Musikstunde: Geigenbauer I

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Das kann doch nicht wahr sein! –
Musikalische Irrtümer (1)
Instrumente
Von Nele Freudenberger
Sendung:
Montag, 30. Mai 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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SWR2 Musikstunde mit Nele Freudenberger
Das kann doch nicht wahr sein! – Musikalische Irrtümer (1)
Instrumente
Signet
In dieser Woche geht es um musikalische Irrtümer, die an praktisch jeder Ecke
lauern.
Heute wollen wir in den Bereich Instrumentenbau eintauchen, denn das ist eine
Geschichte voller Flops, Überraschungen und anderer Irrtümer
Dazu begrüßt Sie Nele Freudenberger
Titelmusik
Einige exotische Instrumente sind heute überhaupt nur noch deshalb bekannt,
weil berühmte Komponisten Werke für sie geschrieben haben. Das prominenteste
Beispiel dafür dürfte der Arpeggione sein, denn Franz Schubert hat eine herrliche
Sonate für dieses Instrument komponiert, die heute allerdings in der Regel von
einem Cello gespielt wird.
Kein Wunder, heute spielt kaum mehr einer auf einem Arpeggione, schließlich ist
der Arpeggione eine Mischung aus Gitarre und Cello. Das liegt wiederum nahe,
denn erfunden wurde er im Jahre 1823 vom Geigen- und Gitarrenbauer Johann
Georg Stauffer.
Stauffer war vor allem als Gitarrenbauer bekannt. Er lebte und wirkte in Wien und
neben dem eigenen Ehrgeiz, den Klang seiner Instrumente zu verbessern, war er
auch stets in Geldnot, die ihn immer wieder dazu trieb, mit seinen Instrumenten zu
experimentieren. Im Bereich Gitarrenbau hat er in puncto Klangverbesserung
etliches geleistet – seine Instrumente hatten einen exzellenten Ruf und auch Franz
Schubert soll im Besitz einer solchen Stauffer-Gitarre gewesen sein.
Als er seinen Arpeggione baute, hoffte Stauffer auf einen Coup – und eigentlich
nicht unberechtigt, denn er verband die Vorzüge zweier sehr beliebter
Instrumente: die Bünde, die Anzahl der Saiten und die Stimmung e-a-d-g-h-e
bekam der Arpeggione von der Gitarre, außerdem die Form des Korpus ohne
überstehenden Rand und mit flachem Boden. Vom Cello bekam es dafür die
gewölbte Decke, die Länge der Saiten, den Steg, die Bogenführung und die
Spielhaltung: wie ein Cello klemmte man den Arpeggione zwischen die Knie.
Dennoch blieb der gewünschte Erfolg aus. Auch wenn in einer der Ausgaben der
Allgemeinen musikalischen Zeitung von 1823 geschrieben steht, es handle sich
um ein Instrument „welches von allen Sachverständigen als eine wünschenswerte
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Kunstbereicherung angerühmt wird“ muss man doch feststellen, dass sich
offenbar alle Sachverständigen dieser Zeit gründlich geirrt haben. Der Siegeszug
des Arpeggione blieb aus – nur etwa 10 Jahre lang war es überhaupt
wahrnehmbar.
Schuberts Sonate der wir verdanken, dass wir das Guitarre-Violoncell oder auch
die guitarre d’amour – also den Arpeggione – noch kennen, wurde vermutlich
auf Drängen des Verlegers und Arpeggionisten Vinzent Schuster komponiert. Der
hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dem Instrument zu seinem Ruhm zu
verhelfen.
Ein Irrtum übrigens anzunehmen, der Arpeggione hätte Arpeggione geheißen:
DIESER Name ist einzig durch Schubert und seine Sonate bekannt – einen festen
Namen hatte es offenbar nicht. Guitarre-Violoncell war genauso üblich wie
Guitarre d’amour. Weitere Kompositionen für dieses Instrument wird es sicherlich
gegeben haben, aber überlebt hat nur die von Schubert
Musik 1
Franz Schubert
Gerhart Darmstadt, Arpeggione
Egino Klepper, Hammerklavier
SWR M0103380 005, Dauer: 4‘00
Ein Ausschnitt aus dem dritten Satz aus Franz Schuberts Sonate für Arpeggione
und Klavier, gespielt von Gerhardt Darmstadt, Arpeggione und Egino Klepper,
Hammerklavier.
