1 Andreas Schwab Thales von Milet in der frühen christlichen Literatur 2 Studia Praesocratica Herausgegeben von / Edited by M. Laura Gemelli Marciano · Richard McKirahan Denis O’Brian · Oliver Primavesi · Christoph Riedweg David Sider · Gotthard Strohmaier · Georg Wöhrle Band 3 De Gruyter 3 Thales von Milet in der frühen christlichen Literatur Darstellungen seiner Figur und seiner Ideen in den griechischen und lateinischen Textzeugnissen christlicher Autoren der Kaiserzeit und Spätantike von Andreas Schwab De Gruyter 4 Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein ISBN 978-3-11-024598-1 e-ISBN 978-3-11-024599-8 ISSN 1869-7143 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Schwab, Andreas, 1977 – Thales von Milet in der frühen christlichen Literatur: Darstellungen seiner Figur und seiner Ideen in den griechischen und lateinischen Textzeugnissen christlicher Autoren der Kaiserzeit und Spätantike / Andreas Schwab. p. cm. – (Studia Praesocratica; Bd. 3) Includes bibliographical references and indexes. ISBN 978-3-11-024598-1 (hardcover : alk. paper) -ISBN 978-3-11-024599-8 (e-ISBN) 1. Thales, ca. 634–ca. 546 B.C. I. Title. B253.S39 2011 182’.1–dc23 2011039345 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ÜGedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com 5 Meinen Eltern in Dankbarkeit 6 Vorwort 7 Vorwort Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation in Klassischer Philologie, die im Juli 2009 an der Universität Trier am Fachbereich II für Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften vorgelegt und angenommen wurde. Mein herzlichster Dank gilt an erster Stelle meinen beiden Betreuern, Herrn Prof. Georg Wöhrle (Trier) und Herrn Prof. Philip van der Eijk (Berlin). Durch seine Arbeit an der neuen Edition der Textzeugnisse über Thales hat Herr Wöhrle meine Untersuchung entscheidend angeregt und von Beginn an mit großer Aufmerksamkeit gefördert und begleitet. Sowohl während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Editionsprojekt in Tier als auch darüber hinaus hat er mich in vielfältiger Weise ermutigt und unterstützt. Wichtig für die Reifungs- und Reflexionsprozesse während der Arbeit waren ebenso die Gespräche mit Philip van der Eijk, der mir insbesondere während meines Forschungsaufenthaltes im Jahre 2008 an der School of Historical Studies in Newcastle upon Tyne (UK) und auch danach stets mit seiner konstruktiven Kritik und seinem Rat zur Seite stand. Dass sich die Arbeit vor dem Hintergrund der Forschungslage zu Thales in einer zunächst unvorhergesehenen Dynamik auf die christlichen Autoren der Kaiserzeit und Spätantike konzentrierte, war nicht zuletzt eine Frucht des Patristischen Forschungskolloquiums von Herrn Prof. Roland Kany in München, in dem ich zweimal vor einem sehr interessierten theologischen Kreis meine ‚works-in-progress‘ vortragen durfte. Meine Untersuchung, die im interdisziplinären Feld von frühgriechischer Philosophie und Wissenschaft sowie frühchristlicher Religion und Theologie zu verorten ist, nahm ihren Ausgang von der Beschäftigung mit philologischen Fragen und Problemen der Überlieferungsgeschichte sowie der Wirkung von Texten und Texteditionen. Vermutlich hätte ich die Arbeit so nicht unternommen, wenn ich nicht bereits während meines Studiums in München und Paris wegweisende Impulse von verschiedenen Seiten dazu bekommen hätte: Prof. Martin Hose danke ich besonders dafür, dass er meine Aufmerksamkeit nicht nur auf die klassischen Texte, sondern stets auch auf entlegene Texte, wie z.B. die der christlichen Literatur, gelenkt hat; 8 Vorwort Prof. Oliver Primavesi bin ich dankbar dafür, dass er uns bereits im Grundstudium mit der grundlegenden Bedeutung von Diels’ Doxographi Graeci für die Überlieferungsgeschichte der antiken Philosophie sowie den hermeneutischen Problemen bei der Rekonstruktion frühgriechischer Philosophie vertraut machte; Prof. Dieter Bremer schließlich förderte durch viele Gespräche bei der Mitarbeit an der Forschungsgeschichte zu den Vorsokratikern meine Begeisterung für die frühgriechische Philosophie sowie deren reiche Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte. Alain Le Boulluec und Michel Fédou S.J. haben in Paris mein Interesse an der patristischen Literatur weiter gefördert und mich durch ihr eigenes Forschen und Lehren sowie durch persönliche Gespräche ermuntert. Prof. Rémi Brague danke ich für sein kontinuierliches und lebhaftes Interesse an meiner Arbeit, seine Unterstützung und für wichtige ermutigende Gespräche. Den methodischen Ansatz meiner Untersuchung sowie einzelne Kapitel konnte ich bei Vorträgen in München, Newcastle upon Tyne (UK), Durham (UK), Giessen, Trier, Berlin, Ascea (Italien), Heidelberg und Bonn vorstellen und diskutieren. Für die wertvollen Rückmeldungen, die ich dadurch empfangen habe, bin ich sehr dankbar. Die Teilnahme an der ersten Konferenz der International Association for Presocratic Studies (IAPS) im Juli 2008 in Utah war dabei ein kleiner Höhepunkt; für die anregenden Gespräche und Diskussionsbeiträge bin ich allen Teilnehmern zu Dank verpflichtet, vor allem Alberto Bernabé, Patricia Curd, Daniel Graham, Serge Mouraview sowie insbesondere Tom Robinson, Livio Rosetti und Richard McKirahan. Mit Freude danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen besonders in Trier und Heidelberg sowie meinen Freunden, die mir als Gesprächspartner und kritische Leser zur Seite standen. Besonders erwähnen möchte ich die unschätzbare Anteilnahme und Aufmerksamkeit von Prof. em. Hans-Otto Kröner (Trier), der Kapitel um Kapitel las und sich kritisch, geistreich und anspornend mit mir und meiner Arbeit auseinandersetzte. Allen Herausgebern danke ich herzlich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe ‚Studia Praesocratica‘. Ein besonderer Dank gebührt Frau Dr. Sabine Vogt, die das Projekt mit großem Interesse und ihrem allzeit guten Rat kundig betreut hat. Großen Dank für finanzielle Unterstützung schulde ich schließlich der Karl und Gertrud Abel-Stiftung für die Finanzierung meiner Mitarbeiterstelle im Editionsprojekt zu Thales, dem Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) und der Nikolaus Koch Stiftung (Trier), die sowohl meinen Forschungsaufenthalt in Newcastle upon Tyne (UK) als auch den Konferenzbesuch in Utah ermöglichten. Nicht zuletzt danke ich der Vorwort 9 ‚Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften‘, die die Drucklegung der Arbeit mit einem Druckkostenzuschuß erfreulich erleichtert hat. Das Buch ist meinen Eltern gewidmet, die stets nicht nur meinen Studienweg auf vielfältige Art und Weise mit Wohlwollen begleitet und gefördert haben. Heidelberg, im Juni 2011 Andreas Schwab 10 Vorwort 11 Vorwort Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 15 1. Forschungsstand und Methode . . . . . . . . . . 1.1 Die Fragmente der Vorsokratiker (1903) . . 1.2 Die Sammlung Traditio Praesocratica (2009) 1.3 Forschungsansatz und Methode . . . . . . . 1.4 Hinweise zur Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 17 19 21 26 2. Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert . 2.1 Irenäus von Lyon (Th 145) . . . . . . . . 2.2 Tatian (Th 176) . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Athenagoras (Th 186) . . . . . . . . . . 2.4 Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 2.5 Hippolytos von Rom (Th 209–215) . . . 2.6 Tertullian (Th 216–222) . . . . . . . . . 2.7 Minucius Felix (Th 229) . . . . . . . . . 2.8 Hermias (Th 230) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 . 30 . 37 . 43 . 47 . 75 . 92 . 119 . 125 3. Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert . . 3.1 Laktanz (Th 254–258) . . . . . . . 3.2 Arnobius (Th 259) . . . . . . . . . 3.3 Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 3.4 Ps.-Justin (Th 291–292) . . . . . . 3.5 Epiphanios von Salamis (Th 293) . 3.6 Hieronymus (Th 304–308) . . . . . 3.7 Ambrosius (Th 309) . . . . . . . . 3.8 Tyrannios Rufinos (Th 310) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 130 148 155 200 210 213 219 223 4. Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert 4.1 Augustinus (Th 311–316) . . . . . . . . . 4.2 Nemesios von Emesa (Th 323–324) . . . . 4.3 Theodoret (Th 326–337) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 230 253 257 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Inhaltsverzeichnis 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) Sidonius Apollinaris (Th 385–389) . . Aponius (Th 338) . . . . . . . . . . . Iohannes Malalas (Th 454–455) . . . Isidor von Sevilla (Th 473–475) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 312 327 333 338 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Vom Kontext zum Diskursfeld . . . . . 5.2 Faktoren für die Thales-Darstellung . . 5.3 Homogenität der Thales-Darstellungen? 5.4 Neue Perspektiven auf Thales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 346 347 348 350 6. Literaturverzeichnis . 6.1 Abkürzungen . . 6.2 Editionen . . . . 6.3 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 353 355 358 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Appendix: Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 8. Register . . . . . . . . . . 8.1 Stellen . . . . . . . . 8.2 Namen . . . . . . . . 8.3 Sachen und Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 387 400 403 Vorwort 13 Dicit inter sapientes primus Thales ille Milesius deum antiquissimum, quia ingenitus, mundum pulcherrimum, quia a deo factus. Quae verba dum in Laërtio legerem, summe mihi placuere. Inspicio mundum pulcherrimum miro ordine unitum, in quo summa summi dei bonitas, sapientia pulchritudoque relucet. Thales von Milet, der erste unter den Weisen, nennt Gott den Uralten, da er ungezeugt ist, die Welt aber urschön, da sie von Gott geschaffen ist. Als ich diese Worte bei Laërtius las, fanden sie meinen vollen Beifall. Ich betrachte die herrliche Welt, geeint in wunderbarer Ordnung, in der des höchsten Gottes höchste Güte, seine Weisheit und Herrlichkeit widerstrahlt. Nikolaus von Kues, De venatione sapientiae, Cap. II. Die griechische Philosophie scheint mit einem ungereimten Einfalle zu beginnen, mit dem Satze, daß das Wasser der Ursprung und der Mutterschooß aller Dinge sei: ist es wirklich nöthig, hierbei stille zu stehen und ernst zu werden? Ja, und aus drei Gründen: erstens weil der Satz etwas vom Ursprung der Dinge aussagt und zweitens, weil er dies ohne Bild und Fabelei thut; und endlich drittens, weil in ihm wenngleich nur im Zustande der Verpuppung der Gedanke enthalten ist: alles ist eins. Der erstgenannte Grund läßt Thales noch in der Gemeinschaft mit Religiösen und Abergläubischen, der zweite aber nimmt ihn aus dieser Gesellschaft und zeigt uns ihn als Naturforscher, aber vermöge des dritten Grundes gilt Thales als der erste griechische Philosoph. Friedrich Nietzsche, Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen, Fragment 1873, [813]. 14 Inhaltsverzeichnis Vorwort 15 Einleitung Das Zitat aus der Schrift des Philosophen, Theologen und Mathematikers Nikolaus von Kues (1401–1464) sowie die pointierte Äußerung des Philologen und Philosophen Friedrich Nietzsche (1844–1900) bezeugen exemplarisch die einzigartige Bedeutung des frühgriechischen Denkers, der nicht nur als erster spekulativer Naturphilosoph und einer der Sieben Weisen, in den Brunnen stürzender Astronom und Mathematiker, sondern auch als kluger Ratgeber und Ingenieur in jeder europäischen Philosophie-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte einen prominenten Platz gefunden hat: Thales von Milet. Beide Texte präsentieren zwei Perspektiven auf das facettenreiche Phänomen ‚Thales‘ und zeigen auf, dass die dem jeweiligen Autor zur Verfügung stehenden Informationsquellen sowie sein Hintergrundwissen eine wichtige Rolle spielen. So berichtet Nikolaus von Kues ausdrücklich von seiner Lektüre des Diogenes Laertius (quae verba dum in Laërtio legerem), während Nietzsche sich knapp vierhundert Jahre später in seinen philologischen Studien intensiv mit den Quellen des Diogenes Laertius auseinander setzt. Sicherlich hätte Nikolaus von Kues, ausgehend von seiner Lektüre, auch mehr und anderes über Thales schreiben können, doch er belässt es bei der Mitteilung dieser dem Milesier zugeschriebenen gehaltvollen Aussage über Gott und Welt, die ihn so anspricht, dass er damit das zweite Kapitel seiner Schrift „Über die Jagd nach der Weisheit“ (De venatione sapientiae) eröffnet. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass für eine Untersuchung zur Darstellung der Figur des Thales in den uns überlieferten Texten, sei es aus der Antike, dem Mittelalter, der Neuzeit oder der Moderne, verschiedene Faktoren Beachtung verlangen. Zunächst ist das Hintergrundwissen des Autors relevant, das durchaus größer und vielschichtiger sein kann, als seine Darstellung des Thales zu erkennen gibt. Weitere bedeutsame Aspekte für die Analyse des ‚ThalesBildes‘ sind das ‚intellektuelle Profil‘ des Autors, sein leitendes argumentatives Interesse, die von ihm gewählte Form des Ausdrucks und das Textgenre, so z.B. eine theologisch-philosophische Abhandlung bei Nikolaus von Kues und ein Vorlesungsmanuskript bei Nietzsche. Für ein umfassendes Verständnis jeder Darstellung des Thales und der ihm zugeschriebenen 16 Einleitung Ideen ist somit sowohl der textexterne als auch der textinterne Kontext, in dem die Bezugnahme erfolgt, von grundlegender Bedeutung. Die vorliegende Untersuchung zur Geschichte der Darstellungen des Thales und seiner Ideen in den griechischen und lateinischen Textzeugnissen christlicher Autoren der Kaiserzeit und Spätantike (vom 2.–7. Jahrhundert n. Chr.) widmet sich deshalb besonders den folgenden drei Fragen: (1) In welchen Zusammenhängen stehen die Bezugnahmen auf Thales und seine Ideen bei den christlichen Autoren dieser Zeit? (2) Welche Faktoren sind für die Darstellungen des Thales und seiner Ideen von entscheidender Bedeutung? (3) Kann von einem einheitlichen Bild des Thales in den Darstellungen der christlichen Autoren gesprochen werden? Um den Forschungsbeitrag der Arbeit sowohl in methodischer als auch in forschungsgeschichtlicher Rücksicht ermessen zu können, werde ich zuerst in zwei Schritten (1.1 und 1.2) die Aufmerksamkeit auf die philologischen Grundlagen zur Erforschung des Milesiers lenken. Vor diesem Hintergrund werde ich dann (1.3) die Ausrichtung und Methode meines Forschungsansatzes darlegen und (1.4) einige Hinweise zur Struktur und Benutzung der Untersuchung geben. Der Hauptteil der Arbeit (2, 3, 4) besteht in einer Falluntersuchung zu den griechischen und lateinischen Textzeugnissen christlicher Autoren der Kaiserzeit und Spätantike, an denen ich meinen Forschungsansatz erproben werde. Abschließend (5) sollen die erzielten Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf weiterführende Forschungen gegeben werden. Die Fragmente der Vorsokratiker (1903) 17 1. Forschungsstand und Methode Die Forschungen zum ersten der so genannten ionischen Naturphilosophen im 20. und 21. Jahrhundert sind auf den ersten Blick sehr umfangreich und polyglott.1 Neben philologischen und philosophischen Untersuchungen stehen Studien aus kultur-, astronomie- und wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive. Fragt man nach der Textgrundlage dieser Studien, so zeigt sich, dass die erstmals im Jahre 1903 von Hermann Diels publizierte Sammlung Die Fragmente der Vorsokratiker eine entscheidende Rolle in der Forschungsgeschichte spielt.2 Daher werde ich in einem ersten Schritt (1.1) auf die einzigartige Bedeutung der Sammlung von Diels sowie auf einige Merkmale derselben eingehen, um aufzuzeigen, inwiefern die gesamte Forschung zu Thales im 20. Jahrhundert (direkt oder indirekt) bis in die Gegenwart durch die Textsammlung von Diels geprägt wurde. In einem zweiten Schritt (1.2) möchte ich die im Jahre 2009 publizierte, neue Perspektiven eröffnende Sammlung von Zeugnissen über Thales in der Reihe Traditio Praesocratica vorstellen. 1.1 Die Fragmente der Vorsokratiker (1903) Aufgrund des maßgeblichen Einflusses auf die Forschungsarbeiten zu Thales möchte ich zuerst auf drei Aspekte dieser Sammlung hinweisen, die mir bedenkenswert erscheinen: das didaktische Anliegen von Diels bei der Erstellung des Werkes, der Auswahlcharakter seiner Sammlung sowie die zumeist fehlenden Kontexte der Textzeugnisse. Wie Diels bereits im Vorwort zur ersten Auflage der Fragmente der Vorsokratiker (1903) betont, 1 2 Cf. dazu die Bibliographien von Paquet/Roussel/Lafrance (1988) bes. 325–341 sowie Navia (1993) 599–617. Cf. dazu den Sammelband Hermann Diels (1848–1922) et la Science de l’Antiquité, hrsg. von Mansfeld/Calder (1999), darin besonders den Aufsatz zu Diels’ Vorsokratiker von Burkert, 169–197 und die wertvolle Diskussion 198–206, sowie den Beitrag von Mansfeld zu den Doxographi Graeci, 143–164 mit Diskussion 165–168. Cf. auch Rösler (2009) 369–393. Cf. zur Erforschung der Vorsokratiker in den zwanziger Jahren allgemein Most (1995) 87–114. 18 Forschungsstand und Methode hatte seine Sammlung zunächst einen praktischen Anlass und ein didaktisches Ziel: Das vorliegende Buch ist zunächst bestimmt, Vorlesungen über griechische Philosophie zugrunde gelegt zu werden.3 Diels bemerkt weiter: Willkürliche Auswahl der Fragmente wird stets als Hemmung und Bevormundung der Lehrenden und Lernenden empfunden werden. Darum strebt diese Sammlung Vollständigkeit der eigentlichen Fragmente und Mitteilung des wesentlichen biographischen und doxographischen Materials an.4 Diels selbst wusste durch seine Studien zu den Doxographi Graeci (1879),5 dass er im Fall der Testimonien, die er mit dem Buchstaben „A“ bezeichnete, also dem biographischen und doxographischen Material, lediglich eine Auswahl an Textzeugnissen präsentierte. Im Vorwort zur zweiten Auflage der Vorsokratiker (1906) betont er die Begrenzung seiner Sammlung mit den folgenden Worten: Die getroffene Auswahl hat mich mehr Zeit und Mühe gekostet, als wenn ich mein gesammeltes Material vollständig in die Druckerei gesandt hätte. Ich glaube aber gerade durch diese Beschränkung auf das Wesentliche und Alte den Anfängern, und nicht nur diesen, einen Dienst geleistet zu haben. Es war meine Absicht, nur die Ähren in die Scheune zu fahren, das Stroh aber draußen zu lassen, selbst auf die Gefahr hin, dass hier und da ein gutes Korn darin bliebe.6 Die von Diels so genannte „Beschränkung auf das Wesentliche und Alte“ legt die Kriterien seiner Auswahl offen, die nicht nur durch den didaktischen Nutzen motiviert ist. Dahinter steht das Interesse des Quellenforschers am „Alten“ und „Originalen“,7 das eine Reduktion der Quellen auf „das Wesentliche“ wünschenswert erscheinen lässt. Neben Diels’ didaktischem Anliegen und dem Auswahlcharakter der Sammlung ist der bei vielen Textzeugnissen fehlende Kontext zu bemerken. An dieser Stelle geht es jedoch nicht um eine Kritik an der Sammlung von Diels, die als Arbeitsergebnis eines einzigen Forschers eine überragende Leistung darstellt. Wichtiger ist die Feststellung, dass diese Auswahl von Textzeugnissen im Fall von Thales den Maßstab für dessen Erforschung grundlegend absteckte und damit auch das Thalesbild in den letzten hundert 3 4 5 6 7 Diels (11903, 6ND 1956) Vorrede zur ersten Auflage, VII. Ebd., VII. Cf. dazu Mansfeld/Runia (1997) bes. 1–120 und Frede (1999) 135–149, bes. 136–138. Diels (1906) Vorwort zur zweiten Auflage, IX. Diels (1903) ist daran interessiert „an Hand der Originalurkunden den Entwicklungsprozess des griechischen Denkens in statu nascendi zu beobachten“, ebd. Vorrede. Die Sammlung Traditio Praesocratica (2009) 19 Jahren wirksam prägte, wenn nicht gar ‚normierte‘.8 Denn wer auch immer im 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart über Thales arbeitete, griff direkt oder indirekt auf die Sammlung von Diels zurück: sei es auf eine der von Diels selbst revidierten Ausgaben, sei es seit 1934 auf die Ausgaben, die von seinem Schüler Walter Kranz herausgegeben wurden,9 sei es auf moderne Übersetzungen ins Italienische, Französische, Spanische, Deutsche oder Russische,10 oder besonders im englischen Sprachraum auf Sammlungen wie die von Kirk/Raven und Schofield,11 die größtenteils auf der von Diels getroffenen Vorauswahl basierten. Obgleich einige Forscher kritisch anmerkten, dass die Sammlung von Diels lediglich eine Auswahl darstelle und somit unvollständig sei, hat kein anderer Editor nach Diels eine weit größere oder vollständigere Sammlung von Zeugnissen über Thales erstellt.12 1.2 Die Sammlung Traditio Praesocratica (2009) Die im Jahre 2009 als erster Band der Reihe Traditio Praesocratica veröffentlichte Sammlung der Textzeugnisse über Thales vereint zum ersten Mal neben griechischen und lateinischen Texten auch eine Vielzahl von Zeugnissen aus der arabischen Tradition. Die Edition, die als Gemeinschaftsprojekt des Klassischen Philologen Georg Wöhrle und des Arabisten Gotthard Strohmeier erarbeitet wurde, präsentiert die noch erhaltenen Textzeugnisse 8 9 10 11 12 Vor der Sammlung von Diels hatte bereits Fridericus Decker (1865) in seiner Hallenser Dissertation De Thalete Milesio eine weitaus größere Anzahl von Zeugnissen über Thales untersucht. Außer von Zeller (Bd. I, 1, 61919, ND 1963), der in seiner Philosophiegeschichte im Abschnitt über Thales die Arbeit von Decker erwähnt (z.B. 254 Anm. 4), wird dessen Untersuchung in späteren Arbeiten nicht mehr genannt. Diels/Kranz (1934–7; 61952 und spätere ND). Es folgt eine Auswahl von Sammlungen und Übersetzungen: Italienisch: Maddalena (1963). Für eine vollständige italienische Übersetzung des ‚Diels/Kranz‘ cf. Reale et alii (2006). Spanisch: Eggers/Juliá et alii (1978–80) und Bernabé (1988). Französisch: Dumont/Poirier/Delattre (1988 und ND). Englisch: Freeman (1946) und die neue kommentierte Übersetzung von Graham (2010). Russisch: Lebedev (1989). Deutsch: Mansfeld (1983) und Gemelli (2007). Kirk/Raven seit 1979 unter Mitarbeit von Schofield (11957, 1983 und ND; deutsche Übersetzung der 2. Auflage von Hülser). Zur Kritik an Diels cf. Dicks (1959) 294–309, 294 und Burkert (1999). Lediglich vereinzelt bemühten sich Forscher, weitere Zeugnisse zu Thales, die man z.B. ohne große Mühe in Diels’ Doxographi Graeci hätte finden können, in ihren Arbeiten zu Thales zu berücksichtigen. Eine positive Ausnahme bildet der RE-Artikel über Thales von Milet von Classen (1965) 930–947. Darin führt Classen etliche Stellenangaben und Zeugnisse über Thales an, die sich bei Diels (1903) nicht finden. 20 Forschungsstand und Methode über Thales aus der griechischen, lateinischen und arabischen Tradition vom 6. Jh. v. Chr. bis zum Mittelalter in chronologischer Reihenfolge mit deutscher Übersetzung.13 Bei einem Vergleich der Sammlung von Diels mit der neuen Edition ist ein Aspekt besonders hervorzuheben: ein zentraler Unterschied in der Methode, der weitreichende Konsequenzen sowohl für die Anzahl der präsentierten Zeugnisse als auch für deren Anordnung hat. Die neue Sammlung stellt gemäß dem Anspruch auf Vollständigkeit im Unterschied zu der Sammlung von Diels keine „rekonstruktive Auswahl“14 dar, sondern es ist ein besonderes Anliegen der Editoren, so weit wie möglich deskriptiv vorzugehen, die Textzeugnisse in chronologischer Reihenfolge anzuordnen und damit den Blick auf die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte des Thales zu ermöglichen. Dieser Unterschied in der Methode hat erhebliche Konsequenzen für den Umfang der Edition. Einige Zahlen sollen dies veranschaulichen: Während in den Fragmente(n) der Vorsokratiker auf vierzehn Seiten 40 Testimonien vornehmlich in griechischer Sprache über Thales zusammengestellt sind, enthält die neue Sammlung auf mehr als 450 Seiten 561 griechische und lateinische Zeugnisse sowie 32 arabische. Dieser bemerkenswerte Unterschied betrifft im Besonderen Textzeugnisse aus der Epoche der Kaiserzeit, der Spätantike sowie des Frühen und Hohen Mittelalters. Die Anzahl der Zeugnisse zweier Autorengruppen stieg erheblich: zum einen die Zeugnisse der christlichen Autoren, zum anderen die der so genannten AristotelesKommentatoren. Die christlichen Autoren vom 2. bis zum frühen 7. Jahrhundert sind allein mit 73 griechischen und 38 lateinischen Zeugnissen in der Sammlung vertreten. Ein großer Teil dieser Zeugnisse ist zwar durch Diels’ Doxographi Graeci seit dem Jahre 1879 bekannt, doch jene Zeugnisse christlicher Autoren zu Thales, die Diels (von wenigen Ausnahmen abgesehen) weder in die Poetarum Philosophorum Fragmenta (1901) noch in Die Fragmente der Vorsokratiker (1903) aufgenommen hat, waren bis heute weder Gegenstand der Forschung noch überhaupt des Interesses.15 Dies ist ein Grund, weswegen ich meine Fallstudie an den Zeugnissen der christlichen Autoren durchführe.16 13 14 15 16 Cf. dazu die Rezensionen von Dorandi (2009) und Panchenko (2011). Cf. Wöhrle (2009) 2. Eine Ausnahme stellen die Arbeiten zu Hippolytos von Osborne (1987) und Mansfeld (1992) dar, die jedoch andere Schwerpunkte als Thales in ihren Untersuchungen gewählt haben. Ähnlich verhält es sich mit den ca. 70 Zeugnissen der so genannten Aristoteles-Kommentatoren, die in der neuen Sammlung berücksichtigt sind. Die Zeugnisse reichen von Alexander von Aphrodisias über Johannes Philoponus bis zu Albertus Magnus. Forschungsansatz und Methode 21 Die veränderte Forschungslage zu Beginn des 21. Jahrhunderts lässt es in philologischer und editorischer Hinsicht sinnvoll erscheinen, von einem ‚neuen‘ Thales zu sprechen. Doch welche Chancen bietet die neue Sammlung für die künftige Forschung? Auf diese Frage stellt der folgende Forschungsansatz und seine Erprobung mittels einer Fallstudie zu den Textzeugnissen über Thales bei den griechischen und lateinischen christlichen Autoren eine erste mögliche Antwort dar. 1.3 Forschungsansatz und Methode Für den Forschungsansatz und die Methode meiner Untersuchung ist eine hermeneutische Vorüberlegung von entscheidender Bedeutung. Sie lässt am besten den Unterschied der vorliegenden Untersuchung zu den bisherigen Arbeiten über Thales erkennen. Ein wichtiges Merkmal der Überlieferungsgeschichte zu Thales ist die Tatsache, dass wir nur durch spätere Berichte aus zweiter oder dritter Hand, Darstellungen oder kurze Anspielungen Informationen über den Milesier besitzen. Für Thales gibt es – anders als im Falle des Parmenides und Empedokles – kein einziges Fragment irgendeines seiner Werke, wenn er denn überhaupt irgendwelche Werke verfasst hat. Aus diesem Grund erscheint es mir angebracht, Textpassagen, die Bezugnahmen auf Thales enthalten, nicht als Fragmente, sondern als ‚Zeugnisse‘ (engl. testimonies, frz. témoignages) zu bezeichnen. Sie bezeugen zumindest explizit seinen Namen in Verbindung mit weiteren Prädikaten und Attributen, z.B. seine Aktivitäten im Bereich der Astronomie oder seine Rolle in der frühen griechischen Philosophie. Auf eine weitere Unterscheidung möchte ich nun mit der These hinweisen, dass ein Zeugnis über einen frühgriechischen Philosophen ein Zeugnis in zweifacher Hinsicht darstellt: zum einen ein Zeugnis über den relevanten frühgriechischen Denker und möglicherweise auch für dessen ‚Lehre‘, zum anderen jedoch nicht weniger ein Zeugnis über den schreibenden oder auf Thales anspielenden Autor selbst, sein Interesse und seine Einstellung gegenüber diesem. Vor dem Hintergrund dieser Überlegung kann nun der Forschungsansatz meiner Untersuchung, der besonders in einem Perspektivenwechsel gründet, erläutert werden. Ein Blick auf die moderne Forschungsgeschichte zu Thales macht deutlich, dass die Bemühungen der meisten Untersuchungen, ausgehend von der Sammlung von Diels bis in die Gegenwart, gemäß dem ersten Verständnis von ‚Zeugnis‘ unternommen wurden, d.h. einer Leseweise der Textzeugnisse mit der Absicht, die ‚originale Lehre‘ des Thales 22 Forschungsstand und Methode näher zu bestimmen oder zumindest gewisse Elemente davon zu rekonstruieren.17 Mein Interesse hingegen gilt vielmehr dem zweiten Verständnis des Terminus ‚Zeugnis‘. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die über Thales schreibenden Autoren, ihr Interesse, ihre Haltung gegenüber ihm und seiner ‚Lehre‘ sowie im Besonderen auf die verschiedenen textinternen Kontexte, in denen die Bezugnahmen auf den Milesier stehen. Deswegen werde ich nicht von der Rekonstruktion einer oder der ‚originalen Lehre‘ des Thales sprechen, sondern vielmehr über die von der Nachwelt vorgenommene Darstellung seiner Figur und seiner Ideen. Ebenso strebe ich durch meine Arbeit keine neue Rekonstruktion des ‚historischen Thales‘ an. Mein Forschungsinteresse konzentriert sich vielmehr darauf zu untersuchen, wie und, soweit möglich, warum Thales zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Texten und Kontexten erscheint.18 Die Untersuchung leistet damit einen Beitrag zur Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte des Thales und der ihm zugeschriebenen Ideen in der frühen christlichen Literatur. Dass sich eine derartige Untersuchung auf eine begrenzte Anzahl an Textzeugnissen und Autoren konzentrieren und beschränken muss, ist angesichts der 592 Zeugnisse und der Vielzahl der Autoren vom 6. Jh. v. Chr. bis ins Mittelalter nicht verwunderlich. Als Forschungsgegenstand habe ich aus dieser Materialfülle die griechischen und lateinischen Textzeugnisse der christlichen Autoren vom 2. bis zum frühen 7. Jahrhundert ausgewählt. Dass diese Auswahl von insgesamt 111 Textzeugnissen bei 25 Autoren durchaus sinnvoll ist, möchte ich durch zwei Gründe belegen: (1) Wie bereits bei der Besprechung der Sammlung von Diels (in 1.1) erwähnt, waren die christlichen Autoren abgesehen von wenigen Zeugnissen bis in die Gegenwart kein Gegenstand der Thales-Forschung.19 Eine 17 18 19 Zu monographischen Versuchen einer Gesamtrekonstruktion zu Thales und seiner Lehre cf. Tezas (1990), O’Grady (2002) und Panchenko (2005). Als eine ähnlich ausgerichtete Untersuchung dieser Art kann die des Philosophen Hans Blumenberg (1987) angesehen werden, der in seinem Buch „Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie“ die Rezeptionsgeschichte der Anekdote vom Brunnenfall des Thales bis zu Heidegger untersucht. Dafür gibt es verschiedene Gründe, von denen ich lediglich drei anführen möchte: (1) Das primäre Interesse der Thales-Forschung an der Rekonstruktion des ‚historischen Thales‘ ausgehend von der Sammlung von Diels, die fast keine christlichen Zeugnisse enthielt; (2) Philologische Gründe, darunter das Problem, dass viele Texte der christlichen Autoren bis heute weder in editorischer Hinsicht noch im Hinblick auf moderne Übersetzungen und Kommentare hinreichend gut erschlossen sind; cf. dazu das Vorwort von Riedweg (1994) V zu seiner vorbildlichen Studie zu Ps.-Justin; (3) Theolo- Forschungsansatz und Methode 23 eingehende Untersuchung der Textzeugnisse dieser Autoren ist somit ein Desiderat der Forschung. Neuland wird auch bei denjenigen Autoren betreten, bei denen bisher vornehmlich das Interesse des Forschers an PlacitaMaterial dominierte. (2) Überblickt man die Vielzahl von Autoren, die in ihren Texten auf Thales Bezug nehmen, so wird deutlich, dass zu einer Unterscheidung und weiteren Orientierung unter diesen Autoren die Anwendung von wissenssoziologischen Kriterien wie z.B. der Zugehörigkeit des Autors zu einer philosophischen Schule oder zu einer bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Richtung hilfreich sein kann. Allen von mir ausgewählten Autoren kann ohne größere Schwierigkeiten das Prädikat ‚christlich‘ oder im weitesten Sinne ‚mit der christlichen Religion sympathisierend‘ zugeschrieben werden. Damit soll weder eine Wertung noch eine Klassifizierung nach spezifisch theologisch-dogmatischen oder kirchengeschichtlichen Kriterien (wie die Bezeichnung als orthodox, heterodox, fundamentalistisch etc.) vorgenommen werden. Was jedoch alle diese Autoren verbindet, ist ihre Zugehörigkeit zur sich entwickelnden christlichen Religion in verschiedenen Regionen (Nordafrika, Griechenland, Syrien, Ägypten und anderen Bereichen) des Römischen Reiches,20 mehreren Sprachzonen und verschiedenen Zeiten. Das Textkorpus der christlichen Autoren erscheint zum einen also in einer gewissen Homogenität; zum anderen aufgrund der unterschiedlichen regionalen Herkunft der Autoren, deren unterschiedlichen Lebenszeiten sowie der Vielgestaltigkeit der verwendeten literarischen Genres ebenso als heterogen. Eine Untersuchung zu den Textzeugnissen christlicher Autoren mit Bezugnahmen auf die Figur des Thales, der in späterer Zeit zum Inbegriff griechischer Weisheit und Wissenschaft wird, ist gerade auch im Hinblick auf weltanschauliche, philosophische und ideologische Aspekte der Auseinandersetzungen äußerst vielversprechend. Eine solche Untersuchung, die den Fokus auf die Darstellungen des Thales und seiner Ideen in den bisher nur wenig beachteten griechischen und lateinischen Textzeugnissen dieser Autoren richtet, dürfte ertragreich sein, da sie neue Impulse für die Erforschung nicht nur des Milesiers und anderer frühgriechischer Denker, sondern auch für das große Thema der Auseinandersetzung christlicher Autoren mit der antiken Philosophie geben kann. 20 gisches Interesse und theologische Kompetenz, die für die Bearbeitung der Texte unabdingbar sind. Cf. zur regionalen Diversität des frühen Christentums die instruktive Untersuchung von Markschies (2006) 11–34. 24 Forschungsstand und Methode Nachdem ich mit dieser Arbeit also bereits in der Auswahl der zu untersuchenden Textzeugnisse und Autoren Neuland betrete, werde ich im Folgenden die Methode vorstellen, mit der ebenfalls in neuer Weise eine Untersuchung der Bezugnahmen auf Thales durchgeführt wird. Sie versucht zum einen der bereits erwähnten hermeneutischen Situation Rechnung zu tragen, dass uns von Thales keine Fragmente mehr erhalten sind, sondern nur spätere Berichte aus zweiter oder dritter Hand sowie Darstellungen oder Anspielungen. Zum anderen sollen mit dieser Methode gerade die Darstellungen des Thales und seiner Ideen in den betreffenden Textzeugnissen, die durch verschiedene Interessen und Absichten der Autoren bedingt sind, tiefer erforscht werden. Die Untersuchung der Textzeugnisse sowie der jeweiligen Kontexte erfolgt in vier Schritten, die zum einen den unmittelbaren Kontext einer Bezugnahme auf Thales (Mikrokontext), zum anderen den nicht leicht abgrenzbaren weiteren Kontext (Makrokontext) in den Blick nehmen: (1) Analyse und Auflistung der Attribute (2) Analyse und Bestimmung des Kontextes (3) Bestimmung der Funktion der Bezugnahme (4) Synchroner und diachroner Vergleich 1. Schritt: Analyse und Auflistung der Attribute Zuerst frage ich im unmittelbaren Kontext der Bezugnahme auf Thales, welche Informationen dem jeweiligen Textzeugnis zu entnehmen sind. Die Elemente oder Motive, die Thales in den knapp 600 Zeugnissen oftmals wiederkehrend zugeschrieben werden, z.B. Thales als einer der Sieben Weisen, sein Name in Verbindung mit der ‚Wasserthese‘ (das Wasser als Prinzip aller Dinge) oder der Vorhersage der Sonnenfinsternis, bezeichne ich als Attribute. Dieser erste Schritt stellt eine formale Annäherung an das jeweilige Textzeugnis dar und kann später als Ausgangspunkt für Vergleiche dienen. Durch die Auflistung der Attribute wird sofort deutlich, welche von diesen bereits durch die vorausgehende griechische und lateinische Tradition bekannt sind und ob irgendwelche Attribute neu oder in anderer Form hinzutreten. Die Attribute entsprechen den in der Edition angezeigten Similien, weisen jedoch in vielen Fällen auf weitere Nuancierungen und Besonderheiten des jeweiligen Textzeugnisses hin. Eine tabellarische Gesamtübersicht der verwendeten Attribute aller behandelten Textzeugnisse findet sich im Anhang. Forschungsansatz und Methode 25 2. Schritt: Analyse und Bestimmung des Kontextes Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass jede Bezugnahme auf Thales in einem größeren Zusammenhang steht,21 geht es in einem zweiten Schritt um die Analyse und Bestimmung dieses Makrokontextes: In was für einer Schrift steht sie, um was für ein Textgenre handelt es sich, in welchem Teil der Schrift erfolgt die Bezugnahme auf Thales? Worin bestehen Ziel und Zweck des argumentativen Textes, in dem auf Thales an einer bestimmten Stelle Bezug genommen wird? Eine Bezugnahme auf Thales und die ihm zugeschriebenen Attribute können in unterschiedlichen Kontexten von völlig unterschiedlicher Bedeutung sein. So bildet beispielsweise ein polemischer und apologetischer Traktat aus dem 2./3. Jh. mit einer Bezugnahme auf Thales als den ‚princeps physicorum‘ einen anderen Kontext als ein literarisch kunstvoll gestalteter Brief, in dem der Verweis auf Thales als einen der Sieben Weisen besonders die hohe Kultur des Autors im späten 5. Jahrhundert unter Beweis stellen soll. Die Differenzen zwischen dem Kontext einer ‚apologetischen Rede‘ z.B. Tertullians oder des Athenagoras, eines literarischen Briefes des Sidonius Apollinaris, einer Exegese des Hohen Liedes von Aponius oder einer christlichen Chronologie sollen in diesem zweiten Schritt Beachtung finden. 3. Schritt: Bestimmung der Funktion der Bezugnahme Nachdem die Attribute analysiert und der Makrokontext in Betracht gezogen worden sind, kann nun bestimmt werden, welche – in den meisten Fällen – argumentative Funktion die Bezugnahme auf Thales in ihrem weiteren Kontext erfüllt: Aus welchen Gründen nimmt der Autor an einer bestimmten Stelle auf Thales Bezug und wie verwendet er die Attribute mit Rücksicht auf den spezifischen Kontext? 4. Schritt: Synchroner und diachroner Vergleich In einem vierten Schritt kann zuletzt ein zweifacher Vergleich angestellt werden: erstens ein synchroner Vergleich, d.h. wenn möglich ein Blick auf weitere Bezugnahmen aus der gleichen Zeit bei demselben und anderen Autoren, zweitens ein diachroner Vergleich, d.h. mit Textzeugnissen aus anderen Zeiten. Dieser vierte Schritt wird nur in besonders interessanten Fällen durchgeführt, z.B. wenn Thales in einem Textzeugnis bestimmte Attribute 21 Cf. dazu die Überlegungen von van der Eijk (2000) in der Einführung zu seiner Fragmentsammlung des Diokles von Karystos, xvii: „One of the most striking developments in fragment collecting over the last hundred years certainly is the increasing importance attached to the context in which a fragment is embedded.“ 26 Forschungsstand und Methode (z.B. einzelne Elemente aus seiner ‚Lehre‘) zugeschrieben werden, die ihm in einem anderen Text ausdrücklich abgesprochen werden. Nach diesen vier Schritten richtet sich die Untersuchung der Textzeugnisse, die ich abschließend an einem Beispiel erläutern möchte, um somit zugleich einige Hinweise zum Aufbau und zur Benutzung der vorliegenden Arbeit zu geben. 1.4 Hinweise zur Benutzung Auf (i) den Namen des Autors und die Nummer der jeweiligen Textzeugnisse (Th = Textzeugnis über Thales) nach der Edition von Wöhrle (2009) folgt (ii) eine kurze Hinführung zum betreffenden Werk. Aus Gründen der Leserfreundlichkeit (iii) werden der Originaltext des Textzeugnisses in griechischer oder lateinischer Sprache sowie eine deutsche Übersetzung angeschlossen.22 Die Analyse der einzelnen Textzeugnisse gliedert sich gemäß den drei bzw. vier methodischen Schritten in die folgenden Unterpunkte: die Erläuterung des Kontextes, die Auflistung der Thales zugeschriebenen Attribute,23 sowie einen Kommentar, der vor allen Dingen auf die Bestimmung der argumentativen Funktion der Bezugnahme auf Thales konzentriert ist. Für Leser, die an einem bestimmten christlichen Autor interessiert sind, findet sich am Ende eines jeden Kapitels eine Auflistung der benutzten und weiterführenden Literatur, die auch in der Gesamtbibliographie verzeichnet ist.24 Um möglichen Missverständnissen (z.B. bei Umfang und Gewichtung von Kontext und Kommentar zur Funktion der Bezugnahme) vorzubeugen, ist es mir ein Anliegen zu bemerken, dass ich in vielen Fällen der Beschreibung und der Erläuterung des Kontextes sehr viel mehr Raum eingeräumt habe, als dies üblicherweise in Kommentaren der Fall ist. Für dieses Vorgehen gibt es zwei Gründe: Zum einen vertrete ich die Auffassung, dass die 22 23 24 Wenn nicht anders vermerkt, stammen die Texte und die deutschen Übersetzungen der Thales-Zeugnisse aus der Edition von Georg Wöhrle (2009). Ihm und dem Verlag danke ich sehr herzlich für die Erlaubnis des Wiederabdrucks. Eine Gesamtübersicht der verwendeten Attribute in den untersuchten Textzeugnissen der christlichen Autoren findet sich im Anhang. Die Kapitel zu Clemens, Hippolytos, Tertullian, Eusebius und Theodoret werden jeweils durch eine Zusammenfassung beschlossen. Hinweise zur Benutzung 27 meisten Bezugnahmen und Anspielungen auf Thales und seine Ideen nur und erst dann im jeweiligen Kontext verstehbar werden, wenn sie vor dem übergeordneten Argumentationsziel oder dem argumentativen Hintergrund sichtbar gemacht werden. Zum anderen besteht immer noch ein großer Mangel an einer angemessenen Berücksichtigung des Kontextes bei der Erforschung der frühgriechischen Philosophen, so dass ich durch meine Arbeit ausdrücklich andere Akzente setzen möchte. Angabe des Autors und der Textzeugnisse, Th…25 (i) Bsp. (ii) Bsp. Tertullian, Th 216–222 Kurze Hinführung zum betreffenden Werk Tertullian, Ad nationes (iii) Analyse des Textzeugnisses Bsp. Th 216 Tertullian, Ad nationes 2.2.10–11 Kontext* Originaltext (in lateinischer Sprache) Deutsche Übersetzung Attribute Funktion der Bezugnahme* * In einigen Fällen wurden die beiden Rubriken Kontext und Funktion der Bezugnahme vereinigt, um Wiederholungen zu vermeiden. 25 Th = Textzeugnisse über Thales aus der Edition von Wöhrle (2009): Die Milesier. Thales, Traditio Praesocratica. Textual Evidence on early Greek Philosophy and its continuation / Zeugnisse frühgriechischer Philosophie und ihres Fortlebens, Bd. 1, Berlin 2009. 28 Forschungsstand und Methode Hinweise zur Benutzung 29 2. Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Übersicht der Autoren und Zeugnisse Irenäus von Lyon Tatian Athenagoras Clemens von Alexandrien Hippolytos von Rom Tertullian Minucius Felix Hermias Insgesamt 31 Zeugnisse Th 145 Th 176 Th 186 Th 197–208 Th 209–215 Th 216–222 Th 229 Th 230 30 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert 2.1 Irenäus von Lyon (Th 145) Der vermutlich vor 140 n. Chr. in Kleinasien geborene Irenäus (gest. um 200) verbrachte seine Jugend in Smyrna (heute: Izmir), wo er noch den Bischof Polykarp (gest. 156) erlebte.1 Er siedelte, möglicherweise aufgrund einer kirchlichen Aufgabe, in den Westen des Römischen Reiches über und reiste um das Jahr 177 als Presbyter der christlichen Gemeinde von Lyon zu Bischof Eleutheros nach Rom. Nach seiner Rückkehr trat er die Nachfolge des Lyoner Bischofs Pothinus an, der unter Kaiser Marc Aurel (161–180) den Märtyrertod sterben musste. Irenäus von Lyon, Adversus haereses Irenäus schrieb sein Hauptwerk in griechischer Sprache in der Zeit von 180–185 unter dem Titel „Überführung und Widerlegung der fälschlich so genannten Gnosis“.2 Das Werk umfasst fünf Bücher, die im griechischen Original nur fragmentarisch erhalten sind.3 Vollständig ist die Schrift nur in einer lateinischen Übersetzung aus dem vierten Jahrhundert überliefert.4 Sie ist unter dem lateinischen Kurztitel Adversus haereses („Gegen die Häresien“) bekannt.5 Wie bereits die beiden Titel zu verstehen geben, sind „die Gnosis“ und einzelne gnostische Vertreter als „Häretiker“ Gegenstand des Werkes.6 Einen guten Überblick über die methodischen Probleme bei der Beschäftigung mit der Gnosis – die bereits umstrittene Bedeutung von „Gnosis“ sowie die problematischen Beschreibungskategorien dieses komplexen Phänomens – gibt Markschies, der bemerkt, dass das jeweilige Bild von Gnosis wesentlich von der Definition abhänge, die vorausgesetzt wird.7 1 2 3 4 5 6 7 Cf. Brox (1993) 15–18, 15–16 und ders. ausführlicher (1998) 820–854 mit weiterführender Literatur. Cf. den griechischen Titel: EEXOY KAI ANATOPH TH EYNYMOY NE BIBIA PENTE. Der größte Teil dieser Bruchstücke findet sich in Form von Zitaten bei späteren christlichen Autoren wie Hippolytos, Eusebius, Epiphanios und Johannes von Damaskus; cf. Hamm (1998) 311; vom fünften Buch sind größere Teile im sog. Jenaer Papyrus erhalten. Cf. zur Überlieferung der lateinischen Irenäus-Übersetzung Lundström (1985). Weitere Fragmente des Werkes sind in armenischer und syrischer Sprache erhalten; cf. Hamm (1998) 311. Cf. zum „plus ancien traité antihérétique conservé“ Le Boulluec (1985) 113–188, 113. Cf. zur Geschichte und Verwendung des Begriffs „Häresie“ Brox (1986) 248–297. Markschies (2000) 1045–1053, 1045. Markschies konstatiert ebd. 1045: „Weitgehender Konsens der historischen Forschung ist, dass mit dem griech. Terminus «/gnôsis, der das rationale Erfassen von Sachverhalten durch Einsicht („Er- Irenäus von Lyon (Th 145) 31 Von grundsätzlicher Bedeutung ist, dass man „bei einer Rekonstruktion der Frühgeschichte der christlichen Gnosis […] keinesfalls die häresiologischen Konstrukte der antiken christlichen Theologen einfach fortschreiben oder unbewußt übernehmen“8 dürfe. Die Lehren der angeblichen Schulgründer Valentin und Basilides passen nach Markschies nur schlecht zu den gnostischen Systemen ihrer Schüler, der Valentinianer und Basilidianer.9 Während sich Irenäus im ersten Buch besonders den Inhalten der gnostischen Lehrsysteme sowie deren Begründern (darunter auch Valentin10) widmet, befasst er sich im zweiten Buch mit der Widerlegung ihrer Anschauungen. In diesem Zusammenhang (haer. 2.14.2) steht das Zeugnis über Thales und die Wasserthese. Kontext zu Th 145 Nachdem sich Irenäus im ersten Abschnitt des zweiten Buches (haer. 2.1–11) gegen die valentinianischen Vorstellungen vom Pleroma und vom Schöpfer gewendet hat, richtet er sich im zweiten Abschnitt (haer. 2.12–19) gegen ihre Äonenlehre. In diesem Zusammenhang weist er auf die angeb- 8 9 10 kenntnis“) bezeichnet, in einer ausschließlich neuzeitlichen Verwendung ein bestimmtes Ensemble von Ideen oder Motiven in bestimmten Texten angesprochen wird (ein gnost. „System“). „Gnosis“ ist also im strengen Sinne ein „typologisches Konstrukt“ neuzeitlicher Forschung (Michael A. Williams). In der Regel umfasst ein entsprechender Katalog folgende Punkte: 1. Die Erfahrung eines vollkommen jenseitigen, fernen obersten Gottes; 2. die u.a. dadurch bedingte Einführung weiterer göttlicher Figuren oder Aufspaltung der vorhandenen Figuren in solche, die dem Menschen näher sind; 3. die Einschätzung von Welt und Materie als böse Schöpfung; 4. die Einführung eines eigenen Schöpfergottes («/demiurgós), der z.T. nur als unwissend (Jes 45,5a wird häufig als Aussage des Demiurgen zitiert), z.T. aber auch als böse geschildert wird; 5. die Erklärung dieses Zustandes durch ein mythologisches Drama eines göttlichen Elementes, das aus seiner Sphäre in eine böse Welt fällt, als göttlicher Funke in Menschen einer Klasse schlummert und daraus befreit werden kann; 6. eine Erkenntnis (G.) über diesen Zustand, die aber nur durch eine jenseitige Erlösergestalt zu bekommen ist, die aus einer oberen Sphäre hinab- und wieder hinaufsteigt; 7. die Erlösung durch Erkenntnis des Menschen, „dass Gott (bzw. der Funke) in ihm ist“ (TestVer NHC XI,3 56,15–20) sowie schließlich 8. eine unterschiedlich ausgeprägte Tendenz zum Dualismus, die sich im Gottesbegriff, in der Entgegensetzung von Geist und Materie und in der Anthropologie äußern kann.“ Ebd. 1049. Cf. ebd. 1049–1050. Markschies bemerkt zum valentinianischen System, dass dieses wohl aus der 2. Hälfte des 2. Jh. stamme; die Referate des Irenäus über vorvalentinianische Gnostiker seien diesem erkennbar angepasst und deswegen von zweifelhaftem historischen Wert. Cf. zu Valentin und den Valentinianern Markschies (2001) 89–95 sowie ders. (1992). 32 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert liche Abhängigkeit der Valentinianer von der Philosophie (haer. 2.14.2–7) hin. Zuvor hatte Irenäus behauptet (haer. 2.14.1–2), dass die Gnostiker (Valentinianer) das als ihr eigenes Gedankengut ausgeben (quasi propria proferentes), was sie bei den Komikern (apud comicos) gefunden hätten.11 Dieser Vorwurf kommt in der prägnanten Formulierung zum Ausdruck, dass die Gnostiker alles, was allerorten in den Theatern von Komödianten in blendenden Worten vorgetragen wird, auf ihr Lehrsystem übertragen (transferentes in suum argumentum) und ihre Lehre mit denselben Argumenten stützen (eisdem argumentis docentes) und nur die Namen dazu abändern (tantum immutantes nomina).12 Zweitens behauptet er nun (haer. 2.14.2), dass die Gnostiker auch (etiam) die Aussagen all der Leute (omnes) sammelten (congregant), die Gott nicht kennen (qui Deum ignorant) – die „sogenannten Philosophen“ (qui dicuntur philosophi).13 Irenäus charakterisiert die Gnostiker weiter als solche, die „sich sozusagen aus vielen schlechtesten Fetzen einen Lumpenrock zusammengeflickt und so ein Obergewand aus scharfsinniger Rede geschaffen haben“ (haer. 2.14.2 quasi centonem ex multis et pessimis panniculis consarcientes, finctum superficium subtili eloquio sibi ipsi praeparauerunt). Ihre Lehre (doctrinam) kennzeichnet er als eigenartig, insofern er sie als neu (nouam), zugleich aber als alt (ueterem) und wertlos (inutilem) bezeichnet: (1) Die Neuheit ihrer Lehre sieht Irenäus darin, dass sie erst jetzt (nunc) mit neuartiger Geschicklichkeit (noua arte) hergestellt worden sei (substituta sit). (2) Das Alter und die Wertlosigkeit ihrer Lehre seien darauf zurückzuführen, dass sie von alten Dogmen (de ueteribus dogmatibus), die nach Unwissenheit (ignorantiam) und Gottlosigkeit (irreligiositatem) riechen (olentibus), gesäumt sei (subsuta sunt). Im Anschluss an diese beiden Vorwürfe kommt Irenäus (haer. 2.14.2) auf Thales von Milet zu sprechen, nach dem das Wasser Ursprung und Anfang aller Dinge sei (uniuersorum generationem et initium aquam). Er behauptet nun, dass man (nach Meinung der Valentinianer) auch statt „Wasser“ „Bythos“14 11 12 13 14 Cf. dazu haer. 2.14.1 und Grant (1965) 157–159, der Parallelen zu haer. 2.14.1 auflistet. Irenäus beschließt mit dieser These den Abschnitt zu den Komikern und leitet den Passus über die Philosophen ein (haer. 2.14.2). Cf. haer. 2.14.1. Cf. dazu Diels (1879) 171–172. „Bythos“ (griech.), eigentlich „Abgrund“ oder „Tiefe“, z.B. die „Meerestiefe“, ist der Name des obersten Gottes im valentinianischen System, cf. Markschies (2001) 91. Markschies erläutert ebd.: „Damit wird bereits im Begriff signalisiert, dass der oberste Gott unerforschlich ist und erst durch Offenbarung seines Sohnes zugänglich geworden ist. Dieses Gottesbild entspricht nicht nur bestimmten neutestamentlichen Schriften, sondern ist auch gemeinsame Auffassung vieler antiker Philosophien.