Reaktionsenthalpie - Uni

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Modul
Chemische Thermodynamik:
Reaktionsenthalpie
M. Broszio, F. Noll, Oktober 2007, Korrekturen September 2008
Lernziele
Der vorliegende Versuch beschäftigt sich mit Fragestellungen der Thermochemie, welche sich
als Teilgebiet der physikalischen Chemie mit dem Wärmeumsatz chemischer Reaktionen befasst. Hierbei werden Methoden zur Ermittlung des Wärmeumsatzes und die dabei zu beachtenden Umstände behandelt.
Stichworte zur Vorbereitung
Reaktionsenthalpie, HESSscher Satz, Wärmekapazität, Verbrennungswärme, Kalorimetrie,
erster Hauptsatz.
1. Theoretischer Teil
1.1 Innere Energie und Reaktionsenthalpie bei isochoren und isobaren Prozessen
In der Thermodynamik wird die gesamte in einem System vorhandene Energie als innere
Energie U bezeichnet. Für eine Änderung der inneren Energie gilt (als Folge des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik)
ΔU = q + w
(1.1)
(ΔU Änderung der inneren Energie, q ausgetauschte Energie in Form von Wärme, w Arbeit, welche am System
verrichtet wird)
womit für die Änderung der molaren inneren Energie gilt:
ΔU m =
ΔU
n
(1.2)
(ΔUm molare innere Energie, n Stoffmenge)
woraus sich nach (1.1)
ΔU m =
q+w
n
(1.3)
ergibt.
Bei chemischen Reaktionen können zwei Fälle unterschieden werden:
Zu einen solche, bei welchen der Druck im Reaktionsverlauf konstant bleibt (isobar) und solche, bei welchen das Reaktionsvolumen konstant gehalten wird (isochor). Praktisch lassen
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sich diese beiden Reaktionsführungen durch ein offenes bzw. geschlossenes Reaktionsgefäß
verwirklichen.
Bei konstant gehaltenem Volumen, also isochorer Reaktionsführung, leistet das System keine
Arbeit (w=0); für ΔU gilt:
ΔU V = qV
(1.4)
(ΔUV: Änderung der inneren Energie bei konstant gehaltenem Volumen, qV ausgetauschte Wärme bei konstantem Volumen)
Im Gegensatz dazu vermag das System bei isobarer Reaktionsführung Druck-Volumen-Arbeit
zu leisten; für ΔU ergibt sich:
ΔU P = q P + p (V f − Vi ) = q P − pΔV
(1.5)
(ΔUP Änderung der inneren Energie bei konstantem Druck, qp mit System ausgetauschte Wärme bei konstantem
Druck, p Druck, Vf Endvolumen, Vi Anfangsvolumen)
1.2 Die Enthalpie
Die Enthalpie H eines Systems ist definiert als
H = U + pV
(1.6)
Aus dem oben gegebenen Zusammenhang folgt, dass die Änderung der Enthalpie gleich der
bei konstantem Druck ausgetauschten Wärme ist.
ΔH = q p
(1.7)
Ebenso gilt für die Enthalpie eines ideales Gases nach dem idealen Gasgesetz
pV = nRT
(1.8)
(R Gaskonstante, T Temperatur)
H = U + nRT
(1.9)
Somit gilt für die Änderung der Enthalpie einer Reaktion, bei welcher die Stoffmengen gasförmiger Reaktanden verändert werden:
ΔH = ΔU + Δng RT
(1.10)
(Δng Differenz der Stoffmengen an gasförmigen Reaktanden)
Üblicherweise werden Enthalpieänderungen für Prozesse betrachtet, bei denen die Edukte und
Produkte im Standardzustand vorliegen: hierbei wird von Standardenthalpieänderungen ΔH 0
gesprochen. Standardenthalpieänderungen werden gewöhnlich für 298 K angegeben.
Im vorliegenden Experiment werden diverse Enthalpieänderungen für verschiedene chemische und physikalisch Prozesse angewandt.