Der Arpeggione ist wahrlich nicht das einzige gescheiterte Experiment in der
Familie der Streichinstrumente.
Joseph Haydns Werkeverzeichnis legt Zeugnis ab, über ein Instrument das sich
zumindest anschickte Karriere als Soloinstrument zu machen: Das Baryton. Sage
und schreibe 176 Werke hat Joseph Haydn für dieses Instrument verfasst.
Es gibt natürlich auch von anderen Komponisten Werke für Baryton, aber zum
einen waren die nicht so fleißig und zum anderen nicht so bekannt wie Haydn.
Warum ausgerechnet er so viele Werke für Baryton geschrieben hat ist schnell
erklärt, mit einer innigen Liebe zu diesem Instrument hat das wenig zu tun. Sein
Dienstherr Nikolaus von Esterhazy spielte das Baryton und verlangte von seinem
Kapellmeister regelmäßig neue Werke für sein Instrument.
Man kann also Haydn nicht einmal unterstellen, den Erfolg des Barytons falsch
eingeschätzt zu haben, aber vielleicht Leopold Mozart der es in seiner
Violinschule von 1756 als „eins der anmutigsten Instrumente“ bezeichnet,
nachdem er eine ausführliche Beschreibung zu Bauart und Spielweise gegeben
hat.
Dieses anmutige Instrument ist ein Streichinstrument, das außer den sechs zu
streichenden Saiten auch noch eine ganze Reihe von Resonanzsaiten hat, die
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zum einen mitschwingen und zum anderen auch zusätzlich gezupft werden
können. Die Resonanzsaiten sorgen für einen scharfen obertonreichen Klang, der
sich gut gegen andere Instrumente absetzt.
Hier der klingende Beweis, mit einem der unzähligen Werke von Joseph Haydn für
dieses Instrument.
Musik 2
Allegro (2.Satz), Trio Nr. 63 in D-Dur Hob.XI: 63, Joseph Haydn
The finnish Baryton Trio
Sibarecords, LC (unbekannt), SACD-1001,
Track 2
Zeit: 4:01
Das finnische Baryton Trio mit dem zweiten Satz aus Joseph Haydns Baryton Trio
Nr. 63 in D-Dur
Das Baryton – ein Instrument, für das Joseph Haydn stattliche 176 Werke
komponiert hat – im Auftrag seines Dienstherren Nikolaus von Esterhazy. Der war
nämlich ein leidenschaftlicher, wahrscheinlich sogar sehr guter Barytonist.
Und auch für das nächste Instrument das ich Ihnen vorstellen will – weil Sie es
unter Garantie nicht mehr kennen – hat Joseph Haydn Werke komponiert.
In diesem wie im Falle des Barytons weniger, weil ihn das Instrument so überzeugt
hätte, als vielmehr wegen eines zahlungsfähigen und -willigen Auftraggebers:
Ferdinando Antonio Pasquale Giovanni Nepomuceno Serafino Gennaro
Benedetto von Bourbon – Infant von Spanien, als Ferdinand der IV. König von
Neapel als Ferdinand der III. König von Sizilien bekannt.
Ferdinand wollte in die Geschichte eingehen. Und zwar nicht als der Regent mit
dem längsten Namen, sondern als kunstsinniger, fortschrittlicher Mäzen. Denn die
Lira organizzate – die Orgelleier – war das technische non plus Ultra quasi
Fortschritt pur.
Doch Ferdinand wollte sich auch in seinem Hier und Jetzt nicht lumpen lassen,
wollte wie Esterhazy mit dem Baryton als Lira organizzate Solist glänzen. Und so
vergab er Kompositionsaufträge für das Instrument.
Die Orgelleier ist – wie der Name schon vermuten lässt – eine Kreuzung aus einer
kleinen Orgel und einer Drehleier und es war in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts DAS Instrument am französischen Hof. Erstaunlich also, dass es nicht
viel mehr Werke für die Lira organizzate gibt.