“ Irenäus von Lyon (Th 145) 33 sagen könne (idem autem est dicere aquam et Bythum). Irenäus führt auch den Dichter (poeta) Homer an, der – in Anspielung auf Ilias 14.20115 – gelehrt habe (dogmatizauit), dass Okeanos der Ursprung der Götter (Oceanum deorum genesim) und Tethys ihre Mutter (et matrem Tethyn) sei. Diese Lehre haben nach Irenäus die Valentinianer auf Bythos und Sige übertragen (transtulerunt). Es folgen Bezugnahmen auf Anaximander, Anaxagoras (haer. 2.14.2) sowie eine Reihe weiterer Philosophen wie Demokrit und Epikur (haer. 2.14.3–7), Platon (haer. 2.14.3–4), Empedokles und die Stoiker (haer. 2.14.4), Hesiod, die Kyniker, Aristoteles (haer. 2.14.5) und die Pythagoreer.16 Th 145 Irenäus, Adversus haereses 2.14.2 (ed. Brox) Et non solum quae apud comicos posita sunt arguuntur quasi propria proferentes, sed etiam quae apud omnes qui Deum ignorant et qui dicuntur philosophi sunt dicta, haec congregant et, quasi centonem ex multis et pessimis panniculis consarcientes, finctum superficium subtili eloquio sibi ipsi praeparauerunt, nouam quidem introducentes doctrinam, propterea quod nunc noua arte substituta sit, ueterem autem et inutilem, quoniam quidem de ueteribus dogmatibus ignorantiam et irreligiositatem olentibus haec eadem subsuta sunt. Thales quidem Milesius uniuersorum generationem et initium aquam dixit esse: idem autem est dicere aquam et Bythum. Homerus autem poeta Oceanum deorum genesim et matrem Tethyn dogmatizauit: quae quidem hi in Bythum et Sigen transtulerunt. Anaximander autem hoc quod immensum est omnium initium subiecit, seminaliter habens in semetipso omnium genesim, ex quo immensos mundos constare ait: et hoc autem in Bythum et in Aeonas ipsorum transfigurauerunt. Th 145 Irenäus, Gegen die Häresien 2.14.2 Und man ertappt sie nicht nur dabei, dass sie als eigenes Gedankengut ausgeben, was bei den Komikern vorgegeben ist, sondern auch die Aussagen all der Leute, die Gott nicht kennen, der sogenannten Philosophen, die sammeln sie. Sie haben sich sozusagen aus vielen schlechtesten Fetzen einen Lumpenrock zusammengeflickt und so ein Obergewand aus akkurater Rede geschaffen. Die Lehre, die sie einführen, ist zwar neu, weil sie erst jetzt mit neuartiger Geschicklichkeit hergestellt wurde; alt ist sie aber und wertlos, weil sie von alten Dogmen, die nach Unwissenheit und Gottlosigkeit stinken, gesäumt ist. Nach Thales von Milet ist das Wasser der Ursprung und 15 16 Homer Il. 14.201 # λ T […]. Cf. dazu Le Boulluec (1985) 123–124. 34 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Anfang aller Dinge; statt Wasser kann man [nach Meinung der Valentinianer] aber auch Bythos sagen. Der Dichter Homer hat die Lehre vorgetragen, der Okeanos [Ozean] sei der Ursprung der Götter und Tethys ihre Mutter. Das haben die [Valentinianer] auf Bythos und Sige übertragen. Anaximander hat als Anfang von allem das Unermessliche gesetzt, das keimhaft den Ursprung aller Dinge in sich trägt und aus dem nach seiner Lehre die unendlichen Welten entstanden. Auch das haben die [Valentinianer] in ihren Bythos und ihre Äonen umgewandelt.17 Attribute Milet Philosoph Prinzip Wasser: Wasser als Ursprung und Anfang aller Dinge Gleichsetzung des Wassers mit Bythos Wasserthese und Homer: Okeanos als Ursprung der Götter und Tethys als ihre Mutter Funktion der Bezugnahme Außer der Angabe seiner Herkunft und der Wasserthese wird von Irenäus nichts weiter über Thales mitgeteilt. Der Fokus des Interesses richtet sich auf die Aussage über das Wasser, da Irenäus mit der These idem autem est dicere aquam et Bythum das von Thales als Prinzip angenommene Wasser mit Bythos, dem obersten Gott im valentinianischen System, gleichsetzt. Mit dieser These veranschaulicht Irenäus die zwei zuvor geäußerten Vorwürfe an die Valentinianer: Erstens unterstreicht er das Alter ihrer vorgeblich neuen Lehre im Hinblick auf ein Grundelement (Bythos) ihres Lehrsystems, das bereits Thales und vor diesem sogar schon Homer in ihrer „Lehre“ vertreten haben sollen; zweitens behauptet Irenäus, dass die Valentinianer lediglich einen anderen, neuen Namen für eine alte Sache verwendeten. Dieses Argumentationsmuster kehrt auch in den folgenden Bezugnahmen auf andere Philosophen (haer. 2.14.2) wieder. Insofern Thales als ein Vertreter der Philosophen angeführt wird, sind die Aussagen des Irenäus über die Lehren der Philosophen ebenfalls von Bedeutung für die Konturen der Figur des Thales und das Ansehen seiner Lehre. (1) Über die Lehren der Philosophen äußert sich Irenäus deutlich negativ. Es handelt sich um „Leute, die Gott nicht kennen“ (qui Deum ignorant). Ihren Beitrag zum Gewand der gnostischen Lehren bezeichnet er im Super- 17 Übersetzung Norbert Brox. Irenäus von Lyon (Th 145) 35 lativ pessimis panniculis, also als „schlechteste“ oder „übelste Fetzen“. Des Weiteren behauptet er von ihren „alten Dogmen“ (ueteribus dogmatibus), dass diese sowohl nach Unwissenheit als auch nach Gottlosigkeit riechen (ignorantiam et irreligiositatem olentibus). Thales’ „Lehre“ vom Wasser wird von Irenäus mit deutlicher Geringschätzung unter diese alten Dogmen gereiht, mit denen er explizit Unwissenheit und Gottlosigkeit verbindet. Bei den philosophischen Kenntnissen des Irenäus handelt es sich wohl insgesamt um „ein Stück Allgemeinbildung“ und Handbuchwissen, das er polemisch und defensiv einzusetzen weiß.18 (2) Nach der metaphorischen und polemischen Ausdrucksweise des Irenäus bei der Charakterisierung der Lehre der Gnostiker19 kann die Aussageabsicht der Stelle über Thales und Homer folgendermaßen zusammengefasst werden: Die Valentinianer haben sich im Hinblick auf den Bythos ihren Lumpenrock (= ihre Lehre) je aus einem schlechtesten Fetzen (= Lehrelement) des Thales und des Homer zusammengeflickt.20 (3) Die argumentative Strategie des Irenäus (bezüglich der Gleichsetzung des thaletischen Prinzips mit Bythos) ist zu vergleichen mit der Strategie des Hippolytos in Th 213, der gleichfalls in einem häresiologischen Kontext – in seiner Argumentation gegen die gnostische Richtung der Ophiten – „die feuchte Wesenheit“ (κ !) des Thales mit der Schlange der Ophiten identifiziert.21 Es ist festzuhalten, dass Thales im häresiologischen Kontext bei Irenäus in polemischer Weise als Philosoph mit atheistischer Grundeinstellung und als Inspirationsquelle der valentinianischen Gnostiker präsentiert wird. Literatur Brox, N., Art. Häresie, RAC 13, 1986, 248–297. Brox, N. (Hrsg.), Fontes Christiani, Bd. 8/1 Irenäus von Lyon, Darlegung der Apostolischen Verkündigung. Gegen die Häresien I, Freiburg u.a. 1993. Brox, N., Art. Irenaeus von Lyon, RAC 18, 1998, 820–854. Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Grant, R. M., Early Christianity and Greek Comic Poetry, CP 60, 1965, 157–163. 18 19 20 21 Cf. Brox (1998) 832–833. Zur Vielfalt sophistischer Methoden und Strategien in den häresiologischen Diskursen Brox (1986) 269 und 283–286. Cf. dazu Mansfeld (1992) 157–160 und zu weiteren Vergleichsstellen für die Verbindung mit Homer Aristoteles Th 29 und die Sim. ‚Wasserhypothese geht auf erste Theologen/Homer zurück‘; Heraclitus Stoicus Th 94, Ps.-Plutarch Th 147 und Alexander von Aphrodisias Th 189. Cf. insgesamt die Bezugnahmen in den häresiologischen Diskursen bei Hippolytos Th 209–215, Tertullian adv. Marc. Th 220 und Epiphanios Th 293. 36 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Hamm, U., Art. Irenaeus von Lyon, LACL, 1998, 311–315. Le Boulluec, A., La notion d’hérésie dans la littérature grecque IIe–IIIe siècles, Tome I, De Justin à Irénée, Paris 1985. Lundström, S., Die Überlieferung der lateinischen Irenaeusübersetzung, Stockholm 1985. Mansfeld, J., Heresiography in Context. Hippolytus’ Elenchos as a Source for Greek Philosophy, Leiden/New York/Köln 1992. Markschies, C., Valentinus Gnosticus?, Tübingen 1992. Markschies, C., Art. Gnosis/Gnostizismus, II. Christentum, RGG4 2000, Bd. 3, 1045–1053. Markschies, C., Die Gnosis, München 2001. Schoedel, W. R., Philosophy and Rhetoric in the Adversus Haereses of Irenaeus, VC 13, 1959, 22–32. Tatian (Th 176) 37 2.2 Tatian (Th 176) Der aus Ostsyrien stammende Tatian (auch „der Assyrer“ genannt) hatte bereits das griechische Bildungssystem durchlaufen, als er sich als Schüler des Märtyrers Justinus in der 2. Hälfte des 2. Jh. in Rom dem Christentum zuwendete.22 Nach seiner Rückkehr aus Rom wirkte er (nach Irenäus, haer. 1.28) als Enkratit, der Ehe, Wein- und Fleischgenuss verwarf.23 Tatian, Oratio ad Graecos Seine in griechischer Sprache verfasste ‚Rede an die Griechen‘ nimmt unter den christlichen Apologien des 2. Jh. eine hervorragende Stelle ein.24 Sie ist nach Harnack „nicht nur eine der ältesten“, sondern „sie sticht auch von den anderen durch die Schroffheit ab, in welcher der Verfasser seinen Bruch mit der griechischen Bildung bekundet hat.“25 Pilhofer spricht zu Recht von einer „offensive(n)“ und „aggressiven Apologetik“.26 Er macht jedoch darauf aufmerksam, dass die Überlieferung des Werkes nicht so sehr dem „aggressive(n) Ton der Polemik“ als vielmehr seinem Inhalt zu verdanken sei und die Schrift „geradezu als ein Kompendium des Altersbeweises“ betrachtet werden könne.27 Kontext zu Th 176 Im ersten Teil seiner Oratio setzt sich Tatian mit theologischen Fragen vor allem zur Schöpfungslehre auseinander und übt in kleinen Exkursen Kritik 22 23 24 25 26 27 Für weiterführende Informationen cf. Moreschini/Norelli (2007) 103–104, Whittaker (1982) ix-xxii sowie die mit einem ausführlichen Quellenapparat versehene Ausgabe von Marcovich (1995). Zur Datierung der Oratio cf. Marcovich (1995) 1–3, der feststellt, 3: „Now, since Tatian’s Oratio reflects both the presence of Justin’s teachings and the environment of Rome, I think it is highly likely that it was written in Rome between ca. A. D. 165 and 172.“ Cf. Bruns (1998) 581. Cf. dazu Harnack (1884) 3. Blumenberg (1987) 53 bemerkt zu Tatian und seiner Rede: „Der Syrer Tatian konstruiert in seiner ‚Rede an die Griechen‘ den neuen Gegensatz von Heiden und Christen nach dem Muster des alten von Hellenen und Barbaren. Er kultiviert den Stolz des Barbaren gegen eine ihm hohl und verfallen erscheinende Kulturwelt, wobei er deren rhetorisches Instrumentarium professionell, mit der Fertigkeit des Sophisten, handhabt. […] Neuere Liebhaber der Antike haben dem Verächter des Gültigen mit harten Urteilen heimgezahlt und ihn ein ‚trauriges Original‘, einen ‚orientalischen Bildungsfeind‘, einen ‚wilden Stilisten‘ genannt.“ Harnack (1884) 3. Pilhofer (1990) 253. Ebd. 253–254. 38 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert an der Astrologie, Zauberei und Medizin. Im Stil asianischer Rhetorik polemisiert er gegen zahlreiche Aspekte der nicht-christlichen Kultur und Lebenswelt: gegen die Mythologie, das Theaterwesen, die Philosophie, die Rhetorik sowie die verschiedenartigen Gesetzgebungen (orat. 22–28).28 Im Anschluss an die Erzählung von seiner Konversion zum Christentum (orat. 29–30) kommt er auf das chronologische Argument (orat. 31 und orat. 36–41) zu sprechen: Darin plädiert er für die zeitliche Priorität des Moses gegenüber Homer (sog. ‚Altersbeweis‘).29 Thales wird im vorletzten Absatz (orat. 41.9–10) dieser chronologischen Argumentation genannt. In orat. 31.1 gibt Tatian Auskunft über sein Interesse und den Zweck der Argumentation: Doch jetzt halte ich es für angemessen, darzulegen, dass unsere Philosophie älter ist als die Bemühungen bei den Griechen. Ausgangspunkte werden uns Moses und Homer sein.30 Denn da beide in die älteste Zeit gehören, der eine als der älteste von den Dichtern und Geschichtsschreibern, der andere als Begründer aller barbarischen Weisheit, so sollen sie auch von uns jetzt verglichen werden. Denn wir werden herausfinden, dass unsere Lehren nicht nur älter sind als die griechische Wissenschaft, sondern sogar auch früher als die Erfindung der Buchstaben. N" ξ %& !'( %) %* κ π φ.φ! % ’ 6E.. /%0(. 6O ξ π1 ! M()« λ 6O«α ) !" 40 ρ %.! λ µ ξ % λ ¹ ρ %*, µ ξ %0« **0 φ!« $8, λ φ’ π " 9« %.28 29 30 Cf. zum Aufbau des Werkes Whittacker (1982) xviii-xx. Cf. als Beispiel für die Argumentationsweise Tatians die folgende antithetische Argumentation: orat. 25.4. 0 « ρ . µ . , /Ω ’ $;α Ν. ρ µ , /Ω ξ .α /%( $%*! «, /Ω ’ 90%=α « ρ M!( λ >0, /Ω ’ µ µ α $%!' κ ?8&, /Ω ξ λ µ @ 9 ) !. Cf. zur langen Geschichte dieser Argumentationsform in der griechischen, römischen, jüdisch-hellenistischen und christlich-apologetischen Literatur die lehrreiche Untersuchung von Pilhofer (1990), zu Tatian ebd. 253–260, sowie bes. zur jüdisch-christlichen Apologetik Droge (1989), zu Tatian ebd. 82–101. Pilhofer formuliert ebd. 8–9 vier zur Funktion und zum Verständnis des ‚Altersbeweises‘ nötige Sätze: „(I) Was alt ist, ist gut.“, „(II) Was älter ist, ist besser.“ und deren Umkehrung „(III) Was neu ist, ist schlecht.“, „(IV) Was neuer ist, ist schlechter.“. Cf. zu der Gegenüberstellung von Homer und Moses Pilhofer (1990) 255, bes. Anm. 8. Tatian (Th 176) 39 *(α & )« >E..&( %!« % ’ π1, D ξ λ )« 0( (« $;.31 Tatian spricht bei der jüdisch-christlichen Lehre von „unserer Philosophie“ (κ π φ.φ!), der die „Bemühungen bei den Griechen“ ( % ’ 6E.. /%0() gegenübergestellt werden sollen. Für die Methode seiner Argumentation ist die folgende Bemerkung (orat. 31.2) zur Verwendung von Quellentexten wichtig: Zu Zeugen werde ich nicht unsere Gewährsmänner nehmen, sondern mich vielmehr auf die Griechen berufen. 0« ’ @« F %.&?, *1« ξ ».. 6E.. !"8&. Durch diese Art der Beweisführung beabsichtigt Tatian seine Gegner mit ihren eigenen Waffen ( ( Ρ%.() zu bekämpfen und Beweise (@« /.8«) vorzubringen, die sie nicht beargwöhnen könnten.32 Ähnliche Formulierungen zur Verwendung von nicht-christlichen Quellentexten bei der chronologischen Argumentation finden sich auch später z.B. bei Eusebius (PE 1.6.8–9) und Ps.-Justin (coh. Gr. 9.1–10.1). Tatian vertritt die These, dass Moses nicht nur älter als Homer gewesen sei (orat. 41.1), sondern ebenso die angeblich vorhomerischen Autoren wie z.B. Linos, Orpheus und Musaios überrage (orat. 41.1ff.).33 Die Argumentation mündet in den „Beweis“ (κ $%=), dass Moses auch älter sei als diejenigen, die für weise gehalten werden ( '( φ , orat. 41.6–7). Zuerst werden die Gesetzgeber Minos, Lykurg, Drakon, Solon und der Philosoph Pythagoras angeführt, darauf Thales, der als ältester der Sieben Weisen auf die 50. Olympiade datiert wird.34 Th 176 Tatian, Oratio ad Graecos 41.9–10 (ed. Marcovich) 0( ξ %λ #O.%0 κ λ /0 ! ;«, .( %λ «, P« %λ =* (« ’ #O.%0« J #I. D $%!= !« !« 4%0). Kλ κ 31 32 33 34 Orat. 31.1. Cf. orat. 31.2. Cf. zu Orpheus De Jáuregui (2010) 140–141. Zur Beschäftigung mit der Chronologie im jüdischen Hellenismus cf. Walter (1964) 47ff. 40 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert ( J(« $%(, *8( D λ %λ )« 4% φ π.!« $0?. T" %*0 %( L0.« %λ κ %κ #O.%0, λ %λ ’ µ 8µ π1 (« F. Th 176 Tatian, Rede an die Griechen 41.9–10 Man findet, dass Drakon um die neununddreißigste Olympiade [624/3– 621/20] gelebt hat, Solon um die sechsundvierzigste [594/3–591/90], Pythagoras um die zweiundsechzigste [532/1–529/8]. Wir haben gezeigt, dass die Olympiaden 407 Jahre von der Zeit des trojanischen Krieges an datieren. Nach diesen Beweisen will ich auch noch kurz auf die Lebenszeit der Sieben Weisen eingehen. Da der Älteste von ihnen, Thales, um die fünfzigste Olympiade [580/79–577/6] lebte, ist auch über seine Nachfolger ganz allgemein bereits gesprochen. Attribute Datierung (um die 50. Olympiade) Ältester der Sieben Weisen Funktion der Bezugnahme Hinter dem offensichtlichen Argumentationsziel, das Tatian verfolgt, steht die Überzeugung, dass nur Moses Glauben geschenkt werden dürfe, da er älter sei als die Griechen, und diese, ohne rechte Einsicht ( ’ /%!(), aus ihm als Quelle schöpften.35 Thales wird als ältester (%*0) Vertreter der Sieben Weisen genannt. Indem Tatian zeigen kann, dass auch Thales viele hundert Jahre später als Moses lebte, hat er sein Argumentationsziel erreicht, insofern sowohl die anderen Weisen als auch die auf Thales folgenden Philosophen zeitlich nach Moses anzusetzen sind. Merkwürdig ist, dass der vor Thales genannte Solon früher (um die 46. Ol.) datiert wird und Thales dennoch als der älteste der Sieben Weisen angeführt wird.36 Die folgende Übersicht soll die chronologischen Angaben des Tatian (mit Parallelen bei Clemens, str. 1) veranschaulichen: Datierungen nach Tatian (orat. 41.9–10): Moses: 400 Jahre vor dem Trojanischen Krieg [1183 v. Chr. + 400 Jahre] 1583 v. Chr. x 35 36 Cf. orat. 40.1–2 λ 8κ ) %* κ π.! % Q% 1« !³«" $%µ [)«] %)« $« 6E.. ’ /%!( /! . Cf. zu Solon bei Tatian Opelt (1980) 29–30. Tatian (Th 176) x x x x x x 41 Einnahme Trojas (cf. orat. 39): [1. Olympiade 776 + 407 Jahre] 1183 Jahre v. Chr. Olympiadenzählung: [407 Jahre nach der Einnahme Trojas] 776 v. Chr. Drakon: um die 39. Ol. = 624/3–621/20 v. Chr.37 Solon: um die 46. Ol = 594/3–591/90 v. Chr.38 Thales: um die 50. Ol. = 580/79–577/6 v. Chr.39 Pythagoras: um die 62. Ol. = 532/1–529/8 v. Chr.40 Es ist festzuhalten, dass Thales bei Tatian zum ersten Mal in der uns erhaltenen griechischen christlichen Literatur in einem chronologischen Kontext erscheint. Die Datierung des Thales als des Ältesten der Sieben Weisen erfüllt eine wichtige argumentative Funktion, da für das chronologische Argument des Tatian der Hinweis zu genügen scheint, dass alle anderen griechischen Weisen und Philosophen später als Thales gewesen seien.41 Neben der expliziten Bezugnahme auf Thales in Th 176 spielt Tatian in seiner Polemik gegen die Philosophen (orat. 26) auf die Brunnenfall-Anekdote an (cf. Th 19 Platon, Theaitetos), jedoch ohne seinen Namen ausdrücklich zu nennen. In der genannten Passage (orat. 26.2) heißt es: „Während ihr danach forscht, wer Gott sei, wisst ihr nicht einmal, was in euch selbst ist. Ihr begafft mit offenem Munde (8«) den Himmel und fallt dabei in die Gruben.“42 Literatur Blumenberg, H., Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie, Frankfurt a. M. 1987. Bruns, P., Art. Tatian der Syrer, LACL, 1998, 581. De Jáuregui, M. H., Orphism and Christianity in Late Antiquity, Sozomena 7, Berlin 2010. Droge, A. J., Homer or Moses? Early Christian Interpretations of the History of Culture, Tübingen 1989. Harnack, A., Tatian’s Rede an die Griechen. Übersetzt und eingeleitet, in: FS Sr. Königl. Hoheit dem Grossherzoge von Hessen und bei Rhein Ludewig IV, Giessen 1884. 37 38 39 40 41 42 Cf. Clem. str. 1.21.107.5. Cf. Clem. str. 1.14.65.3. Cf. Clem. str. 1.21.129.3 (Th 205). Cf. Clem. str. 1.14.65.2 und str. 1.21.129.3 (Th 205). Cf. für weitere Bezugnahmen innerhalb chronologischer Argumentationen Tertullian, Clemens, Eusebius, Theodoret, Kyrill und Augustinus. Orat. 26.2 '"« !« ² «, ! / 1 !1«" $1α 8« ’ 9« µ µ *0( %!%. 42 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Marcovich, M., Tatiani Oratio ad Graecos, Berlin 1995. Moreschini, C., Norelli, E., Handbuch der antiken christlichen Literatur, Darmstadt 2007. Opelt, I., Das Bild Solons in der christlichen Spätantike, VC 34, 1980, 24–35. Pilhofer, P., Presbyteron Kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte, Tübingen 1990. Walter, N., Der Thoraausleger Aristobulos. Untersuchungen zu seinen Fragmenten und zu pseudepigraphischen Resten der jüdisch-hellenistischen Literatur, Berlin 1964. Whittaker, M., Tatian, Oratio ad Graecos and Fragments, Oxford 1982. Athenagoras (Th 186) 43 2.3 Athenagoras (Th 186) Athenagoras, Legatio pro christianis Die ‚Bittschrift für die Christen‘ (Legatio pro Christianis)43 des christlichen Philosophen Athenagoras aus Athen aus dem Jahre 177 ist an Kaiser Marc Aurel und seinen Sohn Commodus adressiert.44 In seiner Schrift versucht Athenagoras zu zeigen, dass die Verfolgung der Christen ungerecht ist. Insbesondere bemüht er sich, die drei Hauptanklagepunkte gegen die Christen zu widerlegen: den Vorwurf des Atheismus (leg. 4–30), der Inzucht (leg. 32–34) und den des Kannibalismus (leg. 35–36). Kontext zu Th 186 Der erste Hauptteil der Apologie (leg. 4–30) stellt eine Widerlegung der Hauptanklage des Atheismus dar. Nachdem Athenagoras bereits ausgeführt hat, dass die Christen keine Atheisten, sondern Monotheisten seien, wird in einem ersten Teil (leg. 13–30) für die These argumentiert, dass sich die Christen als Monotheisten in ihrer Opferpraxis von den Nicht-Christen unterscheiden. Sie glaubten nicht an deren Götter. In einer längeren Argumentation (leg. 18ff.) wird die These begründet, dass weder hinter dem Namen der Götter noch hinter ihren Bildern etwas Göttliches stehe. Unter anderem werden die Gestalten (leg. 20) und Taten der Götter (leg. 21) erörtert und kritisiert. Als personifizierte Naturvorgänge sind die von einigen Götterbildern ausgehenden Wirkungen Gegenstand der Diskussion (leg. 22). In Kapitel 23 stellt sich Athenagoras der Frage, wie es sich erklärt, dass einige Götterbilder wirksam sind, wenn diejenigen, zu deren Ehren die Statuen errichtet wurden, gar keine Götter seien? Wenn von einigen Götterbildern auffallende Wirkungen ausgehen sollten, was er konzediert, so sei dies auf Dämonen zurückzuführen, die sich hinter diesen Götterbildern verbergen. Bei dem Nachweis, „wer die in den Bildern Wirkenden sind und dass sie keine Götter sind“ (leg. 23.1 !« ¹ /%λ 1« 9;.« /"« λ Ρ κ !), führt Athenagoras (leg. 23.2) zwei Philosophen, Thales und Platon, sowie deren Ausführungen über die Dämonen ins Feld.45 Thales unterscheide als Erster (leg. 23.2 % « L.)« 1) nach Auskunft derer, die seine Lehren genau kennen (leg. 23.2 ³« ¹ /! $*"« 43 44 45 Der griechische Titel lautet: ALHNAOOY ALHNAIOY RIOOROY XITIANOY PEBEIA PEI XITIANN. Cf. dazu Moreschini/Norelli (2007) 249–251, 249 und die umfassende Untersuchung von Pouderon (1989) Athénagore d’Athènes. Philosophe chrétien. Cf. leg. 23.1 %8&! λ $%µ φ.φ!« 0. 44 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert ), zwischen Gott (), Dämonen (!«) und Heroen (S(«); während er Gott als den Geist der Welt ansehe, verstehe er die Dä- monen als seelische Substanzen und die Heroen als die abgetrennten Seelen von Menschen – die guten Heroen als gute Seelen und die schlechten Heroen als schlechte Seelen. Es folgen die Unterscheidungen, die Platon zugeschrieben werden, sowie in leg. 24 eine Darlegung des christlichen Verständnisses von guten und bösen Engeln. Th 186 Athenagoras, Legatio pro Christianis 23.2 (ed. Marcovich) P « L.)« 1, ³« ¹ /! ["«]46 $*"« , 9« , 9« !«, 9« S(«. #A.. µ ξ µ " " Ν, !« ξ !« 1 ?80«, λ S(« « 8(« ?8« $;%(, $@« ξ « $0«, @« ξ « φ.«. Th 186 Athenagoras, Bittschrift für die Christen 23.2 Als Erster unterscheidet Thales, wie diejenigen berichten, die seine Lehren genau kennen, Gott, Dämonen und Heroen. Als Gott achtet er den Geist des Kosmos (cf. Th 149), als Dämonen stellt er sich seelische Substanzen und als Heroen von den Menschen getrennte Seelen vor, und zwar als gute, wenn die Seelen gut, als schlechte, wenn sie schlecht sind (cf. Th 150). Attribute Philosoph (explizit im vorausgehenden Kontext) Gott, Dämonen und Heroen Gott [als Geist des Kosmos] Funktion der Bezugnahme Die Informationen zu Thales’ Dreiteilung wird Athenagoras, wie seine Worte (¹ /! $*"«) zu erkennen geben, vermutlich einem Handbuch der Placita-Tradition wie den Placita philosophorum des Ps.-Plutarch entnommen haben.47 Bereits in leg. 6.2 weist Athenagoras ausdrücklich darauf hin, dass er sich, um seine Argumentation zu stützen, „den Mei- 46 47 Geffcken (1907) 212 Anm. 1 schrieb mit Gesner $*"«, indem er das davorstehende "« der Handschrift als ein Glossem deutete. Sowohl Schoedel (1972) 54–55, der ähnlich wie Wöhrle übersetzt („as those who know his doctrines well record“), als auch Pouderon (1992) 157 („comme le rappellent les spécialistes“), schließen sich der Konjektur von Gesner an. Cf. dazu Diels (1879) 4–5. Athenagoras (Th 186) 45 nungen zugewendet habe“ (/%λ « =« /%). Seine Aussage zu Thales hat Ähnlichkeiten mit einer Zusammenführung zweier Lemmata aus der Placita-Sammlung des Ps.-Plutarch (im letzteren Fall mit einer Reduktion der angegebenen Namen zu einem): 1.7.11 ('´. T!« ² «) […] L.)« " " . (= Th 149) 1.8.2 (´. Pλ ( λ π;() […] L.)« P« P.0( ¹ (λ !« %08 !« ?80«α ρ ξ λ S(« « 8(« ?8« (0(, λ $@« ξ « $« @« ξ « φ.«.48 (= Th 150) Die Bezugnahme auf Thales erscheint in diesem Kontext durchaus positiv. Athenagoras argumentiert für die These, dass jene Wesen, für die Götterbilder errichtet werden, keine Götter sind. (1) Es ist festzuhalten, dass Athenagoras die auf Thales zurückgeführte dreifache Unterscheidung bezüglich der Heroen, Dämonen und Gott fruchtbar für seine Argumentation und Verteidigung benutzt.49 Sie ist mit Bedacht ausgewählt und hat die Funktion, den Gedankengang des Athenagoras mit einer griechischen, nicht-christlichen Autorität zu stützen, die bei dem Philosophenkaiser wohl Anerkennung finden dürfte. (2) Insofern die Bezugnahme auf Thales rein formal und ausdrücklich durch den Rekurs auf eine nicht-christliche Quelle (in Form eines doxographischen Handbuches) erfolgt, gewinnt sie weiter an Gewicht. Denn damit wird – wie an mehreren Stellen der Legatio – die Aufmerksamkeit auf das philosophische Wissen der griechischen Tradition gelenkt, das den Herr- 48 49 Cf. dazu Diels (1879) 4–5, 301 und 307. Diels ebd. 4 war der Meinung, dass „contracta sunt Plutarchi I 7 11 […] et I 8 2 […]“. Cf. dazu Mansfeld/Runia (1997) 75, 124–125 und 312–314, die ebd. 125 bemerken: „In the case of Athenagoras, however, we disagree with Diels’ solution, who concluded that he too used P, and thus was able to reach a t.a.q. of 177 (DG 4–5). The parallels to which he draws attention are too general to allow this conclusion beyond all doubt. We prefer to regard these as drawing on the broader tradition of A […].“ Nach einer Auflistung aller Passagen aus der Schrift des Athenagoras (ebd. 312–313), die eine Beziehung zur Placita-Tradition haben, konstatieren Mansfeld/Runia ebd. 314: „It can be conceded to Diels that the majority of passages referring to the Placita could come from P. Yet the evidence is not conclusive. […] Athenagoras’ references form an interesting example of how the Placita could be put to use in practice.“ Cf. zur Problemlage allgemein Colpe/van der Nat (1976) 546–553, zu Athenagoras bes. 707–710, 740–741. 46 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert scher und Philosophen Marc Aurel als einen der Hauptadressaten mit dem Christen und Philosophen Athenagoras verbindet. (3) In Anbetracht der Thales zugeschriebenen Attribute ist auffällig, dass Athenagoras als Erster der christlichen Autoren Thales die ,Gott-istGeist‘-These zuschreibt.50 Athenagoras charakterisiert ihn somit in diesem protreptisch-apologetischen Kontext an der Seite Platons als einen Philosophen, nicht jedoch wie Tertullian als einen Atheisten, Agnostiker oder Materialisten, sondern vielmehr als einen überlegten Theisten, auf dessen Unterscheidungen sich der christliche Autor vor dem Philosophenkaiser in seiner Argumentation zu berufen versucht. Literatur Colpe, C., van der Nat, P. G. et al., Art. Geister (Dämonen), RAC 9, 1976, 546–761. Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Geffcken, J., Zwei griechische Apologeten, Leipzig/Berlin 1907. Mansfeld, J., Runia, D. T., Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer, Vol. 1. The Sources, Leiden/New York/Köln 1997. Mansfeld, J., Runia, D. T., Aëtiana: The Method and Intellectual Context of a Doxographer, Vol. 2: The Compendium, 2. Bde., Leiden/Boston 2009. Moreschini, C., Norelli, E., Handbuch der antiken christlichen Literatur, Darmstadt 2007. Pouderon, B., Athénagore d’Athènes. Philosophe chrétien, Paris 1989. Pouderon, B., Supplique au sujet des chrétiens et sur la résurrection des morts, SC 379, Paris 1992. Schoedel, W. R., Athenagoras. Legatio and De resurrectione, Oxford 1972. 50 Cf. dazu Cicero Th 72, Ps.-Plutarch Th 149, Minucius Felix Th 229, Clemens Th 207, Hippolytos Th 210, Laktanz Th 254, Th 258, Eusebius Th 272, Th 275, Aponius Th 338, Kyrill Th 375, Isidor Th 475 und insgesamt die Sim. ‚Gott [als Geist des Kosmos]‘; dagegen Tertullian Th 216, 218, 219 und Augustinus Th 311. Für eine mögliche Erklärung der Genese der ‚Gott-ist-Geist‘-These cf. Mansfeld/Runia (2009) 177–180. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 47 2.4 Clemens von Alexandrien (Th 197–208) Der um 140/150 n. Chr. möglicherweise in Athen geborene Titus Flavius Clemens lässt sich nach ausgedehnten Studienreisen, die ihn nach Griechenland, Unteritalien, Syrien und Palästina führen, zwischen 175 und 180 in Alexandrien nieder.51 Dort arbeitet er bei seinem verehrten Lehrer Pantainos an der theologischen Hochschule, deren Leitung er auch von diesem übernimmt.52 Im Jahre 202 verlässt er Alexandrien und verbringt den Rest seines Lebens an verschiedenen Orten, darunter Jerusalem, wo er als Priester bezeugt ist. Er stirbt um das Jahr 220.53 Clemens zeichnet sich besonders durch seine große Kenntnis klassischer Literatur aus. Es ist anzunehmen, dass er aufgrund seiner Lehr- und Forschungstätigkeit in Alexandrien Zugang zu einer gut bestückten Bibliothek hatte.54 Bemerkenswert ist die sein Gesamtwerk durchziehende offene und relativ positive Haltung gegenüber der griechischen Philosophie.55 Die zahlreichen Bezugnahmen auf Thales bei Clemens stehen mit Ausnahme eines Zeugnisses (Th 197), das aus dem Protrepticus stammt, in den so genannten ‚Teppichen‘ (Stromateis). Clemens, Protrepticus Mit seiner ‚Mahnrede an die Griechen‘, die in der Form eines philosophischen Protreptikos abgefasst ist, richtet sich Clemens vor allen Dingen an nicht-christliche Leser.56 Es handelt sich um „eine christliche Missions- und Werbeschrift, die, bei Anerkennung eines relativen Wahrheitsgehaltes der Philosophie, den Leser auffordert, sich von der Torheit und Unmoral des 51 52 53 54 55 56 Zu Leben und Werk cf. Wyrwa (1998) 128–131 sowie Früchtel (1957) 182–188. Cf. dazu mit weiterführender Literatur Scholten (1995) 16–37. Scholten kritisiert den Begriff der alexandrinischen „Katechetenschule“ und schlägt vor, von der „theologische(n) Hochschule der dortigen Kirche“ zu sprechen, ebd. 37. Cf. dazu auch Runia (1993) 132–135, van den Hoek (1990) 190 und Le Boulluec (2003) 576–621 und (2006). Zu Alexandrien cf. Schubart (1950) 271–283. Cf. zum Nachleben des Clemens und seiner Reputation in späterer Zeit den informativen Beitrag von Knauber (1970) 289–308. Cf. Runia (1993) 132–135, Le Boulluec (2003) und (2006). Cf. zur Rezeption und dem Missverständnis seiner Werke Knauber (1970) 304–308. Zu den Adressaten der Schrift bemerkt Mondésert (1949) 27–28: „Alexandrins de toutes origines sans doute, mais pour la plupart Grecs de culture, élevés dans les traditions religieuses de l’hellénisme, qu’ils gardent par habitude sociale, par routine et par paresse, plus souvent que par conviction personnelle, et pourtant déjà à moitié sceptiques.“ 48 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert heidnischen Götterglaubens loszusagen und sich zur Anerkennung der vollen Offenbarung des Logos-Christus zu bekehren“.57 Kontext zu Th 197 Nachdem sich Clemens in den ersten Kapiteln seiner Schrift mit den nichtchristlichen Orakeln, einigen Mysterienkulten wie z.B. den eleusinischen, den griechischen Göttern und deren Verehrung sowie der religiösen Bedeutung von Statuen auseinandergesetzt hat, kommt er im fünften Kapitel auf die griechischen Philosophen und deren Meinungen (« =«) über die Götter (%λ ) zu sprechen.58 Clemens fragt kritisch, (1) ob die Philosophie selbst um der leeren Eitelkeit willen (=!« U) den Stoff (κ J.) zu einem Bild der Gottheit hervorbringe ($(.%") oder (2) ob sie irgendwelche Dämonen ( Ν) vergöttliche (/0'), weil sie die Wahrheit nur im Traum sehe.59 Es folgt eine erste Reihe frühgriechischer Philosophen,60 welche nach der Meinung von Clemens die Elemente (81) als Prinzipien oder Urgründe ($80«) zuließen ($%.%, auch: zurück- oder übrig ließen). Thales „preise lauthals“ (/=&«) das Wasser, Anaximenes und später Diogenes, der Apolloniate, die Luft. Des Weiteren werden angeführt Parmenides, der Feuer und Erde als Götter einführe (@« 9&), Hippasos und Heraklit, die beide nur das Feuer als Gottheit annähmen, sowie Empedokles, „der gleich in die Vollen ging“, und zu den vier Elementen Streit und Liebe hinzurechne.61 Th 197 Clemens, Protrepticus 5.64.2 (ed. Mondésert) 81 ξ σ $8« $%.% /=&« L.)« ² M.&« µ J( λ #A=« ² λ µ« M.&« µ $, W ) « J ² #A%..(0« .. 57 58 59 60 61 Wyrwa (1998) 129. Cf. auch die Einleitung und den Kommentar zum Protrepticus von De Jáuregui (2008). Prot. 5.64.1 #E%0( , 9 *., λ φ.φ( « =«, Ρ« 8" %λ […]. Prot. 5.64.1 F %(« λ φ.φ! κ =!« U $(.%" κ J. /φ(, ν λ Ν /0' %κ %) \; κ $.&. Zu den möglichen Quellen der in prot. 5.64–66 angeführten Informationen über die Philosophen cf. Diels (1879) 129–132. Diels ging berechtigterweise davon aus, dass Clemens aus mehr als nur einer Quelle schöpfte. Prot. 5.64.2 P!« ξ ² #E.0« @« 9& %" λ ), 0 ξ 1 , µ %", µ %.&φ 6I%%« ² M%1« λ ² #Eφ« >H0.«α #E%.)« ² #A1« 9« %.)« /%Ω %µ« 1« 8!« « 1« λ φ.! 1. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 49 Th 197 Clemens, Ermahnungsschrift 5.64.2 [Folgende] ließen die Elemente als Prinzipien zu und priesen sie laut: Thales aus Milet das Wasser und Anaximenes, selbst auch Milesier, die Luft, dem später der Apolloniate Diogenes folgte. Attribute Milet Prinzip Wasser Philosoph (im darauffolgenden Kontext) Funktion der Bezugnahme (1) Die Stelle lässt in der Wortwahl Clemens’ Polemik und Spott gegenüber den genannten Philosophen erkennen, z.B. das Thales, Anaximenes und Diogenes von Apollonia zugeschriebene „lautstarke Preisen“ (/=&«) der Elemente als Prinzipien oder „die Einführung“ von Feuer und Erde als Götter (@« 9&). (2) Auffällig ist, dass Anaximander nicht mit Thales und Anaximenes gemeinsam genannt wird, sondern erst ein wenig später (aufgrund der ihm zugeschriebenen Annahme des apeiron) mit Anaxagoras und Archelaos in prot. 5.66.1 zu den Philosophen gezählt wird, die „über die Elemente hinausgehend“ ( 81 %*0«) „mit Mühe nach etwas Höherem und Besserem suchten“.62 Bereits dieser Aspekt zeigt, dass Clemens in prot. 5.64.1 zuerst nur eine bestimmte Auswahl an Philosophen präsentiert und diese kritisiert. (3) Betrachtet man den darauffolgenden Kontext (prot. 5.64.3–65.4), so wird deutlich, dass Clemens den in Th 197 genannten Philosophen zusammenfassend einen Vorwurf macht, indem er sie als Ν, d.h. als „Gottlose“ bezeichnet.63 Den Vorwurf der „Gottlosigkeit“ begründet er damit, dass die λ $φ) () „den Philosophen aufgrund „einer törichten Weisheit“ (φ!) Stoff verehrten“ (κ J. %&«): Zum einen beteten sie zwar nicht Steine und Holz an, doch hätten sie deren „Mutter, die Erde, vergöttert“ (/0«), zum anderen „schufen sie“ ($%.0«) zwar keinen Poseidon, beteten (%%) aber das Wasser selbst an.64 62 63 64 Cf. prot. 5.66.1. Prot. 5.64.3: 5A ξ κ λ ^, φ!) λ $φ) ( κ J. %&« λ .!« ξ ν =. &«, ) ξ κ ( /0« λ P ξ $%.0«, J( ξ µ %%. Cf. zum Begriff der ‚Gottlosigkeit‘ auch prot. 2.23.1–2, wo Clemens von einer zweifachen Gottlosigkeit bei den Anhängern von Mysterienkulten spricht: „Das sind die 50 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Mit dieser zugespitzten, kontrastierenden Kritik vergleicht Clemens die Annahmen der Philosophen aus einer religionsgeschichtlichen Perspektive mit den Gottesbildern der Mythen und im Falle von Holz und Stein einer (aus seiner Sicht) noch primitiveren Stufe der Verehrung von Idolen.65 In seiner Erklärung unterstellt er den Philosophen, dass sie einem Götzendienst anhingen, der durch die Elemente nur verschleiert werde.66 Nachdem er in der folgenden Argumentation (prot. 5.65.1–4) in einigen Vergleichen, wie z.B. mit den Persern, religionsethnologisches Material herangezogen hat, vertritt er abschließend zwei Thesen (prot. 5.65.4), zum einen im Hinblick auf die Genese der Lehrmeinungen der Philosophen, zum anderen bezüglich deren Gotteserkenntnis:67 (a) Zuerst fordert er, dass die Philosophen eingestehen sollten, dass ihre Lehrer die Perser oder die Sauromaten oder die Magier gewesen seien, von denen sie „die gottlose Lehre“ (κ $) von den ihnen verehrungswürdigen Urstoffen erlernt hätten (&). (b) Zweitens behauptet er, dass die Philosophen kein Wissen gehabt hätten ($"«) vom Schöpfer aller Dinge, der auch die Urstoffe selbst ge- 65 66 67 Mysterien der Gottlosen; gottlos nenne ich aber mit Recht die, welche den wahrhaft seienden Gott nicht kennen, dagegen ein von den Titanen zerrissenes Kind und ein trauerndes Weib und Glieder, die man in der Tat vor Scham nicht nennen kann, schamlos verehren, so dass sie in doppelter Gottlosigkeit (9 ) 9 ) $) befangen sind, (a) einmal weil sie von Gott nichts wissen, den wahrhaft seienden Gott nicht kennen; (b) der zweite Irrtum aber ist, dass sie die nicht Seienden für seiend halten und sie Götter nennen, sie, die nicht wirklich sind, vielmehr überhaupt nicht sind, sondern nur den Namen erhalten haben.“ Übersetzung Stählin (1934). Prot. 2.23.1–2 T" $( &α $« ξ 9(« $%. «, θ µ ξ `(« ` µ &, %! ξ %µ T0( %; λ %" λ Ν ³« $. « %’ 98« $8(« *) /8 9 ) $, %) , ’ b $" µ , µ , 9 `(« ` κ (!'« , 4) ξ λ ) cκβ 9 c9 )β %.09 @« `« ³« `« !'« λ @« « \0'« @« `(« `«, (».. ξ ξ `«), ξ " \« 8«. Cf. dazu Droge (1989) 125–138, bes. 129–130 und 138. So bemerkt Clemens in prot. 5.64.4 rhetorisch geschickt: T! 0 /! % U ² P ν 0 « ! / )« %(« \%; „Denn was ist Poseidon anderes als ein flüssiges Element, benannt nach dem Wort „Posis“ ()« %(«, dt. „Trinken“)?“ Cf. prot. 5.65.4 >O.( ! ¹ φ.φ @« 0.« @« φ P« ν 0« ν M0«, % ’ W κ $ *!( 1« & $8 , Ν8 µ %0( %κ λ $8 µ $"«, µ Ν8 , ξ „%(8“ " λ „$)“, 9 e φ ² $%.«, 9« κ $;%( %! %% „81“ %%. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 51 macht habe. Sie wussten nicht vom anfanglosen Gott (µ Ν8 ), sondern hätten die „armseligen und schwachen Elemente“ ( ξ %(8 " λ $), in offensichtlicher Anspielung auf Gal 4,9), die zum Dienst der Menschen geschaffen seien, angebetet (%%).68 Mit der ersten These behauptet Clemens die Abhängigkeit der frühgriechischen Philosophen in ihrer Lehre von den Persern, Sauromaten oder den Magiern. Es geht ausdrücklich nicht um irgendeine innovative Leistung oder Entdeckungen, die Thales zugeschrieben werden, sondern vielmehr um die Relativierung seiner Weisheit und der Annahme seines Prinzips im ethnologischen Vergleich. Thales wird gemeinsam mit den anderen genannten Philosophen sowohl aufgrund der als rudimentär dargestellten Divinisierung der Elemente als auch wegen seiner Unkenntnis des wahren Gottes nicht nur (wie die anderen genannten frühgriechischen Philosophen) als „gottlos“ bezeichnet; er wird auch gemäß der ersten These von der Lehrabhängigkeit implizit als Schüler pseudo-religiöser, nicht-griechischer Vorstellungsweisen dargestellt, die als primitiv qualifiziert werden.69 * Clemens, Stromateis Die meisten Zeugnisse über Thales (Th 198–205) stehen im ersten Buch der Stromateis,70 in dem es grundlegend um Weisheit und Philosophie, deren Geschichte, Ursprung und Wert sowie um das Verhältnis von hebräischer Weisheit zu griechischer Philosophie geht.71 Von den übrigen Zeugnissen (Th 206–208) befindet sich je eines in den Büchern 2, 5 und 68 69 70 71 Cf. Gal 4,3 J(« λ π1«, Ρ f &%, %µ 81 " Q .(· „So waren auch wir, solange wir unmündig waren, Sklaven der Elementarmächte.“ Gal 4,8–9 #A.. ξ 9« µ /. 1« φ κ σ 1«·(9) " ξ « , ».. ξ (« %µ ", % « /%φ %0. /%λ $) λ %(8 81, g« %0. Ν( . .; „Doch als ihr einst Gott noch nicht kanntet, wart ihr Sklaven der Götter, die in Wirklichkeit keine sind. (9) Wie aber könnt ihr jetzt, da ihr Gott erkannt habt, vielmehr von Gott erkannt worden seid, wieder zu schwachen und armseligen Elementarmächten zurückkehren? Warum wollt ihr von neuem ihre Sklaven werden?“ Cf. zu dieser Argumentation auch Clemens str. 1.11.52.4 (Th 198) und Tertullian adv. Marc. 1.13.3 (Th 220). Cf. zum Titel Méhat (1966) 96–114. Cf. auch Le Boulluec (2006) 95–108. Méhat bietet auf der Basis seiner umfangreichen Analyse des Werkes eine Übersicht über dessen Inhalt, 276–279. Cf. Méhat (1966) 276–277. 52 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert 6. Hauptthemen dieser Bücher sind u.a. der Glaube und die Tugenden (str. 2), „die Bedeutung des Symbolischen im Rahmen einer biblischen Hermeneutik“,72 das Geheimnis Gottes und der Diebstahl der Hellenen (str. 5) sowie „das Portrait des wahren Gnostikers“ (str. 6–7). Aufgrund der antiken Gattung der Buntschriftstellerei, „die es erlaubt, Wissenswertes aus allen erdenklichen Bereichen in bunter Mischung und ohne feste Gedankenführung zu unterbreiten“,73 ist es im Falle der Stromateis besonders schwierig, jeweils einen sinnvollen Einschnitt im Hinblick sowohl auf den vorausgehenden als auch auf den nachfolgenden Kontext der Zeugnisse über Thales zu finden. Kontext zu Th 198 Die Bezugnahme auf Thales und die weiteren Philosophen steht in einem Abschnitt, in dem sich Clemens insgesamt mit den Begriffen Weisheit und Philosophie beschäftigt. Im vorausgehenden Kontext (str. 1.11.50.1–52.4) erklärt er den Sinn einiger Aussagen aus den so genannten Paulusbriefen (v.a. 1 Kor 3,19–21, 2 Kor 1,9f., 1 Kor 2,5 und 15, Kol 2,4 und 2,6–8). Bei der Behandlung der „Weisheit der Welt, die Torheit in Gottes Augen ist“ (1 Kor 3,19) kommt Clemens auf die Rolle und die Bedeutung der Philosophie zu sprechen.74 Die Äußerung (str. 1.11.50.5) aus Kol 2,8 „Sehet also zu, dass euch niemand als Beute fortschleppe durch Philosophie und eitlen Trug, der sich auf menschliche Überlieferung, auf die Elementarmächte der Welt und nicht auf Christus gründet“, wird von Clemens so verstanden (str. 1.11.50.6), dass Paulus damit nicht jegliche Philosophie schlecht machen wolle, sondern nur zwei Arten oder Richtungen von Philosophie: zum einen die epikureische, die Paulus in der Apostelgeschichte (Apg 17,18) erwähnt habe, „weil sie die Vorsehung leugne und die Lust vergöttere“, zum anderen „jede andere Philosophie, die den Elementen übermäßige Ehre erwiesen“ habe, anstatt die schöpferische Urkraft über sie zu stellen, und kein Auge für den Schöpfer hatte.75 Es folgt (str. 1.11.52.3) eine Darlegung der auf Christus gegründeten Lehre, die „den Schöpfer als Gott verehrt“ und eine bis auf das Einzelgeschehen sich erstreckende Vorsehungslehre vertritt.76 In der folgenden Kritik (in Th 198) 72 73 74 75 76 Wyrwa (1998) 130. Ebd. 129–130. Cf. zum Thema der Weisheit der Welt Brague (2006) bes. 73–75. Cf. str. 1.11.50.6–51.1 φ.φ! ξ %», $.. κ #E%, e« λ / 1« P0= $%.( ² P".«, *0..(, % $" λ πκ /0', λ 9 & « Ν.. 81 /! κ /%& κ %κ 9! «, ξ /φ0 µ . Cf. str. 1.11.52.3 π $.« X) .! λ µ µ /- Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 53 an Diogenes von Apollonia, Thales, Hippasos und besonders den Atomisten geht es (wie bereits in Th 197) um den Aspekt der ‚Verehrung‘ der Elemente. Th 198 Clemens, Stromateis 1.11.52.4 (ed. Stählin/Treu) 81 ξ * « ξ µ $, L.)« ξ µ J(, 6I%%« ξ µ %", λ ¹ « $« $8« %, φ.φ!« ` %, Ν! « $(%! λ φ.&. Th 198 Clemens, Teppiche 1.11.52.4 Als Elemente verehren Diogenes die Luft, Thales das Wasser, Hippasos das Feuer und diejenigen, die die Atome als Prinzipien postulieren, die sich den Namen ‚Philosophie‘ beiziehen, irgendwelche gottlosen, lustergebenen Menschlein. Attribut Prinzip Wasser: Thales verehrt das Wasser Funktion der Bezugnahme Clemens’ Kritik an den Philosophen ist vor dem oben skizzierten Hintergrund zu verstehen. Warum und in welchem Punkt kritisiert er Thales? Die so genannte „christliche Lehre“ hinsichtlich der Elemente (str. 1.11.52.3) ist zu beachten. Ihr zufolge ist der „Schöpfer“ («) „als Gott“ zu verehren; die Elemente sind „ihrer Natur nach veränderlich und geworden“ (λ %κ λ κ […] κ 8!( φ). Vor diesem Hintergrund ist auch die polemische Kritik an Thales im Protrepticus 5.64.2 (= Th 197) zu verstehen. Wie in Th 197 (/=&«) zeigt sich bereits in Clemens’ auf die religiöse Sphäre abzielender Wortwahl die offenkundige Polemik gegen diese Vertreter der griechischen Philosophie: Diogenes, Thales und Hippasos „verehren“ (*) jeweils ein Element (Luft, Wasser oder Feuer); besonders polemisiert Clemens jedoch gegen die Atomisten, die als „gottlose und der Lust ergebene Menschlein“ (Ν! « $(%! λ φ.&) bezeichnet werden, die sich den Namen der Philosophie nur anmaßen. Er gibt weiter mit einer Äußerung aus Phil 1.9–10 zu bedenken: „Deswegen bete ich, dass eure Liebe immer mehr und mehr wachse in der Erkenntnis und aller Erfahrung, damit ihr das prüfen könnt, worauf es ankommt.“ Zu Thales lässt sich festhalten, dass er an 0' λ κ % 8 « Ν λ %κ λ κ ρ κ 8!( φ λ %. 9« /=(κ ) ) 0 λ κ 9! ³« πµ )« 4%0« %! %!«. 54 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert dieser ersten Stelle in den Stromateis wie bereits in Th 197 als ‚Elementenverehrer‘ charakterisiert wird. * Kontext zu Th 199 Clemens vertritt im vorausgehenden Zusammenhang die These (str. 1.13.57.1), dass es nur eine Wahrheit gebe und die verschiedenen Richtungen (¹«) der griechischen und barbarischen Philosophie diese in viele Teile zerrissen hätten. Er vergleicht diesen Vorgang (0%) metaphorisch mit dem der Bakchen, welche die Glieder des Pentheus zerrissen hätten.77 Ausgehend von diesem Bild erläutert er, dass nun jede einzelne Richtung das Stück, das sie zufällig erhalten habe, prahlend für die ganze Wahrheit erkläre. Clemens ist jedoch überzeugt, dass (in Anspie)) alles lung auf Joh 1,9) „durch den Aufgang des Lichtes“ (φ(µ« $.9 erleuchtet werde. Er vertritt zum einen die These, dass die so zerrissene „ewige Wahrheit“ ($! $.&) nicht zu der Sage von Dionysos, sondern „zur Gotteslehre des immerseienden Wortes gehöre“ ()« ξ " . " `« $λ .!«). Zum anderen vertritt er die Überzeugung, dass derjenige, der die einzelnen Teile wieder zusammenfüge und vereinige (λ« σ« λ 4%&«), „unfehlbar die vollkommene Lehre (. µ .), die Wahrheit, schauen wird (?, κ $.&)“.78 Unmittelbar bevor sich Clemens den Anfängen der Weisheit bei den Griechen (= Th 199) zuwendet, ermuntert er den Leser (str. 1.13.58.4) unter Bezugnahme auf Spr 8,9–11 dazu, „lieber Bildung und nicht Silber, lieber Erkenntnis anstelle von Gold“ zu wählen – „denn Weisheit (φ!) ist mehr wert als kostbare Steine“.79 Darauf folgt sein Referat 77 78 79 Cf. str. 1.13.57.1–2 M»« ! Κ« )« $.!« (µ ?"« !« /%« D8), 0% ¹ *08 " P(« φ& . ¹ )« φ.φ!« )« **0 )« >E..)« ¹«, 40 Ρ% D.8 ³« %» 81 κ $.&α φ(µ« ’, ρ, $.9 ) %0 φ(!'. Cf. dazu auch Eusebius, PE 11.2 (Attikos) = Eusebius Th 267 und Attikos Th 169. Cf. str. 1.13.57.6–58.1 J(« σ S *0*« S >E..κ φ.φ! κ $! $.& % , )« .!«, )« ξ " . " `« $λ .!« %%!. ² ξ 9 λ« σ« λ 4%&« . µ . $(« σ F’ Ρ ?, κ $.&. Spr 8,9–11 %0 /;% 1« " λ \ 1« ! . .0* %! λ κ $ λ %ξ 8! , $1 ξ F 8! "α !( φ! .!( %.. , %» ξ ! Ν= )« /. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 55 über die Anfänge der Weisheit bei den Griechen (str. 1.14.59.1 = Th 199).80 Th 199 Clemens, Stromateis 1.14.59.1 Rλ ξ 6E..« 0 #Oφ λ ! λ @« %.0« % φ! %« /%λ φ!) %;« ) @« 4% @« /%.« φ«, W « ξ $%µ #A!« f, L.)« ² M.&« λ B!« ² P@« λ Pµ« ² M.1« λ K.*.« ² !«, ξ $%µ E;%«, .( ² #A1« λ X!.( ² «, µ ξ U* θ ξ P! ρ . µ K!, θ ξ #A08 µ , θ ξ #E%! µ K) […]. Th 199 Clemens, Teppiche 1.14.59.1 Doch die Griechen sagen, dass zumindest nach Orpheus, Linos und den ältesten von ihren Dichtern als Erste wegen ihrer Weisheit die so genannten Sieben Weisen bewundert wurden; von ihnen waren vier aus (Klein-)Asien, sowohl Thales aus Milet als auch Bias aus Priene, Pittakos aus Mytilene sowie Kleobulos aus Lindos, zwei aus Europa, Solon aus Athen und Chilon aus Lakedaimon; als Siebenten nennen die einen Periander aus Korinth, andere Anacharsis, den Skythen, und wiederum andere Epimenides aus Kreta.81 Attribute Milet Einer der Sieben Weisen Asiate Funktion der Bezugnahme Nach Auskunft der Griechen, auf die sich Clemens bezieht, folgten auf Orpheus, Linos und die ältesten Dichter (Homer und Hesiod) „die so genannten Sieben Weisen“, die als Erste (%;«) aufgrund ihrer Weisheit ) bewundert wurden. Clemens unterteilt diese Gruppe von Wei(/%λ φ!) sen nach geographischen Gesichtspunkten zunächst in zwei Lager (Kleinasien – Europa): Zu den Weisen Kleinasiens zählt er Thales aus Milet, Bias aus Priene, Pittakos aus Mytilene und Kleobulos aus Lindos; Europa zugehörig sind Solon der Athener und Chilon der Lakedaimonier. Der siebte Kandidat variiere: sei es Periander aus Korinth, Anacharsis der 80 81 Cf. dazu Wyrwa (1983) 71–73. Übersetzung Schwab. 