahr durch Hitlers Annektion des Sudetenlands die Unzulänglichkeiten in der Planung des zukünftigen Ministry of Information sichtbar machten. Im Februar 1938 hatte bereits Stephen Tallents, der designierte Director General des Ministry of Information, in seinem Progress Report die nur regierungsintern geführte Zensurdebatte kritisiert. Im Juli 1938 kam es zu ersten Verhandlungen mit J. Brooke-Wilkinson, dem Secretary des B.B.F.C.6 Bei den Konsultationen blieb vorerst die Frage offen, ob im Kriegsfall Filme einer Sicherheits-Zensur zu unterliegen haben oder nicht. Nach den Censorship Instructions von 1936 sollten Filme einer obligatorischen Zensur (compulsory censorship) unterliegen. Grundlage dafür waren die Defence Regulations (No.12), nach denen man bereits im Ersten Weltkrieg die Pressezensur ausgeübt hatte. Nach diesen Defence Regulations war es ein Vergehen, „in any manner likely to prejudice the efficient prosecution of the war to obtain, possess or publish, information on military matters. (...) False information is covered by the prohibition equally with true information. (...) There is also a general prohibition with respect to any other matter whatsoever information as to which would or might be directly or indirectly useful to the enemy. The Regulations also prohibit any attempt to influence public opinion (...) in a manner likely to be prejudicial to the efficient prosecution of the war.“7 6 Siehe auch: James C. Robertson, British Film Censorship Goes to War, in: Historical Journal of Film Radio and Television, a.a.O., S. 54-58 7 Zitiert nach: C.V. Usborne (Director Ministry of Information – Censorship Division), Arrangements for the Application in War of A „Security“ Censorship of Films. PRO, INF 1/178/ CN4/Part I 395 Erst im Dezember 1938 einigten sich Vertreter des Ministry of Information, des Innenministeriums und des Kriegsministeriums auf eine „freiwillige“ Sicherheits-Zensur von Filmen. Im Juli 1939 lagen die Ausführungsbestimmungen für die kriegsbedingte Sicherheits-Zensur von Filmen vor. Das British Board of Film Censors sollte als existierende Zensurinstanz auch die Durchführung der neuen SicherheitsZensur gewährleisten. In den Ausführungsbestimmungen wurde festgelegt, dass: „(a) the ‚security‘ censorship of films was to be voluntary (although compulsory censorship would be enforced for exported films which would also bear a B.B.F.C./M.O.I. seal on the package). (b) the industry was to be warned of the Defence Regulations. (c) the industry could avoid risk by submitting films for security censorship. (d) the B.B.F.C. was to undertake censorship on behalf of the M.O.I. (e) the M.O.I. was to supply the B.B.F.C. with Defence Notices as issued to the Press. (f) officers of the M.O.I.‘s Control Divisions were to act as liaison with the B.B.F.C. providing 24 hour advice. (g) the B.B.F.C. was to provide advice to the industry. (h) the B.B.F.C. was to issue certificates for films passing security censorship thus: This is to certify that ..........................has been passed for Universal Exhibition, (and complies with the requirement of the Ministry of Information) (i) the M.O.I. would supply extra censors to the B.B.F.C. if needed.“8 8 Arrangements for the Application in War of a „Security“ Censorship of Films. Final draft, July 1939. PRO, INF 1/178/CN4/Part I. Joseph Ball, erster Leiter der Films Division, kritisierte aufs schärfste die erweiterte Formulierung „and complies with the requirements of the Ministry of Information“ des Zertifikats, das als Vorspann vor jedem Film im Kino gezeigt werden musste. „(...) the additional words are highly dangerous from the Ministry’s point of view. In the first place, they are liable to create in the minds of exhibitors and public alike the idea that the Ministry has seen and approved the film from every point of view, and it is not difficult to imagine that commercial producers may very well produce a number of films, for the general tone of which the Ministry would not like to be thought in any way responsible. More serious still, in the case of films exported to the U.S.A., and other neutral countries, I am afraid that audiences on seeing the certificate would inevitably jump to the conclusion that the Ministry has seen, approved and possibly tampered with, the film from a propaganda standpoint.“ Joseph Ball an Admiral Usborne, Director of Censorship Division, o.D. [September 1939], PRO, INF 1/178, Part II. Ball konnte Usborne nicht umstimmen. Erst als im Oktober das Ministry of Information die Verantwortung für Zensur an das Press and Censorship Bureau unter Walter Monckton ab- 396 Anfang September informierte C.V. Usborne, der neue Director der Censorship Division des Ministry of Information, die Filmwirtschaft in einem zweiseitigen Brief über die „Security“ Censorship of Films.9 Er zitierte die Defence Regulations als Legitimation für die Bestimmungen und machte unmissverständlich klar, „that this Censorship will in the first instance be carried out on a voluntary basis, and that the sources of compulsion conveyed by the Regulations will be held in reserve for use only if the Voluntary system proves to be an insufficient safeguard.“ Das bestehende Zensursystem wurde dahingehend modifiziert, dass ab sofort auch Wochenschauen und alle SubStandard-Formate dem British Board of Film Censors vorzulegen waren, das als „as agent of the Ministry“ agierte. „The Board will undertake, on request by producers or importers, the ‚security‘ censorship, of (a) films which have already passed their normal censorship, and (b) news reels, topicals, locals and any other types of film which are not normally submitted to them. (...) The Board will also undertake the duty of advising producers, importers or exporters of film on application as to points on which caution is necessary to avoid infringement of the ‚security‘ censorship.“10 Das Ministry of Information übermittelte dem B.B.F.C. regelmäßig die jeweiligen ‚Defence Notices‘, die ‚stops‘ und ‚releases‘, nach denen Zensurentscheidungen zu treffen waren. Geschah die Sicherheits-Zensur auf freiwilliger Basis, unterlag die Ausfuhr von Filmmaterial hingegen der obligatorischen Zensur. geben musste, das dem Innenministerium zugeordnet wurde, wurde die Formulierung fallengelassen. 9 C.V. Usborne, Arrangements for the Application in War of a „Security“ Censorship of Films‘,September 1939. PRO, INF 1/178/CN4 Part II. Der Brief ging an alle Produzenten, Verleiher, Importeure, Kinobesitzer, Wochenschaugesellschaften et al 10 Usborne, Arrangements for the Application in War of a „Security“ Censorship of Films‘, a.a.O. 397 „It has, however, been decided that a compulsory censorship of films for export will be necessary. This will be provided for by including the following goods in the list of goods prohibited to be exported: cinematograph films, exposed, whether developed or not, and associated sound tracks or grammophone records“11 Filme durften als strategisches Kriegsmaterial nur ausgeführt werden nach erfolgter Sicherheits-Zensur durch das B.B.F.C., nach Genehmigung der Films Division und der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung durch das Board of Trade. Mit Einführung der Sicherheits-Zensur lag das Risiko ausschliesslich auf Seiten der Filmemacher und Kinobetreiber. „The makers and exhibitors of films (...) the responsibility respectivly as to what they make and exhibit and will incur liability by the production or exhibition of any film containing information which might be directly or indirectly useful to the enemy.“12 Die staatliche Kontrolle griff auch in die Produktion ein. Die Control of Photography Regulation vom September 1939 stufte es als ein Vergehen ein, kriegswichtige Objekte ohne Genehmigung zu fotografieren oder filmen („the list [der Objekte, J.B.] covered practically anything which had war interest“13). Die Erlaubnis, bestimmte Objekte zu filmen oder zu fotografieren, erteilte die Films Division durch ein sogenanntes Red Permit. Damit verbunden war die Auflage, alle Aufnahmen vor einer Veröffentlichung der Zensurbehörde vorzulegen. Für Wochenschaukameraleute und Spielfilmproduzenten hatte sich die Situation nicht verändert, waren sie doch auch in Friedenszeiten von Rechts 11 Usborne, Arrangements for the Application in War of a „Security“ Censorship of Films‘, a.a.O. 12 Usborne, Arrangements for the Application in War of a „Security“ Censorship of Films‘, a.a.O. 13 George P. Thomson, Blue Pencil Admiral, The Inside Story of the Press Censorship, London o.J. [1947], S. 6 398 wegen verpflichtet, für Aufnahmen an öffentlichen Plätzen eine polizeiliche Drehgenehmigung einzuholen. Die Einführung der Sicherheits-Zensur hatte die juristische Position wenig verändert. Aufgrund des Cinematograph Act konnten die „local authorities“ weiterhin Aufführungen von Filmen gestatten oder verbieten. Das Verbot oder die Genehmigung eines Films durch das British Board of Film Censors besaß keine juristischen Verbindlichkeiten, lediglich die Ausfuhr war ohne Freigabe durch das B.B.F.C. nicht möglich. Ein internes Memorandum über die juristische Position des Ministry of Information machte dies sehr deutlich. „The Ministry has, at present, no power to prohibit the showing of a film even if the British Board of Film Censors on its behalf refuses to pass it on security grounds. All that can happen is that the exhibitor who shows it may commit an offence which renders him liable to a penalty. The Council can prohibit the showing of a film and loss of licence may result.“14 Auch wenn das British Board of Film Censors formal die Instanz für die Sicherheits-Zensur war, spielte dieses Gremium im Laufe des Krieges eine immer marginalere Rolle gegenüber der Films Division oder dem Press und Censorship Office. Die Filmproduzenten suchten primär den Kontakt mit dem Ministry of Information. Allein von Januar bis November 1941 wandten sich über 45 öffentliche wie private Körperschaften und Einzelpersonen an die Film Censorship Division für Rat und Hilfestellung „in security, general policy, political issues and miscellaneous problems concerning war-time films“. 15 14 Censorship of Films, 31.10.1939. PRO, INF 1/178/CN4 Part II Die Liste umfasste neben allen Wochenschauen eine Reihe von Dokumentarfilmfirmen sowie englische als auch amerikanische Studios. Neben staatlichen Produktionsfirmen wie die Crown Film Unit und die Army Film Unit werden Concanen Films, Realist, Spectator, Strand, Studio Films, Verity, Public Relationship Films genannt, sowie Paramount, Universal, 20th Century Fox, Associated Pictures und die Ealing Studios. Film Censorship. PRO, INF 1/178 CN 4 Part III 15 399 Die Zusammenarbeit zwischen Films Division, der Censorship-Abteilung und dem B.B.F.C. verlief nicht immer reibungslos. Beriet die Films Division eine Produktionsfirma über ein Thema und genehmigte ihr das plot, hieß dies nicht automatisch, dass die Censorship Division auch alle Szenen des fertigen Films genehmigen musste.16 Um zukünftig zu verhindern, dass Filmproduzenten von widersprüchlichen Entscheidungen innerhalb des Ministry of Information profitieren konnten, wurde den Filmproduzenten Anfang 1943 mitgeteilt, welche Themenkreise sie generell zu meiden hätten bzw. welche sie nur unter genauester Anleitung der Censorship Division umsetzen durften. „(...) the Film Division should make it clear in a letter to the Film Companies that approval of the theme leaves out of account any Censorship objection and that film producers should study the defence Notices carefully and submit the film at an early stage if it deals with any subject mentioned in the Defence Notices, with particular reference to the following items, reference to which is prohibited: (a) Spies and counter espionage. (b) Delayed action bombs. (c) Bomb disposal units. (d) Parachute mines. (e) Escapes of serving personnel from enemy occupied territory. (f) Treatment of prisoners-of-war. (g) Use of gas. (h) Parachutists. (i) Commando raids (except as approved by the Censorship). (j) Secret equipment, e.g., Radiolocation, R.D.F., etc.“17 16 Für The Adventure of Tartu hatte die Films Division MGM die Zustimmung zum plot des Films gegeben (Britischer Spion landet mir dem Fallschirm in einem von deutschen Truppen besetzten Land, um eine Giftgasfabrik in die Luft zu sprengen). Als das Drehbuch dem B.B.F.C. und der Censorship Division vorgelegt wurde, hatte das B.B.F.C. nur geringe Änderungswünsche, wie bei der Verwendung von vulgärer Sprache, während die CensorshipAbteilung eine Sequenz, in der eine Bombe entschärft wurde, gestrichen sehen wollte. MGM hatte diese Sequenz aber bereits abgedreht, nachdem sie von der Films Division grünes Licht für das plot erhalten hatte. Nur widerwillig musste die Censorship Division beigeben 17 Admiral Thomson an Francis Williams, 13.10.1942. PRO, INF 1/178 CN 4 Part III 400 Diese zehn Punkte ergänzten die bereits vor dem Krieg existierenden 98 Verbotspunkte des British Board of Film Censors. Da die meisten Konsultationen mit dem Ministry of Information im Vorfeld oder während der Produktion eines Spielfilms stattfanden, häufig „over lunch“, bei einem Arbeitsessen, gibt es kaum Aktenmaterial zu den angeordneten Schnittauflagen.18 Der Krieg brachte für die Spielfilmproduktion aber auch eine Lockerung bestehender Reglementierungen, vor allem was die Themenauswahl der Filme betraf: Das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, in der Vorkriegszeit verboten, durfte behandelt werden; das Verbot, britische Offiziere und die Truppe in einem „disgraceful, reprehensible or equivocal light“ darzustellen, wurde dahingehend abgemildert, dass eine realistische Darstellung der Armee erfolgen konnte; ebenso durfte die aktuelle Aussenpolitik der Regierung und ihre Haltung zur Politik der Feindmächte thematisiert werden. Und das Verbot, Personen des öffentlichen Lebens fiktional zu repräsentieren, wurde zurückgenommen, „our rule against representation of living persons does not extend to enemy aliens.“19 18 Darüber hinaus wurden fast die gesamten Akten der Zensurabteilung des Ministry of Information nach dem Krieg vernichtet. Materialfunde im Bestand des Public Record Office sind zufällig. Die „scenarios“ des B.B.F.C. liegen im British Film Institute. Für die Zeit von 1941 bis 1945 existieren nur 140 Zensurberichte; die Materialien von 1940 wurden durch deutsche Bombenangriffe vernichtet 19 Siehe: Pronay/Croft, British Film Censorship and Propaganda Policy During the Second World War, a.a.O., S. 150f 401 8.2. Hitler Listens: Nachrichtenkontrolle und Wochenschauen „It is generally conceded that the newsreel is the most important for propaganda purposes of the three principal kind of films [ i.e. feature films, documentary films, newsreels], and this is specially true in the Empire and in foreign countries.“1 Diese Einschätzung des Select Committee on National Expenditure zum Propagandawert von Wochenschauen hätte auch von Goebbels stammen können. Doch zwischen den Möglichkeiten, die das Reichspropagandaministerium besaß, und der britischen Propagandarealität lagen Welten. Die Bewertung des Mediums Wochenschau war eine Sache, die dirigistische, effektive Nutzung dieses Mediums zu Propagandazwecken aber eine andere. In Großbritannien erreichte man dieses Ziel in einer langwierigen und mühseligen Prozedur, und nur dank einer ideologischen Gratwanderung des Staatsapparates. Am Ende war die Quadratur des Kreises geschafft – eine Kontrolle der Wochenschauen etabliert, ohne das demokratische kapitalistische System anzutasten. Im Umgang mit den Wochenschauen wie auch mit den übrigen Nachrichtenmedien offenbarte sich das Dilemma des neugeschaffenen Ministry of Information: die abstrakten, theoretischen Überlegungen der Planer stießen in der praktischen Umsetzung auf erhebliche Schwierigkeiten. So wurde der Kontrollfunktion des Ministry of Information viel zu großer Wert beigemessen und der Bedeutung eines umfassenden Nachrichtenangebots ein zu geringer. Die Wünsche der Planer konzentrierten sich auf die Press 1 Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 8 402 und die Censorship Division, für die sie durch das geheime Committee of Imperial Defence ein detailliertes Kontrollsystem ausarbeiten ließen. Einigkeit bestand lediglich darin, dass die Zensur an der Stelle ansetzen sollte, an der die Nachrichten über die staatliche Nachrichtenagentur Reuters verteilt wurden. Doch wenn das Gros der Nachrichten bereits an dieser Stelle der Zensur unterlag, d.h. für eine Veröffentlichung häufig nicht mehr zur Verfügung stand, bestand die Gefahr, dass das gesamte Informationssystem aus Mangel an Nachrichten zusammenbrechen konnte. In den Papieren der Ministeriumsplaner wird erstaunlicherweise auf diese Gefahr nicht verwiesen. Vielleicht hielten die Planer sie angesichts der Vielfalt der britischen Medienlandschaft auch für vernachlässigbar. Die Presse (ca. 1.000 Zeitungen und Zeitschriften) zeichnete sich vor allem durch ihre Unabhängigkeit von der Regierung aus. Die B.B.C., wenngleich eine nationale Institution, verstand sich immer als „Voice of Britain“ und nicht als Organ der jeweiligen Regierungspartei. Die Wochenschauen nahmen eine mittlere Position zwischen B.B.C. und der Presse ein. Es gab fünf Gesellschaften, die Wochenschauen produzierten und vertrieben, allesamt Töchter von Major Companies: British Movietone News, Gaumont-British News, Universal (Talking) News, Pathé News und British Paramount News.2 Die Zugehörigkeit zu einer der Major Companies garantierten den Wochenschauen den monopolistischen Verleih ihrer Produkte in den Kinoketten der jeweiligen Gesellschaft. Lediglich British Paramount 2 British Movietone News, ein Ableger von Fox Movietonenews Ltd., war die größte Gesellschaft. Sie gehörte der amerikanischen Twentieth-Century Fox. Gaumont-British News und Universal (Talking) News wurden von Gaumont-British Picture Corporation bzw. British Pictorial Productions Ltd. produziert und gehörten zum britischen Rank-Imperium. Beide Wochenschauen wurden von General Film Distributor verliehen. Pathé News war eine britisch-amerikanische Unternehmung, im Besitz von Associated British und Warner Brothers, die über John Maxwells Kinokette vertrieben wurde. British Paramount News war im Besitz der amerikanischen Major Company Paramount Pictures Inc. 403 News war auf die unabhängigen Kinos der Insel angewiesen, das waren immerhin 75 Prozent der 4.500 Filmtheater, um die sich allerdings auch die anderen Wochenschaufirmen bemühten. Mit Ausnahme von Universal verlangten die Wochenschauen von Erstaufführungskinos einen Einheitspreis von £ 10 für die zwei wöchentlichen Ausgaben. Für Nachspielkinos, die die Wochenschau verspätet erhielten, reduzierte sich der Preis. Die Zahl der umlaufenden Kopien war mit 200 etwa dreimal so hoch wie bei den Spielfilmen.3 Erreichten die Wochenschauen Zuschauerzahlen im Jahr 1940 von fast 20 Millionen pro Woche, stieg die Zahl bis 1944 auf 24 Millionen. So sehr sich die drei Nachrichtenmedien Presse, Funk und Wochenschau auch voneinander unterschieden, hatten sie doch, was in der Öffentlichkeit kaum bekannt war, eine Gemeinsamkeit: die Quelle ihrer Informationen. Wie Pronay4 detailliert herausarbeitet, waren sowohl die Presse für ihre internationale Berichterstattung, die B.B.C. für ihre Nachrichtenbulletins und auch die Wochenschauen für ihre Kommentare auf die Informationen der Nachrichtenagenturen angewiesen, die sie über Ticker-Maschinen an ihre Abonnenten weitergaben. Als Teil der Vorbereitungen für einen möglichen Krieg hatte das Post Office bereits vor 1914 dafür gesorgt, dass sowohl die Press Association, die die gesamte Provinzpresse mit Nachrichten versorgte, als auch Reuters, die natio- 3 Um die Nachfrage nach Kopien jederzeit steuern zu können, arbeiteten die Wochenschaufirmen mit unterschiedlichen Kopierwerken zusammen. British Movietone News war mit den Kay Laboratories liiert; British Paramount News arbeitete mit den Olympic Kinematograph Laboratories zusammen; Pathé hatte eigene Labors; Universal News wurde bei den British Pictorial Productions Laboratories entwickelt und kopiert; Gaumont-British News besaß ein eigenes Kopierwerk 4 Siehe: Pronay, The News Media at War, in: Pronay/Spring (Hrsg.), Propaganda, Politics and Film 1918-1945, a.a.O., S. 181ff 404 nale Nachrichtenagentur, in London in ein und demselben Gebäude untergebracht waren. Hier liefen die Kabelstränge der Agenturen und Korrespondenten zusammen und konnten – im Kriegsfalle – auch an dieser Stelle manipuliert und kontrolliert werden. Die Nachricht war somit an der Quelle ihrer Verteilung zensierbar, ohne dass dabei die Vielfalt ihrer Präsentationsformen darunter zu leiden hatte. Die Zeitungs- und Zeitschriftenmacher merkten nicht einmal, dass ihnen Informationen und Nachrichten vorenthalten wurden. „This system allowed the news editors of the press as a whole, as well as the BBC, to exercise to the maximum effect their long acquired skill in giving a great variety of form to what in fact was centrally released and thus reinforce their credibility through the illusion of many apparently independent presentations.