Es war der österreichische Diplomat und Musiker Norbert Hadrawa der Ferdinand
das Orgelleiern lehrte und der auch die Kompositionsaufträge vermittelte. Wo die
beiden sich erstmals trafen ist nicht bekannt.
Die meisten dieser Werke sind für ZWEI Orgelleiern und Orchester. Wer weiß,
vielleicht wollte sich Hadrawa so am neapolitanischen Hof wenigstens als DuoPartner unentbehrlich machen. Neben Joseph Haydn wurden auch noch andere
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Komponisten verpflichtet: Vincenzo Orgitano, Ignaz Pleyel und Wolfgang
Amadeus Mozart
Musik 3
Wolfgang Amadeus Mozart
Allegro (1. Satz) Concerto pour 2 lyres organisees, 2 cors et cordes
Matthias Loibner, Tobie Miller, Christoph Coin, Ensemble Baroque de Limoges
Laborie, LC29063, unbekannt, 08104730100020
Track 5
Zeit: 6:11
Der erste Satz aus dem Konzert für zwei Lira organizzata, 2 Hörner und Streicher
von Wolfgang Amadeus Mozart, Chrisoph Coin leitete das Ensemble baroque de
Limoges und die Solisten waren Matthias Loibner und Tobie Miller.
Die Lira organizzate ein technisches Wunderwerk, das ganz im Sinne des
aufgeklärten Fortschritts stand aber irgendwann durch eine andere Mode
abgelöst wurde.
Im Zeichen des Fortschritts stand auch das Thereminvox – ein Instrument, das man
zum Spielen nicht einmal mehr berühren muss, ein Instrument, das elektronisch
gesteuert wird, ein Aetherophon, das seinen Zeitgenossen 1920 wie Zauberei
vorgekommen sein muss. Dabei ist die Funktionsweise viel simpler als man denken
möchte: zwei Antennen erzeugen ein elektrisches Feld, das durch den
menschlichen Körper – normalerweise die Hände des Spielers oder der Spielerin –
gestört wird.
Die „Störungen“ werden dann in Klang umgewandelt. Die eine Antenne ist für
die Tonhöhe verantwortlich, die andere für die Dynamik, also die Lautstärke.
Das Theremin ist ausgesprochen schwierig zu spielen, da es gar keine
Anhaltspunkte gibt, an denen der Interpret sich orientieren könnte. Das führt
zwangsläufig zu Unsauberkeiten in der Intonation – vielleicht einer der Gründe,
warum das Theremin sich nicht wirklich als modernes Instrument durchsetzen
konnte, wie z.B. sein Nachfolger der Synthesizer.
Trotzdem wurde und wird das Theremin eingesetzt und zwar Genreübergreifend:
Klassiker werden damit gespielt, in der neuen Musik kommt es zum Einsatz, auch
in der Pop-Musik und vor allem in der Filmmusik. Wann immer ein Ufo auftaucht,
ist auch ein Theremin, das ein bisschen wie eine singende Säge klingt, nicht fern.
Wie alle Nischeninstrumente hat auch das Theremin Vox eine herausragende
Interpretin: Clara Rockmore.
Sie galt als Wunderkind auf dem Thereminvox, und reiste mit ihrem Instrument und
dem Erfinder Lew Termen quer durch Europa – als Botschafter Lenins und des
sozialistischen Fortschritts.
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In dieser Zeit versuchte Termen in Europa vergeblich ein Patent auf sein
Instrument anzumelden. Erst 1928 bekam er das Patent in den USA. RCA baute
daraufhin in großer Stückzahl das Instrument, das vermeintlich leicht zu spielen
wäre, aber die Aktion war ein Flopp. Von den mehreren 1000 Instrumenten
wurden gerade mal 500 verkauft. Auf dem Massenmarkt konnte sich das
Aetherophon nicht behaupten.