56 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Skythe oder Epimenides aus Kreta,82 den der Apostel Paulus in seinem Brief an Titus erwähne (Tit 1,12 ff.).83 Clemens verweist darauf, dass er an späterer Stelle darlegen werde, dass die griechischen Weisen erst nach der Zeit des Moses gelebt hätten.84 Doch bereits jetzt müsse betrachtet werden, dass die Art und Weise (%«) der frühen griechischen Philosophie wie die hebräische in Rätselworte (9;«) gekleidet sei.85 Zur Illustration dieser These führt Clemens sogleich einige Beispiele an (cf. Th 200–201). * Kontext zu Th 200 / Th 201 In beiden Zeugnissen geht es um Spruchweisheiten, die in diesem Zusammenhang sowohl Thales als auch anderen prominenten Vertretern des griechischen Geisteslebens zugeschrieben werden. Clemens vertritt die These (str. 1.14.60.1ff.), dass die Philosophie der griechischen Weisen „der Art und Weise nach“ der hebräischen ähnlich und in Rätselworte gekleidet war.86 Er referiert, dass sie mit Vorliebe kurze Sätze (*8.!) verwendeten – eine Redeform, die besonders für Ermahnungen (κ %&) geeignet und sehr vorteilhaft sei.87 Unter Bezugnahme auf Platon88 behauptet Clemens, dass diese Redeweise in alter Zeit beliebt gewesen sei, und zwar überhaupt bei allen Griechen, besonders aber bei den Lakedaimoniern und Kretern, die die besten Gesetze gehabt hätten.89 Es folgt der erste Spruch „Erkenne dich selbst“ (Th 200), der von einigen Chilon, von dem Peripatetiker Chamaileon jedoch in seiner Schrift Über die Götter (Th 40) Thales zugeschrieben werde. Aristoteles hingegen schreibe den Spruch der Pythia zu. 82 83 84 85 86 87 88 89 Cf. str. 1.14.59.2. Cf. auch str. 1.14.59.5, wo auch noch Akusilaos von Argos, Pherekydes von Syros und Myson von Chios als Kandidaten genannt werden. Cf. zur chronologischen Argumentation auch Tatian Th 176, Tertullian Th 218, und Eusebius Th 264. Str. 1.14.60.1–2 ² ξ %« )« % ’ 1« φ.φ!«, ³« >E*=µ« λ 9;«, Q /%%«. Cf. dazu Wyrwa (1983) 71–73. Str. 1.14.60.2 *8.! " %0' κ %&, κ kφ.(0. Cf. Plat. Prt. 343a-b, Lg.1.641e; dazu Wyrwa (1983) 71–73. Str. 1.14.60.2 ! P.0( %0. [µ] %)« µ % ., « ξ %» 6E.., /=(« ξ !« λ Kλ 1« (0«. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 57 Th 200 Clemens, Stromateis 1.14.60.3 Tµ ξ σ „ µ“ θ ξ X!.(« %.&φ, X.( (Th 40) ξ / ) %λ L.", #A.« ξ )« P!«. Th 200 Clemens, Teppiche 1.14.60.3 Einige nehmen an, dass der Spruch „Erkenne dich selbst“ von Chilon stamme, Chamaileon (Th 40) aber in seiner Schrift Über die Götter nimmt an, von Thales, und Aristoteles [fr. 3.2 Rose3, 29.1 Gigon] von der Pythia. Th 201 Clemens, Stromateis 1.14.61.2–3 Tµ ’ „/, %0 ’ Ν“ K.« ξ / ) %λ >H >O&) ( φλ %) (α […] θ ξ %λ #A. X!.(« µ !', !« (Th 84) ξ L." [61.3] φ ρ κ %!. Th 201 Clemens, Teppiche 1.14.61.2–3 Kleomenes sagt in seiner Schrift über Hesiod, dass der Spruch „Bürge, und schon ist das Unheil da“ von Homer vorweggenommen worden sei […]. Aristoteles und seine Schule glauben, er stamme von Chilon [4 R3, 29.2 Gigon]. Didymos (Th 84) aber sagt, dass die Ermahnung [„Bürge, und schon ist das Unheil da“] von Thales stamme. Attribute Spruchweisheit „Erkenne dich selbst“ Spruchweisheit „Bürge, und schon ist das Unheil da“ Funktion der Bezugnahmen Neben der unterschiedlichen Zuschreibung des Spruches liefert Clemens im Folgenden auch eine Deutung des Spruches.90 Er deutet ihn im Sinne einer Ermunterung oder Aufforderung (/.), nach Erkenntnis (κ ) zu streben (;). Denn, so Clemens, es sei nicht möglich, ohne die Kenntnis des Wesens des Ganzen die Teile zu kennen. Demnach müsse man die Entstehung der Welt zu erforschen suchen, wodurch es möglich werde, auch das Wesen des Menschen zu verstehen.91 Nach den beiden Spruchweisheiten „Nichts zu viel“ und „Maß ist das Beste“ geht es Clemens in str. 1.14.61.2 (Th 201) um den Spruch „Bürge, und schon ist das Unheil 90 91 Cf. dazu Courcelle (1974) bes. 77–80. Str. 1.14.60.4 ξ κ /. ;. D Ν )« Ρ.( !« 9 α 1 κ κ " %.%), ’ e« λ κ " $;% φ 1 /=. 58 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert da“, der nach dem Zeugnis des Didymos (Th 84) von Thales stamme. Clemens hebt wiederum ausdrücklich die unterschiedlichen Zuschreibungen für diesen Ausspruch (an Homer oder Chilon) hervor. Dabei kann er sich auf griechische, nicht-christliche Quellen stützen. In Übereinstimmung mit der zuvor geäußerten Auffassung dieser Sprüche als „Ermahnungen“ oder „Ermunterungen“ spricht Clemens an dieser Stelle explizit von %!«. * Kontext zu Th 202 Im Anschluss an die Ausführungen zu den griechischen Weisen sowie deren Spruchweisheiten (cf. Th 200–201) folgt ein Referat über die griechische Philosophie der Folgezeit.92 Clemens unterscheidet nach geographischen Gesichtspunkten drei Schulen: die Italische von Pythagoras ausgehend, die Ionische von Thales und die Eleatische von Xenophanes (cf. dagegen Diogenes Laertius 1.13ff. = Th 236).93 Danach wird die Aufmerksamkeit auf die Herkunft von Pythagoras und Thales gelenkt (cf. Th 204 und Eusebius Th 262). Pythagoras ist nach Meinung der meisten Gewährsmänner, die Clemens anführt, ein Nichtgrieche (*0* µ «) – sei es, dass er als ein Tyrrhener, Syrer oder Tyrer bezeichnet wird (str. 1.14.62.2).94 Analog dazu referiert Clemens auch im Falle des Thales verschiedene ihm zugängliche Informationen über dessen Herkunft: So sei Thales nach den Angaben von Leandros (Th 50) und Herodot (Th 12) ein Phönizier, nach Meinung anderer jedoch ein Milesier. Es folgt der Zusatz, dass Thales mit den Priestern/Propheten der Ägypter oder bei den Ägyptern (1« A9%!( %φ&«) zusammengekommen sei und dass kein Lehrer von ihm verzeichnet werde. Ebensowenig sei ein Lehrer von Pherekydes von Syros bekannt, dessen Schüler Pythagoras gewesen sei.95 92 93 94 95 Cf. dazu von Kienle (1961) 11–12, 32ff. Von Kienle (1961) 32 bemerkt zum dreireihigen Schema bei den Diadochien der Philosophen: „Wird eine Beziehung zwischen Pythagoras und Xenophanes nicht angenommen, so muß ein dreireihiges Schema entstehen mit drei zeitlichen Anfängen: Thales, Pythagoras, Xenophanes. Da bei drei Reihen der Platz hinter Pythagoras „frei“ wird, ergibt sich die Möglichkeit, einen weiteren berühmten Philosophen in das System einzugliedern: Empedokles, der im zweireihigen Schema fehlt.“ Str. 1.14.62.2 P« ξ σ M08 0«, —« φ >I%%*«, ³« ξ #A=« / ) P *!) ( λ #A!8« λ L%%«, Tµ« f, ³« ξ N0«. « ν T«, — ρ @« %.!« µ P *0* µ «. Cf. dazu Diels (1879) 178, 244–245. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 59 Th 202 Clemens, Stromateis 1.14.62.1–63.2 R.φ!« ! @« %« Ν« 1« 8λ /%; %( %λ ?« ?, #I.κ ξ π $%µ P, #I(κ ξ π $%µ L.", #E.κ ξ π $%µ mφ0«. […] [62.3] $.. λ L.)«, ³« « (FGrHist III B 491–2 F 17, s. Th 50) λ >H« (Th 12) ¹", R1= f, ³« « %.&φ, M.&«. [62.4] « ^« 1 1« A9%!( %φ&« **., 0.« ξ " λ« $0φ, […] [63.2] #A=!« ξ P=0 M.&« L.) 8, " ξ #A=« E0 M.&«, ’ χ #A=« >H*. K.'«. Th 202 Clemens, Teppiche 1.14.62.1–63.2 Nach den zuvor genannten Männern (sc. den Sieben Weisen) hat es drei Schulen der Philosophie gegeben, die ihre Beinamen von den Orten erhielten, an denen sie sich aufhielten, die Italische, die von Pythagoras ausging, die Ionische von Thales und die Eleatische von Xenophanes.96 Aber auch Thales, wie Leandros (Th 50) und Herodot (Th 12) berichten, war ein Phönizier, wie aber einige annehmen, ein Milesier. Nur er scheint mit den Priestern der Ägypter zusammengetroffen zu sein, es wird aber kein Lehrer von ihm aufgeführt […]. Anaximander, der Sohn des Praxiades, der Milesier, folgt ihm als Schüler, diesem [folgt] Anaximenes, der Sohn des Eurystratos, aus Milet, danach der Klazomenier Anaxagoras, der Sohn des Hegesibulos. Attribute Ionische Schule: Thales als Gründer Phönizisch Milet Ägyptischer Einfluss: Zusammentreffen mit Priestern Thales ohne Lehrer Anaximander folgt auf Thales Funktion der Bezugnahme Mit den von Clemens referierten Hintergrundinformationen wird nicht nur eine Verbindung von Thales mit Ägypten hergestellt, sondern auch eine potentielle (Lehr-)Abhängigkeit von den Priestern bzw. Propheten in Ägypten plausibel gemacht. Mehrdeutig ist jedoch der Ausdruck in attributiver Stel- 96 Übersetzung Schwab. 60 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert lung ¹ A9%!( %φ). Durch die grammatische Stellung sowie die zweifache Bedeutung von %φ&« als „Priester“ oder „Prophet“ bieten sich folgende Verständnismöglichkeiten an: (a) die Priester/Propheten der Ägypter, (b) die Priester/Propheten bei den Ägyptern (d.h. die in Ägypten lebenden jüdischen Propheten). Neben der Äußerung über das Zusammentreffen mit den Priestern/Propheten in Ägypten ist weiter die Bemerkung von Gewicht, dass für Thales kein namentlicher Lehrer verzeichnet werde ($0φ). So kommen allein die Priester/Propheten in Ägypten als mögliche „Lehrer“ des Thales in Betracht.97 Insgesamt gesehen macht Clemens mit seinen sorgfältig dargelegten Informationen mindestens drei Punkte deutlich: (1) Zum einen argumentiert er durch die von Leandros (Th 50) und Herodot (Th 12) bezeugte phönizische Abkunft des Thales mit griechischen Quellen98 für den nicht-griechischen Ursprung der griechischen Philosophie, soweit diese von Thales stamme. (2) Zum anderen erhält durch den referierten Kontakt mit den Priestern/ Propheten in Ägypten dieser nicht-griechische Ursprung eine weitere Dimension: Zu der phönizischen Herkunft kommt der Einfluss oder gar eine (an dieser Stelle) nicht weiter explizierte Abhängigkeit von den Priestern/Propheten in Ägypten.99 (3) Durch diese Argumentationsstrategie macht er darauf aufmerksam, dass die Anfänge der griechischen Weisheit und Philosophie eigentlich auf eine als göttlich-inspiriert oder auch religiös-legitimiert angesehene Gruppe zurückzuführen ist, seien es nun ägyptische Priester oder in Ägypten lebende jüdische Propheten, von denen Thales seine Weisheit beziehen konnte. Die strategische Argumentationsweise von Clemens zeigt sich auch darin, dass er, um die nicht-griechische Herkunft des Thales plausibel zu machen, für die ‚Phönizier-These‘ ausdrücklich zwei bekannte griechische Autoritäten anführt, während er bei der ‚Milesier-These‘ nur unbestimmt von „einigen“ spricht, die diese bezeugten. * 97 98 99 Clemens referiert weiter, dass Anaximander Nachfolger des Thales gewesen sei (8). Es folgen Anaximenes und Anaxagoras aus Klazomenai, der die Schule aus Ionien nach Athen überführte. Cf. dazu z.B. Tatian Th 176, der sich in seiner chronologischen Argumentation explizit auf die Zeugnisse griechischer Quellen beruft. Cf. dazu Art. s. v. Prophetes/Prophetis, RE 23.1, 797–816. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 61 Kontext zu Th 203 Im Anschluss an die Übersicht zur Geschichte der ionischen und eleatischen Schulen (Xenophanes, Parmenides, Zenon etc. bis zu Epikur) konstatiert )) die ReihenClemens (str. 1.14.64.5), dass dies „im Auszug (/ /%9 folge (π ξ 8&) der griechischen Philosophen“ sei.100 Im Folgenden möchte er „die Zeiten der Begründer ihrer Philosophie“ (¹ 8 ξ %=0( )« φ.φ!« ) anführen, damit im Vergleich (/ !) bewiesen werden könne ($%!=(), dass die hebräische Philosophie um viele Geschlechterfolgen (%..1« 1«) älter ist. Damit wird das Argumentationsziel an dieser Stelle klar formuliert. Th 203 Clemens, Stromateis 1.14.65.1 […] L.) ξ EΚ« / 1« #A.1« ¹!« κ D.? " π.! %%1 φ (s. Th 45) ’ ?« 8« )? 08 %µ« $..&.« M)! λ λ *.« K=0« ξ " #A0« %µ« M&(, #A.0 ξ " K! . ) 0 ξ ) λ >H« / 9 ) %;9 (Th 10). 9λ ξ ¹ 8 $φλ κ %κ \.%0. Th 203 Clemens, Teppiche 1.14.65.1 […] Eudemos (s. Th 45) sagt in seinen Astronomischen Forschungen,101 Thales habe die Sonnenfinsternis vorausgesagt, die zu der Zeit eintrat, als die Meder und die Lyder eine Schlacht gegeneinander begannen. Kyaxares, der Vater des Astyages, war damals König der Meder, Alyattes, der Vater des Kroisos, [war König] der Lyder. Herodot in seinem ersten Buch stimmt mit ihm [Eudemos] überein (Th 10 [1.74]). Es sind die Jahre um die 50. Olympiade [580–577 v. Chr.]. Attribute Vorhersage der Sonnenfinsternis Datierung der Sonnenfinsternis Datierung (um die 50. Olympiade) 100 101 Str. 1.14.64.5 Kλ π ξ 8κ % ’ 6E.. φ.φ( ³« / /%9 ) S, ¹ 8 ξ %=0( )« φ.φ!« 4%(« ., o κ / ! $%!=( %..1« 1« %* κ >E*!« φ.φ!. Oder: Geschichte der Astronomie. Cf. Bowen (2002) 308 Anm. 2. 62 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Funktion der Bezugnahme Für die zeitliche Verortung des Thales, die Clemens in str. 1.14.65.1 vornimmt, führt er zuerst die Voraussage (%%1) der Sonnenfinsternis nach dem Zeugnis des Eudemos (Th 45) in dessen Geschichte der Astronomie (1« #A.1« ¹!«) an. Dieses Ereignis wird synchron mit der Schlacht der Meder gegen die Lyder angesetzt. Im Hinblick auf diese Datierung stimme Herodot (in seinem ersten Buch; cf. Th 10) mit Eudemos über0). Die Blütezeit ($&) des Thales wird von Clemens auf die ein () Zeit um die 50. Olympiade [580–577 v. Chr.] bestimmt. Pythagoras wird (str. 1.14.65.2) mit dem Tyrannen Polykrates um die 62. Olympiade datiert. Clemens weist im Folgenden (str. 1.15.72.4) darauf hin, dass er sich (wie Tatian Th 176 sowie später Eusebius und Kyrill) in seiner chronologischen Argumentation auf nicht-christliche Autoren berufen kann. * Kontext zu Th 204 Im Anschluss an die chronologische Argumentation versucht Clemens in str. 1.15.66.1ff. die zweifache These zu illustrieren, dass die meisten der ältesten griechischen Weisen und Philosophen (1) nicht nur ihrer Herkunft nach Nichtgriechen (*0* µ «) waren, sondern auch (2) bei Nichtgriechen ihre Bildung erhielten (% **0« %«).102 Nachdem er zuerst in Kürze die nicht-griechische Herkunft des Pythagoras,103 des Antisthenes und des Orpheus hervorgehoben und ohne Belege behauptet, dass „die meisten Homer als einen Ägypter“ (str. 1.15.66.1) bezeichneten, kommt Clemens in str. 1.15.66.2 auf die Herkunft des Thales zu sprechen. Th 204 Clemens, Stromateis 1.15.66.2 L.)« ξ R1= φ µ « λ 1« A9%!( %φ&« **. F, 0% λ ² P« 1« «, […]. Th 204 Clemens, Teppiche 1.15.66.2 Thales war phönizischer Abstammung und soll mit den Priestern der Ägypter zusammengekommen sein, wie auch Pythagoras zumindest mit denselben […]. 102 103 Str. 1.15.66.1 Oo ξ ¹ 8 % ’ 6E.. %*0( φ λ φ.φ(. ³« ξ ¹ %.1 *0* µ « λ % **0« %« […]. Cf. dazu Riedweg (2007) 19–21. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 63 Attribute Phönizisch Ägyptischer Einfluss: Zusammentreffen mit Priestern Funktion der Bezugnahme Auffällig ist, dass Clemens die phönizische Herkunft des Thales an dieser Stelle als Faktum ausgibt und im Gegensatz zu Th 202 (str. 1.14.62.3) Milet nicht einmal mehr thematisiert. Im Anschluss an Pythagoras104 widmet sich Clemens ausführlicher Platons Wertschätzung der Nichtgriechen. * Kontext zu Th 205 Die Bezugnahme auf Thales (str. 1.21.129.3–4) steht im Rahmen einer langen chronologischen Übersicht, die veranschaulichen soll, in welcher Zeit Moses lebte, um die These von der Priorität der hebräischen Philosophie zu stützen (Altersbeweis).105 Clemens bemerkt (str. 1.21.101.1), dass die (griechischen) Philosophen ihre Lehren () bei den Hebräern zusammengesucht hätten; bevor er jedoch darüber spreche, müsse er davon handeln, in welcher Zeit Moses lebte; dadurch werde unbestreitbar erwiesen, dass die hebräische Philosophie älter als jede andere Weisheit sei.106 Th 205 Clemens, Stromateis 1.21.129.3–4 #A%! ! ¹ /%λ ! " >Y0% %φ« µ D« )« *.!« " #A1« λ Z8!« λ ² 104 105 106 Bemerkenswert und kurios ist die Bemerkung zu Pythagoras, der ebenfalls mit den Propheten der Ägypter verkehrt haben soll: Er habe sich angeblich ihretwegen beschneiden lassen (%), um (o) in die geheimsten Tempelräume ( Ν) zugelassen zu werden und die „Geheimphilosophie der Ägypter“ (κ κ % ’ A9%!( […] φ.φ!) kennen zu lernen. Diogenes Laertius 8.3 berichtet zum Leben des Pythagoras ebenfalls von einem Ägyptenaufenthalt des Pythagoras zur Zeit des Polykrates, der ihn durch ein Schreiben dem Amasis empfohlen haben soll. Pythagoras soll die ägyptische Sprache erlernt, Zutritt zu den heiligsten Stätten gehabt sowie sich mit den geheimnisvollen Lehren über die Götter bekannt gemacht haben. Von der bei Clemens genannten Beschneidung ist bei Diogenes nicht die Rede. Cf. dazu Droge (1989) 124–152, bes. 144–146. Cf. str. 1.21.101.1 Kλ %λ ξ " % ’ >E*!( φ.φ( /() µ J .?, % , Ρ% $. f, %λ M( 8( Q ., ’W 8& $φ!(« %0« φ!« $80 π >E*!« φ.φ!. 64 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert / ; 5A.« µ % D« )« \« λ )« \.%0« %φ« %* ρ P " κ λ 4=κ \.%0 φ λ " %*0 % ’ 6E.. φ L." %λ κ %κ \.%0 . [129.4] 8 ξ ¹ .« φλ ) L.1, —« φ 5A( / ) T!% (Th 24). Th 205 Clemens, Teppiche 1.21.129.3–4 Es ist nun gezeigt, dass die Propheten zur Zeit des Dareios, des Sohnes des Hystaspes, im zweiten Jahr seiner Königsherrschaft, Aggäus [Haggai] und Zacharias, und der Engel [Maleachi] aus dem Kreis der Zwölf [kleinen Propheten], die im ersten Jahr der 48. Olympiade prophezeiten, älter sind als Pythagoras, der während der 62. Olympiade gelebt haben soll, und als der Älteste der griechischen Weisen, Thales, der um die 50. Olympiade lebte. Zur gleichen Zeit lebten die mit Thales zusammen aufgezählten Weisen, wie Andron im Dreifuß sagt (Th 24). Attribute Ältester der griechischen Weisen Datierung (um die 50. Olympiade) Funktion der Bezugnahme Clemens konstatiert, dass zur Zeit des Dareios (Sohn des Hystaspes) die Propheten Aggäus (Haggai), Zacharias und ein „Angelos“ (5A.«, d.h. „Bote“) Genannter aus dem Kreis der zwölf (kleinen) Propheten, die im ersten Jahr der 48. Olympiade prophezeiten, älter sind als Pythagoras (62. Ol.) und als der älteste der griechischen Weisen, Thales, der um die 50. Olympiade gelebt haben soll. Zur gleichen Zeit sollen nach Andron (Th 24) die mit Thales zusammen aufgezählten Weisen gelebt haben. Mit dem als 5A.« bezeichneten Propheten aus dem Kreis der Zwölf (kleinen) Propheten ist der Prophet Maleachi (hebr. = der Bote) gemeint. 107 Die Bezugnahme auf Thales ist ein Bestandteil der übergeordneten Argumentation des Altersbeweises. * 107 Hieronymus bemerkt (in Malachiam prol.), dass die LXX „Maleachi“ (hebr.) mit Ν.« (gr.) übersetzt habe. Der Hinweis geht auf Herrn Prof. Fiedrowitz (Trier) zurück. Cf. Augustinus civ. 15.23 und 20.25 sowie Tertullian adv. Jud. 5. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 65 Kontext zu Th 206 Hauptthemen des zweiten Buches der Stromateis sind zum einen der Entwurf einer Theologie des Glaubens, zum anderen eine Übersicht über die Tugenden des Gnostikers.108 Die einzige Bezugnahme auf Thales im zweiten Buch steht in einem Zusammenhang (str. 2.4.14.1–2), in dem Clemens verschiedene epistemische Zustände und Begriffe wie sinnliche Wahrnehmung, Denken, Wissen, Vermuten und besonders Glauben sowie ihr Verhältnis zueinander behandelt. Bei seiner Erörterung greift er mehrmals zurück auf Grundbegriffe, Definitionen und Textpassagen sowohl antiker Philosophen wie z.B. der Epikureer, der Stoiker, Platons oder Aristoteles’ als auch auf Zitate biblischer Texte des Alten und Neuen Testamentes (v.a. der Paulusbriefe). Aufgrund seiner kompositorischen Technik lässt sich jedoch nicht immer eindeutig feststellen, welchen Wert er der jeweiligen Quelle und dem jeweiligen Konzept beimisst.109 Im Folgenden soll zumindest in Grundzügen die komplexe Argumentationsstruktur erhellt werden, in der die Bezugnahme auf Thales steht. Clemens gibt Folgendes zu bedenken (str. 2.4.12.1): „Wir aber, die wir durch die (Heiligen) Schriften von dem Herrn die Lehre übernommen haben, dass den Menschen die Möglichkeit selbstständiger (&) Wahl zwischen Annehmen und Ablehnen gegeben ist, wollen uns auf den Glau) %!) als untrüglichen Maßstab unseres Urteils ($%;) ( ben (9 !) () verlassen, da wir den Geist dadurch als willig (µ % %) bewiesen haben, dass wir das Leben wählten und zum Glauben an Gott durch die Stimme von jenem ( )« /! φ()«) kamen. Wer .) ( %«), der weiß, seinen Glauben dem Wort geschenkt hat (² ) dass sein Inhalt wahr ist; denn Wahrheit ist das Wort (² .«).“110 108 109 110 Zu einer Analyse des gesamten zweiten Buches cf. Prümm (1937) 17–57, Camelot/ Mondésert (1954) 12–26, weitere Literaturhinweise ebd. 12. Camelot (1954) bemerkt zum zweiten Buch der Stromateis, 15: „On voit la méthode de notre auteur, qui cite un peu pêle-mêle les textes de l’Écriture et les définitions des philosophes.“ Zum Problem der Textanalyse und Interpretation merkt er an, ebd. 15 Anm. 1: „On est toujours tenté de se demander quelle est la valeur respective qu’il (sc. Clement) accorde à chacune de ces deux sources.“ Str. 2.4.12.1 >H1« ξ ¹ κ o λ φκ 1« $;%« κ % " ! φ %.φ« $%;) ( !) ( 9 ) %! /%%;, „µ % %“ /=0, Ρ ¹. κ '(κ λ ) ) )« /! φ()« %%α λ ² ) .) ( %« ρ µ %» $.«α $.& ² .«. 66 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Nachdem Clemens den Glauben an das ‚Wort‘ (.«)111 so positiv charakterisiert hat, konstatiert er unter Bezugnahme auf den Hebräerbrief (Hebr 11,3f.): „Durch Glauben (%!) begreifen wir ("), dass die Aeonen112 durch Gottes Wort (q& ") geschaffen wurden, so dass aus Unsichtbarem das Sichtbare (µ *.%) entstanden ist.“113 Die Wahrheit zeige sich in vier Bereichen (str. 2.4.13.2):114 in der sinnlichen Wahrnehmung, im Denken, im Wissen und im Vermuten.115 Während nach Clemens (str. 2.4.13.3) die sinnliche Wahrnehmung (F«) eine Vorstufe zum Wissen (/%*0 )« /%&«) sei, lasse der Glaube (π %!«), der durch die sinnlich wahrnehmbaren Dinge seinen Weg genommen habe (²), das Vermuten (κ %.?) hinter sich und schreite rasch vorwärts zu dem Untrüglichen ( $?)) und bleibe schließlich bei der Wahrheit (κ $.&) stehen.116 Bevor Clemens seine an dieser Stelle grundlegende Glaubensthese vertritt (str. 2.4.14.1 = Th 206), dass es allein durch den Glauben (%!) möglich sei, zum Prinzip aller Dinge ()« Ρ.( $8)«) zu gelangen, wendet er sich einem hypothetischen Einwand (9 ) im Hinblick auf das Wissen zu. Es geht ihm um die Entkräftung der Annahme (str. 2.4.13.4), dass Wissen mittels einer Begründung beweisfähig sei ($%κ ρ .).117 Gegenüber dieser Annahme vertritt er die im Folgenden wichtige These, dass auch die Prinzipien (¹ $8!) unbeweisbar ($%) seien. Diese These ist für die spätere Bezugnahme auf Thales ausschlaggebend. Clemens versucht jedoch zuerst in zweifacher Weise (str. 2.4.13.4) die Unbeweisbarkeit der Prinzipien plausibel zu machen. Er behauptet, dass die ) noch (b) durch die praktische Prinzipien (a) weder durch die Kunst (89 111 112 113 114 115 116 117 Cf. die französische Übersetzung Camelot/Mondésert (1954): „et celui qui a cru au Logos sait que la chose est vraie: le Logos, en effet, est verité.“ In der Übersetzung Luthers: „Welt“. Übersetzung Overbeck (1936). Str. 2.4.12.2 „%! " ! @« 9 « q& " 9« µ κ / φ( µ *.% “, φλ ² $%.« […]. Str. 2.4.13.2 0( ξ `( / g« µ $.«, 9&(«, ", /%&«, %.&?(« […]. Cf. Horn/Rapp (2002) Artikel zu „aisthêsis“ 23–24, „nous“ 297–301, „epistême“ 146–150, „hypolêpsis“ 213–214. Str. 2.4.13.3–4 $..’ π ξ F« /%*0 )« /%&«, π %!« ξ 9 ² $%.!% κ %.?, %µ« ξ $?) % λ 9« κ $.& . Diese Argumentation findet sich in ähnlicher Form bereits bei Sext. Emp. adv. math. 7.218. Str. 2.4.13.4 9 « . κ /%& $%κ ρ ., $0( Ρ λ ¹ $8λ $%. Cf. dazu Platon Tht. 201c-210b. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 67 Vernunft (φ&) erfasst oder erkannt werden ((!). Denn während es (b) die praktische Vernunft mit dem zu tun habe, was sich auch anders verhalten könne, sei (a) die Kunst nur imstande, etwas hervorzubringen (%κ ), nicht aber auch etwas wissenschaftlich zu erkennen ((&).118 Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung von Clemens’ Glaubensthese (str. 2.4.14.1) zu verstehen. Er artikuliert sie in Abgrenzung zum Begriff des Wissens und betont damit zugleich den Vorrang des Glaubens: dass ) durch den Glauben möglich sei, zum Prinzip aller es allein oder nur (9 Dinge zu gelangen. Th 206 Clemens, Stromateis 2.4.14.1–2 P! σ /φ 9 g )« Ρ.( $8)«. %» /%& & /α µ ξ µ / %(. %; ξ π Ρ.( $8κ 1« 6E.., Κ’ σ L.9 ) J( /%) ( κ %; 9! Κ 1« Ν..« [1«] φ1« 1« 4=)«. Th 206 Clemens, Teppiche 2.4.14.1–2 Durch Glauben allein kann man also das Prinzip aller Dinge erreichen. Alles Wissen ist nämlich lehrbar. Das Lehrbare aber baut auf vorher Erfasstem auf. Das Prinzip aller Dinge war aber von den Griechen nicht vorher erfasst, weder also von Thales, der der Meinung war, dass das Wasser die erste Ursache sei, noch von den anderen Naturphilosophen nach ihm. Attribute Das Prinzip aller Dinge wurde durch Thales nicht erfasst Prinzip Wasser: Wasser als erste Ursache Funktion der Bezugnahme (1) In Anspielung auf Aristoteles119 begründet (0) Clemens, dass (i) jedes Wissen lehrbar sei, (ii) alles Lehrbare aber auf vorher Erkanntem/Erfasstem (%() beruhe.120 118 119 120 Str. 2.4.13.4–14.1 Κ 89 Κ κ φ& (!. b ξ %λ /80 / Ν..(« D8, b ξ %κ , 8λ ξ λ (&. Cf. Arist. Metaph. 1.992b30–31. Cf. str. 2.4.14.1–2 %» /%& & /α µ ξ µ / %(. 68 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert (2) Nachdem er bereits im vorausgehenden Kontext (str. 2.4.13.4) für die Unmöglichkeit, die Prinzipien zu beweisen, argumentiert hat, wendet er nun seine These konkret im Hinblick auf die Griechen an: Von ihnen sei das Prinzip aller Dinge (π Ρ.( $8&) nicht vorher erfasst worden ( %;), weder von Thales, der eigentlich nicht gewusst habe, dass die erste Ursache (κ %; 9!) das Wasser sei, noch von den anderen Naturphilosophen nach ihm.121 Grundlegend an dieser Stelle ist die positive Rolle, die Clemens in seiner Argumentation dem Glauben zuschreibt.122 Die Aufwertung des Glaubens gegenüber dem Wissen ist gerade für die Bezugnahme auf Thales von entscheidender Bedeutung. In dieser Hinsicht sollte festgehalten werden, dass Clemens sowohl Thales (Κ’ σ L.9 ) J( /%) ( κ %; 9!) als auch seinen naturphilosophischen Nachfolgern das Wissen um die referierten Prinzipienannahmen abspricht. Thales wird in diesem Zusammenhang gerade darum genannt, weil er mit seiner These vom Wasser als Erster eine Aussage über „die erste Ursache“ (κ %; 9!) gemacht haben soll. Die ihm zugeschriebene Annahme einer sinnlich-wahrnehmbaren Ursache (Wasser) als erster Ursache schlechthin widerspricht jedoch Clemens’ grundsätzlichem Verständnis des ersten Prinzips, das in Übereinstimmung mit dem Hebräerbrief (Hebr 11,3ff.) gerade nicht als sinnlich-wahrnehmbar gedacht werden kann. Bei seiner Begründung stützt sich Clemens zuerst auf Argumente aus der Tradition der Skeptiker und bei der entscheidenden Argumentation gegenüber dem Wissensbegriff auf eine Äußerung aus Aristoteles’ Metaphysik (Met. 1.992b30–31). Als eine Ausnahme wird zwar Anaxagoras (str. 2.4.14.2) genannt, der als Erster den Geist (µ ") über die Dinge gestellt habe. Doch auch er wird von Clemens im Hinblick darauf kritisiert, dass er nicht an der alles bewirkenden Ursache (κ 9! κ %&) festhalte, sondern gewisse geistlose Wirbel (!« « $&«) vor die Augen ) und Geistlosigkeit male, in Verbindung mit der Untätigkeit ($%=!) 123 ) des Geistes. Die Erörterung der epistemischen Begriffe ist damit ($!) noch nicht zu Ende. Clemens spricht in Anlehnung an ein Schriftwort die Mahnung aus (Mt 23,8): „Ihr sollt euch nicht selbst auf Erden Lehrer nennen.“ Darauf (str. 2.4.14.3) kontrastiert er nochmals Glauben und Wissen, 121 122 123 Str. 2.4.14.2 %; ξ π Ρ.( $8κ 1« 6E.., Κ’ σ L.9 ) J( /%) ( κ %; 9! Κ 1« Ν..« [1«] φ1« 1« 4=)«. Cf. dazu Prümm (1937) 17–57 und Völker (1952). Str. 2.4.14.2–3 /%λ !9" λ #A=« % « /% µ " 1« %0, $..’ ξ ^« /& κ 9! κ %&, !« « $&« $'(φ @ 9 ) " " $%=!) λ $!) . Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 69 indem er in Anspielung auf Aristoteles (EN 1139b31) Wissen als „ein Verhalten“ (U=«) beschreibt, „das mit Beweisen wirkt“ ($%&), während der Glaube „ein Geschenk“ (80«) sei, „das aus Unbeweisbarem zum Allgemeinen das Einfache emporführt, das weder mit Stoff verbunden noch selbst Stoff noch vom Stoff abhängig ist“.124 * Kontext zu Th 207 Die Bezugnahmen auf die beiden Spruchweisheiten, die Thales zugeschrieben werden, stehen im fünften Buch, in dem Clemens unter anderem wieder das Thema des ‚Diebstahls‘ oder der ‚Abhängigkeit‘ aufnimmt.125 Er versucht an zahlreichen Textausschnitten, wörtlichen Zitaten sowie grundlegenden Konzepten und Gedanken griechischer Philosophen die These zu illustrieren, dass die griechische die „barbarische“ Philosophie bestohlen habe (cf. dazu str. 5.14.89.1ff.). Nach mehreren Textpassagen und Zitaten aus den Werken Platons führt Clemens die beiden dem Thales zugeschriebenen Spruchweisheiten an. Th 207 Clemens, Stromateis 5.14.96.4 T! ’; 8λ $1 " L0.« / Q; µ 9« @« 9 « 9;( =0' µ µ λ µ „;“ . %µ« π Ν« 4. /(λ« ² L0.«, ! / µ 1, „µ & $8&“, Dφ, „& .« D8.“ % ξ 4, 9 .0 µ 1 %0( Ν(%«, „λ % «,“ ρ%, „Ρ« ξ «;“ Th 207 Clemens, Teppiche 5.14.96.4 Was aber? Beruhen nicht auch jene Worte des Thales darauf [nämlich auf der Einsicht, dass der Mensch zum Ziel gelangt, wenn er sein Denken mit dem Gegenstand des Denkens in Übereinstimmung bringt]? Dass Gott auf Ewigkeit gepriesen wird und dass er von uns „Herzenskündiger“126 genannt wird, legt er geradewegs aus. Jedenfalls hat Thales auf die Frage, was das 124 125 126 Cf. dazu auch Theodoret cur. 1.90–91: Mλ« !, τ φ!., !( )« %!(«. Kλ κ κ %! #A.« & /%&« /0.· ² #E%!« %.? !« κ /0.· κ ξ %.?, %.*" κ , 0.? !. Cf. dazu Ridings (1995) 59–60 und die Übersicht ebd. 112–117. Cf. Apg 1,24; 15,8. 70 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Göttliche sei, gesagt (vgl. Th 210; Th 237 [D. L. 1.36]; Th 564 [321d]): „Was weder Anfang noch Ende hat.“ Und auf die weitere Frage, ob der Mensch etwas unbemerkt vor dem Göttlichen tun könne, sagte er: „Wie sollte er, wo er es doch nicht einmal im Gedanken kann?“ (vgl. Th 96; Th 237 [ebd.]; Th 564 [316]). Attribute Spruchweisheit: Das Göttliche ist ohne Anfang und Ende Spruchweisheit: Dem Göttlichen bleibt nichts verborgen Funktion der Bezugnahme Clemens vertritt die These (str. 5.14.96.4), dass die Spruchweisheiten von Schriftworten abhängig seien. Thales erläutere (4) die christlichen Überzeugungen, „dass Gott auf Ewigkeit gepriesen“127 werde und „dass er von uns ‚Herzenskenner‘128 genannt“ werde. Die Aussagen betreffen (1) den Lobpreis der Ewigkeit Gottes sowie (2) die Gott zugeschriebene ‚Kenntnis‘ der menschlichen Herzen – Gott als ‚Herzenskenner‘ (;«). Entsprechend der ersten Aussage wird die erste Spruchweisheit des Thales präsentiert, seine Antwort auf die Frage, was die Gottheit / das Göttliche sei (! / µ 1): „Das, was weder einen Anfang noch ein Ende hat.“ (Cf. Hippolytos Th 210 und Diogenes Laertius Th 237 (1.36), dagegen Tertullian Th 216, 218, 219). Der zweiten Aussage über die ‚Herzenskenntnis oder -kennerschaft Gottes‘ entspricht die folgende Spruchweisheit des Thales auf die Frage, ob der Mensch etwas unbemerkt vor dem Göttlichen tun könne. Die Antwort des Thales: „Wie sollte er, wo er es doch nicht einmal im Gedanken kann?“ (cf. Cicero Th 76, und Diogenes Laertius Th 237 (1.36)). Thales wird an dieser Stelle aufgrund der zwei ihm zugeschriebenen Spruchweisheiten geradezu als ‚Übersetzer‘ (cf. 4) der zwei christlichen Überzeugungen präsentiert. Das übergeordnete Argumentationsziel von Clemens besteht darin, den Nachweis dafür zu erbringen, dass sich neben vielen anderen auch der als weise geltende Thales bei näherer Betrachtung als von der Heiligen Schrift abhängig erweist. Die bei127 128 Cf. zur Doxologie Gal 1,5, Phil 4,20, 1 Tim 1,17, 2 Tim 4,18, Hebr 13,21 und Röm 16,27. Le Boulluec (1981) bemerkt dazu in seinem Kommentar, 305: „Si elle (sc. la doxologie) n’apparaît pas littéralement dans la Septante, elle a des antécédents vétéro-testamentaires et Clément en est conscient quand il évoque cet emprunt de Thalès.“ Zum Epitheton ;« cf. Apg 1,24 und 15,8 sowie Acta Pauli et Theclae 24,7. Clemens verwendet das Wort an zwei weiteren Stellen: str. 2.13.56.2 und str. 6.12.101.5. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 71 den Spruchweisheiten finden sich mit Zuschreibung an Thales auch im Gnomologium Vaticanum 316 und 321d (= Th 564). * Kontext zu Th 208 In str. 6.7.57.2 stellt Clemens die folgende Überlegung an: Wenn es so sei, dass aus dem Lernen (/ &(«) die Erkenntnis und das Wissen (π « λ π /%&) erwachse, müsse, insofern es ein Lernen gebe, auch notwendigerweise nach dem Lehrer gefragt werden ('1 $0 µ 0.).129 Im Anschluss an diese Überlegung folgt (str. 6.7.57.3) die Auflistung einer Reihe griechischer Philosophen, die jeweils mit ihrem Lehrer genannt werden. Th 208 Clemens, Stromateis 6.7.57.3 K.0« ξ Z&( /%0φ λ Lφ« #A. M(« #E%! λ P.0( (0α $.. s /%λ P D.( λ R λ L0. λ @« %;« φ«, o µ ( 0. ' s A9%!« F%9 « s #I@« s B*.(!« s @« M0« «, % µ ( 0. $% , $0( λ /%λ κ %; $;%(, $1 Ν8 '1, !« ² 0.«; Th 208 Clemens, Teppiche 6.7.57.3 Kleanthes beansprucht den Zenon als Lehrer, Theophrast den Aristoteles, Metrodor den Epikur und Platon den Sokrates. Aber wenn ich auch zu Pythagoras komme und Pherekydes und Thales und zu den ersten Weisen, halte ich stand bei der Suche nach deren Lehrer. Wenn du die Ägypter nennst und die Inder und die Babylonier und die Magier selbst, werde ich nicht aufhören, nach deren Lehrern zu fragen. Ich führe dich aber zur ersten Generation der Menschen und beginne da zu fragen: Wer war ihr Lehrer? Attribut Thales hatte auch Lehrer 129 Cf. str. 6.7.57.2 9 ξ ", / &(« π « λ π /%&. &(« ’ Κ« '1 $0 µ 0.. 72 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Funktion der Bezugnahme In der Reihe griechischer Philosophen, die jeweils mit ihrem Lehrer genannt werden, befinden sich Kleanthes mit Zenon, Theophrast mit Aristoteles, Metrodor mit Epikur sowie Platon mit Sokrates. Clemens bekundet, dass er auch bei Pythagoras, Thales und den ersten Weisen die Frage nach deren Lehrer stellen werde, ebenso bei den Ägyptern, Indern, Babyloniern und den Magiern. Seine Frage führt Clemens über die erste Generation der Menschen und über die Engel hinaus (str. 6.7.58.1–2) zu Gott, der „von Anfang an seit dem Beginn der Erschaffung der Welt ‚vielfältig und auf vielerlei Weise‘ (Hebr 1,1) erzogen“ (%%!) habe und „zur Vollendung“ führe (.1).130 Aus diesem Grund, so konstatiert Clemens, sei zu Recht (in Anspielung auf Mt 23,8–10) gesagt: „Nennt niemand auf Erden euren Lehrer.“131 An seine Leser adressiert er das folgende Fazit: „Du siehst, woher die wahre Philosophie ihre Grundlagen hat.“132 Zusammenfassung Die Textzeugnisse aus dem Protrepticus und den Stromateis zeigen, dass die Haltung des Clemens zu Thales nicht als eindeutig negativ, sondern vielmehr als ambivalent zu bestimmen ist. Zum einen wird Thales besonders wegen seiner Prinzipienannahme des Wassers mit anderen zum Gegenstand des Spotts und der Kritik, zum anderen wird er als einer der Sieben Weisen vorgestellt und mit einem gewissen Respekt behandelt. Seine Spruchweisheiten werden in der Nähe zur und Abhängigkeit von der jüdisch-christlichen Weisheit betrachtet. Die folgenden Beobachtungen sollen zusammenfassend das mehrschichtige Thales-Bild bei Clemens veranschaulichen. (1) Thales wird bei Clemens als einer der Sieben Weisen (Th 199, 205) und in seiner philosophiegeschichtlichen Bedeutung als Begründer der Ionischen Schule (Th 202) vorgestellt. Die Vorhersage der Sonnenfinsternis erwähnt Clemens nur im Zusammenhang eines chronologischen Vergleichs (Th 203, 205) zwischen griechischer Philosophie und hebräischer Weisheit. Im Rahmen dieses ‚Altersbeweises‘ zeigt Clemens, dass Thales als der älteste der griechischen Weisen jünger als einige aus dem Kreis der zwölf Propheten sei. (2) Auf die Annahme des Wassers als Prinzip kommt Clemens mehrmals zu sprechen (Th 197, 198, 206). 130 131 132 Str. 6.7.58.2 χ ξ Ν( / %;« *.)« „%.%(« λ %. «“ %%! λ .1. Str. 6.7.58.2 Ρ 9(« Fα „κ F% 41« 0. /%λ )« )«.“ Str. 6.7.58.2 ²) »« ²% D8 « .*« π φ.φ! π $.&«. Clemens von Alexandrien (Th 197–208) 73 (a) In den betreffenden Textpassagen wird Thales (Th 197, 198) an der Seite weiterer frühgriechischer Philosophen mit der Angabe ihrer jeweiligen Prinzipienannahmen genannt. Dabei benutzt Clemens vornehmlich doxographische Informationen, die er jedoch in überlegter Weise und als Bekräftigung seiner Argumentation präsentiert. (b) Im Zusammenhang mit der Zuschreibung der Wasserthese wird Thales in leicht spöttischer und polemischer Weise teils implizit (Th 197 und Kontext), teils explizit (Th 198) der Vorwurf gemacht, das Element Wasser gottgleich zu verehren. Auf dieser Annahme beruht auch der Vorwurf der Gottlosigkeit (Th 197 und Kontext). (c) Im Rahmen der epistemologischen Diskussion (Th 206) bestreitet Clemens, dass Thales überhaupt eine Erkenntnis des ersten Prinzips gehabt haben könne. (3) Der auf literarische Quellen gestützten phönizischen Herkunft des Thales (Th 202, 204) kommt bei Clemens zum ersten Mal in der griechischen apologetischen Literatur eine wichtige argumentative Funktion zu (cf. dazu später Eusebius Th 262 und Theodoret Th 327). Clemens versucht durch diesen ausdrücklichen Hinweis die Aufmerksamkeit auf die nichtgriechischen Ursprünge der griechischen Philosophie zu lenken. In diesem Zusammenhang weist er auch darauf hin, dass für Thales kein (griechischer) Lehrer bezeugt werde (Th 202). Dieser schlichte Hinweis erhält seine argumentative Funktion im Zusammenhang mit der referierten Zusammenkunft des Thales mit den ägyptischen Priestern (Th 202, 204). (4) Im Zusammenhang mit der Darstellung des Thales als eines Weisen (Th 199, 202, 204), der sich durch seine Spruchweisheiten auszeichnet, ist zu bemerken, dass Clemens diese Spruchweisheiten (Th 200, 201, 207) allgemein in ihrer rätselhaften Art (Th 199) mit der hebräischen Weisheit vergleicht. Im fünften Buch (Th 207) versucht er zu zeigen, dass Thales in seinen (theologischen) Spruchweisheiten Ähnliches aussage wie die jüdisch-christliche Weisheit. Literatur Bowen, A. C., Eudemos’ History of Early Greek Astronomy. Two Hypotheses, in: Bodnar, I., Fortenbaugh, W. W. (Hrsg.), Eudemos of Rhodes, New Brunswick/London 2002, 307–322. Brague, R., Die Weisheit der Welt, München 2006. Camelot, P. T., Mondésert, C., Clément d’Alexandrie. Stromate II, SC 38, Paris 1954. Courcelle, P., Connais-toi toi-même. De Socrate à Saint Bernard, Paris 1974. De Jáuregui, M. H., The Protrepticus of Clement of Alexandria. A Commentary. Bologna 2008. Internetpublikation: http://amsdottorato.cib.unibo.it/1117/1/Tesi_Herrero_de_ Jauregui_Miguel.pdf (15. Jan. 2011). 74 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Descourtieux, P., Clément d’Alexandrie. Les Stromates. Stromate VI, SC 446, Paris 1999. Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Droge, A. J., Homer or Moses? 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Hippolytos von Rom (Th 209–215) 75 2.5 Hippolytos von Rom (Th 209–215) In der nur fragmentarisch erhaltenen Schrift ‚Widerlegung aller Häresien‘ (Refutatio omnium haeresium)133 des Hippolytos von Rom134 finden sich insgesamt sieben Zeugnisse über Thales (Th 209–215). Als einflussreicher Presbyter in Rom verfasste Hippolytos135 (etwa 160–235) neben exegetischhomiletischen, kirchenrechtlichen und chronographischen Schriften auch polemische, darunter die wahrscheinlich nach 222 verfasste Schrift.136 Von den ursprünglich zehn Büchern des antihäretischen Werkes, das gewisse Ähnlichkeiten mit der Schrift des Irenäus von Lyon (cf. Th 145) aufweist,137 sind nur die Bücher 1 und 4–10 erhalten. Vier Bezugnahmen auf Thales (Th 209–212) sind im ersten Buch, weitere drei (Th 213–215) in den Büchern 5, 9 und 10 enthalten. Während das erste Buch eine Art Summe der griechischen Philosophie gibt und Buch 4 der Astrologie und Magie gewidmet ist, enthalten die Bücher 5–9 eine Beschreibung von 33 ‚gnostischen Systemen‘. Das zehnte Buch bietet zuletzt neben einer Epitome der Philosophen (haer. 10.6–8) und der Häretiker (haer. 10.9–29) eine Zusammenfassung der ‚richtigen‘ christlichen Lehre (haer. 10.32–34). Hippolytos, Refutatio omnium haeresium Wichtig zum Verständnis des Werkes ist das Proömium, in dem sich Hippolytos über Absicht und Zweck seiner Schrift äußert: Er will zum einen die Gottlosigkeit der Häretiker in ihrer Denkart, ihrem Charakter und ihrer Handlungsweise aufzeigen ($« @« /%!=( λ ; λ % λ D), zum anderen die Quellen, aus denen sie ihre Erfindungen ( /%8&) schöpften.138 Die von ihm als ‚Häretiker‘ Bezeichneten139 seien „ohne Anlehnung an die Heilige Schrift 133 134 135 136 137 138 139 Cf. die Erläuterungen zum griechischen Titel >O % ¹( D.8« bei Marcovich (1986) 8–9. Cf. zu Hippolytos Suchla (1998) 296–299 und Scholten (1991) 492–551. Zu seiner Methode und seinen Quellen cf. die wertvolle Untersuchung von Mansfeld (1992) mit Besprechung weiterführender Literatur, Appendix I, 317–325, Osborne (1987), die sich besonders auf Empedokles und Heraklit konzentriert, und Mueller (1992). Zum Problem der Einheit des Autors cf. Scholten (1991) 501–504. Cf. Suchla (1998) 296–299, 298. Einen Vergleich zwischen Irenäus und Hippolytos im Hinblick auf ihr häresiologisches Interesse am gnostischen System bietet Koschorke (1975) 37–41. Cf. haer. pro. 1.8. Cf. z.B. haer. 1.26.4 ¹ ¹!. Cf. für weitere Belege den Index bei Marcovich (1986) 438. 76 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert und ohne Berufung auf einen Heiligen“ an den Entwurf ihrer Lehren gegangen. Ihre Lehren stammten vielmehr aus der Weisheit der Griechen, aus philosophischen Anschauungen, aus Mysterien und aus der Irrwege gehenden Astrologie.140 Aus den referierten Absichten ergibt sich auch der Aufbau des Werkes: Zuerst sollen die Lehren der griechischen Philosophen dargelegt und den Lesern bewiesen werden, dass diese Lehren „älter und dem Göttlichen würdiger sind“ (%. λ %µ« µ 1 ) als die der Häretiker. Hippolytos beabsichtigt, die einzelnen ‚Häresien‘ miteinander zu vergleichen (*.1) und zu sehen, wie sich ihre Stifter über die griechische Philosophie hermachten, deren Grundprinzipien (« $80«) für sich aufnahmen und aus diesen immer tiefer sinkend ihre Lehre zusammenschmiedeten.141 Kontext zu Th 209 Das Zeugnis Th 209, in dem Thales vor Pythagoras und Empedokles als Erster der Naturphilosophen (φ!) genannt wird, ist der erste Teil einer Inhaltsangabe des ersten Buches (pinax), die vor dem Proömium steht.142 Im Anschluss an eine Liste von Naturphilosophen von Thales bis zu Hippon folgt eine Aufzählung der „Ethiker“ und „Dialektiker“. Die Untersuchung beginnt mit Thales, dem der erste Paragraph gewidmet ist (cf. Th 210).143 140 141 142 143 Cf. haer. pro. 1.8 6I σ, Ω« φ0« F%, $« @« /%!=( λ ; λ % λ D, Ρ /%8& 1« , λ Ρ ξ /= 4!( φ .*« " /%8!, Q « 4! 8κ φ.0=« /%λ " —, $..’ D 1« =' !κ" $8κ ξ / )« >E..&( φ!« .*, / 0( φ.φ( λ !( /%8( λ $.( q*(α Cf. haer. pro. 1.8–9 1 σ % /« = 1« >E..&( φ.φ« /%1= 1« /80 ` ( %. λ %µ« µ 1 , D% *.1 40 o 40) ( !*" ³« « 1« /%8& /%*.« ² %(&« )« ¹(« /%. [.*«] « $8« λ / ( /%λ 8! ²λ« !µ" &. Cf. dazu Diels (1879) 144–156, Mansfeld (1992) bes. 1–56 und Osborne (1987) 187–211 sowie von Kienle (1961) 24. Cf. zur Liste der Sukzessionen Mueller (1992) 4357–4374, von Kienle (1961) 21–22 und grundlegend Mansfeld (1992) 1–56. Auf Thales folgen Pythagoras, Empedokles und Heraklit. Die folgende Darlegung wird mit den beiden Milesiern, Anaximander als Schüler des Thales und Anaximenes, über Anaxagoras bis zu Archelaos fortgesetzt. Die Epoche der Naturphilosophie reiche von Thales bis zu Archelaos, dessen Schüler Sokrates gewesen sei. Bevor jedoch (in haer 1.17ff.) die Rede auf Sokrates und Platon kommt, werden noch in Kürze Parmenides, Leukipp, Demokrit, Xenopha- Hippolytos von Rom (Th 209–215) 77 Th 209 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium 1. pinax 3 (ed. Marcovich) Rλ ξ σ L.)«, P«, #E%.)«, >H0.«, #A=!«, #A=«, #A=«, #A8.«, P!«, %%«, «, mφ0«, 5Eφ«, 6I%%(. Th 209 Hippolytos, Widerlegung aller Häresien 1. pinax 3 Naturphilosophen sind nun Thales, Pythagoras, Empedokles, Heraklit, Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Archelaos, Parmenides, Leukipp, Demokrit, Xenophanes, Ekphantos, Hippon. Attribut Naturphilosoph * Kontext zu Th 210 Die Untersuchung nimmt ihren Ausgang von der Frage (haer. pro. 1.11), wer bei den Griechen zuerst Naturphilosophie gelehrt habe (!« ¹ % ’ 6E.. % φ.φ! φκ /%!=«). Hippolytos vertritt die These, dass die Sektengründer (¹ ¹( %(&«) ihre Lehren von den Naturphilosophen gestohlen hätten (.?!.).144 Diese These versucht er durch den gegenseitigen Vergleich zu beweisen (/ 9 ) %µ« $..&.« *.9 ) /%!=). Indem er jedem „sein geistiges Eigentum“ ( F) zuteile, sollen die Häresiarchen (@« ¹08«) in 144 nes aus Kolophon, Ekphantos aus Syrakus und Hippo aus Rhegion genannt. Auf Sokrates und Platon (18–19) folgen Aristoteles (20), die Stoiker (21), Epikur (22), die Schule der Akademie bzw. die Pyrrhonischen Philosophen (23), darauf die indischen Brahmanen (24) und die Druiden bei den Kelten (25), die angeblich unter dem Einfluss der pythagoreischen Philosophie stehen. Auch Hesiod (26) wird zuletzt angeführt. Das erste Buch schließt mit der Bemerkung, dass sich alle diese Männer zwar über Natur und Entstehung des Alls geäußert hätten, jedoch keiner bis zum wahren Gott aufgestiegen sei. Die genannten Philosophen hätten sich zwar damit beschäftigt, das Wesen der gewordenen Dinge zu untersuchen und hätten dabei über „die Größe der Schöpfung“ (haer. 1.26) gestaunt. Sie werden jedoch dafür kritisiert, dass sie diese selbst für die Gottheit hielten, „wobei der eine diesen, der andere jenen Teil der Schöpfung höher einschätzte; ihren Gott und Schöpfer erkannten sie nicht“, haer. 1.26 mit Anspielung auf Röm 1,25. Cf. zu diesem von Hippolytos geprägten Neologismus Lampe, 756, s. v. .?!.«, stealing arguments, plagiaristic sowie Marcovich (1986) 35–38. 78 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert ihrer schamlosen Nacktheit dargestellt werden (@« λ $8&« %&).145 Th 210 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium 1.1 L.) µ M.&, U 4% φ , % /%8 φ.φ! φ&. ^« Dφ $8κ " %µ« ρ λ .« µ J(α / " %0 ! % λ %0. ,146 /%φ! ) %0. $φ’ ^ λ @« λ %0( !"φ« λ Ν( &« !!". λ %0 φ! λ q1, 9 ) " %; $8" )« (« φ φ. µ ξ "’ ρ, µ & $8κ & .κ D8. ^« %λ µ Ν( . λ κ '& $8.λ« 6E.. « )« &(« F« % « !. χ« $%*.%( %µ« µ µ λ Ν( /%. « 1 .(, 9« φ /%α χ /. 0 « %λ« L) » Κ Dφα / ) %« 9, / %λ ρ. / ξ K1. Th 210 Hippolytos, Widerlegung aller Häresien 1.1 Man sagt, dass Thales aus Milet, einer der Sieben Weisen, sich als Erster mit Naturphilosophie befasst habe. Er behauptete, Ursprung und Ziel des Alls sei das Wasser; denn aus ihm [dem Wasser] entstünden alle Dinge, indem es sich verfestige und indem es sich wieder verflüssige. Auch seien alle Dinge auf ihm platziert. Davon kämen die Erdbeben, die Zusammenballungen der Winde und die Bewegungen der Gestirne. Und alle Dinge bewegten sich und seien im Fluss in Übereinstimmung mit der Natur des ersten Urhebers ihres Werdens. Das aber, was weder Ursprung noch Ende habe, sei Gott (vgl. Th 207; Th 237 [Diog. Laert. 1.36]; Th 564 [321d]). Er (Thales) beschäftigte sich mit der Erklärung und der Erforschung der Gestirne und wurde so für die Griechen der Archeget dieser Disziplin. Er, der zum Himmel blickte und behauptete, die Dinge oben sorgsam zu erkennen, und dabei in einen Brunnen fiel. Da lachte ihn eine Magd mit Namen Thraitta aus und sagte: „Was am Himmel ist, begehrte er zu sehen, und sah nicht, was vor seinen Füßen ist.“ Er lebte zur Zeit des Kroisos. 145 146 Haer. pro. 1.11 $=0 ! /", !« ¹ % ’ 6E.. % φ.φ! φκ /%!=« – ( 0. .?!. ¹ ¹( %(&«, ³« % / 9 ) %µ« $..&.« *.9 ) /%!= –, 40) ( %=( F $%« @« λ $8&« @« ¹08« %&. !9« µ 81" ex. gr. supplevit Mansfeld (1985) 121. Hippolytos von Rom (Th 209–215) 79 Attribute Milet Einer der Sieben Weisen Erster Naturphilosoph Prinzip Wasser: Wasser als Anfang/Prinzip und Ziel Aggregatzustände: These der Verdichtung und Verflüssigung147 Alle Dinge sind auf dem Wasser Erklärung: (i) für Erdbeben, (ii) für die Zusammenballungen der Winde, (iii) für die Bewegungen der Gestirne Alle Dinge bewegen sich und fließen in Übereinstimmung mit der Natur des ersten Urhebers ihres Werdens Gott: Gott ist das, was weder Ursprung noch Ende hat Astronomie: Erklärung und Erforschung der Gestirne Astronom Brunnenfall-Variante: Magd mit Namen Thraitta Datierung (zur Zeit des Kroisos) Funktion der Bezugnahme Das erste Buch beginnt mit einem Referat zu Thales. Hippolytos macht keine Angaben, woher er die Informationen zu Thales bezieht.148 Seine Ausführungen sind an dieser Stelle sachlich und ohne erkennbare Polemik. Nach der Kennzeichnung des Thales als Mitglied der Sieben Weisen wird auf seine Rolle als Erster bei der Beschäftigung mit der Naturphilosophie hingewiesen. Darauf lassen sich in der Makrostruktur des Textzeugnisses zwei Abschnitte unterscheiden: Ein erster Abschnitt, in dem ausgehend und abhängig von ^« Dφ („dieser sagte, dass“) Thales bestimmte Aussagen zugeschrieben werden. Der sich anschließende zweite Abschnitt wird wiederum mit ^« eingeleitet. Darin geht es um die weitere Kennzeichnung des Thales als Astronom. Im 1. Abschnitt (^« Dφ – µ & $8κ & .κ D8) werden Thales folgende Aussagen zugeschrieben: (1) die Wasserthese in einer alternativen Formulierung (Ursprung und Ende (.«) sei das Wasser), die Explikation bzw. Begründung (0) dieser These durch den Zusatz (a) insofern alles aus Wasser bestehe und sich verdichte und wieder verflüssige, und die These, (b) dass sich alles auf ihm bewege (cf. Sim. ‚Erde ruht auf dem Wasser‘). 147 148 Cf. zur Textkritik Mansfeld (1985) 121. Cf. dazu Mansfeld (1992) 20–26 und Osborne (1987) 187–211. 80 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Darauf wird der Erklärungswert bzw. die Plausibilität dieser Hypothese ($φ’^) an drei empirischen Phänomenen veranschaulicht: (i) Erdbeben, (ii) den Zusammenballungen von Winden und (iii) den Bewegungen der Gestirne. Es folgt die Thales zugeschriebene These, (2) dass alles bewegt und im Fluss sei und in Übereinstimmung mit der Natur des ersten Urhebers (" %; $8") ihres Werdens von Nutzen sei (φ). Diese zweite These, die bereits den ‚Archegeten‘ thematisiert, leitet zur ausdrücklichen These über Gott über: Gott sei dasjenige, was weder Anfang noch Ende habe (µ ξ "’ ρ, µ & $8κ & .κ D8). Zum 2. Abschnitt (^« %λ µ Ν( . – / ξ K1.): Zuerst wird von Thales berichtet, dass er sich mit der Erklärung und der Erforschung der Gestirne149 beschäftigt habe und deswegen der „erste Urheber“ dieser Wissenschaft unter den Griechen geworden sei. Es folgt eine weitere Kennzeichnung seiner Person (Ρ«) als Astronom durch ein Kurzreferat mit der Anekdote vom Brunnenfall. Die Darlegung zu Thales schließt mit seiner Datierung in die Zeit des lydischen Königs Kroisos. Es hat den Anschein, dass Hippolytos an dieser Stelle beabsichtigt, seinen Bericht durch die weitgehend deskriptive Weise der Darstellung als möglichst glaubwürdig auszugeben. Schließlich setzt sein übergeordnetes Argumentationsziel im Folgenden – die Kritik an den Gnostikern – die von ihm gegebenen Angaben als Basis voraus. Betrachtet man die Stelle vor diesem Hintergrund, so erscheint die Präsentation und Einführung des Thales und der ihm zugeschriebenen Lehren an erster Stelle im ersten Buch erstaunlich positiv. Es geht Hippolytos an dieser Stelle nicht darum, Thales zu kritisieren. Es ist darauf hinzuweisen, dass seine Darstellung der Figur und ‚Lehre‘ des Thales insgesamt bereits mehr als diejenigen Aspekte umfasst, auf die er sich später bei seiner Kritik an den Gnostikern (in Buch 5, Th 213, und Buch 9, Th 214) beziehen wird. Auffällig an der Bezugnahme auf den Brunnenfall des Thales ist, dass Hippolytos (gegenüber Platon Th 19) nicht von einer thrakischen Magd, sondern von einer „Magd mit dem Namen Thraitta“, d.h. mit dem Namen ‚die Thrakerin‘,150 berichtet. Die Herkunftsbezeichnung der Magd wird somit zu ihrem Eigennamen.151 Dass Hippolytos die Anekdote überhaupt anführt, liegt sicherlich nicht nur an den ihm zur Verfügung stehenden Quel149 150 151 Mit .