“5 Doch bis ein brauchbares System etabliert war, das ein Maximum an „sicheren“ Nachrichten gewährleistete, wurde die Organisationsstruktur des Kontrollapparates und des Ministry of Information mehrmals gründlich verändert. Die ungeheuren Nachrichtenmengen, die es zu Beginn des Krieges zu bewältigen galt, führte bei den Kontrolleuren zu einer Überreaktion. Die meisten Nachrichten wurden unterdrückt oder zuückgehalten. Das führte zu heftiger öffentlicher Kritik, besonders von Seiten der betroffenen Journalisten. Da man das Ministerium unter absoluter Geheimhaltung geplant hatte, war natürlich auch das System zur Kontrolle von Nachrichten ohne Beratungen mit den Medienprofis der Wardour Street, Fleet Street oder dem Broadcasting House entworfen worden. Die unausweichliche Folge war ein Chaos, das dazu führte, dass bereits knapp drei Wochen nach Kriegsbeginn die Zensurabteilung aus dem Ministerium ausgegliedert und in ein eigenständiges Press and Censorship Bureau unter Sir Walter Monckton überführt werden musste. Für John 5 Pronay/Spring (Hrsg.), Propaganda, Politics and Film 1918-1945, a.a.O., S. 178f 405 Reith war Lord Macmillans Bereitschaft, die Zensurabteilung des Ministry of Information ohne ersichtlichen Widerstand aufzugeben, Indiz dafür, dass die Verantwortlichen das Wesen von Propaganda nicht verstanden hatten. Er schrieb: „But this was the Ministry of Information and information surely means news. We are responsible for propaganda at home and in neutral countries and news is the shocktroops of propaganda.“6 So wenig die Beamten des Ministry of Information den Einsatz der Presse in einem modernen Propagandakrieg verstanden, so wenig Verständnis zeigten sie auch für die visuelle Form der Nachrichten, die Wochenschauen. Vergessen war, dass das Film Publicity Sub-Committee der International Propaganda and Broadcasting Enquiry bereits in seiner ersten Sitzung im Juni 1939 auf die Wichtigkeit des Fortbestehens der Wochenschauen im Kriegsfall hingewiesen hatte. „The full Committee must be asked to impress upon all concerned the absolute necessity for securing conditions for the continous functioning of the News Reel service during a state of emergency.“7 Die Planer machten damals unmissverständlich klar, wo die Prioritäten zukünftiger Filmpropaganda zu liegen hatten: „We regard the News film as an essential and possibly the most important instrument for film propaganda (...)“8 Eine Empfehlung, die das Parent Committee auch bereitwillig aufgriff.9 Die Planer des Sub-Committee waren von dem Erfolg der British News, einer ge- 6 John C.W. Reith, Into the Wind, a.a.O., S. 341 Ministry of Information. Publicity Division: Planning Section. Film Publicity Sub-Committee. Revised Minutes of First Meeting. 2nd June, 1939, 6.7.1939. PRO, INF 1/726 8 Film Publicity Sub-Committee, Interim Report, 7.7.1939, S. 2 7 406 meinsamen Wochenschau der fünf englischen Gesellschaften in Zusammenarbeit mit der Travel Association und dem British Council, die auf der Weltausstellung in New York gezeigt wurde, so beeindruckt, dass sie besonders im Hinblick auf den Propagandawert einer solchen Wochenschau im Ausland die Fortführung dieses Arrangements empfahlen.10 Man machte sich sowieso nicht allzuviele Gedanken über den weiteren Propagandaeinsatz von Filmen, da man glaubte, die Deutschen würden den Krieg mit Luftangriffen beginnen, und die Kinos zum Schutz der Bevölkerung geschlossen werden müssten. So geschah es auch, doch als die erwartete Luftoffensive der Deutschen ausblieb, wurden die Kinos nach zwei Wochen wieder geöffnet. Am 10.9.1939 wurde per Gesetz ein generelles Verbot erlassen, militärische Einrichtungen oder Militärpersonen zu filmen oder zu fotografieren. Den Wochenschaufirmen war damit verboten, gerade über das, was die Öffentlichkeit zu Beginn des Krieges interessierte, zu berichten. Auch militärische Aktivitäten durften nicht gefilmt werden, nicht einmal die Ausschiffung des British Expeditionary Force nach Frankreich.11 9 „(...) it was possible that newsreels might perhaps be the most important medium of publicity, whether they were produced officially or (as would seem preferable) commercially.“ International Propaganda and Broadcasting Enquiry, minutes, 8.6.1939. PRO, INF 1/720 10 Die Vereinbarung mit der Newsreel Association of Great Britain and Ireland, der Organisation der fünf in Großbritannien operierenden Wochenschaugesellschaften, sah vor, dass die Wochenschauen turnusmäßig eine Ausgabe produzierten, für die auf das Filmmaterial aller Gesellschaften zurückgegriffen werden konnte. Die wöchentlichen Kosten von £ 150 wurden vom Joint Committee der Travel Association und des British Council getragen. Die durchschnittliche Länge dieser Wochenschau betrug 1.500 Fuß gegenüber der Normallänge einer Wochenschau von 850 Fuß 11 Der Leiter der Films Division Sir Joseph Ball konnte die militärischen Zensoren nicht umstimmen, auch nicht mit dem Hinweis, dass „the event would soon be history and not news“. Die Antwort des Chief Censor Vice-Admiral Usborne lautete klar: „Newsreels of troops departing for overseas or preparing to depart overseas are absolutely forbidden“. Brief von Sir Joseph Ball an Admiral Usborne, 11.9.1939; Antwort von Admiral Usborne, 14.9.1939. PRO, INF 1/178 A 407 Die Films Division versuchte in den ersten Kriegsmonaten die vom Militärapparat verursachten Einschränkungen und Behinderungen der Wochenschauen abzumildern oder zu umgehen. Die Bedeutung, die der erste Leiter der Films Division, Sir Joseph Ball, den Wochenschauen zumaß, spiegelte sich wider sowohl in der Organisationsstruktur wie in den ersten Arbeitsplänen der Films Division, in dem der Produktion und dem Verleih von Wochenschauen oberste Priorität eingeräumt wurde. In einem „General Plan of Operations“ wurde die Unterstützung der Wochenschauen für ebenso wichtig eingestuft wie die Unterstützung von Spielfilmen. Die Films Division sah die Möglichkeit, Spielfilm- und Wochenschauproduktionen in ihrem Sinne zu beeinflussen, „by providing newsreel producers with similar facilities [i.e. facilities for including in their films what the public is now demanding insistently, namley, shots of the war in all its phases] on so extended a scale that it will be possible for them to double or even treble the length of their newsreels. By helping producers of feature films and newsreels alike to increase enourmously the extent of their distribution overseas.“12 Die Control of Photography Order vom 10.9.1939 und die Weigerung des War Office, aus Sicherheitsgründen keine Kameramänner bei Militäraktionen der Expeditionary Forces zuzulassen, legten die Wochenschauen praktisch lahm. Das War Office hatte eigene Kameraleute, deren Material es über die Films Division den Wochenschauen zur Verfügung stellte. Die Qualität des angebotenen Filmmaterials entsprach aber nicht den Ansprüchen der Wochenschauprofis. Sie benutzten von der ersten Lieferung gerade mal fünf Prozent; und schickten die zweite Lieferung gar in toto an die Films Division zurück („so 12 Ministry of Information – Films Division. General Plan of Operations, 25.9.1939. PRO, INF 1/194 F 156 408 amateurish and failed so hopelessly to depict our war effort“, wie Lord Strabolgi zu Recht kommentierte13). Die Kritik hatte die Films Division einzustecken, obwohl sie lediglich als Verleihagent des War Office fungierte. Das vom War Office ausgesprochene Fotografierverbot wurde heftigst attackiert, doch da die Films Division keinen Einfluss auf die Entscheidungen des War Office hatte, blieb das Verbot bestehen. Eine Aufhebung konnte nur das War Cabinet beschließen. Immerhin versuchte die Films Division, die Arbeitsbedingungen der Wochenschaumacher zu verbessern. „I must, however, emphasise the fact that every British newsreel organisation is complaining bitterly of lack of news, due entirely to the prohibitions imposed upon them by the Service Departments. I cannot urge too strongly the importance of securing the widest possible relaxation of these restrictions without delay.“14 Eine Lockerung der Defence Notices und der Control of Photography Order des Innenministeriums wurde nicht erreicht. Die Militärverantwortlichen willigten auf Druck der Films Division immerhin ein, einzelnen Kameramännern Erlaubnisscheine, sogenannte Red Permits, auszustellen, die es ihnen ermöglichten, militärische Einrichtungen, die den ‚Notices‘ oder der ‚Photography Order‘ unterlagen, zu filmen. Das War Office erteilte jedoch allen fünf Wochenschaufirmen die Erlaubnis, jeweils einen Kameramann an die Front nach Frankreich zu schicken. Ursprünglich sollten nur zwei Firmen Zugang erhalten. Das Material, das die Wochenschaukameramänner in Frankreich drehten, stand allen Firmen gleichermaßen zur Verfügung. Die Freigabe unterlag der Zensur. 13 Brief von Lord Strabolgi an den Minister und an Joseph Ball, 6.10.1939. PRO INF 1 /194 F 156 14 Ministry of Information – Films Division. General Plan of Operations, a.a.O. 409 Eine der ersten Aufgaben von Sir Edward Villiers, der am 20.9.1939 in der Films Division den Bereich Verleih übernahm, bestand darin, sich über die britischen Wochenschauen und ihre Arbeitsweisen zu informieren, um ein Memorandum über die Möglichkeit einer nationalen, d.h. staatlich produzierten Wochenschau auszuarbeiten. Villiers verfasste verschiedene Papiere, u. a. lieferte er eine Bestandsaufnahme der existierenden Wochenschauen15, eine Einschätzung der Wochenschau im Zusammenspiel von Spielfilm und Dokumentarfilm16, sowie eine Darstellung allgemeiner Export- und Verleihschwierigkeiten von Filmen17. In der Einschätzung der Wochenschauen als Propagandainstrument deckten sich seine Vorstellungen mit den Überlegungen des Committee of Imperial Defense. Der Wert von Wochenschauen „is considerable as a counter-agent to enemy propaganda and particularly so in countries not too near the immediate scene of action, where the enemy are trying to influence public opinion by building up an overwhelming idea of massive strength. As such, they are of considerable propaganda value and are a comparitively cheap form of propaganda to produce. (...) I believe that for the purpose of quick propaganda re-action, the news-reel probably affords the best vehicle at probably the best rate.“18 Bei den Überlegungen für eine eigene Wochenschau war die amerikanische March of Time das Vorbild.19 Die Einführung einer vom Ministry of Information finanzierten Wochenschau, blieb auf der Ebene von Gedankenspielen ste- 15 Edward Villiers an Joseph Ball, 21.9.1939. PRO, INF 1/195 F 162 Villiers, Draft, o.D. [nach 16.10.1939]. PRO, INF 1/196 F 185 17 Villiers an Joseph Ball, Export & Distribution Section, 16.10.1939. PRO, INF 1/196 F 185 18 Villers, Draft, o.D. [nach 16.10.1939], a.a.O. 19 „There is (...) a type of film which (...) I think is probably the best suited for all our purposes, and that is something in the nature of the ‚March of Time‘ film, which is known as the magazine film and which can be brought out fortnightly or monthly.“ Villiers, Draft, o.D. [nach 16.10.1939], a.a.O. 16 410 cken. Diese fanden abrupt ein Ende, als der Leiter der Films Division, Sir Joseph Ball, seinem Minister erklären musste, was es mit den Anschuldigungen von Lord Strabolgi, dem Chief Whip (Labour) des House of Lords, auf sich hatte. Strabolgi, der von den Überlegungen der Films Division gehört hatte, lehnte die Einführung einer staatlich produzierten Wochenschau mit eigenem in- und ausländischem Vertriebsnetz als unberechtigten Eingriff in den privatwirtschaftlich organisierten Markt ab. Auf Villiers Bemühungen, besondere Bedingungen für den Vertrieb und den Verleih im Ausland zu arrangieren, reagierte Strabolgi mit unverhohlenem Sarkasmus. „This is a very complicated and highly specialised business and one which is, for the most part, highly developed by large American distribution organisations who would, most certainly, be more than willing to offer all possible facilities, provided, however, that the editorial policy and the make-up of the newsreels that those companies released in various neutral countries, remains with them.“ 20 Joseph Ball machte daraufhin gegenüber Minister Macmillan einen Rückzieher. Er leugnete, dass es Pläne für eine eigene Wochenschau gab und stufte Villiers Vorstoß als bloße Informationssuche ein. „Any such proposal would, in fact, be entirely contrary not only to the general policy of the Films Division, but also to the specific undertaking which I have given to the Newsreel Companies. (...) He [i.e. Villiers] is at present engaged, not in an attempt to devise new methods of distribution either of newsreels or of any other type of film, but in making himself acquainted with the vast ramifications of the existing distributive organisation, in order that the Ministry may make the utmost possible use of the enormous facilities which are already available.“21 20 Confidential Report, als Anlage in dem Brief von Lord Strabolgi an den Minister und an Joseph Ball, 6.10.1939. PRO INF 1 /194 F 156 21 Confidential Note von Joseph Ball an The Minister [Macmillan], 10.11.1969. PRO, INF 1/194 F 156. Im August 1939 hatte Macmillan bei einem Mittagessen vor Vertretern der Filmwirtschaft, bei der auch die Repräsentanten der fünf Wochenschaugesellschaften anwesend waren, vorweg seine Ernennung als Leiter der Films Division bekanntgegeben und alle Beteiligten zur Zusammenarbeit mit dem Ministerium verpflichtet. Er garantierte ihnen, „that it was 411 Die Films Division sah sich zwei Problemen gegenüber. Für eine eigene Wochenschau müsste einerseits ein Verleihnetz entwickelt werden, das gegenüber dem existierenden, fest in amerikanischen Händen befindlichen System, chancenlos wäre. Zum anderen wäre das Ministry of Information, besonders in neutralen Ländern wie den USA, vollkommen abhängig vom Goodwill und der Zusammenarbeit mit den kommerziellen Wochenschaufirmen. „We need the co-operation of the newsreel companies more, possibly, than that of any other part of the film industry. We are actively seeking their cooperation at the moment, and without it the work of foreign Distribution of favourable news items is almost impossible.“22 Die Films Division sah es natürlich als ihr Ziel an, „favourable news“ in die Wochenschauen zu bringen. Aber anders als in totalitären Staaten wie Deutschland und Japan hatte das Ministry of Information keine Handhabe, die Veröffentlichung bestimmter Wochenschaubeiträge anzuordnen, oder Einfluss zu nehmen auf das per Gentleman Agreement geregelte Verfahren des Nachrichtenaustausches mit ausländischen Anbietern, da dies einen Eingriff in den freien Markt bedeutet hätte. „Here the industry, being free and dependant for its existence on what the public will pay to see, judges solely by the interest-value which they believe will appeal to their audiences.“23 „(...) in the case of our news-reel people neither can they afford to give away their news-reel material for nothing, nor can they afford reciprocally to show on our news-screens news which does not interest the public, since they depend for their living not on a subsidy but on what the public will pay to see.“24 my desire and intention to utilise to the full the enormous resources of the industry itself, to devote myself to securing the widest possible publicity for our case on the screens throughout the world, and, in no circumstances, to set up any organisation within the Ministry designed or calculated to compete with them in their normal business operations.“ 22 Minute, Hore-Belisha and Unity Mitford Newsreels, 19.1.1940. PRO, INF 1/195 F 162 23 Villiers an Joseph Ball, 16.10.1939. PRO, INF 1/196 F 185, S. 5 24 Villiers, Draft, o.D. [nach 16.10.1939], a.a.O., S. 5 412 Die Films Division erwog auch, die Wochenschauen zu subventionieren,25 um dem Überangebot deutscher Nachrichten in ausländischen Kinos Paroli zu bieten, ließ den Plan jedoch fallen. Stattdessen begann sie ab April 1940 Fremdsprachenversionen britischer Wochenschauen zu finanzieren und deren Vertrieb zu organisieren.26 Auch wurde auf die alten Vorschläge der Planer im Film Publicity Sub-Committee zurückgegriffen, im Kriegsfalle die auf der New York World Fair gezeigten British News wieder aufzunehmen. Mit Kriegsbeginn war dieser Service vorläufig eingestellt worden, da das Ministry of Information sich organisatorisch und finanziell nicht in der Lage sah, die weitere Existenz der British News zu garantieren.27 Als die New Yorker Weltausstellung im Mai 1940 wieder eröffnete, wurden auch die British News wiederbelebt. Auf Ersuchen des Colonial Office und mit Zustimmung des Ministry of Information begann man British News auch in den Kolonien und den Dominions zu zeigen. Als Ersatz für eine offizielle staatliche Wochenschau blieb der British News-Service, der sich auch auf das übrige neutrale und verbündete Ausland erstreckte, während des ganzen Krieges erhalten. Die Idee einer eigenen Wochenschau verschwand aber nie ganz aus den Überlegungen der Films Division. So wurden in den ersten Kriegsjahren gele- 25 „It is difficult to see how any method short of some form of subsidisation or payment will enable our newsreel companies to meet this challenge.“ Villiers an Ball, Export & Distribution Section, a.a.O., S. 6 26 Synchronisierte Wochenschauen wurden anfänglich in acht verschiedene europäische Länder geschickt und Verleihorganisationen für den Mittleren Osten, Japan, Hong Kong, Shanghai, Bangkok und Dutch East India organisiert. Ab Juni 1940 schickte man regelmäßig Kopien nach Lateinamerika, Indien, Island und den Faroer Inseln 27 Im ‚Programme for Film Propaganda‘ erkannte die Films Division aber die Notwendigkeit einer solchen Wochenschau uneingeschränkt an: „(...) it is absolutely necessary to persuade the five companies to create a single, fortnightly cine-magazine of selected British news for distribution to France and neutrals.“ In: Programme for Film Propaganda, 10. News Reels, [Januar 1940], PRO, INF 1/867 413 gentlich Einzelausgaben von Wochenschauen produziert.28 Erst seit Sommer 1942 konnten zwei Nachrichtenmagazine produziert werden, die für den Einsatz in kriegswichtigen Industrien und für Fabrikaufführungen bestimmt waren. Von den Warwork News kamen bis 1945 81 Ausgaben heraus, und Worker and Warfront, produziert von Paul Rotha, brachte es auf 18 Editionen. In den USA produzierte die Films Division des British Information Service von 1944 ab kurze Act and Fact-Filme, die aus britischem Wochenschaumaterial zusammengestellt wurden. Auch in den „liberated territories“ wurde seit Juni 1943 eine in der Landessprache synchronisierte spezielle Wochenschau aus britischem und amerikanischem Filmmaterial gezeigt. Während sich die Zusammenarbeit zwischen Films Division und den Wochenschauen schnell einspielte, wurde die Frage der Kontrolle bzw. Zensur der Inhalte der Wochenschauen, wie jeder Form von Nachrichten, zum beherrschenden Thema innerhalb des Ministry of Information. Sir John Reith, der neue Informationsminister, propagierte als Credo des Ministeriums die „Propaganda durch Tatsachen“, wobei die Nachrichten als „shocktroops of propaganda“ fungieren sollten. Unter Reiths kurzer Ägide hatte die Mobilisierung der unterschiedlichen Nachrichtenmedien Priorität. Diese Entwicklung ging einher mit der Professionalisierung und dem intelligenten Einsatz von Zensur. Als quasi natürliche Folge dieser Politik, der es auf ein effektives, vernunftbestimmtes Zusammenspiel zwischen privatwirtschaft-licher Sphäre 28 In Zusammenarbeit mit dem Außenministerium und dem British Council war die Films Division für eine Wochenschau unter dem Titel Olympic News verantwortlich, die von British Paramount News produziert wurde und die die ‚Battle of Britain‘ zum Thema hatte. Über die Zusammenarbeit von British Council, Aussenministerium und Ministry of Information, siehe: Pronay, The News Media at War, a.a.O., S. 189-191. Movietone, Universal und Gaumont-British News produzierten im Auftrag des Ministry of Information versuchsweise Ausgaben einer Wochenschau, von denen aber keine in die Kinos kam. Gaumont British produzierte die Ausgabe eines Cine magazine; Movietone The Empire Rallies und Universal British Review 414 und Staatsapparat ankam, wurde im April 1940 das Press and Censorship Bureau, mit der Abteilung Postal and Telegraphic Censorship, wieder dem Ministerium eingegliedert und Walter Monckton zum Deputy Director General des Ministry of Information ernannt. Die Wochenschauen waren das Nachrichtenmedium, das am stärksten reglementiert und auch zensiert wurde. Die politischen Restriktionen, denen die Wochenschauen ausgesetzt waren, erfolgten ausschließlich unter dem Blickwinkel der Sicherheit; eine politische Zensur der Wochenschauen gab es – offiziell wenigstens – nicht. Wie arbeitete dieses System der Sicherheits-Zensur von Wochenschauen? Zu Kriegsbeginn wurde das British Board of Film Censors um zwei weitere Militärpersonen ergänzt,29 die sich hauptsächlich um die Filme der Streitkräfte und die Wochenschauen zu kümmern hatten. Sie fahndeten in dem für die Wochenschauen bestimmten Filmmaterial nach Aufnahmen, die militärische Geheimnisse enthüllen oder anderweitig die Sicherheit gefährden könnten. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, erhielt das Board of Film Censors von der Censorship Division tägliche Listen von „Stops“ und „Releases“, Verbotenem und Erlaubtem, die als Grundlage die Zensureingriffe dienten. Nur eine einzige Liste blieb in den Akten des Public Record Office erhalten. Das Dokument vom September 1939 vermerkte 38 Verbote, „stops“: „1. 2. 3. Location of evacuated children must be treated with discretion. Exact location not to be given. No mention of I.R.A. activities in Northern Ireland. No mention to be made of any movement present or future of members of the Royal Family unless previously authorised. (...) 29 Neben Major R.H.W. Baker, Lieutenant-Colonel A. Fleetwood-Wilson, Colonel Hanna und Mrs. Crouzet wurde das Gutachterteam im September 1939 um Major-General Bruce Hay und Lieutenant Kite ergänzt, letzterer war für die Wochenschauen zuständig 415 8. 9. 11. 18. 29. 33. 