Auch wenn es heute immer noch bemerkenswerte Thereminvox Spieler gibt: die
alten Aufnahmen von Clara Rockmore sind doch noch etwas Besonderes. Hier
also ein Blick zurück in eine strahlende Zukunft: Clara Rockmore spielt gemeinsam
mit mit Nadia Reisenberg, Klavier und Erick Friedman Violine eine Bearbeitung
von Sergeij Rachmaninoffs Lied op 4 Nr. 4: O schönes Mädchen (singe nicht, du
Schönheit)
Musik 4
Sergeij Rachmaninoff
O schönes Mädchen (singe nicht, du Schönheit)op. 4,4
Clara Rockmore,Theremin
Erick Friedman, Violine
Nadia Reisenberg, Klavier
Romeo Records, unbekannt, 7286, 67575403706
Track 6
Zeit: 4.57
O schönes Mädchen (singe nicht, du Schönheit) Sergeij Rachmaninoffs op. 4,4 in
einer Fassung für Klavier, Violine und Thereminvox . gespielt haben Nadia
Reisenberg Klavier, Erick Friedmann, Violine und Clara Rockmore Thereminvox.
Clara Rockmore, die große Thereminvox Interpretin. Ein Instrument, das eigentlich
seinen Platz in den Wohnzimmern Amerikas bekommen sollte, aber da haben
sich die Macher von Radio Cooperation America geirrt: das Instrument blieb ein
Exot.
Ein Schicksal, das der Pedalflügel teilt. Das Instrument an sich ist schnell erklärt: ein
Flügel, der quasi auf einem weiteren Flügelkorpus steht, der aber keine Tasten,
sondern Pedale wie eine Orgel hat. Und genau das war auch der ursprüngliche
Sinn des Pedalflügels: er sollte Organisten ermöglichen auch zu Hause zu üben,
ohne sich gleich eine Orgel ins Wohnzimmer stellen zu müssen. Nicht, dass ein
Flügel besonders platzsparend wäre, aber der war oft ohnehin schon da und das
Pedalteil konnte einfach untergeschoben werden. Wem das immer noch zu
sperrig war, der konnte auch auf ein Pedalklavier zurückgreifen.
Während die Instrumente, über die wir bis jetzt geredet haben allerdings eine
eher kurze Lebensdauer in der öffentlichen Wahrnehmung hatten, kann der
Pedalflügel auf eine beeindruckend lange Tradition zurückblicken: schon im 15.
Jahrhundert gab es Pedalclavichorde, die Organisten zum Üben dienen sollten.
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Aber im 19. Jahrhundert, als der Flügelbau seinen Höhepunkt erreicht hatte, da
wurde eben noch einmal mit der Idee einer Art Heimorgel gespielt.
Das Ergebnis überzeugte Komponisten wie Robert Schumann, Franz Liszt oder
Felix Mendelssohn Bartholdy – allerdings weniger als Übemöglichkeit für
Organisten, sondern vielmehr als eigenständiges Instrument, dass man quasi
alleine vierhändig bzw. zweihändig und zweifüßig spielen kann.
So entstanden auch einige Kompositionen extra für Pedalflügel. Wie diese hier
von Charles Gounod: der Danse roumaine. Es spielt Roberto Prosseda
Musik5
Charles Gounod
Danse roumaine
Howard Shelley, Orchestra della svizzera italiana
Roberto Prosseda, Klavier
Hyperion, LC7533, CDA67975, 034571179759
Track 10
Zeit: 4.32
Der danse roumaine für Pedalflügel und Orchester von Charles Gounod. Howard
Shelly dirigierte das Orchester der italienischen Schweiz, am Pedalflügel war
Roberto Prosseda. Auch bei den Blasinstrumenten gibt es natürlich eine ganze
Reihe von Exoten, Versuchen und Fehlschlägen – aber auch ein prominentes
Beispiel, auf das wir später noch zu sprechen kommen wollen – denn auch die
Karriere des Saxophons lief nicht ganz so, wie geplant. Zunächst haben wir aber
die Ophecleide im Blick.
Ein Klappenhorn, das dem Fagott nicht unähnlich ist, allerdings mit einem
Kesselmundstück, wie es bei Blechblasinstrumenten verwendet wird.
Durch den konischen Schalltrichter sieht es fast aus, wie ein Saxophon – aber das
war noch nicht erfunden.
