Die Boxerkeratitis

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Die Boxerkeratitis
Warum nicht jede oberflächliche Hornhautläsion eine einfache Verletzung ist,
und wie bei der Diagnose Boxerkeratitis therapeutisch vorzugehen ist.
VON DR. MED. VET. SABINE WACEK
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Kleintierpraxis | 19
© Sabine Wacek
Abb. 1
Abb. 1: Aufbau der Hornhaut.
verantwortlich ist. In der Hornhaut befinden sich primär
keine Blutgefäße. Bei einem Defekt können sie vom Limbus
nach 3-7 Tagen einwachsen – mit einer Geschwindigkeit von
etwa 1 mm pro Tag.
Die durchschnittliche Hundehornhaut hat zentral eine
Dicke von 0,45-0,55 mm und peripher von 0,5-0,65 mm.
Eine Läsion im Hornhautepithel heilt durch ein Gleiten der
benachbarten Zellen über den Defekt und anschließender
Zellteilung. Durch Zellteilung erreicht das Epithel wieder
seine normale Dicke. Wenn das gesamte Epithel entfernt
wird, dauert es etwa 48-72 Stunden, bis die Hornhaut wieder durch ein Gleiten der Epithelzellen bedeckt wird.
Bei einem Defekt, der bis in das Stroma reicht, müssen
anschließend an den Verschluss durch das Epithel die Keratozyten das fehlende Stroma wieder herstellen.
Entscheidend bei der Boxerkeratitis ist, sie als solche zu erkennen. Sollte eine oberflächliche Hornhautläsion nach 1-2
Wochen nicht abgeheilt sein, handelt es sich nicht um eine
einfache Verletzung. Die richtige Therapie führt in einer
vergleichbar kurzen Zeit zur Heilung und erspart dem Tier
wochen- bis monatelang andauernde Schmerzen.
Klinisches Bild und Diagnose Der Name „Boxerkerati-
Anatomische und physiologische Grundlagen
„In der Hornhaut befinden sich primär keine
Blutgefäße. Bei einem Defekt können sie vom
Limbus nach 3 bis 7 Tagen einwachsen.“
Die Hornhaut des Hundes besteht aus 4 Schichten (Bild 1):
•
Epithel mit Basalmembran
•
Stroma
•
Descemetsche Membran
•
Endothel.
Das Epithel besteht aus mehreren Zellschichten. Die Verbindung der Epithelzellen mit dem Stroma erfolgt durch
Hemidesmosomen.
Das Stroma macht etwa 90% der Hornhautdicke aus.
Es setzt sich aus parallelen Kollagenfaserbündeln, einigen
Keratozyten und einer Matrix aus Glykosaminoglykanen
„Der Begriff Boxerkeratitis ist zwar gängig,
aber irreführend, da die Hornhauterkrankung
bei allen Hunderassen auftreten kann.“
zusammen. Im Stroma befinden sich zahlreiche sensorische
Nervenbündel, deren Nervenendigungen bis in die inneren
Epithelschichten reichen. Sie entstammen Ästen des Nervus
trigeminus. In der Regel haben brachycephale Rassen eine
geringere Hornhautsensibilität.
Die Descemetsche Membran ist die Basalmembran der
Endothelzellen, einer einschichtigen Zelllage von hexagonal geformten Zellen. Eine wichtige Aufgabe dieser Zellen
übernimmt die dort befindliche Na+K+ATPase-Pumpe, die
ständig Wasser aus der Hornhaut in die vordere Augenkammer pumpt und somit für die Transparenz der Hornhaut
tis“ ist zwar gängig, aber irreführend, da diese Hornhauterkrankung bei allen Hunderassen auftreten kann. Andere
häufig verwendete Bezeichnungen sind: Indolente(r) Ulkus/
Erosion, Rezidivierende Hornhauterosion, Persistierende
Hornhauterosion, Refraktärer Hornhautulkus. Es handelt
sich bei dieser Erkrankung um eine chronische Hornhauterosion, die nicht über einen normalen Heilungsprozess abheilt. Sie ist häufig im Bereich der zentralen Hornhaut zu finden. Dort kann die Erosion unbehandelt Monate bestehen.
Gehäuft tritt sie bei älteren Hunden (7-9 Jahren) auf.