37. No mention that Soviet Government recalled all ships bound for Britain. (...) No mention should be made of method used by submarines and this instruction must be interpreted in its strictest sense. (...) Times of sailings from British Ports of all ships including neutrals not to be published. (...) In no cirumstances must the word "torpedoed" be used in connection with vessels sunk. No suggestion should be made that the Allies would have declared war against Russia had she launched her attack earlier and that the collapse of Polish resistance had to be taken into consideration. No mention to be made of Balloon Barrage – whether there are many or few; whether they are "up" or "down". (...) No mention to be made of the R.A.F. being in action on the Western Front.“30 Im Grunde war alles was die Bevölkerung gerade zu Beginn des Krieges interessierte, mit einem Informationsembargo belegt. Darunter litten die Wochenschauen litten am allermeisten. Erschwerend kam hinzu, dass das War Office jegliche Aufnahmen von ‚Military Subjects‘ kategorisch verboten hatte. Zu Kriegsbeginn ging man noch davon aus (so auch das Ministry of Information), dass das meiste Filmmaterial der Wochenschauen von Kameraleuten des War Office gedreht würde, ähnlich den ‚Official War Office Cinematographers‘ des Ersten Weltkriegs. Aber das War Office konnte weder quantitativ und schon gar nicht qualitativ den Bedarf an aktuellem Bildmaterial decken. Zudem hatte das B.B.F.C. Probleme mit dem Balanceakt einerseits dem Feind durch die Aufnahmen keine unfreiwilligen Informationen über die militärische Ausrüstung der britischen Truppen zu liefern, andererseits aber 30 Co-ordination of Film Censorship. List of important stops issued since 8.9.39. PRO, INF 1/178/CN4 Part II. Ein „stop“ verzögerte auch die Crown Film Unit-Produktion ‚The Vikings Live Again‘, eine britisch-norwegische Gemeinschaftsproduktion über Torpedoboote. Die Behandlung von „Light Naval Forces“ stand auf der Stop-Liste und verzögerte die Produktionsvorbereitungen: „Delay due to sudden ‚Stop‘ on M.T.Bs [i.e. Motor Torpedo Boats, J.B.], arising from issue to Newsreels of secret material by Admirality Press Division Officer.“ Board of Management. Crown Film Unit, 25.3.1943, a.a.O., S. 4 416 der britischen Bevölkerung moralstärkende Bilder der Kampfkraft ihrer Streitkräfte zu liefern. Die Kommentare der Wochenschau unterlagen ebenfalls der Kontrolle, auch wenn das (stumme) Bildmaterial bereits die Zensur passiert hatte. Versuche, die Kontrolle über die Kommentare der Films Division zu überlassen und die Kontrolle der Bilder dem B.B.F.C. oder später der Photographic Section des Press and Censorship Bureaus, erwiesen sich als wenig praktikabel.31 Eine Lösung wurde im Juni 1940 gefunden, indem die Kontrolle über die Wochenschauen der Film Censorship Section, einer Untereinheit der Photographic Censorship Section der Press and Censorship Division unterstellt wurde. Die Funktion und Arbeitsweise der Film Censorship Section wurde 1941 durch die ‚Directors Order S.13‘ festgelegt, die modifiziert bis zum Kriegsende Bestand hatte.32 Die Hauptaufgabe der Film Censorship Section bestand in der Kontrolle über die Wochenschauen. Im Gegensatz zu den Zensurmaßnahmen für Printmedien, für Spiel- und Dokumentarfilme, die nur durch eine VorZensur kontrolliert wurden, mussten sich die Wochenschauen zusätzlich einer Nach-Zensur stellen. Lediglich Radiosendungen wurden ähnlich streng kontrolliert. Die Vor-Zensur fand in den Vorführräumen der jeweiligen Wochenschaugesellschaft statt. „Before making up their reels (...) the newsreel companies submit to the Section any material which they consider censorable.“33 31 Über die Planung der Nachrichtenkontrolle und die Versuche von Ministry of Information und War Office diese Kontrolle zur Zeit des Phoney Wars aufrechtzuerhalten, siehe: Pronay, The News Media at War, a.a.O. 32 Directors Order S.13, 23.7.1941 und 14.2.1942, PRO, INF 1/178/CN4 Part III 33 Directors Order S.13, 14.2.1942, a.a.O. 417 Die sogenannte Sicherheitszensur war immer noch „freiwillig“. Lediglich Filmmaterial, das in Zusammenhang mit einem „facility visit“ gedreht wurde, musste automatisch vorgelegt werden. Der Kommentar zu einer Wochenschau konnte vor der Aufnahme telefonisch zensiert werden, „but as a general practice commentaries shall be taken down over the telephone straight on to a typewriter so that there shall be a written copy available both for themselves and the representative of the Films Division.“34 Die Wochenschauen erschienen wöchentlich Montags und Donnerstags. Zur Freigabe mussten sie an beiden Tagen jeweils vormittags im Ministerium zur Endabnahme vorgelegt werden. „A censor from the Film Section will attend this showing and take suitable action if he finds that censorship decisions have not been observed or if any unsubmitted material offends. At this point it may be necessary through the B.B.F.C. to stop the export of the film, to request that by cable its exhibition abroad be stopped, or to stop its exhibition at home by arranging with the Newsreel company concerned to telegraph or telephone their distributors to instruct the theatres to take the necessary action.“35 Aber Dank der Vor-Zensur und der „guidance“ durch das Ministry of Information gab es während des ganzen Krieges nur wenige Fälle von Schnittauflagen für eine fertige Wochenschau. Das System funktionierte mit geringem Reibungsverlust.36 34 Directors Order S.13, 14.2.1942, a.a.O. Directors Order S.13, 14.2.1942, a.a.O. 36 Pronay beschreibt (The News Media at War, a.a.O., S. 198), dass von den 1500 Wochenschaubeiträgen der Paramount im Krieg nur 166 mit Schnittauflagen versehen wurden, davon ein Drittel aus Sicherheitsgründen (die Aufnahmen hatten eine Militäreinheit, eine Lokalität oder militärisches Gerät identifiziert) und ein Drittel mit der Begründung, dass die Darstellung eine depressive Stimmung unter der Bevölkerung hätte erzeugen können (z.B. die Explosion eines Zerstörers). Für das letzte Drittel lassen sich aus Mangel an überliefertem Aktenmaterial keine eindeutigen Begründungen finden (wie z.B. „American soldiers in German uniforms doing German drill“) 35 418 Die Films Division besaß einen Verbindungsoffizier zur Film Censorship Division, „to convey our Do‘s and Dont‘s to the newsreel companies“, wie es Jack Beddington nannte. „He will keep the Film Censorship Section informed on questions of Policy and Propaganda so that the Film Censors may act as his agents in these respects. (...) Film Censors will refer to the Liaison Officer all matters of a non-censorship nature which arise in films, commentaries, scripts etc., where action on the part of the Film Division appears to be necessary. They will invite him, when available, to listen to or see submitted material so that he may have an opportunitiy on ensuring that the policy requirements of the Ministry are observed.“37 Pronay beschreibt an einem Beispiel, wie Propagandapolitik in das Medium Film „übersetzt“ werden konnte: Eine Anweisung des obersten Zensors an Commander Christopher Powell von der Photographic and Film Censorship Division vom September 1940 lautete, „[each panning shot, J.B.] must start from an undamaged building and must conclude on an undamaged building and it must not linger over damaged buildings.“38 Da das System der Sicherheitszensur der Wochenschauen reibungslos funktionierte, tauchte die Frage nach einer politischen Zensur des Nachrichten- 37 In der Fassung der Directors Order S.13, a.a.O., vom 23.7.1941 hieß es noch prägnanter: „The translation as far as practicable of the Minister of Information‘s wishes in regard to propaganda into terms of moving pictures and commentaries is to be regarded as a proper part of the censor‘s duties.“ Pronay weist auch nach, dass die von den Zensoren behauptete Zensurtätigkeit eben nicht ausschließlich auf „security censorship“ beschränkt war, sondern auch eine politische Zensur beinhaltete. Der Chief Censor der Press and Censorship Division, Admiral G.P. Thomson schrieb an Francis Williams, Controller der Abteilung am 10.12.1942: „Apart from seeing film does not contain information of value to an enemy, the censor must be able to recognize when a sequence of film may be undesirable because it runs counter to some policy of the government and give and obtain for the producer the necessary guidance.“ PRO, INF 1/92. Zitiert nach: Pronay/Croft, British Film Censorship and Propaganda Policy During the Second World War, in: Curran/Porter, British Cinema History, a.a.O., S. 349 38 PRO, INF 1/178, A, 13.9.1940, zitiert nach: Nicholas Pronay/Jeremy Croft, British Film Censorship and Propaganda Policy during the Second World War, a.a.O., S. 148f 419 mediums nur selten auf. Ein Ereignis im Januar 1940 löste den Ruf nach politischer Zensur der Wochenschauen aus. British Paramount News hatte den Rücktritt von Hoare-Belisha und den Selbstmordversuch der Hitlerbewunderin Unity Mitford zu sensationell geschildert. Die Films Division versuchte erfolgreich zu beschwichtigen, damit der Vorfall nicht zum Anlass genommen wurde, die Wochenschauen insgesamt der Zensur zu unterwerfen. Da die Wochenschauen immer auf die Gleichbehandlung mit der Presse bestanden hatten, würde die Einführung von Zensurmaßnahmen „bitterly resented and opposed by the Newsreel companies. These companies have on the whole behaved in a most exemplary manner and so far as willingness to help is concerned, their attitude leaves nothing to be desired.“39 Das Ministerium wollte sich die Wochenschaugesellschaften, die bisher mit der Films Division kooperierten, nicht zum Gegner machen; man befürchtete gar ‚Vergeltungsmaßnahmen‘ von deren Seite, denn war das Bildmaterial einer Wochenschau erst einmal für den Export freigegeben, hatte die Films Division keinen Einfluss mehr auf die Kommentierung dieser Bilder. „If the newsreel companies resented censorship they could easily change the tone of their commentaries in a way which would do far more harm to this country than any home distribution newsreel of the type to which objection has recently been raised.“40 Der Mini-Skandal um die British Paramount News hatte für die Wochenschauen keine Konsequenzen. Eine politische Zensur fand nicht statt und wurde auch nicht nicht eingeführt: 39 40 Minute, Hore-Belisha and Unity Mitford Newsreels, a.a.O. Minute, Hore-Belisha and Unity Mitford Newsreels, a.a.O. 420 „Voluntary good behaviour is notoriously very much more valuable than enforced good behaviour".41 Auch wenn das Ministry of Information die Regeln für das „gute Benehmen“ aufstellte, so war dieses „voluntary good behaviour“, nicht nur der Wochenschauen sondern der gesamten Filmwirtschaft, ein Kennzeichen für die Politik des Ministry of Information im Hinblick auf seine Kontrolle über Film, Presse und Radio. Eine öffentliche Diskussion über die politische Zensur von Wochenschauen sollte es im Verlauf des Krieges nur noch ein einziges Mal geben, wiederum ausgelöst durch die British Paramount News, als diese im November 1943 über die Freilassung des englischen Faschistenführers Oswald Mosley weniger oberflächlich berichtet hatte als ihre Konkurrenten. Die Folge war eine kritische Anfrage im Parlament, bei der der Parlamentarische Staatssekretär des Ministry of Information nochmals die Position des Ministeriums bekräftigte, „newsreels are not, of course, subjected to censorship on political grounds“. 42 Die Notwendigkeit einer politischen Zensur seitens des Ministeriums war in der Tat nicht gegeben, da die Wochenschauen bis zu diesem Zeitpunkt sowieso längst unter der Kuratel des Ministry of Information standen. 41 Minute, Hore-Belisha and Unity Mitford Newsreels, a.a.O. In der Parlamentsdebatte vom 15.11.1943 wollte Viscount Hinchingbrooke vom Informationsminister Brendan Bracken wissen, „if he will give an assurance that in the cases where special facilities for the collection of material are accorded by his Department to the newsreel companies, such as the Paramount Film Corporation, steps are taken to ensure that this material is not presented in the form of sequences and comment capable of interpretation in the terms of the party political controversy, and that the public interest is the sole criterion in granting such facilities.“ Mr. Thurtle [Parlamentarischer Staatssekretär des Ministry of Information] antwortete: „It is true that much of the newsreel material about the war is obtained through facilities granted by the Government, but newsreels are not, of course, subjected to censorship on political grounds. However, I share my noble friend‘s dislike of the intrusion of politics into newsreels which offer little scope for genuine discussion. In journalism there is always an opportunity to make a reply to polemics, but in newsreel there is not.“ M.o.I. Opposed to Politics in Newsreels, in: To-Day‘s Cinema, 17.12.1943 42 421 Der neue Informationsminister Brendan Bracken initiierte im August 1941, unterstützt von Jack Beddington, ein War Newsreel Committee, dem neben zwei Vertretern der Newsreel Association, Vertreter des War Office und der Dominions, der Films Division und der Präsident des British Board of Film Censors, Col. A.C. Bromhead, angehörten. Die Aufgabe des Komitees bestand in der Koordinierung und Kontrolle der Berichterstattung von den Kriegsschauplätzen und in der genauen Planung der Themen und des Einsatzes der Kameramänner. Das Komitee wurde entgegen der öffentlichen Kritik43 von der Newsreel Association als Erfolg bewertet.44 Neben den Zensurmaßnahmen gab es für die Wochenschauen aber noch weitere Restriktionen. Die Rohfilmverknappung hatte gesetzgeberische Konsequenzen, die den Spielraum der Wochenschauen weiter einengten, wie auch die politische Kontrolle seitens der Films Division. Als Konsequenz der ‚Economy Film Stock Order‘ des Board of Trade wurde der Wettbewerb der fünf Wochenschauen um die Aufführungsrechte in den Kinos außer Kraft gesetzt. Bis 1942 mussten die Firmen um die unabhängigen Kinos konkurrieren, mit denen jährliche Verträge, die einen Monat Kündi- 43 Der Kinematograph Weekly vom 30.10.1941 schrieb: „In practice, however, the scheme fell through because of the lack of news sense and possibly professional jealousy among members of the committee.“ Im Motion Picture Herald vom 29.11.1941 schrieb Aubrey Flanagan: „Results so far have not been apparent, and the scheme is considered in many newsreel quarters a complete flop“ 44 „It is a well known fact that for some months at the beginning of the war the newsreel companies were engaged in one long contest with Service Departments in an effort to obtain facilities to film the war at first hand, and it is only fair to say that with the aid of Mr. Beddington, Director of the Films Division, and the advent of Mr. Brendan Bracken as Minister of Information, combined with the closer co-operation of the services, there has been an almost complete revolution in the attitude towards and recognition of the great part that the newsreel is capable of playing in the war effort.“ In: Our Business is Not Propaganda [Ein offener Brief von Gordon Craig, British Movietone News, Castleton Knight, Gaumont-British News, F. Watts, Pathé Gazette und S.F. Ditcham, Universal News an den Herausgeber des Kinematograph Weekly als Antwort auf einen Artikel in der Zeitschrift], in: Kinematograph Weekly, 6.11.1941. Es lag in Jack Beddingtons politischer Absicht, mit der kommerziellen Filmwirtschaft auf allen Ebenen zu kooperieren. So wurde ein von der Newsreel Association vorgeschlagener News Editor im September 1941 Mitarbeiter der Wochenschau-Abteilung der Films Division 422 gungsfrist hatten, abgeschlossen wurden. Als neue Regelung galt, dass alle Wochenschaubuchungen sowohl mit unabhängigen Kinos wie mit Kinoketten für die Geltungsdauer des Gesetzes festgeschrieben wurden. Die bisherige durchschnittliche Länge einer Wochenschau von 850 bis 900 Fuß wurde auf 730 Fuß begrenzt.45 Zwei Kinos mussten sich jeweils eine Wochenschauausgabe teilen. Die Eigeninitiative der Wochenschaufirmen wurde stark eingeschränkt. Da die Films Division die Zuteilung von Rohfilm kontrollierte, wurden keine Beiträge mehr ‚auf Vorrat‘ gedreht, die erst zu einem späteren Zeitpunkt verwendet werden sollten; auch wurden keine kontroversen Themen mehr angegangen, bei denen man nicht sicher war, ob sie auch gezeigt werden durften. Den Firmen war es auch nicht mehr möglich, einen ‚Coup‘ zu landen, da mit Einführung des Rotationsprinzips der Wettbewerb der Gesellschaften untereinander um die beste oder sensationellste Nachricht außer Kraft gesetzt war. Das Rotationsprinzip, bei dem turnusmäßig jeweils nur ein Kameramann von einer der fünf Wochenschauen zum Filmen wichtiger Kriegsaktivitäten zugelassen war, war 1941 als Resultat der kriegsbedingten Einschränkungen (Bereitstellung von militärischen Einrichtungen, Mangel an Personal und Filmmaterial) eingeführt worden. Es war vor allem aber eine politische Entscheidung. Die Films Division konnte dadurch nicht nur bestimmen, welche Gesellschaft welchen Auftrag erhielt, sie konnte auch den Einsatzort auswählen. Damit war sie in der Lage, die politischen Vorstellungen des Ministry of Information zu kanalisieren. Bereits im Januar 1940 hatte die Films Division dazu detaillierte Pläne entwickelt. 45 Für eine kurze Zeit nach der Landung der Alliierten in der Normandie waren wieder längere Wochenschauen zugelassen 423 „At present the five newsreel companies in France have to pool their results and submit to censorship, but no effort is made to direct their initial policy of selection. This system is wasteful for the newsreel companies (they may have three cameramen on the same spot) and results in trouble with the censorship. It is therefore highly desirable that they should be asked to agree to a plan by which the selection and arrangement of all newsreel material was in the hands of a single office controlled by the Films Division. In this way it would be possible to treat the news in a manner both more coherent and more in keeping with our common aims. The news reel material so produced would then be handed to the five companies to comment on and distribute.“46 Das Rotationsprinzip stieß bei den Wochenschauen nicht auf Gegenliebe. Es schränkte ihre Handlungsfreiheit ein, die Qualität der Berichterstattung nahm ab und die Zahl der Beiträge verringerte sich. Jede Eigeninitiative war abgewürgt und die Berichterstattung tendierte in der Folge zu Gleichförmigkeit. Die auf Eigenständigkeit und einen eigenen Stil bedachten Gesellschaften opponierten heftig gegen dieses System. Paramount versuchte sogar, – wenn auch ohne Erfolg – das Rotationsprinzip juristisch zu kippen.47 Die Wochenschauen befanden sich in einem doppelten Dilemma. Von ihrem Selbstverständnis her waren sie ein Unterhaltungsmedium, das sich um triviale Ereignisse zu kümmern und jede Form von kontroversen Inhalten zu vermeiden hatte, da ein Publikum, das bezahlte, um unterhalten zu werden, die redaktionelle Meinung über politische oder soziale Fragen nicht interessierte. „(...) the main function of this important part of the great kinema industry is to present up-to-date news in a factual and entertaining way. Its business is not, and must never be allowed to be, that of propaganda.“48 46 Programme for Film Propaganda, a.a.O. Pronay verweist auf einen Artikel im Manchester Guardian vom 30.10.1942 von E.T. Cummins, dem Leiter der Paramount News, der aus der Sicht des Betroffenen die Auseinandersetzung schildert 48 Our Business is Not Propaganda, a.a.O., oder, wie es ein Leitartikel des Motion Picture Herald vom 26.5.1945 formulierte: „The news obligation of the newsreel is happily trivial. If the newsreel had to cover the news, they would be full of charts on taxes and reports on crop reports. No one goes to the theatre to get the news“ 47 424 Doch der Krieg beendete die Ausgewogenheit, und die objektive Berichterstattung durch Fakten (eines der ideologischen Grundprinzipien der Wochenschau) wurde allmählich von staatlichen Propagandabotschaften verdrängt. Pronay spricht von der „perversion of the rules of their art, the transmutation of news values into propaganda values.“49 Die Films Division hatte demnach fast die Quadratur des Kreises vollbracht. Einerseits übte sie Kontrolle über Montage und Drehbuch der Wochenschauen aus, wählte das Nachrichtenmaterial der Heeresabteilungen zur Verteilung aus, kontrollierte die Zuteilung von Rohfilm, kanalisierte den Einsatz der Kameramänner und hatte damit eine fast monopolistische Machtposition bei den Wochenschauen, andererseits verstanden sich die solcherart an die Kandare genommen Produktionsfirmen in ihrer Selbsteinschätzung immer noch als freie Unternehmer, deren Tun die Films Division nicht wirklich stören konnte. „The Ministry of Information (...) appreciates the control of the newsreel business is best left in independent and experienced hands, whose contribution to the national effort is the more influential because it is unofficial.“50 49 50 Pronay, The News Media at war, a.a.O., S. 202f Our Business is Not Propaganda, a.a.O. 425 8.3. Journey Together: Kontrolle über die Spielfilmproduktion In den ersten Monaten des Krieges lag der Schwerpunkt der Politik der Films Division im Bemühen, die Interessen der „ordinary commercial channels“ der Filmwirtschaft zu verfolgen und gleichzeitig die eigene Rolle als möglicher Produktionsrivale herunterzuspielen. Zwischen diesen Polen bewegte sich auch die Diskussion um die Zusammenarbeit mit dem kommerziellen Kino. Die Gegenseite merkte bis zum Ende des Krieges nicht, dass es sich von Anfang an um eine Scheindiskussion gehandelt hatte. Die Films Division wollte keineswegs einen Rückzug in eine Nische, in der sie keinen Filmproduzenten störte, sondern im Gegenteil aktive Einflussnahme. Bereits im September 1939 ging es in den ersten Papieren der Films Division um eine klare Unterstützung der kommerziellen Filmproduktion. In einer „Note on Policy of Ministry of Information with regard to films“ wertete das Ministerium das Medium Film als „(...) valuable and popular form of entertainment and diversion and as a medium for presenting our national case, not only at home, but throughout the world in a form to which the peoples of all countries are thoroughly accustomed.