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Reaktionsenthalpie ( Δ r H 0 )
Verbrennungsenthalpie ( Δ c H 0 )
Bildungsenthalpie ( Δ f H 0 )
Dissoziationsenthalpie ( Δ diss H 0 )
0
Atomisationsenthalpie ( Δ at H )
Hydrierungsenthalpie ( Δ h H 0 ) und
mittlere Bindungsenthalpie von A und B ( Δ c H ( A− B ) )
Nach dem Satz von HESS ist es möglich, die Standardenthalpie einer chemischen Reaktion
kann aus bekannten Standardenthalpien anderer Reaktionen zu berechnen. Es gilt, dass die
Standardenthalpie einer Reaktion gleich der Summe der Standardenthalpien der Teilreaktionen ist, in welche die Reaktion zerlegt werden kann.
1.2.1 Wärmekapazität
Die Wärmekapazität bei konstantem Druck ist definiert als
⎛ ∂H ⎞
cp = ⎜
⎟
⎝ ∂T ⎠ p
(1.11)
dH = c p ⋅ dT
(1.12)
Es gilt demnach:
und mit temperaturunabhängiger Wärmekapazität
ΔH = c p ⋅ ΔT
(1.13)
q p = c p ⋅ ΔT
(1.14)
Nach (1.7) ergibt sich somit
2. Praktischer Teil
2.1 Kalorimetrie
Die Kalorimetrie beschäftigt sich mit der Untersuchung des Wärmeaustausches bei physikalischen und chemischen Prozessen. Die Messung der ausgetauschten Wärmemenge erfolgt
meist in einem Bombenkalorimeter:
2.1.1 Messaufbau
Innerhalb einer Verbrennungsbombe (Edelstahl) läuft im Verbrennungsschälchen die zu beobachtende Reaktion ab:
αA + βO2 → γCO2 + δH 2O
(1.15)
(A zu verbrennender Stoff; α,β,γ,δ stöchiometrische Koeffizienten)
Das die Verbrennungsbombe umgebende Kalorimeterwasser wird im Zuge der Reaktion erwärmt. Um Wärmeverluste nach Außen zu vermeiden, steht das gesamte Kalorimeter in einem äußeren Wasserbad, dessen Temperatur der des Kalorimeterwassers angepasst wird.
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Abb. 1: Schematischer Aufbau eines Bombenkalorimeters mit Thermostat.
Die Änderung der Temperatur des Kalorimeterwassers ΔT ist proportional zur Wärmemenge,
die bei der Verbrennung entsteht, die Proportionalitätskonstante C wird Kalorimeterkonstante
genannt, da sie nur für das jeweils benutzte Kalorimeter gilt.
q = C ⋅ ΔT
(1.16)
Um diese Konstante zu bestimmen, wird das Kalorimeter kalibriert, indem es mit einer bekannten Energiemenge aufgeheizt wird. Im vorliegenden Versuch geschieht dies elektrisch
durch Zuführen einer gewissen Strommenge.
2.1.2 Probenvorbereitung
Flüssige Proben werden mit einer Pipette
in das zuvor gereinigte Verbrennungsschälchen gegeben. Hierzu kann der
Bombenkopf in eine Haltevorrichtung
gesetzt werden.
Nachdem die Probe eingebracht ist, wird
ein Zünddraht (Widerstandsheizung) so
zwischen den Zündklemmen befestigt,
dass der Zünddraht in die Probe eintaucht.
Abb. 2: Bombenkopf in
Abb. 3: Handpresse zum
Haltevorrichtung.
Pressen pulverförmiger Proben.
Werden feste Proben untersucht, so sind
die pulverförmigen Proben zunächst zu
Tabletten zu pressen. Hierbei wird der Zünddraht bereits vor dem Pressen eingebracht.
2.1.3 Befüllen der Bombe
Die verschlossene und verschraubte Bombe wird mit Sauerstoff (etwa 20 bar) gefüllt. So ist
sichergestellt, dass genügend Sauerstoff vorhanden ist, um die gesamte Probenmenge vollständig verbrennen zu lassen.
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Die Bombe wird in das Kalorimetergefäß verbracht, welches soweit mit Wasser aufgefüllt wird, dass diese voll
bedeckt ist. (warum sollte nicht mehr Wasser als nötig
eingefüllt werden?)
Abb. 4: Zusammengesetzte Kalorimeterbombe (nicht verschraubt).
Abb. 5: Kalorimetergefäß.