Das charakteristische Krankheitsbild zeigt eine Erosion mit
einem Ring an losem Epithel (Bild 2). Zunächst ist eine mehr oder
weniger große Läsion zu sehen – häufig nur eine zarte rauchige
Trübung, die sich nicht mit Fluoreszein anfärbt. Mit
einem trockenen Baumwolltupfer lässt sich jedoch
sehr leicht ein mehr oder weniger großer Bereich an Epithel ablösen (Bild 3). Blutgefäße
wachsen meist erst sehr spät ein – je näher
die Läsion am Limbus liegt, desto früher
ist mit einem Einwachsen von Gefäßen
zu rechnen (Bild 4).
Zu Beginn haben die Hunde oft
starke Schmerzen, die sich in einem
Blepharospasmus und Tränenfluss
zeigen; die Bindehaut ist gerötet.
Häufig kommt es zu Rezidiven am
selben oder kontralateralen Auge. Es
sollte auch auf Augenveränderungen
wie Distichien (Bild 5), Lidfehlstellungen o.ä. geachtet werden. Differentialdiagnostisch muss an eine Erosion anderer Genese
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Abb. 3
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Abb. 2
Abb. 2: Rezidivierende Hornhauterosion („Boxerkeratitis“): Die rauchige Trübung färbt sich zunächst nicht mit Fluorescein an;
Abb. 3: Rezidivierende Hornhauterosion: Nach Ablösen des losen Epithels färbt sich ein größeres Hornhautareal mit Fluorescein an.
gedacht werden (Bindehautsack/Nickhaut auf Fremdkörper
untersuchen!), die jedoch keine losen Epithelränder zeigen.
Ursachen Die Ursache ist noch nicht völlig geklärt. Beim
Boxer wurde eine Verminderung der Hemidesmosomen der
Basalmembran gefunden. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien zu diesem Thema; sie zeigen einen Zusammenhang mit
einer Veränderung des oberflächlichen Stromas und einer
verzögerten Hornhautheilung.
In dem unter dem Epithel liegenden Stroma wurde eine
hyalinisierte Zone gefunden. Auch eine Veränderung des
Neuropeptids Substanz P könnte beteiligt sein.
Es konnte gezeigt werden, dass Faktoren, die für die normale Epithelmigration wichtig sind, nicht exprimiert werden
(E-cadherin, ß-catenin, ß-actin, Desmoplaktin).
thel mit einem Baumwollstieltupfer – eventuell mit Zuhilfenahme einer Arrugapinzette – entfernt werden („Debridement“). Erst dann kann beurteilt werden, wie groß das be-
„Bei den Hornhautdefekten muss die Augenuntersuchung einen Schirmer Tränentest
umfassen – auch des kontralateralen Auges.“
troffene Areal ist. Bei kleinen Defekten kann es ausreichen,
die Erosion mit einer ca. 5%igen Jodlösung („Solutio jodi
spirituosa“) und einem Baumwollstieltupfer zu touchieren.
Diese Prozedur kann in 10- bis 14tägigem Abstand wiedAbb. 5
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Abb. 4
Therapie Therapeutisch sollte zunächst das gesamte lose Epi-
Abb. 4: Blutgefäße wachsen vom Limbus her zu einem Hornhautdefekt; Abb. 5: Hornhauterosion, verursacht durch eine Distichie.
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erholt werden. Meist ist es aber erforderlich, eine Gridkeratomie durchzuführen (Bild 6+7). Hierbei wird mit einer 25-gauge Kanüle oberflächlich ein gitterförmiges Muster in die Hornhaut gekratzt. Die Kratzer sollten dabei ca.
0,5-1 mm weit in das gesunde Gewebe geführt werden.
Alternativ kann auch eine Hornhautfräse verwendet werden
(Bild 11). Dabei werden aus dem Stroma Substanzen der extrazellulären Matrix freigesetzt (z.B. Kollagen IV, Laminin),
Abb. 7
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Abb. 6
die eine wichtige Rolle in der Epithelhaftung spielen und so
ein Abheilen begünstigen. Alle bisher genannten Maßnahmen werden unter Lokalanästhesie mit 4%igen Oxybuprocainhydrochlorid-Augentropfen durchgeführt.
Zur sichereren Handhabung kann die Nadel an der Spitze
in einer Arterienklemme fixiert werden, sodass bei Kopfbewegungen die Hornhaut nicht perforiert werden kann.
In der Regel genügt eine einzige Behandlung mittels Grid-
Abb. 6: Gridkeratomie; Abb. 7: Rezidivierende Hornhauterosion nach Gridkeratomie (mit Fluorescein gefärbt).
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Abb. 8
Verabreichung von antibiotischer Augensalbe (3x täglich).