“ Als unabdingbare Voraussetzung dafür galt der Fortbestand einer eigenständigen englischen Filmwirtschaft, „(...) we must be able to rely upon the existence throughout the war of a flourishing British Film Industry, busy for the most part in producing, not 426 propaganda films, but the normal entertainment film, produced, distributed, and exhibited through the ordinary commercial channels of the Industry.“1 Nach Einschätzung der Films Division war der Fortbestand der Filmwirtschaft durch den Krieg extrem gefährdet. Eine Ursache für ihre Existenzkrise war der Mangel an Krediten zur Finanzierung von Produktionen.2 Erste Vorschläge der Films Division griffen die Idee einer Filmbank wieder auf.3 Ob Joseph Ball diese internen Überlegungen an die Treasury oder das Board of Trade weitergegeben hatte, lässt sich nur vermuten. Der Cinematograph Films Council des Board of Trade legte jedenfalls Anfang Januar 1940 einen vertraulichen Bericht über die mögliche Einrichtung einer Film Finance Corporation vor, deren Realisierung aber in der Planungsphase steckenblieb.4 Eine weitere Aufgabe sah die Films Division in der Erhaltung und Beschaffung von Arbeitskräften für die Filmindustrie. Dabei stand sie vor zwei Aufgaben: einerseits musste sie verhindern, dass der Filmindustrie Arbeitskräfte durch die Einberufung zum Militärdienst entzogen wurde – ein Entscheidungsbereich, der formal dem Ministry of Labour and National Service zufiel –, andererseits musste sie versuchen, für einberufenes Filmpersonal Freistellungen zu erwirken. 1 Note on Policy of Ministry of Information with regard to films, 3.10.1939. PRO, INF 1/194 „At the present time, British production is to all intents and purposes ‚dead‘. The only reason for this is lack of finance.“ Edward Villiers in einer Confidential Notice an Sir Joseph Ball, 25.9.1939. PRO, INF 1/196 3 „In the case of the film industry (...) the setting-up of a sound financing organisation will not only secure for the country what it needs from the film industry during war time, but will establish once and for all an industry which is as vital to the needs of the Empire in peace as in war, and that, too, at a, comparatively speaking, small cost to the Government; for the essence of good film propaganda is that it should be good film entertainment, and this in a large measure should pay for itself. (...) may I suggest that the Government be approached immediately to set up some body to evolve a scheme for developing some form of a film bank. (...) Incidentally, a great number of the many problems which have been discussed at your tea parties and which resolve around the question of finance and whence that finance should come, would probably be handed over to the film bank once the particular problem or question has been approved by you.“ Villiers an Ball, Confidential Notice, 25.9.1939, a.a.O. 4 Siehe auch: Dickinson/Street, Cinema and State, a.a.O., S.129-139 2 427 Denn zu Beginn des Krieges waren Studiopersonal und Techniker weitaus stärker von der Einberufung zum Militär betroffen als die Arbeitskräfte in den Kinos. Während z.B. Chief Projectionists ohne Altersbegrenzung als „reserved occupation“ eingestuft wurden, und damit von der Einberufung ausgenommen waren, wurde qualifiziertes Studiopersonal erst mit dreißig Jahren als „reserved“ eingestuft. Schauspieler, einfache Studioarbeiter und auch Auszubildende konnten wie der Rest der männlichen Bevölkerung seit Dezember 1941 bereits mit 18 Jahren eingezogen werden. Die Listen von Reserved Occupations, die das Ministry of Labour and National Service aufgestellt hatte, waren nach Arbeitsplatzkategorien eingeteilt, die aber Arbeitsplätze in der Filmproduktion unbeachtet ließen und damit auch individuelle Freistellungen, besonders zu Beginn des Krieges, fast unmöglich machten. In diesen ersten Monaten wurden knapp 50 Prozent aller Beschäftigten der Filmindustrie einberufen, und die Zahl der in den Studios Beschäftigten sank von knapp 8.000 auf unter 4.000. Bis zum Frühjahr 1940 waren 20 der 26 existierenden Filmstudios von verschiedenen Ministerien, hauptsächlich vom Ministry of Food, für deren Zwecke requiriert. Nur sechs blieben unangetastet und voll arbeitsfähig. Deshalb versuchte die Films Division in Einzelverhandlungen mit dem War Office, dem Air Ministry und auch dem Commissioner of Police, Studiopersonal vor einer Einberufung zu schützen oder Freistellungen für bereits eingezogenes filmtechnisches Personal zu erwirken. Zu Beginn war diese Hilfestellung individuell und reagierte auf Bitten der Industrie. Eine eigenständige Politik zur Abmilderung des Arbeitskräftemangels 428 in der Filmindustrie hatte die Films Division noch nicht entwickelt.5 Auch politisch zählte ihre Stimme noch nicht. Sie war nicht einmal in einem Gremium vertreten, das vom Ministry of Labour im November 1940 eingesetzt über die Anträge von Filmpersonal auf Zurückstellung vom Militärdienst beraten und seine Empfehlungen an das Ministry of Labour weitergeben sollte.6 Die Probleme in der Praxis hielten die Films Division jedoch nicht davon ab, Überlegungen für eine Unterstützung der Spielfilmproduktion anzustellen und weiter zu verfolgen. Von einer Vernachlässigung der Spielfilmproduktion zu Beginn des Krieges kann nicht die Rede sein.7 „The policy of the Ministry of Information as regards propaganda films is not to embark upon production of such subjects at the Government expense except in exceptional circumstances, but rather, to encourage and assist the production and distribution of suitable films through the ordinary commercial channels“8 Natürlich waren die internen Überlegungen von Mitarbeitern des Ministeriums dabei nicht uneigennützig: bei den Ideen zur Unterstützung der britischen Spielfilmproduktion ging es entgegen diesen öffentlichen Äußerungen um aktive Einflussnahme und nicht nur um Unterstützung. Schon im ersten, gehei- 5 Die ‚trade organisations‘ der unterschiedlichen Filmberufe hatten größere Erfolge vorzuweisen. Sie hatten in zähen Einzelverhandlungen mit dem Ministry of Labour um die Zurückstellung ihrer Mitglieder gekämpft. Der Association of Realist Film Producers gelang eine Änderung der Regelung für die Einberufung von Produzenten und Regisseuren von Dokumentarfilmen. Ursprünglich stellte die ‚Schedule of Reserved Occupations‘ nur Kameraleute und Schnittmeister ab 30 Jahren vom Militärdienst frei. Ab Mai 1940 wurden auch Produzenten, Regisseure und Regieassistenten in die Liste aufgenommen 6 Das Gremium setzte sich aus Filmindustrie- und Gewerkschaftvertretern zusammen: unter dem Vorsitz von Maurice Ostrer (Spielfilm) waren vertreten Major R.P. Baker (Spielfilm); Captain Crickett (Geschäftsführer der Film Artists‘ Association); Arthur Elton (Dokumentarund Kurzfilm); George Elvin (Geschäftsführer der Association of Cine-Technicians); T. O‘Brien (Geschäftsführer der National Association of Theatrical and Kinematograph Employees); F. Watts (Wochenschau) und Miss Woods vom Ministry of Labour als Secretary 7 Paul L. Morley-Titmuss, Commercial Feature Film Production and the Ministry of Information, unveröffentlichte Magisterarbeit (MA Thesis), Polytechnic of Central London 1982, S. 13 8 Propaganda Policy – Will Encourage But Not Subsidise, in: Kinematograph Weekly, 26.10.1939 429 men ‚General Plan of Operations‘ der Films Division vom September 1939 war die Unterstützung von Spielfilmproduktionen an konkrete Bedingungen geknüpft. Spielfilmproduzenten bekamen bei der Finanzierung ihrer Projekte Hilfestellung unter der Bedingung des „approval by us of the subjects, scenarios, and treatment.“9 Doch diese Ideen behielt man im Moment noch für sich. Im Gegensatz zu den Überlegungen seiner Mitarbeiter war Joseph Ball, der erste Leiter der Films Division, überraschenderweise nicht bereit, sich für diese Form staatlicher Filmpropaganda politisch zu engagieren. Ball verhinderte durch Entscheidungsschwäche und Nichtstun sowohl jegliche gezielte Aktivität der Films Division als auch die Initiativen der Filmwirtschaft. Ein Trade Advisory Committee, das sich zu Kriegsbeginn als Lobby gebildet hatte, um Einfluss auf die Entscheidungen der Films Division zu nehmen, trat nach nur zweimaligem Treffen mit Ball nicht mehr zusammen.10 Hilfestellung von Filmemachern und Produzenten bei der Formulierung einer Propagandapolitik für Film interessierten ihn nicht.11 Die konkrete Produktionsunterstützung, die 9 Ministry of Information – Films Division. General Plan of Operations, 25.9.1939. PRO, INF 1/194 10 „Those present at the luncheon [the leaders of the various sections of the British Film Industry] on their own initiative formed themselves into a Trade Advisory Committee, and I met this full Committee for a second time at their request, for the purpose of helping them to formulate and present their case for the re-opening of the cinemas. (...) It was, indeed, agreed at the luncheon that the full Committee would be too unwieldy a body to meet except on rare occasions, and that the best plan would be for me to get into touch as occasion arose with the different sections of it whenever necessary.“ Joseph Ball an The Minister, 10.10.1939. PRO, INF 1/194/F 156 11 „The whole subject of what I call Information By Film wants careful organisation and deserves national finance. I drew up a memorandum on the whole subject in the first few days of the war and canvassed those few influential people with whom I had contacts. They were all vastly impressed: and there it ended. I pointed out how vital was the use of the film for the reinforcement of home, imperial and allied morale.“ Ian Dalrymple, On the Lion Having Wings, in: The Cine-Technician, Vol. 6, No. 24, February – March 1940, S. 12. Auch George Elvin, Generalsekretär der Association of Cine-Technicians, beklagte das Desinteresse der Films Division in einem Interview im Kinematograph Weekly (11.1.1940, S. E3, zitiert nach: Chapman, The British at War, a.a.O., S. 67f): „Within five days of the outbreak of war a memorandum was submitted to the Ministry of Information signed by leading producers, film directors and other technicians. In those days it was anticipated that the powers-that-be were alive to the importance of films in war, and the memorandum 430 Michael Balcon und die Ealing Studios Joseph Ball bereits im September 1939 anboten, wies er als unerwünscht zurück.12 Damit lag er auf der politischen Linie seines vorgesetzten Ministers, der einer direkten Subvention von Filmproduktionen ebenso ablehnend gegenüberstand. Balls Desinteresse an der Nutzung britischer Filmstudios für Propagandazwecke und seine Hoffnung, amerikanische Filmproduktionen könnten diese Aufgaben übernehmen, ließen Ian Dalrymple, den späteren Leiter der Crown Film Unit, der gerade für Alexander Korda den ersten Propagandaspielfilm des Krieges, The Lion has Wings, als Associate Producer beendet hatte, Anfang 1940 zu dem Schluss kommen, „The view now being propagated is that British information films can only be made in Hollywood. (...) I resent this last shattering snub to our own industry, this cynical rejection of the services we could perform.“13 Auch wenn sich Joseph Ball als ehemaliger Director of Publicity der Konservativen Partei seiner guten Kontakte zur Filmwirtschaft und den Wochenschauen rühmte, irritierte er seine politische Klientel über Gebühr. Und so waren es gerade die Interessen des Film Trade, welche die Regierung mit der vorzeitigen Entlassung von Ball im Auge hatte. Solange Aussagen wie, „to encourage and assist the production and distribution of suitable films through the ordinary commercial channels“, Lippenbekenntnisse blieben, konnte Ball die Unsicherheit, die über der gesamten Filmwirtschaft schwebte, nicht beseitigen, zumal es an konkreter Unterstützung oder gar Beauftragung von privaten Filmgesellschaften durch die Films Division während seiner outlined how best, in the signatories‘ opinion, that medium could be used. The document has been read, so we understand, and filed. It has not been acted on.“ 12 Informationen von Thorold Dickinson in einem Interview mit Morley-Titmuss, Commercial Feature Film Production and the Ministry of Information, a.a.O., S. 13 13 Dalrymple, On the Lion Having Wings, a.a.O., S. 13 431 ten Filmgesellschaften durch die Films Division während seiner Amtszeit sehr mangelte. Der einzig sichtbare Erfolg der Films Division, der Film The Lion has Wings, beruhte mehr auf dem privaten Engagement des Filmproduzenten Alexander Korda, als auf Initiative der Filmabteilung des Ministeriums. Korda war bereits in Verhandlungen mit dem Air Ministry für einen Film über die Royal Air Force, als der Krieg ausbrach. Korda nutzte die Chance, den ersten Propagandafilm des Krieges zu produzieren, war aber für die „locations“ und andere „technical facilities“ auf das Air Ministry, die Royal Air Force und das Ministry of Information angewiesen. Die Films Division unterstützte mangels Alternativen Kordas Eigeninitiative, für die Korda, wohl aus politischen Motiven, Joseph Ball überschwenglich lobte.14 Für das Bereitstellen der „facilities“ und andere Hilfeleistungen, wie den Einsatz eines Liaison Officers, hatte sich das Ministry of Information über die Films Division in äußerst günstigen Vertragsbedingungen eine Zugriffsmöglichkeit auf den fertigen Film bzw. dessen Verleihprofite gesichert. Die unterstellte direkte finanzielle Unterstützung des Filmprojekts durch staatliche Stellen führte zu kritischen Reaktionen innerhalb der Industrie und hatte überdies eine Anfrage im Parlament zu Folge15, die der Parlamentarische Staatssekretär des Ministry of Information und Lord Privy Seal, Sir Edward Griggs, die Vertragsbedingungen dahingehend erläutern musste, 14 „Joseph Ball backed our ideas from the very beginning on. He helped us with our ideas. He believed in what our unit intended to do, and encouraged us step by step from the first moment on, through the various stages of making the film, story conferences, first rough cutting – and he alone was in a position to secure us the wonderful help we had from the Air Ministry.“ In: Daily Film Renter, 6.11.1939, S. 2 15 Der Labourabgeordnete Reginald Sorensen wollte vom Lord Privy Seal die Auskunft, „under what conditions Alexander Korda Productions were now making a film in co-operation with the Ministry of Information; what was the amount of subsidy to be given to this company for that purpose; whether all British film production units would have an opportunity of tendering for such film production, and what arrangements were being made for further films to be made.“ Commons Question on Propaganda Films, in: Kinematograph Weekly, 28.9.1939 432 „(...) that this film was to be produced at the company‘s expense without any subsidy, under terms which gave the Government very full control over its production and distribution. The statement of cost would be subject to Government audit and, thereafter, the Government would have the option to purchase all rights in the film at an agreed figure, or to share equally in any profits without liability for losses, or to disclaim all financial concern in the film.“16 Andere Produzenten wurden aufgefordert, dem Ministry of Information nach den gleichen Bedingungen Filmvorschläge zu unterbreiten. Doch dazu fand sich kein weiterer Produzent bereit. The Lion Has Wings blieb der einzige Spielfilm, für den das Ministry of Information derart günstige Vertragsbedingungen aushandeln konnte, nämlich 50 Prozent der Verleihprofite einzustreichen ohne die entsprechenden Produktionskosten zu tragen.17 Aufgrund des Erfolgs von The Lion Has Wings gab es seit April 1940 eine Direktive der Treasury, nach der Filme, die durch die Bereitstellung von militärischen „facilities“ produziert werden, zwischen 10 bis 50 Prozent ihrer Einspielprofite an das Ministerium abzuführen hatten. Erst unter Kenneth Clark, Balls Nachfolger in der Leitung der Films Division, zeichnete sich eine erste erkennbare Politik in Sachen Spielfilme ab. In einem Interview mit Kinematograph Weekly kurz nach seiner Amtsübernahme erklärte Clark seine Vorstellungen, wie die Filmindustrie seine politischen Absichten unterstützen könnte. Film erklärte er zum „most important instrument of propaganda“. Das Ministerium werde aber nicht als Produktionskonkurrent auftreten, sondern im Ge- 16 Commons Question on Propaganda Films, a.a.O. Dalrymple [On the Lion Having Wings, a.a.O., S. 10], dem Associate Producer des Films, war das Ministry of Information berechtigt, den Film in jedem Stadium zum Kostenpreis plus zehn Prozent zu erwerben oder bei einer Kinoauswertung des Films 50% der Verleihprofite einzustreichen. Wie auch immer die konkrete vertragliche Regelung ausgesehen haben mag, das Ministry of Information konnte nach Abzug aller Kosten £ 25.140 an die Staatskasse abführen 17 Nach 433 genteil, in Kooperation mit der Filmindustrie als Sponsor eines „broad scheme of production“. Er listete Themen auf, die seine Abteilung in Filme umgesetzt zu sehen wünschte. „We must on the screen tell our own peoples, tell our Empire, tell the whole world what we are doing to win the war, bring home the great national effort and sacrifices we are making. What we are fighting for must be ‚put over‘ on the world by indirect methods, of which the filmic form is one. We do not want ‚blah‘ of jingoism, but a concrete form embodied in the feature film as well as the documentary. We can make interesting entertainment pictures of propaganda value on topics which are to-day part and parcel of the national effort – the Convoys, Contraband Control, Minesweepers, Security Patrols and other phases of modern warfare. Our pictures for foreign distributions must reflect what we are like, the thoughness of our national fibre, the instinctive fundamentals of our character. They must show that we are capable of red grit and sacrifice.“ Clark kannte das Propagandapotential von Spielfilmen. Interessant ist, dass er dabei die Rolle des Ministeriums als Auftraggeber und Weisungsberechtigter herunterspielte und ihm eher die Funktion eines Ratgebers zuschrieb, der lediglich helfend und unterstützend die ungefähre Ausrichtung der Propagandathemen angeben sollte. Primär sollten Filme unterhalten und Propagandabotschaften nur verdeckt transportieren. „I would add two things, firstly, no film is good propaganda unless it is good entertainment. A bad film transfers boredom to the cause it advocates. Secondly, it must be realised that the essence of successful propaganda is that people should not be aware of it. If you make people ‚think‘ propaganda, their resistance to it is increased. A scheme of purely Ministry film propaganda per se would do our cause the worst possible harm. Sponsorship, guidance, direction into the channels we wish, yes. The great force of the film – as a medium of propaganda – draws it power from the elementary thesis that propaganda is implicit and not explicit.“18 18 Kinematograph Weekly, 11.1.1940, S. C4 434 Clarks Äußerungen waren nur die öffentliche Proklamierung eines „Programme for Film Propaganda“, das die Films Division auf der Grundlage eines Memorandums von Informationsminister Lord Macmillans Ende 1939 erarbeitet hatte. Die veränderte Politik gegenüber Clarks Vorgänger Ball bestand in der Absicht, aktiv auf die Filmwirtschaft zuzugehen und sie bei der Finanzierung von Projekten zu unterstützen. Damit verbunden war der Wunsch nach einer direkten Politisierung von Spielfilmen, was weit über die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Sicherheits-Zensur hinausging. Damit hatte die Films Division eine neue Position gegenüber der Spielfilmproduktion eingenommen, auch wenn man sich innerhalb der Films Division darüber im klaren war, dass die Unterstützung von Spielfilmprojekten äußerst kostspielig war und der fertige Film nicht immer die gewünschten Propagandabotschaften transportierte.19 Diese neue Positionierung hatte ihre Ursachen auch in dem äußeren Druck, der auf die Films Division ausgeübt wurde. Produzenten, allen voran Michael Balcon und andere prominente Vertreter der Filmwirtschaft, forderten eindeutige politische Leitlinien der Films Division und des Ministeriums. Es verwundert nicht, dass die Initiative für Propagandafilme in den ersten Kriegsmona- 19 In einem internen Papier der Films Division vom Oktober/November 1939 äußerte sich K.B.C. [Kenneth B. Clarke, nicht identisch mit Kenneth Clark] über den Propagandawert von Spielfilmen anhand von Professor Mamlock und The Lion has Wings: „In times of war I believe the propaganda value of this type of picture has a definite limit, in addition to being an expensive vehicle.“ K.B.C., Draft, [ca. November 1939], PRO, INF 1/196. Es ist anzunehmen, dass den Mitarbeiter der Films Division ein Papier von Film Centre vorlag, das bereits im Oktober 1938 über ‚The Use of Feature Films as Propaganda‘ referierte. Film Centre kam zur gleichen Überzeugung wie Clarke, dass Kosten und gewünschter Propagandaeffekt die Unterstützung von Spielfilmprojekten äußerst schwierig machten. „As a vehicle for calculated propaganda, the story films have some disadvantages. Costing, as they do, (...) they must be designed first and foremost to bring in revenue. Propaganda must be put second. (...) The propaganda effect of story films can be double-edged.