« könnte hier auch spezifischer die „Verhältnisbestimmung“ gemeint sein. Cf. LSJ s. v. L) », π, Att. L) », esp. as Subst., Thracian slave-girl. Blumenberg (1987) ist der Meinung, dass das entsprechende Attribut bei Platon „offenkundig […] missverstanden wurde.“ Hippolytos von Rom (Th 209–215) 81 len. Es ist durchaus plausibel, dass die Bezugnahme auf den Brunnenfall des ersten Naturphilosophen auch mit Hippolytos’ grundlegendem Vorwurf gegenüber den Gnostikern zusammenhängt, dass deren Grundgedanken unter anderem auf die griechische Philosophie und Astronomie zurückzuführen seien.152 Die Aussage über Gott, die Hippolytos Thales zuschreibt (cf. dazu auch den Kommentar zu Th 207 = Clem. str. 5.14.96.4; cf. auch Diogenes Laertius 1.36 = Th 237) ist ebenso bemerkenswert. Was bei Clemens und Diogenes Laertius als Spruchweisheit des Thales auf die Frage ! (mit / bei Clemens) µ 1; („Was ist das Göttliche?“) präsentiert wird, erscheint bei Hippolytos als eine definitionsgleiche These (µ ξ "’ ρ, µ & $8κ & .κ D8). Die Aussage scheint ganz klar: Gott ist dasjenige, was keinen Ursprung und kein Ende hat. Doch bei näherer Betrachtung ist nicht eindeutig, ob Hippolytos mit dieser Aussage auf das zuvor genannte Wasser anspielt, das er als Ursprung und Ziel des Alls ($8κ " %µ« ρ λ .« µ J() vorgestellt hat. So vertritt z.B. Mueller die durch „perhaps“ gemilderte These: „Thales’ water is characterized as the beginning and end of the universe, perhaps to insure its identification with god, who is said to be what has neither beginning nor end, a statement commonly ascribed to Thales.“153 * Th 211 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium 1.5.1–6.1 #A..’ /%λ . π 8.κ %..! ¹ % φλ /= )« , Ν.. Ν..(« %λ φ(« " %µ« , [λ] 1 π1 κ $%µ P /« φ.φ! 8κ $1 /%λ = 1« L.), λ " /=%« /.1 /%! κ κ λ !κ" .κ φ.φ!, W f= (0« ξ )«, #A.« ξ .)«. [1.6.1] L." ! #A=!« ! $&«. 152 153 Cf. dazu in pointierter Weise Blumenberg (1987) 52: „Für Hippolytos stehen Himmelsbeobachtung und Sturz in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vorwurf, die von ihm bekämpfte gnostische Mythologie sei aus der Philosophie und vor allem der Astronomie der Griechen hervorgegangen. Die gnostischen Spekulationen sind nun das Äquivalent des Fernliegenden: Vernachlässigung der Heilssorge infolge übersteigerter Wissensbedürfnisse.“ Mueller (1992) 4322 mit Verweis auf D. L. 1.36 = Th 237. 82 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Th 211 Hippolytos, Widerlegung aller Häresien 1.5.1–6.1 Doch da die Schule insgesamt nicht klein war, sind auch viele der späteren Naturphilosophen aus ihr hervorgegangen, andere, die auf andere Weise über die Natur des Alls berichteten, und es scheint uns die von Pythagoras dargelegte Philosophie in Reihen hinunterzugehen bis154 zu den Meinungen derer nach Thales, und weil sie dieses aussprachen, kamen sie sowohl zur ethischen als auch logischen Philosophie; während Sokrates mit der ethischen Philosophie anfing, eröffnete Aristoteles die dialektische. Anaximander war wiederum Schüler des Thales.155 * Th 212 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium 1.10.1 >H ξ σ φκ φ.φ! $%µ L0.« U(« #A8.0 α ! (0« $&«. Th 212 Hippolytos, Widerlegung aller Häresien 1.10.1 Die Naturphilosophie reichte von Thales bis Archelaos [Schüler des Anaxagoras]; dessen Schüler war Sokrates. Attribute Naturphilosoph Lehrer des Anaximander Funktion der Bezugnahmen Zeugnis Th 211 markiert den Übergang von dem in haer. 1.4 behandelten Heraklit (in der Tradition des Pythagoras) zu den in haer. 1.6–9 referierten „Ansichten der auf Thales folgenden Denker“: Anaximander (haer. 1.6) als Hörer des Thales (L." ! #A=!« ! $&«), Anaximenes (haer. 1.7), Anaxagoras (haer. 1.8) und Archelaos (haer. 1.9). Diese Reihe von Naturphilosophen endet in haer. 1.10 (= Th 212) mit Archelaos (>H ξ σ φκ φ.φ! $%µ L0.« U(« #A8.0 ), dessen Schüler bzw. Hörer Sokrates war ( ! (0« $&«). * 154 155 Cf. zur Bedeutung von $1 /%! Mansfeld (1992) 14–18. Eine nützliche Auflistung verschiedener Übersetzungen findet sich ebd. 16 Anm. 66. Übersetzung Schwab. Hippolytos von Rom (Th 209–215) 83 Kontext zu Th 213 Das fünfte Buch enthält detaillierte Darstellungen zu vier gnostischen Sekten: den Naassenern, den Peratai oder Peratikoi, den Sethianern, und einem ansonsten unbekannten Justin, der die einzige Quelle für alle vier darstellt.156 Mueller bemerkt: „In all of these sects the snake of the garden of Eden had a significant place because of its association with the knowledge of good and evil, but […] the important part of their doctrines, as depicted by Hippolytus, is an elaborate cosmogonical theory based on an allegorical reading of the bible and focusing on the notion of the world as a fallen place and on the need for humans to be redeemed and restored.“157 Die Naassener, so Hippolytos, sollen sich „selbst Gnostiker genannt haben“ (haer. 5.1). Ihre Lehre sei dieselbe wie die der griechischen Philosophen und der Lehrer der Geheimwissenschaften – diese legten die Naassener schließlich ihrer Häresie zugrunde. Das Zeugnis Th 213 steht im Kontext des Referates zu der gnostischen Richtung158 der „Naassener“ bzw. der „Ophiten“.159 Diese haben ihren Namen laut Hippolytos von der ausschließlichen Verehrung des Naas. Naas bedeute „die Schlange“ (0« / ² `φ«), nach der alle Tempel (0) unter dem Himmel ihren Namen hätten.160 Dem Naas allein sei jedes Heiligtum, jegliche Weihe und jegliches Geheimnis geweiht. Hippolytos berichtet von einer Nähe der Anhänger zu den Mysterien der Großen Mutter und kritisiert die von ihnen vorgeschriebene Enthaltsamkeit.161 Th 213 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium 5.9.13 Eρ ξ µ `φ . ^ κ !, 0% λ L.)« !Dφ" ² M.&«, λ ξ `( Ρ.(«, $0( ν , [ ] /?8( ν $?8(, 8(λ« ". 156 157 158 159 160 161 Cf. Mueller (1992) 4320. Mueller (1992) 4320. Cf. zur Gnosis den Kommentar zu Irenäus Th 145 mit weiterführender Literatur. Cf. zu den Naassenern Bruns (1998) 447 und den Art. „Naassener“ von J. Holzhausen, DNP, Bd. 8, 655–656. Der Name beruht auf hebräisch > t n na. haš, „Schlange“. Cf. für weiterführende Literatur Förster (1968) 21–33, Bergman (1977) 87–92 sowie die Kritik von Mueller (1992) 4321 Anm. 31 an Bergman. Haer. 5.9.11–12 T ξ Ν.. ν µ 0« ^, N!"λ .. 0« / ² `φ«α Cf. haer. 5.9. 84 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Th 213 Hippolytos, Widerlegung aller Häresien 5.9.13 Sie [die Naassener / Gnostiker] sagen, die Schlange sei die feuchte Wesenheit, wie es auch Thales aus Milet sagte, und ohne ihn [den Naas] könne überhaupt nichts von dem Seienden bestehen, weder von den Unsterblichen noch von den Sterblichen, von den Beseelten oder Unbeseelten.162 Attribute Prinzip Wasser: Gleichsetzung der ‚feuchten Wesenheit‘ mit Naas Milet Funktion der Bezugnahme Die Pointe – zumindest im Hinblick auf Thales – liegt in folgender Äußerung: „Die Naassener (^) sagen, dass die Schlange (µ `φ) die feuchte Wesenheit (κ !) sei, wie es auch Thales aus Milet (0% λ L.)«) sagte.“ Auf diese Aussage folgt der Zusatz, dass ohne den Naas (8(λ« ") überhaupt nichts von dem Seienden bestehen könne, weder von den Unsterblichen noch von den Sterblichen, von den Beseelten oder Unbeseelten.163 Interessanterweise findet sich außer dieser namentlichen Bezugnahme auf Thales keine weitere Äußerung, die expressis verbis auf die angebliche gedankliche Aneignung der thaletischen Einsicht durch die Naassener hinweisen würde.164 Vergleicht man diese Bezugnahme auf Thales mit dem zu Beginn von Buch 1 gegebenen Referat zu Thales, so ist Folgendes leicht zu bemerken: Unter Annahme der Diebstahlhypothese des Hippolytos zeigt sich für den mit dem ersten Buch vertrauten Leser, dass die Naassener also lediglich ein zentrales Element aus der ‚Lehre‘ des Thales zu übernehmen scheinen. Wichtig ist der Gedanke der Absolutsetzung eines Prinzips sowie die Feststellung, dass schon viele hundert Jahre vor den Naassenern Thales diesen Gedanken gelehrt haben soll. Thales und seine Wasserthese dienen an dieser Stelle als Vehikel, um die Naassener zu diskreditieren. * 162 163 164 „Ophiten [zu griech. óphis = Schlange] (Naassener), Sammelbez. für die Anhänger einer in unterschiedl. Gruppen im Orient vertretenen Richtung der Gnosis. In ihren Systemen, die Gedankengut aus griech. Mysterien, oriental. Kultmythen, hellenist. Theologie und AT enthielten, hatte die Schlange sowohl als Vermittlerin der Erkenntnis […] als auch als Bringerin des Verderbens eine zentrale Stellung.“ Brunner/Flessel/Hiller (1993) 69. Mansfeld (1992) 46 Anm. 8 meint die „carefully arranged pairs of opposites suggest hymnic religious language, not doxographic prose“. Cf. dazu auch Mansfeld (1992) 47: „Yet the learned reference remains surprisingly unexploited: no explicit accusation of thieving practices!“ Hippolytos von Rom (Th 209–215) 85 Kontext zu Th 214 Das neunte Buch handelt unter anderem von der „gotteslästerlichen Torheit des Noëtus“ aus Smyrna, der vielmehr den „Lehren des Heraklit“ als der Lehre Christi angehangen haben soll.165 In haer. 9.13 und haer. 9.15–17 geht es um die Lehren eines Buches, das dem Elchasai (aus Serri) offenbart wurde. Nach der lebhaften Schilderung des Hippolytos soll dieses Buch des Elchasai mitsamt seinen Lehren durch Alkibiades (aus Apameia in Syrien) in Rom eingeführt worden sein (haer. 9.13).166 Die „großen und verborgenen Geheimnisse“ ( 0. λ $% &) dieses Buches, so Hippolytos, sollen auf den Rat des Alkibiades hin „wie kostbare Perlen“ (³« %..1« !«) behütet werden (haer. 9.17).167 Der geheime und elitäre Charakter dieser Gruppe um Alkibiades wird durch die referierte Aussage unterstrichen: „Dieses Buch leset nicht allen Menschen vor, und diese Lehren hütet wohl, weil nicht alle Männer gläubig sind und nicht alle Frauen rechtschaffen“ (haer. 9.17).168 Die folgende Argumentation des Hippolytos, in der er sich zum einen auf die ägyptischen Weisen, zum anderen auf Pythagoras, Thales, Solon, Platon und die übrigen griechischen Weisen bezieht, versucht durch einen hypothetischen Vergleich die Anmaßung des Alkibiades zu veranschaulichen. Zuerst vertritt Hippolytos die These, dass weder die ägyptischen Weisen 165 166 167 168 In der Reihe auf Noëtus folgen Epigonus, der nach Rom kam, und dessen Schüler Kleomenes mit seiner einflussreichen Schule in Rom (haer. 9.7ff.). Cf. zu Elchasai mit weiterführender Literatur Schmidt (1998) 187–188: „Elchasai war das Haupt der Elchasaiten, einer judenchr.-gnostischen Sekte, die sich vom 3. bis zum 10. Jh. nachweisen lässt. E. verfasste die ihm geoffenbarte Schrift vermutlich 101 im südlichen Ostjordanland als Apokalypse oder Geheimlehre für die judenchr.synkretistische Gruppe der *! (Gebadete). Der Inhalt der verlorenen griech. Übersetzung des aramäischen Originals kann mittels Exzerpten des Hippolyt (haer. 9,13.15.16.17) und Berichten des Epiphanios (haer. 19; 30) rekonstruiert werden und bietet eine Mischung aus jüd., chr., heidnisch-naturalistischen, gnostischen, astrologischen und magischen Elementen: u.a. zweite Taufe und wiederholte Taufbäder zur Dämonenabwehr; Verwerfung der Opfer; Anrufung der Elemente; Astrologie; Gebet nach Jerusalem; Sabbat; Beschneidung; Gericht; Engellehre; Verwerfung einiger Perikopen des AT und NT (Paulinische Briefe).“ Cf. haer. 9.17 T" ! () (0). ()λ $% & Ν. π« %1 ν 9« %..@« %()!, *. ³« %..1« !« φ.0 […]. Haer. 9.17 […] J( .(α „" ξ µ . κ $; %» $;%«, λ « « /.« φ.0= /%. «, Ρ %0« Ν« %λ ξ %» 1« \!“. 86 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert (A9%!( φ!) noch der Weise Pythagoras von den Griechen (² φµ« >E..&( P«) zu derartigen Mysterien vorgeschritten seien.169 Darauf folgt der hypothetische Vergleich (9 0): Angenommen, in der Zeit der ägyptischen Weisen und des Pythagoras wäre bereits Elchasai aufgetreten, so hätten Pythagoras,170 Thales, Solon171 oder der weise Platon und die übrigen griechischen Weisen, die nach Alkibiades eine derartig große Weisheit besitzen (D8« κ λ φ! % #A.*09 ), doch keine Veranlassung gesehen, als Schüler zu den ägyptischen Priestern zu gehen. Th 214 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium 9.17.2–3 T" ξ ! &" ξ A9%!( φλ / $« /8;, ξ ² φµ« >E..&( P« /8;, !χ« " #H.8η %« fα" 9 !) `" 8& ’ /1 " !²" #H.8u, !« $0 P ν L.) ν .( ν µ φµ P.0( ν λ @« .%@« >E..&( φ@« A9%!( ¹", D8« κ λ φ! % #A.*09 , (0) ( 41 " & #H.8u; [3] [ψ] ) Th 214 Hippolytos, Widerlegung aller Häresien 9.17.2–3 Solche Mysterien haben nicht einmal die ägyptischen Weisen in ihren Tempeln, noch der Weise der Griechen, Pythagoras, erfasst, der früher als Elchasai172 lebte. Wenn nämlich in der Tat zu jener Zeit Elchasai aufgetreten wäre, welche Notwendigkeit hätte bestanden, dass Pythagoras oder Thales oder Solon oder der weise Platon oder die übrigen Weisen der Griechen Schüler der ägyptischen Priester werden, die nach Alkibiades, dem erstaunlichen Ausleger des unglücklichen Elchasai, eine derartig große Weisheit besitzen? Attribute Weiser Ägyptischer Einfluss: Thales als Schüler der Priester 169 170 171 172 Cf. haer. 9.17. Zu Pythagoras und Platon cf. haer. 6.21ff. Zu Solon cf. haer. 6.22. Cf. haer. 9.13. Hippolytos von Rom (Th 209–215) 87 Funktion der Bezugnahme Der hypothetische Vergleich zeigt, dass Hippolytos eine Lehrer-Schüler-Beziehung zwischen den griechischen Weisen wie Pythagoras, Thales, Solon, Platon sowie anderen griechischen Weisen und den ägyptischen Priestern voraussetzt.173 An dieser Stelle wird Pythagoras, anders als in Th 209, vor Thales genannt. Mansfeld bemerkt zu Recht, dass im Thalesreferat des ersten Buches (Th 211) nicht auf die Verbindung des Thales mit Ägypten eingegangen wird.174 Diese Tatsache könnte damit zusammenhängen, dass Hippolytos, wie wir annehmen dürfen, durchaus mehr weiß oder über mehr Hintergrundinformationen verfügt, als er in seiner Darstellung zu Thales an entsprechender Stelle mitteilt. Die Bezugnahmen auf Thales in Th 213 und Th 214 sind im Vergleich zu denen auf Heraklit,175 Pythagoras oder Empedokles sicherlich von geringerer Bedeutung für die gesamte Argumentation des Hippolytos gegen die Gnostiker. Dennoch veranschaulichen sie exemplarisch das Interesse an dem ersten Vertreter der griechischen Naturphilosophie sowie dessen systematische Inanspruchnahme für argumentative Zwecke zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. im Rahmen des häresiologischen Diskurses. * Kontext zu Th 215 Das zehnte Buch besteht aus einer kurzen Zusammenfassung (/%&) „aller Philosophen“ (haer. 10.6–8) und „aller Häresien“ (haer. 10.9–29);176 abschließend legt Hippolytos dar (haer. 10.32–34), „welches die wahre Lehre“ (!« ² )« $.!« .«) sei.177 Zu Beginn konstatiert er, dass die griechischen Lehrer die Philosophie in drei Bereiche unterteilt hätten: Physik/Naturlehre, Ethik und Dialektik (haer. 10.6.4–6). Im Folgenden werden bestimmte Lehrmeinungen über die Natur, die das Entstehen und Vergehen der Dinge und des Universums (cf. Sext. Emp. adv. math. 10.310–318)178 betreffen, referiert. 173 174 175 176 177 178 Cf. dazu auch Clemens Th 202 und Th 204 sowie Sim. ‚ägyptischer Einfluss‘. Mansfeld (1992) 47. Zu Solon als einem Schüler der Ägypter äußert sich Hippolytos in haer. 6.22 in Anspielung auf Platons Timaios. Cf. zu Heraklit Mouraview (1992) 4375–4402. Haer. 10.2–3. Haer. 10.4. Cf. die Quellenangaben und den textkritischen Apparat bei Marcovich (1986) 380. 88 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Th 215 Hippolytos, Refutatio omnium haeresium 10.6.4 !#E=" $%! ξ σ λ 4µ« ;« κ Ρ.( & ¹ (=!α $8κ Ρ.( ’ « / π Ν%« J. λ ’ Ρ.( %!"&, *..« )« ! %", $&, J(, ). /= 4µ« ξ λ %" ) %0 . o %λ µ 6I%% λ #A=!179 λ L.) µ M.&. !W" 6I%%« ξ ² M%« λ >H0.« ² #Eφ« / %µ« $%φ& κ , #A=!«180 ξ /= $«, L.)« ξ /= J«, mφ0« ξ / )«. Th 215 Hippolytos, Widerlegung aller Häresien 10.6.4 Aus einem unbestimmten und folglich auch einzigen Körper stellten die Stoiker die Entstehung der ganzen Dinge zusammen. Denn das Prinzip der ganzen Dinge ist nach ihnen die unbestimmte und durch die ganzen Dinge hindurch veränderliche Materie, und indem sie sich selbst wandelt, entstehen Feuer, Luft, Wasser und Erde. Die um Hippasos, Anaximander (sic!) und Thales aus Milet wollen hingegen, dass aus einem einzigen, und sogar bestimmten Körper die ganzen Dinge entstanden seien. Von ihnen erklären Hippasos aus Metapont und Heraklit aus Ephesos die Entstehung (der ganzen Dinge) aus dem Feuer, Anaximander (sic!) hingegen aus der Luft, Thales aus dem Wasser und Xenophanes aus der Erde.181 Attribute Milet Prinzip Wasser Funktion der Bezugnahme Die Bezugnahme auf Thales ist Bestandteil einer größeren Dihairese, die fast wörtlich mit einer Textpassage bei Sext. Emp. (adv. math. 10.310–318) übereinstimmt.182 Hippolytos referiert, dass „diejenigen um“ (o %!) Hippasos, Anaximander (sic!) und Thales im Gegensatz zu den zuvor ge179 180 181 182 #A=! haben sowohl P (Codex Parisinus, der als einziger die Bücher 4–10 enthält) als auch die Mss. zu Sextus Empiricus. #A=!« sowohl in P als auch in den Mss. zu Sextus Empiricus. Übersetzung Schwab. Für einen Vergleich des Textes mit dem des Sextus Empiricus adv. math. 10.312–318 cf. den textkritischen Apparat bei Marcovich (1986) 381. Mansfeld (1992) 45 Anm. 5 bemerkt zu Recht, „that the summary of Greek philosophy in Ref. X does not derive from Ref. I but from an independent source, viz. Sextus or – less likely – a Skeptical source common to Sextus and Hippolytus.“ Cf. dazu auch ebd. 56 und Appendix 1, 318. Hippolytos von Rom (Th 209–215) 89 nannten Stoikern die These vertreten hätten, dass alles aus einem einzigen bestimmten Stoff (/= 4µ« ξ λ %"), bei Thales aus Wasser (/= J«), entstanden sei. Der unbestimmten Materie der Stoiker wird das bestimmte, doch ebenfalls stoffliche Prinzip der Naturphilosophen gegenübergestellt. Es ist festzustellen, dass diese spezifische Gegenüberstellung nicht weiter kommentiert wird.183 Die Einschätzung, die Hippolytos auf das gesamte Referat (haer. 10.8) folgen lässt, artikuliert jedoch eine klare Haltung. Hippolytos stellt fest, dass keiner der Philosophen zum wahren Gott aufgestiegen sei, weil sie sich vielmehr damit beschäftigten, das Wesen der gewordenen Dinge zu untersuchen und voll Staunen über die Größe der Schöpfung diese selbst für die Gottheit hielten. Dabei habe der eine diesen, der andere jenen Teil der Schöpfung höher eingeschätzt. Für das ganze Verständnis der Argumentation des Hippolytos sind zuletzt die zwei folgenden Thesen hervorzuheben, mit denen er seinen Ausblick auf die Philosophen beschließt: (1) Die Philosophen erkannten ihren Gott und Schöpfer nicht;184 (2) von den Ansichten der Philosophen gingen die Häretiker aus.185 Zusammenfassung Wie bereits der Titel seines Werkes ,Widerlegung aller Häresien‘ anzeigt, stehen die sieben Bezugnahmen auf Thales im häresiologischen Diskurs gegen die Gnostiker. Dennoch ist es sinnvoll, zwischen (1) den kurzen Erwähnungen des Thales im Rahmen von Aufzählungen (Th 209, 211, 212, 215), (2) dem an Informationen reichen Referat zu Beginn des ersten Buches (Th 210) und (3) den beiden interessanten Zeugnissen des fünften (Th 213) und neunten Buches (Th 214) zu unterscheiden. (1) Die kurzen Erwähnungen (Th 209, 211, 212) sind Bestandteile von Aufzählungen, in denen Thales als erster Naturphilosoph und als Lehrer des Anaximander charakterisiert wird. Nur im zehnten Buch (Th 215), das sehr große Ähnlichkeiten mit Sextus Empiricus aufweist, wird im Zusammenhang einer großen Dihairese auf die Wasserthese des Thales angespielt. Im anschließenden Kontext dieser Bezugnahme gibt Hippolytos eine klare Bewertung der Philosophen, indem er behauptet, dass keiner von ihnen zum wahren Gott aufgestiegen sei. 183 184 185 Es ist wahrscheinlich, dass in der Wahl des Verbes . (wörtl: „sie wollen, dass“; Sext. Emp. hingegen $%.%) eine gewisse Abwertung den referierten Ansichten gegenüber zum Ausdruck kommt. Cf. dazu ähnlich Clemens Th 197 und Irenäus Th 145. Cf. dazu Irenäus Th 145. 90 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert (2) Das lange Referat über den Milesier (Th 210) hat für den Aufbau des Werkes von Hippolytos eine wichtige Funktion, indem es als Referenzpunkt für die Bezugnahmen auf Thales im fünften und neunten Buch dient. Einen Schwerpunkt des Referates bilden die astronomischen und kosmologischen Aspekte, die für Thales angeführt werden. In diesem Zusammenhang wird er als Weiser und Naturphilosoph bezeichnet. Aufgrund des fehlenden zweiten und dritten Buches können leider keine weiteren (möglichen) Bezüge zu diesen Mitteilungen aufgezeigt werden. (a) Wichtig ist die Formulierung, dass Thales das Wasser sowohl als Prinzip/Anfang als auch als Ziel des Alls angesehen habe (cf. Diogenes Laertius Th 237, Clemens Th 207). Das sehr umfassend skizzierte kosmologische sowie ontologische Verständnis des Wassers als Prinzip ist für den späteren Vergleich des thaletischen Prinzips mit dem Naas der Naassener im fünften Buch (Th 213) von Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird zum ersten Mal in der christlichen Tradition die Konzeption von Aggregatzuständen bei Thales (cf. Sim. ‚Aggregatzustände‘ und z.B. Nemesios Th 324) als Begründung seiner Wasserthese angeführt. (b) Besondere Bedeutung kommt der Thales zugeschriebenen ‚Definition‘ von Gott, der weder Anfang noch Ende haben soll, zu. Durch die (auch sprachliche) Nähe zur Definition des Wassers als Prinzip könnte damit signalisiert werden, dass Thales bereits das Wasser als Gott angenommen habe – diese Deutung ist jedoch nicht zwingend. Dem Referat des ersten Buches kommt insgesamt – ebenso wie den Referaten über andere frühgriechische Philosophen – auch die Funktion zu, die Leser mit der eigenen Gelehrsamkeit zu beeindrucken. (3) Von dem aus verschiedenen Quellen gespeisten Referat Th 210 unterscheiden sich die Zeugnisse Th 213 und Th 214 merklich. Bei seiner Bezugnahme auf Thales im fünften Buch (Th 213) spielt Hippolytos auf das Wasser als Prinzip an. Genau genommen ist von der „feuchten Wesenheit“ die Rede, die Hippolytos mit dem Naas der Naassener gleichsetzt. Damit versucht er die Naassener als ‚Häretiker‘ in ihrer Abhängigkeit von den griechischen Philosophie bloß zu stellen. Diese Bezugnahme hat in ihrer argumentativen Funktion große Ähnlichkeit mit dem Zeugnis des Irenäus (Th 145). Mit der Erwähnung des Thales im neunten Buch (Th 214) schließlich spielt Hippolytos auf den Ägyptenaufenthalt des Thales und weiterer griechischer Philosophen an (cf. Clemens Th 202, 204), um im Vergleich dazu die Weisheit des Elchasai zu relativieren. Festzuhalten ist, dass der Ägyptenaufenthalt für Thales im Referat des ersten Buches nicht erwähnt wird. Hippolytos von Rom (Th 209–215) 91 Literatur Bergman, J., Kleine Beiträge zum Naassenertraktat, in: Widengren, G. (Hrsg.), Proceedings of the International Colloquium on Gnosticism (Stockholm 1973), 1977, 74–100. Blumenberg, H., Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie, Frankfurt a. M. 1987. Brunner, H., Flessel, K., Hiller, F. (Hrsg.), Lexikon Alte Kulturen III (N-Zz), Mannheim/ Leipzig/Wien/Zürich 1993. Bruns, P., Art. Naassenerschrift, LACL, 1998, 447. Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. 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Tertullian zeichnet sich als christlicher, lateinischer Schriftsteller nicht zuletzt dadurch aus, dass er mit der griechischen Sprache vertraut ist und seine Schriften eine breite Kenntnis philosophischer Autoren und Positionen widerspiegeln.188 Tertullian, Ad nationes Die im Jahre 197 verfasste Schrift Ad nationes (,An die Heiden‘) besteht sowohl in einer Verteidigung der christlichen Religion als auch in einer Anklage der römischen sittlichen und religiösen Verkommenheit.189 Die beiden Bezugnahmen auf Thales (Th 216–217) stehen im zweiten Buch dieser Schrift. Darin führt Tertullian eine in philosophie- und religionsgeschichtlicher Hinsicht „bedeutsame Auseinandersetzung mit den antiken Denkern, Dichtern und staatlichen Kultdienern“.190 Die Schärfe der Kritik Tertullians zeigt sich bereits an seinen einleitenden Worten: „Jetzt wünscht unsere Verteidigungsschrift über eure Götter (de deis uestris), bedauernswerte Völker, in einen Kampf mit euch einzutreten; sie ruft geradewegs euer eigenes Bewusstsein auf, ein Gutachten abzugeben, ob wahrhaft Götter existieren (an uere dei), wie ihr euch in den Kopf setzt, oder nur fälschlich (an falso), wie ihr euch einzugestehen sträubt.“191 Zusammenfassend wendet sich Tertul186 187 188 189 190 191 Cf. Dihle (1989) 359, zu Tertullian 359–366. Cf. dazu Dihle (1989) 360–366. Cf. die Untersuchung von Steiner (1989) zu Tertullians Verhältnis zur griechischen Paideia sowie die umfangreiche Studie von Fredouille (1972). Cf. Schulz-Flügel (1998) 583. Haidenthaller (1942) 7. Das zweite Buch enthält wertvolles Quellenmaterial zur altrömischen Religion. Ad nat. 2.1.1 Nunc de deis uestris, miserandae nationes, congredi uo!bi"scum defensio nostra desiderat, prouocans ipsam conscientiam uestram !ad re"censendum, an uere dei, ut uultis, an falso, ut scire non uultis. Tertullian (Th 216–222) 93 lian „gegen (aduersus) die Einrichtungen der Vorfahren, das Ansehen des Eingebürgerten, die Gesetze der Herrschenden und die Darlegungen der Gescheiten; gegen die Berufung auf Alter, Gewohnheit und Zwang, gegen Beispiele, Zeichen und Wunder, was alles diese unechte Götterwelt befestigt hat“.192 Beim Aufbau des zweiten Buches orientiert er sich (ad nat. 2.1.8–11) an Varros libri rerum divinarum und setzt sich insofern (ad nat. 2.1.10) mit dessen dreifacher Unterscheidung bei der Klassifizierung der Götter auseinander:193 der ‚physischen Theologie‘, welche die Philosophen behandeln, der ‚mythischen‘, welche zwischen den Dichtern „hin und her gewälzt wird“ (uolutatur) und der ‚gentilen‘, die sich jedes Volk für sich (populi sibi) ausgewählt hat.194 Die Textzeugnisse über Thales befinden sich im ersten Abschnitt (ad nat. 2.2–6), in dem Tertullian die Elementar- und Gestirngottheiten der Naturphilosophen und Philosophen seiner Kritik unterzieht. Im Anschluss behandelt er in ad nat. 2.7 die Göttervorstellungen der Dichter, in ad nat. 2.8 die kultischen Einrichtungen einzelner Staaten und Städte. Kontext zu Th 216 Im zweiten Kapitel setzt sich Tertullian mit den Ansichten einiger griechischer Philosophen über die Götter auseinander. Er weist auf die Schwäche ihrer Weisheit (infirmitas sapientiae) hin, welche bereits die Vielfalt an Meinungen (uarietas opinionum) bezeuge (contestatur). Die Vielfalt an Meinungen komme von ihrer Unkenntnis der Wahrheit (ignorantia ueritatis ueniens). Tertullian stellt deshalb die nicht nur rhetorische Frage (ad nat. 2.2.2): „Doch wer kann sich als weise (sapiens) ausgeben, der ohne Anteil (expers) an der Wahrheit ist, der gerade den Vater und Herrn der Weisheit und Wahrheit, Gott, nicht kennt (ignoret)?“195 Tertullians Argumentation beruht auf der Überzeugung, dass der Anfang der Weisheit (initium sapien- 192 193 194 195 Ad nat. 2.1.7 Aduersus haec igitur nobis negotium est, aduersus institutiones maiorum, auctoritates receptorum, leges dominantium, argumentationes prudentium; aduersus uetustatem, consuetudinem, necessitatem; aduersus exempla, prodigia, miracula, quae omnia adulterinam istam diuinitatem [istam] corroborauerunt. Cf. dazu ad nat. 2.1.8.12–9.16 „[…] Der Abkürzung wegen habe ich mir die Werke Varros gewählt (elegi), der in seinen Büchern über die göttlichen Dinge aus allen Ausführungen der Vergangenheit schöpfte und sich als geeignetes Ziel darbot. (9) Wenn ich diesen frage, wer die Götter eingeführt hat, so bezeichnet er die Philosophen (aut philosophos), die Völker (aut populos) oder die Dichter (aut poetas).“ Cf. für die Unterscheidung ad nat. 2.1.10. Ad nat. 2.2.2 Quis autem sapiens, expers !ueri"tatis, qui ipsius sapientiae ac ueritatis patrem et dominum Deum ignoret? 94 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert tiae) in der Gottesfurcht (!metus" in Deum) liege. Diese Überzeugung bezieht er aus einem Spruch Salomons (Spr 9,10196 sowie Ps 111,10 „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang“). Die Furcht, so Tertullian, habe jedoch ihren Ursprung (timoris origo) im Wissen (notitia). Wie soll nun jemand das fürchten, was er gar nicht kennt? Tertullian behauptet, dass die Einsicht in die Gottesfurcht den griechischen Philosophen aus verschiedenen Gründen gefehlt habe.197 Er präsentiert in Kürze (ad nat. 2.2.8) zuerst Gottesvorstellungen bei den Platonikern, Epikureern und den Stoikern. Er konstatiert, dass diese Philosophen Gott weder kennen (neque nosse) noch fürchten (neque timere) und daher auch nicht verstehen (nec inde sapere) konnten, weil sie vom Anfang der Weisheit (ab initio sapientiae), d.h. von der Gottesfurcht (id est metu in Deum), abgewichen (exorbitantes) seien. Tertullian behauptet, dass es Zeugnisse dafür gebe (exstant testimonia), dass es unter den Philosophen sowohl Unwissen (tam ignoratae) als auch Zweifel (quam dubitatae) im Hinblick auf die Gottheit (diuinitatis) gegeben habe. Für diese Haltung des Zweifels und der Unwissenheit führt er drei Exempla an (ad nat. 2.2.10–12): den Kyniker Diogenes,198 den Milesier Thales und Sokrates.199 196 197 198 199 Ähnlich auch zu Beginn von Spr 1,7: „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis. Die Toren verachten Weisheit und Zucht.“ Nach Tertullian (ad nat. 2.2.4) hat der Gottesfürchtige, mag er auch allseits noch so unwissend sein, in Gott die Kenntnis und Wirklichkeit von allem erreicht. Er wird die vollständige und vollendete Weisheit gewinnen. In ad nat. 2.2.5 äußert sich Tertullian über die Neugierde (curiositatem) der Philosophie, jegliches Schrifttum einzusehen (inspiciendae). Dabei sollen die Philosophen auch auf die Heilige Schrift (diuinis quoque scripturis), die älter (antiquioribus) sei, gestoßen sein (incursasse) und daraus manches entnommen haben (dempsisse). Ad nat. 2.2.5 „Da sie jedoch anderes weglassen, geben sie zu erkennen, dass sie nicht alles sorgfältig durchschaut oder nicht allem geglaubt haben – schwankt doch auch sonst aus ängstlicher Genauigkeit (per scrupulositatem) die schlichte Wahrheit (ueritatis simplicitas) im Glauben (fide) – und dass sie somit das Vorgefundene unter Hinzutritt der Ruhmsucht (libidine gloriae) ihren eigenen Geistesschöpfungen (ad proprii ingenii opera) angepasst haben (mutasse).“ Cf. D. L. 6.39. Sokrates (ad nat. 2.2.12) soll sich „quasi gewiss“ (quasi certus) negativ über die Existenz „dieser Götter“ (istos deos) geäußert haben (negabat), obgleich er mit der gleichen Gewissheit (quasi certus) verlangt habe, dass dem Gott Asklepios ein Hahn geopfert werden solle. Tertullian (Th 216–222) 95 Th 216 Tertullian, Ad nationes 2.2.10–11 (ed. Borleffs CCL I, 43) Diogenes consultus, quid in caelis agatur, ‚numqu!am"‘, inquit, ‚ascendi‘. Item, an dei essent, ‚nescio‘, inquit, ‚nisi, ut sint, expedire‘. [11] Thales Milesius Croeso sciscitanti, quid de deis arbitraretur, pos!t ali"quot deliberandi commeatus, ‚nihil‘ renuntiauit. Th 216 Tertullian, An die Heiden 2.2.10–11200 Diogenes sagte auf die Frage, was im Himmel vor sich gehe: „Ich habe ihn niemals erstiegen.“ Ebenso sagte er auf die Frage, ob es Götter gebe: „Ich weiß nur, dass es förderlich ist, dass es sie gibt.“ Thales aus Milet antwortete nach einigem Überlegen dem Kroisos auf seine Frage, was er über die Götter glaube: „Nichts“.201 Attribute Milet Begegnung mit Kroisos Götter: Meinung des Thales: „nichts“ (cf. dazu Th 218, Th 219) Funktion der Bezugnahme Diogenes (ad nat. 2.2.10.5–7) antwortet auf die Fragen bezüglich des Himmels (quid in caelis agatur) und der Existenz der Götter (an dei essent), dass er zum einen niemals den Himmel erstiegen habe und zum anderen nur wisse, dass die Existenz von Göttern nützlich sei (ut sint, expedire). Thales (ad nat. 2.2.11.7–9) wird mit der Frage des lydischen Königs Kroisos konfrontiert, was er über die Götter glaube (quid de deis arbitraretur). Die Aussage über Thales’ lang überlegte Antwort lässt sich aufgrund der Mehrdeutigkeit des lateinischen Textes auf zwei verschiedene Arten lesen: Lesart 1: Thales gab keine Antwort auf die Frage (d.h. „Er antwortete dem Kroisos nichts.“); Lesart 2: Thales äußert, dass er über die Götter „nichts“ glaube oder annehme (d.h. „Er antwortete: ‚Nichts.‘“). Beide Lesarten sind sinnvoll und können als Belege für eine Haltung des Zweifels, der Unsicherheit oder auch der Unwissenheit in der Frage über die Götter gelten. Doch ist es aufgrund der Äußerung post aliquot deliberandi commeatus (nach einigem Überlegen) plausibel, dass Thales nicht einfach stumm blieb, sondern vielmehr „Nichts“ geantwortet habe (Lesart 2). Tertullian äußert im Anschluss an die drei Exempla (ad nat. 2.2.13) folgende kritische Überlegung: Wenn die Philosophie bereits bei der Bestim200 201 Cf. dazu Tibiletti (1967/8). Oder: „Er antwortete dem Kroisos nichts.“ 96 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert mung Gottes (definiendi de deo) eine derartige Unsicherheit/Ungewissheit (incerta) zeige, welche „Furcht“ könne sie dann noch vor demjenigen gehabt haben, den sie gar nicht zuverlässig (non liquido) habe bestimmen (determinare) können? Eine ähnliche Frage-Antwort-Situation wie die zwischen Thales und Kroisos findet sich, allerdings mit anderer ‚Rollenbesetzung‘ (Simonides – Hieron) sowohl bei Cicero (nat. deor. 1.22.60)202 als auch bei dem christlichen Autor Minucius Felix (Oct. 13.4):203 Während bei Cicero die Frage des Hieron an Simonides quid aut quale sit deus lautet, was und wie (beschaffen) Gott sei (im Singular), formuliert Minucius Felix mit dem gleichen Verb (arbitrari) wie Tertullian im Plural: quid et quales arbitraretur deos, d.h. was Simonides über die Natur (quid) und die Beschaffenheit (quales) der Götter denke (im Plural). Vergleicht man dazu die Fassung der Anekdote bei Tertullian, zeichnet sich diese – abgesehen von der anderen personellen Besetzung – durch eine größere Prägnanz aus. In einem weiteren Zeugnis über Thales im Apologeticum 19.1.4* (Th 218) erscheint dasselbe Frage-Antwort-Schema mit dem Paar Kroisos – Thales in leicht veränderter Form (nihil – nihil certum; cf. Kommentar zu Th 218).204 * Kontext zu Th 217 Diese Bezugnahme auf Thales im vierten Kapitel des zweiten Buches ist von besonderem Interesse für die Rezeptionsgeschichte der Anekdote vom 202 203 204 Nat. deor. 1.22.60 Roges me quid aut quale sit deus: auctore utar Simonide, de quo cum quaesivisset hoc idem tyrannus Hiero, deliberandi sibi unum diem postulavit; cum idem ex eo postridie quaereret, biduum petivit; cum saepius duplicaret numerum dierum admiransque Hiero requireret cur ita faceret, ‚quia quanto diutius considero‘ inquit ‚tanto mihi spes videtur obscurior‘. Cf. Min. Fel. Oct. 13.3–4 quid? Simonidis melici nonne admiranda omnibus et sectanda cunctatio? qui Simonides, cum de eo, quid et quales arbitraretur deos, ab Hierone tyranno quaereretur, primo deliberationi diem petiit, postridie biduum prorogavit, mox alterum tantum admonitus adiunxit; postremo, cum causas tantae morae tyrannus inquireret, respondit ille: quod sibi, quanto inquisitio tardior pergeret, tanto veritas fieret obscurior. Cf. dazu Beaujeu (1964) 93–94. Für weitere ähnliche Stellen cf. Pease (1955) 349. Der im Apologeticum 19.1.4* (Th 218) als physicorum princeps bezeichnete Thales antwortet (respondit) auf die Frage de divinitate, also „über die Gottheit“, nihil certum, nichts Bestimmtes oder Gewisses. Bemerkenswert ist die darauf folgende Erläuterung Tertullians; cf. dazu den Kommentar zu Th 218. Tertullian (Th 216–222) 97 Brunnenfall, da Tertullian eine bemerkenswerte Variante bietet. Der nähere Kontext ist ein polemischer, in dem Tertullian (ad nat. 2.4.17) die als „Mutmaßungen“ oder „Hypothesen“ (coniecturae) bezeichneten Meinungen einiger Philosophen205 über die Welt und himmlische Phänomene, wie z.B. die Größe der Sonne, kommentiert. Er stellt die Frage, welche Weisheit es in diesem Verlangen (libido) nach Mutmaßungen (coniecturarum) gebe. Außerdem kritisiert Tertullian (ad nat. 2.4.17) die Neugierde und das Wortgedrechsel (eloquii artificio) der Philosophen.206 Es folgt die Bezugnahme auf den Brunnenfall des Thales. Th 217 Tertullian, Ad nationes 2.4.18–19 (Borleffs CCL I, 47–48) Merito ergo Milesius Thales, !dum t"otum caelum examinat et ambulat oculis, in puteum cecidit !turpite"r, multum inrisus Aegyptio illi: ,in terra‘, inquit, ,nihil perspici!ens cae"lum tibi speculandum existimas?‘ [19] Itaque casus eius per figuram !philosoph"os notat, scilicet eos, qui stupidam exerceant curiositatem207 !in res" naturae quam prius in artificem eius et praesidem, in uacuum !......."dum208 habituros. Th 217 Tertullian, An die Völker 2.4.18–19 Verdient fiel also der Milesier Thales, während er den ganzen Himmel musterte und mit seinen Augen abwanderte, schmachvoll in einen Brunnen und erntete den heftigen Spott von jenem Ägypter: „Glaubst du“, sagte er, „dass du, weil du auf der Erde nichts erkennst, den Himmel beobachten musst?“ [19] Sein Fall kennzeichnet also sinnbildlich die Philosophen, diejenigen freilich, die eine törichte Neugier im Blick auf die Naturdinge anstatt auf deren Schöpfer und Lenker an den Tag legen, um damit ihre Bemühungen auf einen vergeblichen Zweck zu richten. Attribute Milet Brunnenfall Ägyptischer Einfluss: Verspottung durch einen Ägypter 205 206 207 208 In ad nat. 2.4.16 werden z.B. namentlich die Peripatetici genannt. Tertullian kritisiert weiter ad nat. 2.4.17: !Qui"d probat tanta praesumptione asseuerationis otium affectatae !mor"ositatis [jedoch nach Reifferscheid: curiositatis] eloquii artificio adornatum? Komma nach curiositatem bei Borleffs. Die Übersetzung folgt der Konjektur von Oehler für die Überlieferungslücke: suum studium. 98 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Funktion der Bezugnahme Der Milesier Thales sei also (ergo) verdientermaßen (merito) und schmachvoll (turpiter) in den Brunnen gefallen (in puteum cecidit), während (dum) er den ganzen Himmel (totum caelum) musterte (examinat) und mit seinen Augen abwanderte (ambulat oculis). Thales soll dabei den heftigen Spott von jenem Ägypter (multum inrisum Aegyptio illi) geerntet haben, der dessen Sturz folgendermaßen kommentiert habe: „Glaubst du (existimas), weil du auf der Erde nichts erkennst (in terra nihil perspiciens), dass du den Himmel beobachten musst (tibi caelum speculandum)?“ Anschließend deutet Tertullian die so erzählte, oder besser so konstruierte, Erzählung über den Brunnenfall des Thales. Seine Deutung gibt einiges über seine Auffassung und Wertschätzung der Philosophen zu erkennen: Der Fall des Thales (casus eius) kennzeichnet (notat) sinnbildlich (per figuram) die Philosophen, zumindest diejenigen (scilicet eos), die in ihrer törichten Neugierde (stupidam curiositatem) ihre Bemühungen auf die natürlichen Dinge (!in res" naturae) richten (exerceant), als zuvor (quam prius) auf deren Schöpfer und Lenker (in artificem eius et praesidem), um damit ihre Bemühungen auf einen vergeblichen Zweck (in uacuum) zu richten. Anstelle der thrakischen Magd (cf. Platon Th 19 und Sim. ‚Brunnenfall‘) ist es an dieser Stelle ein Ägypter, dessen heftigen Spott (multum inrisum) Thales erntet.209 Aus Tertullians Angaben geht zwar nicht hervor, ob er sich die Szenerie in Ägypten oder z.B. in Kleinasien vorstellt, doch liegt es nahe, die Szenerie nach Tertullian am besten in Ägypten anzusiedeln. Als ein möglicher Hintergrund und als ein Motiv für Tertullians Variante mit dem spottenden Ägypter kann die Verbindung des Thales mit Ägypten gesehen werden. Die Kenntnis der Ägyptenreise des Thales und dessen angeblicher Aufenthalt und seine Ausbildung bei den ägyptischen Priestern kann bei Tertullian vorausgesetzt werden (cf. z.B. Flavius Josephus Th 108, Plutarch Th 115, Th 116 und Sim. ‚ägyptischer Einfluss‘). Die Brunnenfallszene stellt damit anschaulich und lebendig das (auch an einigen anderen Stellen in der apologetischen Literatur) betonte Gefälle zwischen früher orientalischer (ägyptischer) Weisheit und den davon abhängigen Anfängen der Wissenschaft in Griechenland dar. Die Textpassage kann auch als gelungene Adaption der Brunnenfall-Anekdote an den nordafrikanischen Kontext Tertullians betrachtet werden.210 Des Weiteren betont Tertullian, dass der Fall des Thales (casus eius) per figuram für die Philosophen stehe, worunter er diejenigen versteht, die eine 209 210 Cf. dazu Alfonsi (1950). Cf. dazu Blumenberg (1987) 49–51. Tertullian (Th 216–222) 99 törichte Neugierde haben. Der Brunnenfall des Thales wird also an dieser Stelle – ähnlich generalisierend wie bei Platon (cf. Th 19), jedoch mit durchaus anderer Einfärbung – gegen die Philosophen verwendet.211 * Tertullian, Apologeticum In seiner als Apologeticum (197 n. Chr.) bezeichneten Schrift, die formal nach der Art einer Gerichtsrede abgefasst ist, beabsichtigt Tertullian, den Kern der christlichen Religion bekannt zu machen, damit diese nicht ungekannt und unrechtmäßig verurteilt wird.212 Er vereinigt im Apologeticum Verteidigungsschrift und Werberede.213 Die beiden Bezugnahmen auf Thales stehen in unterschiedlichen Kontexten: Das erste Zeugnis Th 218214 steht im 19. Kapitel im Rahmen einer (chronologischen) Argumentation, in der für das hohe Alter der Schriften des Moses im Vergleich mit den nichtchristlichen Schriftdokumenten argumentiert wird; das zweite Zeugnis Th 219 findet sich gegen Ende der Schrift im 46. Kapitel, in dem Tertullian für die These argumentiert, dass die christliche Religion nicht nur eine neue Art von philosophischer Lehre ist (die sich zu denselben Tugenden wie die Philosophie bekennt und zur Sittlichkeit, Gerechtigkeit, Geduld, Mäßigkeit und Keuschheit ermahnt), sondern vielmehr etwas Göttliches sei und hoch über der Philosophie stehe.215 Kontext zu Th 218 Im achtzehnten Kapitel seiner Apologie behandelt Tertullian die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift. Er betont (apol. 18.2), dass Gott von Anfang an (a primordio) Männer, die um ihrer Gerechtigkeit und Tadellosigkeit willen würdig waren (iustitiae innocentia dignos), ihn zu erkennen (Deum nosse) – mit dem göttlichen Geist überströmt (spiritu diuino inundatos) – in die Welt gesandt habe (in saeculum emisit), um ihre Gotteserkenntnis auch anderen Menschen bekannt zu machen (ostendere). Sie sollten ver211 212 213 214 215 Cf. dazu auch Tertullian Th 222: Sed enormis intentio philosophiae solet plerumque nec prospicere pro pedibus (sic Thales in puteum). Cf. Schulz-Flügel (1998) 583. Cf. von Albrecht (1992) 1217. Das Textzeugnis Th 218 (19.1.4*) ist Teil des so genannten „fragmentum Fuldense“, das nach Becker (1954) 149–162 Tertullian zugeordnet werden kann. Nach Becker ebd. 162 ist das Fragment „eine zwischen Ad nationes und dem Apologeticum entstandene Skizze, die gewiß nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte“. Zu den Quellen Tertullians cf. Waltzing (1931) 132–134. 100 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert kündigen (praedicarent), dass ein einziger Gott sei (Deum unicum esse), welcher alles erschaffen (qui uniuersa condiderit) und den Menschen aus Erde gebildet habe (hominem de humo struxerit).216 Den so charakterisierten Gott bezeichnet Tertullian pointiert (apol. 18.2.8) als den „wahren Prometheus“ (uerus Prometheus). Nachdem er in Kürze die Rolle Gottes im Hinblick auf die letzten Dinge thematisiert hat, gibt er zu erkennen (apol. 18.4.17–18): Diese Dinge haben einst auch wir verlacht. Wir sind aus eurer Mitte hervorgegangen; man wird Christ, man wird aber nicht als solcher geboren. Haec et nos risimus aliquando. De uestris sumus: fiunt, non nascuntur Christiani. Darauf kommt Tertullian (apol. 18.5) auf die Propheten als Verkünder (praedicatores) zu sprechen. Ihre Aussprüche (uoces) und tugendhaften Taten (uirtutes), die sie zum Beweis ihrer göttlichen Sendung (ad fidem diuinitatis) verrichteten, seien in den Schätzen der Schriften (in thesauris litterarum) aufbewahrt (manent) und diese seien nicht unzugänglich. Nach einem Exkurs (apol. 18.5.22–9.42) zur Entstehung der ‚Septuaginta‘ am Hofe des alexandrinischen Herrschers Ptolemaios II. Philadelphus (308–246 v. Chr., seit 283/2 Alleinherrscher)217 auf Anraten (ex suggestu) des damals bewährtesten Grammatikers (grammaticorum tunc probatissimi), des Demetrios Phaleron, betont Tertullian im neunzehnten Kapitel, dass zuerst das hohe Alter (summa antiquitas) diesen Zeugnissen (instrumentis istis), d.h. den Heiligen Schriften des Alten Testamentes, ihre Autorität (auctoritatem) verleihe. Er weist darauf hin, dass diese Ansicht auch von den Nicht-Christen (apud uos) geteilt werde.218 In der anschließenden chronologischen Argumentation (apol. 19.1.1*–10*) veranschaulicht Tertullian das hohe Alter der Schriften des Moses, des ersten Propheten (primus enim prophetes), im Vergleich mit den nicht-christlichen Schriftdokumenten.219 In seinen grundlegenden Schriften lege Moses (neben der Erschaf- 216 217 218 219 Cf. apol. 18.2.4–10 Viros enim iustitiae innocentia dignos Deum nosse et ostendere, a primordio in saeculum emisit spiritu diuino inundatos, quo praedicarent Deum unicum esse, qui uniuersa condiderit, qui hominem de humo struxerit (hic enim est uerus Prometheus, qui saeculum certis temporum dispositionibus et exitibus ordinauit) […]. Zur Entstehung der Septuaginta cf. Harl/Dorival/Munnich (1988) bes. 39–82. Cf. apol. 19.1.2–3 Apud uos quoque religionis est instar, fidem de tempore adserere. Cf. dazu Pilhofer (1990) 276–279. Tertullian (Th 216–222) 101 fung der Welt und dem Heranwachsen der Menschheit etc.) auch eine Abfolge der Zeit (temporum ordo) dar und habe damit die Berechnung der Dauer der Welt (digestus ab initio, supputationem saeculi) vermittelt. Die von Tertullian angegebenen Zeitangaben, bei denen er sich auf seine Vorläufer, wie namentlich Flavius Josephus,220 berufen kann, sind (gemäß apol. 19.1.1*–4*) folgender Art: x x x x Die Lebenszeit des Moses dient als ein erster Bezugspunkt. 300 oder 400 Jahre später soll Danaus, der älteste Grieche, nach Argos gekommen sein. 1000 Jahre später wird der Trojanische Krieg angesetzt. 322 Jahre vor dem Untergang Trojas (Iliacum exitum) werden sowohl Saturn (und der Kampf der Titanen mit Jupiter) als auch Belus, der König der Assyrer, (nach dem Geschichtswerk des Thallus) angesetzt. Tertullian bemerkt zum einen (apol. 19.1.2.*16–17), dass Moses den Juden (Iudaeis) das ihnen eigene Gesetz (lex propria) von Gott (a Deo) gebracht habe (missa est). Zum anderen hebt er hervor (apol. 19.1.4.*17–18), dass es in der Reihenfolge nach Moses viele andere Propheten (multa et alii prophetae) gegeben habe, welche älter (uetustiores) als „eure Urkunden/Schriften“ (litteris uestris) gewesen seien. Zum Beweis für diese These führt er schließlich den letzten (ultimo) Propheten Zacharias (hebr. Sacharja)221 an, der nach Tertullian entweder (aut) ein klein wenig vorausging (aliquantulo praecucurrit) oder (aut) mit Gewissheit (certe) demselben Zeitalter angehört haben soll (concurrit aetate) wie die Begründer der Weisheit (sapientiae auctoribus) und Gesetzgeber (latoribus legis). Der letzte Prophet namens Zacharias wird (apol. 19.1.4*) zum einen synchron angesetzt zur Regierungszeit (regno) der Perserkönige Kyros II. (559–529 v. Chr.) und Dareios (522–486 v. Chr.), zum anderen mit Thales als dem physicorum princeps, dem Ersten der Naturphilosophen, und dem lydischen König Kroisos. 220 221 Cf. apol. 19.6. Tertullian nennt dort unter anderem Manetho, den Ägypter, Berossos, den Chaldäer, und zuletzt den Iudaeus Iosephus, antiquitatum Iudaicarum uernaculus uindex. Dazu Pilhofer (1990) 276–278. Prophet am Ende des 6. Jh. v. Chr., mit Haggai am Wiederaufbau des Tempels beteiligt (520–515). 