Weil im 19. Jahrhundert die Orchester immer größer wurden, brauchte man ein
Bassinstrument, das sich klanglich gegen den Rest des Orchesters behaupten
konnte.
Die Ophecleide wurde von den Komponisten ihrer Zeit sofort dankbar
angenommen – es gibt sogar ein berühmtes Ophecleiden-Solo in einem der
bahnbrechendsten Orchesterwerke dieser Zeit: 0:47
Musik 6
Hector Berlioz
Musikschnipsel „dies irae“ – Symphony fantastique
M0344787.006
Zeit 0‘20
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Das große Ophecleiden-Solo aus der Symphony fantastique.
Hector Berlioz wusste die Ophecleide und ihren etwas spröden Klang durchaus zu
schätzen. Und damit war er nicht allein.
Bis die Tuba sich als Bassinstrument in Militär- und Orchestermusik durchsetzte, war
es die Ophecleide die das Bassfundament lieferte.
Da die Deutschen die Tuba schnell für sich entdeckten, spielte die Ophecleide
hierzulande keine so große Rolle, aber in Frankreich, England und Italien war sie
das ganze 19. Jahrhundert hindurch gebräuchlich. Heitor Villa-Lobos
komponierte auch im 20. Jahrhundert noch für das tiefe Klappenhorn.
Aber natürlich gab es auch deutsche Komponisten, die die Ophecleide
eingesetzt haben. Wagner verwendete sie in Rienzi und dem fliegenden
Holländer, Mendelssohn im Sommernachtstraum und im Elias um nur einige
Beispiele zu nennen.
Und doch gewann das Rennen um den Platz in den Bassbläsern im Orchester die
Tuba. Ein Grund dafür mag die damals mangelnde Präzision der
Instrumentenbauer gewesen sein: die technischen Möglichkeiten waren eben
noch nicht so weit gediehen, dass man den konischen Verlauf des Rohrs und den
genauen Sitz der Klappen in Einklang bringen konnte. Der Effekt: ein Missklang!
Denn tatsächlich hatte die Ophecleide zwar eine elegante Klangfarbe aber
Probleme mit der Intonation.
Und so trat sie dann doch nicht den Siegeszug an, den man sich von ihr
versprochen hatte. Und dass man sich diesen versprach, erkennt man nicht
zuletzt an dem Umstand, dass zwischen den Jahren 1820-1840 etliche
Ophecleide Schulen auf dem Notenmarkt erschienen sind.
Patrick Wibart war neugierig auf das Instrument, das seinerzeit so wegweisend
schien und hat eine CD mit dem Titel „die virtuose Ophecleide“ aufgenommen,
was belegt, dass die damaligen Komponisten ihr großes zutrauten. Und das klingt
so:
Musik 7
Gaspard Kummer
Variations pour l’ophecléide op 62
Patrick Wibart, Ophecleide
Lucie Sansen, Klavier
Ricercar, LC08851, Ric 362, 5400439003620
Track 11
Zeit: 6:36
Die Variationen für Ophecleide op 62 von Gaspard Kummer, Patrick Wibart
spielte Ophecleide und wurde von Lucie Sansen begleitet.
Die Ophecleide – ein Instrument, dem man eine große Zukunft als fester
Bestandteil des Orchesters vorhersagte, sich an dieser Stelle aber gründlich irrte.
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Was die Ophecleide allerdings war, war die Grundidee zu einem neuen
Instrument: dem Saxophon. Denn im Grunde ist ein Saxophon eine Ophecleide
mit einem Klarinettenmundstück.
Erfinder des Saxophons war der Belgier Adolphe Sax, im März 1846 meldete er
das Patent für sein Saxophon an.
In der Begründung die man für so ein Patent schreiben muss heißt es, dass es an
gut klingenden Holzblasinstrumenten in der tiefen Lage fehle.
Auch wenn er das als Grund angegeben hatte: von Anfang an konzipierte er das
Instrument in fünf Tonhöhen: Sopran, Alt, Tenor, Bariton und das angemeldete
Bassinstrument.
Sax wollte damit eigentlich die Militärmusik revolutionieren und die Ophecleide
im Orchester durch das Saxophon ersetzen, aber es kam ganz anders.