“ In: MassObservation, British Film During the War with special reference to the needs of Information at home and abroad, M-O Box 5 File E 435 ten fast ausschließlich aus der Filmwirtschaft kam und nicht aus dem Ministerium. Noch wurden die gewünschten politischen Leitlinien nicht formuliert, aber unter Clark entwickelte sich ein stetiger Rapport zwischen Films Division und Produzenten, bei denen – wenn auch eher einseitig – Vorschläge für Filmprojekte ausgetauscht wurden.20 Das entscheidende Resultat der dreimonatigen Leitung der Films Division durch Clark war, dass die Abteilung die finanzielle Unterstützung von Spielfilmprojekten nicht nur erwog, sondern auch in die Tat umsetzte. Auf der Grundlage des „Programme for Film Propaganda“ bereitete die Films Division einige Spielfilmprojekte vor, die dann aus unterschiedlichen Gründen nicht realisiert werden konnten: Filme über die Arbeit auf Minensuchbooten; über Gestapo-Agenten in Großbritannien; und ein französischenglisches Gemeinschaftsprojekt über die militärische Zusammenarbeit beider Länder.21 Der erste und einzige Spielfilm, den das Ministerium finanziell unterstützen sollte, war 49th Parallel von Michael Powell.22 Der Film illustrierte einige jener Prinzipien, die in Clarks „Programme for Film Propaganda“ beschrieben waren: Die ideologischen Unterschiede zwischen Demokratie und Nazismus wurden herausgearbeitet, ebenso begründet, warum das Commonwealth Krieg führte, und alles verpackt in spannende Unterhaltung. Der Zeitpunkt für ein finanzielles Engagement der Films Division als Koproduzent bei einer pri- 20 Vor dem Co-Ordinating Committee berichtete Clark, „that film producers were asking for fresh subjects, and asked for suggestions to be given to him for books etc. capable of being turned into suitable films.“ Minutes of the Co-ordinating Committee, 11th Meeting, 1.4.1940, PRO, INF 1/867 21 „We prepared a long film on minesweeping and Graham Greene wrote an excellent script for a film on the Gestapo in England. I also planned to do a film on Anglo-French collaboration, with Leslie Howard and Danièlle Darrieux in the leading parts, to be produced by René Clair.“ In: Clark, The Other Half, a.a.O., S. 12 22 Siehe auch: Aldgate/Richards, Why We Fight: 49th Parallel, in: Aldgate/Richards, Britain Can Take it, a.a.O., S. 21-43 436 vaten Filmproduktion war günstig: der finanzielle Erfolg von The Lion has Wings ließ ein ähnlich gutes Einspielergebnis erwarten, was auch die Bereitschaft des Finanzministeriums, sich zu engagieren, erheblich erleichterte; die fortlaufende Diskussion um die Einrichtung einer Film Bank spiegelte zudem auch die prinzipielle Bereitschaft der Regierung wider, die Filmproduktion mit Produktionskapital auszustatten. Die Films Division genoss darüber hinaus politische Rückendeckung durch das oberste Politgremium des Ministeriums, das Policy Committee, das Anfang 1940 im Rahmen einer Propagandakampagne über „Publicity about the British Empire“ die Produktion eines Films empfahl, eines „first-class feature film developing as a exciting story the history of the growth of freedom, referring to the American parallel and stimulus in order to give it an appeal to United States audiences.“23 Auch wenn sich die Films Division unter Clark bemühte, die Beziehungen zur Filmwirtschaft zu verbessern, scheiterten die Versuche, die Filmproduzenten für die Propagandaideen des Ministeriums zu begeistern24, oder deren Ergebnisse liefen den Absichten der Propagandisten entgegen25. Aufgrund kaum sichtbarer Resultate und der andauernden Kritik des Film Trade gegenüber dem Ministerium wurde nicht nur die Leitung der Films Division nach drei Monaten erneut ausgewechselt – für Clark kam mit Jack Beddington erstmals ein Werbefachmann in diese Position –, sondern das Parlament beauftragte 23 Policy Committee, Publicity about the British Empire, 20.1.1940, PRO, INF 1 848 „Repeated efforts on the part of the Film Division to persuade commercial producers to adopt its subjects were unsuccessful“, lautete die offizielle Kritik des Select Committee on National Expenditure (a.a.O., S. 6) und auch die Schuldigen wurden benannt, „No doubt the lack of persons at the head of the Films Division who were familiar with the film trade was partly responsible.“ (a.a.O., S. 6) 25 „(...) commercial producers made films which they thought were excellent propaganda but which in the opinion of the Ministry were disastrous and were calculated to have precisely the effect which the Ministry did not desire.“ Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 6f 24 437 parallel dazu im Frühjahr 1940 das Select Committee on National Expenditure, einen Prüfungsbericht vorzulegen, der „the expenditure by the Government upon publicity by means of films“ zu durchleuchten hatte. Im Zentrum der Prüfung stand die Films Division. Die Empfehlungen des Select Committee sollten weitreichende Auswirkungen auf die Politik der Films Division in bezug auf Spielfilme haben. Das Select Committee definierte die Aufgaben der Films Division, „to supply the needs of other Divisions of the Ministry and of other Government Departments in the matter of films, and to co-operate with commercial film producers in such a way as to obtain the greatest possible publicity for the British case in the cinemas of the world.“26 Das Committee bezweifelte aber die Nützlichkeit, Spielfilme direkt finanziell zu unterstützen oder sogar als Produzent aufzutreten. „There are two principal difficulties. One is the great lenght of time necessarily required for the production of a full length feature film. The other and more serious consideration is the highly speculative character of feature film production. Effort and experience, art and imagination, genius itself, none or all of these have the power to command infallible success. Only one thing is certain in feature film production – the uncertainty of success.“27 Das Select Committee sprach seine „gravest misgiving“ aus über die finanzielle Unterstützung der Produktion des Films 49th Parallel. Seine Schlussfolgerung und Direktive waren eindeutig: „(...) no more feature films should be undertaken even if the film now being made should be as successful as it is hoped it will be.“ 26 Thirteenth 27 Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 3 Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 5 438 Damit waren der Films Division bei der finanziellen Unterstützung von Spielfilmproduktionen erst einmal die Hände gebunden. Der Bericht setzte sich scharf und kritisch mit den fehlgeschlagenen Bemühungen der Films Division im Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit der Filmwirtschaft auseinander. Da die Ideen und Themenvorschläge der Films Division für Spielfilme häufig abgelehnt wurden, schlug das Committee vor, „the Films Division should not waste time in trying to devise subjects that would usually be rejected, but should ask the producers of feature films to allocate a definite proportion of their production to films of a distinct national value.“ Die Empfehlungen gingen soweit, die Filmpropaganda fast vollkommen in die Hände der Filmwirtschaft zu legen: „The producers should choose their own themes and carry them out in their own way.“ Die Rolle der Films Division sollte damit lediglich darauf beschränkt bleiben, „to a general approval of the treatment of the subject by agreement.“ Damit die Propagandaintentionen des Ministeriums von Seiten der Filmwirtschaft in Zukunft nicht mehr unterlaufen werden konnten, empfahl das Select Committee, „to achieve close, friendly and mutually acceptable working arrangements between the two parties to that end“28. Die Films Division, nun unter der Leitung von Jack Beddington, kritisierte energisch die Empfehlungen des Select Committee. Den Vorschlag, Produzenten zu bitten, eine „definite proportion“ ihres Produktionsoutputs Propagandafilmen zu widmen, lehnte Beddington ab, weil diese Quantifizierungen auf Zahlenspielchen hinausliefen, die weder zu bewerten noch zu messen seien. 28 Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, a.a.O., S. 7 439 Aufgabe der Films Division müsse sein, Propaganda-inhalte vorzugeben und den Produzenten in der Auswahl und Behandlung der Themen zu assistieren. Die Durchsetzung einer Propagandapolitik ohne die aktive Beteiligung der Films Division hielt Beddington für unmöglich. „[Films Division] should reserve the right to suggest subjects to producers, or to pass forward to them suggestions made to the Division; in other words, to act as a critical clearing house for ideas“.29 Beddington war nicht bereit, die Verantwortung für Filmpropaganda an die private Filmwirtschaft abzugeben. Darin bestätigte ihn auch ein Memorandum des Ministry of Information. Man akzeptierte die Auflage, dass das Ministerium keine „direct responsibility for feature films made with public money“ mehr ausüben sollte, bestätigte aber gleichzeitig die eigene politische Position, „suggestion and guidance are essential to secure what is required. This does not lead necessarily to interference or control.“ 30 In der Auseinandersetzung, ob das Ministerium oder die Filmwirtschaft das Sagen über Filmpropaganda hatte, saß das Ministerium am längeren Hebel, auch wenn die Aussagen des Select Committee im Sinne der Filmwirtschaft waren. Den Konflikt um die Vorherrschaft, der zum Teil öffentlich ausgetragen wurde und in der Auseinandersetzung zwischen Michael Balcon und Jack Beddington auch persönliche Züge annahm31, löste die Films Division, indem 29 [Jack Beddington], Comments by the Films Division on the Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, 10.9.1940, PRO, INF 1/59 30 [Ministry of Information], Memo on the subject of the Thirteenth Report from the Select Committee on National Expenditure, 6.9.1940, PRO, INF 1/59 31 Michael Balcon hatte versucht, die G.P.O. Film Unit der Films Division in seine Ealing Studios einzugliedern. Dies wusste Jack Beddington zu verhindern. Daraufhin kritisierte Balcon die Politik der Films Division immer häufiger öffentlich. Seine Abwehr ging soweit, dass er den Semidokumentarfilm The Big Blockade nicht für das Ministry of Information, sondern nur für das Ministry of Economic Warfare produzieren wollte. Der Vorfall kam vor das Planning Committee, das Beddington den Auftrag gab, Balcons Vorhaben zu verhindern (Planning Committee Minutes, 16.12.1940. PRO, INF 1/249). Das Ministry of Information konnte nicht gutheissen, dass andere Regierungsstellen sich bei der Produktion von Filmen engagierten. 440 sie mit der Filmwirtschaft die gewünschten „friendly and mutually acceptable working arrangements“ arrangierte. Doch auf dem Weg dahin gab es noch einige Turbulenzen. Ohne Absprache mit dem Board of Trade oder dem Ministry of Information verkündigte das Ministry of Labour and National Service im März 1941 einseitig neue Einberufungsrichtlinien für Filmpersonal, nach denen ab April keine Personen unter 35 Jahren vom Militärdienst zurückgestellt werden konnten. Dieser Erlass traf 70 Prozent des gesamten Studio- und Technikerpersonals der britischen Filmindustrie; wäre diese Verordnung in die Tat umgesetzt worden, hätte die britische Filmindustrie auf einen Schlag ihre Arbeits(kraft)basis verloren. Die Reaktion der Presse war entsprechend heftig. In seltener Einmütigkeit schlossen sich Spiel- und Dokumentarfilmproduzenten als Lobby zusammen. Das Hauptargument betraf vor allem die Nichtanerkennung von Film als kriegswichtigen Industriezweig. „It is idiotic to class film as a non-essential trade. A lively national film industry is a national asset; it reflects, expresses and confirms the character, the achievements and the aspirations of the people. It is therefore as necessary at home as it is abroad.“32 Die ökonomischen Argumente zielten auf die Qualifikation der ca. fünfzehnhundert Arbeitskräfte, die für den Erhalt einer, wenn auch reduzierten, britischen Filmproduktion notwendig waren, und für deren Ersatz auf die Schnelle keine neuen (weiblichen) Auszubildenden gefunden werden konnten. „Film- Am 12. Dezember 1940 erklärte Balcon im Kinematograph Weekly, dass die Ealing Studios keine Filme mehr für das Ministry of Information produzieren würde, da die Films Division kommerziellen Filmproduzenten zu wenig Unterstützung zukommen lasse [Films Division „hampered the war effort of an independent concern“] 32 Massacre on all Fools‘ day, in: Documentary News Letter, Vol. 2, No. 4, April 1941, S. 64 441 making needs long training and experience. Substitution is not a practical possibility in most film jobs.“33 Als die Spielfilmproduzenten sich mit dem Ministry of Labour zu Verhandlungen trafen, legten sie gezwungenermaßen eigene Rationalisierungspläne vor. Wo es nur möglich war, hatten die Studios bereits Ersatzarbeitskräfte eingestellt. Auf dem Dokumentarfilmsektor war die Lage kritischer.34 Documentary News Letter veröffentlichte eine Aufstellung der Arbeitskräfte, die die bestehende Dokumentarfilmproduktion für ihren Bestand benötigte und kam auf eine Zahl von 88 Personen.35 Angesichts der bedrohlichen Situation für den gesamten Berufszweig stellte die Zeitschrift die berechtigte Frage, die nicht nur für die Dokumentarfilmer ihre Gültigkeit hatte: „Does the Government approve the policy of using films as part of its propaganda activities? If so, the new regulations can only mean it is cutting off its nose to spie its face. If not, then we must register violent protest at yet another example of our weakness in propaganda – a weapon which the Nazis, and the rest of the world, know full well to be as powerful as any other of the weapons of war.“36 33 Massacre on all Fools‘ day, a.a.O., S. 64 90% aller Dokumentarfilmschaffenden arbeitete für staatliche Stellen: für das Ministry of Information oder andere Ministerien; für den British Council oder für die verschiedenen Heeresabteilungen. Die Arbeit für staatliche Stellen bedeutete keineswegs eine automatische Zurückstellung vom Militärdienst. Selbst die Mitarbeiter der Crown Film Unit unterlagen dieser Reglementierung. Die Films Division hatte keinerlei Einfluss auf Zurückstellungen. Es war ihr nicht einmal möglich, den Arbeitskräftebedarf für die Filme, die sie selbst benötigte, zu regulieren. Auch wenn wichtige Mitarbeiter aus der Dokumentarfilmszene bereits eingezogen waren, konnte in vielen Fällen durch Antrag auf zeitweise Zurückstellung der Bestand an Arbeitskräften aufrecht erhalten werden, und gewöhnlich billigte das Ministry of Labour eine Zurückstellung zwischen drei und sechs Monaten, die auf Antrag erneut verlängert werden konnte. Die Erhöhung des Einberufungsalter auf 35 Jahre traf praktisch alle Dokumentarfilmschaffenden – das Durchschnittsalter betrug in diesem Industriezweigs gerade mal 30 Jahre 35 Produzenten und Supervisors (14), Regisseure (29), Regieassistenten, die zu Regisseure ausgebildet werden (5), Kameraleute (24), Drehbuchautoren (2), Schnittmeister (9), Trickfilmspezialisten (5). In dieser Liste standen keine Person unter 24 Jahren und nur 15 waren älter als 35 oder aus gesundheitlichen Gründen vom Militärdienst befreit. Siehe auch: The Case for Documentary, in: Documentary News Letter, Vol. 2, no. 4, April 1941, S. 65 36 The Case for Documentary, a.a.O., S. 65 34 Fast 442 Das Ministry of Labour berücksichtigte manche der Einwände. Die angekündigte Heraufsetzung des Einberufungsalters wurde außer Kraft gesetzt. Ein neues ‚Manpower Panel on Film Production‘ sollte die personelle Gesamtstruktur der Filmindustrie untersuchen. Ziel war es, den personellen Mindestbedarf festzulegen, mit dem die Industrie noch funktionieren konnte, und gleichzeitig Vorschläge zur Rationalisierung zu unterbreiten, um möglichst viele Arbeitskräfte für den Kriegsdienst freizusetzen.37 Die Ernennung von Brendan Bracken zum neuen Informationsminister im Juli 1941 weckte bei der Filmwirtschaft die Hoffnung, endlich gezielte Aussagen über die Filmpolitik der Regierung zu vernehmen. In einem offenen Brief an Bracken, abgedruckt im Kinematograph Weekly, wurden solche eindeutigen Aussagen zur Filmpropaganda heftig eingefordert. Gegliedert in zehn Bereiche wurde u.a. gefragt: „7. Are you satisfied that the feature films have been harnessed to the war effort? Has there been any serious general consultation with the feature producers to make their product reflect or bear on the home and overseas propaganda policy? (...) 10. In conclusion, are you satisfied that your Films Division has not become so closely identified with the production of the short film that they lose sight of the larger political problems and lose sight of larger scale planning? Your Films Division, having made a production machinery for films, ought it not to 37 Das Ministry of Labour bestimmte auch die Zusammensetzung des Komitees: neben eigenen Mitarbeitern sollten Simon Rowson für das Board of Trade, Maurice Ostrer und zwei Kollegen für die Spielfilmbranche, und Col. Bromhead für die Films Division des Ministry of Information in dem Gremium vertreten sein. Dokumentarfilmproduzenten waren in diesem Komitee nicht vorgesehen. Deren Belange sollte Ralph Nunn May, Leiter der Verwaltungsabteilung der Films Division und stellvertretender Direktor der Films Division vertreten. Dieser Faux Pas, der faktisch bestätigte, was seit einiger Zeit bereits Praxis war, nämlich dass das Ministry of Information die Nachfrage und den Bedarf an Arbeitskräften im Dokumentarfilmbereich intern diktieren konnte, wurde formal ausgebügelt. Man schuf ein Unterkomitee mit H. Bruce Woolfe, F. Watts, Col. Bromhead und Simon Rowson, das sich um die Belange der Kurzfilmproduzenten und Wochenschauen zu kümmern hatte 443 be thinking on longer terms and plan ahead? Are you satisfied that in your Films Division you have the personnel capable of planning for this Trade?“38 Bracken antwortete mit einer Einladung an alle Vertreter der Filmwirtschaft. Er wollte sich zu sämtlichen Fragen äussern, welche die Zusammenarbeit zwischen Ministry of Information und Filmwirtschaft tangierten. In einem ersten informellen Gespräch mit einigen Spielfilmproduzenten versprach er, den Wünschen des Film Trade nachzukommen und sagte seine Unterstützung zu. Grundlage sollte ein gemeinsamer Produktionsplan sein. Auf Wunsch von Bracken legten die Produzenten in einem ‚Schedule of Productions‘ ihre Produktionspläne mit ihren Material- und Raumanforderungen sowie des Arbeitskräftebedarfs für die nächsten zwölf Monate vor. Bracken wünschte eine Liste mit den Namen jener Schauspieler im Militärdienst, die für die Mitarbeit an einer Produktion freigestellt werden sollten. Das Treffen hatte zweifache Bedeutung. Zum einen markierte es den entscheidenden Kontakt zwischen Ministry of Information und der seit dem März 1941 wieder neukonstituierten British Film Producers‘ Association, die für die Kontrolle des Ministeriums über die Spielfilmproduktion von entscheidender Bedeutung werden sollte; und zum anderen benannte der Fragenkatalog indirekt auch die Einflussmöglichkeiten und Druckmittel, die das Ministerium bei der Durchsetzung seiner Ziele anwenden konnte. Wie wichtig die Anmeldung des Arbeitskräftebedarfs war zeigte sich im September 1941, als das ‚Manpower Panel on Film Production‘ einen ersten vorläufigen Bericht veröffentlichte, dessen Umsetzung den vollständigen Zusammenbruch der britischen Filmindustrie bedeutet hätte. Von den verbliebe- 38 Planned Policy Wanted for Film Propaganda. Open Letter from Kine. To Brendan Bracken, in: Kinematograph Weekly, 7.8.1941 444 nen 1350 qualifizierten Technikern, die als Minimum zur Aufrechterhaltung der Filmproduktion angesehen wurden, sollten nach den neuen Einberufungsrichtlinien nur noch 450 übrigbleiben. Damit ließ sich eine funktionierende Filmproduktion nicht länger aufrecht erhalten. Für die Dokumentar- und Kurzfilmsparte sah die Situation noch düsterer aus. Von den 188 in der Dokumentarfilmproduktion Beschäftigten hatten 160 um eine Rückstellung vom Militärdienst ersucht.39 91 Anträge lehnte das Ministry of Labour ab. Die Betroffenen mussten in den nächsten sechs Monaten mit ihrer Einberufung rechnen. Nicht nur diese Personen sondern auch die Presse reagierte mit heftigen Angriffen auf das Ministry of Labour.40 Selbst der Kinematograph Weekly, der sonst für den Dokumentarfilm nicht gerade eine Lanze brach, unterstützte entschlossen die Proteste der „documentary boys“ und druckte ein Statement der vier Dokumentarfilmproduzenten Edgar Anstey, Donald Taylor, John Taylor und Basil Wright ab, die sich, ebenfalls eine Seltenheit, der Argumentation des Fachblatts in bezug auf die gesamte Filmindustrie angeschlossen hatten: „We wholeheartedly welcome your outspoken article on the Government‘s attitude as regards the Film Industry in war time. We are entirely in agreement with your statements and would like also to draw the attention of the Government to the wide issues which lie behind the present situation. 39 104 Anträge hatten die beiden offiziellen Körperschaften der Dokumentarfilmschaffenden gestellt, die Association of Short Film Producers und die British Short Film Makers Society. Weitere 56 Anträge deckten die Mitarbeiter der Crown Film Unit ab und das Personal von neugegründeten Firmen 40 „Now, official dunderheads may wipe out all the ardous work of building up British short films during the past two years. This cannot be allowed. There has been too much blundering on the propaganda front for such a criminal act to take place.“ In: Films Are a Weapon of War, in: World‘s Press News, 25.9.1941. Siehe auch: Call-up Alarms Producers and Trade Unions, Kinematograph Weekly, 25.9.1941; Call-up of Film Technicians, Eastern Evening News, 27.9.1941; Film Crisis Prophecy, Daily Herald, 29.9.1941; Producers Plan Man-power Memo to Bracken, Daily Film Renter, 1.10.1941; Death-Blow to Production in Call-up Proposals, Kinematograph Weekly, 2.10.1941; Call-up Crisis in Film Studios, Evening Standard, 7.10.1941 445 In our opinion the Government – indeed the War Cabinet – must at an early date come to two decisions (the second depending on the first): 1. Is propaganda to rank as a major war weapon in its own right? 