18. internationales forum 16

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18. internationales forum
des jungen films berlin 1988
LA COMEDIE DU TRAVAIL
Die Komödie der Arbeit
Land
Frankreich 1987
Produktion
Video 13 production, L a Sept,
Les Films d'ici, Ministère de la
culture
Regie, Buch
L u c Moullet
Kamera
Richard Copans, Brigitte Barbier,
C y r i l l Renaud
Ton
Patrick Frederich
Dekor
Marie-Josephe Medan,
J e a n - F r a n ç o i s Labau
Skript
Barbara Constantine
Kostüme
Monic Parelle
Schnitt
Françoise Thevenot, Marie-Agnes
B l u m , Jocelyne Ruiz
Produktionsleitung
Michèle Cretel, Paul Saadoun
Darsteller
Benoît Constant
Françoise D u m
Sylvain Berg
Roland Blanche
Sabine Haudepin
Henri Deus
Benoits Frau
Antragsteller
Alter Globetrotter
Angestellter i m Zahlungsbüro
Leiter des Arbeitsamtes
Francoises Freundin
Benoîts Sohn
Concierge
Buchhändlerin
Straßenarbeiter
Straßenarbeiter
Bankdirektor
Zahlungsformular-Verkäuferin
Aufseher i m Zahlungsbüro
Mann i m Flur des Zahlungsbüros
Alter Arbeitsloser
Hausfrau
Aufseherin i m Arbeitsamt
Frauen, die sich i m
Arbeitsamt beschweren
Antonietta Pizzorno
Jean Abeille
Max Desrau
Claude Merlin
Michel Delahaye
Françoise V a t z l
Benjamin Chedal
Micha Bayard
Paulette Dubost
Aristide Demonico
Emile Salvador
Olivier Hamel
Caroline Chedal
Richard Bigotini
Frau i m Arbeitsamt
Priester
Ducroq
Kollegin Ducroqs
Tankstellenwärterin
Elektriker
Konservator
Messaoud
Maurice Chevit
Christina Lopez
Dominique Zardi
Claude Buchwald
Sophie Delaage
Manuela Gourary
Michèle Brujaille
Noël Simsolo
François V i a u r
Nicole Renard
Annie Savarin
Jean-Marc de Samie
Pierre Belot
16
f „ Ä Ä
Arbeitsloser,
der geschlagen wird
Polizist
Rechtsanwalt
Jacques Nolot
Uraufführung
12. November 1987, J o u r n é e s
C i n é m a t o g r a p h i q u e s d'Orléans
Max A n d r é
Bruno Abraham Kremer
Format
35 m m , Farbe, 1 : 1.66
Länge
88 Minuten
Inhalt
Die Handlung des Films spielt i n unseren Tagen und i m wesentlichen i n der Region von Paris. M a n sieht nacheinander drei Personen, die u m 7 U h r morgens erwachen und die keinerlei Beziehung zueinander zu haben scheinen:
Bendît Constant, ein kleiner kahlköpfiger Vierziger, verheiratet,
ein K i n d , steht auf und macht sich bereit, zur Arbeit zu gehen.
Françoise D u m , dreißig Jahre, nicht verheiratet, wacht eigentlich nicht auf: als der Wecker u m sieben U h r klingelt, ist sie noch
umgeben von einer Flut von Notizen und Zetteln, die auf ihrem
Bett ausgebreitet sind.
Sylvain Berg, 36, wird von der Sonne aufgeweckt, deren Strahlen ihn auf dem Felsenvorsprung erreichen, w o er biwakiert.
Man folgt den verschiedenen Etappen des Weges, auf dem sich
Benoît zur Bankfiliale begibt, wo er seit zehn Jahren arbeitet.
A n diesem Morgen erwartet ihn eine gute Nachricht: er ist befördert worden. E r hat jetzt ein eigenes Büro. E r ist beauftragt,
die Kreditwünsche von K u n d e n entgegenzunehmen, u n d seine
Anweisung lautet, diese Anträge allesamt abzulehnen. M a n sieht,
wie er einen alten K u n d e n der Bank entmutigt, obwohl dieser
alle erwünschten Garantien mitzubringen scheint. Nach einigen Tagen kommt niemand mehr in sein Büro, wo er seine Zeit
schlafend verbringt.