102 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Th 218 Tertullian, Apologeticum 19.1.4* (ed. Dekkers CCL I.119–120)222 [4*] Deinceps multa et alii prophetae, uetustiores litteris uestris; nam et qui ultimo cecinit, aut aliquantulo praecucurrit aut certe concurrit aetate sapientiae auctoribus, etiam latoribus legis. [4*] Cyri enim et Darii regno fuit Zacharias, quo in tempore Thales, physicorum princeps, sciscitanti Croeso nihil certum de diuinitate respondit, turbatus scilicet uocibus prophetarum. Solon eidem regi finem longae uitae intuendum praedicauit, non aliter quam prophetae. Th 218 Tertullian, Apologeticum 19.1.4* Danach [nach Moses] haben Vieles auch andere Propheten [verkündet], die älter sind als eure Schriften; denn auch der, welcher zuletzt geweissagt hat, geht entweder um etwas voraus oder gehörte wenigstens demselben Zeitalter an wie eure Weisen und sogar Gesetzgeber. Denn Zacharias lebte unter der Regierung des Kyros und Dareios, zur Zeit als Thales, der erste Naturphilosoph, auf die Frage des Kroisos nichts Bestimmtes über die Gottheit antwortete; er war natürlich durch die Aussprüche der Propheten in Verwirrung gesetzt. Solon hat demselben König den Rat gegeben, man müsse das Ende des langen Lebens im Auge behalten, nicht anders als die Propheten. Attribute Datierung Begegnung mit Kroisos Erster Naturphilosoph Gottheit: Frage über die Gottheit Thales durch die Propheten verwirrt Funktion der Bezugnahme (1) Die Datierung des letzten Propheten Zacharias unter der Regierung der persischen Könige Kyros und Dareios223 und zur Zeit des Thales steht im 222 223 Fr. Fuld. 4 Dekkers CCL I 120 (Zuordnung zu Tertullian nach Becker (1954) 149–162): Cyri enim et Darii regno fuit Zacharias, quo in tempore Thales physicorum princeps sciscitanti Croeso nihil certum de divinitate respondit, turbatus scilicet vocibus prophetarum. Cf. Sach 1,1. Tertullian (Th 216–222) 103 Rahmen der chronologischen Argumentation. Als typische Vertreter der Gruppe der Weisen und der Gesetzgeber werden exemplarisch Thales einerseits und Solon andererseits genannt.224 Das Argumentationsziel Tertullians ist klar: Wenn bereits der jüngste Prophet früher oder zumindest zeitgleich mit den ersten Weisen und Gesetzgebern anzusetzen ist, dann sind die Heiligen Schriften (der Hebräer) insgesamt früher als die griechische Weisheit. (2) Thales wird an dieser Stelle als princeps physicorum, d. h. als „Erster“ oder als „Begründer“ der Naturphilosophen bezeichnet. Mit der Figur des Thales wird zum Zweck des chronologischen Vergleichs deutlich der Anfang der Philosophie und Naturforschung bei den Griechen markiert. (3) Tertullian greift ähnlich wie in ad nat. 2.2.10–11 (Th 216) die Frage des Kroisos an Thales im Hinblick auf die Gottheit (de diuinitate) auf. Sowohl die Frage des Kroisos als auch die Antwort des Thales in Th 216 unterscheiden sich jedoch von der Szene in Th 218. Während in Th 216 die Frage an Thales lautet, was er „über die Götter“ meine (quid de deis arbitraretur), so geht es in Th 218 um die Frage de diuinitate, also um die Gottheit oder das Göttliche. Die Antwort in Th 218 ist nihil certum, d.h. „nichts Bestimmtes“ oder „nichts Gewisses“ soll er gesagt haben. Diese dem Thales zugeschriebene Antwort wird von Tertullian durch den folgenden Zusatz noch weiter charakterisiert. (4) Besondere Aufmerksamkeit verdient die mit scilicet („natürlich, freilich“) eingeleitete Begründung Tertullians für die kurze und zurückhaltende Antwort des ersten Naturphilosophen: Thales sei durch die Stimmen der Propheten (uocibus prophetarum) verwirrt gewesen (turbatus). Diese Begründung, mag sie für den heutigen Leser auch sehr konstruiert oder erfunden klingen, steht wiederum in voller Übereinstimmung mit der von Tertullian zuvor entworfenen Chronologie und seinem Argumentationsziel, die Vorzeitigkeit der mit Moses einsetzenden hebräischen Weisheit aufzuzeigen. Wenn die Propheten früher oder zumindest zur gleichen Zeit wie Thales lebten, konnte dieser nach Tertullian mit diesen oder zumindest ihren Schriften in Kontakt gekommen und in seiner Antwort nach der Gottheit verwirrt worden sein. Nach Tertullian manifestiert sich also bereits bei Thales der Einfluss der biblischen Tradition, insofern der Milesier durch die 224 Cf. zu Solon bei Tertullian die Untersuchung von Opelt (1980) 25 und 27. 104 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Lehre der Propheten in seinem Nachdenken über die Gottheit als ein Verwirrter erscheint.225 * Kontext zu Th 219 Nachdem Tertullian in apol. 46.1 zuerst die Widerlegung aller Anklagen, die gegen die Christen erhoben wurden, konstatiert, äußert er sich nochmals grundlegend zum Verhältnis von christlicher Religion und Philosophie (apol. 46.2–48.15). Im Folgenden versucht er durch mehrere Vergleiche zu zeigen, dass die christliche Religion mehr ist als nur „eine Art von Philosophie“ (philosophiae genus, apol. 46.2.12). Er referiert die Meinung (apol. 46.2.12–14), dass sich Christen und Philosophen zu denselben Tugenden bekennen (profitentur) und zu diesen ermahnen (monent): zur Sittlichkeit, Gerechtigkeit, Geduld, Mäßigung und Keuschheit.226 Sogleich stellt er die rhetorisch geschickte Frage (apol. 46.3.15–16): „Warum also (cur ergo) werden wir mit diesen gleichgestellt in Bezug auf unsere Lehre (disciplina), nicht aber ebenso gleichgesetzt (adaequamur) in Bezug auf Erlaubnis und Freiheit der Lehre?“227 Im Hinblick auf die Wahrheit macht Tertullian den Philosophen den Vorwurf (apol. 46.7.35–39), dass sie diese „in theatralischer Weise affektieren und durch ihr Affektieren fälschen, weil sie nur von Ruhmsucht geleitet sind“ (ut qui gloriam captant). Die Christen hingegen suchten dieselbe Wahrheit „mit Notwendigkeit und treten für sie ein mit voller Kraft, weil sie um ihr Heil besorgt sind“.228 Die Bezugnahme auf Thales wird mit der grundlegenden These (apol. 46.8.40–41) eingeleitet, dass sich 225 226 227 228 Als weiteres Beispiel für den Einfluss der biblischen Tradition führt er Solon an: Dieser habe – hier liegt die Pointe – nicht anders als die Propheten (non aliter quam prophetae) demselben König Kroisos gepredigt (praedicauit), man müsse das Ende des langen Lebens im Auge haben. Zusammenfassend behauptet Tertullian (apol. 19.1.5.*25–27), dass „sowohl euer Rechtswesen als auch eure Wissenschaften von dem göttlichen Gesetz und der göttlichen Lehre befruchtet worden sind. Was das Frühere ist, muss auch der Same sein (Quod prius est, hoc sit semen necesse est.). Von dort habt ihr manches mit uns oder doch fast wie wir.“ Apol. 46.2.12–14 Eadem, inquit, et philosophi monent atque profitentur, innocentiam, iustitiam, patientiam, sobrietatem, pudicitiam. Apol. 46.3.15–16 Cur ergo quibus comparamur de disciplina, non proinde adaequamur de licentia et immunitate disciplinae? Apol. 46.7.35–39 Quam et illusores et contemptores inimice philosophi affectant ueritatem et affectando corrumpunt, ut qui gloriam captant, Christiani et necessario appetunt et integre praestant, ut qui saluti suae curant. Tertullian (Th 216–222) 105 die Christen weder im Hinblick auf die Weisheit (scientia) noch in Bezug auf ihre Lehre (disciplina) mit den Philosophen vergleichen lassen (aequamur). Th 219 Tertullian, Apologeticum 46.8–9 (Dekkers CCL I.161) Adeo neque de scientia neque de disciplina, ut putatis, aequamur. Quid enim Thales, ille princeps physicorum, sciscitanti Croeso de diuinitate certum renuntiauit, commeatus deliberandi saepe frustratus? [9] Deum quilibet opifex Christianus et inuenit et ostendit et exinde totum, quod in Deum quaeritur, re quoque assignat; licet Plato affirmet factitatorem uniuersitatis neque inueniri facilem et inuentum enarrari in omnes difficilem. Th 219 Tertullian, Apologeticum 46.8–9 Daher lassen wir uns weder hinsichtlich der Weisheit noch der Moral, wie ihr annehmt, vergleichen. Denn was hat Thales, jener erste Naturphilosoph, auf die Frage des Kroisos nach der Gottheit mit Bestimmtheit geantwortet, nachdem dieser durch eine Bedenkzeit oft hingehalten worden war? (vgl. Th 218) [9] Jeder beliebige christliche Handwerker aber hat Gott bereits gefunden, tut ihn kund und besiegelt in der Folge alles, was man in Bezug auf Gott fragen kann, durch die Tat; Platon mag immerhin behaupten, dass man den Schöpfer des Weltalls nicht leicht finden und, wenn man ihn gefunden habe, nur schwer allen verkünden könne. Attribute Erster Naturphilosoph Begegnung mit Kroisos Gottheit: Frage nach der Gottheit. Antwort: Nichts Sicheres. Funktion der Bezugnahme Im Anschluss an diese These spielt Tertullian auf Thales und seine zögerliche Antwort auf die Frage des lydischen Königs Kroisos nach der Gottheit (de diuinitate) an. Tertullian formuliert seine Bezugnahme auf Thales in Form einer rhetorischen Frage (apol. 46.8.41–43): „Denn was (quid enim) hat Thales, jener erste Naturphilosoph, auf die Frage des Kroisos nach der Gottheit mit Bestimmtheit (certum) geantwortet (renuntiauit), nachdem dieser durch eine Bedenkzeit oft hingehalten worden war?“ Eine explizite Antwort auf diese Frage gibt Tertullian an dieser Stelle nicht. Er scheint bei seinen Lesern vorauszusetzen, dass diese mit der Anekdote vertraut sind und sich selbst eine Antwort auf die Frage geben können. Denkbar wäre z.B. eine skeptische oder explizit agnostische Antwort (cf. Th 216 und Th 218). 106 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Zwei Aspekte sind in diesem Kontext wichtig. Der als der Begründer der Naturphilosophie vorgestellte Thales gibt bei der Frage des lydischen Königs keine gute Figur ab und kann nicht gerade eine erkenntnisreiche Antwort im Hinblick auf die Gottheit geben. Im folgenden Satz (apol. 46.9. 43–45) wird die unausgesprochene Antwort des Thales mit der von Tertullian referierten Erfahrung und Erkenntnis eines beliebigen (quilibet) christlichen Handwerkers (opifex Christianus) kontrastiert. Darin liegt die Pointe seines Argumentes (apol. 46.9.43–45): Jeder beliebige christliche Handwerker, so die Behauptung Tertullians, habe Gott bereits gefunden (inuenit), verkünde (ostendit) ihn und besiegle in der Folge alles, was man in Bezug auf Gott fragen kann, auch (quoque) durch die Tat (re). Seine Gotteserkenntnis hat also auch Folgen für seinen praktischen und ethischen Lebensvollzug, was einen weiteren Kontrast zum ratlosen Thales (und dessen Brunnenfall cf. Th 217) markiert. * Tertullian, Adversus Marcionem Mit seiner fünf Bücher umfassenden häresiologischen Schrift ,Gegen Marcion‘229 wendet sich Tertullian gegen dessen theologische Prinzipien und gegen seine Anhänger, die Marcioniten.230 Im ersten Buch seiner Schrift,231 in der die Bezugnahme auf Thales steht, setzt sich Tertullian mit Marcions Grundunterscheidung zwischen einem guten Gott (verkündigt in den Schriften des Neuen Testamentes) und einem bösen Schöpfergott des Alten Testamentes, der für Schöpfung, Gesetz und Gericht verantwortlich sein soll, auseinander.232 Während die Verteidigung des Schöpfergottes Gegenstand des zweiten Buches ist, widmet sich Tertullian im dritten Buch der Vorstel- 229 230 231 232 Zur Datierung und der komplexen Entstehungsgeschichte von Adversus Marcionem cf. Braun (1990) 7–83, 92–94. Zu Marcion (um 85–160 n. Chr.) cf. König (1998) 421–423 und Moreschini/Norelli (2007) 82–84. Zu Tertullians Streitschrift gegen Marcion als ‚Paradigma der Selbstvergewisserung der Orthodoxie gegenüber der Häresie‘ cf. Lukas (2008). Cf. Braun (1990) 66: „De fait, à partir de I, 13, c’est-à-dire de la critique de la création, l’Aduersus Marcionem est aussi un Aduersus Marcionitas.“ Cf. zu adv. Marc. 1–2 die Untersuchung von Meijering (1977). Moreschini/Norelli (2007) 83: „Ausgangspunkt für Marcion war der paulinische Gegensatz zwischen Gesetz und Evangelium. Er war überzeugt von ihrer Unvereinbarkeit und führte sie somit auf zwei verschiedene Götter zurück. […] Marcion war […] der Erste, der in gewisser Weise einen Kanon der christlichen Schriften entwickelte.“ Tertullian (Th 216–222) 107 lung von Christus bei Marcion. Die Bücher vier und fünf haben Marcions Auffassung vom Evangelium und den paulinischen Briefen zum Thema. Kontext zu Th 220 Im zweiten Hauptteil des ersten Buches geht es unter anderem um ein angemessenes Verständnis des Schöpfergottes und dessen Schöpfung (adv. Marc. 1.8–21). Tertullian wendet sich im dreizehnten Kapitel (adv. Marc. 1.13.1) grundsätzlich gegen die von den Marcioniten betriebene Zerstörung der Werke des Schöpfers (destructionem operum Creatoris). Er vertritt die These (adv. Marc. 1.13.2), dass die Welt durchaus Gottes würdig sei (nec mundus Deo indignus), denn (etenim) Gott habe nichts (nihil) seiner Unwürdiges vollbracht, obgleich (etsi) er erstens die Welt für den Menschen (mundum homini) und nicht für sich gemacht habe (non sibi fecit), und zweitens (etsi) jedes Werk geringer (omne opus inferius) als sein Schöpfer (suo artifice) sei.233 In der folgenden Argumentation (adv. Marc. 1.13.3) widmet sich Tertullian der angeblichen Unwürdigkeit der Welt (de isto huius mundi indigno). Erstens weist er darauf hin, dass bei den Griechen (apud Graecos) der Name (nomen) „Welt“ (mundus = griech. «) die Bedeutung von „Schmuck“ (ornamentum) oder „Zierde“ (cultum) habe und nicht etwa „Schmutz“ (non sordium). In einem zweiten Schritt beruft sich Tertullian auf die Auffassung der von ihm so genannten „Lehrer der Weisheit“ (sapientiae professores), von deren Gedanken (de quorum ingeniis) jede Häresie belebt werde (omnis haeresis animatur).234 Jene Lehrer der Weisheit selbst (ipsi illi) haben nach Tertullian die unwürdigen Substanzen (indignas substantias) freilich (uidelicet) für Götter ausgegeben (deos pronuntiauerunt). Es folgt eine Aufzählung von griechischen Philosophen mitsamt des von ihnen angenommenen Urelementes: Thales (Wasser, aquam), Heraklit (Feuer, ignem), Anaximenes (Luft, aërem), Anaximander (alle Himmelskörper, uniuersa caelestia), Straton (Himmel und Erde, caelum et terram), Zenon (Luft und Äther, aërem et aetherem), Platon (Gestirne, sidera). 233 234 Tertullian schließt die folgende Überlegung an (adv. Marc. 1.13.3): Wenn es Gottes unwürdig sein sollte, etwas geschaffen zu haben, mag es sein, so gering es will, so wäre es jedenfalls Gottes noch viel unwürdiger (indignius), gar nichts geschaffen zu haben, nicht einmal etwas seiner Unwürdiges. Denn dann könnte man doch immer noch hoffen, er werde später bessere Dinge schaffen. Irenäus sagt dasselbe von den Häretikern in haer. 2.18.2. Cf. auch Tertullian apol. 47.9; praescr. 7.3; adv. Herm. 1.3; adv. Marc. 4.25.3. 108 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Th 220 Tertullian, Adversus Marcionem 1.13.3 (ed. Braun) Vt ergo aliquid et de isto huius mundi indigno loquar, cui et apud Graecos ornamenti et cultus, non sordium, nomen est, indignas uidelicet substantias ipsi illi sapientiae professores, de quorum ingeniis omnis haeresis animatur, deos pronuntiauerunt, ut Thales aquam, ut Heraclitus ignem, ut Anaximenes aërem, ut Anaximander uniuersa caelestia, ut Strato caelum et terram, ut Zeno aërem et aetherem, ut Plato sidera […]. Th 220 Tertullian, Gegen Marcion 1.13.3 Um also auch etwas über die angebliche Unwürdigkeit dieser Welt zu sagen, die auch bei den Griechen den Namen Schmuck und Zierde, nicht Schmutz, trägt, so haben auch jene Lehrer der Weisheit selbst, von deren Gedanken alle Häresien belebt werden, die unwürdigen Substanzen freilich als Götter ausgegeben, so z. B. Thales das Wasser, Heraklit das Feuer, Anaximenes die Luft, Anaximander alle Himmelskörper, Straton den Himmel und die Erde, Zenon die Luft und den Äther, Platon die Gestirne […]. Attribute Lehrer der Weisheit Prinzip Wasser: Bezeichnung unwürdiger Substanzen als Götter Funktion der Bezugnahme (1) Thales wird als Erster in der Reihe der „Lehrer der Weisheit“ (sapientiae professores) angeführt, von deren Gedanken „jede Häresie“ (omnis haeresis) belebt werde. (2) Die Bezugnahme auf Thales und die weiteren Vertreter der griechischen Philosophie ist in diesem argumentativen Kontext mehrdeutig. Mindestens drei Aspekte lassen sich unterscheiden: (a) das etymologische Argument, (b) die These von der Bezeichnung der unwürdigen Substanzen als Götter durch die griechischen Philosophen sowie (c) die sich anschließende genetische Erklärung dieser These. (a) Mit Hilfe des etymologischen Argumentes – der Erläuterung der positiv aufgeladenen Wortbedeutung von „Welt“ bei den Griechen mittels der Etymologie von „Kosmos“ (als ornamentum und cultus)235 – stützt Tertullian zunächst seine eigene Argumentation gegenüber den Marcioniten und 235 Cf. dazu Brague (2006) 31–32 und Schwab (2009) 62–64. Tertullian (Th 216–222) 109 deren Abwertung der Schöpfung.236 Bereits der griechische Wortgebrauch veranschaulicht die Würde der Schöpfung. (b) Die Bezugnahme auf Thales und die anderen Vertreter der griechischen Philosophie hat die Funktion eines Gegenargumentes gegenüber der ‚Weltanschauung‘ der Marcioniten. Sie zeigt, dass selbst die griechischen Philosophen selbstverständlich (uidelicet) „unwürdige Substanzen“ (indignas substantias) als Götter (deos) ausgegeben haben (pronuntiauerunt). Diese These gibt zu erkennen, dass die Philosophen den Substanzen und damit implizit auch der Welt einen großen Wert beimaßen. Dieser Aspekt stützt die Grundrichtung von Tertullians Argumentation, wie auch die folgende Aussage (adv. Marc. 1.13.5) nochmals unterstreicht: „Bezüglich der an Stellung und Rang höheren Substanzen genügt es mir, dass man sie lieber für Götter gehalten hat als für Gottes unwürdig.“ (c) Die Bezugnahme auf die Philosophen ist zugleich mit einer Kritik an diesen verbunden. Die Kritik schließt an die namentliche Aufzählung der Vertreter an. Denn Tertullian belässt es nicht bei dieser Aufzählung, sondern er versucht auch eine genetische Erklärung dafür zu geben, warum die Philosophen diese Substanzen als Götter ausgegeben haben (adv. Marc. 1.13.3): Indem die Philosophen an der Welt (mundum) die Größe (magnitudinem), Macht (uim), Kraft (potestatem), Herrlichkeit (honorem), Schönheit (decorem) etc. und die Regelmäßigkeit der einzelnen Elemente (opem fidem legem singulorum elementorum) sowie deren grundlegende Funktionen (Hervorbringen, Erhalten, Vollenden, Wiederherstellen) betrachtet haben, sollen sie gefürchtet haben, bei der Welt einen Anfang und ein Ende festzustellen, damit nicht etwa ihre Bestandteile (substantiae eius), die so groß und erhaben sind (tantae), als weniger göttlich erschienen.237 * Tertullian, De anima Die Schrift ,Über die Seele‘ verfasste Tertullian vermutlich zwischen Anfang 210 und 213 n. Chr.238 Im ersten Satz seiner programmatischen Einleitung (anim. 1–3) bringt Tertullian zum Ausdruck, dass er bereits mit 236 237 238 Cf. Braun (1990) 157 Anm. 4: „Le décri de l’œuvre du Créateur est un thème habituel du marcionisme; il révèle l’appartenance gnostique de cette doctrine […].“ Daran schließt sich ein ethnologischer Vergleich (adv. Marc. 1.13.3) von Anschauungen bei den Persern (Magiern), Ägyptern (Hierophanten) und Indern (Gymnosophisten) an. Cf. dazu Clemens Th 197. Cf. Waszink (1947) 5–6, ders. (1980) 35 und (1933) 9–10. 110 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Hermogenes über den Ursprung (censu) der Seele in Streit geraten sei und dass er sich jetzt (nunc) den übrigen Problemen (ad reliquas […] quaestiones), welche die Seele betreffen, zuwende.239 Dabei werde er viel (plurimum) mit den Philosophen zu kämpfen haben (cum philosophis dimicaturus).240 Seine Erörterungen über die Seele führt Tertullian also besonders in Auseinandersetzung mit den Vertretern der nicht-christlichen Philosophie, die er als die „Patriarchen der Häretiker“ (patriarchis […] haereticorum, anim. 3.1.32) bezeichnet. Tertullian weist bereits in der Einleitung (anim. 2.6) explizit darauf hin, dass er sich auch mit der Medizin, der Schwester der Philosophie, beschäftigt habe, da auch sie diesen Gegenstand für sich beanspruche.241 Wegen der Sorge um den Körper (corporis curam) beschäftige sich die Medizin mehr (magis) mit der Lehre von der Seele (animae ratio). In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass eine von Tertullians Hauptquellen der Mediziner Soranus242 (1. Hälfte des 2. Jh.) ist, aus dessen vier Büchern über die Seele (%λ ?8)«) Tertullian doxographisches Material z. B. zur Körperlichkeit der Seele (anim. 6) entnimmt.243 In seiner Einleitung vertritt Tertullian die bemerkenswerte und ironische These (anim. 3.3.6–8), dass die göttliche Lehre (diuina doctrina) dadurch „einen schweren Fehler begangen habe (deliquit), dass sie von Judäa 239 240 241 242 243 Zu Hermogenes cf. Markschies (1998) 283–284, Waszink (1933) 198 und ders. (1956). Anim. 1.1.3–4 […] nunc ad reliquas conversus quaestiones plurimum videbor cum philosophis dimicaturus. Anim. 2.6.14–15 Sed et medicinam inspexi, sororem, ut aiunt, philosophiae, sibi quoque hoc negotium vindicantem. Zu Soranus, den Tertullian in anim. 6.6.5–6 als „den gelehrtesten Schriftsteller der methodischen Medizin“ („Sorano methodicae medicinae instructissimo auctore“) bezeichnet, cf. Hanson/Green (1994). Zu Tertullians De anima und seiner Benutzung Sorans cf. van der Eijk (1999) 402–403 mit weiterführender Literatur ebd. 402 Anm. 20. Cf. dazu Waszink (1947) 21–47, ders. (1933) 10–15, Diels (1879) 203–214 sowie Mansfeld/Runia (1997) 80. Bezüglich Tertullians Quellen ist bemerkenswert, dass er Soranus auch für mehrere doxographische Notizen in anim. 12, 14 und 15 sowie für das doxographische Material über den Schlaf (anim. 42–45) benutzt. Weitere Informanten insbesondere zur Darstellung der gnostischen Systeme (anim. 23, 34, 35) sind vermutlich Irenäus und Justin. Von den klassischen Autoren ist Tertullian mit Varro (cf. auch Kommentar zu nat. = Th 216–217), Cicero und Plinius vertraut. Die Informationen zu Platon (und dessen Dialogen Phaidon, Phaidros, Staat, Theaitetos und Timaios) stammen möglicherweise aus der Lektüre des Albinus oder sind ebenfalls durch Soranus vermittelt. Cf. dazu Waszink (1933) 11–12. Tertullian (Th 216–222) 111 und nicht von Griechenland ausging“ (ex Judaea potius quam ex Graeca oriens). Auch Christus habe einen Irrtum begangen, indem er Fischer eher zum Predigen aussandte als einen Sophisten.244 Seine Aufgabe als schreibender Christ bestimmt Tertullian vor diesem Hintergrund folgendermaßen (anim. 3.3.8–12): „Wenn etwa also in dieser Weise durch die Nebel der Philosophie der strahlende und reine Himmel der Wahrheit einigermaßen verdüstert wird, so wird diese Dunkelheit durch die Christen vertrieben werden müssen, indem sie die Argumentationen (argumentationes) über den Ursprung der Seele, d.h. die der Philosophen (id est philosophicas), zerschlagen (percutientibus) und ihnen die Lehren des Himmels (definitiones caelestes), d.h. jene des Herrn (id est dominicas), entgegensetzen (opponentibus).“ Mit dieser Strategie versucht Tertullian ein zweifaches Ziel (anim. 3.3.12–3) zu erreichen: Zum einen soll das, wodurch die Nicht-Christen von der Philosophie gefangen werden, vernichtet werden. Zum anderen soll auch das, wodurch die Gläubigen (fideles) sich von den Häretikern (ab haeresi) in ihrem Glauben erschüttern lassen, zurückgewiesen werden (retundantur). Die beiden Bezugnahmen auf Thales (Th 221–222) stehen im ersten Hauptteil der Abhandlung (anim. 4.1–22.1), in dem Tertullian die Beschaffenheit (status) der Seele behandelt:245 Das Zeugnis Th 221 steht im fünften Kapitel (anim. 5.2), Th 222 im sechsten Kapitel (anim. 6.8). Kontext zu Th 221 Zu Beginn seiner Erörterung über die Seele (anim. 4.1) vertritt Tertullian die These, dass die Seele aus dem Hauch Gottes (ex dei flatu) entstanden sei.246 Daraus folge, dass ihr auch ein Anfang (initium) zuzuschreiben sei. Als einen Gegner dieser Ansicht benennt er Platon, der diese Möglichkeit ausschließe (hoc excludit) und stattdessen „wolle“ (uolens), dass die Seele (animam) ungeworden und ungemacht sei (innatam et infectam). Tertullian wendet sich im Folgenden gegen Platon und argumentiert für die These (anim. 4.1.24), dass die Seele sowohl entstanden (et natam) als auch gemacht sei (et factam) aufgrund der Beschaffenheit ihres Anfangs (ex initii constitutione). Im fünften Kapitel (anim. 5.1–6) geht es um die Streitfrage, 244 245 246 Cf. anim. 3.3.7–8 Erravit et Christus piscatores citius quam sophistam ad praeconium emittens. In anim. 22.1–2 fasst Tertullian die im ersten Hauptteil erörterten Probleme zusammen und zählt die Bestimmungen der Seele auf. Cf. bereits am Ende der Einleitung, anim. 3.4.15 […] quia animam ex dei flatu, non ex materia vindicamus […]. 112 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert ob die Seele körperlich ist. Tertullian unterscheidet zwei Gruppen (anim. 5.1/5.2–6): Zum einen (anim. 5.1.1–2) führt er diejenigen (Eubulus, Kritolaus, Xenokrates und Aristoteles) an, die wohl im Verbund mit seinem Hauptgegner Platon vielleicht noch mehr herausgestrichen würden (exstruentur), um die Körperlichkeit der Seele zu entfernen (ad auferendam animae corpulentiam), wenn man nicht (si non) andere im Gegenteil (alios e contrario) in Augenschein nehme.247 Zum anderen (anim. 5.2–6) nennt er die gegnerische Gruppe von zahlreichen Vertretern, die der Seele einen Körper zuschreiben (corpus animae uindicantes, anim. 5.1.4). Zu dieser zweiten Gruppe, mit der Tertullian sympathisiert, zählt er mehrere (plures): (a) zuerst (anim. 5.2.4–9) eine Anzahl von Vertretern, welche die Seele „aus handgreiflichen Körpern“ bildeten (de manifestis corporalibus effingunt), wie ‚Hipparch‘248 und Heraklit aus Feuer (ex igne), Hippon249 und Thales aus Wasser (ex aqua), Empedokles und Kritias aus Blut (ex sanguine), wie Epikur aus Atomen (ex atomis), wenn die Atome durch ihren Zusammenstoß einen Körper aufbauen können, wie Kritolaus und „seine Peripatetiker“ (et Peripatetici eius) aus irgendeiner fünften Substanz (ex quinta nescio qua substantia), zumindest wenn auch diese ein Körper ist, weil sie Körper einschließe. (b) Zweitens beruft sich Tertullian (anim. 5.2.10–5.6) auf die Stoiker (sed etiam Stoicos allego). Da sie die Seele (animam) als Odem (spiritum) bezeichnen (praedicantes), „fast wie wir“ (paene nobiscum) – mit der Ergänzung, dass Hauch (flatus) und Odem (spiritus) eng miteinander verwandt (proxima inter se) seien – könnten sie jemanden leicht von der Körperlichkeit der Seele überzeugen (corpus animam facile persuadebunt). Als einzelne Vertreter der stoischen Schule führt er darauf Zenon (anim. 5.3), Kleanthes (anim. 5.4–5) und Chrysipp (anim. 5.6) an. Th 221 Tertullian, De anima 5.2 (ed. Waszink) Nec illos dico solos qui eam de manifestis corporalibus effingunt, ut Hipparchus et Heraclitus ex igni, ut Hippon et Thales ex aqua, ut Empedocles et Critias ex sanguine, ut Epicurus ex atomis […]. 247 248 249 Cf. dazu Waszink (1947) 125–128, ders. (1933) 203–204 und Diels (1879) 212–214. Statt des Astronomen Hipparchus ist wohl der griechische Mathematiker und Pythagoreer Hippasos von Metapont gemeint, cf. Diels (1879) 212–213. Hippon von Rhegion (ca. 470–400), Naturphilosoph und vermutlich Arzt, erneuerte, von physiologischen Beobachtungen am Menschen ausgehend, die alte Lehre des Thales, der Ursprung aller Dinge sei das Wasser (cf. Arist. Met. 1.984a3–5 = Th 29). Tertullian (Th 216–222) 113 Th 221 Tertullian, Über die Seele 5.2 Und ich meine nicht bloß die, welche sie aus handgreiflich körperlichen Elementen bestehen lassen, wie Hipparch und Heraklit aus Feuer, wie Hippon und Thales aus Wasser, wie Empedokles und Kritias aus Blut, wie Epikur aus den Atomen […]. Attribute Prinzip Wasser Seele: Thales und Hippon sagen, dass die Seele aus Wasser sei Funktion der Bezugnahme (1) Thales wird in diesem Zusammenhang nicht als Erster in der Reihe derjenigen genannt, die nach Tertullian eine materialistische Seelenkonzeption vertreten, d.h. bei Thales eine aus Wasser bestehende Seele. Da Tertullian wesentlich gegen die platonische Seelenkonzeption argumentiert, stützen die angeführten ‚Vertreter materialistischer Seelenkonzeptionen‘ insgesamt seine Argumentation. Die Bezugnahme auf Thales bekräftigt vor diesem Hintergrund die Argumentationsstrategie Tertullians, obgleich er inhaltlich vor allen Dingen seine Nähe (paene nobiscum) zur stoischen Seelenkonzeption betont. (2) Die stilistisch auffällige Anhäufung von Namen, zunächst von wenigen, die mit Platon übereinstimmen, darauf von mehreren Vertretern einer materialistischen Seelenkonzeption, lässt die für Tertullian typische Argumentationsweise des ‚akkumulativen‘ Stils erkennen.250 (3) Thales und Hippon werden auch z.B. bei Philoponus in dessen Kommentar zu De anima (= Th 440) gemeinsam für die Position einer ‚WasserSeele‘ angeführt.251 * Kontext zu Th 222 Die zweite Bezugnahme auf Thales im sechsten Kapitel ist äußerst prägnant (sic Thales in puteum, anim. 6.8.25). Dabei richtet sich die Argumentation Tertullians noch immer (wie bereits in anim. 4 und 5) gegen die Seelenkonzeption Platons und der Platoniker (anim. 6.1.2), denen er vorwirft, dass sie eher (potius) durch Scharfsinn und Spitzfindigkeit (subtilitate) als durch 250 251 Cf. auch Th 220 und die Stilanalyse von Braun (1990) 68–69. Cf. dazu die Sim. ‚Seele aus Wasser‘. Differenzierter äußert sich Philoponus in Th 442 und Th 443. 114 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Wahrheit (quam veritate) Verwirrung stiften (conturbant). Nach mehreren Beweisführungen gegen die Platoniker beruft sich Tertullian in anim. 6.6–7 auf den Mediziner Soranus, um das folgende Argument (anim. 6.6.2–5) zu entkräften: Jeder Körper ernähre sich von Körperlichem (omne corpus corporalibus), die Seele (animam) aber ernähre sich, weil unkörperlich (ut incorporalem), durch „Unkörperliches“ (incorporalibus), und zwar durch das Streben nach Weisheit (sapientiae studiis). Soranus, den Tertullian als „den gelehrtesten Schriftsteller der methodischen Medizin“ (Sorano methodicae medicinae instructissimo auctore) bezeichnet, erklärt dagegen, dass die Seele auch durch Körperliches genährt (corporalibus quoque ali) und im Schwächezustand (deficientem) meistens durch Speise (a cibo) erhalten werde (anim. 6.6.7–11). Aus der Erklärung des Mediziners leitet Tertullian auch die Forderung ab (anim. 6.7.12–14), die er an die Philosophen richtet. Wie also (sicut ergo) Soranus selbst zeige (rebus ostendit), dass sich die Seele durch körperliche Dinge ernähre, so solle auch der Philosoph zeigen (exhibeat), dass sie durch Unkörperliches genährt werde. In einem weiteren Schritt (anim. 6.7.22–23) führt Tertullian auch die Meinung der Stoiker ins Feld, dass die Künste körperlich seien (artes Stoici corporales affirmant). Nach dieser Ansicht sei die Seele auch dann körperlich, wenn man annehme, dass sie auch durch die Künste genährt werde.252 Der folgende Abschnitt wird von einer zweifachen Kritik an der Philosophie eingeleitet. Tertullian kritisiert erstens (anim. 6.8.24–25) „den großen Eifer der Philosophie“ (enormis intentio philosophiae), die meistens (plerumque) gar nicht (nec) auf das vor ihren Füßen (pro pedibus) Liegende zu schauen pflege (solet prospicere). Als Exemplum für diese Haltung nennt er Thales und den Brunnenfall. Zweitens (anim. 6.8.25–27) wirft er der Philosophie vor, wenn sie ihre eigenen Aussprüche (sententias suas) nicht verstehe (non intellegendo), ein Verderben der Gesundheit zu vermuten. Als Exemplum für diese Haltung wird der Stoiker Chrysipp angeführt, der zur Nieswurz gegriffen haben soll.253 Th 222 Tertullian, De anima 6.8 Sed enormis intentio philosophiae solet plerumque nec prospicere pro pedibus (sic Thales in puteum). Solet et sententias suas non intellegendo valetudinis corruptelam suspicari (sic Chrysippus ad elleborum). 252 253 Anim. 6.7.23 Adeo sic quoque anima corporalis, si et artibus ali creditur. Cf. dazu Waszink (1947) 143–144. Tertullian (Th 216–222) 115 Th 222 Tertullian, Über die Seele 6.8 In ihrem gewaltigen Eifer pflegt die Philosophie meist nicht auf die Füße zu schauen (so fiel Thales in den Brunnen). Sie pflegt auch, wenn sie ihre eigenen Meinungen nicht versteht, ein Verderben der Gesundheit zu vermuten (so griff Chrysipp zum Nieswurz). Attribut Brunnenfall Funktion der Bezugnahme Die Bezugnahme auf Thales ist so kurz, dass selbst dessen Sturz in den Brunnen (in puteum) nicht eigens erwähnt wird. Tertullian wird davon ausgehen, dass seinem Leser diese gedrängten Informationen – sic Thales in puteum – genügen, um das Bild des in den Brunnen stürzenden Thales in Erinnerung zu rufen und die damit verbundene Kritik an der Philosophie zu verstehen.254 Mit der an zwei Vertretern exemplifizierten Kritik an der Philosophie leitet Tertullian zu einem interessanten psychologischen Problem über, an dem er die bereits exemplifizierte Weltfremdheit der Philosophie bzw. der Philosophen deutlich macht. Es geht um die Leugnung der Existenz von zwei Körpern in einem (cum duo in unum corpora negavit).255 Die Philosophen, so der Vorwurf Tertullians (anim. 6.8.27–30), seien dabei nicht darauf gekommen, auf die schwangeren Frauen zu achten und an sie zu denken, die täglich nicht nur einen Körper, sondern auch zwei und drei im Bereich einer einzigen Gebärmutter mit sich herumtragen. Die geäußerte Kritik an der Philosophie sowie die exemplarische Bezugnahme auf Thales können also im Vorfeld dieser Argumentation so verstanden werden, dass sie der kritischen Einstimmung des Lesers gegenüber den philosophischen Argumentationen dienen sollen. Zusammenfassung (1) Besonders bemerkenswert sind bei Tertullian erstens die verschiedenen Kontexte, in denen er auf Thales Bezug nimmt: zum einen im Rahmen der apologetisch-polemischen Werke Ad nationes (Th 216–217) und Apologeticum (Th 218–219), zum anderen im häresiologischen und innerchristli254 255 Cf. Waszink (1947) 144: „[…] both Thales and Chrysippus have only been mentioned in passing for the purpose of instancing the foolishness of pagan philosophy; then Tert. returns to philosophy in general (by which, however, he means Platonism in the first place) […].“ Cf. dazu auch Blumenberg (1987) 51–52. Cf. Waszink (1947) 144–145. 116 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert chen Diskurs der Schrift Gegen Marcion (Th 220) sowie in der stärker theologisch-philosophischen Auseinandersetzung Über die Seele (Th 221–222). (2) Im Hinblick auf die von Tertullian verwendeten Attribute zeigt sich, dass die folgenden von besonderer Bedeutung sind: (a) der Brunnenfall des Thales (Th 217, 218, 222), (b) die Frage nach den Göttern (Th 216) oder der Gottheit (Th 218, 219) sowie drittens (c) die Charakterisierung des Thales allgemein als eines Materialisten (Th 220) oder mit einer materialistischen Einstellung im Hinblick auf die Seele (Th 221). (a) Der Brunnenfall des Thales ist nicht nur wegen der eigentümlichen Variante mit dem Ägypter, sondern ebenso wegen der expliziten Verallgemeinerung auf die Philosophie und die Philosophen insgesamt von Interesse („casus eius per figuram !philosoph"os notat“, nat. 2.4.19). (b) Noch markanter ist die in vier Zeugnissen auftauchende Gottesfrage oder die Frage nach den Göttern (Th 216, 218, 219, 220). Dieses Attribut ist nicht zuletzt aufgrund der feinen Unterschiede in den einzelnen Zeugnissen kommentierungswürdig. In Th 216 geht es um die Frage nach der Existenz der Götter (im Plural), d.h. der Frage nach dem Polytheismus und seiner Berechtigung. Die Antwort des Thales, er glaube an „nichts“, charakterisiert Thales als einen Skeptiker oder Agnostiker. In Th 218 (Apologeticum) geht es um die Frage nach der Gottheit, worauf Thales keine bestimmte oder keine gewisse (nihil certum) Antwort zu geben weiß. An diesem Textzeugnis ist von besonderem Interesse die folgende Erklärung, die Tertullian für die unbestimmte Antwort des Thales gibt: die Verwirrung durch die Propheten. Nach der Darstellung Tertullians ist Thales durch den Kontakt mit den Propheten zumindest unsicher in dieser Frage. Zu diesem Erklärungsansatz, der gerade in seiner Pointierung auf den ersten Blick sehr konstruiert oder phantasievoll anmutet, konnte Tertullian jedoch aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Quellen in der griechischen Überlieferung kommen. Angesichts der Informationen über die berichtete Begegnung des Thales mit den Propheten oder Priestern (in Ägypten) in der griechischen Überlieferung (cf. z.B. Flavius Josephus Th 108 und die Sim. ‚ägyptischer Einfluss‘), d.h. angesichts der überlieferten Informationen über Thales sowie der von Tertullian vorgestellten Chronologie, erscheint seine Erklärung im Kontext seiner Zeit plausibel. In Th 219 (Apologeticum) referiert Tertullian die Frage des Kroisos nach der Gottheit und betont zum einen die lange Bedenkzeit des Thales (commeatus deliberandi saepe frustratus); zum anderen deutet er die von Thales gegebene Antwort lediglich an. An dieser Stelle lässt Tertullian den Inhalt der Antwort des Thales offen; doch aus dem weiteren Kontext, dem kontrastiven Vergleich mit der Gotteserkenntnis des christlichen Handwerkers, Tertullian (Th 216–222) 117 geht klar hervor, dass Thales hier wiederum in einer skeptischen oder agnostischen Haltung gezeichnet wird. (c) Auffällig ist nicht zuletzt die Charakterisierung des Thales als eines Materialisten (Th 220) oder (in Th 221) eines Philosophen mit einer materialistischen Einstellung im Hinblick auf die Seele. Beiden Bezugnahmen ist gemeinsam, dass sie für Tertullian als Argumente gegen andere Positionen oder Weltanschauungen dienen: im ersten Fall gegenüber der gnostischen Theologie Marcions und auch im wörtlichen Sinne deren Weltanschauung, im zweiten gegenüber einer Betrachtung der Seele als immateriell. Der für Thales behauptete ‚psychische Materialismus‘ im argumentativen Zusammenhang (über die Seele) entspricht den Erwartungen und dem Interesse Tertullians, der diese philosophische Position gegen eine immaterielle Sichtweise der Seele vorträgt. Es ist festzuhalten, dass sich Tertullian sein sicherlich auch aus griechischen Quellen gespeistes Wissen über Thales zu Nutze macht und dabei seine eigene Argumentation genau im Blick hat. Literatur Alfonsi, L., Talete e l’Egizio, Rivista di Philologia classica 28, 1950, 204–222. Beaujeu, J., Minucius Felix. Octavius, Paris 1964. Becker, C., Tertullians Apologeticum. Werden und Leistung, München 1954. Blumenberg, H., Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie, Frankfurt a. M. 1987. Brague, R., Die Weisheit der Welt, München 2006. Braun, R., Tertullien. Contre Marcion I, SC 365, Paris 1990. Braun, R., Deus Christianorum. Recherches sur le vocabulaire doctrinal de Tertullien, Paris 1977. 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Minucius Felix (Th 229) 119 2.7 Minucius Felix (Th 229) Der Dialog Octavius des Marcus Minucius Felix enthält ein Zeugnis über Thales von Milet.256 Die Bezugnahme auf Thales ist von besonderem Interesse, da sie eine durchaus positive und integrative Sichtweise der griechischen Philosophie bei einem frühen christlichen Autor erkennen lässt. Denn der Octavius steht am Beginn einer neuen Entwicklung in der lateinischen Apologetik. Er wendet sich in der literarischen Form des Dialoges in Anlehnung an Cicero an ein gebildetes, nicht-christliches Publikum, verzichtet aber auf eine nähere Darlegung eigentlich christlicher Glaubensinhalte. Der Erzähler Marcus Minucius Felix und seine Freunde, Octavius Ianuarius, ebenfalls ein Christ, und der Nicht-Christ Caecilius Natalis, sind die Gesprächspartner des Dialoges, der mit dem Übertritt des Caecilius zum Christentum endet. Im ersten Teil des Dialoges (Oct. 5–13) stellt sich Caecilius als Anhänger der skeptischen Richtung der Philosophie vor und kritisiert neben dem Verhalten einiger Atheisten sowohl die christliche Religion als auch deren Anhänger (Oct. 8–13). Im Anschluss an ein kurzes Zwischenspiel („Interludium“, Oct. 14), in dem sich Minucius Felix über die Macht der Rhetorik äußert, folgt die zweite Rede (Oct. 16–38). In dieser versucht der Christ Octavius Ianuarius die gegen die Christen geäußerten Vorwürfe zu widerlegen und für die Überlegenheit der christlichen Lehre und Lebensführung zu argumentieren. Die Funktion des Dialoges ist also sowohl apologetisch als auch protreptisch, wie die Bekehrung des Caecilius Natalis am Ende des Dialoges (Oct. 39–40) veranschaulicht. Kontext zu Th 229 Caecilius Natalis argumentiert in seiner Rede unter anderem für eine mechanistische Kosmologie, die keines planenden oder ‚künstlerischen‘ Gottes bedürfe (Oct. 5.6–9) und die Annahme einer göttlichen Vorsehung ausschließe (Oct. 5.10–13). Dagegen betont der Christ Octavius die Ordnung und Harmonie des Universums, welche die Existenz Gottes beweise und die Annahme einer göttlichen Vorsehung voraussetze (Oct. 17–18). Für die 256 Über die Person und das Leben des Marcus Minucius Felix ist nur sehr wenig bekannt. Die meisten Informationen sind nur aus seiner Schrift Octavius zu gewinnen. Für weiterführende Literatur cf. Windau (1998) 441–442. Zur Textgeschichte des Octavius und einigen textkritischen Problemen cf. Abel (1967) bes. 248–249. Für eine Auswahl an Editionen, Kommentaren und Übersetzungen cf. Pellegrino (1963), Beaujeu (1964), Clarke (1974) 263–265 sowie Kytzler (1965). 120 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Plausibilität seiner Weltanschauung beruft sich Octavius sowohl auf die Dichter als auch auf die Philosophen (Oct. 19–20.1). Bei den Dichtern (poetas) trifft Octavius auf die Vorstellung von einem Gott, der auch als spiritus (Geist) und mens (Verstand) bezeichnet wird.257 Im Anschluss an die Dichter (Oct. 19.3) werden die Philosophen zum Thema der ‚Einheit Gottes‘ befragt. Gehen wir, wenn es genehm ist, die Lehre der Philosophen durch. Du wirst finden, dass sie zwar in der Ausdrucksweise verschieden sind, aber sich dennoch der Sache nach in dieser einen Ansicht zusammenfinden und übereinstimmen. Recenseamus, si placet, disciplinam philosophorum: deprehendes eos, etsi sermonibus variis, ipsis tamen rebus in hanc unam coire et conspirare sententiam.258 Die als „ungeschliffen“ (rudes) und „alt“ (veteres) bezeichneten Philosophen, „die sich wegen ihrer Aussprüche (de suis dictis) den Namen der Weisen (sapientes) erworben haben“, werden an dieser Stelle von Octavius ausgelassen (omitto).259 Die Aufzählung der Philosophen beginnt mit Thales (omnium primus). Er soll als Erster von allen (primus omnium) eine Erörterung über die himmlischen Dinge angestellt haben (disputavit de caelestibus). Auf ihn folgen Anaximenes, Diogenes von Apollonia, Anaxagoras und weitere Philosophen aus der frühgriechischen, klassischen und hellenistischen Zeit, die jeweils mit ihrer Meinung über Gott angeführt werden. Th 229 Minucius Felix, Octavius 19.4–5 (ed. Kytzler) Sit Thales Milesius omnium primus, qui primus omnium de caelestibus disputavit. idem Milesius Thales rerum initium aquam dixit, deum autem eam 257 258 259 Cf. Oct. 19.1–2 Audio poetas quoque unum patrem divum atque hominum praedicantes, et talem esse mortalium mentem, qualem parens omnium diem duxerit. quid? Mantuanus Maro nonne apertius proximius verius „principio“ ait „caelum ac terras“ et cetera mundi membra „spiritus intus alit et infusa mens agitat, inde hominum pecudumque genus“ et quicquid aliud animalium? idem alio loco mentem istam et spiritum deum nominat. haec enim verba sunt: „deum namque ire per omnes terrasque tractusque maris caelumque profundum, unde homines et pecudes, unde imber et ignes.“ quid aliud et a nobis deus quam mens et ratio et spiritus praedicatur? Cf. dazu Beaujeu (1964) 107–108 und Clarke (1974) 263–265. Oct. 19.3. Oct. 19.4 Omitto illos rudes et veteres, qui de suis dictis sapientes esse meruerunt. Minucius Felix (Th 229) 121 mentem, quae ex aqua cuncta formaverit. esto260 altior et sublimior aquae et spiritus ratio, quam ut ab homine potuerit inveniri, a deo traditum; vides philosophi principalis nobiscum penitus opinionem consonare. [5] Anaximenes deinceps et post Apolloniates Diogenes aera deum statuunt infinitum et inmensum; horum quoque similis de divinitate consensio est. Th 229 Minucius Felix, Octavius 19.4–5 Thales von Milet möge zuerst genannt sein, der als Erster von allen eine Erörterung über himmlische Dinge angestellt hat. Eben dieser Thales aus Milet sagte, dass das Wasser das Prinzip aller Dinge sei, Gott aber der Geist, der aus Wasser alles gebildet habe. Gut, eine Theorie von Wasser und Geist, höher und erhabener, als dass sie von einem Menschen erfunden werden könnte; von Gott wurde sie übergeben.261 Du siehst, dass die Meinung des Vaters der Philosophie ganz mit der unsrigen in Einklang steht. [5] Anaximenes darauf und später Diogenes der Apolloniate erklären die Luft für einen unendlichen und unermesslichen Gott; auch sie haben also eine ähnlich übereinstimmende Ansicht über die Gottheit. Attribute Milet Philosoph: Erster und Ältester der Philosophen Prinzip Wasser Gott [als Geist des Kosmos] Gott als Schöpfergeist, der aus Wasser alles gebildet hat Funktion der Bezugnahme Neben der einführenden Charakterisierung des Thales als einen Himmelsforscher werden ihm von Octavius zwei Thesen zugeschrieben: (1) Erstens die Wasserthese (rerum initium aquam); (2) zweitens die These, dass Gott Geist sei (deum autem eam mentem). Diese beiden Thesen werden kombiniert und weiter spezifiziert, insofern Octavius hinzufügt, dass Gott jener 260 261 esto Vahlen: eo cod. Wöhrle (2009) liest mit Vahlen (1970) 651–657, „esto“: „esto altior et sublimior aquae et spiritus ratio, quam ut ab homine potuerit inveniri, a deo traditum.“ Vahlen bemerkt ebd. 656: „Denn dürfte man annehmen, nicht eo, sondern ēo sei geschrieben gewesen, d. i. esto (wie in der Pariser Handschrift selbst ē für est geschrieben wird), so wäre dem Gedankengefüge die einräumende Form gewonnen, nach der wir suchten.“ Clarke (1974) 83, der die Stelle selbst mit einer Crux versieht, übersetzt ähnlich wie Wöhrle (2009): „We must confess that it is a theory of water and spirit at once too profound and too lofty for human discovery; it was taught by God.“ Siehe dazu Buchheit (2006) 350–358. 122 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Geist sei, der alles aus dem Wasser geformt habe (eam mentem quae ex aqua cuncta formaverit). Aufschlussreich ist ein Vergleich dieser Stelle mit Cicero, De natura deorum 1.10.25 = Th 72, genauer mit dem Referat, das der Epikureer Velleius in polemischer Absicht dort gibt:262 Thales enim Milesius, qui primus de talibus rebus quaesivit, aquam dixit esse initium rerum, deum autem eam mentem, quae ex aqua cuncta fingeret: […]. Es folgt zum Vergleich der Text des Octavius 19.4 = Th 229:263 (i) sit Thales Milesius omnium primus, qui primus omnium de caelestibus disputavit. (ii) idem Milesius Thales rerum initium aquam dixit, deum autem eam mentem, quae ex aqua cuncta formaverit. (iii) esto altior et sublimior aquae et spiritus ratio, quam ut ab homine potuerit inveniri, a deo traditum. Vergleicht man die ersten beiden Sätze (i) und (ii) des Octavius mit der Aussage bei Cicero, so könnte man denken, dass die beiden Fassungen nur stilistisch voneinander abweichen.264 Bei diesen Aussagen (i) und (ii) handelt es sich ähnlich wie bei Cicero um eine Verbindung der Wasserthese mit der ‚Gott-ist-Geist‘-These. Die Verbindung dieser beiden Aussagen findet sich in der lateinischen Tradition zum ersten Mal bei Cicero (später auch bei Laktanz Th 254, dagegen Augustinus Th 311). In der griechischen Tradition findet sich die ‚Gott-ist-Geist‘-These (in der Formulierung: L.)« " " ) in der doxographischen Literatur zum ersten Mal bei Ps.-Plutarch, Plac. 1.7 unter der Überschrift T!« ² «.265 262 263 264 265 Für weitere Parallelstellen und mögliche Quelltexte cf. den Kommentar von Clarke (1974) 265 Anm. 236. Cf. Kytzler (1965) 112; einen Überblick zur Textgeschichte bis zur Budé-Ausgabe von Beaujeu (1964) gibt Abel (1967) 248–249, zur oben genannten Stelle 264–266. Es zeigen sich die folgenden Unterschiede: (1) die zwei hervorgehobenen chiastischen Figuren im Octavius: Thales Milesius – Milesius Thales, omnium primus – primus omnium, (2) die unterschiedlichen Verben: quaerere – disputare, fingere – formare (mit Tempuswechsel), (3) an Stelle von de talibus rebus bei Cicero de caelestibus im Octavius, (4) die Wortstellung und die Gliederung der Aussage ist verschieden. Cf. dazu Becker (1967) 10–12. Für eine mögliche Erklärung der Genese der ‚Gott-ist-Geist‘-These cf. Mansfeld/ Runia (2009) 177–180. Cf. auch Ps.-Plutarch Th 149, Athenagoras Th 186, Clemens Minucius Felix (Th 229) 123 In der abschließenden Stellungnahme (iii) des Octavius zeigt sich die Beurteilung der zuvor genannten Aussagen, die Thales zugeschrieben werden.266 Octavius konstatiert zum einen, dass die Theorie des Thales höher und feiner sei (altior et sublimior), als dass sie von einem Menschen (quam ut ab homine) erfunden werden könnte (potuerit inveniri). Mit dieser Aussage weist Octavius darauf hin, dass die Überlegung des Thales nicht von diesem selbst stamme, sondern auf eine Offenbarung Gottes zurückgehe (a deo traditum).267 Als einen möglichen Vergleichstext aus der jüdischchristlichen Tradition ist an den Schöpfungsbericht Gen 1,2 („[…] und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser“) zu denken. Clarke ist der Meinung, dass die Textpassage auch auf „the waters of baptism“ anspiele.268 In seiner abschließenden Äußerung betont Octavius, dass die Meinung (opinionem) des Urhebers der Philosophie (philosophi principalis) ganz (penitus) im Einklang mit der Meinung derjenigen stehe (consonare), die er in diesem weltanschaulichen Diskurs vertrete (nobiscum). Der Sprecher Octavius geht von einer Übereinstimmung zwischen den Vorstellungen auch der folgenden frühgriechischen Philosophen und den christlichen Vorstellungen im Hinblick auf die Einheit Gottes aus. Im Anschluss an Thales werden Anaximenes und Diogenes von Apollonia genannt, welche die Luft für einen unendlichen und unermesslichen Gott erklärt hätten. Auch bezüglich dieser beiden hebt Octavius hervor, dass sie eine ähnlich übereinstimmende Ansicht über die Gottheit haben (similis de divinitate consensio est). Bemerkenswert ist dabei, dass bei der Aufzählung auf Thales nicht Anaximander, sondern Anaximenes folgt. Zuletzt sind zwei weitere Aspekte anzumerken: (1) Erstens ist auf den gewichtigen Unterschied in der Thales-Darstellung des Octavius im Vergleich zu der bei Cicero (Th 72) hinzuweisen. Cicero lässt den Epikureer Velleius die absurden Annahmen und Widersprüche aller Philosophen im Gegensatz zur Lehre Epikurs vortragen; bei Minucius Felix hingegen dient der Ab- 266 267 268 Th 207, Hippolytos Th 210, Laktanz Th 254, Th 258, Eusebius Th 272, Th 275, Aponius Th 338, Kyrill Th 375, Isidor Th 475 und insgesamt die Sim. ‚Gott [als Geist des Kosmos]‘; dagegen Tertullian Th 216, 218, 219 und Augustinus Th 311. Zu dieser Stelle, die verschieden korrigiert und verbessert wurde, cf. Vahlen (1970), Abel (1967) 264–266 und Clarke (1974) 266 Anm. 239 mit weiterführender Literatur. Cf. zum Ausdruck a deo traditum die Überlegungen von Buchheit (2006) 353–354, der annimmt, dass „hinter a Deo traditum […] der biblisch fundierte Glaube“ steht, „dass alle Weisheit von Gott stammt: omnis sapientia a Domino Deo est (Eccl 1,1), ein Fundamentalsatz des frühen Christentums, der immer wieder betont wird, wenn der Wahrheitsgehalt antiker Dichtung und Philosophie zur Diskussion steht“. Cf. Clarke (1974) 266 Anm. 239. 