2. If so, are film makers and film workers in all branches of the industry to take a full part in ensuring the most efficient use of the propaganda machine? Propaganda is not merely an adjunct to the strategy of war. It is an essential part of it, and should rank equal with, and not below, the Armed Forces. This is a lesson which we in this country are learning all too slowly from Dr. Goebbels. Films are without doubt an important factor in the propaganda armoury. Quite apart from direct propaganda overseas – as regards which this country is still far from well served – the film has special value not only in the maintenance of morale and in the giving of information to the home population, but also in giving direct training and instruction to the Armed Forces of the Crown. The Government has so far paid little more than lip service to the value of films as a war-weapon; and when issues such as the present crop up, the film Trade is met with a misunderstanding which appears to be based on ignorance of the principles of modern warfare. We cannot help feeling that the present attitude of officialdom towards films is something which would make the German propaganda chief laugh, and we agree with you that it would be better to close down the entire film Industry rather than to retain it in an emasculated and virtually useless form.“41 Der neue, durchaus zur Hilfe bereite Informationsminister Brendan Bracken wurde in die Bemühungen zur Rücknahme der beabsichtigten Einberufungen einbezogen, denn sein Einsatz schien mehr Erfolg zu versprechen als die direkten Kontakte mit dem Board of Trade oder dem Ministry of Labour. Das Vorgehen erwies sich als erfolgreich. Durch Intervention von Bracken zog das Ministry of Labour seine Vorschläge zurück und erlaubte der Filmindustrie, den von ihr gewünschten Minimalbestand an Arbeitskräften, der mit dem status quo identisch war, beizubehalten. Die angedrohten Einberufungen wurden in Zurückstellungen umgewandelt. Im weiteren Verlauf des Krieges war der Arbeitskräftebestand in der Filmindustrie nicht mehr bedroht. Zurückstellungen aufgrund einer ‚reserved occupation‘ wurden 1942 abgeschafft, und jeder 41 The Film as Weapon of War. But Does the Government Realise it? Support for KINE, in: Kinematograph Weekly, 2.10.1941 446 Antrag nur noch nach seiner individuellen Bedeutung für die Kriegsanstrengungen beurteilt. Die Anträge über Zurück- und Freistellungen mussten zwar formal weiterhin über das Manpower Panel des Ministry of Labour laufen42, doch war die inhaltliche Kontrolle zunehmend an das Ministry of Information übergegangen, ohne dessen Zustimmung keine Produktionsaktivitäten möglich waren. Wie war es nun dazu gekommen, dass das Ministry of Information zum wichtigsten Partner der Filmindustrie wurde? Der eigentliche Durchbruch, Grundlage für das gewünschte „freundliche Arbeitsarrangement“, das das Select Committee einforderte, war die Einrichtung eines „Ideas Committee“ als informelles Diskussionsforum zum Austausch von Projektideen. Das „Ideas Committee“ kam auf Veranlassung der Screenwriters‘ Association zustande, deren erstes Treffen im Dezember 1940 im Bürogebäude des Ministry of Information, dem Senate House, stattfand.43 Es überrascht, dass weder die Produzentenvereinigung ,The British Film Producers‘ Association‘, noch die Filmgewerkschaft ‚Association of Cine Technicians‘ bei der Zusammensetzung des Gremiums offiziell berücksichtigt wurden. Das von den Drehbuchautoren initiierte Gremium hatte keine lange Lebenszeit, da es nach Morley-Titmuss44 beim Ministerium keinen großen Enthu- 42 Im April 1942 hatte das Ministry of Labour ein neues Arbeitskräfte-Komittee eingesetzt, in das keine Repräsentanten der Filmindustrie berufen wurden. Das Komitee bestand aus Col. Bromhead für das Ministry of Information, Simon Rowson, als Technical Advisor für das Board of Trade, und Professor Arnold Plant, einem unabhängigen Repräsentanten des Cinemato-graph Films Council, der in beratender Funktion häufig für das Board of Trade tätig war 43 Neben Beddington und Roger Burford von der Films Division waren die Drehbuchautoren Rodney Ackland, Leslie Arliss, Anatole de Grunwald, Sidney Gilliat, Frank Launder, Angus McPhail, Gordon Wellesley, J.B. William anwesend und die Regisseure Anthony Asquith, Michael Powell und Leslie Howard 44 Siehe: Morley-Titmuss, Commercial Feature Film Production and the Ministry of Information, a.a.O., S. 44-46 447 siasmus hervorrief, und überdies die beiden ausgeschlossenen Filmverbände gegenüber dem Ministry of Information selbst aktiv wurden.45 Das „Ideas Committee“ überlebte als Gremium ohne Beteiligung der Screenwriters‘ Association als B.F.P.A / A.C.T.-Komittee, unter dem Vorsitz von Beddington. Im November 1942 lobte Beddington die guten Beziehungen, die durch die „regular sittings of the Ideas Committee“ entstanden waren, „which is a Ministry Committee consisting of representatives of Films Division and film directors and writers of commercial producing companies who meet to discuss directions which film propaganda should take.“46 Auch wenn die Treffen informell waren47, funktionierten sie als Plattform für den Informationsaustausch zwischen der Films Division und der Filmwirtschaft. Man sprach über Filme, bevor sie in die Produktion gingen, und die Films Division hielt die Produzenten über die ministeriellen Propagandaabsichten und Auflagen auf dem Laufenden. Für die Films Division war das Ideas Committee eine Möglichkeit mit der Filmwirtschaft zu reden; eine andere betraf die Zusammenarbeit mit der British Film Producers‘ Association, dem Zusammenschluss der kommerziellen Filmproduzenten. Die Filmwirtschaft reagierte auf den Ausschluss der Film- 45 Michael Balcon kommentierte sarkastisch den Ausschluss der Produzenten von diesem Gremium: „(...) Mr. Churchill has already too many burdens to bear to add to them by inviting Mr. Edward Black, Mr. Michael Powell, Mr. Leslie Howard, myself, etc., to join the War Cabinet. Even if he did, the screenwriters would feel neglected by their exclusion, just as the producers to-day may feel neglected by their exclusion from the newly formed Brains Trust at the M.O.I.“ In: Michael Balcon, Propaganda and the Feature Producer, in: The CineTechnician, February-March 1942, S. 5 46 Brief von Beddington an N.W.G. Tucker (Treasury), 9.11.1942, PRO, INF 1/59 47 Paul Rotha, einer der Gesprächspartner, beschreibt die informelle Atmosphäre des Ideas Committee: „This consisted of a number of writers and directors from feature films and a number of directors and others from documentary, who met round a table over beer and rather lousy sandwiches, once every fortnight. He [Jack Beddington] started this about 1942, and it went on throughout the war. We would talk backwards and forwards across the table for about a couple of hours, and then we‘d go down to the theatre and see some films, and this as a very healthy and excellent thing. (...) a lot came out of this committee.“ In: Sussex, The Rise and Fall of British Documentary, a.a.O., S. 141f 448 produzenten aus dem Ideas Committee damit, ihrerseits Kontakt zum Ministerium zu suchen. Beddington kam dem Wunsch der Produzenten bereitwillig nach und „agreed to co-operate fully with the Association and (...) expressed his willingness to attend any of its meetings at which his presence was desired.“48 Nun hatte Beddington einen direkten Draht zur Filmwirtschaft und konnte die Filmproduzenten unmittelbar über die offizielle Politik des Ministeriums informieren und seine Vorstellungen darlegen, wie Propaganda durch Spielfilme umgesetzt werden sollte. Durch die fast zweijährige regelmäßige Teilnahme Beddingtons oder seines Stellvertreter Ralph Nunn Mays an den monatlichen Treffen des Verbandes konnte Beddington die B.F.P.A. als Plattform zur Beeinflussung benutzen. Im März 1942 nahm er erstmals an einem Treffen teil, bei dem er die neue Politik der Films Division bereits andeutete, die auch sogenannte „quality films“, die sich nicht direkt mit Kriegsthemen auseinandersetzten, als wertvoll für die Umsetzung des „Projecting Britain“ beschrieb und sie auch für wert hielt, durch die Films Division unterstützt zu werden. Beddington gab zu Protokoll, „that it was the policy of the Ministry of Information to give all possible aid to British Film Production and the Ministry held the opinion that any good British production could be regarded as ‚propaganda‘ even though the subject matter of the film could not in some cases be so described.“49 Beddington kritisierte, „that producers were perhaps not taking full advantage of the fact that excellent propaganda films could be made outside those dealing with the present war.“ Man beschloss, „that Mr Beddington should submit to the Association stories brought to his attention which, in the opinion of the Ministry, would be good propaganda if made into films.“50 Auch wenn 48 Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 6, Minute 52, 13.2.1942 Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 8, Minute 70, 19.3.1942 50 Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 8, Minute 70, 19.3.1942 49 449 seine Ideen nicht alle übernommen wurden51, nahm man seinen Vorschlag, den Status- und Rollenwechsel von Frauen während der Kriegsjahre zu beschreiben, an. Der daraus resultierende Film The Gentle Sex kam im April 1943 in die Kinos. Beddington benannte auch Themen, die das Ministerium nicht wünschte, wie z.B. Filme, die sich mit der Flucht aus Nazideutschland oder aus der Kriegsgefangenschaft beschäftigten. Die Produzentenvereinigung versprach, Drehbücher derartiger Filme dem Ministry of Information stets zur Genehmigung vorzulegen.52 Auch die Produzentenvereinigung profitierte von den gemeinsamen Sitzungen mit Beddington. Der wiederholt vorgetragenen Kritik ihres Präsidenten C.M. Woolf, Chef von General Film Distributors, dass Filme mit Kriegsthematik – die einzigen Filme, die das Ministerium in seinen Propagandaauftrag einbezogen hatte – langsam einen Sättigungspunkt erreicht hätten53, stimmte Beddington zu. Ende Juli 1942 ließ er ein Papier an die Presse und die Filmwirtschaft verteilen mit „Suggestions for Feature Producers“, das zum erstenmal die Politik des Ministry of Information hinsichtlich der Unterstützung von Spielfilmen festgelegte. Bei einem Treffen mit der B.F.P.A. erläuterte Beddington das Papier im Detail.54 Das Ministerium hielt es für wünschenswert, ein Gleichgewicht zwischen Propagandafilmen und Filmen ohne direkte Propagandaabsicht herzustellen; 51 So die Lebensgeschichte von Mary Kingsley an der Gold Coast, die Ereignisse beschreiben könnte, die mit der Grundsteinlegung des British Empire zu tun haben und „true stories of Greek heroism in Crete and Greece“ 52 Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 10, Minute 95, 7.5.1942 53 „The public were already getting tired of this type of picture and were asking for films which took their minds off the tragedy now taking place.“ C.M. Woolf in seiner Ansprache auf der Jahresversammlung der B.F.P.A., Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 1, Minute 3, 25.6.1942 54 Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 4, Minute 148, 27.7.1942 450 desgleichen sollten sich Filme mit und ohne Kriegsthematik die Balance halten. Es erklärte seine Bereitschaft, „to support all types of pictures, including entertainment of a dramatic or comedy kind provided these were of the highest quality and neither maudlin, morbid nor purely nostalgic for the old ways and old days.“ Anti-Nazi-Filme und oder Filme mit „Flucht-Geschichten“ kämen nicht automatisch in den Genuss der Unterstützung durch das Ministerium, auch wenn die Themen Unterhaltungswert besäßen. Die Darstellung von Feind-Charakteren hatte mit großem Fingerspitzengefühl zu erfolgen. Von Filmen mit Kriegsthematik, die ihr Thema vorwiegend aus Sensationslust behandelten, riet das Ministerium ab; und auch von Unterhaltungsfilmen, deren Geschichten „stereotyped or hackneyed“ waren, und die auf das Land und seine Bewohner ein schlechtes Licht warfen. „Its special support would be given to realistic films of everyday life dealing with events not directly about the war but featuring events in factories, factory hostels, workshops, mines and on the land, and to other serious films dealing with historical and dramatic themes, provided they showed the positive virtues of national British characteristics and the democratic way of life. These films can be first-rate as prestige propaganda, and for morale, and need not lack box office value. As in the past, first class war subjects realistically treated would be supported. It would be against the national interest for these to cease or suffer in quality. But the Films Division would be less favourable towards B class war pictures, and A pictures inspired by mere sensationalism, even if little or no cooperation was required from the services. An exception to the above are comedies of various sorts and settings. It will be understood that taste in handling this type of film is particularly important.“55 55 [Ministry of Information], Suggestions for Feature Producers, [27.7.1942], zitiert nach: Aubrey Flanagan, Entertainment Films As Propaganda, in: Motion Picture Herald, 15.8.1942, S. 10. Das vervielfältigte Originalmanuskript ist nicht nachweisbar. Siehe auch: Fewer War Themes is M. of I. Policy, in: Kinematograph Weekly, 30.7.1942, S. 3; und Notes of the Month, in: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 8, August 1942, S. 110 451 Das Memorandum der Films Division legte zum erstenmal die Richtlinien und politischen Ziele der Unterstützung von Spielfilmproduktionen fest, nach denen die Filmwirtschaft schon so lange verlangte. Die Modifizierung der Politik der Films Division, nämlich den Unterhaltungsfilm mit einzubeziehen, folgte darin auch dem sich verändernden Publikumsgeschmack, der sich zusehends weg von Filmen mit Kriegsthematik eher zu eskapistischen Filmen zugewandt hatte, wie der Erfolg der Melodramen der Gainsborough-Studios zeigte. Die Films Division modifizierte im März 1943 noch einmal ihre „Suggestions for Feature Producers“ in einem Papier „Feature Films – M.o.I. Policy“, das die veränderte Kriegssituation zu Beginn des Jahres 1943 mitberücksichtigte (die Alliierten waren in Nordafrika gelandet, und es zeichnete sich ab, dass immer mehr besetzte Länder befreit würden). Das Papier bestätigte in seiner Einleitung nochmals alle Punkte des vorherigen Memorandums. Auf die Darstellung und Behandlung von FeindCharakteren musste kein besonderes Augenmerk mehr gerichtet werden; „commonsense balance“ sollte eine Ausgewogenheit zwischen allzu großer Verachtung des Gegners und übertriebener Sympathie herstellen. „FluchtGeschichten“ waren überholt, ersetzt durch „stories not of ‚escape‘ but of active revolt and participation in the fighting“, eine Thematik, „that lends itself to drama and realistic adventure“. Das Ministry of Information warnte die Produzenten vor einer „patronising attitude“ gegenüber Völkern und Gruppen, die auf der Grundlage der Atlantic Charter der United Nations England im Kampf gegen den Nazismus beistanden, „we may be benefactors of the human race, but to rub it in can easily cause irritation.“ Spielfilme über die verschiedenen Länder des britischen Empire wären wünschenswert; sie könnten Sympathie und gegenseitiges Verständnis erzeugen, „to create the new emotional attitude to the Empire which is necessary if we are to make a 452 de to the Empire which is necessary if we are to make a success of it in the post-war world“. Da sich das Ende des Krieges abzeichnete, gewannen erneut Filme Bedeutung, welche die „Ideale“ des „What are we fighting for?“ illustrieren würden. Das Papier nannte jedoch keine Titel. Eine deutliche Veränderung in der Zielrichtung von Propaganda war zu bemerken. Es ging nicht mehr um die Moral der Bevölkerung, die es durch (Spiel)Filme zu unterstützen galt, sondern um die Wirkung, die die Filme außerhalb Großbritanniens, vor allem in den USA und demnächst auch in den „liberated countries“, zeitigen sollten. Die Films Division wünschte Filme, „which are broadly based and not parochial“. Bei der Besetzung eines Films mit männlichen und weiblichen Helden sollte besonders berücksichtigt werden, dass „the world will form its opinion of us by the characters we portray in our films.“ Auch wenn die Filme englische Lebensart herausstellen sollten, empfiehlt die Films Division, „to think generously and to speak in our films not only of Britain‘s contribution, but of that of the United Nations, severally and collectively (...)“. Zusammenfassend endete das Memorandum: „The attitude of the Ministry towards feature films remains basically the same; for home morale, four themes will grow in importance – the conception of the United Nations, the Empire, the participation of the liberated peoples in the final victory over Fascism, and the Far East. Home morale is, however, less vital than the projection of Britain to the world; this means an approach to designing films, technically for world circulation, and in theme, films of both Britain alone, and of Britain as a member of the United Nations.“56 56 Feature Films – M.o.I. Policy, March, 1943, in: Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 14, Minute 249, 7.4.1943, zitiert nach: Morley-Titmuss, Commercial Feature Film Production and the Ministry of Information, a.a.O., Appendix B 453 Wie Chapman herausgearbeitet hat, gab es keinen Widerspruch mehr zwischen den Wünschen des Ministeriums und der Produktionsideologie der führenden Filmproduzenten.57 Das im März 1943 vorgelegte Papier markierte damit einerseits den Höhepunkt des Engagement der Films Division in der Beeinflussung der Filmwirtschaft, andererseits dokumentiert es auch den fast einhelligen Konsens, der zwischen dem Ministry of Information und den kommerziellen Filmemachern über die Natur und die Zielrichtung filmischer Propaganda herrschte. Die Filmwirtschaft hatte keine Kritik mehr an der Films Division und ihrer angeblich nicht vorhandenen Politik gegenüber der kommerziellen Filmproduktion. „Film production now seems assured of recognition as a vital weapon of war. The tenacity of the industry, particularly A.C.T. and other trade unions, in pressing this point in the early years of the war appears to have borne fruit.“58 Durch das „Ideas Committee“ und die direkten Kontakte über die B.F.P.A. besaß das Ministerium seit Mitte des Krieges die besten Informationskanäle zur Filmwirtschaft. Die Kontrolle, die es ausübte, war informell und für die Filmemacher freiwillig, aber sie war ausreichend, „to ensure that British film production in general, and not just ‚official‘ films, followed precisely the line that the Ministry wished it to follow in mobilising support for the war effort and in constructing the essential wartime ideology of popular national unity.“59 57 Michael Balcon von den Ealing Studios, der noch zwei Jahre zuvor jede Zusammenarbeit mit dem Ministry of Information abgelehnt hatte, machte den Wunsch des Ministeriums nach „first class war subjects realistically treated; realistic films of everyday life; high quality entertainment films“ nun zu seiner eigenen Produktionsideologie. In seiner Autobiographie schrieb er: „The aim in making films during the war (...) was, first and foremost, to make a good film, a film that people would want to see, and at the same time to make it honest and truthful and to carry a message, or an example, which would be good propaganda for morale and the war effort.“ In: Michael Balcon, Michael Balcon Presents ... A Lifetime of Films, London 1969, S. 148 58 The Association of Cine-Technicians, Tenth Annual Report 1942-43, S. 10 59 Aldgate/Richards, Britain Can Take It, a.a.O., S. 10 454 Wie sah nun die Umsetzung der Wünsche des Ministry of Information in der Praxis aus und welche Möglichkeiten der Durchsetzung und Beeinflussung hatte die Films Division? Es war nichts ungewöhnliches für die Filmproduzenten, schon vor der Produktion eines Filmes dem British Board of Film Censors eine Synopse oder das Drehbuch des Films vorzulegen, um späteren Auflagen durch das Zensurgremium entgehen zu können.60 Diese „freiwillige“ Maßnahme war gängige Praxis seit Beginn der dreißiger Jahre und änderte sich auch im Prinzip während des Krieges nicht. Der Krieg brachte eine enge Verzahnung des British Board of Film Censors und der Films Division mit dem Film Censorship Department des Ministry of Information, welches die neueingeführte Sicherheitszensur durchsetzte und überwachte. Die meisten dieser Diskussionen fanden auf informeller Basis statt, so wie Michael Powell sie in seiner Autobiographie beschreibt: „It must be understood that the way the Ministry of Information worked with commercial film-makers was that Beddington would send for one of the wellknown film-makers to discuss an idea that the Ministry wanted dramatised, or else we would come to Beddington with ideas of our own. We would discuss with him and the idea would either be approved or not. In our case, because of the unique nature of our creative partnership, it usually was. The point was that these films were financed commercially after having obtained the Ministry‘s approval of the themes and the general content.