A u f seiner Rückreise von den A n d e n begegnet Sylvain einem
sechzigjährigen Herrn, der das gleiche Leben führt wie er: er
durchreist die Welt und kehrt nur einen Tag i m Monat nach Paris zurück, um sich beim Arbeitsamt z u melden, was ausreicht,
u m eine monatliche U n t e r s t ü t z u n g von 7.000 Francs zu kassieren, die auf der Grundlage früherer Gehaltsbescheinigungen errechnet wurde.
Luc Moullet über seinen Film
Heute sehen sich die Franzosen einem u n l ö s b a r e n Problem konfrontiert: auf der einen Seite sind sie häufig dazu genötigt, vermittels einer Arbeit Geld zu verdienen; auf der anderen Seite
sind die meisten Beschäftigungen, die zur Verfügung stehen, ohne
jedes Interesse, ohne Nutzen, oft sogar schädlich: die Franzosen
k ö n n e n sich i n ihrer Arbeit nicht mehr wiedererkennen.
Diese Denaturierung der Arbeit erklärt sich durch den Ubergang
von der ländlichen Zivüisation, i n der der Mensch seinen Unterhalt
direkt aus der Arbeit bezog, zu einer industriellen Zivilisation,
i n der die Dienstleistungen einen g r o ß e n R a u m einnehmen: sehr
oft weiß der Mensch nicht einmal mehr, w o z u seine Arbeit ei-
e
gentlich nützlich ist, was für einen Gegenstand er herstellt, wenn
er ü b e r h a u p t einen herstellt, was immer seltener wird. Manchmal klammern sich die Leute, u m besser leben zu k ö n n e n , auf
neurotische Weise an ihr 'Metier' und geben dadurch dem Bedeutungslosen eine A u r a des A u ß e r g e w ö h n l i c h e n . Das ist vielleicht die h ö c h s t e F o r m der Entfremdung. Diese Situation und
dieser Widerspruch, die eigentlich tragischer Natur sind, enthalten jedoch, besonders wenn man die ganz verschiedenen Reaktionsweisen gegenüber diesem D i l e m m a einander konfrontiert,
einen hohen A n t e i l an K o m i k .
L u c Moullet
Kritik
Frage: Sie haben mit Genese einer Mahlzeit die Z u s a m m e n h ä n g e
der Nahrungsmittelversorgung bloßgestellt, und jetzt folgt eine
bissige und b e i z e n d e ' K o m ö d i e ' . Haben Sie noch andere Projekte
dieser A r t ?
Moullet: Ich m ö c h t e zu meiner K o m ö d i e einen Nachfolgefilm
über die Abenteuer meines professionellen Arbeitslosen bei seinen Fahrten durch die Welt drehen. Die Handlung wird i n Peru und i n Nepal spielen. Mein allernächster F i l m wird eine Saga
der Adelsgeschlechter sein, u n d ich m ö c h t e auch eine Geschichte der französischen 'Abschreckungsmacht' drehen.
Frage: E i n Sujet, das man schwer auf humoristische A r t behandeln kann ...
Moullet: Ganz u n d gar nicht. Es gibt übrigens keine tabuierten
Alles, was uns an den früheren Filmen Moullets gefallen hat —
das Z ä h n e k n i r s c h e n u n d das J u b ü i e r e n , die scheinbare Planlosigkeit der Regie, die absolute und u n e r h ö r t e Originalität der
Sujets, die brennende A k t u a l i t ä t der Themen u n d der poetische
Blick über die Grenzen der Zeit hinaus — alles das ist in dieser
K O M Ö D I E D E R A R B E I T gegenwärtig.
Mehr noch: diese Elemente sind hier bestätigt u n d sogar noch
vervielfältigt. 35 mm-Format u n d Farbe war man bei Moullet
nicht eben gewohnt (aus G r ü n d e n der Wirtschaftlichkeit, aber
auch aus freier Entscheidung des Regisseurs). Aber der Erfolg
dieses Films ist einmalig und überschreitet alle Grenzen des
zeitgenössischen komischen Kinos. Als ob der Filmemacher
die brutale u n d zynische antiproletarisch-poujadistische A n griffskraft eines M o c k y mit der poetischen Schwerelosigkeit
eines Tati zur Verschmelzung gebracht h ä t t e , um am Ende mehr
denn je Moullet zu sein.
Die Kunst, arbeitslos zu sein, k ö n n t e der Untertitel dieser
Abenteuer des Familienvaters und Bürokraten R o l a n d Blanche
und der Sozialberaterin Sabine Haudepin sein.