124 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert schnitt nicht der Polemik, sondern soll gerade die Übereinstimmung (consensio/consonare) zwischen den Meinungen der Philosophen und der Lehre der Christen erkennen lassen. (2) Nachdem sich Octavius gegen Ende seiner Auflistung der Philosophen zuletzt mit einem gewissen Enthusiasmus auf Platon und besonders auf dessen Ausführungen im Timaios bezieht, stellt er in Oct. 20.1 fest, dass er die Meinungen fast (ferme) sämtlicher Philosophen von Rang vorgetragen habe, „die alle den einen Gott (deum unum), wenn auch unter vielerlei Namen, gelehrt“ haben.269 Pointiert schließt er seine Darlegung zu den Philosophen mit der folgenden These, die sehr aussagekräftig für sein Verständnis der dem Christentum vorausgehenden griechischen Philosophie ist und sein Selbstverständnis als christlicher Intellektueller näher beleuchtet: Ja, man könnte meinen, die Christen wären die Philosophen von heute, oder die Philosophen wären schon damals Christen gewesen! […] ut quivis arbitretur aut nunc Christianos philosophos esse aut philosophos fuisse iam tunc Christianos.270 Festzuhalten ist, dass Minucius Felix bereits Thales als dem ersten und ältesten der griechischen Philosophen eine geistige Konzeption Gottes zuschreibt und diese mit der Wasserthese zur Vorstellung eines Schöpfergottes verbindet. Literatur Abel, K., Minucius Felix: „Octavius: Das Textproblem“, Rheinisches Museum für Philologie 110, 1967, 248–283. Beaujeu, J., Minucius Felix. Octavius, Paris 1964. Becker, C., Der ‚Octavius‘ des Minucius Felix, München 1967. Buchheit, V., Vergil und Thales bei Minucius Felix, Rheinisches Museum für Philologie 149, 2006, 350–358. Clarke, G. W., Octavius, New York u.a. 1974. Kytzler, B., Octavius, München 1965. Mansfeld, J., Runia, D. T., Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer, Vol 2: The Compendium, Part One, Leiden/Boston 2009. Pellegrino, M., M. Minucii Felicis. Octavius, Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum, Turin 1963. Vahlen, J., Gesammelte philologische Schriften, 1. Teil, Schriften der Wiener Zeit 1858–1874, Berlin/Leipzig 1911, ND Hildesheim/New York 1970. Windau, B., Art. Minucius Felix, LACL, 1998, 441–442. 269 270 Cf. Oct. 20.1 Exposui opiniones omnium ferme philosophorum, quibus inlustrior gloria est, deum unum multis licet designasse nominibus […]. Oct. 20.1. Hermias (Th 230) 125 2.8 Hermias (Th 230) Hermias, Irrisio gentilium philosophorum Die dem ansonsten unbekannten Philosophen Hermias zugeschriebene Verspottung der nicht-christlichen Philosophen (irrisio gentilium philosophorum)271 wird mit einer Anspielung auf ein Zitat aus dem ersten Korintherbrief des Apostels Paulus eingeleitet.272 In seiner Mahnung an die Korinther, dass „die Weisheit dieser Welt Torheit vor Gott ist“ (1 Kor 3,19) soll der Apostel vom Abfall der Engel ausgegangen sein,273 der die Ursache dafür sei, dass die Philosophen untereinander weder Übereinstimmendes noch Einstimmiges in der Darlegung ihrer Lehrsätze ( ) hervorbrächten.274 Dem Genre der Verspottung gemäß verfolgt die Schrift das Ziel, die Meinungen der griechischen Philosophen durchzugehen, um den bestehenden Gegensatz (/) zwischen ihren Lehren bloßzustellen. Ihre Erforschung der Dinge schreite ins End- und Raumlose fort und ihr Ziel (µ .«) sei ohne Begründung und ohne Nutzen ($ λ Ν8), da es sich auf keine feste Tatsache und keine klare Begründung stütze.275 Kontext zu Th 230 Nachdem bereits zu Beginn der Schrift eine Reihe divergierender Ansichten über die Seele und deren Natur aneinandergereiht wurden, wird in polemischem Ton bemerkt: „Wie soll man das nun nennen? Wie mir scheint Gaukelei oder Unverstand oder Wahnwitz oder Streit oder alles zugleich.“276 271 272 273 274 275 276 Griechischer Titel: EMEIOY RIOOROY µ« D=( φ.φ(. Zur Frage, ob die Schrift ursprünglich ein nicht-christliches skeptisches Werk war, zu dem ein christliches Vorwort hinzugefügt wurde, cf. Mansfeld/Runia (1997) 314–315, bes. Anm. 71, Hanson (1993) und Kindstrand (1980). Cf. allgemein zu Hermias Skeb (1998) 283, Waszink (1988) 808–815, Diels (1879) 259–263, Text 649–656, und Mansfeld/Runia (1997) 314–317. Cf. dazu Hanson (1993) Appendix I, L’apostasie des anges, source de la philosophie, 123–128. Cf. irris. 1.4–7 1 0 κ $8κ 9.φ $%µ )« $.( $%!«. ’ b 9! ξ φ( ξ ². ¹ φ.φ %µ« $..&.« .« /! . Cf. irris. 19.1–5 T" ξ ! =). *.« 1= κ / 1« σ / λ ³« 9« Ν% 1« λ $ % π '&« %0( λ µ .« $ λ Ν8, D) ( λ %&.) ( λ .) ( φ1 **. Irris. 4.1–2 T" σ ! 8κ .1; ³« ξ /λ 1, ! ν Ν ν ! ν 0 ν ²" %0. 126 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Hermias fordert: „Wenn sie irgendetwas Wahres gefunden haben, so sollen sie miteinander übereinstimmen oder zusammenstimmen, dann werde auch ich ihnen mit Freude Glauben schenken.“277 Der Hauptteil der Schrift besteht aus einer Präsentation von Meinungen griechischer Philosophen über die Prinzipien der Natur (irris. 6.1 %λ « $8« )« φ(«). Bemerkenswert ist dabei zweierlei: (1) Die jeweilige Meinung oder These eines Philosophen wird zuerst in Kürze als plausibel vorgestellt, um sie dann durch die alternative These des folgenden Philosophen zu relativieren; (2) bei dieser Art der Präsentation von Meinungen griechischer Philosophen wird nicht strikt chronologisch vorgegangen.278 So wird insbesondere Thales nach Protagoras und Pherekydes nach Aristoteles genannt. Nachdem bei Protagoras die Relativität und die Anthropozentrik der Erkenntnis betont wurden, kommt die Rede auf Thales und dessen These vom Wasser als Prinzip. Th 230 Hermias, Irrisio gentilium philosophorum 10 (ed. Hanson) #A..8 L.)« κ $.& ²'« J( " %µ« $8&. Kλ / " " %0 ! λ 9« µ $., λ π ) /%λ J« \81. ! ! κ % L.9 ) ) %*) ( #I;(; #A..’ ² %.!« " #A=!« " " %* $8κ ρ . κ $! ! λ 9 ξ », ξ φ!. Kλ κ ! %µ« #A=!« D(. Th 230 Hermias, Verspottung der heidnischen Philosophen 10 Andernorts nickt mir Thales die Wahrheit zu, indem er das Wasser als das Prinzip des Alls definiert. Und aus dem Feuchten entsteht alles und in das Feuchte löst es sich auf, und die Erde bewegt sich auf dem Wasser. Weshalb also soll ich nicht Thales, dem älteren der Ionier, vertrauen? Aber sein Mitbürger Anaximander sagt, dass die ewige Bewegung ein älteres Prinzip sei als das Feuchte, und dass durch sie das eine entstehe, das andere zugrunde gehe. Und also soll Anaximander vertrauenswürdig sein. 277 278 Irris. 4.2–4 E9 $.ξ« &, ²0( ν (, $Ω Ν« 1« %& […]. Auf Anaxagoras folgen Melissos und Parmenides, Anaximenes, Empedokles, Protagoras, Thales, Anaximander, Archelaos, Platon, Aristoteles, Pherekydes, Leukipp, Demokrit, Heraklit, Epikur, Kleanthes, sodann Karneades und Kleitomachos („welche alle Lehren der übrigen vernichteten“), Pythagoras und Epikur. Hermias (Th 230) 127 Attribute Prinzip Wasser Alle Dinge entstehen aus dem Feuchten und lösen sich wieder ins Feuchte auf Erde ruht auf dem Wasser Ionier Funktion der Bezugnahme Hermias präsentiert die These vom Wasser als Prinzip in Form einer Definition (irris. 10.1 ²'«), die in Kürze expliziert wird: Alles entstehe aus dem Feuchten und es löse sich auch wieder darin auf. Auch bewege sich die Erde auf dem Wasser.279 Hermias stellt nun die rhetorische Frage, weshalb er nicht „Thales, dem älteren der Ionier“ vertrauen solle. Diese beantwortet er mit der als Antithese gegen Thales präsentierten Meinung dessen „Mitbürgers“ Anaximander (irris. 10.4 $..’ ² %.!« "), der Hermias zufolge die ewige Bewegung (irris. 10.5 κ $! !) als früheres Prinzip gegenüber dem Feuchten annehme. Damit scheint der Zweck und das Ziel der Argumentation erfüllt: Die verschiedenen Antworten bezüglich der Prinzipien der Natur dienen dazu, die Inkohärenz der griechischen Philosophen untereinander zu veranschaulichen.280 Mansfeld/Runia kommen zu dem Schluss, dass das Werk des Hermias zwar Material enthalte, das Ähnlichkeit zu Ps.-Justin und Nemesios aufweise und in Verbindung mit der breiteren Placita-Tradition stehe, jedoch keine direkte Verbindung zum Kompendium des Aëtios zeige.281 Wie bereits bei Tatian (orat. 26.2), so findet sich auch bei Hermias (irris. 5.3–7) eine Formulierung, die scheinbar topisch – ohne auf die BrunnenfallAnekdote und den Namen des Thales anzuspielen – Kritik an dem naturphilosophischen und theologischen Interesse sowie der Wissbegierde der Philosophen im Allgemeinen übt: Denn sie besitzen die Kühnheit, um nicht zu sagen die Unverfrorenheit, dass sie, die nicht einmal imstande sind, ihre eigene Seele zu erforschen, Untersuchungen über die Natur der Götter selbst anstellen und sich, obwohl sie über ihren eigenen Körper nichts wissen, um die Natur des Weltalls abmühen. 279 280 281 Cf. dazu Aristoteles Th 27 und die Sim. ‚Erde ruht auf dem Wasser‘. Cf. zu den möglichen Quellen des Hermias Skeb (1998) 283. Cf. Mansfeld/Runia (1997) 314–317, bes. 316–317 mit Verweis auf Hanson (1993) 28–32. Cf. dazu auch Diels (1879) 259–263. 128 Textzeugnisse aus dem 2. und 3. Jahrhundert Kλ !κ" $! D8, o κ κ /%.=! F%(. O¹ κ 9! ?8κ 1 0, '" κ , λ ¹ µ F 9« κ " φ %0'.282 Diese satirische Äußerung veranschaulicht nochmals die Gesamteinschätzung der Philosophen in der Darstellung des Hermias. Es ist festzuhalten, dass der namentlichen Bezugnahme auf Thales und die weiteren Philosophen im Rahmen der Argumentation des Hermias die Funktion zukommt, in polemischer und äußerst verkürzter Form die Meinungsverschiedenheiten unter den Philosophen herauszustellen und so diese selbst sowie ihre Lehrmeinungen zu diskreditieren. Literatur Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Hanson, R. P. C. et al. (Hrsg.), Hermias. Satire des philosophes païens, SC 388, Paris 1993. Kindstrand, J. F., The date and character of Hermias’ Irrisio, VC 34, 1980, 341–357. Mansfeld, J., Runia, D. T., Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer, Vol. 1. The Sources, Leiden/New York/Köln 1997. Skeb, M., Art. Hermias, LACL, 1998, 283. Waszink, J. H., Art. Hermias, RAC 14, 1988, 808–815. 282 Irris. 5.3–7. Hermias (Th 230) 129 3. Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Übersicht der Autoren und Zeugnisse Laktanz Arnobius Eusebius von Cäsarea Ps.-Justin Epiphanios von Salamis Hieronymus Ambrosius Rufinos Insgesamt 42 Zeugnisse Th 254–258 Th 259 Th 260–285 Th 291–292 Th 293 Th 304–308 (= Th 281–285) Th 309 Th 310 130 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert 3.1 Laktanz (Th 254–258) Im Werk des um 250 in Nordafrika in der Nähe von Karthago geborenen Lucius Caecilius Firmianus Lactantius finden sich insgesamt fünf Zeugnisse über Thales.1 Der für seine Nachahmung Ciceros bekannte Laktanz war vermutlich ein Schüler des Arnobius in Sicca Veneria.2 Zwischen 290 und 300 wurde er von Kaiser Diokletian als Lehrer für lateinische Rhetorik (rhetor latinus) nach Nikomedien in Bithynien berufen. Nachdem Laktanz während der diokletianischen Christenverfolgung (Beginn 303) seine Lehrtätigkeit aufgegeben hatte, setzte er sich fortan als Schriftsteller für die christliche Religion ein. Wlosok bemerkt treffend, dass Laktanz gegenüber seinen Vorgängern Tertullian, Minucius Felix und Cyprian, die er selbst nennt, „die apologetische Aufgabe aus seiner besonderen Situation und den Bedürfnissen der Zeit heraus neu konzipiert und in den Institutionen das Programm einer an römische Kreise gerichteten Gebildetenmission, also einer protreptischen Apologetik, aufgestellt und verwirklicht“3 habe. „Dazu gehören das Eingehen auf Vorstellungswelt, Denk- und Redeweise der anderen Seite, die Auseinandersetzung auf literarischer Ebene und dem Bildungsniveau des Gegners.“4 Im Jahre 314/5 wurde er von Konstantin als Erzieher des Crispus nach Gallien (wahrscheinlich Trier) geholt. Hieronymus schreibt dazu in De viris inlustribus: „In seinem hohen Alter war er in Gallien Erzieher des Caesars Crispus, des Konstantinsohnes, der später von seinem Vater umgebracht wurde.“5 In seinem Hauptwerk, den Divinae institutiones (Göttliche Unterweisungen), finden sich insgesamt vier Bezugnahmen auf Thales (Th 254–257).6 Die Kurzform seines Hauptwerkes, die so genannte Epitome,7 enthält hingegen nur ein Zeugnis über Thales (Th 258). 1 2 3 4 5 6 7 Cf. zu Leben und Werk Fàbrega (2008) 795–825 und Wlosok (1989). Cf. Hier. vir. ill. 80 Firmianus, qui et Lactantius, Arnobii discipulus, sub Diocletiano principe accitus cum Flavio grammatico […]. Wlosok (1989) 380. Ebd. 380. Hier. vir. ill. 80 […] Hic in extrema senectute magister Caesaris Crispi, filii Constantini, in Gallia fuit, qui postea a patre interfectus est. Cf. dazu Steinhausen (1951) 126–154. Der Titel lehnt sich an juristische Handbücher wie die Institutiones des Ulpianus oder des Gaius an. Cf. dazu Dammig (1957), Perrin (1987) und Opelt (1962) 944–973. Laktanz (Th 254–258) 131 Laktanz, Divinae Institutiones In den Divinae institutiones bezieht sich Laktanz in drei Büchern insgesamt vier Mal auf Thales: Im ersten Buch Über die falsche Religion (de falsa religione), im zweiten, das Von der Quelle des Irrtums (de origine erroris) handelt, sowie im vierten Buch, in dem er seine Überlegungen Über die wahre Weisheit und Religion (de vera sapientia et religione) ausführt.8 Das Werk, das sich an „ein breites, intellektuell interessiertes Publikum von Christen und Heiden (inst. 5.1.8f.)“9 wendet, verfasste Laktanz während der Großen Verfolgung (303–313); die genaue Datierung ist jedoch umstritten.10 Kontext zu Th 254 Im ersten Buch der „göttlichen Unterweisungen“ handelt Laktanz von der falschen Religion (de falsa religione). Zu Beginn des fünften Kapitels (inst. 1.5.1) betont er, dass er bei seiner Beweisführung (probatio) auf die Zeugnisse der Propheten verzichten und diese vollkommen übergehen wolle (omittamus sane testimonia prophetarum), da ihnen wenig Glauben geschenkt werde.11 Stattdessen möchte er (inst. 1.5.2) sich den Autoren (auctores), den Dichtern und Philosophen, zuwenden und eben diese zum Erweis der Wahrheit (ad ueri probationem) als Zeugen zitieren (testes citemus), die man gewöhnlich gegen die Christen (contra nos) gebrauche (uti solent).12 Laktanz vertritt dazu die folgende These (inst. 1.5.2): Aus diesen müssen wir den einen Gott beweisen, nicht weil jene die Wahrheit als erkannte in ihrem Besitz gehabt hätten, sondern weil die Kraft der Wahrheit selbst so groß ist, dass niemand so blind sein kann, den sich seinen Augen aufdrängenden göttlichen Glanz nicht zu sehen. ex his unum Deum probemus necesse est, non quod illi habuerint cognitam ueritatem, sed quod ueritatis ipsius tanta uis est, ut nemo possit esse tam caecus, quin uideat ingerentem se oculis diuinam claritatem. 8 9 10 11 12 Zu einer Gesamtgliederung der Institutiones sowie der einzelnen sieben Bücher cf. Pichon (1901) 267–283, bes. 275–279. Fàbrega (2008) 797. Cf. ebd. 797. Cf. inst. 1.5.1 Sed omittamus sane testimonia prophetarum, ne minus idonea probatio uideatur esse de his quibus omnino non creditur. Cf. inst. 1.5.2 ueniamus ad auctores et eos ipsos ad ueri probationem testes citemus, quibus contra nos uti solent, poetas dico ac philosophos. 132 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Obwohl die Dichter (inst. 1.5.3) in ihren Liedern (carminibus) die Götter verherrlichten (ornauerint) und ihre Taten (eorum res gestae) mit höchstem Lob rühmten (amplificauerint), hätten sie sich dennoch (tamen) nach der Einschätzung des Laktanz sehr oft (saepissime) dazu bekannt (confitentur), dass durch einen Hauch oder Geist (spiritu uel mente una) alles zusammengehalten und regiert werde (contineri regique omnia). Somit befasst sich Laktanz, ähnlich wie Minucius Felix im Octavius 19.1–2, zuerst mit den Dichtern, jedoch insgesamt um einiges ausführlicher. Während Laktanz auf die griechischen Dichter Orpheus, Homer und Hesiod sowie die lateinischen Dichter Vergil und Ovid eingeht, bezieht sich Minucius Felix im Octavius 19.2 lediglich auf Vergil („Mantuanus Maro“) und drei Textpassagen aus seinen Werken.13 Bereits bei Orpheus (inst. 1.5.4–7), dem ältesten der Dichter (uetustissimus poetarum) und „einem Zeitgenossen der Götter selbst“ (aequalis ipsorum deorum) kann Laktanz Tendenzen eines Henotheismus ausmachen.14 Bei Homer (inst. 1.5.8) hingegen stellt er fest, dass dieser nichts zur Annäherung an die Wahrheit beitragen könne, da er eher über Menschliches als über Göttliches geschrieben habe.15 Auch Hesiod (inst. 1.5.8–10) könne trotz seines Werkes, das er über die Entstehung der Götter (deorum generationem) verfasst habe, nichts beitragen, weil er nicht von einem Schöpfergott ausging (non a deo conditore sumens exordinum), sondern vom Chaos (sed a chao), von dem er jedoch nicht weiter erklärte (explanare), woher, wann und wie (unde quando quomodo) dieses selbst zu sein oder zu bestehen angefangen habe. Der lateinische Dichter Vergil hingegen (inst. 1.5.11–12), den Laktanz als „Ersten der Unseren“ (nostrorum primus) bezeichnet,16 sei nicht weit von der Wahrheit entfernt gewesen (non longe afuit 13 14 15 16 Cf. zum Verhältnis des Laktanz zur Dichtung Messmer (1974), Goulon (1978) 107–152, bes. 122ff. und Diskussion 153–156, Hose (2006) 81–84, 88 sowie zu seiner Poetologie und apologetischen Strategie bezüglich der Dichterzitate die Untersuchung von Walter (2006) 96–129. Cf. dazu inst. 1.5.4 […] deum uerum et magnum %( appellat, quod ante ipsum nihil sit genitum, sed ab ipso sint cuncta generata. eundem etiam R0 nominat, quod cum adhuc nihil esset, primus ex infinito apparuerit et extiterit. Inst. 1.5.6 […] natura igitur et ratione ducente intellexit esse praestantissimam potestatem, caeli ac terrae conditricem. Inst. 1.5.7 […] haec eum ratio perduxit ad deum illum primogenitum, cui adsignat et tribuit principatum. Cf. dazu Walter (2006) 125–126 Anm. 143. Cf. inst. 1.5.8 Homerus nihil nobis dare potuit quod pertineat ad ueritatem, qui humana potius quam diuina conscripsit. Cf. dazu Courcelle (1964) 34–42. Laktanz (Th 254–258) 133 a ueritate), insofern er (inst. 1.5.11) den höchsten Gott (de summo deo) als Geist (mentem) und Hauch (spiritum) bezeichnet habe (nominauit).17 Schließlich spreche auch Ovid (inst. 1.5.13) davon, dass die Welt (mundum) von Gott, den er „Bildner der Welt“ (fabricatorem mundi) und „Werkmeister der Dinge“ (rerum opificem) nenne, erstellt worden sei. Zusammenfassend stellt er zu den Dichtern fest (inst. 1.5.14): Wenn Orpheus oder diese Unsrigen das, was sie durch die Führung der Natur erkannt haben, beständig verteidigt hätten, hätten sie dieselbe Lehre, der wir folgen, wenn sie die Wahrheit ganz erfasst hätten, festgehalten. quodsi uel Orpheus uel hi nostri quae natura ducente senserunt in perpetuum defendissent, eandem quam nos sequimur doctrinam comprehensa ueritate tenuissent. Im Anschluss an die Dichter kommt Laktanz in inst. 1.5.15 auf die Philosophen zu sprechen.18 Er hebt hervor, dass ihr Ansehen (auctoritas) gewichtiger (grauior) und ihr Urteil (iudicium) sicherer (certiusque) sei. Für diese Auffassung liefert er die folgende Begründung: Von den Philosophen glaube man (creduntur), dass sie nicht „fiktive“ oder „erdichtete“ Gegenstände erforschten, sondern sich vielmehr ernsthaft um die Erforschung der Wahrheit bemühten (inuestigandae ueritati studuisse). Thales von Milet wird als erster der Philosophen angeführt. Th 254 Laktanz, Divinae institutiones 1.5.15–16 (ed. Heck/Wlosok) Sed hactenus de poetis. ad philosophos ueniamus, quorum grauior est auctoritas certiusque iudicium, quia non rebus commenticiis, sed inuestigandae ueritati studuisse creduntur. [16] Thales Milesius qui unus e septem sapientium numero fuit quique primus omnium quaesisse de causis naturalibus traditur, aquam esse dixit ex qua nata sint omnia, deum autem esse 17 18 Cf. inst. 1.5.11 nostrorum primus Maro non longe afuit a ueritate, cuius de summo deo, quem mentem ac spiritum nominauit, haec uerba sunt (Verg. Aen. 6.724–727): „principio caelum ac terras camposque liquentis lucentemque globum lunae Titaniaque astra spiritus intus alit totamque infusa per artus mens agitat molem et magno se corpore miscet.“ Cf. den Philosophenkatalog inst. 1.5.15–23 mit Min. Fel. Oct. 19.3–10. 134 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert mentem quae ex aqua cuncta formauerit. ita materiam rerum posuit in umore, principium causamque nascendi constituit in deo. Th 254 Laktanz, Göttliche Unterweisungen 1.5.15–16 Aber soweit zu den Dichtern. Kommen wir zu den Philosophen, deren Autorität von größerem Gewicht und deren Urteil zuverlässiger ist, weil man meint, dass sie sich nicht um fiktive Dinge, sondern um die Erforschung der Wahrheit bemüht haben. [16] Thales von Milet, der einer aus der Zahl der Sieben Weisen war und der als Erster über die Ursachen in der Natur geforscht haben soll, sagte, dass es das Wasser sei, aus dem alle Dinge entstanden seien, dass Gott aber der Geist sei, der alles aus dem Wasser gebildet habe (vgl. Th 72). So verlegte er den Stoff der Dinge in die Feuchtigkeit, und das Prinzip und die Ursache ihrer Entstehung legte er in Gott. Attribute Philosoph Milet Einer der Sieben Weisen Naturphilosoph Erforschung der Ursachen in der Natur Prinzip Wasser: Wasser als Grundstoff, aus dem alles hervorgegangen ist Gott: Gott-ist-Geist-These Schöpferthese: Gott hat als Geist alles aus dem Wasser gebildet Materie der Dinge liegt in der Feuchtigkeit Prinzip und Ursache der Entstehung liegen in Gott Funktion der Bezugnahme Die Ähnlichkeiten der Textstelle sowohl mit der Textpassage aus Ciceros De natura deorum (Th 72) als auch dem Octavius des Minucius Felix (Th 229) sind offensichtlich. Thales wird zuerst in seiner ‚Brückenstellung‘ als einer der Sieben Weisen (unus e septem sapientium) und als der Erste von allen (primus omnium) bezeichnet, der über die Ursachen in der Natur (de causis naturalibus) Fragen angestellt oder geforscht habe (quaesisse). Das, was Laktanz berichtet, werde so überliefert (traditur). Wichtig ist jedoch, im Folgenden darauf zu achten, was Laktanz ausdrücklich oder in anderer Weise als Cicero und Minucius Felix artikuliert, sowie auf das, worüber er schweigt. Denn das Besondere des folgenden Referates bei Laktanz besteht gerade darin, dass er zwar bereits bekannte Elemente aus der lateinischen Überlieferung zu Thales anführt, jedoch diese dem übergeordneten Ziel und Zweck seiner Argumentation anpasst. Laktanz (Th 254–258) 135 (1) Zwar referiert Laktanz die These, dass alle Dinge aus dem Wasser entstanden sind (aquam esse dixit ex qua nata sint omnia), doch bezeichnet er das Wasser dabei – im Gegensatz zu Cicero (Th 72) und Minucius Felix (Th 229) – ausdrücklich nicht als initium rerum (Cicero) oder rerum initium (Minucius Felix), d.h. als Anfang oder Ursprung der Dinge. (2) In einem zweiten Schritt äußert er sich fast im gleichen Wortlaut wie Cicero und Minucius Felix über die theologische Aussage, die Thales zugeschrieben wird: dass Gott der Geist sei, der aus dem Wasser alles gebildet habe (deum autem mentem quae ex aqua cuncta formauerit). Während Cicero (Th 72) das Verb fingere (formen, gestalten, bilden) in der Imperfektform fingeret verwendet, benutzen die beiden christlichen Autoren hingegen das Verb formare (gestalten, bilden, ordnen) in der Perfektform (formauerit).19 (3) Von besonderem Interesse ist die Erläuterung, die Laktanz auf die Gott-ist-Geist-These und die Gott-ist-Schöpfer-These folgen lässt. Sie wird mit ita eingeleitet: Ita materiam rerum posuit in umore, principium causamque nascendi constituit in Deo.20 Laktanz schreibt Thales in seiner Erläuterung ausdrücklich einen MaterieGeist-Dualismus zu: a) materia rerum: b) principium causamque nascendi: Feuchtigkeit, Wasser Gott als mens (Geist) D.h. als Stoff oder Materie (materia rerum) wird gemäß Laktanz die Feuchtigkeit bestimmt, das Prinzip und die Ursache des Entstehens (principium causamque nascendi) hingegen wird Gott zugeschrieben. In dieser differenzierenden Erläuterung, die sich so weder bei Cicero noch bei Minucius Felix findet, liegt der Beitrag des Laktanz. Die Aussage des Laktanz hat die größte Ähnlichkeit mit der Äußerung des Stobaios (Th 340), der Thales wie Ps.Plutarch (Th 149, Lemma 1.7 !« / ² «) zwar zuschreibt, dass Gott der Geist des Kosmos sei, jedoch im Unterschied zu diesem die Äußerung anschließt, dass „das elementartige Feuchte eine Kraft“ durchdringe, „die es in Bewegung setze“.21 19 20 21 Becker (1967) 11 Anm. 13 bemerkt zum Tempuswechsel, dass das Perfekt formauerit vielleicht auf den einmaligen Schöpfungsvorgang hinweisen könnte. Inst. 1.5.16. Stobaios Anth. 1.1.29b = Th 340. Cf. dazu auch die Sim. ‚Gott [als Geist des Komsos]‘. 136 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Bemerkenswert für den argumentativen Zusammenhang des Laktanz ist, dass er in seinem Referat klar herausstellt, dass Thales von einem Gott als Geist (mens) ausgegangen sein soll. Es ist weiter wichtig zu sehen, dass Laktanz im darauffolgenden Kontext in einem ersten Fazit (inst. 1.5.21) darauf aufmerksam macht,22 dass zwar die Lehre aller Philosophen unsicher (incerta) sei, sie jedoch alle darin übereinstimmten (consentiant), dass es eine Vorsehung gebe (prouidentiam unam).23 Laktanz gibt dazu die folgende Begründung (inst. 1.5.21): Denn man mag es Natur oder Äther oder Sinn oder Verstand oder Schicksalsnotwendigkeit oder göttliches Gesetz oder irgendetwas anderes nennen, es ist dasselbe, was von uns Gott genannt wird. siue enim natura siue aether siue ratio siue mens siue fatalis neccessitas siue diuina lex siue quid alius dixeris, idem est quod a nobis dicitur deus. * Kontext zu Th 255 Im zweiten Buch handelt Laktanz Über den Ursprung des Irrtums (de origine erroris).24 In inst. 2.9.1 äußert er, dass er sich in diesem Kapitel der göttlichen Schöpfung der Welt (ad divinam mundi fabricam) zuwende, die in den geheimnisvollen Schriften der heiligen Religion überliefert werde (in arcanis religionis sanctae litteris traditur). Der französische Übersetzer Monat bemerkt zur Grundstruktur des Kapitels: „Tout au long de ce chapitre, Lactance présente un monde créé par Dieu sur un modèle binaire, composé de couples d’éléments fondamentaux et antagonistes.“25 Im unmittelbaren Kontext der Bezugnahme auf Thales geht es um die Entstehung aller Dinge. Laktanz vertritt die These (inst. 2.9.15), dass es zwei grundlegende Prinzipien (duo illa principalia) gebe: die Wärme/Hitze (calor) einerseits und die Feuchtigkeit (umor) andererseits, wobei beide unterschiedliche und einander entgegengesetzte Vermögen besäßen. Gott habe diese in wunder22 23 24 25 Cf. inst. 1.5.21 horum omnium sententia quamuis sit incerta, eodem tamen spectat, ut prouidentiam unam esse consentiant. Zur natürlichen Gotteserkenntnis bei Laktanz cf. Bender (1983). Zur Absicht des zweiten Buches cf. inst. 2.1.1 […] hic secundus liber fontem ipsum patefaciet errorum causasque omnes explicabit, quibus decepti homines et primitus deos esse crediderint et postmodum persuasione inueterata in susceptis prauissime religionibus perseuerarint. Monat (1987) 138 Anm. 2. Cf. dazu auch Perrin (1981) 352–356. Laktanz (Th 254–258) 137 barer Weise (mirabiliter) ersonnen (excogitauit), um alle Dinge entstehen und erhalten zu lassen (ad sustentanda et gignenda).26 Weiter bemerkt er (inst. 2.9.16), dass sich die Kraft Gottes (uirtus dei) in der Hitze und im Feuer (in calore et igni) befunden habe. Nichts (nec) hätte jedoch entstehen (nasci) noch (nec) erhalten (cohaerere) bleiben können, ohne sogleich (statim) durch eine Verbrennung (conflagratione) getötet zu werden, wenn Gott nicht (nisi) die Glut und Kraft durch Hinzumischung von feuchter und kalter Materie (umoris ac frigoris materia) temperiert hätte (temperasset). Aus diesem Grund (unde), so behauptet Laktanz (inst. 2.9.17), hätten sowohl gewisse Philosophen wie Dichter davon gesprochen (dixerunt), dass die Welt (mundum) aus einer discordi concordia, einer „Einheit der Gegensätze“, bestehe (constare).27 Doch den Grund dafür hätten sie ganz und gar nicht gesehen (sed rationem penitus non uidebant). Im Anschluss an diese These führt Laktanz die Prinzipienannahmen des Heraklit und des Thales an (inst. 2.9.18): Nach Heraklit seien alle Dinge (omnia) aus Feuer hervorgegangen (ex igni nata esse), nach Thales jedoch aus dem Wasser (ex aqua). Laktanz urteilt, dass jeder von den beiden (uterque) frühgriechischen Philosophen zwar etwas sah (uidit aliquid), sich aber dennoch ein jeder von beiden (uterque) irrte (errauit). Er begründet (quod) sein Urteil ausgehend von der folgenden Annahme über die beiden Elemente „Wasser“ und „Feuer“: Wenn nur (si solum) eines von beiden (alterutrum) existiert hätte (fuisset), hätte weder (neque posset) Wasser aus Feuer, noch umgekehrt (nec rursus) Feuer aus Wasser entstehen können (nasci posset). Laktanz hält die Ansicht für wahrscheinlicher (uerius), dass alle Dinge (cuncta) zusammen aus einer Mischung der beiden (simul ex utroque permixto) erzeugt werden (generari).28 26 27 28 Cf. inst. 2.9.15 duo igitur illa principalia inueniuntur, quae diuersam et contrariam sibi habent potestatem, calor et umor, quae mirabiliter deus ad sustentanda et gignenda omnia excogitauit. Zu beachten ist die Hysteron-Proteron-Stellung ad sustentanda et gignenda. Cf. dazu Perrin (1981) 354. Die Argumentation gegenüber der Annahme des Heraklit und des Thales ist mit dieser ersten Annahme (inst. 2.9.18, si) noch nicht beendet. Laktanz begründet im folgenden Kontext (inst. 2.9.19), dass sich das Feuer nicht mit dem Wasser verbinden könne, da sich die beiden Elemente feindlich seien (quia sunt utraque inimica). Mit einer zweiten Annahme (inst. 2.9.19) behauptet er: Angenommen (si), die beiden Elemente kämen in Kontakt miteinander (comminus uenerint), überrage (superauerit) notwendigerweise (necesse est) eines von den beiden (alterutrum) das andere und verzehre es (conficiat). Es sei jedoch möglich, dass sich ihre Substanzen (eorum substantiae) vermischen (permisceri possunt), da die Substanz des Feuers die Hitze/Wärme (substantia ignis calor est), diejenige des Wassers das Feuchte (aquae umor) sei. 138 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Th 255 Laktanz, Divinae institutiones 2.9.18 (ed. Heck/Wlosok) Heraclitus ex igni nata esse dixit omnia, Thales ex aqua. uterque uidit aliquid, sed errauit tamen uterque, quod alterutrum si solum fuisset, neque aqua nasci posset ex igni neque rursus ignis ex aqua. sed est uerius simul ex utroque permixto cuncta generari. Th 255 Laktanz, Göttliche Unterweisungen 2.9.18 Heraklit sagte, dass aus dem Feuer alle Dinge entstanden seien, Thales aus dem Wasser. Jeder sah etwas, aber dennoch irrte jeder. Wenn nur ein Element existiert hätte, könnte weder das Wasser aus dem Feuer noch umgekehrt Feuer aus dem Wasser entstehen. Es ist aber wahrscheinlicher, dass alle Dinge aus einer Mischung der beiden erzeugt werden. Attribut Prinzip Wasser Funktion der Bezugnahme Durch die Bezugnahme auf Thales und Heraklit sowie deren Prinzipienannahmen veranschaulicht Laktanz im Rahmen seiner Argumentation, wie bereits zwei frühgriechische Philosophen seines Erachtens von einer partiell zwar richtigen Ansicht ausgingen, jedoch zugleich irrten, indem sie diese, nur eingeschränkt richtige Ansicht vertraten, die von Laktanz als einseitig und unhaltbar vorgestellt wird. Der von Laktanz konzipierte Widerspruch zwischen den beiden Prinzipienannahmen (Wasser) des Thales und (Feuer) des Heraklit basiert (inst. 2.9.19) auf der Unterscheidung zwischen (a) Feuer und Wasser als Prinzipien einerseits, die nicht gegenseitig auseinander hervorgehen können, weil sie sich feindlich gesinnt sind, und (b) den Substanzen (substantiae) des Feuers bzw. des Wassers andererseits, die sich als Hitze (calor als Substanz des Feuers) und Feuchtigkeit (umor als Substanz des Wassers) miteinander verbinden können. Unmittelbar im Anschluss an diese Distinktionen zitiert Laktanz (inst. 2.9.20) vier Verse aus den Metamorphosen Ovids (Met. 1.430–433), in denen dieser nach Laktanz „auf richtige Art und Weise“ (recte igitur Ouidius) über die Zusammensetzung der Welt aus einer Mischung des Feuchten (umor) und der Hitze/Glut (calor) sowie von einer discors concordia, einer zwieträchtigen Eintracht, spricht: Denn es befruchten sich ja, wenn die richtige Mischung gefunden, Feuchte und Glut Laktanz (Th 254–258) 139 und entsteht aus diesen beiden doch alles. Und, ist das Feuer dem Wasser auch feind, so schafft doch die feuchte Wärme alles und frommt zwieträchtige Eintracht Geburten.29 quippe ubi temperiem sumpsere umorque calorque, concipiunt et ab his oriuntur cuncta duobus. cumque sit ignis aquae pugnax, uapor umidus omnes res creat et discors concordia fetibus apta est. * Kontext zu Th 256 Das dritte Buch der Divinae institutiones, das zwei Zeugnisse über Thales enthält, handelt Von der falschen Weisheit (de falsa sapientia). Laktanz setzt sich darin zuerst mit dem Begriff der Philosophie, darauf mit den Meinungen der Philosophen und den verschiedenen Schulen zur Erkenntnis, Moralphilosophie, vor allem der Frage nach dem höchsten Gut (summum bonum), und zur Logik auseinander. In inst. 3.11.2 konstatiert er, dass der Mensch nach seiner von Gott gewollten Natur nach zwei Dingen streben und verlangen solle, nach Religion und Weisheit (religionis et sapientiae).30 Doch begingen die Menschen einen Fehler (falluntur), weil sie entweder (aut) die Religion verteidigten (religionem suscipiunt) und sich unachtsam gegenüber der Weisheit verhielten (omissa sapientia), oder (aut) weil sie sich nur um die Weisheit bemühten (sapientiae soli student) und die Religion außer Acht ließen (omissa religione), obgleich das eine nicht ohne das andere (cum alterum sine altero) wahr sein könne (uerum esse non possit). In inst. 3.13 wird Cicero, den Laktanz zuvor als „den größten Autor der römischen Sprache“ (ipse ille Romanae linguae summus auctor) bezeichnet, unter anderem für sein überschwängliches Lob der Philosophie in den Tusculanen (Tusc. 5.5) kritisiert. Im Anschluss an diese Kritik kommt Laktanz auf Lukrez (inst. 3.14.1) zu sprechen, der sowohl gelobt als auch getadelt wird.31 Lukrez gehe einerseits im Vergleich zu Cicero „richtiger“ (rectius itaque Lucretius) vor, weil er denjenigen preise (cum eum laudat), der die Weisheit 29 30 31 Ovid Met. 1.430–433. Übersetzung Rösch (1961). Cf. inst. 3.11.2 naturam hominis deus hanc esse uoluit, ut duarum rerum cupidus et appetens esset, religionis et sapientiae. Cf. allgemein zum Verhältnis des Laktanz zu Lukrez Pichon (1901) 237–239 und Hagendahl (1983) 45, sowie zur Epikurrezeption bei Laktanz Althoff (1999). 140 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert als Erster erfunden habe (qui sapientiam primus inuenit); andererseits sei seine Überlegung unpassend (sed hoc inepte), weil (quod) er geglaubt habe (putauit), dass die Weisheit von einem Menschen erfunden worden sei (ab hominem inuentam). Th 256 Laktanz, Divinae institutiones 3.14.4–6 Sed ille ut hominem laudauit, qui tamen ob id ipsum deberet pro deo haberi, quod sapere inuenerit. nam sic ait: ‚nonne decebit hunc hominem numero diuum dignarier esse?‘ [5] unde apparet aut Pythagoram uoluisse laudare, qui se primus ut dixi philosophum nominauit, aut Milesium Thalen, qui de rerum natura primus traditur disputasse. Th 256 Laktanz, Göttliche Unterweisungen 3.14.4–6 Aber er [Lukrez] pries ihn wie einen Menschen, der doch gerade deswegen für einen Gott gehalten werden müsste, weil er die Weisheit fand; denn er sagt: „wird sich’s nicht ziemen dass in der Götter Zahl dieser Mann gewürdiget werde?“ [Lukrez, De rerum natura 5.50f.] Daher hat er offenbar entweder Pythagoras preisen wollen, der sich, wie gesagt, als Erster Philosoph genannt hat, oder Thales von Milet, der sich als Erster über die Natur der Dinge ausgelassen haben soll. Attribute Milet Naturphilosoph: Thales forscht als Erster über die Natur der Dinge Funktion der Bezugnahme Laktanz macht Lukrez den Vorwurf, dass er den Erfinder der Weisheit wie einen Menschen gelobt habe (ut hominem laudauit), der doch gleichwohl (tamen) für einen Gott gehalten werden müsse (deberet pro deo haberi), weil er das Wissen erfand (sapere inuenerit). An diesen Vorwurf schließt sich das Zitat aus Lukrez (de rer. nat. 5.50b-51). Laktanz kommentiert diese Aussage folgendermaßen: Lukrez habe an dieser Stelle offenbar (apparet) entweder (aut) Pythagoras preisen wollen, der sich als Erster Philosoph genannt habe (qui se primus […] philosophum nominauit), oder (aut) Thales von Milet, der sich als Erster über die Natur der Dinge ausgelassen haben soll (de rerum natura primus traditur disputasse). Laktanz Laktanz (Th 254–258) 141 kritisiert im Anschluss an dieses Zitat, dass Lukrez, insofern er den Menschen zu erheben suchte, die Sache selbst erniedrigt habe. Denn die Weisheit sei nicht groß, wenn sie von einem Menschen entdeckt werden konnte. Beide Bezugnahmen auf Lukrez und das fünfte Buch von De rerum natura entstammen dem Proömium (de rer. nat. 5.1–90), das Lukrez einem Lobpreis Epikurs widmet.32 An beiden Stellen wird im ursprünglichen Kontext bei Lukrez auf Epikur angespielt, der erstens einem Gott gleiche (de rer. nat. 5.6–8), zweitens aufgrund seiner Leistungen unter die Zahl der Götter gezählt werden solle (de rer. nat. 5.50b-51). Diese Hintergrundinformationen genügen, um zu verstehen, wie Laktanz durch seine Kommentierung der zweiten Textpassage aus Lukrez (de rer. nat. 5.50b-51) eine andere Leseweise dieser Verse konstruiert: Nach Laktanz handelt es sich bei dem Menschen, der „in der Götter Zahl […] gewürdiget werde“, offensichtlich (apparet) entweder (aut) um Pythagoras oder (aut) Thales. Seine Äußerung über Pythagoras bezieht sich auf die zu Beginn des dritten Buches (cf. inst. 3.2.6) gemachte Äußerung über den Erfinder des Namens „Philosophie“.33 Der alternativ zu Pythagoras genannte Thales wird wie in Th 254 (cf. auch Th 257) als erster angeführt, der sich über die Natur der Dinge ausgelassen haben soll. Welche Funktion hat die Bezugnahme auf die beiden frühgriechischen Philosophen im Zusammenhang mit dem Zitat aus Lukrez (de rer. nat. 5.50b-51)? Für die Verse, die bei Lukrez fester Bestandteil des Lobes auf Epikur sind, bietet Laktanz eine Leseweise und Interpretation, bei der Epikur überhaupt nicht erwähnt wird, sondern an seiner Stelle die zwei frühgriechischen Philosophen angeführt werden. Laktanz passt also das Zitat an seinen Kontext an. Diese Technik ermöglicht es ihm, Kritik sowohl an Lukrez als auch an den frühgriechischen Philosophen zu üben. Denn indem Laktanz bemerkt, dass es keine große Sache sei, wenn die Weisheit von einem Menschen entdeckt worden wäre (non est enim magna, si ab homine potuit inueniri), gibt er zweierlei zu erkennen: erstens, dass er die Auffassung des Lukrez über die Rolle Epikurs im Hinblick auf die Weisheit an dieser Stelle ignoriert, und zweitens, dass die Auffindung der Weisheit gemäß der griechischen Tradition ebenfalls nicht die Wahrheit enthält. Dass die 32 33 Cf. zur Gliederung des fünften Buches Erler (1994) 425–427. Cf. inst. 3.2.6 immo uero Pythagoras, qui hoc primus nomen inuenit, cum paulo plus saperet quam illi priores qui se sapientes putauerant, intellexit nullo humano studio posse ad sapientiam perueniri et ideo non oportere incomprehensae atque imperfectae rei perfectum nomen imponi. itaque cum ab eo quaereretur quemnam se profiteretur, respondit philosophum, id est quaesitorem sapientiae. 142 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert von Laktanz geäußerte Kritik an Lukrez nicht zu streng bewertet werden sollte, darauf verweist seine Aussage in inst. 3.14.7, Lukrez solle vergeben werden, da er ein Dichter sei.34 * Kontext zu Th 257 Im Zusammenhang mit der zweiten Bezugnahme auf Thales geht es in inst. 3.16.10 um die beiden Begriffe Weisheit (sapientia) und Philosophie (philosophia), deren Stellenwert Laktanz in Auseinandersetzung unter anderem mit ausgewählten Passagen aus Ciceros Dialog Hortensius erörtert.35 Zu bemerken ist, dass der literarischen Figur des Hortensius in dem gleichnamigen, nur fragmentarisch erhaltenen Dialog Ciceros die Rolle eines Kritikers der Philosophie zukommt.36 Im vorausgehenden Kontext der Bezugnahme auf Thales bezeichnet Laktanz die Philosophie als eine „Erfindung des menschlichen Denkens“ (humanae cogitationis inuentio est). Er vertritt die These, dass die Christen die Weisheit (sapientiam) verteidigten (defendimus), weil sie eine göttliche Überlieferung sei (quia diuina traditio est). Darüber hinaus bezeugten die Christen (testamur), dass diese Weisheit von allen angenommen werden solle (eamque ab omnibus suscipi oportere). Im Hinblick auf die Figur des kritischen Hortensius, der im ciceronischen Dialog die Philosophie beseitige und nichts Besseres an ihre 34 35 36 Cf. inst. 3.14.7 uerum potest ut poetae dari uenia. Für die Zeugnisse aus Ciceros Dialog Hortensius im dritten Buch der Institutiones divinae des Laktanz cf. Straume-Zimmermann (1990): Zeugnis 18 (Grilli 55) = Lact. inst. 3.16.3–6, Zeugnis 49 (Grilli 54) = Lact. inst. 3.16.7–11 und Zeugnis 52 (Grilli 52) = Lact. inst. 3.16.12–16 = Th 257 sowie die Einzelkommentierung bei Grilli (1962). Allgemein zum Verhältnis von Laktanz zu Cicero cf. Pichon (1901) 246–266. Zum dritten Buch der inst. bemerkt Pichon ebd. 259: „Dans le livre III, Lactance est presque toujours d’accord avec Cicéron, malgré les éloges excessifs que celui-ci donne à la philosophie. C’est qu’à côté de ces éloges, – le pour et le contre se coudoyant sans cesse chez lui, – il y a les objections de l’Hortensius, la satire des vices des philosophes dans les Tusculanes […], toutes choses que Lactance ramasse pour les tourner à son dessin.“ Cf. dazu die Werkbeschreibung des Hortensius von Gawlick (1994) 1050. Gawlick bemerkt ebd. zu den Argumenten, die Hortensius vorgebracht haben soll: „Die Philosophie ist im Gegensatz zur Rhetorik nutzlos; sie ist auch überflüssig, weil die Natur als Lehrmeisterin genügt; ihr spätes Auftreten in der Geschichte widerlegt schon ihre Unentbehrlichkeit. Der Gegensatz von Theorie und Praxis macht die Philosophie unglaubwürdig. Die Dialektik vernichtet sich selbst, und auf einigen Gebieten wie dem der Theologie führt das philosophische Denken zu paradoxen Resultaten.“ Laktanz (Th 254–258) 143 Stelle setze, bemerkt Laktanz, dass dieser damit auch die Weisheit (sapientiam) selbst zu beseitigen scheine und umso leichter widerlegt werde, weil klar sei, dass der Mensch nicht zur Torheit, sondern zur Weisheit geboren sei.37 Th 257 Laktanz, Divinae institutiones 3.16.12–13 Praeterea illud quoque argumentum contra philosophiam ualet plurimum, quo idem est usus Hortensius, ‚ex eo posse intellegi philosophiam non esse sapientiam, quod principium et origo eius appareat‘. [13] ‚quando‘ inquit ‚philosophi esse coeperunt? Thales ut opinor primus. recens haec quidem aetas; […]‘ Th 257 Laktanz, Göttliche Unterweisungen 3.16.12–13 Außerdem hat das Argument, das eben jener Hortensius verwendet [Fr. 52 Grilli], auch starkes Gewicht gegenüber der Philosophie: Weil ihr Anfang und ihr Ursprung offensichtlich sei, könne ersehen werden, dass die Philosophie keine Weisheit sei. „Wann“, sagte er, „traten die Philosophen auf? Thales war, wie ich vermute, der Erste. Das ist noch nicht lange her. […].“ Attribut Erster Philosoph Funktion der Bezugnahme Nach Laktanz (inst. 3.16.12) habe das folgende Argument (argumentum) gegen die Philosophie (contra philosophiam) ein sehr starkes Gewicht (ualet plurimum), das Hortensius in Ciceros gleichnamiger Schrift verwendet habe (quo idem est usus Hortensius). Es folgt zuerst ein Satz in indirekter Rede, der das Argument des Hortensius – eine These und ihre Begründung – enthält: Weil ihr Anfang und Ursprung offensichtlich sei, könne ersehen werden, dass die Philosophie keine Weisheit sei. ex eo posse intellegi philosophiam non esse sapientiam, quod principium et origo eius appareat. 37 Cf. inst. 3.16.11 ille cum philosophiam tolleret nec melius aliquid adferret, sapientiam tollere putabatur eoque facilius de sententia pulsus est, quia constat hominem non ad stultitiam, sed ad sapientiam nasci. 144 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Im Anschluss an dieses Argument folgt ein Zitat in direkter Rede (zu beachten ist das Verb inquit = „sagt er“), das zwei Fragen und eine Antwort enthält: „Wann“, sagt er, „traten die Philosophen auf? Thales war, wie ich vermute, der erste. Das ist noch nicht lange her. Wo war also bei den Alten der Trieb, die Wahrheit aufzuspüren?“ ,quando‘ inquit ,philosophi esse coeperunt? Thales ut opinor primus. recens haec quidem aetas; ubi ergo apud antiquiores latuit amor iste investigandae veritatis?‘ Laktanz antwortet auf die zuletzt aufgeworfene Frage mit weiteren Zitaten unter anderem aus Lukrez (idem Lucretius ait)38 und Seneca (et Seneca ,[…]‘ inquit). Das Attribut, als erster (primus) Philosoph aufgetreten zu sein, ist an dieser Stelle für die Äußerung im Hinblick auf Thales zentral. Folgt man der Interpunktion der Edition von Heck/Wlosok (so auch in Th 257), lässt sich der Abschnitt inst. 3.16.13 als Zitat aus dem ciceronischen Dialog Hortensius verstehen.39 Für diese Leseweise spricht das angeführte inquit – „er (sc. Hortensius) sagt“. Wenn es sich um ein Zitat aus dem Hortensius handelt, wird sowohl die (rhetorische) Frage, wann die Philosophen aufgetreten seien, als auch die Antwort (Thales ut opinor primus) von der literarischen Figur des Hortensius und nicht von Laktanz geäußert. Laktanz kennzeichnet an anderer Stelle Thales als Mitglied der Sieben Weisen und führt ihn zugleich als Ersten in der Reihe der Philosophen an (cf. Th 254). * Kontext zu Th 258 In der ‚Kurzform‘ (Epitome)40 der Göttlichen Unterweisungen, die Laktanz auf Bitte eines als Bruder angeredeten Pentadius verfasste, findet sich lediglich ein Zeugnis über Thales.41 Bei dieser Schrift, die zwischen 314 und 324, 38 39 40 41 Lukrez de rer. nat. 5.335–337. Cf. dieselbe Interpunktion bei Straume-Zimmermann (1990) 60, Zeugnis 52, anders jedoch Grilli (1962) 31, Zeugnis 52, der die Passage ab „quando […]“ nicht als Zitat aus dem Hortensius versteht. Cf. dazu grundlegend Dammig (1957) und Heck/Schickler (2001) 30–37, zum Begriff „Epitome“ allgemein Opelt (1962) 944–973, bes. 966f., Mansfeld/Runia (1997) 182–183, speziell zu Laktanz Perrin (1987) 20–36. Cf. dazu Fàbrega (2008) 799. Laktanz (Th 254–258) 145 wohl um 320,42 entstanden ist, handelt es sich nicht nur um einen ‚Auszug‘ aus seinem umfassenden Hauptwerk, sondern auch um eine „revidierte Neuausgabe des größeren Werkes“.43 In der Vorrede betont Laktanz die schwierige Aufgabe, „das, was in sieben sehr großen Buchrollen entwickelt ist, in eine zusammenzuführen“.44 Im Anschluss an die Praefatio behandelt Laktanz zuerst zwei Fragen: Die erste Frage (epit. 1.1 […] sitne aliqua prouidentia, quae aut fecerit aut regat mundum), ob es irgendeine Vorsehung gibt, die die Welt entweder geschaffen hat oder lenkt, behandelt Laktanz nur kurz und positiv (epit. 1.1–2.1); in einem zweiten Schritt versucht er die Frage zu klären (epit. 2.1 utrumne deus unus an plures), ob es denn nur einen Gott gibt oder mehrere. Zu Beginn des dritten Kapitels steht ein klares Bekenntnis zum Monotheismus (Gott sei einer, vollkommen, ewig, unvergänglich, unfähig zu leiden etc.),45 das auch durch die Meinungen der Dichter (epit. 3.3–5), namentlich Orpheus, Vergil („unser Maro“) und Ovid, bezeugt werde.46 Im Anschluss an die Dichter geht Laktanz im vierten Kapitel auf die Meinungen der Philosophen ein, deren Autorität (auctoritas) für sicherer (certior) gehalten werde als die der Dichter (quam poetarum). An erster Stelle nennt er Platon, Aristoteles und Antisthenes, die jeweils mit einer kurzen These erwähnt werden. Darauf führt er nur die Namen, nicht aber die einzelnen Thesen einiger frühgriechischer Philosophen (Thales, Pythagoras, Anaximenes) und späterer (die Stoiker Kleanthes, Chrysipp und Zenon) sowie in deren Nachfolge Seneca (nostrorum Seneca Stoicos secutus) und Cicero (et ipse Tullius) „über den höchsten Gott“ (de summo deo) an. Th 258 Laktanz, Epitome divinarum institutionum 4.3 (ed. Heck/Wlosok) Longum est recensere, quae de summo deo uel Thales uel Pythagoras et Anaximenes antea uel postmodum Stoici, Cleanthes et Chrysippus et Zeno, uel nostrorum Seneca Stoicos secutus et ipse Tullius praedicauerint, cum hi 42 43 44 45 46 Cf. Heck/Schickler (2001) 30. Heck/Schickler (2001) 19. Cf. epit. Pr. 2 faciam quod postulas, etsi difficile uidetur ea, quae septem maximis uoluminibus explicata sunt, in unum conferre. Cf. epit. 3.1 Unus igitur deus est, perfectus, aeternus, incorruptibilis, impassibilis, nulli rei potestatiue subiectus, ipse omnia possidens, omnia regens, quem nec aestimare sensu ualeat humana mens nec eloqui lingua mortalis. sublimior enim ac maior est quam ut possit aut cogitatione hominis aut sermone comprehendi. Die Propheten werden von Laktanz in seiner Epitome nur kurz erwähnt („um zu schweigen von den Propheten, den Rühmern des einen Gottes“, epit. 3.2). Sie werden erst in epit. 37.7 als Zeugen Christi angeführt; cf. dazu Heck/Schickler (2001) 56 Anm. 2. 