Tetracyclin-Augensalbe soll eine positive Wirkung haben, da
sie die Matrixmetalloproteinasen hemmt, die am Abbau von
Hornhautgewebe beteiligt sein können.
Ist die Pupille auf der betroffenen Seite enger (Irisspasmus), wird Atropin 1%-Augensalbe oder -tropfen gegeben
(kontraindiziert bei trockenem Auge). Zeigt das Tier starke
Schmerzen, kann für einige Tage ein NSAID oral verabreicht
werden.
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Was noch zu beachten ist Bei Defekten der Hornhaut
ist es wichtig, dass die Augenuntersuchung einen Schirmer
Tränentest umfasst – auch des kontralateralen Auges.
Abb. 8: Keratokonjunktivitis sicca.
„Die Hornhautheilung von Hunden mit einer
Keratokonjunktivitis sicca ist meist verzögert;
es muss ein Tränenersatz gegeben werden.“
keratomie und bei Bedarf nach frühestens 10 Tagen ein
Touchieren mit Jodlösung. Bei therapieresistenten Fällen
wird eine Keratektomie in Vollnarkose durchgeführt.
Andere Therapiemethoden umfassen das punktuelle Kautern mit einem speziellen Hornhautkauter, die Verwendung
von Gewebekleber und das Einsetzen einer Kontaktlinse oder
eine Nickhautschürze. Die Nachversorgung besteht in der
Hunde mit trockenen Augen haben durch den Reiz am
betroffenen Auge zwar oft einen Wert über 15 mm, das gesunde Auge zeigt aber den tatsächlich reduzierten Wert.
Die Hornhautheilung von Hunden mit einer Keratokonjunktivitis sicca (Bild 8) ist meist verzögert und es muss ein
Tränenersatz gegeben werden. Solange die Hornhaut nicht
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Abb. 9
Abb. 10
Abb. 9: Endotheliale Hornhautdystrophie; Abb. 10: Schwarze Hornhautnekrose mit losen Epithelrändern.
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Abb. 11
Abb. 11: Hornhautfräse.
abgeheilt ist, sollte eine lokale Therapie mit Cyclosporin
nicht durchgeführt werden. Wird eine Hornhauterosion,
die sich wie eine Boxerkeratitis darstellt, von einem starken
Hornhautödem begleitet, kann die primäre Ursache auch im
Endothel liegen (Endotheliale Hornhautdystrophie, Bild 9).
Literatur
Gilger CB, Olliver FJ, Bentley E.: Diseases and Surgery of the
Canine Cornea and Sclera. In: Veterinary Ophthalmology; Blackwell
Publishing, 4. Auflage, 2007, 701-705.
Gelatt K, Samuelson D.: Recurrent corneal Erosions and epithelial Dystrophy in the Boxer dog. J Am Anim Hosp Assoc 1982;
19: 453-460.
„Katzen können ein der Boxerkeratitis
ähnelndes Krankheitsbild zeigen.“
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Stanley R, Hardman C, Johnson B.: Results of grid Keratotomy,
superficial Keratectomy and Debridment for the management of
persistent corneal Erosions in 92 dogs. Vet Ophthalmol 1998;
1: 233-238.
Bentley E, Abrams GA, Covitz D, et al.: Morphology and Immunohistochemistry of spontaneous chronic corneal epithelial Defects
(SCCED) in dogs. Invest Ophthalmol Vis Sci 2001; 42: 2262-2269.
Dr. med. vet. Sabine Wacek, Diplomate ECVO
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In diesem Fall führt eine Gridkeratomie meist nicht zur
Heilung und es muss entsprechend der Ursache behandelt
werden. Kortisonhältige Augensalbe/-tropfen sind bei Hornhautläsionen generell kontraindiziert! Sie können zu einem
Kollagenaseulkus und dadurch sogar zu einer Hornhautperforation führen.
Katzen können ein Krankheitsbild zeigen, das dem der
Boxerkeratitis ähnelt. Diese Veränderungen werden mit einer
Infektion des Felinen Herpesvirus 1 in Verbindung gebracht.
Diese Defekte dürfen keinesfalls mit einer Gridkeratomie
behandelt werden, da sie zur Entstehung einer Schwarzen
Hornhautnekrose (siehe Bild 10) führen kann.
Kirschner S.: Persistent Corneal Ulcers: What to do when Ulcers
won’t heal? Vet Clin N Am 1990; 20: 627-642.
ist als Augenfachtierärztin in der Tierklinik Hollabrunn tätig und
bietet einen Ophthalmologischen Dienst für Tierärzte an.
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