Die Galerie der Personen, die sie umgibt, ist h ö c h s t amüsant,
und die Philosophie Moullets (ja, sie ist sehr gegenwärtig!)
trifft ins Schwarze: Rette sich wer kann vor dieser verdammten Arbeit!
Dominique Paini, Ciné-club des Cahiers du Cinéma, Paris,
November 1987
*•
Sujets. Ich kann nur arbeiten, wenn ich Stoff zum Lachen finde.
Frage: Gelingt es Ihnen, mit Ihren zugespitzen Sujets die F i l m liebhaber z u erreichen?
Moullet: V o n den elf Filmen, die ich seit 1960 gedreht habe,
war nur einer defizitär. U m noch etwas zu den Finanzen zu sagen: 61 % der Einspielergebnisse meiner Filme kommen aus dem
Ausland. Das P u b l i k u m i n Algerien, Kanada und Deutschland ist
besonders aufnahmebereit.
Frage: Sie leugnen nicht eine gewisse Verwandtschaft mit M o c k y
und Tati. Sind das Ihre einzigen Referenzen?
Moullet: N e i n . Ich fühle mich tatsächlich als englischer Filmemacher.
Interview von Roland Spenle i n : L a r é p u b l i q u e du centre,
Orleans, 13. 11. 1987
Biofilmographie
L u c Moullet, geboren 1937 i n Paris. Filmkritiker bei den Cahiers
du Cinéma und anderen Zeitschriften. A u t o r eines Buches über
Fritz Lang (1973). Gelegentliche Tätigkeit als Darsteller u n d Produzent.
Filme;
1960
Un steak trop cuit (Kurzfilm)
1961
Terres Noires (Kurzfilm)
1962
Capitol
(Kurzfilm)
Luc Moullet ist ein Filmemacher, der ein subtiles Spiel mit
dem Zuschauer treibt. E r gibt etwas z u sehen; der Zuschauer
m u ß die Anstrengung vollbringen, den Gegenstand anzuschauen. Immer geht er mit H u m o r vor und nicht ohne Suche nach
dem Schock oder der Überraschung. Ist das der G r u n d für sein
Schweigen, das mehrere Jahre lang dauerte? Denn er amüsiert
sich, er verformt die Codes und die Genres. I n D I E K O M Ö D I E
D E R A R B E I T zeichnet er ein B i l d der Arbeit u n d der Arbeitslosigkeit i n Frankreich. Die Begegnungen der drei Personen
sind überraschend. Die Subversion verbindet sich mit dem Lächeln.
1966 Brigitte et Brigitte
Jean-Louis Manceau^in'.Cinéma, Paris, 25. 11. 1987
1987
1967
Les
1971
Une Aventure de Billy le Kid
Contrebandières
1975 Anatomie d'un rapport
1978
Genèse d'un repas
1981 Ma première brasse
1982 Introduction
1983 Les minutes d'un faiseur des films
Les Havres
1984 Barres
1986 L'empire de Medo c
Interview
Frage: Das P u b l i k u m der J o u r n é e s Cinématographiques d'Orléans, das Ihren F i l m D I E K O M Ö D I E D E R A R B E I T i n der ersten Aufführung gesehen hat, hat Ihren F i l m sehr gut aufgenommen. Aber bestimmte Reaktionen, die i m Verlauf der Diskussion zu Tage traten, beweisen doch, d a ß die Arbeitslosigkeit ein
Thema ist, das sehr vorsichtig behandelt werden m u ß .
Moullet:.lch gebe z u , d a ß es in meinem F i l m einen A n t e i l der
Provokation gibt. Ich wollte mit der einschlägigen Darstellungsweise dieser Thematik brechen.
Frage: Indem Sie das Thema der Arbeitslosigkeit behandeln, machen Sie nicht gleichzeitig auch der Arbeit i n ihren entfremdeten Merkmalen den Prozeß?
Moullet: Die beiden Dinge entsprechen einander. Ich stelle die
Fragwürdigkeit einer bestimmten A r t v o n Arbeit b l o ß , insbesondere die des Stachanowismus, wie i h n Sabine Haudepin verkörpert.
La valse des médias
L A COMEDIE D U T R A V A I L
(Kinostart i n Frankreich 9.3.1988 i n Paris)
herausgeben internationales forum des jungen films / freunde der
deutschen kinemathek, berlin 30, welserstraße 25 (kino arsenal)
druck: grafiepress, berlin 3 1 , detmolder str. 13
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