“ 61 Hinter Powells Äußerung steckt nicht nur eine persönliche Einschätzung, sondern sie zeigt auch die Bereitschaft und den grundlegenden Konsens, sich zu arrangieren. Wenn die Ideen bereits in ihrem ersten Stadium beeinflusst und, 60 61 Siehe auch: Kapitel 8.2. Michael Powell, A Life in Movies – An Autobiography, London 1986, S. 383f 455 wenn notwendig, auch korrigiert werden konnten, musste sich die Films Division nicht mehr aus dem üppigen Arsenal ihrer Druckmittel bedienen. Um sich Hilfestellung und Ratschläge bei der Produktion zu holen, bot es sich für die Produzenten an, eine Institution wie das Ministry of Information und dessen Films Division zu kontaktieren, die ja dazu geschaffen war, die Wünsche des Staatsapparates im Hinblick auf Propaganda und Information durchzusetzen. Sidney Bernstein, Honorary Adviser aus der Filmwirtschaft, war in der Hierarchie der Films Division der wichtigste Mann neben Beddington. Er beschrieb die Zusammenarbeit mit kommerziellen Filmemachern: „The Ministry both advised the producers on the suitability of subjects which they had suggested, and proposed subjects which we thought would do good overseas. Whenever the ministry had approved a subject we gave every help to the producer in obtaining facilities to make the film. For instance, we helped them get artists out of the services, we aided them to secure raw-stock, travel priorities and so on.“62 Bernstein benannte die Hilfen, welche die Films Division den Produzenten geben konnte, aber nicht geben musste – und hier lag ihr entscheidendes Druckmittel –, wenn sie glaubte, dass ihre Vorstellungen nicht genug berücksichtigt wurden. Die Films Division besaß seit 1940 die indirekte Kontrolle über die Vergabe von Rohfilm, auch wenn formal das Board of Trade für die Zuteilung von strategischen Kriegsmaterialien zuständig war. Um über die Zuteilung von Rohfilm entscheiden zu können, verlangte das Board of Trade von den Produktionsfirmen die Vorlage des Drehbuchs, das die Films Division zur Begutachtung erhielt. Die Entscheidung des Board of Trade für oder gegen eine Zutei- 62 Bernstein, The Film and International Relations, a.a.O., S. 12 456 lung fiel aufgrund der Empfehlung der Films Division.63 Die Produzenten taten gut daran, gerade zu Zeiten in denen durch Transportverluste auf der Atlantikroute der Nachschub von Filmmaterial immer knapper wurde und man Rohfilm limitieren musste64, die Films Division im Vorfeld zu konsultieren. Das System der informellen Abklärung im vornhinein funktionierte hervorragend. Es gibt keinen Hinweis, dass auch nur ein Film durch die Verweigerung von Filmmaterial nicht gedreht werden konnte. Die Films Division war zuständig für die Vergabe von „facilities“. Da viele Spielfilme die aktuelle Kriegsthematik aufgriffen, gab es einen enormen Bedarf, militärische Einrichtungen, Kriegsmaterial der verschiedenen Truppenteile aber auch öffentliche wie private „locations“ zur Unterstreichung der Authentizität in diese Filme zu integrieren. Die Films Division entschied (zusammen mit den jeweiligen Serviceabteilungen des War Office) über die Zuteilung und Genehmigung. Sie hatte schon Ende 1940 im Planning Committee eindeutig klargestellt, dass Verträge der Filmproduzenten bezüglich der Bereitstellung von Facilities ausschließlich über das Ministry of Information zu lau- 63 Das Board of Trade hatte rechtliche und politische Bedenken, die Zuteilung von Kriegsmaterial von der politischen Zustimmung einer anderen Regierungsstelle abhängig zu machen – das Ministry of Information hatte gewünscht, dass „The Board of Trade would not give a licence [for film stock] in cases where the Ministry objected to their so doing“ (Legislation Committee (PRO/CAB 75/14, HPC (42) 107, zitiert nach: Pronay/Croft, British Film Censorship and Propaganda Policy during the Second World War, a.a.O., S. 350). Hugh Dalton, Chef des Board of Trade, bestätigte im Juli 1942 gegenüber Brendan Bracken die zukünftige Politik seines Ministeriums: „In deciding cases under the Regulation the Board of Trade will, of course, pay due regard to the advice of the Ministry of Information, but this cannot for constitutional reasons be stated in order.“ PRO, INF 1/627, July 1942 64 Durch Transportverluste auf der Atlantikroute hatte sich das Angebot an Rohfilm erheblich reduziert. Der Mangel an Rohfilm bedingte im März 1943 eine Rationierung durch die Cinematograph Film Control Order. Die Verleiher mussten ihren Verbrauch um 20% reduzieren, während Filmproduzenten Filmmaterial nur noch für individuelle Filme erhielten. Das Board of Trade und nicht die Films Division war für die Zuteilung des Filmmaterials zuständig. Aufgrund der Verordnung mussten „suppliers and commercial users of cinematograph film obtain licences from the Board of Trade. (...) The allocation to the distributors (for prints for exhibition in the cinemas) will be based on audited returns of each distributor’s consumption in 1942. Filmproduction will be dealt with by allotting film to the producers for their individual pictures.“ PRO, BT 64/130, zitiert nach: Chapman, The British at War, a.a.O., S. 267 457 fen hatten65 und nicht über die jeweiligen Kriegsministerien, „and that private ventures should not obtain facilities while the Ministry remained unsatisfied“.66 Beddington verlangte darüber hinaus für die Vergabe von Facilities detaillierte Ausführungen der Produzenten: „Actually, as commercial producers, in asking facilities, often submit the briefest synopses on which to form a judgement, it happens that extensive facilities are granted for productions which do not deserve them. Efforts are being made to prevent this happening (...).“67 Beschaffte die Films Division einer Produktionsfirma militärische „facilities“, konnte sie ihren Einfluss bei der eigentlichen Produktion noch ausdehnen, indem der Firma ein technischer Berater zur Seite gestellt wurde, der als Liaison zwischen Films Division und Armeeabteilung diente.68 Das Filmen militärischer „facilities“ war an die Bedingung geknüpft, dass die jeweiligen Kameraleute der Produktionsfirma ein sogenanntes Red Permit besaßen, eine Dreherlaubnis, die die Films Division eigenverantwortlich ausgeben konnte. Ein solches Permit war für fast jede Art von ‚location shooting‘ notwendig, bei der die örtlichen Behörden Sicherheitsprobleme sahen. Die 65 Die Bereitstellung von Facilities wurde vertraglich sanktioniert. Vertragsnehmer war die jeweilige Produktionsfirma, Vertragsgeber der „Minister of Information acting by the Director of the Films Division of the Ministry of Information“: „The Minister shall also arrange with the Secretary of State for War that all reasonable facilities, subject to the exigencies of the military situation shall be granted on the usual War Office conditions to the Company for the production of the said film. The Company will pay normal War Office charges for such facilities.“ Paragraph 7 des Vertrags mit Two Cities Films Ltd. für die Produktion von The Way Ahead. PRO, INF 1/203/F242/5 66 Planning Committee, Minute 388, 4.12.1940. PRO, INF 1/249. Auslöser war, dass das Air Ministry mit Oscar Deutsch einen Vertrag zur Bereitstellung von Facilities für einen Spielfilm abschließen wollte 67 Competition from Official Film Units, PRO/BT 64/117, o.D. Beddington bezog sich bei seiner Kritik auf den Film Ship With Wings von Michael Balcon, der durch die Admirality ausgiebige Dreherlaubnis auf dem Flugzeugträger HMS Ark Royal hatte, dessen Ergebnis aber nicht nur für Beddington unbefriedigend war 68 „Two Cities Films Ltd. will be pleased and even anxious to have an officer detailed by the War Office attached to them while the film [The Way Ahead, J.B.] is being shot to ensure that everything said and done is perfectly correct. “David Niven an Beddington, 27.11.1942. PRO, INF 1/258 458 Verweigerung eines solchen Permits hätte den Produktionsfirmen schwerwiegende Probleme bereitet. Bereits die Ankündigung der Films Division im Mai 1941, solche Permits nicht mehr wie bis dahin üblich dem Kameramann der Produktionsgesellschaft automatisch zukommen zu lassen, sondern nur noch für einzelne Filmprojekte einzelner Produktionsfirmen und nur auf besonderem Antrag auszugeben, sorgte bei der Gewerkschaft A.C.T. und den Filmproduzenten für Aufruhr. Mit der neuen Regelung hatte es die Films Division leichter, gezielten Einfluss auf einzelne Projekte zu nehmen. Die Ankündigung der Films Division im April 1942, Red Permits nur noch an bona fide Kameramänner auszugeben, war ein weiteres sanftes Druckmittel gegenüber den Produzenten, das Beddington jedoch im Zuge der Zusammen-arbeit mit der B.F.P.A. später „großzügig“ zurücknahm. Die Ausgabe eines Red Permit an einen Kameramann hatte weitreichende Konsequenzen. Alle Filmaufnahmen, die der Inhaber einer solchen Drehgenehmigung herstellte, mussten obligatorisch der Films Division und der Censorship Division zur Zensur vorgelegt werden. Bei Studioproduktionen waren die Produzenten ebenfalls vom Goodwill des Ministry of Information abhängig, da alle Zuteilungen von Materialien für Studiobauten oder deren Ausstattung über die Films Division zu laufen hatten.69 Das Ministry of Information hatte versucht, dem akuten Entzug von Arbeitskräften aus der Filmindustrie entgegenzuarbeiten, indem es sich für Zurückstellungen von Filmpersonal vom Militärdienst stark machte. Auch wenn das Ministerium nicht verhindern konnte, dass der größte Teil der Mitarbeiter der Filmindustrie zum Militärdienst eingezogen wurde, hatte es in der Films Division eine Anlauf- und Entscheidungsstelle, die es ermöglichte, eingezogene Schauspieler und Filmtechniker doch noch temporär freizustellen. Bedingt 69 Siehe auch: Barr, War Record, a.a.O., S. 261 459 durch den akuten Arbeitskräftemangel in der Filmindustrie waren die Produzenten und Studios häufig auf die Hilfestellung der Films Division angewiesen, welche die Unterstützung und Befürwortung einer Freistellung von dem jeweiligen Filmprojekt abhängig machte. Die Tatsache, dass nicht nur Techniker zum Militärdienst eingezogen wurden sondern auch Schauspieler, gab der Films Division eine weitere Handhabe gegenüber den Produzenten, die Stars als Attraktionswerte in ihren Filmen benötigten. Wie bei den Filmtechnikern erfolgte der entsprechende Antrag über die Films Division, in deren Hand es letztlich lag, in Verhandlungen mit dem War Office eine Freistellung zu bewirken.70 Da seit Mitte 1942 das Ministry of Information auch Unterhaltungsfilme als Propagandafilme einstufte, wurden die Begehrlichkeiten gegenüber der Films Division größer. Die Produzenten waren dabei noch mehr von Beddingtons Goodwill abhängig. Dokumentiert sind zwei Fälle, bei der die Freistellung eines Schauspielers von der Films Division abgelehnt wurde.71 Nunn May von der Films Division erläuterte gegenüber den Filmproduzenten die neuen Kriterien für eine Freistellung, die erfolgen konnte „in the light of the value of the film made for propaganda purposes here and abroad and its capacity for keeping German films out of neut- 70 Es ist wahrscheinlich, dass auch über die Freistellung von Militärpersonen das Ministry of Information mit der jeweiligen Produktionsgesellschaft Verträge abgeschlossen hatte. Für den Film The Way Ahead lautete Paragraph 6 entsprechend: „The Company [Two Cities Films Ltd., J.B.] shall employ in the production of the said film the following War Office personnel: Major David Niven – Actor Captain Carol Reed – Director Captain Eric Ambler – Writer Private Peter Ustinov – Writer for whose release for this purpose from military service the Minister [of Information] shall arrange with the Secretary of State for War.“ PRO, INF 1/203/F242/5 71 Für den Film Dear Octopus verweigerte die Films Division dem Produzenten Paul Soskin die Freistellung von Rex Harrison, da der Film den offiziellen Kriterien für Filme, die im Militärbereich spielten, nicht entsprach; in einem ähnlich gelagerten Fall wurde Laurence Olivier nicht freigestellt, um die Rolle des Blimp in The Life and Death of Colonel Blimp zu übernehmen 460 ral countries“.72 Beddington sicherte den Produzenten zu, dass die Empfehlungen und Anträge für Freistellungen von Filmstars immer durch die B.F.P.A. erfolgen konnte – ein Entgegenkommen, dass der Films Division keinerlei Machtbefugnisse nahm. Beddington gab noch eine weitere Zusage, die Rekrutierung von qualifiziertem Filmpersonal für das Ministry of Information und seine Abteilung ebenfalls über die Produzentenvereinigung laufen zu lassen.73 Das Select Committee on National Expenditure hatte 1940 angeordnet, dass sich das Ministry of Information auf Spielfilmproduktionen nicht mehr finanziell einlassen durfte, eine Regelung, die Beddington überhaupt nicht passte, wie ein späterer kritischer Seitenhieb vermuten lässt: „there is an antiquated ruling against the Government making feature films“74. Beddington wäre gerne als Spielfilmproduzent aufgetreten, und die Möglichkeit dazu hätte er gehabt, wie ein internes Diskussionspapier der G.P.O. Film Unit vom Juni 1940 belegt, das Beddington in Auftrag gegeben hatte. „It is understood that there has been discussion on the possibility of the Film Unit undertaking the production of a feature subject. (...) The whole point is that physically a Film Unit feature could be made.“75 Doch das Select Committee verhinderte Beddingtons Spielfilmpläne. Vom Spielfilmproduzenten blieb Beddington nur die Attitude und der Versuch, kommerzielle Spielfilmproduktionen des Ministeriums auf Umwegen zu unter- 72 Minutes of the British Film Producers‘ Association, Meeting 13, Minute 124, 11.6.1942, zitiert nach: Morley-Titmuss, Commercial Feature Film Production and the Ministry of Information, a.a.O., S. 56 73 Beddington konnte diese Äußerung tun, da er die Zusage von Paul Kimberley, Direktor des Army Kinematography, vom Januar 1941 hatte, ebenfalls kein qualifiziertes Filmpersonal für die Army Kinematograph Units zu rekrutieren, ohne ihn, Beddington, zu konsultieren 74 Beddington an Watson (Treasury), 9.3.1943. PRO, INF 1/224 75 Stanley Fletcher, G.P.O. Film Unit Reorganisation, Memorandum for discussion, 26.7.1940. PRO, INF 1/57 461 stützen. So ließ er Drehbücher zu bestimmten Themen in Auftrag geben76; verpflichtete berühmte Schauspieler77; und er bot kommerziellen Produktionsgesellschaften Drehbücher an, die im Auftrag der Films Division erstellt worden waren78. Die Crown-Filme, vor allem jene von Humphrey Jennings, die sich in Machart und Länge immer mehr kommerziellen Spielfilmen annäherten, bekamen nicht nur deswegen Beddingtons Unterstützung, sondern auch weil sie als Druckmittel gegenüber kommerziellen Filmproduktionen dienen konnten. Das Ministry of Information hatte zwar immer betont, dass es nicht gedenke, in Konkurrenz zur kommerziellen Filmwirtschaft zu treten, aber die Tatsache, dass das Ministerium mit der Crown Film Unit eine eigene Produktionsfirma besaß, die in Pinewood in einem eigenen Studio untergebracht war, ließen die Angst vieler Spielfilmproduzenten vor einem staatlichen Produktionsrivalen nicht ganz unberechtigt erscheinen. 76 1944 beauftragte Beddington Powell und Pressburger ein Drehbuch über das Verhältnis England/USA zu erstellen, aus dem A Matter of Life and Death wurde: „I want you to consider that our relations with the Americans were very good while we were losing the war, but now we‘re winning it, they‘re getting very bad. Will you write a story which plays up American/English relationships.“ In: David Badder, Powell and Pressburger – The War Years, in: Sight and Sound, Vol. 48, No. 1, Winter 1978/79, S. 11f 77 In seiner Autobiographie erinnert sich Laurence Olivier, dass Beddington ihn bat, in zwei Filmen mitzuwirken, die die englische Sache unterstützen sollten. Olivier spielte in The DemiParadise (1943) und drehte und übernahm die Hauptrolle in Henry V (1944), dessen Schlachtszenen mit Zustimmung des Ministry of Information in Irland gedreht wurden 78 Das Drehbuch zu Frank Launder und Stanley Gilliats Millions Like Us hatte Beddington in Auftrag gegeben und es „at cost price“ einer kommerziellen Produktionsfirma verkauft. Ende 1942 gab die Films Division die Politik der kostenlosen Weitergabe von Drehbüchern allmählich auf: „We have reconsidered the question of asking commercial companies to pay for scripts. We could not reasonably expect to sell a script on the basis of a share in the profits, but we have now agreed that, in principle, scripts provided by us and accepted by commercial companies should be paid for.“ Beddington an Tucker (Treasury), 9.11.1942. PRO, INF 1/59 So wurde bei den Filmrechten der Drehbücher zu White Ants, Rendezvous und auch The Way Ahead verfahren. Bei letzterem wurden die Filmrechte für £ 250 verkauft zuzüglich einem Drittel der englischen Netto-Einspielergebnisse, siehe auch den Vertrag zu The Way Ahead. PRO, INF 1/203/F242/5 462 Doch das Ministry of Information brauchte seinen Einfluss über Inhalte, filmischen Stil und Propagandabotschaft der Spielfilme nur verdeckt ausüben, nach Pronay, „exercised in the British manner, more often over dinner tables than across desks“. Das umfangreiche Arsenal an Druckmitteln musste gar nicht erst eingesetzt werden, allein das Potential der Maßnahmen genügte, die Filmproduzenten zur Kooperation zu bewegen. Die Bereitschaft der Produzenten, ihrerseits zu den nationalen Kriegsanstrengungen beizutragen, erleichterte die „Hilfestellung“ und „guidance“ durch das Ministerium. Die guten Beziehungen, die beide Seiten pflegten, machte es dem Ministerium leicht, die Unabhängigkeit der Studios und der kommerziellen Filmproduktion über den Krieg hinweg aufrecht zu erhalten. 463 9. Zusammenfassung Als Churchill nach seinen Kriegszielen gefragt wurde, antwortete er: „Ich kenne keine Kriegsziele, mein einziges Kriegsziel ist, den Krieg zu gewinnen.“ Und mit Propaganda im allgemeinen und Film im besonderen, war, seiner Meinung nach, kein Krieg zu gewinnen. Churchills verhängnisvolle Aussage wirkte sich auch auf die Arbeit der Films Division des Ministry of Information aus. Es fehlte eine systematische Propagandapolitik, klare politische Zielvorgaben, konkrete Handlungsanweisungen. Dies schloss natürlich kurzfristige, auf politische Erfordernisse reagierende Propagandakampagnen nicht aus. Den Verantwortlichen der Films Division erging es dabei wie allen Abteilungen des Ministry of Information. Aus Mangel an politischen Vorgaben musste man irgendwie über die Runden kommen, ein „muddle through“ war angesagt. Ohne klare politische Leitlinien brauchte man auch kein Kritik der Medien zu fürchten. Man konnte fast alles beim alten belassen. Tauchten doch Widerstände auf, wurden sie umgangen, ausgesessen oder geleugnet. In der Auseinandersetzung mit der britischen Filmindustrie hatte es die Films Division sogar noch leichter – gravierende oder gar unüberwindliche Gegensätze schien es nicht zu geben. Den Anspruch, die gesamte Filmproduktion zu kontrollieren, um systematisch nationale Propaganda betreiben zu können, hatte es nur auf dem Papier der Planer gegeben. Die Verantwortlichen des Ministry of Information und auch der Films Division hatten weder den politischen Auftrag, ideologische Ziele vorzugeben oder zu 464 propagieren, noch verfügten sie über die notwendigen Instrumente zur Kontrolle der Filmproduktion, des Verleihs und der Kinos. Sie brauchten es aber auch nicht. Das System, innerhalb dessen die staatliche Kontrolle der Filmwirtschaft ausgeübt wurde, funktionierte auf dem Goodwill und der Zusammenarbeit aller Beteiligten, bei der gute Beziehungen wichtiger waren als ein Konfrontationskurs. Das Verhältnis Staat – Kino war durch positiven Ausgleich bestimmt. Die staatliche Seite anerkannte sowohl die Rolle, die Spielfilme bei der Umsetzung nationaler Propaganda spielen konnten – ohne aber die Spielfilmproduzenten darauf zu verpflichten – , genauso, wie sie den Dokumentarfilm bei der direkten Umsetzung ihrer wenig systematischen Propagandaabsichten flächendeckend einsetzte. Die Filmwirtschaft, die durch die kriegsbedingten Probleme auf die Unterstützung staatlicher Stellen angewiesen war, revanchierte sich mit der Bereitschaft, staatlich produzierte und unterstützte Filme kostenlos in ihren Kinos zu zeigen. Filmpropaganda kann verstanden werden als der Versuch des Herrschaftsapparates, Meinungen und Ansichten der Beherrschten zu manipulieren und zu kontrollieren. Die Films Division wie das gesamte Ministry of Information hatte die Aufgabe, die offizielle Ideologie des Herrschaftspparates in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Ihre Aufgabe war es, „to present the national cause to the public“. Die Bevölkerung musste davon überzeugt werden, dass die Politik der Regierung stimmig und richtig war. Man konnte versuchen, Propagandaideen von oben zu oktroyieren. Die Arbeit hat jedoch gezeigt, dass dies dem Ministry of Information nicht gelang. Die Durchsetzung von Ideen war kein geradliniger Prozess, sondern verlief extrem widersprüchlich. Propagandaideen konnten sich verwandeln, sogar in ihr Gegenteil verkehrt werden, in anderen Ideen aufgehen oder auf der Strecke bleiben. 465 Das britische Kino während des Kriegs war nicht einfach „a vehicle for the downward transmission of ideologies which uniformly supported official needs.“ Nach Geoff Hurd war es, „a site of negotiation and transaction: between on the one hand official needs and on the other hand aspirations of all those groups and classes whose support for the war effort had to be won.“1 Auch wenn die Politik nur geringen Einfluß auf die Themenwahl der von der Films Division produzierten Filme nahm, war sie dennoch in einem Bereich dominant: bei der Kontrolle, sprich Zensur und Weitergabe von filmischen Nachrichten, die für die Wochenschauen bestimmt waren. Wochenschauen dienten der Nachrichtenübermittlung und das Ministerium musste sicherstellen, welche Informationen sie weiterzugeben wünschte und welche nicht. Die Wochenschauen unterlagen dadurch einer ähnlich strengen Kontrolle wie die anderen beiden Nachrichtenmedien Presse und Rundfunk. Presse und Rundfunk waren für ihre aktuellen Informationen auf die Nachrichtendienste der Presseagenturen angewiesen. Das Ministry of Information kontrollierte die Quelle dieser Informationen, die Telexverbindungen der Press Association und von Reuters, und liess nur die Information passieren, die nicht der Sicherheitszensur unterlagen, um danach aber der Meinungsvielfalt bei der Interpretation der freigegebenen Informationen freien Lauf zu lassen. Das Ministerium folgte damit der Einschätzung von Bartlett über den Erfolg von Propaganda an der Heimatfront, „a maximum of news and a minimum of delay, with the greatest possible freedom for variety of comments.