146 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert omnes et quid sit deus definire temptauerint et ab eo solo regi mundum adfirmauerint nec ulli subiectum esse naturae, cum ab ipso sit omnis natura generata. Th 258 Laktanz, Epitome der Göttlichen Unterweisungen 4.3 Es wäre zu weitläufig, durchzugehen, was Thales, Pythagoras, Anaximenes zuvor oder später die Stoiker, Kleanthes, Chrysipp und Zenon, oder von den Unsrigen in der Nachfolge der Stoiker, Seneca, und unser Tullius [Cicero] selbst über den höchsten Gott behauptet haben. Sie alle haben versucht zu bestimmen, was Gott sei, und haben versichert, dass von ihm allein die Welt regiert werde und dass er nicht Subjekt einer Natur sei, da von ihm selbst jede Natur erschaffen sei. Attribute Gott: Versuch zu bestimmen, was Gott sei Gott: er regiert die Welt und ist nicht einer anderen Natur unterworfen Funktion der Bezugnahme Die Reihe der Philosophen beginnt im Unterschied zu den Institutiones47 nicht mit den frühgriechischen Philosophen Thales, Pythagoras und Anaxagoras, sondern mit Äußerungen zu Platon, Aristoteles und Antisthenes. Laktanz bemerkt, dass es zu weitläufig wäre, durchzugehen (longum est recensere), was über den höchsten Gott (de summo deo) etwa Thales oder Pythagoras und Anaximenes zuvor oder später die Stoiker etc. geäußert hätten (praedicauerint). Mit anderen Worten: Die in seinem Hauptwerk aufgelisteten Thesen zu diesen Philosophen werden aus pragmatischen Gründen an dieser Stelle nicht nochmals aufgeführt. Anstelle einer Auflistung von einzelnen Thesen gibt Laktanz eine prägnante Zusammenfassung (epit. 4.3). Sie umfasst drei wichtige Aspekte, die nach Laktanz alle diese Philosophen (hi omnes) vertreten haben sollen (et […] et […] nec): (1) Alle hätten versucht zu bestimmen (definire temptauerint), was Gott sei (quid sit deus), und bekräftigten (adfirmauerint) im Hinblick auf Gott zwei Aspekte: (2) zum einen, dass von Gott allein (ab eo solo) die Welt regiert werde (regi mundum); (3) zum anderen, dass Gott nicht (nec) einer Natur unterworfen sei (ulli subiectum esse naturae), sondern dass von ihm selbst (ab ipso) jede Natur (omnis natura) hervorgebracht worden sei (sit […] generata). Durch diese zusammenfassende Aussage über die genannten Philosophen vertritt Laktanz im Hinblick auf Thales (auch in Übereinstimmung mit der Bezug47 Cf. inst. 1.5.15ff. = Th 254. Laktanz (Th 254–258) 147 nahme im ersten Buch seines Hauptwerkes, inst. 1.5.16 = Th 254) eindeutig die drei Thesen: Dass sich Thales nicht nur (1) mit einer Bestimmung oder Definition Gottes befasste, sondern (2) eine monotheistische Gottesvorstellung vertrat und (3) annahm, dass Gott selbst Urheber und Ursache aller Dinge und nicht selbst irgendeiner Natur unterworfen sei. Literatur Althoff, J., Zur Epikurrezeption bei Laktanz, in: Fuhrer, T., Erler, M. (Hrsg.), Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 1999, 33–53. Becker, C., Der ‚Octavius‘ des Minucius Felix, München 1967. Bender, A., Die natürliche Gotteserkenntnis bei Laktanz und seinen apologetischen Vorgängern, Frankfurt a. M./Bern/New York 1983. Courcelle, P., Virgile et l’immanence divine, in: Stuiber, A. (Hrsg.), Mullus. Festschrift Theodor Klauser, Münster 1964, 34–42. Dammig, J., Die Divinae Institutiones des Laktanz und ihre Epitome. 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Jahrhundert 3.2 Arnobius (Th 259) Über Arnobius schreibt Hieronymus in seinem Werk De viris inlustribus, 79: „Arnobius war zu Zeiten des Kaisers Diokletian ein äußerst brillanter Lehrer der Rhetorik in der afrikanischen Stadt Sicca48 und schrieb Bücher gegen die Heiden, die weite Verbreitung fanden.“49 In seiner sieben Bücher umfassenden Streitschrift Adversus nationes (Gegen die Heiden) geht es ihm nicht nur um eine Verteidigung der christlichen Religion.50 Mit den Mitteln seiner rhetorischen Kunst brilliert er mit scharfer Polemik gegen die nicht-christlichen Adressaten. Ausgangspunkt ist im ersten Buch die Verteidigung der Christen gegenüber dem antichristlichen Topos, dass die Entstehung des Christentums für alles Unglück und Elend auf der Welt verantwortlich sei. Das zweite Buch hat unter anderem die Inkarnation Christi zum Gegenstand.51 Angesichts des nicht selbstverständlichen Glaubens an die Inkarnation Gottes setzt sich Arnobius grundlegend in mehreren Beweisführungen mit epistemischen Zuständen wie Glauben, Vertrauen und Überzeugung auseinander. Das Textzeugnis über Thales Th 259 steht im zweiten Buch (nat. 2.9–10) in diesem Kontext. In den Büchern 3–7 versucht Arnobius, die impietas des traditionellen Götterglaubens aufzuweisen, indem er sowohl Kritik an der Vorstellungsweise und den Mythen der Götter übt (nat. 3–5) als auch gegen den nicht-christlichen Kult (nat. 6–7) polemisiert.52 48 49 50 51 52 Die Stadt gehörte zur römischen Provinz Africa proconsularis und lag an der Stelle des heutigen El Kef in Tunesien. Hier. vir. ill. 79: Arnobius sub Diocletiano principe Siccae apud Africam florentissime rhetoricam docuit, scripsitque Adversum gentes volumina, quae vulgo extant. Cf. dazu die Untersuchung von Simmons (1995) 94–130. Simmons bemerkt ebd. 1–2 zur ambivalenten Erforschung des Arnobius und seines Werkes, dass „scholars have called Arnobius ‚everything in the book‘ from a Platonist, to an Epicurean, a Marcionite, a Gnostic, a Hermetist, an orthodox Christian (!), a ‚pessimist‘, and even a pagan who simply desired to write a rhetorical exercise.“ Cf. Jakobi (1998) 52–53, Moreschini/Norelli (2007) 217–219 und Hagendahl (1983) 32–38. Zur Wirkungsgeschichte der Schrift in den theologischen und philosophischen Diskussionen des 16. bis 18. Jh. cf. Krafft (1966). Cf. zum zweiten Buch insgesamt den Kommentar von Gierlich (1985). Bei den Ausführungen zur römischen Religion und den Mysterienkulten stützt sich Arnobius mitunter auf Varro, während er im Hinblick auf die griechische Welt den Protrepticus des Clemens von Alexandrien gekannt zu haben scheint. Cf. Jakobi (1998) 53, Hagendahl (1983) 33–34 und 123 Anm. 142–145 sowie die Untersuchung von Simmons (1995). Arnobius (Th 259) 149 Arnobius, Adversus nationes Zu Beginn des zweiten Buches (nat. 2.1–5) legt Arnobius zuerst dar, dass es unbegründet sei, Christus als den Vernichter der Götterkulte zu hassen. Mit einer großen Zahl rhetorischer Fragen wendet er sich (nat. 2.5–6) an die nicht-christlichen Adressaten, um deren Bedenken und Ressentiments gegenüber den Christen zu hinterfragen. Ein Auszug aus dem fünften Kapitel zeigt die typische Art und Weise seiner polemischen Argumentation:53 Nun, was erwidert ihr, ihr unwissenden Leute (o nescii), wert, bemitleidet und beweint zu werden? Fürchtet ihr nicht, dass die Dinge, die ihr verachtet (quae sunt despectui vobis) und verlacht (risus), wahr (vera) sein könnten? Hegt ihr nicht wenigstens in dunklen Gedanken die Besorgnis, dass die spätere Zeit eure jetzige hartnäckige Ungläubigkeit züchtigen und mit unnachsichtiger Reue strafen werde? Werdet ihr nicht wenigstens durch diese Beweise (argumenta) zum Glauben (credendi) bewogen, dass in einem so kurzen Zeitraum (in tam brevi temporis) die Geheimnisse seines erhabenen Namens schon durch alle Welt (iam per omnes terras) verbreitet sind? Dass es keine auch noch so unkultivierte und wilde Nation gibt, welche nicht, durch seine Liebe (eius amore) bekehrt (versa), ihre Grausamkeit gemildert und in dem erlangten Frieden sich sanfteren Gefühlen zugewandt hat? Dass so hoch begabte Redner, Gelehrte, der Beredsamkeit, des Rechts und der Heilkunst Meister, und selbst die Erforscher der Geheimnisse der Philosophie diese Lehren suchen, und das, worauf sie vordem ihr Vertrauen setzten (fidebant), hintanstellen? Die Textpassage lässt exemplarisch einen Grundzug der argumentativen Technik des Arnobius erkennen, der auch im Kontext der beiden Bezugnahmen auf Thales von entscheidender Bedeutung ist: der Gebrauch von zahllosen rhetorischen Fragen.54 Zu Beginn des achten Kapitels polemisiert Arnobius gegen die Gewohnheit der Nicht-Christen, den Glauben der Christen (nostram fidem) zu verlachen (ridere) und ihre „Leichtgläubigkeit“ (credulitatem) unbarmherzig mit Sticheleien zu verwunden.55 Mit der folgenden Argumentation (nat. 2.8–10) richtet er sich gegen eine einseitige Abwertung des Glaubensbegriffes. Den „mit dem Trank der Weisheit Benetzten und Gesättigten“ (sapientiae tincti 53 54 55 Nat. 2.5.10–26 in der leicht veränderten Übersetzung von Alleker (1858). Cf. dazu auch die Einschätzung von Norden (1958) 605 Anm. 1. Cf. nat. 2.8 Et quoniam ridere nostram fidem consuestis atque ipsam credulitatem facetis iocularibus lancinare, dicite […]. 150 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert et saturi potu) gibt er zu bedenken (nat. 2.8.1–4), ob es im Leben (in vita) überhaupt irgendeine Art von Tätigkeit und Betriebsamkeit gebe, welche von denen, die sie ausüben (actores), ohne vorhergehenden Glauben (non fide praeeunte) übernommen und angegriffen werde.56 Für diese als rhetorische Frage formulierte Eingangsthese (nat. 2.8.1–4) argumentiert Arnobius im Folgenden anhand von sieben weiteren rhetorischen Fragen (zu beachten ist die jeweils wiederkehrende Wendung „(non) credentes“).57 In den Fragen führt er topisch eine Reihe von Beispielen aus der Lebenswelt an, die jeweils zeigen, wie der Mensch in sehr vielen lebenspraktischen Situationen und Entscheidungsprozessen (besonders im Hinblick auf die Zukunft) auf Glauben, Vertrauen und Überzeugungen angewiesen ist, um überhaupt leben zu können.58 In einer zugespitzten Formulierung könnte die von Arnobius im achten Kapitel exemplifizierte Grundthese lauten: Keine menschliche Handlung, Unternehmung und insbesondere die Zukunft betreffende Entscheidung ist ohne Glauben oder ohne Überzeugung/en möglich. Kontext zu Th 259 Das Zeugnis Th 259 enthält zwei Bezugnahmen auf Thales, die demselben Kontext (nat. 2.9–10) angehören, jedoch unterschiedlichen Stufen und Kapiteln in der Argumentation des Arnobius zuzuordnen sind, dem neunten sowie dem zehnten Kapitel. Nach der eindrücklichen Illustration durch lebenspraktische Beispiele im vorausgehenden Kontext (nat. 2.8) lenkt Arnobius im neunten Kapitel die Aufmerksamkeit der Leser auf ein weiteres Phänomen: die Notwendigkeit epistemischer Zustände wie Glauben und Überzeugung als Voraussetzung für vornehmlich geistige und intellektuelle Tätigkeiten wie z.B. Schreiben und Lesen, deren Gegenstände gerade nicht sinnlich gegeben sind.59 Arnobius wendet sich wiederum zuerst in Form 56 57 58 59 Nat. 2.8.2–4 […] estne operis in vita negotiosum aliquod atque actuosum genus, quod non fide praeeunte suscipiant sumant atque adgrediantur actores? Nat. 2.8.4–18 Die Beispiele in nat. 2.8.4–18 sind (1) die Unternehmung einer Schiffsreise im Vertrauen auf die Heimkehr, (2) Bewirtschaftung der Erde im Vertrauen auf die Ernte, (3) das Eingehen einer ehelichen Bindung im Vertrauen auf die Treue des Partners, (4) die Erziehung von Kindern im Glauben an die Gesundheit und Entwicklungsfähigkeit der Kinder, (5) der Besuch eines Arztes bei Krankheit im Vertrauen auf Schmerzlinderung oder Heilung, (6) bei der Führung eines Krieges der Glaube an den Sieg, (7) die Verehrung und Anbetung der Götter im Vertrauen auf deren Existenz sowie deren „offenes Ohr“. Cf. nat. 2.9.19–21 Quid? illa de rebus ab humana cognitione sepositis, quae conscribitis ipsi, quae lectitatis, oculata vidistis inspectione et manibus tractata tenuistis? Arnobius (Th 259) 151 einer suggestiven Frage an die Leser: Schenke nicht jeder von ihnen, wer auch immer es sein möge, „diesem oder jenem Autor (huic vel illi auctoribus) Glauben (credit)“?60 „Verteidigt nicht einer das, wovon er überzeugt ist (quod sibi persuaserit), dass es von einem anderen (ab altero) wahr (verum) gesagt ist, mit einer gewissen glaubensgleichen Beistimmung (quadam fidei astipulatione)“?61 Th 259 Arnobius, Adversus nationes 2.9–10 (ed. Marchesi) Nonne vestrum quicumque est huic vel illi credit auctoribus? non quod sibi persuaserit quis verum dici ab altero velut quadam fidei astipulatione tutatur? Qui cunctarum !rerum" originem !ignem" esse dicit aut aquam, non Thaleti aut Heraclito credit? qui causam in numeris ponit, non Pythagorae Samio, non Archytae? qui animam dividit et incorporales constituit formas, non Platoni Socratico? […]. [10] Ipsi demus principes et praedictarum patres sententiarum, nonne ea quae dicunt suis credita suspicionibus dicunt? Vidit enim Heraclitus res ignium conversionibus fieri, concretione aquarum Thales, Pythagoras numeros coire, incorporales formas Plato, individuorum Democritus concursiones? Th 259 Arnobius, Gegen die Heiden 2.9–10 Glaubt nicht ein jeder von euch diesem oder jenem Autor? Verteidigt nicht einer das, wovon er überzeugt ist, dass es von einem anderen wahr gesagt ist, mit einer gewissen glaubensgleichen Beistimmung? Wer sagt, dass aller Dinge Ursprung das Feuer sei oder das Wasser, glaubt der nicht Thales oder Heraklit? Wer die Ursache von allem in die Zahlen legt, nicht dem Samier Pythagoras, nicht Archytas? Wer die Seele teilt und unkörperliche Formen ansetzt, nicht dem Sokratiker Platon? […] [10] Sagen schließlich nicht die Urheber und Väter der erwähnten Ansichten das, was sie sagen, weil sie an ihre [eigenen] Vermutungen glauben? Sah denn Heraklit die Dinge aus den Wandlungen des Feuers entstehen, Thales aus der Verdichtung des Wassers? Sah Pythagoras die Zahlen sich vereinigen? Sah Platon die unkörperlichen Formen, Demokrit das Zusammentreffen der Atome? Attribute Prinzip Wasser Aggregatzustände 60 61 Nat. 2.9.22–23 nonne vestrum quicumque est huic vel illi credit auctoribus? Nat. 2.9.23–24 non quod sibi persuaserit quis verum dici ab altero velut quadam fidei astipulatione tutatur? 152 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Funktion der Bezugnahme Unmittelbar auf diese Frage, ob einer nicht das von anderen für wahr Gehaltene überzeugt verteidige, folgt die Bezugnahme auf Thales und Heraklit: „Wer (qui) das Feuer oder Wasser für den Ursprung (originem) aller Dinge hält, glaubt der nicht (non […] credit) dem Thales oder Heraklit?“ Gemäß diesem Schema – „Wer (qui) x annimmt, glaubt der nicht dem Philosophen A oder B?“ – folgen sechs weitere, jeweils mit qui eingeleitete, rhetorische Fragen. Wer (qui) die Ursache (causam) in die Zahlen lege (in numeris ponit), glaube dem Samier Pythagoras und Archytas, wer (qui) die Seele teile (animam dividit) und unkörperliche Formen (incorporales formas) annehme, glaube dem sokratischen Platon (Platoni Socratico) etc.62 (1) Mit seiner Argumentation demonstriert Arnobius bereits durch die Vielzahl der in den rhetorischen Fragen angeführten Namen von Philosophen, wie vertraut er mit der nicht-christlichen Kultur und Philosophie ist, und mit welcher rhetorischen Leichtigkeit er sich nicht nur der Namen, sondern auch der Meinungen und Thesen der Philosophen zu bedienen weiß. Bei seiner Aufzählung nennt er neben Thales und Heraklit auch Pythagoras und Archytas, den „sokratischen“ Platon, Aristoteles, „den Vater der Peripatetiker“, die Stoiker Panaitios, Chrysipp und Zenon, die Atomisten Epikur, Demokrit und Metrodoros (von Chios), die Schule der älteren oder neueren Akademie, Arkesilaos und Karneades.63 (2) Arnobius stilisiert die Philosophen als die großen Autoritäten bei den Nicht-Christen. Wenn einer deren Lehrmeinungen übernehme und vertrete, ist er nach Arnobius auch einer, der dem jeweiligen Philosophen seinen Glauben schenkt (credit). Während er sich mit diesen rhetorischen Fragen im neunten Kapitel an seine gegenwärtigen Leser richtet, führt er im zehnten Kapitel seine Argumentation noch einen Schritt weiter. Er versucht nun, die Philosophen selbst zu treffen und somit die nicht-christlichen geistigen Autoritäten direkt in Frage zu stellen oder zumindest zu relativieren. Zu Beginn des zehnten Kapitels vertritt er die These, dass die Urheber und Väter der erwähnten Ansichten das, was sie sagen (ea quae dicunt), aufgrund ihres Glaubens (credita) an ihre eigenen Vermutungen (suis suspicionibus) sagen (dicunt).64 Der von Arnobius erhobene Vorwurf wird sogleich exemplarisch 62 63 64 Cf. nat. 2.9.1–13. Cf. dazu Diels (1879) 172–173. Nat. 2.10.14–16 Ipsi demus principes et praedictarum patres sententiarum, nonne ea quae dicunt suis credita suspicionibus dicunt? Arnobius (Th 259) 153 vorgeführt. So habe z.B. weder Heraklit gesehen (vidit), dass die Dinge (res) durch Verwandlung des Feuers (ignis conversionibus), noch Thales, dass sie aus der Verdichtung des Wassers (concretione aquarum) entstanden seien.65 Denselben Vorwurf macht er auch den Pythagoreern, Platon und Demokrit (nat. 2.10.18–19): „Sah Pythagoras die Zahlen sich vereinigen (numeros coire)? Sah Platon die unkörperlichen Formen (incorporales formas), Demokrit das Zusammentreffen der Atome (individuorum concursiones)?“ Mit dieser Argumentation richtet er sich gegen die philosophischen Autoritäten selbst. Arnobius relativiert ihr Wissen und ihre Weisheit, insofern er auch bei ihnen ‚Glauben‘ an ihre eigenen Vermutungen (suis suspicionibus) konstatiert. Pointiert formuliert: Selbst die Philosophen sind den anderen Menschen, die glauben, gleich, insofern sie zumindest an ihre eigenen Vermutungen glauben (müssen), wenn sie diese äußern. Für Arnobius steht mithin fest, dass bereits der Äußerung von Erkenntnissen Glaube und Überzeugung vorangehen müssen. Im Anschluss an diese Kritik an den Philosophen richtet er sich mit einer kritischen Anfrage an seine Adressaten: „Da ihr also keine Gewissheit (comperti nihil) und Überzeugung habt, und alles, was ihr schreibt und in tausend Büchern niederlegt, unter Leitung der Leichtgläubigkeit (credulitate […] duce) festhaltet: Wie höchst ungerecht (tam iniusta) ist also das Urteil (iudicatio), wodurch ihr unseren Glauben (nostram fidem) verspottet (derideatis), da ihr doch einseht, dass ihr eben so gut wie wir gläubig (in credulitate) sein müsst?“66 Des Weiteren charakterisiert er die Philosophen, die „in jeder Wissenschaft unterrichteten Männer“, abschließend als solche, die nichts wissen (nihil sciscunt) und nichts offenbaren (nec pronuntiant), welche für ihre Ansichten mit den Gegnern Krieg (bella cum adversantibus) führen und immer mit feindlicher Heftigkeit kämpfen, welche, indem einer des anderen Lehrsätze (decreta) wankend machte, niederriss und zerstörte, alles unsicher gemacht (cuncta incerta fecerunt) und an ihrer Uneinigkeit gezeigt haben 65 66 Cf. dazu die Sim. ‚Aggregatzustände‘ und Diels (1879) 173, der (auf Zeller verweist und) bemerkt: „si Thaletis concretionem credit, posteriorum coniecturas sequitur“. Nat. 2.10 Cum igitur comperti nihil habeatis et cogniti omniaque illa quae scribitis et librorum comprehenditis milibus credulitate adseveritis duce, quaenam haec est iudicatio tam iniusta, ut nostram derideatis fidem, quam vos habere conspicitis nostra in credulitate communem? 154 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert (ex ipsa dissensione monstrarunt), dass man nichts wissen könne (nec posse aliquid sciri).67 Es schließt sich die Argumentation des elften Kapitels an, mit der Arnobius nun explizit auf die parallelen Strukturen bezüglich des Glaubens bei Nicht-Christen und Christen zu sprechen kommt: Während die Nicht-Christen nach Arnobius einem Philosophen wie Platon oder Numenius Glauben schenkten, glaubten die Christen an Christus. Beide Parteien stützen sich auf Autoritäten, an die geglaubt wird. Doch betont Arnobius weiter, dass die Nicht-Christen nicht hören und beachten wollten, „was aus Christi Mund kommt.“68 Festzuhalten ist, dass Thales im skizzierten Zusammenhang bei Arnobius gemeinsam mit weiteren Philosophen als wichtige geistige Autoritäten der Gegner des Arnobius angeführt wird. Durch die Bezugnahme stellt Arnobius zum einen seine Kenntnisse der griechischen Philosophie unter Beweis, zum anderen versucht er exemplarisch zu zeigen, wie bereits die Äußerung von Vermutungen eine Art von Glauben und Überzeugung voraussetzt. Literatur Alleker, J., Arnobius. Sieben Bücher gegen die Heiden, Trier 1858. Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Gierlich, G., Arnobius von Sicca. Kommentar zu den ersten beiden Büchern seines Werkes „Adversus Nationes“, Diss. Mainz 1985. Hagendahl, H., Von Tertullian zu Cassiodor: die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum, Göteborg 1983. Jakobi, R., Art. Arnobius der Ältere (von Sicca), LACL, 1998, 53. Krafft, P., Beiträge zur Wirkungsgeschichte des älteren Arnobius, Wiesbaden 1966. Moreschini, C., Norelli, E., Handbuch der antiken christlichen Literatur, Darmstadt 2007. Norden, E., Die antike Kunstprosa, Bd. 2, Darmstadt ND 1958. Simmons, M. B., Arnobius of Sicca. Religious Conflict and Competition in the Age of Diocletian, Oxford 1995. 67 68 Cf. nat. 2.10 Nempe illis, qui nihil sciscunt nec pronuntiant unum, qui pro suis sententiis bella cum adversantibus conserunt et pervicacia semper digladiantur hostili, qui cum alter alterius labefactant destruunt convelluntque decreta, cuncta incerta fecerunt nec posse aliquid sciri ex ipsa dissensione monstrarunt. Cf. nat. 2.11 […] vobis velitis dari quod ita ab illis dicatur accipere, nos ea quae proferuntur a Christo audire et spectare nolitis? Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 155 3.3 Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) Eusebius (260–339) wächst in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts in der palästinischen Provinzhauptstadt Cäsarea auf.69 Als Schüler des Origenesschülers Pamphilus70 erhielt er eine breit angelegte Ausbildung, die ihn auch mit der Sammlung von Akten, Urkunden, Texten und Exzerpten von Werken unterschiedlicher Art vertraut machte. Im Jahre 314 wurde er zum Bischof von Cäsarea geweiht.71 Eusebius verkehrte in Nikomedien und Konstantinopel am Hof von Kaiser Konstantin, der seit 324 Herrscher über das gesamte Reich war.72 Bei Eusebius, der auch als ‚Vater der Kirchengeschichte‘ bekannt ist, finden sich insgesamt 26 Zeugnisse über Thales in zwei Werken: 21 davon in der Praeparatio Evangelica, einem seiner Hauptwerke (verfasst zwischen 312 und 322),73 das fünfzehn Bücher umfasst und besonders für die Philosophie- und Religionsgeschichte bedeutsam ist; fünf weitere Zeugnisse sind in der nur in lateinischer und armenischer Übersetzung fragmentarisch erhaltenen Chronik überliefert.74 In den Fragmente(n) der Vorsokratiker von Diels finden sich zu Thales nur zwei Zeugnisse unter dem Namen des Eusebius (zur Vorhersage der Sonnenfinsternis und der Datierung des Thales) aus der Chronik (DK 11 A5 und A7 = Th 307, Th 306, Th 373). Einige der zahlreichen Bezugnahmen aus der Praeparatio, bei denen Eusebius explizit Passagen z.B. aus den Placita des Ps.-Plutarch zitiert, ordnet Diels entweder unter dem Namen des Aëtios ein (mit Verweis auf seine Doxographi Graeci 273ff.) oder sie finden sich nur in den Doxographi Graeci. Die einundzwanzig Zeugnisse aus der Praeparatio Evangelica (Th 260– 280) werden im Folgenden kommentiert, während die fünf Bezugnahmen aus der Chronik (Th 281–285) bei Hieronymus (Th 304–308) behandelt werden. 69 70 71 72 73 74 Cf. Ulrich (1998) 209–214, Moreau (1966) 1052–1088, Schwarz (1907) 1370–1439 und Sirinelli/Des Places (1974) 7–89. Moreau bemerkt ebd. 1054–1055, dass der aus Phönizien stammende Pamphilus in Cäsarea die Tradition des Origenes fortsetzte, dessen Bibliothek pflegte und erweiterte. Cf. Elliger (2001) 1026–1057. Cf. seine Rede zum dreißigjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers (laus Constantini) sowie das Enkomion auf denselben (vita Constantini). Zu seinem Verhalten im Zuge der trinitätstheologischen Streitigkeiten um die Lehre des Presbyters Arius cf. Ulrich (1998) 210 und 212. Cf. Mras (1982) LIV-LV. Cf. zur Chronik Mosshammer (1979) bes. 1–83, 128–168, zur Version des Hieronymus 67–73, zur armenischen Version 73–79. 156 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Eusebius, Praeparatio Evangelica Mit seiner ‚Vorbereitung der frohen Botschaft‘ (TH EYAEIKH POPAAKEYH) wendet sich Eusebius gegen Einwände, die von Nicht-Christen und Juden gegen die Christen und ihre Religion vorgebracht werden. Er nennt vornehmlich drei Punkte: (1) das Aufgeben der Religion der griechischen Vorfahren, (2) das Annehmen fremder Lehren von den „Barbaren“, d.h. in diesem Kontext der jüdischen Tradition, sowie (3) die Inkonsequenz der Christen, einerseits die jüdischen Opfer, Riten sowie die jüdische Lebensform abzulehnen, andererseits sich deren Heilige Schrift und die versprochene Heilszusage anzueignen. Während die ersten beiden Punkte Gegenstand der Praeparatio sind, wird der dritte Kritikpunkt vor allen Dingen in der Demonstratio Evangelica75 behandelt. Die weltanschauliche Spannung und Problematik, in der die Christen nach Eusebius leben, veranschaulicht die folgende Bemerkung: Man nehme die Christen wahr als solche, die weder mit den Meinungen der Griechen noch mit den Bräuchen und Riten der „Barbaren“ völlig übereinstimmten.76 Über die Anordnung seines Werkes äußert er sich in Buch 15.1:77 1–3: das dreifache ‚System‘ nicht-christlicher Theologie: mythische, allegorische und politische Theologie. Das erste Buch enthält ein Zeugnis über Thales (Th 260). 4–6: eine Auflistung der bedeutendsten Orakel; über die Anbetung von Dämonen; die verschiedenen Meinungen der griechischen Philosophen über die Lehren von Schicksal und freiem Willen. In diesen Büchern wird Thales nicht erwähnt. 7–9: Begründung, warum die Christen die Religion der Hebräer bevorzugen. Anhand des Zeugnisses mehrerer Autoren werden die Exzellenz und die Wahrheit der hebräischen Schriften aufgewiesen. Im siebten Buch kommt er auf Thales zu sprechen (Th 261). 10–12: Eusebius argumentiert dafür, dass die Griechen die alte Theologie und Philosophie von den Hebräern entlehnt hätten und insbesondere Platon in der Abhängigkeit von Moses stünde. Insgesamt fin- 75 76 77 Die Demonstratio, die ursprünglich 20 Bücher umfasste (zehn Bücher und ein Fragment zum 15. Buch sind erhalten), bildet mit der Praeparatio eine konzeptionelle Einheit; cf. dazu Sirinelli/Des Places (1974) 38–42. Cf. PE 1.2.1–2. Cf. PE 15.1. Cf. Barnes (1981) 179ff. und das Vorwort von Gifford (1903) sowie jeweils die einleitenden Passagen der Bücher 1, 4, 7, 10, 13 und die Zusammenfassung in PE 15.1. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 157 den sich 5 Zeugnisse über Thales im zehnten, je 2 Zeugnisse im elften und zwölften Buch (Th 262–270). 13–15: Zum einen wird der Vergleich von Platon mit Moses fortgeführt; zum anderen werden die wechselseitigen Widersprüche der anderen griechischen Philosophen, besonders der Peripatetiker und Stoiker, herausgestellt.78 Insgesamt stehen zwei Zeugnisse über Thales in Buch 14, acht Zeugnisse im 15. Buch. Insofern sich teils mehrere Bezugnahmen in ein und demselben Buch befinden, wird bei den Angaben zum Kontext der einzelnen Zeugnisse gelegentlich auf die Ausführungen zu vorhergehenden Zeugnissen verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden. Kontext zu Th 260 Die erste Bezugnahme auf Thales steht zu Beginn des achten Kapitels des ersten Buches mit der Überschrift: „Wie viel Uneinigkeit es unter den Naturphilosophen über die Prinzipien gibt; [Meinungen der Philosophen über die Zusammensetzung des Universums] und wie wir uns nach einer kritischen Sichtung von ihnen entfernen.“79 Das Argumentationsziel besteht darin aufzuzeigen, warum die Christen von den Lehren der Naturphilosophen Abstand genommen hätten. Im vorausgehenden Kontext (PE 1.7.1–15) zitiert Eusebius einen Auszug über die ersten Kosmogonien aus dem ‚historischer Bücherschrank‘ genannten Werk des Gelehrten Diodor von Sizilien. Er bemerkt dazu kritisch (PE 1.7.16), dass der Name Gottes in dieser kosmogonischen Darstellung nicht erwähnt werde und die Organisation des Universums in gewisser Weise als kontingent (8κ ) und selbstständig () präsentiert werde.80 Nach der Meinung des Eusebius stimmten damit auch die meisten der griechischen Philosophen überein (φ;«).81 Aufschlussreich für die Methode des Eusebius ist die folgende Überleitung (PE 1.7.16), in der er betont, dass er die Lehren 78 79 80 81 Cf. zu den Büchern 14–15 die Beobachtungen und Analysen zur Verwendung der Placita des Ps.-Plutarch von Mansfeld/Runia (1997) 130–141. PE 1.8.1 '2. OA TOI RYIKOI RIOOROI PEI AXN IAPERNHTAIα [OmAI RIOORN PEI TH TOY PANTO YTAEα] KAI TOYTN META KIE APETHMEN. PE 1.7.16 T" ξ ² .(λ« φ«, ξ 8« \« " " « / 9 ) !) , 8κ λ 90« κ " %µ« . PE 1.7.16 ) ( ’ s J« φ;« λ @« %.!« % ’ 6E.. φ.φ( […] 158 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert der griechischen Philosophen über die Prinzipien (« %λ $8 =«) mit ihren gegenseitigen Differenzen und Unstimmigkeiten (« %µ« $..&.« 0« λ φ(!«) präsentieren werde. Diese Lehren entsprängen bloßen Vermutungen und nicht einem wirklichen Verständnis. Typisch für die Argumentation des Eusebius – wie sich auch in vielen weiteren Fällen zeigen wird – ist seine explizite Quellenangabe: Für das folgende Referat stützt er sich auf die Stromateis eines Pseudo-Plutarch.82 Bevor er die Inhalte der Quelle präsentiert, wendet er sich mit einer bemerkenswerten Anweisung an seine Leser (PE 1.7.16): Du aber, betrachte nicht nebenbei, sondern mit Muße und mit Überlegung die wechselseitigen Differenzen der aufgeführten Philosophen. @ ξ κ %(«, 8.9 ) ξ λ ." .( κ %µ« $..&.« 0. Im Referat der Stromateis werden zwölf „Naturphilosophen“ (PE 1.8.1–12) mit den ihnen zugeschriebenen Meinungen über den Aufbau des Universums in teils sehr unterschiedlicher Länge vorgestellt. Unter diesen befindet sich an erster Stelle Thales, nach ihm der als sein Gefährte (41) angeführte Anaximander sowie Anaximenes (PE 1.8.1–3). Nur kurz ist die Notiz über Thales und die ihm zugeschriebene Annahme des Wassers als Prinzip aller Dinge im Vergleich mit den ausführlichen Ausführungen zu Anaximander (sowohl im Hinblick auf das „Unendliche“ als auch die These von den „unendlichen Welten“) und darauf zu Anaximenes (über dessen These von der Luft als Prinzip). Th 260 Eusebius, Praeparatio Evangelica 1.7.16–8.2 (ed. Des Places), zitiert Plut. Str. Fr. 179.1–15 Sandbach (Th 135) T) ( ’ s J« φ;« λ @« %.!« % ’ 6E.. φ.φ(, W /; « %λ $8 =« λ « %µ« $..&.« 0« λ φ(!«, / 8 , $..’ $%µ .&?(« ²!«, $%µ P.08 (( /%λ " %« /&. @ ξ κ %(«, 8.9 ) ξ λ ." 82 PE 1.7.16 / 8 , $..’ $%µ .&?(« ²!«, $%µ P.08 (( /%λ " %« /&. Cf. dazu Diels (1879) 156–161, 579–583 und Sandbach (1967) Moralia 7, fr. 179. Cf. dazu Mansfeld/Runia (1997) 212 Anm. 67 und Mras (1955) bes. 96–97, der die Schrift für eine Materialsammlung Plutarchs hielt. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 159 .( κ %µ« $..&.« 0. [1.8.1] L0. % %0( φλ $8κ Ρ.( %& µ J(α /= " ρ %0 λ 9« µ 8(1. [2] ’ χ #A=!, L0.« 41 , µ Ν% φ0 κ %» 9! D8 )« " %µ« ;« λ φ»«, /= ^ & φ « @« $%! λ . @« Ϊ%« $%!« `« «. Th 260 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 1.7.16–8.2 Du wirst finden, dass die meisten griechischen Philosophen mit ihm [Diodor] übereinstimmen. Ich werde dir ihre Prinzipienlehren mit ihren Differenzen und Unstimmigkeiten, die [bloßen] Vermutungen und nicht klarem Verständnis entspringen, bei dieser Gelegenheit aus Plutarchs Stromateis präsentieren. Du beachte sorgfältig und mit aufmerksamer Überlegung die wechselseitigen Differenzen der zitierten Autoren. [1.8.1] Thales soll als Erster das Wasser als Prinzip aller Dinge angesetzt haben; denn alles sei aus ihm und kehre auch wieder dahin zurück. [1.8.2] Nach ihm [Thales] sage Anaximander, der ein Gefährte des Thales war, dass das Unendliche die gesamte Ursache für das Werden und Vergehen des Alls enthalte. Aus ihm, sagt er, hätten sich alle Himmel ausgesondert und überhaupt alle Welten, die unendlich seien. Attribute Prinzip Wasser Anaximander als Gefährte des Thales Funktion der Bezugnahme Eusebius benennt wie in vielen weiteren Fällen ausdrücklich seine Quelle. Durch seine oben zitierte Leseanweisung lenkt er den Blick auf die bereits bei den drei Milesiern anzutreffende Unstimmigkeit bzw. auf deren Differenzen im Hinblick auf das jeweils angenommene Prinzip sowie dessen Eigenschaften. An dieser Stelle soll exemplarisch veranschaulicht werden, wie der christliche Autor aus der reihenweisen Anordnung und Präsentation der Meinungen der Philosophen sein argumentatives Ziel erreicht. Nachdem im Folgenden (PE 1.8.4–12) eine Reihe weiterer Philosophen83 angeführt worden ist, bezieht Eusebius anschließend (PE 1.8.13–14) Stellung zum Inhalt des Zitates. Vier Aspekte sind dabei von Bedeutung: 83 Xenophanes von Kolophon, Parmenides und Zenon von Elea, Epikur von Athen, Aristipp von Kyrene, Empedokles von Agrigent, Metrodor von Chios sowie Diogenes von Apollonia. 160 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert (1) Auf den Inhalt der Meinungen bezogen konstatiert er (PE 1.8.13), dass die so genannten Naturphilosophen ( κ φ φ.φ( /%.() bei der Organisation des Universums und der ersten Kosmogonie weder einen Demiurgen noch irgendeinen Schöpfer des Universums, auch nicht einmal Gott erwähnten, sondern die Ursache des Univer ξ 9 ) $.) ( φ) ») und dem sums nur der unvernünftigen Bewegung (9 ) 0) ( &) zuschrieben.84 selbsttätigen Impuls (9 (2) In einem methodisch wichtigen zweiten Schritt (PE 1.8.14) hebt Eusebius nochmals die Widersprüchlichkeit (/«) der Meinungen der Philosophen untereinander hervor, die durch ihren Kampf (08«) und ihre Differenzen (φ(!«) das All erfüllt hätten.85 (3) In einem dritten Schritt (PE 1.8.14ff.) lässt Eusebius – argumentativ geschickt – die Naturphilosophen durch Sokrates, genauer durch zwei Bezugnahmen auf die Figur des Sokrates, kritisieren. Sokrates habe die Dummheiten all dieser getadelt (λ %0« (!« $%&.8) und gesagt, dass es keinen Unterschied zwischen den Naturphilosophen und Verrückten gebe.86 Auf diese Äußerung folgen Zitate aus Xenophons Memorabilien (mem. 1.1.11 und 1.1.13–14) und aus Platons Phaidon (96a5-c7).87 (4) Eusebius kommt nach den Texten Xenophons und Platons in PE 1.8.19 zu folgendem Schluss: Wenn selbst „der unter allen Griechen berühmte Sokrates“ derartig über die „Physiologie“ der referierten Philosophen urteile, so scheine es ihm ganz angemessen, wenn auch die Christen die Gottlosigkeit ($) all dieser zurückweisen, da auch ihr Irrtum bezüglich des Polytheismus dem Gesagten nicht sonderbar zu sein scheint.88 84 85 86 87 88 Cf. PE 1.8.13 T λ %φ( >E..&( κ φ φ.φ( /%.( π %λ )« 0(« " %µ« λ )« %;« !« 0.?«, , %& Ρ.( %(, $..’ ’ Ρ.(« " & %(, 9 ξ 9 ) $.) ( φ) » λ 9 ) 0) ( & κ 9! " %µ« $(. PE 1.8.14 ξ λ π %µ« $..&.« /«, / ξ λ $..&.« %φ((, 08« ξ λ φ(!« %0 $%%.((. Cf. PE 1.8.14 D λ ² 0« (0« λ %0« (!« $%&.8 λ ( ’ ξ D. φ, 9 & 0« $=8(« mφ / #A% .( J(« […]. Cf. dazu PE 15.62.1–6 und Theodoret cur. 4.27–29 und cur. 2.11 sowie die Kommentare zu Theodoret Th 335 und Th 329. Cf. PE 1.8.19 T" (0« µ« /1« ² %» $!« 6E... Ρ ! λ ) .) ( φ.φ) ( 0 / ρ )« .(( φ), .!«, 9(« λ π»« κ ( 4%0( $ %9 /%λ λ )« %. %.0« D ρ $.. 9(. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 161 Der zuletzt genannte Aspekt soll nach Eusebius erst später Gegenstand der Widerlegung in Buch 14 sein (cf. dazu den Kommentar zu PE 14.14.1 = Th 271). In diesem Kontext werde er auch darlegen, dass Anaxagoras als Erster vom Geist als der Ursache des Universums gewusst habe.89 Zu Th 260 ist im Hinblick auf Thales, dessen Prinzipienlehre nur ganz knapp referiert wird, Folgendes festzuhalten: Der Aufweis der Unstimmigkeit/en zwischen Thales, Anaximander und Anaximenes wird von Eusebius durch drei Faktoren auf der literarisch-rhetorischen Ebene bewirkt: (1) Durch die ausdrückliche Leseanweisung als Hinleitung, (2) die nicht-christliche Quelle, die den Eindruck vermittelt, unideologisch zu sein, (3) durch die qua dieser Quelle in nüchterner Weise bezeugten Unterschiede zwischen Thales und Anaximander. Die ebenfalls bezeugte „Gefährtenschaft“ (41) des Anaximander mit Thales akzentuiert die divergierenden Auffassungen in der Lehre. * Kontext zu Th 261 In den Büchern 7–9 führt Eusebius mehrere Gründe dafür an, warum die Christen die Religion der Hebräer gegenüber der griechischen Philosophie bevorzugten. In Buch 7 ist zuerst von der Lebensweise und der Religion der Patriarchen sowie den Lehren des Moses und der Propheten die Rede. Nachdem Eusebius in PE 7.9–11 die Gotteslehre der Hebräer und einige Aspekte ihrer Vorsehungslehre dargestellt hat, stellt er in PE 7.11.13 die Frage, ob ein Vergleich (/ !) der Theologie der Hebräer mit den „Theologien der Weisen aus Griechenland“ (« φ >E..&( .!«) lohnend sei.90 Kurz werden nun einige philosophische Positionen zur Frage nach Gott und seinem Verhältnis zur Welt (ohne deren Vertreter namentlich zu nennen) skizziert.91 Sie werden jedoch nicht weiter diskutiert oder kriti89 90 91 Cf. PE 1.8.19 " ξ σ /%λ " " %&« /.8&, ’ χ $%!= Ρ % « >E..&( #A=« " /%) 9 ) " %µ« 9!) . Cf. dazu PE 14.14.8. Cf. PE 7.11.13. T" ξ σ $%µ !( Ρ( )« >E*!( .!« /!(. Θ ’ σ Ν= / ! %*0.. 1« « φ >E..&( .!« […]. PE 7.11.13 […] ξ ’ Ρ.(« ρ µ $%φ(, ξ @« $« ρ φ(, ?« λ « 80 %« S.( λ %0.( ! /%%« ) ) , ξ %" ρ 8µ ²) *!', λ (, ξ ξ κ %!) " 1 µ , φ $.) ξ 0 %µ " 1, κ λ /%λ )«, λ %0. 162 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert siert. Eusebius erklärt in PE 7.11.14, dass er sich im Folgenden damit auseinandersetzen möchte, was die Hebräer über das Prinzip der gewordenen Dinge (%λ )« $8)«) dachten.92 Zu Beginn werden jedoch zuerst in einem Satz folgende griechische Vertreter mit der Annahme ihres Prinzips bzw. ihrer Prinzipien angeführt: Thales (Wasser), Anaximenes (Luft), Heraklit (Feuer), Pythagoras (Zahlen), Epikur und Demokrit (unteilbare Körper), Empedokles (vier Elemente). Th 261 Eusebius, Praeparatio Evangelica 7.12.1 L.)« ξ ² M.&« $8κ 4%0( µ J( ρ $%φ&, #A=« ξ µ $, >H0.« µ %", P« $« […]. Th 261 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 7.12.1 Thales aus Milet legte dar, dass das Wasser das Prinzip aller Dinge sei, Anaximenes aber [legte dar, dass] die Luft [das Prinzip sei], Heraklit das Feuer, Pythagoras die Zahlen […]. Attribute Prinzip Wasser Milet Funktion der Bezugnahme Die Aussage über die Annahmen der genannten griechischen Philosophen scheint an dieser Stelle nur als Kontrastfolie zu den von Eusebius vorgetragenen philosophischen Meinungen der Hebräer über Gott und insbesondere deren Annahme einer zweiten Substanz zu dienen. Zur Frage nach der Quelle sowie der Funktion dieses Abschnittes vermutet der französische Übersetzer Schrœder, diese „doxographie semble être un résumé partiel des citations des Placita du Pseudo-Plutarque qu’Eusèbe donne en PE I, 8 et XIV, 14 (Anaximandre est omis, Pythagore ajouté). Cette énumération très 92 $ ρ µ λ &’ Ρ.(« %µ " , 0(« ξ λ 8 « φ0, ξ /= $( λ .% (0( $?8( λ $.( κ " %µ« ; Cf. dazu Schrœder (1975) 221–222 Anm. 3. PE 7.11.14 1 ξ U% λ µ Ρ.( µ %λ )« $8)« >E*!« %φ.φ. Wie bereits die Überschrift von PE 7.12 ankündigt (PEI TH TOY EYTEOY AITIOY LEOOIA), geht es um „die Theologie der zweiten Ursache“, bei den Hebräern nach Eusebius das Wort und die Weisheit Gottes. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 163 schématique des doctrines grecques a pour but de montrer la φ(! des philosophes, avant de leur opposer la pieuse et cohérente doctrine des Hébreux.“93 Diese Einschätzung ist zu ergänzen. Der Vergleich mit den zwei genannten, sehr ausführlichen Abschnitten aus Buch 1 und 14 zeigt klar, dass z.B. im Unterschied zu der Aufzählung im ersten Buch (PE 1.8) auch Xenophanes, Parmenides, Zenon und weitere Philosophen nicht genannt werden. Gibt es Gründe dafür, warum Eusebius gerade die anderen sieben Philosophen mit ihren Prinzipienannahmen an dieser Stelle anführt? Durch die Betrachtung des weiteren Zusammenhangs kann eine Antwort skizziert werden. Erst in PE 7.14.2 kommt Eusebius auf den Vergleich mit den griechischen Anschauungen zurück. Dabei bestimmt er die Prinzipienannahmen der Philosophen mit zwei Adjektiven als „leblose und vernunftlose Elemente“: In einer rhetorischen Frage vertritt er die These, ob es nun nicht die „Gott angemessenste“ (%%«) Aussage oder Lehre sei, das Prinzip bzw. den Anfang der Konstitution des Universums der logoshaften und allwissenden Macht Gottes zuzuschreiben, noch genauer, derselben Weisheit und demselben Logos Gottes, anstatt den leblosen und vernunftlosen Elementen (ν 1« $?8« λ $.« 8!«).94 Denn von solcher Art sei das Prinzip bzw. der Anfang bei den Hebräern. Durch diese Bestimmungen lässt sich nun besser verstehen, warum Eusebius zuvor in seiner „énumération très schématique“ (Schrœder) nur solche Philosophen ausgewählt hatte, deren Prinzipienannahmen entweder als leblos, vernunftlos oder beides ausgewiesen werden können. Neben der Diaphonie zwischen den Philosophen und der damit verbundenen Schwächung ihrer Erklärungsansätze liegt das Ziel der Argumentation in der klaren Abgrenzung und Abwertung der Lehren der Philosophen aufgrund ihrer als leblos und vernunftlos bestimmten Elemente im Gegensatz zur ‚hebräischen Lehre‘ von der logoshaften und allwissenden Macht Gottes. * 93 94 Schrœder (1975) 223 Anm. 1. PE 7.14.2 T" ξ σ λ " %λ " λ %1« >E*!( %φ.φ&. Θ ’ σ 8 ^« .( F s ² %%«, 0 " .9 ) λ %φ) (, ».. ξ 9 ) φ!) λ ) " .) ( κ $8κ $λ« )« " %µ« 0(« ν 1« $?8« λ $.« 8!«; $.. " % ’ >E*!« λ %λ )« Ρ.( $8)«. 164 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Kontext zu Th 262 In den Büchern 10–12 argumentiert Eusebius unter anderem dafür, dass die Griechen die alte Theologie und Philosophie von den Hebräern entlehnt hätten. Zuerst (PE 10.1) geht er darauf ein, wie bedeutende Zweige des Wissens von den Nicht-Griechen zu den Griechen gelangt seien und betont dabei das hohe Alter der Hebräer.95 Darauf versucht er, den Plagiarismus der griechischen Autoren untereinander sowie deren Entlehnungen von den viel älteren Schriften der Hebräer anhand von Textauszügen u.a. aus Clemens von Alexandrien (PE 10.2) und Porphyrius (PE 10.3) zu belegen. In PE 10.4 gibt Eusebius eine Skizze von den Anfängen der Theologie und Philosophie in Griechenland: Den Griechen fehlte eine wahre Theologie.96 Aus diesem Grund erscheint es ihm offenkundig, dass sich die Philosophie als „nackt“ (&) und „mittellos sowohl an eigenen Lehren als auch an eigenem Wissen“ den „fremden und barbarischen“ Systemen zuwandte und von allen Seiten entlieh und sammelte, was ihr nützlich erschien.97 Eine weitere Kernthese ist, dass diejenigen griechischen Philosophen, die im Hinblick auf Gott mehr und Besseres als die Masse aussagten, keine anderen wahren Lehren entdeckt hätten als solche, die bereits unter den Hebräern anerkannt waren.98 Neben fortwährenden Bezugnahmen auf seine eigene relative Chronologie kommt Eusebius, ausgehend von den ältesten ‚Theologen‘ (Orpheus, Linos und Musaios) und im Anschluss an die (nicht einzeln angeführten) Sieben Weisen (PE 10.4.10–12) auf die Philosophen und die Genealogie der griechischen Philosophenschulen zu sprechen. Zuerst (PE 10.4.13–16) ist von Pythagoras als dem ersten Philosophen die Rede, der als Schüler des Pherekydes den Namen „Philosophie“ erfunden und sich bei den persischen Magiern und den ägyptischen „Propheten“ aufgehalten haben soll.99 Im un95 96 97 98 99 Cf. dazu Droge (1989) 168–193 und Pilhofer (1990). PE 10.4.10 σ )« $."« .!« .!% 0 1« 6E.., $.. λ Ν..( 8 λ /% *(φ.. PE 10.4.9 […] ξ \1 .%µ λ *0*, g0 « κ λ 9!( & ( 0 8& %%(8 .( λ 0(, %9 8 49 ) %!' 00 λ /', Ρ %ξ % ’ 40« J / . PE 10.4.1 […] !« s Ω ³« λ >E..&( ¹ κ 0. \ φ.φ!« 4?0 ! %. λ 1' )« %& %λ $)« « ’ U % ’ 1« >E*!« %(( /φ" $.) . Cf. PE 10.4.14 λ µ R ξ $0φ, W ) " µ P φ!. ) ( ξ ) ( ² P« ., 1? ξ λ % 1« P 0« λ 1« A9%!( ξ %φ&« " […]. Cf. dazu Riedweg (2007) 20–21, 76–77, 82–84. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 165 mittelbaren Zusammenhang mit der Nennung von Thales (PE 10.4.17–18) kommt Eusebius auf die dreiteilige Entwicklung und Unterteilung der griechischen Philosophie nach Pythagoras (Italische Schule), Thales (Ionische Schule) und Xenophanes (Eleatische Schule) zu sprechen. Von Thales, der als einer der Sieben Weisen bezeichnet wird, ist weiter in PE 10.4.18 die Rede. Th 262 Eusebius, Praeparatio Evangelica 10.4.17–18 >O ξ σ P« "«. P; ’ / )« 8)« π .1 #I.κ φ.φ! , )« /%(!« / )« κ #I.! *)« $=(1α ’ b π $%µ L." " 4% φ 4µ« #I(κ %1α Ν% π #E.&, mφ0 µ K.φ; % /%?. [18] #A.. λ ² L.)«, —« « ¹", R1= f, ³« « %.&φ, M.&«α A9%!( ξ λ ^« . 1« %φ&« **.. Th 262 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 10.4.17–18 Pythagoras war nun so beschaffen. Als erste entstand in seiner Nachfolge die so genannte „Italische“ Philosophie, die den Beinamen aufgrund ihrer Schule in Italien zu Recht erhielt. Nach ihr entstand jene, die wegen Thales, einem der Sieben Weisen, als „Ionische“ bezeichnet wurde. Und darauf die Eleatische, die sich als Vater den Xenophanes von Kolophon zuschrieb.100 [18] Aber Thales war, wie einige berichten, Phönizier, wie andere wieder vermutet haben, Milesier. Er soll auch mit den Priestern der Ägypter zusammengekommen sein. Attribute Begründer der Ionischen Schule Phönizisch Milet Ägyptischer Einfluss: Begegnung mit den „Propheten“ Funktion der Bezugnahme Die Thales zugeschriebenen Attribute gleichen schematisch den Informationen, die Eusebius im vorausgehenden und folgenden Zusammenhang zu Pythagoras und Pherekydes gibt: 100 Übersetzung Schwab. 166 x x x x Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Die Bedeutung des Philosophen: Einer der Sieben Weisen, Begründer der Ionischen Schule, Lehrer-Schüler-Verhältnis, d.h. Begründer der Ionischen Schule, die Angabe einer zweiten, „fremden“ Herkunft (cf. Herodot Th 12 und Clemens Th 202, 204), das Studium außerhalb Griechenlands, d.h. die Zusammenkunft mit den ägyptischen „Propheten“. Eusebius äußert sich zwar an dieser Stelle nicht explizit zu seiner Quelle, doch ist es aufgrund des Wortlautes wahrscheinlich, dass er Clemens (cf. Th 202, 204) paraphrasiert. Während Clemens und Eusebius den Terminus „Propheten“ (%φ&«) verwenden, sprechen Plutarch (Th 115), Hippolytos (Th 214) und Diogenes Laertius (Th 237, 1.27) von ¹" (Priestern). Festzuhalten ist, dass dem Leser zu Thales ausgewählte Informationen präsentiert werden, die in Übereinstimmung mit der Argumentationsabsicht des Eusebius stehen. * Kontext zu Th 263 In PE 10.5–7 vertritt Eusebius die These, dass die Griechen in allen Dingen von den „Barbaren“ (den Phöniziern, Ägyptern u.a.) profitiert haben sollen. Während er in PE 10.6 seine These anhand mehrerer Auszüge aus Clemens’ Stromateis bekräftigt, zitiert er in PE 10.7 den jüdischen Historiker Flavius Josephus.101 Nach seiner eigenen Auskunft entnimmt er den Textauszug aus dem „zwei Bücher“ umfassenden Werk des Josephus Pλ )« #I!( $8«, „Über das hohe Alter der Juden“.102 Dabei handelt es sich um das letzte, apologetisch ausgerichtete Werk des Josephus, das dieser gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. veröffentlichte103 und das heute konventionell unter dem (auf Hieronymus zurückgehenden) Titel contra Apionem („Gegen Apion“)104 zitiert wird. In diesem Werk verteidigt Josephus „das Judentum 101 102 103 104 PE 10.6.15 1« ’ 9« σ D8 /%0? λ $%µ )« #I(&% " >E*! φ)«, b Pλ )« #I!( $8« / λ /% **.!« […]. Cf. zum Altersbeweis bei Josephus Pilhofer (1990) 193–206. Cf. Schreckenberg (1996) 49. „Selbst ein Erscheinungsjahr zu Anfang des 2. Jahrhunderts ist nicht ganz auszuschließen.“ ebd. 49 und Anm.1. Cf. ebd. 49–82, bes. 49 und 75–77. Deutsche Übersetzungen mit Kommentar bieten Müller (1877) und Labow (2005). Für die französische Übersetzung cf. Reinach (1930). Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 167 gegen Apion und andere Kritiker als alte, angesehene Religion mit philosophisch fundiertem Gottesbegriff und altehrwürdigem Kultus, als Religion, die mit guten Gründen einen angemessenen Platz in der hellenistischen Welt beanspruchen kann […]“.105 Die von Eusebius zitierte Textpassage stammt aus dem ersten Buch contra Apionem (Ap. 1.6–26).106 Bevor Eusebius das Zitat anführt, macht er auf drei Aspekte aufmerksam, die das Zitat aus Josephus verdeutlichen soll: (1) dass die Griechen „jung“ seien, (2) dass sie bei den „Barbaren“ Hilfe erhalten hätten und (3) dass sie sich in ihren eigenen Schriften gegenseitig widersprächen.107 Darauf folgt eine Anweisung (PE 10.6.15) an den Leser, der auf das hören solle, was Josephus „wortwörtlich“ schreibe (Ν ! g λ ^« 0φ %µ« .=). Nachdem Josephus darauf hingewiesen hat (PE 10.7.8), dass bei den Griechen kein anerkanntes Schriftstück ausfindig gemacht werden könne, das älter als die Dichtung Homers sei, erwähnt er (PE 10.7.9) namentlich zwei frühe Geschichtsschreiber,108 bevor er in PE 10.7.10 auf Pherekydes, den Syrer, Pythagoras und Thales zu sprechen kommt, die als Erste bei den Griechen „über himmlische und göttliche Dinge philosophiert“ haben sollen. Th 263 Eusebius, Praeparatio Evangelica 10.7.10 (= Flavius Josephus Th 108) #A.. κ λ @« %λ !( λ !( %;« % ’ 6E.. φ.φ&«, g R µ λ P λ L0., %0« φ;(« ²." A9%!( λ X.!( « « \.! 0?α λ " 1« 6E.. ρ 1 %0( $8 λ .« % %’ /!( 0φ. 105 106 107 108 Schreckenberg (1996) 50. Eusebius zitiert auch an mehreren anderen Stellen seines Werkes Josephus. Cf. für die Zitate in den Büchern 8–10 der PE den Index des Citations d’auteurs anciens bei Schrœder/Des Places (1991) 482. Allgemein für Exzerpte des Eusebius aus Josephus’ contra Apionem cf. Labow (2005) XLVIII-L. PE 10.6.15 […] %λ " « @« 6E..« λ % **0( kφ.) 0φ(0 41« φ. Kadmos aus Milet, Sohn des Pandion, nach antiker Ansicht ältester griechischer Historiker, Verfasser einer Prosaschrift über die Gründung Milets und ganz Ioniens, und Akusilaos von Argos (5. Jh.). 168 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Th 263 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 10.7.10 Aber die über himmlische und göttliche Dinge als Erste bei den Griechen philosophiert haben, wie Pherekydes von Syros und Pythagoras und Thales, diese waren nach einhelliger Meinung Schüler der Ägypter und Chaldäer und haben wenig geschrieben. Diese Schriften sind in den Augen der Griechen die ältesten von allen und man hält sie kaum für authentisch. Attribute Ägyptischer Einfluss: Schüler der Ägypter und Chaldäer Schrift: Thales, Pherekydes und Pythagoras haben wenig geschrieben Funktion der Bezugnahme Das Zeugnis über Pherekydes, Pythagoras und Thales aus Flavius Josephus (contra Apionem 1.7 = Th 108) dient in idealer Weise dazu, die übergeordnete Argumentation des Eusebius zu bekräftigen (cf. Kommentar zu Th 262). Vier Aspekte sind besonders hervorzuheben: Für die Argumentation insgesamt von großer Bedeutung ist die Aussage, dass „alle“ (%0«) über die folgenden zwei Thesen „miteinander übereinstimmen“ (φ;(« ²."): (1) Pherekydes, Phythagoras und Thales seien Schüler (0«) der Ägypter und Chaldäer gewesen; (2) diese hätten wenig geschrieben (\.! 