Nur zäh verlief die Karriere dieses heute so populären Instruments.
Vereinzelt wurden Konzerte für das Saxophon geschrieben, durch die
unterschiedlichen Tonhöhen der Instrumente bot sich kammermusikalisch das
Saxophonquartett an – oft eins zu eins aus der Streicherliteratur übernommen.
So richtig los ging es für das Saxophon erst, mit dem Aufkommen des Jazz – dann
allerdings war es nicht mehr aufzuhalten. Adolphe Sax hat den Erfolg seiner
Erfindung nicht mehr miterlebt.
Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit und dass das Saxophon in Jazz,
Popmusik und Klassik gleichermaßen überzeugt ist zumindest heutzutage eine
Selbstverständlichkeit.
Hier ein klassisches Beispiel von Pedro Iturralde – original für Saxophonquartett:
Pequena Czarda
Musik 8
Pedro Iturralde
Pequena Czarda
Signum Saxophonquartett
Ars Produktion, LC06900, ARS38094, 4260052380949
Track 14
Zeit: 5:18
Pequena Czarda von Pedro Iturralde – gespielt hat das Signum
Saxophonquartett.
Ein Instrument, mit dem herumexperimentiert wurde wie wohl mit keinem zweiten,
ist das Klavier.
Über den Pedalflügel haben wir ja schon gesprochen, aber das war nur eine der
sonderbaren Ideen die Klavierbauer hatten, um sich von den anderen
abzuheben.
Oft ging es dabei gar nicht darum, den Klang zu verändern oder gar zu
verbessern, sondern das Klavier quasi als Möbel besser in den Haushalt zu
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integrieren. Der Pyramidenflügel beispielsweise war für eher beengte
Wohnverhältnisse konzipiert: Der Klangkorpus war zwar so groß wie der eines
Flügels, aber nach oben gerichtet, wie bei einem Klavier. An die Wand gestellt,
nahm dieses Instrument also nicht mehr Platz weg, als ein normales Klavier.
Aber auch in der Kombination nützlicher Eigenschaften machten die Klavier- und
Clavichordbauer nicht halt.
So musste die höhere Tochter oder die Herrin des Hauses sich nicht mehr vom
Klavier weg bewegen wenn es etwas zu stopfen galt, denn der Nähtisch war im
Klavier integriert: unter der Tastatur fand sich eine Schublade, in der man alles
geordnet aufbewahren konnte.
Eine weitere Erfindung aus der Rubrik Klavier wurde tatsächlich von Franz Liszt
angeregt, hat sich aber auch nicht durchgesetzt.
Liszt wollte, um Haltungsschäden zu vermeiden einen ergonomischen Flügel
bauen, dessen Klaviatur im Halbrund um den Spieler herum verlief.
Aus unterschiedlichen Gründen hat sich dieses medizinisch wertvolle Instrument
nicht durchgesetzt. Ein Hauptgrund war wohl die mangelnde Praktikabilität.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten ein Stück spielen und ihre Hände müssten einer
halbrunden Tastatur folgen, so dass die linke Hand in den Bässen und die rechte
Hand in den hohen Lagen seitlich ausgedreht auf Hüfthöhe lägen… Das Klavier
wurde übrigens nie wirklich gebaut – es blieb bei der Idee und ein paar Skizzen.
Hier also auf einem normalen Flügel etwas Musik vom gescheiterten Erfinder Franz
Liszt
Musik 9
Franz Liszt/Franz Schubert
Ständchen
Yevgeny Kissin, Klavier
M9168067.001
Zeit:2:38
Franz Schuberts „Ständchen“ in der Klavierbearbeitung von Franz Liszt. Gespielt
hat Yevgeny Kissin. Dies also eine kleine Auswahl musikalischer Irrtümer, die im
Bereich Instrumentenbau passiert sind. Morgen werden wir uns dann in der SWR2
Musikstunde anderen Irrtümern aus der Musikgeschichte widmen: nämlich
Irrtümern, die sich auf Werke beziehen!
Mein Name ist Nele Freudenberger und ich wünsche Ihnen noch einen schönen
Tag!
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