“2 Ähnlich agierte das Ministerium auch bei den Wochenschauen. Den unterschiedlichen Präsentations- und Interpretationsformen der verschiedenen Wochenschauen lag das gleiche filmische Ausgangsmaterial zugrunde, das 1 Geoff Hurd, Notes on Hegemony, the War and Cinema, in: Geoff Hurd (Hrsg), National Fiction: World War Two in British Films and Television, a.a.O., S. 18 2 Bartlett, Political Propaganda, a.a.O., S. 142 466 die Censorship Division nach den Kriterien der Sicherheitszensur freigegeben hatte. Dokumentar- und Spielfilme hatten für das Ministry of Information immer einen geringeren Stellenwert für ihre Propagandaaufgaben als die Wochenschauen, die man sowohl bei der Zuteilung von Rohfilm gegenüber anderen Filmproduktionen bevorzugte, als auch mit spektakulären Aufnahmen der staatlichen Film Units großzügig versorgte. Durch solche Maßnahmen konnten sich die Wochenschauen in ihrer Unabhängigkeit bestätigt fühlen, obwohl sie wie kein anderes Nachrichtenmedium an die Kandarre genommen wurden – so mussten sie sich ähnlich wie der Rundfunk auch noch einer Nachzensur stellen. Die beidseitige Kooperations-bereitschaft ließ jedoch die Bevormundung und Kontrolle des Staates vergessen. So wenig Spielfilme aufgrund der langen Produktionszeiten der Befriedigung kurzfristiger Propagandaziele dienen konnten, waren auch die staatlichen Dokumentarfilme mit ihren erheblich kürzeren Produktionszeiten ein ungeeignetes Mittel, kurzfristig auf kriegsbedingte Notwendigkeiten zu reagieren. Die „General campaigns“, die das Policy Committee des Ministry of Information nach Vorgaben des War Cabinets veranlasste, wurden mithilfe von Radionachrichten und -sendungen, Presseberichten, Flugblättern, Plakaten und Vorträgen ausgeführt. Die Filme, die diese General Campaigns begleiten sollten, blieben immer Nachzügler und waren letztendlich ungeeignet, ihren Teil zu einer aktuellen Propagandakampagne beizutragen. Dies erklärt, warum die Films Division ohne Schwierigkeiten Themen von Filmen, die das Policy Committee wünschte, verändern konnte: die Realität, bzw. die veränderte Aktualität, hatte sie obsolet gemacht. 467 Das Policy Committee brauchte die Films Division als Durchsetzungsgehilfen für ihre Propagandakampagnen nicht. Dadurch hatte die Films Division die Möglichkeit, eine eigenständige Film- und Propagandapolitik zu entwickeln. Die Films Division war wenig in aktuelle Propagandakampagnen eingebunden und sah sich deshalb auch kaum politischem Druck ausgesetzt. Das Umfeld, in dem sie agierte, bei Produzenten, Verleihern und Kinobesitzern, verhielt sich kooperativ. Die Films Division zeigte auch geringes Interesse an den Genrefilmen des Mainstream-Kinos und mischte sich bei der Themenwahl kommerzieller Spielfilmproduktionen wenig ein. Im Gegenzug überließ die Filmlobby ihr fast vollständig den Produktionsbereich des Dokumentarfilms. Die Films Division besaß alle Möglichkeiten, die sich dadurch öffnenden Nischen in ihrem Sinn zu füllen. Sie tat es aber nicht. Die Leistung der Films Division lag eher in ihrer Integrationsfähigkeit. Durch eine geschickte Politik des Ausgleichs erreichte sie, dass ideologisch widerstreitende Gruppierungen, wie beispielsweise „unabhängige“ und „kommerzielle“ Produktionsgruppen in ihrem Auftrag arbeiteten. Und mit der Eingliederung der einzig existierenden staatlichen Filmproduktionsgruppe, der G.P.O.Film Unit, in den Produktionsapparat des Ministry of Information, konnte die Films Division nicht nur Auftraggeber sein, sondern die interessantesten, publikumswirksamsten und manchmal auch kontroversesten Themen selbst ausführen. Dadurch brauchten diese Themen nicht an fremde Produktionsfirmen vergeben werden, die erst durch umfangreiche Vertragsparagraphen auf die Films Division verpflichtet werden mussten. Der angebliche Widerstand der Planer des Ministry of Information und der Politiker bei der Eingliederung des Documentary Movements in die staatliche Produktionsmaschinerie war eher eine Fabrikation der Dokumentaristen selbst, als ein zu belegender Fakt. Eine politische Verschwörung gegenüber dem Documentary Movement, einen bewussten Ausschluß aus politischen und ideologischen Gründen, hatte es nie gegeben. 468 Da die Finanzierung des umfassenden Produktionsprogramm der Films Division politisch abgesichert war, brauchte man neben dem politischen Willen auch die dazugehörende manpower, dieses Programm zu realisieren. Die Eingliederung der Filmemacher des Documentary Movements war zwangsläufig, fast eine Notwendigkeit. Die ersten Produktionserfahrungen der Films Division mit kommerziellen Dokumentarfilmfirmen hatten darüber hinaus gezeigt, dass sich diese Firmen nicht dazu eigneten, das Non-Theatrical und Teile des Theatrical Programms der Films Division umzusetzen. Die heftigsten Kritiker der Films Division und ihrer Politik, allen voran die aus den Reihen der Documentary News Letter, wurden ausgeschaltet, indem der Leiter der Films Division, der ehemalige Werbemann Jack Beddington, sie mit verantwortlichen Positionen in der Films Division betraute, etwa Thomas Baird mit dem Non-Theatrical Programm oder Arthur Elton als Production Supervisor. Basil Wright, Herausgeber der Documentary News Letter, wurde nach dem Auscheiden von Beddington sogar Leiter der Films Division. Es war eine Anerkennung ihres Könnens und ihrer Expertise, aber gleichzeitig auch eine kontrollierte Einbindung, die sie von den Entscheidungen der Leitung der Films Division abhängig machte. Auch wenn drei Viertel aller Filme, die die Films Division unter Beddington in Auftrag gab, von Mitgliedern des Documentary Movements zu verantworten waren, entpuppte sich die Films Division dennoch nicht als Hort und Refugium der Dokumentaristen. Mit der Eingliederung des Documentary Movements in den Produktionsapparat der Films Division war auch sein Wandel verbunden. Die Dokumentaristen wurden integriert, d.h. sie konnten Filme drehen, die in vielen Fällen ihren politischen Intentionen entsprachen, und ohne dass ihr Selbstverständnis als Dokumentaristen darunter zu leiden hatte. Die Filme 469 aber wurden durch die Aufführungsstruktur der von der Films Division ins Leben gerufenen Programme dennoch nicht zu politischen Sprengsätzen. Beddington hatte es verstanden, politisch brisante Themen in die Nische des Non-Theatrical Programms abzuschieben, ein Minderheiten-Programm mit deutlich geringeren Zuschauerzahlen als die Filme der anderen Sparten. Nach dem katastrophalen Start des Ministeriums und der Films Division und dem Fiasco mit der Zensurabteilung kamen mit Jack Beddington als Leiter und mit seinem Honorary Adviser Sidney Bernstein kompetente Personen in verantwortliche Positionen der Films Division. Ob mit Beddington, einem Profi aus der Werbebranche, mit Bernstein, Besitzer einer Kinokette und mit Ian Dalrymple, Leiter der Crown Film Unit und ehemaligem Produzenten und Drehbuchautor aus der Spielfilmproduktion, bewusst die Ängste der Filmbranche vor einer staatlichen (Film)produktionsmaschinerie abgemildert werden sollten, ist eine ernst zu nehmende Vermutung. Auch wenn die meisten „Official Films“ der Films Division Dokumentarfilme waren, versteckten die Verantwortlichen der Films Division ihre wohlwollende Einstellung gegenüber der Spielfilmlobby nicht. Die Filmwirtschaft konnte mit mehr als nur bereitwilligen Zuhörern rechnen. Beddington hatte zwar die Dokumentaristen in die Films Division und in die Produktion seiner Filme entscheidend eingebunden, hatte aber dadurch gleichzeitig sichergestellt, dass deren Interessen nur mit seiner Zustimmung durchzusetzen waren. Beddington machte auch keinen Hehl daraus, wo seine persönlichen Präferenzen lagen: er wollte „in with the newsreels“ sein – die spektakulären Filmaufnahmen eines Absturzes eines deutschen Bombers, von Basil Wright während der Dreharbeiten zu Britain at Bay gefilmt, gab er gegen den Widerstand seines Mitarbeiters an die Wochenschauen; auch war er der Spielfilmproduktion zugetan – das „Ideas Committee“ der Produzentenvereinigung kam auf seine Initiative hin zustande; und die Dokumentaristen des Documentary Movements hielt er, wenigstens im Rückblick, für eine ideo- 470 logisch verbohrte „gang“, bei denen er immer darauf geachtet hatte, dass eine Politisierung nicht überhand nahm. Das Nichtreagieren auf die Kritik, keine eigene Filmpolitik zu vertreten sondern eine „laisser faire“-Attitude an den Tag zu legen, sicherte der Films Division ironischerweise ihre relative Eigenständigkeit, da sie politisch nicht in die Schusslinie geriet. Ihre Kompetenz entwickelte sie vielmehr in der Funktion einer Schiedsstelle, die sich um den Ausgleich von Gegensätzen bemühte. Damit war sie zwar immer noch eine kreative Dienststelle, die aber weniger aktiv, denn reaktiv arbeitete, und auch offiziell im Hintergrund bleiben konnte. Die vertragliche Regelung bei Auftragsproduktionen erlaubte es nicht, „to publish or issue directly or indirectly to the Press any statement suggesting that the film concerned comes within the category of propaganda or that the Ministry of Information is concerned with it or its production.“3 Versuchte die Films Division versuchte eine eigenständige Politik durchzusetzen, waren ihre Bemühungen häufig zum Scheitern verurteilt. Der Versuch, die Kinos zu zwingen, Filme des Ministeriums zu zeigen, ließ sich nicht durchsetzen. Nur durch Einlenken der Cinematograph Exhibitors‘ Association bekamen die Kurzfilmproduktionen der Films Division regelmäßige Aufführungzeiten in den Kinos. Bei den Quota-Regelungen für lange Dokumentarfilme zog die Films Division gegenüber dem Board of Trade den kürzeren. Bei ihrem Versuch, den Markt für Spielfilme in den befreiten Ländern gerecht aufzuteilen, wurde sie von den Amerikanern ausgetrickst. 3 Conditions of Contract, § 20, May 1942, a.a.O. 471 Der Einstieg in die Spielfilmproduktion mit Western Approaches endete mit der Beinahe-Zerschlagung der eigenen Crown Film Unit, die fortan nur noch ein Mauerblümchen-Dasein fristete. Als schließlich die unterschiedlichen Heereseinheiten ihre eigenen Film Units etablierten, wurde auch deren Verantwortlichkeit neu geregelt. Hatte die Films Division als Auftragsproduzent des War Office noch Einflussmöglichkeiten auf Inhalt und Form der Filme, verlagerte sich mit der Etablierung der eigenständigen Film Units diese Verantwortung auf den militärischen Stab und ließ die Films Division aussen vor. Die Arbeit hat gezeigt, dass die Films Division genügend Möglichkeiten besaß, Einfluss und Kontrolle während des Produktionsprozesses ihrer Filme auszuüben. Neben Produktionsverträgen, die die Vertragsnehmer fast vollständig in die Verantwortung der Films Division zwangen, wurde die „Hilfestellung“, die die Films Division einer Filmproduktion angediehen ließ – häufig in Form „guter Ratschläge“ bei einem Arbeitsessen – bindende Anweisung, die man besser nicht ablehnen sollte. Der Produktionsausstoß der Films Division war beeindruckend, sagt aber wenig über die Besucherzahlen der Filme aus. Von den über 2.000 Filmen kamen nur etwa 10 Prozent ins Kino und somit vor ein Millionenpublikum. Darunter fallen vor allem die 152 Five- und Fifteen-Minutes-Filme. Lediglich 66 weitere Filme wurden von Verleihern aufgrund ihres „booking merit“ übernommen und hatten eine kommerzielle Kinoauswertung. Von einem Millionenpublikum gesehen wurden auch die mehr als 200 kurzen „Government Trailer“, die am Ende eines Wochenschauprogramms liefen. Alle anderen Filme, und das waren das Gros der von der Films Division beauftragten Filme, waren Zielgruppenprogramme oder bestimmt für Aufführungen ausserhalb des britischen Mutterlands. 472 Lediglich für die Filme, die im Kino zu sehen waren, konnte die Films Division mit öffentlicher oder auch mit politischer Aufmerksamkeit rechnen. Alle weiteren Filme entgingen durch ihre Aufführungspraxis innerhalb des NonTheatrical-Programms der öffentlichen Kritik. Doch kontroverse Themen tauchten in dieser Programmsparte nicht auf. Die Unabhängigkeit wurde nicht als Chance genutzt. Auch die Filme des Non-Theatrical-Programms bestanden größtenteils aus affirmativen Beschreibungen des kriegsbedingten Alltags- und Arbeitslebens. Auch wenn dadurch Themen wie Faschismus/Totalitarismus, Antisemitismus/Rassismus, neue gesellschaftliche Formen/Sozialismus, und auch fast alle politischen wie sozialen Hoffnungen und Wünsche eines zukünftigen Friedens aussen vor blieben, hatten die Filme doch das Konzept des People’s War übernommen. Es bestand ein nationaler Konsens, die „Ordinary People“ in den Mittelpunkt nicht nur der Filme zu rücken und damit einerseits auf die Stimmung im Lande zu reagieren, andererseits aber auch gleichzeitig dieselbe erst zu erzeugen. 473 10. Anhang 10.1. Quellen und Literatur Unveröffentlichte Quellen General Post Office Records Department, London: Post 33: Akten, Vermerke, Memoranden, Korrespondenz der Post Office Film Unit Public Records Office, Kew: BW 2: Akten, Vermerke, Memoranden, Korrespondenz über die Filmaktivitäten des British Council BW 4: Korrespondenz des British Council mit dem Ministry of Information und dem Foreign Office über Filmaktivitäten INF 1: Planungsakten des Ministry of Information (Vermerke, Korrespondenz, Memoranden). Akten der Films Division des Ministry of Information (Vermerke, Korrespondenz, Memoranden) INF 5: Produktionsakten der Films Division des Ministry of Information (Korrespondenz, Vermerke) INF 6: Textlisten, Einstellungsprotokolle; Music Cue Sheets, Aktendokumentation einzelner Filme, die das Ministry of Information produziert hat Filmzeitungen / Filmzeitschriften Colonial Cinema, 1943-45 The Cine-Technician, 1936 - 1948 Daily Film Renter, 1939 - 1946 Documentary News Letter / Documentary Film News, 1940 - 49 The Journal of the British Kinematograph Society, 1939 - 1946 Kinematograph Weekly, 1939 - 1946 Monthly Film Bulletin Sight and Sound, 1932 - 1950 Today‘s Cinema, 1939 - 1946 474 Literatur Academy of Motion Picture Arts and Sciences, Academy War Film Library - Catalog of Prints May 1942 - May 1944, Hollywood (A.M.P.A.S.) 1944 Addison, Paul, The Road to 1945 - British Politics and the Second World War, London (Jonathan Cape) 1975 Aitken, Ian, Film and Reform - John Grierson and the Documentary Movement, London/New York (Routledge) 1990 Aldgate, Anthony/Richards, Jeffrey, Britain Can Take It - The British Cinema in the Second World War, Oxford (Basil Blackwell) 1986; Neuauflage: Edinburgh (Edinburgh University Press) 1994 Aldgate, Tony, Ideological Consensus in British Feature Films, 1935-1947, in: K.R.M. 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Bei meinen Recherchen habe ich weitere 183 Filme gefunden, die nicht in Thorpe/Pronay aufgelistet sind - in der Filmliste sind sie mit einem (*) gekennzeichnet. Die Filmliste enthält darüber hinaus alle Filme, für die ausführlichere Credits aufgrund der Produktions-unterlagen oder der Filmkopie und ergänzende Literaturangaben nachweisbar waren (Thorpe/Pronay werten nur die Documentary News Letter und das Monthly Film Bulletin aus). Bei Ergänzungen wurden zur besseren Information immer das Aufführungsjahr, die Produktionsgesellschaft und der Regisseur genannt. Aufgenommen wurden auch Korrekturen von Schreibweisen und offensichtliche Fehler von Thorpe/Pronay. Sie sind durch Unterstreichungen gekennzeichnet. bñáëíáÉêÉå=áã=mìÄäáÅ=oÉÅçêÇë=lÑÑáÅÉI=hÉï=çÑÑáòáÉääÉ=mêçÇìâíáçåëìåíÉêä~ÖÉåI=ëç=áëí=ÇáÉ=àÉJ ïÉáäáÖÉ=^âíÉååìããÉê=~åÖÉãÉêâíK=aáÉ=ìåíÉê=fkc=S=~ÄÖÉäÉÖíÉå=^âíÉå=ÉåíÜ~äíÉå=òìãÉáëí= ÇáÉ=hçããÉåí~êJ=çÇÉê=aá~äçÖäáëíÉI=Ç~ë=báåëíÉääìåÖëéêçíçâçää=ìåÇ=Ç~ë=jìëáÅ=`ìÉ=pÜÉÉí= ÇÉë=ÑÉêíáÖÉå=cáäãëK=sÉêíê~ÖäáÅÜÉ=ìåÇ=êÉÅÜíäáÅÜÉ=sÉêéÑäáÅÜíìåÖÉå=ÇÉë=jáåáëíêó=çÑ=fåÑçêã~J íáçå=ëáåÇ=Ç~êáå=Ü®ìÑáÖ=åìê=åçÅÜ=áå=í~ÄÉää~êáëÅÜÉê=§ÄÉêëáÅÜí=ÇçâìãÉåíáÉêíI=Ç~=îáÉäÉ=ÇÉê= ^âíÉåI=~ìÑ=ÇáÉ=ëáÉ=ëáÅÜ=ÄÉòáÉÜÉåI=áå=ÇÉå=g~ÜêÉå=Äáë=NVRO=îÉêåáÅÜíÉí=ïìêÇÉåK== Abkürzungen: Jahreszahl: Aufführungsjahr. PC: Produktionsgesellschaft (Production Company [A.K.S. = Army Kinematography Service]), R: Regie (Director), P: Produzent oder Auftraggeber (Producer), AssocP: Associate Producer, B: Buch (Script), Comm: Kommentar (Commentary), Narr: gesprochen von (Narration), K: Kamera (Camera), Sch: Schnitt (Editor), T: Ton (Sound), AD: Art Director, M: Musik, MDir: Musikalische Leitung (Musical Direction), Cont: Continuity. D: Darsteller (Cast), Distr: Verleih (Distribution [CFL = Central Film Library]), Ref: Literaturangaben (References [Auf den Mikrofiches des British Film Institute (BFI) finden sich vor allem Artikel aus zeitgenössischen Tages- und Wochenzeitungen, manchmal auch Pressehefte und -informationen. KW = Kinematograph Weekly, MFB = Monthly Film Bulletin, MPH = Motion Picture Herald, TC = Today’s Cinema]). Ass: Assistenten in den jeweiligen Berufen. PRO: INF: Public Records Office, Kew/London und Aktenkategorie. Für Angaben, die auch bei Thorpe/Pronay fehlen, wie die genauen Aufführungsdaten der Filme (Monat des jeweiligen Jahres), der Einordnungen der Filme in das Five-oder Fifteen- 496 Minutes Film Scheme, in den Theatrical oder Non-Theatrical Verleih und die genauen Längenangaben, verweise ich auf die akribischen, wenn auch nicht vollständigen Listen, die die Zeitschrift Documentary News Letter in Zusammenarbeit mit dem Ministry of Information publiziert hat: Für den Zeitraum 3.9.1939-30.6.1942: Catalogue of Films, made and acquired by the Ministry of Information, from the outbreak of war till June 30th, 1942, in: Documentary News Letter, Vol. 3, No. 10, October 1942, S. 136-142. Für den Zeitraum 1.7.-31.12.1942: Catalogue of films, made and acquired by the Ministry of Information, from July 1st till December 31st, 1942, in: Documentary News Letter, Vol. 4, No. 3, March 1943, S. 192-194. Für 1943: Catalogue of films made by the Ministry of Information in 1943, in: Documentary News Letter, Vol. 5, No. 2, 1944, S. 17-19. Für 1944: Catalogue of M.O.I. Films made in 1944, in: Documentary News Letter, Vol. 5, No. 50, 1945, S. 106-107;109. Für 1945: Catalogue of M.O.I. films made in 1945, in: Documentary News Letter, Vol. 6, No. 53, 1946, S. 46 A-Tish-Oo 1941. PC: Verity. R: Maxwell Munden. KAss: Dennis Densham. M: Francis Chagrin. Distr: National Screen Service A.B.C.D. of Health 1942. PC: Spectator. R: Jack Ellitt. PRO: INF 6/491 A.T.S. 1941. PC: Army Film Unit. R: Hugh Stewart. M: Richard Addinsell A1 At Lloyd’s 1941. PC: Strand. R: Ralph Bond. M: John Greenwood Abu and the Poisoned Well siehe Abu Zeid and the Poisoned Well Abu Zeid and the Dungeon 1943. PC: Halas & Batchelor. R: John Halas, Joy Batchelor. B: Alexander Mackendrick. M: Matyas Seiber Abu Zeid and the Poisoned Well 1943. PC: Halas & Batchelor. R: John Halas, Joy Batchelor. B: Alexander Mackendrick. M: Matyas Seiber Abu Zeid Builds a Dam 1943. PC: Halas & Batchelor. R: John Halas, Joy Batchelor. B: Alexander Mackendrick. M: Matyas Seiber Abu Zeid’s Harvest 1943. PC: Halas & Batchelor. R: John Halas, Joy Batchelor. M: Matyas Seiber Abu’s Dungeon siehe Abu Zeid and the Dungeon Abu’s Harvest siehe Abu Zeid’s Harvest Accident Service 1944. PC: GB Instructional. R: A.R. Dobson According to Our Records 1944. PC: A.K.S. M: John Bath 497 Ack - Ack 1941. PC: Shell. R: Peter Baylis. Distr: National Screen Service. PRO: INF6/436 Adeste Fideles 1941. PC: Strand. R: Ralph Keene/Ralph Bond. T: Al Rhind. Sch: Michael Gordon Africa Freed INF 1/223 African in London, An 1941. PC: Colonial Film Unit. R: George Pearson. INF 1/225 Africans’ War Effort 1942. PC: Colonial Film Unit Air Plan, The 1945. PC: Royal Air Force Film Production Unit. M: Hubert Bath. Narr: Eric Portman. Distr: Anglo-American. Ref: BFI Microfiche Airwoman 1941. PC: G-B Screen Services. R: Francis A. Searle. B: Harold B. Goodwin. T: Norman Leevers (British Accoustic Film). ProdMan: Eric Dane. Distr: National Screen Service. PRO: INF 6/437 *Alakija 1942. PC: Colonial Film Unit Albert’s Savings 1940. PC: Merton Park. R: H.V.Purcell. P: W.H.Williams für National Savings Committee. Story: Marriott Edgar. Distr: National Screen Service Alert in the East 1941. PC: Movietone News. PRO: INF 6/438 All for Norway 1946. PC: Strand. R: Donald Taylor. M: Roy Douglas „All Hands“ 1940. PC: Ealing Studios. B+R: John Paddy Carstairs. D: John Mills (Sailor), Leveen MacGrath (Waitress), Gertrude Makeham, Gertrude Musgrove, Ralph Roberts, Annie Esmond, Carl Jaffe, Hans Wengraf. Distr: MGM. Ref: BFI Microfiche; TC Vol. 54 No. 4393, 26.3.1940; KW 2.5.1940. PRO: INF 6/524 „All Those in Favour?“ 1944. PC: Paul Rotha Production for MoI. R+B: Donald Alexander. K: Geoffrey Faithful. T (Location): William Norris. Re-Rec: W.S. Bland (RCA). Unit Man: Bladon Peake. Assist: Yvonne Fletcher. Titel: Arthur Mann (War Correspondent of the Mutual Broadcasting Corporation) Investigates Local Government in Rural England America Moves Up! siehe Front Line Camera No. 1. American Prefabricated House 1945. PC: Ministry of Works. Distr: CFL (bei Thorpe/Pronay als How to Erect the American Prefabricated House) Answer, The 1941. PC: Spectator. R: Alex Bryce. P: Ivan Scott. K: C. Hornby, A.H. Luff. Sch: N. Wiggins. T: W. S. Bland. MArr: C. Ridley. Distr: Associated British Film Distributors. Ref: TC 17.9.1940 + 9.2.1940 Anti-Personnel Bomb