Durch Anlegen einer Spannung an den Zünddraht erhitzt
sich dieser, wodurch die Probe gezündet wird. Hierbei
wird die Wärme an das Bombengefäß und hierdurch an
das Kalorimeterwasser abgegeben. Der Temperaturanstieg
wird mit einem Thermoelement gemessen, welches unter
Ausnutzung des thermoelektrischen Effekts arbeitet. Die
gemessenen Temperaturwerte werden auf einem Linearschreiber ausgegeben (durch Wahl der Verstärkung auf
2 K Vollausschlag einstellen).
Das Kalorimeterwasser erwärmt sich im Verlauf des Versuches und muss zeitweise mit Eis gekühlt werden (Niemals Eis direkt ins Kalorimeterwasser geben! – warum?;
worauf muss beim Entnehmen der Bombe zum Wechseln
der Proben geachtet werden?). Die durch den elektrischen
Zündstrom bedingte Wärmemenge (etwa 10 V⋅2 A⋅0,1 s =
2 J) wird vernachlässigt, da sie innerhalb der Fehlergrenzen der Messmethode liegt. Der gesamte Messplatz ist in
Abb. 6 dargestellt.
Abb. 6: Messplatz Kalorimetrie.
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Er umfasst neben dem Bombenkalorimeter (rechts) ein Temperaturgefäß für die zweite Sonde
des Thermoelements (links davon). Der Temperaturschreiber befindet sich vorne links (Stift
und Papier fehlen).
Zur Ermittlung der Kalorimeterkonstante kann durch einen Heizdraht eine gewisse Wärmemenge an das Kalorimeter abgegeben werden. Aus dem hierbei stattfindenden Temperaturanstieg kann die Kalorimeterkonstante ermittelt werden. Für diese Messung ist ein Leistungszähler vorhanden (ganz rechts).
3. Aufgaben
1. Bestimmen Sie die Wärmekapazität des Kalorimeters durch elektrisches Aufheizen.
2. Verbrennen Sie je dreimal eine kleine Menge Benzoesäure und Cyclohexan im Kalorimeter
und bestimmen Sie die freiwerdende Wärmemenge.
3. Berechnen Sie aus den Messwerten die molare Standardverbrennungsenthalpie bei konstantem Druck unter der Annahme, dass sich die gasförmigen Edukte und Produkte wie ideale
Gase verhalten und vergleichen Sie mit den Literaturwerten.
4. Berechnen Sie aus den Messergebnissen und den Literaturwerten der Verbrennungsenthalpie von Wasserstoff und Kohlenstoff die Standardbildungsenthalpie der Edukte und vergleichen Sie mit den Literaturwerten.
5. a Berechnen Sie die Bildungsenthalpie von gasförmigem Cyclohexan / Benzoesäure für die
Bildung aus den gasförmigen, atomisierten Edukten (C, H, O). Verwenden Sie dabei einen
Born-Haber-Kreisprozess mit Literaturwerten der benötigten Enthalpien.
b Schätzen Sie die Bildungsenthalpie auch aus den mittleren Bindungsenthalpien ab.
6. Vergleichen Sie die Hydrierungsenthalpie von Benzol und Cyclohexen und schätzen Sie
daraus die Mesomerieenergie des Benzols ab. Verwenden Sie dazu die Literaturwerte für die
Verbrennungsenthalpie von Benzol und Cyclohexen. Warum müssen Sie dazu Literaturwerte
und nicht eigene Messwerte verwenden?
7. Schätzen Sie ab, wie groß die Flammentemperatur bei einer Verbrennung von Methan bzw.
Acetylen in Sauerstoff bzw. Luft maximal sein kann.
4. Literatur
W. Hemminger, G. Höhne: Grundlagen der Kalorimetrie. VCH, Weinheim 1980.
W.R. Roth: Hydrierwärmen. Nachr. Chem. Tech. Lab. 31, 964 (1983).
W.R. Roth, M. Böhm, H.W. Lennartz, E. Vogel: Resonanzenergie überbrückter [10] Annulene. Angew. Chemie 95, 1011 (1983).
N.C. Craig, T.S. Carlton, R.C. Shoonmaker: Flame Temperature. J. Chem. Educ. 51, 54
(1974).
W.C. Gardiner: The Chemistry of Flames. Sci. Am. 246, 86 (Febr.1982).
P.W. Atkins: Physical Chemistry, Eigth Edition, Oxford University Press 2006.
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