0?). Die folgenden zwei Thesen verstärken die Argumentation des Eusebius: (3) das von ihnen Geschriebene scheine den Griechen von allem das älteste zu sein; (4) sie (sc. die Griechen) glaubten jedoch kaum (.«), dass diese Texte von jenen geschrieben worden seien (%’ /!( 0φ). Die Textpassage aus Josephus passt vortrefflich in den argumentativen Zusammenhang bei Eusebius. Die Zitate und Argumentationen aus Clemens und Josephus bekräftigt Eusebius in PE 10.8.1–16 mit weiteren Textauszügen aus Diodors Bibliothek. * Kontext zu Th 264 In PE 10.9 geht es um Fragen der Chronologie, insbesondere um das Alter des Moses und das der Propheten. Eusebius hebt hervor, dass er sich dabei sogar (PE 10.9.11–13) auf die Angaben seines „Feindes“ Porphyrius (und dessen nur fragmentarisch erhaltenes Werk ,Gegen die Christen‘) stütze. Nachdem er die Angaben des Porphyrius erläutert hat, stellt er in PE 10.9.25 fest, dass Moses und die Propheten jenem zufolge 1500 Jahre früher (%1) als die griechischen Philosophen Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 169 gewesen seien.109 In den Büchern 10–13 führt Eusebius weitere Zeugnisse chronologischen Inhalts seiner apologetischen Vorgänger an, die seine Einsichten bekräftigen und veranschaulichen.110 Diese Autoren können sich wiederum auf andere Zeugen und Untersuchungen berufen. In PE 10.10 zitiert er u. a. aus der Chronographie des Iulius Africanus, in PE 10.11 aus der Oratio ad Graecos des Tatian (cf. Kommentar zu Th 176),111 in PE 10.12 aus den Stromateis des Clemens von Alexandrien und in PE 10.13 wiederum aus Flavius Josephus. Th 264 Eusebius, Praeparatio Evangelica 10.11.34 (= Tatian Th 176) Kλ κ ( J(« $%( *8( D λ %λ )« 4% φ π.!« $0?. " %*0 %( L0.« %λ κ %κ #O.%0 λ %λ ’ µ 8µ π1 (« F. Th 264 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 10.11.34 Nach diesen Beweisen will ich auch noch kurz auf die Lebenszeit der Sieben Weisen eingehen. Da der älteste von ihnen, Thales, um die fünfzigste Olympiade [580/79–577/6] lebte, ist auch über seine Nachfolger ganz allgemein bereits gesprochen. Attribute Einer der Sieben Weisen Datierung (auf die 50. Ol.) Funktion der Bezugnahme Wie in Th 263 (= Th 108, Flavius Josephus) handelt es sich bei diesem Zeugnis über Thales um eine Textpassage, die Eusebius aus einem Text eines anderen Autors anführt, in diesem Fall aus der apologetischen Schrift des Tatian (= Th 176).112 Sie unterstützt das übergeordnete Argumentationsziel. Inhaltlich geht es um die Lebenszeit der Sieben Weisen, die mit Hilfe 109 110 111 112 PE 10.9.25 %1 Ν M()« λ ¹ ’ µ >E*!( %φ) ! % ’ 6E.. φ.φ( 8.!« %!« D κ " .(« $µ« ².!. Cf. PE 10.9.26. Cf. PE 10.11.1–5 = Tatian orat. 31, PE 10.11.6–35 = Tatian orat. 36–42. Cf. die Überschrift des Kapitels PE 10.11: ´. APO TOY PO EHNA TATIANOY. 170 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert der Lebenszeit des Thales datiert werden. Thales, der als „der älteste von ihnen“ bezeichnet wird, soll um die fünfzigste Olympiade (580/79–577/6) gelebt haben (cf. dazu den Kommentar zu Tatian Th 176). Eusebius äußert sich in PE 10.9.28 ausdrücklich über die Gründe für seine literarische Technik, bei seiner chronologischen Argumentation aus den Werken früherer Autoren zu zitieren. Die Grundgedanken dieser bemerkenswerten Textpassage sind für das Verständnis der Argumentationsweise des Eusebius von großem Interesse. Eusebius erklärt (PE 10.9.28), dass er in der gegenwärtigen Argumentation (µ % .) besonders den Stimmen seiner Vorgänger Platz einräume, damit zum einen „die Väter der Argumentationen“ (¹ .( %«) nicht ihrer eigenen Früchte beraubt würden, zum anderen, damit durch mehrere Zeugen ( %.( () und nicht nur durch ihn allein „die Zusammenstellung der Wahrheit“ (π « )« $.!«) eine unbestreitbare Bekräftigung erhalte ($φ!. .0* κ /%().113 * Kontext zu Th 265 / Th 266 Die übrigen beiden Zeugnisse über Thales (Th 265, Th 266) aus dem zehnten Buch stehen im gleichen Kontext. Im letzten Kapitel (PE 10.14) bietet Eusebius eine Synthese der vorausgehenden chronologischen Argumentation, nämlich die Priorität des Moses und der Propheten gegenüber den griechischen Philosophen: Es war unsere Aufgabe, zu beweisen, dass die Schriften des Moses und die der Propheten älter als die der Griechen sind. 113 Cf. PE 10.9.26 ? ξ µ« λ « %µ π %λ )« )« %(« $%!=«. κ % ’ π1 . Ν« λ $%µ %!« µ« 1« !« %(« (.«, θ λ κ %" % /%’ $*ξ« &« 9 ) % ’ >E*!« λ %!.9 9 ) 8 )« $% $8.!) , %.!) !=(«. Cf. PE 10.9.28 µ λ 0. 1« π0 1 %8() φ(1« µ % ., Ρ%(« ²" 9!( κ $%1 % ¹ .( %« λ %.( (, $.. κ ’ 4µ« /", π « )« $.!« $φ!. .0* κ /%(. Cf. zur Methode seiner Vorgänger PE 10.9.27. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 171 %Κ ξ π1 M((« λ %φ %.! >E.. $%1=.114 Darauf spannt Eusebius nochmals den chronologischen Bogen von Moses (PE 10.14.3) über zahlreiche Herrscher des jüdischen Volkes bis zur Einnahme Ilions (PE 10.14.3), von der Lebenszeit der ersten Propheten bis zum Babylonischen Exil zur Zeit der Propheten Daniel und Ezechiel (PE 10.14.7). Das Ende des Exils wird mit der Herrschaft des Kyros in Persien in Verbindung gebracht (PE 10.14.8). Zu dieser Zeit sollen zum einen die letzten Propheten Haggai, Zacharia und Maleachi gelebt haben, zum anderen Solon von Athen sowie die „bei den Griechen so genannten Sieben Weisen“.115 Eusebius bemerkt weiter im Hinblick auf die Sieben Weisen, dass bei den Griechen keines Philosophen gedacht werde, der als noch älter (%.«) als diese gelte. Von den Sieben Weisen wird in PE 10.14.10 besonders Thales hervorgehoben, der als erster Physiker oder Naturphilosoph (φµ« % «) bezeichnet wird. Th 265 Eusebius, Praeparatio Evangelica 10.14.10–12 T( κ 4% L.)« ² M.&« φµ« % « >E..&( Ω« %λ % π.! λ /.!?(« λ φ( .&« λ 9!« .8α / ’ ² $κ /%« / 1« 6E... [11] L0.( ξ ! $κ« #A=!«, P=0 ξ %1«, « ξ λ µ« M.&«. ^« % « ;« %µ« 0( % π.! λ 8( λ ³ λ 9!«. [12] #A=0 ξ ;« / #A=« E0 M.&«α ξ #A=« >H*. K.'«. Th 265 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 10.14.10–12 Unter diesen Sieben Weisen hat Thales aus Milet als erster Naturphilosoph der Griechen die Wenden der Sonne, die Eklipse, die Mondphasen und die Tag-und-Nacht-Gleiche erörtert. Er war der herausragendste Mann bei den Griechen. [11] Hörer des Thales aber war Anaximander, Sohn des Praxiades, seiner Abstammung nach aber auch selbst ein Milesier. Dieser richtete als Erster Gnomones ein zur Erkenntnis der Wenden der Sonne und der Zeitdauer, der Jahreszeiten und der Tag-und-Nacht-Gleiche. [12] Ein Bekannter 114 115 PE 10.14.1. PE 10.14.9 ξ K" .( #A1« /(!' λ ¹ .« 4% φλ % ’ 6E.., W %.« λ« % ’ 1« φ.φ« . 172 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert [Freund] des Anaximander aber war Anaximenes, der Sohn des Eurystratos, der Milesier; von ihm aber [war ein Bekannter (Freund)] Anaxagoras, der Sohn des Hegesibulos, der Klazomenier. Attribute Einer der Sieben Weisen Milet Erster Naturphilosoph Astronomie Erforschung der Sonnenwenden Erforschung der Sonnenfinsternis Erforschung der Mondphasen Erforschung von Tag-und-Nacht-Gleiche Thales herausragend bei den Griechen Anaximander als Hörer des Thales Funktion der Bezugnahme Bemerkenswert an diesem Zeugnis über Thales ist zum einen, dass es auf den ersten Blick keine erkennbare Polemik enthält, zum anderen, dass einige insbesondere astronomische Informationen über Thales referiert werden. Auffällig ist, dass ihm weder die Wasserthese zugeschrieben noch er selbst als Philosoph, sondern als erster Physiker oder Naturphilosoph (φµ« % «) bezeichnet wird. Wichtig scheint in diesem Zusammenhang für Eusebius besonders die Aussage zu sein (PE 10.14.9), dass bei den Griechen keines Philosophen (λ« […] φ.φ«) gedacht werde (), der als noch älter (%.«) als die Sieben Weisen gelte. Die Aufmerksamkeit wird auf Thales gerichtet, der sich durch seine astronomischen Forschungen bei den Griechen ausgezeichnet habe (/ ’ ² $κ /%« / 1« 6E..). Im Folgenden wird Anaximander als „Hörer“ des Thales eingeführt. Auch die Informationen über ihn konzentrieren sich auf seine astronomischen Leistungen: Er soll als Erster Gnomones zur Erkenntnis der Wenden der Sonne und der Zeitdauer, der Jahreszeiten und der Tag-und-Nacht-Gleiche eingerichtet haben. Von seiner Prinzipienannahme ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede.116 * 116 In PE 10.14.12 wird im Anschluss an Anaximenes Anaxagoras genannt, dem in diesem Zusammenhang im Vergleich zu seinen Vorgängern unter anderem die bedeutende Aussage über die ordnende Rolle des Geistes ("«) zugeschrieben wird. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 173 Kontext zu Th 266 Nachdem Eusebius die Reihe der Philosophen bis zu Sokrates fortgeführt hat (cf. Th 265), konstatiert er in PE 10.14.16 nochmals, dass alle Naturphilosophen vor Sokrates, angefangen bei Thales (%0« $%µ L." $=0), ihre Blütezeit später (;) als der Perserkönig Kyros gehabt hätten. Th 266 Eusebius, Praeparatio Evangelica 10.14.16 T ξ %%« $κ« , !%% ξ «, ^ P(«, ’ χ Q (0«. λ Ν..« ξ %0 D 1 φ@« φ.φ« %µ (0« «α %.κ $.. %0« $%µ L." $=0 ; K " P *.(« φ! «. ² ξ K"« %.1 )« 9« B*. 98.(!« " #I!( D« ).« / ;« […]. Th 266 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 10.14.16 Dessen (sc. Zenons) Schüler war Leukipp; Schüler von Leukipp aber war Demokrit; dessen Schüler war Protagoras, zu dessen Zeit Sokrates seine Blütezeit hatte. Man kann auch andere, einzelne Naturphilosophen finden, die vor Sokrates gelebt haben. Gleichwohl aber haben anscheinend alle, beginnend mit Thales, später als Kyros, dem König der Perser, ihre Blütezeit gehabt. Es ist jedoch offensichtlich, dass Kyros sehr lange nach der Babylonischen Gefangenschaft des Volkes der Juden gelebt hat […].117 Attribute Alle Naturphilosophen haben nach Thales gelebt Datierung (zur Zeit nach der Babylonischen Gefangenschaft) Funktion der Bezugnahme Mit der Datierung des Thales sowie seiner Klassifizierung als erster Naturphilosoph/Physiker (φµ« % «) wird ein für Eusebius bedeutsamer Einschnitt in der Geistesgeschichte markiert. In PE 10.14.16 wendet er sich nochmals an seinen Leser: Und so wirst du zustimmen, dass das Entstehen der griechischen Philosophie und besonders der Philosophie Platons um vieles jünger als Moses und die nach ihm kommenden Propheten ist. 117 Übersetzung Schwab. 174 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert — ².1 %.@ ; M((« λ ’ µ %φ )« >E..&( φ.φ!« λ 0. )« P.0( […]. In dieser These kündigt sich bereits das Thema der Bücher 11–15 an, die besonders der Auseinandersetzung mit der Philosophie Platons und der griechischen Philosophie allgemein gewidmet sind. * Kontext zu Th 267 Im elften Buch untersucht Eusebius vor allen Dingen, wie Platon als herausragender Repräsentant der griechischen Philosophie in den wesentlichen Punkten der Philosophie der Hebräer gefolgt sei.118 Dem elften Buch kommt aufgrund seines Inhaltes und seiner Stellung innerhalb der Praeparatio eine besondere Rolle zu. Es leitet den Vergleich zwischen griechischer Philosophie und hebräischem Denken ein und stellt den letzten Abschnitt vor der Überleitung zur Demonstratio Evangelica dar.119 Das Buch „joue donc un rôle d’introduction, en présentant les conditions dans lesquelles Eusèbe entend mener cette comparaison, et il en entame la première partie: la mise en parallèle des traits semblables entre les deux familles de pensée, avec le seul Platon pour témoin de la philosophie grecque“.120 In seiner Einleitung betont Eusebius, dass er um der Klarheit des Denkens Platons willen auch diejenigen „Zeugen“ benutzen werde, die seine Philosophie bewunderten.121 Ihre „Stimmen“ (φ(0«) werde er zur Bestärkung seiner Ansichten präsentieren. Das erste Kapitel (PE 11.1) steht unter dem programmatischen Titel „wie die Philosophie Platons der Philosophie der Hebräer in den wesentlichen Punkten gefolgt ist“.122 118 119 120 121 122 Cf. zum elften Buch der PE die Einleitung von Favrelle (1982) 7–42 sowie ebd. ihren Kommentar „Le Platonisme d’Eusèbe“, 239–391. Cf. Favrelle (1982) 41. Ebd. 41. Favrelle bemerkt ebd. 42 zusammenfassend: „Le livre XI est, pour l’essentiel, une démonstration de l’«hébraïsme» de Platon, un traité de la doctrine chrétienne vu dans son reflet chez le philosophe, un commentaire enthousiaste et une anthologie des textes platoniciens, les plus beaux aux yeux d’Eusèbe.“ PE 11. pr. 4 9 % , φ!« U )« " $µ« !«, λ 1« κ ’ µ /'.( φ.φ! 0 8&, « /« φ(« /%λ 0 " %. Eusebius behauptet, dass Platon im Hinblick auf die ganze Philosophie drei Teile (9« ! […] ) – Physik, Ethik und Logik – unterscheide, die Physik dabei noch- Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 175 Eusebius weist (PE 11.1.2) darauf hin, dass er sich bei der Vorstellung der Meinungen Platons ( $ P.0() auf die Darstellungen der Verehrer/Anhänger seiner Lehre ( " %*() stützen werde, zu denen er u.a. auch den platonischen Philosophen Attikos zähle.123 Das zweite Kapitel eröffnet Eusebius (PE 11.2) mit einem Zitat aus einer Schrift des Attikos %µ« @« #A.« P.0(« %8« (Gegen diejenigen, welche versprechen, die Schriften Platons mit Hilfe der Schriften des Aristoteles zu interpretieren).124 Attikos selbst wird von Eusebius als „ein glänzender Mann unter den platonischen Philosophen“ (φκ« $κ P.( φ.φ() eingeführt. Das Kapitel steht unter der Überschrift: „Aus Attikos: Über die Dreiteilung der Philosophie nach Platon“. Th 267 Eusebius, Praeparatio Evangelica 11.2.2–3 (= Attikos Th 169) 6O ξ P.0( % « λ 0. !« 9« ‘ %0 )« φ.φ!« , (« / λ —% " P(« ., 0% ρ% «, 0 λ ') ².. $%φ κ φ.φ!, ). %λ .. [3] OΚ ¹ %λ L.) λ #A= λ #A= λ Ρ µ «, $" %λ κ %ξ )« φ(« `( ? !?«. 123 124 mals in (a) die Betrachtung wahrnehmbarer Gegenstände und (b) die Untersuchung körperloser Gegenstände aufteile. Diese dreiteilige Gestalt der Lehre (µ ξ« " )« .!« ρ«) könne man auch bei den Hebräern finden, weil auch bei ihnen die gleichen Gegenstände ( Ρ) vor der Geburt Platons (% ν P.0( ) zum Gegenstand der Philosophie geworden seien. Cf. PE 11.1.1. Zuerst sei es lohnend, von den Lehren Platons zu hören, darauf sollten die Lehren der Hebräer genauer betrachtet werden. Cf. PE 11.1.2 % ξ P.0(« $" Ν=, ρ’ J(« λ >E*!( /%%). PE 11.1.2 &( ξ $ P.0( $%µ " %*(, W #Aµ« φκ« $κ P.( φ.φ( W % " ) $λ =, / g« o ‚Pµ« @« #A.« P.0(« %8«‘. Cf. zu Attikos mit weiterführender Literatur Karamanolis (2006) 150–190. Cf. zum Problem des Titels Karamanolis (2006) 151–153, der ebd. 151 konstatiert: „Scholars have often taken the phrase %µ« @« #A.« P.0(« %8« as the title of Atticus’ treatise, but most probably this is not so.“ 176 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Th 267 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 11.2.2–3 Dass Platon als Erster ganz vorzüglich alle Teile der Philosophie zu einem Ganzen vereinigt, die bis dahin zerstreut und zerrissen waren wie die Glieder des Pentheus, wie einer sagte, und dass er die Philosophie zu einem Körper und einem vollkommenen Lebewesen gemacht hat, ist jedem einleuchtend, der es hört. Auch verkennt man nämlich nicht, dass diejenigen um Thales, Anaximenes und Anaxagoras und alle, die zur gleichen Zeit wie diese lebten, sich nur mit der Betrachtung der Natur des Seienden beschäftigten.125 Attribut Naturphilosoph Funktion der Bezugnahme Die Bezugnahme auf Thales ist Bestandteil des Zitates aus Attikos (= Th 169). Im Anschluss an die von Attikos konstatierte Dreiteilung der Philosophie Platons (in Ethik, Physik und Logik) macht er auf die große Leistung Platons im Hinblick auf die vor Platon disparaten Teile der Philosophie aufmerksam. Attikos betont, dass Platon als Erster und in besonderem Maße alle Teile der Philosophie zu einem Ganzen vereinigt habe, die zuvor zerstreut und durcheinander lagen wie die Glieder des Pentheus.126 Platon habe, wie für jedermann offenkundig, die Philosophie als einen Körper und ein vollständiges Lebewesen offenbart. Mit dieser für Platon beanspruchten ganzheitlichen Sichtweise der Philosophie kontrastiert Attikos (PE 11.2.3) die bekannte einseitige Ausrichtung „derjenigen um“ (¹ %!) Thales, Anaximenes sowie Anaxagoras und der vielen, die ihre Zeit nur mit der Betrachtung der Natur des Seienden verbrachten (%λ κ %ξ )« φ(« `( ? !?«). Attikos kontrastiert ebenso mit Platons synthetischer Leistung zum einen den einseitigen Fokus auf die politischen Aktivitäten (9« %.!) bei Pittakos, Periander, Solon und Lykurg, zum ) 89 anderen die Konzentration auf die Kunst der Argumentation (/%λ 9 .() bei Zenon und in der eleatischen Schule.127 Festzuhalten ist, dass Thales an dieser Stelle aus der Perspektive des Attikos als ein Naturphilosoph präsentiert wird, der sich nur für die Betrachtung der Natur des Seienden interessiert habe. Von einer politischen Tätigkeit als Berater oder bestimmten ethischen Maximen ist in seinem Fall nicht 125 126 127 Übersetzung Schwab. Cf. zu den „Gliedern des Pentheus“ Clemens str. 1.13.57.1 und Kontext Th 199. Cf. PE 11.2.3 Z&( ξ λ %» µ #E.µ " .1 λ µ ; /%λ 9 ) 89 .( 0. %0. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 177 die Rede. Eusebius, dessen übergeordnete Absicht auf eine Darstellung der Philosophie Platons sowie den Vergleich derselben mit der „Philosophie“ der Hebräer abzielt, übernimmt die Darstellung des Attikos, die veranschaulicht, dass vor Platon noch nicht von einer ‚ganzheitlichen‘ Philosophie die Rede sein kann. * Kontext zu Th 268 Bevor sich Eusebius in PE 11.4 und PE 11.5 der Philosophie der Hebräer, ihren ethischen Lehren einerseits und der logischen Methode andererseits, widmet, zitiert er im Anschluss an das Zitat aus Attikos in PE 11.2–3 eine Textpassage aus dem Werk des Peripatetikers Aristokles von Messene (= Th 97), der vermutlich um die Zeitenwende lebte.128 Th 268 Eusebius, Praeparatio Evangelica 11.3.1 (= Aristokles Th 97) #Eφ.φ ξ P.0(, 9 ! « Ν..« %;%, !(« λ .!(«. O¹ ξ $%µ L0.( φ."« ., ¹ ξ %λ P /%? %0. Th 268 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 11.3.1 Wenn überhaupt einer, so philosophierte Platon wahrhaft und vollgültig. Thales nämlich und seine Schule haben nur Naturphilosophie betrieben, die um Pythagoras aber haben alles verschleiert. Attribut Naturphilosoph Funktion der Bezugnahme Das Zeugnis über Thales steht innerhalb dieses Zitates aus Aristokles, das Eusebius aus dem siebten Buch des Werkes „Über die Philosophie“ zitiert.129 Aristokles vertrete darin (PE 11.3.1) wörtlich (%µ« q)) die These, dass Platon, wenn überhaupt irgendeiner jemals, wahrhaft und voll128 129 Cf. zu Aristokles und seinem Werk Karamanolis (2006) 37–41, Chiesara (2001) und Moraux (1984) 83–207. PE 11.2.6 T" ξ ² #A«α /%1 ξ 1« 1« λ ² P%µ« ( 0 W Pλ φ.φ!« = W .( #A.)«, / 4*) %µ« q)α 178 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert kommen (!(« λ .!(«) philosophiert habe. Die Vollkommenheit von Platons Philosophie wird (PE 11.3.2) von Aristokles dreifach kontrastiert: erstens mit denjenigen, die ausgehend von Thales ($%µ L0.() nur das Ziel verfolgten, die Natur zu erklären (φ."« .), zweitens mit denjenigen um Pythagoras (¹ ξ %λ P), die alles verschleiert hätten (/%? %0), und drittens mit Xenophanes und seinen Nachfolgern (mφ0« ξ λ ¹ $%’ /!), die streitsüchtige Diskussionen geführt (@« /@« &« .«) und bei den Philosophen mehr Schwindel (%.@ […] F.) erzeugt als Hilfe geboten hätten.130 Obgleich es Eusebius nach seiner eigenen Auskunft (PE 11.3.10) bei diesem Zitat aus Aristokles vor allem um die (lobreiche) Darstellung der Philosophie Platons geht, fügt sich die Kritik an den drei bereits vor Platon einsetzenden Traditionssträngen, die auf Thales, Pythagoras und Xenophanes zurückgeführt werden, gut in seine Argumentation ein. Die Abgrenzung der als wahr und vollkommen betrachteten Philosophie Platons geschieht auch bei Aristokles (ähnlich wie bereits bei Attikos Th 267) in Auseinandersetzung mit und Kritik an seinen Vorgängern, darunter Thales. Diese werden als einseitig und streng begrenzt in ihren Forschungen präsentiert. Wiederum lässt sich an der raffinierten Technik der Zitation des Eusebius zeigen, dass er selbst nicht zu kritisieren braucht, sondern vielmehr durch seine Zitate aus einem anderen Munde kritisieren lässt. * Kontext zu Th 269 Auch im zwölften Buch geht es Eusebius darum, Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen Platon und der Lehre der Hebräer aufzuzeigen. Eusebius zitiert insbesondere Passagen aus Platons Staat und den Nomoi.131 Nachdem er in PE 12.27 die Aufmerksamkeit darauf gelenkt hat, dass der eigentliche Kampf des Menschen gegen sich selbst und die Leidenschaften in sich zu führen sei, vertritt Eusebius in PE 12.28 die These, dass die Seele und nicht 130 131 PE 11.3.1 ¹ ξ $%µ L0.( φ."« ., ¹ ξ %λ P /%? %0α mφ0« ξ λ ¹ $%’ /! @« /@« &« .« %.@ ξ /*. F. 1« φ.φ«, κ /%0 *&. Cf. zum Platonismus des Eusebius Favrelle (1982) 239–391, zu den Platon-Zitaten des 12. Buches die Einführung von des Places (1983) 8–12 sowie insgesamt die Auflistung der Themen und Quellen bei Breitenbach (2003) 111–112 Anm. 205. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 179 der Körper Ursache für gute und schlechte Handlungen sei. Gegenstand von PE 12.29 ist der ernsthafte und aufrichtige Philosoph. Die Überschrift des Kapitels lautet PEI TOY KALA RIOOROYNTO, „Über denjenigen, der makellos philosophiert“. Dieses Thema leitet Eusebius in PE 12.29.1 mit einem Zitat aus dem Alten Testament (Klgl 3,27–28) und einer Charakterisierung der Propheten in Anspielung auf den Hebräerbrief (Hebr 11,38) ein, bevor er zum Vergleich mit Platon eine längere Passage aus dem Theaitetos (Tht. 173ff.) zitiert. In ihr geht es um die Beschreibung desjenigen, der sich zur Höhe der Philosophie erhebt. Die hebräische (‚Heilige‘) Schrift (Klgl 3,27–28) sage über die ernsthaft Philosophierenden:132 Gut ist es für den Mann, ein Joch zu tragen in seiner Jugend; er wird einsam sitzen und schweigen, wenn Gott es ihm auferlegt […]. #Aµ $λ Ρ Ν9 'µ / "α & « λ (%& Ρ f /φ’ 4) […].133 Diese erste Charakterisierung „der ernsthaft Philosophierenden“ verbindet Eusebius mit einer Aussage „über die von Gott geliebten Propheten“ (%λ φ. %φ ), die in Anspielung auf den Hebräerbrief (Hebr 11,38) ihr Leben „in den Wüsten, auf Bergen und in Höhlen“ verbracht hätten, um die Höhe der Philosophie zu erlangen, indem sie ihre Gedanken nur ( ) ) κ 0 D8«).134 Anauf Gott allein richteten (%µ« ) schließend leitet Eusebius folgendermaßen zu Platon über: Höre jetzt Platon, wie auch er diese Lebensweise vergöttlicht, indem er die folgende Beschreibung desjenigen gibt, der sich zur Höhe der Philosophie erhebt. #E%0 " P.0(« Ρ%(« λ µ« µ " *! % /0', W % %λ " Ν(« φ.φ"« =;α135 132 133 134 135 PE 12.29.1 T)« % ’ >E*!« φ)« %λ " %9 ) φ.φ"« φ«α PE 12.29.1. PE 12.29.1 […] λ %λ φ. %φ , ³« Ν ’ $ φ.φ!« / /!« λ ` λ %.!« ), %µ« ) ( ) ) κ 0 D8« […]. PE 12.29.1. 180 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Darauf folgt das Zitat aus dem Theaitetos (173c6–177b7), in dem sich die literarische Figur des Sokrates über diejenigen äußert, „die an der Spitze stehen“ (%λ φ!(), d.h. die nach Weisheit strebenden und sich nicht um weltliche Belange kümmernden Philosophen. Deren Verhalten wird unter anderem exemplifiziert am Brunnenfall des Thales (cf. Th 19), der mit dem Typus des berechnenden Redners kontrastiert wird. Th 269 Eusebius, Praeparatio Evangelica 12.29.4–5 (= Platon, Theaitetos Th 19) P « " .«, τ ;«; 6% λ L.) $", τ L(, λ Ν( *.% % 9« φ L) »0 « /.κ« λ 8! %λ« $% ? . ³« ξ / ) %1 9, ξ `% " λ % %« .0 . µ ξ $1 /%λ %0« Ρ / φ.φ!) 0. ) ` µ " ² ξ %.! λ ² !( .., Ρ %0, $..’ \.! λ 9 Ν(%« / Q Ν.. . ! %’ /λ Ν(%« λ ! 9 ) 9 φ %& 0φ Ν..( %1 ν %08α '1 λ %0’ D8 ;«. M0« 0 %, τ L(, ν Κ; Th 269 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 12.29.4–5 Wie meinst du das, mein lieber Sokrates? Thales, mein lieber Theodoros, fiel, als er sich mit den Sternen beschäftigte und nach oben blickte, in einen Brunnen. Da soll ihn eine witzige und reizende thrakische Magd verspottet haben, weil er zwar die Dinge am Himmel zu erkennen begehre, ihm aber, was ihm vor den Füßen liege, entgehe. Dieser Spott gilt aber für alle, die in der Philosophie leben. Denn in der Tat: Wer dazu gehört, weiß nichts von seinem Nächsten und nichts von seinem Nachbarn. Nicht nur nicht, was dieser tut, sondern beinahe nicht einmal, ob er ein Mensch ist oder sonst ein Lebewesen. Was aber ein Mensch überhaupt ist und was seiner spezifischen Natur im Unterschied zu den anderen Wesen zukommt zu tun oder zu leiden, danach sucht er und müht sich, es zu erforschen. Denn du verstehst wohl, mein lieber Theodoros, oder nicht? Attribute Brunnenfall Astronomie Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 181 Funktion der Bezugnahme Bei diesem Zitat aus Platons Theaitetos geht es Eusebius um den übergeordneten Vergleich der göttlichen Lebensform des Philosophen, die sowohl von Platon als auch von den Hebräern vertreten werde. Die Bezugnahme auf Thales und die Brunnenfallanekdote ist damit Bestandteil dieses Vergleiches. Sie wird von Eusebius in diesem Zusammenhang als positives Pendant zu den hebräischen Vorstellungen des ernsthaften Philosophen präsentiert. * Kontext zu Th 270 In PE 12.43ff. geht Eusebius auf weitere Ähnlichkeiten zwischen Platon und den Hebräischen Schriften ein (cf. Th 269), z.B. im Hinblick auf die Verwendung gleicher Beispiele.136 Er zitiert vor allem Stellen aus Platons Gesetzen und dem Staat.137 Die Bezugnahme auf Thales (cf. Platon Th 22) steht in PE 12.49 im Rahmen einer Textpassage aus dem zehnten Buch von Platons Staat (Rep. 599b-601b). Eusebius versucht zu zeigen, wie Platon, nachdem er die Art und Weise der bei den Hebräern üblichen Erziehung übernommen habe, die propädeutischen Lehren der Griechen zurückweise.138 Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Homer, der mit Thales und Anacharsis kontrastiert wird. Th 270 Eusebius, Praeparatio Evangelica 12.49.6 (= Platon, Staat Th 22) #A..’ g κ 9« D φ" $µ« %..λ /%! λ &8 9« 8« Q « Ν..« %0=« ., —% σ L0.; % " M.! λ #A80« " ; O « " . 136 137 138 Cf. die Überschrift zu PE 12.43 ´. OTI TOI AYTOI O PATN OI KAI H PA’ EBAIOI ARH KEXHTAI PAAEIMAI. Nachdem Eusebius in PE 12.47 in einem Vergleich mit Platons Gesetzen (Lg. 760b3–6) zuerst zu zeigen versucht hat, dass darin die Zahl „Zwölf“ ähnlich der Aufteilung des hebräischen Volkes in zwölf Stämme von zentraler Bedeutung sei, kommt er in PE 12.48 auf Platons Ortsbeschreibung der Stadt zu sprechen, die nach Eusebius dem einstigen Jerusalem gleiche. Cf. PE 12.48.6 #A.. ( π1 λ 8 " $%( ?; Ρ%(« µ )« % ’ >E*!« %!« % ’ W 9& $% 0) ( )« P.!« =0« µ >E..µ %1, 0φ( / ) Wα […] 182 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Th 270 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 12.49.6 Doch werden nun (von ihm; sc. Homer) wie im Hinblick auf die Werke eines weisen Mannes viele geistreiche Erfindungen bezüglich der Künste oder irgendwelche andere Taten erzählt, so wie wiederum von Thales aus Milet oder dem Skythen Anacharsis?139 Keineswegs dergleichen.140 Attribut Milet Funktion der Bezugnahme Durch die so zitierten Textpassagen aus Platons Staat (PE 12.49.1–2 = Rep. 595b4–c4 und PE 12.49.3–14 = Rep. 599b9–601b6) werden vornehmlich Homer und die Dichter nach ihm u.a. für ihre konstatierte Wirkungslosigkeit im Bereich der Erziehung kritisiert. Die Dichter (PE 12.49.12) seien im Hinblick auf die Tugend und andere in ihrer Dichtung behandelte Gegenstände nichts als „Nachahmer von Trugbildern“.141 Diese kritischen Ausführungen werden von der literarischen Figur des Sokrates gegenüber Glaukon geäußert. In diesem Zusammenhang werden sowohl Thales als auch der Skythe Anacharsis als im Vergleich (—%) zu Homer positive Beispiele für ihre Erfindungen und Taten genannt. * Kontext zu Th 271 Zu Beginn des vierzehnten Buches erklärt Eusebius, dass er sich nach der Besprechung der Philosophie Platons im Folgenden den übrigen Philosophenschulen zuwenden werde, die bei den Griechen zur Philosophie verhalfen (PE 14.1.1 " /%λ « .%« ¹« % ’ 6E.. /%λ φ.φ!) *().142 Wie bereits in den vorangehenden Büchern 139 140 141 142 Wöhrle (2009) 45 Anm. 1: „Aus einer Königsfamilie stammender Skythe (cf. Herodot Hist. 4.46 u. 76ff.). Aufgrund seiner natürlichen Klugheit wurde er zum idealistischen Gegenbild der griechischen Zivilisation stilisiert und teilweise unter die Sieben Weisen gezählt.“ Übersetzung Schwab. Cf. PE 12.49.12 P0%, Dφ, 1« , τ ;«, $.) .. O" $%µ >O& $=0 %0« @« %@« « 9;.( $)« ρ λ Ν..( %λ W %", )« ’ $.!« 8 Ϊ%; Cf. zu PE 14 und 15 Mansfeld/Runia (1997) 130–141. Zum Gebrauch der Terminologie der „dissensio philosophorum“, die in ihrem apologetischen Gebrauch bis auf Philon zurückgeht, der diese von früheren skeptischen Attacken gegenüber der dogmatischen Philosophie aufgenommen hat, cf. Mansfeld (1988) 70–102. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 183 betont er (PE 14.1.2), dass nicht er selbst oder durch seine Vermittlung, sondern er durch das Zeugnis wiederum ihrer eigenen griechischen „Stimmen“ ( ξ )« %0. >E.. φ( !«) den „Abfall von der Wahrheit“ (µ / )« $.!« `.) den Lesern zur Prüfung vor Augen führen möchte.143 Obgleich Eusebius eingangs seine große Bewunderung ( ") für die Philosophen im Vergleich zu gewöhnlichen Menschen erwähnt, ist diese Bewunderung nur relativ im Vergleich zu den Theologen und Propheten der Hebräer, insbesondere im Vergleich zu Gott selbst, der mittels dieser sowohl seine Weissagungen mitteile als auch Wunder vollbringe.144 Eusebius kündigt (PE 14.2.7) an, dass er bei „allen namentlich genannten Physikern“ ( /%!. ξ φ 4%0() „sowohl die Widersprüche ihrer Lehren“ ( 0( « φ(!«) aufzuzeigen versuche als auch die Nutzlosigkeit (κ $80) ihrer eifrigen Studien. Seine Untersuchung führe er weder als ein „Griechenhasser“ (..) noch als ein „Verächter der Vernunft“ (.«). Es gehe ihm vielmehr darum, jeden Grund der verleumderischen Anklage aus dem Weg zu räumen, dass die Christen die hebräischen Propheten bevorzugt hätten, ohne mit der griechischen Kultur vertraut gewesen zu sein.145 Eusebius kontrastiert die besonders in PE 14.3.1–6 behauptete Übereinstimmung bzw. Harmonie (φ(!) im Hinblick auf die Entwicklung der Lehrmeinungen bei den Hebräern, bei Moses, den (späteren) Propheten sowie den Christen mit den Gegensätzen, Widersprüchen (φ(!) und dem „Kampf“ (08) bei den griechischen Philosophen.146 143 144 145 146 PE 14.1.2 λ ( σ %0. µ / )« $.!« `. µ« ξ % ’ /", ξ )« %0. >E.. φ( !« %1 1« /80 %µ \φ. &(α Cf. PE 14.1.2–3 […] ξ & $ $%8«, W λ " D8 ². , Ρ κ 1« Ν..«, g0% $;%«, %*0..( @« Ν«α /% ξ 1« >E*!( .« λ %φ&« ) ) ( λ ..( %&« λ 0( /%!=« %%) (, $ κ λ 0( * 0( $. .! **.) (, ’ ρ! 1 .(« /%?, 9 µ %µ $;%( λ $.& κ %µ . λ 8 ;. Cf. PE 14.2.7 λ /%!. ξ φ 4%0( ²" 0( « φ(!« λ )« %)« κ $80 9« φµ F(, Κ ! % .. ξ .« « z (%.." (), *.)« ’ 9! $%.«, Ρ κ )« >E..)« S φ!« %« >E*!( . %&. Cf. die Überschrift PE 14.3 ´. PEI TH TN KAL’ EBAIOY YMRNIA und die Ausführungen in PE 14.3.1–6. Cf. dazu die Überschrift PE 14.2 *´. 184 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert In PE 14.13.9 markiert Eusebius einen neuen Abschnitt in seiner Untersuchung, in der nun die wechselseitigen Gegensätze (%µ« $..&.« $=!«) in den Lehren (0«) der so genannten Naturphilosophen betrachtet werden sollen.147 Eusebius stützt sich dabei nach eigenen Angaben auf die Schrift des Ps.-Plutarch, in der dieser unter dem Titel Pλ $( 1« φ.φ« φ 0( in mehreren Büchern die Meinungen der verschiedenen Philosophen und Philosophenschulen zusammengetragen habe (« =« ;).148 Die Bezugnahme auf Thales in PE 14.14.1, die sich an diese Information anschließt, steht zu Beginn der Textpassage, die Eusebius (mit kleinen, aber unerheblichen Abweichungen) aus dem ersten Buch des Ps.-Plutarch (Th 147) zitiert, das Eusebius unter dem Titel „Meinungen der Philosophen über die Prinzipien“ (OmAI RIOORN PEI AXN) anführt. Th 271 Eusebius, Praeparatio Evangelica 14.14.1 (cf. Ps.-Plutarch Th 147) L.)« ² M.&«, g« 4% φ , $8κ `( $%φ& ρ µ J(. 1 ξ ² $κ ^« Ν= )« φ.φ!« λ $%’ " π #I(κ o« %α / %.1 8!. φ.φ&« ξ / A9%) ( %*« f. 9« M!.. /= J« φ %0 ρ λ 9« J( %0 $.. 80' ξ / %; Ρ %0( ') ;( π κ $8& /, !α J(« 9µ« λ %0 /= " κ $8κ D8. α %0 φ ) φ! λ %φ1, $" ξ =!. ! , Ρ λ µ µ %" µ " π.! λ Ν( 1« 0( $0 φ λ µ« ² «. " λ 6O« κ ; %! %λ " J«α „#, Ρ% « %0 .“ " ξ ² L.)«. 147 148 PEI TH TN RIOORN PO AHOY IARNIA KAI MAXH und die von Eusebius verwendete Terminologie in PE 14.2.1–7. PE 14.13.9 ?; ) .%µ Q Ν( $=0 « 9( φ φ.φ( « %µ« $..&.« $=!«. Cf. PE 14.13.9 0φ κ $(« 4%0( P.( ²" λ P!( D %*( φ φ.φ( /%.( λ σ %0. (( P% λ (= λ #E%!( « =« Ω ² P.8« / g« /%? „Pλ $( 1« φ.φ« φ 0(,“ /= W %& "α Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 185 Th 271 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 14.14.1 „Thales aus Milet“, einer der Sieben Weisen, „legte dar, dass das Prinzip alles Seienden das Wasser ist. Es scheint aber dieser Mann der Archeget der Philosophie gewesen zu sein, und nach ihm erhielt die Ionische Schule ihren Namen; denn es entstanden sehr viele Schulen [der Philosophie]. Nachdem er in Ägypten philosophiert hatte, kam er in höherem Alter nach Milet zurück. Aus dem Wasser, so sagt er, sei alles und in Wasser löse sich alles wieder auf. Er schließt dies zunächst aus der Tatsache, dass der Same, eine feuchte Substanz, das Prinzip aller Lebewesen ist. So ist es wahrscheinlich, dass alle Dinge ihr Prinzip aus dem Feuchten haben. Zweitens [schließt er dies aus der Tatsache], dass alle Pflanzen dank des Feuchten ernährt werden und Frucht tragen, aber vertrocknen, wenn sie keinen Anteil [am Feuchten] haben. Drittens [schließt er dies aus der Tatsache], dass auch das Feuer der Sonne selbst und das der Gestirne durch die Ausdünstungen der Wasser ernährt werden, ebenso der Kosmos. Daher äußert auch Homer diese Ansicht über das Wasser: „Der Okeanos, der der Ursprung von allem ist.“149 Soweit Thales. Attribute Milet Einer der Sieben Weisen Archeget der Philosophie Schule von Milet Ägyptischer Einfluss: Ägyptenreise Wasserthese in Verbindung mit Homer Funktion der Bezugnahme Wie bereits die Auflistung der zahlreichen Thales zugeschriebenen Attribute der Textpassage erkennen lässt, stellt dieses Zeugnis über Thales das längste im Werk des Eusebius insgesamt dar. Neben biographischen Angaben enthält es drei Argumente für die Wasserthese und die angeführte Verbindung zu Homer, die sich in anderer Form zum ersten Mal bei Aristoteles findet (cf. Th 29).150 Seine argumentative Funktion erhält die Bezug149 150 Homer Il. 14.246. Arist. Met. 1.983b27–33 9λ « θ λ @« %%.!« λ %.@ %µ )« " (« λ %;« .&« J(« F %λ )« φ(« %.*1α # λ T@ /%! )« (« %«, λ µ Ρ J(, κ . %’ [ % ]α ; ξ µ %*, Ρ« ξ µ ; /. 186 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert nahme auf Thales (PE 14.14.1) jedoch erst durch den weiteren Kontext, in dem mittels der Aufzählung von Anaximander (PE 14.14.2), Anaximenes (PE 14.14.3), Heraklit und Hippasos (PE 14.14.4), Demokrit und Epikur (PE 14.14.5) sowie Empedokles (PE 14.14.6) im Hinblick auf deren Prinzipienannahmen ein Dissens illustriert wird. Eusebius geht es vornehmlich um die Veranschaulichung dieser Meinungsverschiedenheit. Bemerkenswert ist, dass er nur eine bestimmte Auswahl aus dem Placita-Lemma 1.3 über die $8! zitiert.151 Die von ihm so getroffene Auswahl scheint ihm jedoch für seine erste Schlussfolgerung in PE 14.14.7 völlig hinreichend. Nachdem er die Aufzählung bis zu Empedokles (PE 14.14.6) geführt hat, stellt Eusebius in zweifacher Hinsicht fest (PE 14.14.7): Zum einen ist die Unstimmigkeit unter den ersten Naturphilosophen so groß, zum anderen ist deren Lehre über die Prinzipien so beschaffen, dass sie weder einen Gott noch einen Schöpfer, keinen Demiurgen, noch irgendeine Ursache des Universums annehmen, weder Götter noch unkörperliche Kräfte noch intelligible Naturen, keine rationalen Wesenheiten noch überhaupt irgendetwas in ihren ersten Prinzipien annehmen, das jenseits des Bereichs der Sinne liege. T ξ π %;( φ φ.φ( φ(!, ξ λ π %λ $8 =, , %&, µ Ρ.( F ξ κ @« ’ $(0« 0«, « φ«, .« !« ’ Ρ.(« /µ« 9&(« / 1« $81« %(. In seiner Auswertung formuliert Eusebius seine Kritik in zweifacher Hinsicht: Zum einen hebt er zuerst in quantitativer Hinsicht den Dissens zwischen den Naturphilosophen im Hinblick auf ihre Prinzipienannahmen hervor (T ξ π […] φ(!), zum anderen kritisiert er die präsentierten Meinungen inhaltlich ( ξ λ π %λ $8 =), indem er sie (auch in rhetorischer Akkumulation) als strikt materialistisch zu verstehen scheint. Als Ausnahme führt Eusebius nur Anaxagoras (PE 14.14.8) an, der als erster unter den Griechen in seiner Rede von den ersten Prinzipien erklärt 151 Cf. dazu Mansfeld/Runia (1997) 132–133, 132: „In Book XIV he (sc. Eusebius) draws on the two longest chapters in P (sc. Ps.-Plutarch), 1.3 on the $8! and 1.7 on theology. Of these chapters he makes selective use, not citing them in their entirety.“ Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 187 habe, dass der Geist die Ursache aller Dinge sei.152 Anaxagoras sage insofern nicht nur etwas über die „Essenz“ der Dinge aus, sondern insbesondere über die Ursache, die sie in Bewegung setze.153 Die Zusammenstellung von Lehrmeinungen der Naturphilosophen des Ps.-Plutarch dient Eusebius (ähnlich wie bereits Th 260, Th 261) als ideale Textgrundlage für seine argumentativen Zwecke. Mansfeld/Runia bemerken dazu treffend: „The use of P’s manual (sc. Ps.-Plutarch’s Placita) fits extremely well into this programme. Merely by writing out the various collections of =, Eusebius can show how the philosophers are at loggerheads with themselves.“154 * Kontext zu Th 272 In PE 14.15.1–10 wird jedoch auch Anaxagoras durch zwei Zitate aus Platons Phaidon (Phd. 97b-99b1, 99b6-c6) getadelt. Eusebius bemerkt darauf (PE 14.15.11), dass Xenophanes und Pythagoras, die er an dieser Stelle als Zeitgenossen des Anaxagoras bezeichnet,155 die „Unvergänglichkeit“ Gottes und die Unsterblichkeit der Seele zum Gegenstand der Philosophie gemacht hätten.156 In PE 14.15.11 kündigt Eusebius an, dass er nun wiederum (%0.) ausgehend von Ps.-Plutarch (cf. Plac. Lemma 1.7) die Annahmen der Philosophen „über die Götter“ (« %λ %.&?«) darzulegen beabsichtige:157 Plutarch beschreibt nun wieder die Annahmen derselben über die Götter auf diese Art und Weise: […]. %0. ’ σ ² P.8« « %λ %.&?« " 0φ µ %α 152 153 154 155 156 157 PE 14.14.8 « ’ σ % « >E..&( #A=« / 1« %λ $8 .« N" µ %0( F $%φ&. Interessant ist der folgende Kommentar von Eusebius PE 14.14.9–10 0 ’ D ³« ^« % « % ’ 6E.. " .&« µ %, =« #A!« Ν« ρ, Ρ κ µ S. /., µ ξ π.! %&, " 1 .λ« D. Cf. dazu Breitenbach (2003) 117–118 und Mansfeld/ Runia (1997) 132–136, insbes. 134 Anm. 45. Mansfeld/Runia (1997) 131. Cf. dazu Mansfeld/Runia (1997) 134–135. PE 14.15.11 %λ $φ!« " λ ?8)« $!« /φ.φα Cf. Diels (1879) 301ff., Textvergleich bei Mansfeld/Runia (1997) 133, 135–136. 188 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Zuerst geht es um diejenigen (PE 14.16.1), welche die These verteten haben sollen, dass es gar keine Götter gebe, wie Diagoras von Melos, Theodoros von Kyrene und Euhemeros von Tegea, ebenso der Dichter Euripides (cf. Ps.-Plutarch 1.7). Es folgt eine Kritik an Anaxagoras und Platon (cf. Ps.Plutarch 1.7). In PE 14.16.6 schließen sich die prägnanten Thesen zu Thales, Anaximander, Demokrit und Pythagoras an.158 Th 272 Eusebius, Praeparatio Evangelica 14.16.6 L.)« µ ρ µ . Th 272 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 14.16.6 Thales sagte, dass der Kosmos Gott sei [vgl. Th 149]. Attribut Gott: Der Kosmos ist Gott (sic!) Funktion der Bezugnahme Bemerkenswert sind mehrere Aspekte, die sowohl den Kontext als auch die Thales zugeschriebene These betreffen. (1) Nach der Ankündigung des Eusebius (cf. PE 14.15.11) und der Überschrift des Kapitels PE 14.16 geht es um „Meinungen der Philosophen über (die) Götter“ (OmAI RIOORN PEI LEN, im Plural), während das in großen Auszügen zitierte Lemma bei Ps.-Plutarch folgendermaßen überschrieben ist: !« ² «; d.h. „Wer ist Gott (bzw. „die Gottheit“)?“ (im Singular). (2) Von besonderem Interesse ist die von Eusebius präsentierte Aussage zu Thales. Wiederum besteht eine kleine, aber nicht unbedeutende Differenz zwischen dem Text des Ps.-Plutarch und dem des Eusebius, wie die Gegenüberstellung zeigt: Ps.-Plutarch (1.7 = Th 149) L.)« " " . Für Thales ist der Geist des Kosmos Gott.159 158 159 PE 14.16.6. L.)« µ ρ µ . #A=!« @« $« !« «. « µ / %λ φ) κ ?8&. P« $8 κ 0 µ λ µ $, S« /λ π " 4µ« φ«, µ« ² "«α κ ’ $ 0 λ ! λ µ , %λ S / µ .µ %.)«. Cf. zu Demokrit Mansfeld/Runia (1997) 136. Cf. die Überlegungen von Mansfeld zur Genese der Thales zugeschriebenen Doxa in Ps.-Plutarch Plac. 1.7 (!« ² «) in Mansfeld/Runia (2009) 87 und bes. 177–180. Interessant ist die resümierende allgemeiner formulierte Bemerkung von Mansfeld ebd. 180: „So a new and spurious doxa may to some extent be spun out of other doxai, Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) Eusebius (PE 14.16.6) 189 L.)« µ ρ µ . Thales sagte, dass der Kosmos Gott sei. Die Differenzen sind offensichtlich: Der gravierendste Unterschied zwischen beiden Texten besteht darin, dass der Begriff des "« in der Aussage bei Eusebius gar nicht vorkommt (Cf. dagegen Kyrill Th 375: L.)« ξ σ ² M.&« " " φλ µ ). Wie ist die Aussage des Eusebius zu verstehen? Es handelt sich um die These von der Identität Gottes mit dem Kosmos. Eusebius präsentiert für Thales eine Gottesvorstellung, die man wörtlich als ‚Kosmotheismus‘ beschreiben könnte. Gott wird dabei mit der Welt gleichgesetzt, d.h. er wird materialistisch oder (Welt-) immanent verstanden. Thales wird damit an dieser Stelle als materialistischer Theist charakterisiert. Zu bemerken ist, dass Eusebius auch bei Demokrit einen gegenüber dem des Ps.-Plutarch leicht veränderten Text aufweist. Wiederum besteht der größte Unterschied darin, dass der bei Ps.-Plutarch explizit genannte "« in der Präsentation des Eusebius fehlt.160 Wie sind solche Veränderungen des Textes zwischen Eusebius und Ps.-Plutarch zu erklären? (1) Zum einen ist es natürlich möglich, dass Eusebius einen anderen Text des Ps.-Plutarch vor Augen hatte als wir in der handschriftlichen Überlieferung.161 (2) Ebenso ist es denkbar, dass Eusebius beim Abschreiben ein Fehler unterlief.162 160 161 162 and may be formulated according to the same pattern, a pattern which, by the way, proves to have aquired canonical status. Tenets can be produced which, so to speak, are pseudo-abridgements of an original, but they may also be abstracts and transformations of something intermediate, either hypothetical or founded in fact, between the original and themselves.“ Mansfeld/Runia (1997) 136 bemerken dazu: „All Eusebius did was drop the word ".“ Cf. Mansfeld/Runia (1997) 138 zusammenfassend zu den „textual differences“ zwischen Eusebius und Plutarch v.a. mit Beispielen aus Buch 15 der PE: „In general one observes a slight tendency to simplify or normalize the text. […] it is possible that some of these differences are due to the fact that Eusebius had a different text than we have received in the mss. tradition.“ Cf. Mansfeld/Runia (1997) 138: „But many of the simplifications can be explained as occuring quite naturally when a text is being copied out, the precise wording of which is not authoritative (as in the case of the Bible or a mayor text). Even in the case of Eusebius, who wishes to be a faithful recorder of the errors of others, the inherent fluidity of the doxographical tradition is a factor to be reckoned with.“ 190 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert (3) Wichtig ist jedoch wiederum der Blick auf den argumentativen Zusammenhang: In PE 14.16.11 zieht Eusebius ein zweifaches Fazit: Von solcher Art sind nun die Unstimmigkeiten der Naturphilosophen und die üblen Reden über Gott, von denen die Darstellung zeigt, dass als Erste diejenigen um Pythagoras und Anaxagoras, Platon und Sokrates, einen Geist und Gott über dem Kosmos anordneten. T" ξ κ φ φ.φ( λ ¹ %λ " 0« λ φ!, W %;« ² .« ! @« $φλ µ P λ #A= P.0(0 λ (0 " λ µ /%) ) ) (. Für Eusebius ist also zum einen die Veranschaulichung des Dissenses wichtig, zum anderen der Nachweis, wann die Vorstellung von Gott als einem Geist in der griechischen Philosophie auftrat. Wie Eusebius weiter ausführt, seien jedoch auch die namentlich Genannten in chronologischer Hinsicht nichts als „Kinder“ im Vergleich zu der „Archäologie“, „der alten Erzählung“ der Hebräer.163 Unter Berücksichtigung dieses argumentativen Zusammenhangs ist der Erklärungsversuch von Mansfeld/Runia überzeugend: „It is theoretically not impossible, we realize, that the text given by Eusebius was present in his copy, but it would be a remarkable coincidence that it fits in so well with his preconceived view that none of the φ! before Anaxagoras regarded the $8& (i. e. God) as a "«. We prefer the conclusion that the bishop has adapted his text to the requirements of his theological perspective.“164 Die Redeweise der „Adaptation“ verdient aus überlieferungsgeschichtlicher und hermeneutischer Perspektive in diesem Zusammenhang den Vorzug vor der Klassifikation als Manipulation oder Konstruktion.165 * Kontext zu Th 273–280 Allen acht Zeugnissen über Thales aus dem letzten, dem fünfzehnten Buch der Praeparatio Evangelica ist gemeinsam, dass es sich um wörtliche Zitate 163 164 165 PE 14.16.11 ^ κ 9 ) %1« 1« 8« $%! , ’ ?« 8« J ¹1 )« >E*!( $8.!«. Mansfeld/Runia (1997) 136. Cf. zu dieser Aussage auch Cicero Th 72, Augustinus Th 311 sowie die weiteren Textzeugnisse zur Sim. ‚Gott [als Geist des Kosmos]‘. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 191 aus den Placita des Ps.-Plutarch handelt. Sie sind als Resultate der von Eusebius angewandten Methode zu verstehen, seine Argumentation primär mit Zeugnissen anderer Autoren (im 15. Buch häufig die Sammlung des Ps.Plutarch)166 zu stützen. Insofern die einzelnen Textzeugnisse über Thales sehr kurz sind und jeweils im gleichen Makrokontext stehen, sollen sie gemeinsam kommentiert werden. Das Interesse gilt dabei besonders dem übergeordneten Argumentationsziel. Zu Beginn des fünfzehnten Buches rekapituliert Eusebius den Plan und das apologetische Grundanliegen seiner Untersuchung. Das fünfzehnte Buch soll nochmals der Untersuchung der griechischen Philosophie gewidmet sein. Zuerst geht er auf Aristoteles, die Peripatetiker und die stoische Philosophie ein. Nachdem er in PE 15.22.68 die Darstellung und Kritik der peripatetischen und stoischen Philosophie beendet hat, wendet er sich wieder den „staunenswerten physischen Erklärungen“ (« « […] φ.!«) „der edlen Philosophen“ ( !( φ.φ() zu.167 Als Gründe führt er zuerst die folgende These an, dass alle Griechen gemeinsam die Götter («) für sichtbar hielten bzw. an sichtbare Götter glaubten (π&) und sowohl Sonne und Mond als auch die Gestirne sowie die übrigen Teile des Kosmos verehrten (/φ), und zumindest die mythischen und sinnentleerten Erzählungen über ihre „polytheistische Irrfahrt“ (%λ )« %. %.0«) in ehrwürdigere und natürliche Erklärungen (&« « κ λ φ1«) bezüglich der Grundelemente und Teile des ganzen Kosmos übertrugen. Im Hinblick auf seine Gründe und seine Quelle erklärt Eusebius weiter (PE 15.22.69): Deswegen scheint es mir notwendig zu sein, auch deren Meinungen darüber zugleich zusammenzutragen und sowohl ihre Unstimmigkeiten als auch die Sinnlosigkeit ihrer Eitelkeit sorgfältig zu betrachten. Auch dieses werde ich aus der Schrift des Plutarch anführen, in der er die Meinungen über diese ganzen Dinge zugleich sowohl der älteren als auch der jüngeren Philosophen zusammenträgt und auf diese Art und Weise aufschreibt: […]. 166 167 Cf. jedoch auch in Buch 15 der PE die Bezugnahmen z.B. auf Plotin, Aristokles, Attikos, Porphyrius oder Numenius. Cf. PE 15.22.68 […] — %0. /%. !( φ.φ( ²" %0( « « /%? φ.!«, Ρ 0. « %0« 6E..« @« ²@« S. λ .& λ @« .%@« $« 0 Ν.. " π& λ /φ, λ 0« « λ .;« %λ )« %. %.0« &« « κ λ φ1« $% /%λ 81 λ " %µ« 8. 192 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert $1 ρ 1 λ « %λ =« ²" 1 0« 0« λ " φ µ 0 /%(). &( ξ λ " $%µ )« P.08 φ)«, / 9 e « %λ ( 4%0( ²" %*( λ ( =« Ω " 0φ µ %α Im Folgenden führt Eusebius über viele Seiten Auszüge von verschiedenen Meinungen der Philosophen aus der Schrift des Ps.-Plutarch an. Th 273 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.29.3 (= Th 159) L.)« λ ¹ $%’ " $%µ " π.! φ(!' κ .&. Th 273 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.29.3 Thales und seine Schule nehmen an, dass der Mond von der Sonne beleuchtet wird.168 * Th 274 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.30.1 (= Th 157) L.)« ; , D% ξ Ν. Th 274 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.30.1 Nach Thales sind die Gestirne erdartig und feurig. Attribute Mond: Licht des Mondes Th 273 (= Th 159) Gestirne: Natur der Gestirne Th 274 (= Th 157) Kontext und Funktion der Bezugnahmen Nachdem Eusebius zuerst in Auszügen die Meinungen der Philosophen über die Sonne (PE 15.23), deren Größe und Gestalt (PE 15.24–25)169 referiert hat, kommt er auf die Ansichten über den Mond (PE 15.26–29), seine Größe, Gestalt und seine Lichtquelle zu sprechen.170 Die erste Bezugnahme auf Thales (Th 273) erfolgt in PE 15.29 bei der Frage nach der Lichtquelle des Mondes (PEI RTIMN EHNH). Bemerkenswert an diesem Lemma ist die offenkundig nicht chronologische Anord168 169 170 Cf. dazu Panchenko (2002) 223–236. Cf. dazu Mansfeld/Runia (2009) 514–551. Cf. dazu Ps.-Plutarch Plac. 2.20f. und Mansfeld/Runia (2009) 572–612. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 193 nung der Meinungen, die Anaximander, Antiphon, Thales („und die um ihn“) und Heraklit zugeschrieben werden.171 Ein Dissens wird bereits durch die unterschiedlichen Meinungen der beiden Milesier, des Anaximander (PE 15.29.1 F κ D8 φ «) und des Thales (PE 15.29.3 $%µ " π.! φ(!' κ .&), demonstriert. Während Anaximander die These vertreten haben soll, dass der Mond sein eigenes Licht habe, soll Thales nach Ps.-Plutarch mit anderen als Lichtquelle des Mondes die Sonne angenommen haben, d.h. die These des Heliophotismus vertreten haben.172 Die zweite Bezugnahme (Th 274) findet sich in PE 15.30 (cf. dazu Ps.Plutarch Plac. 2.13): Es geht um die Substanz der Gestirne, der Planeten und der Fixsterne (TI H OYIA TN ATN PANHTN KAI APANN).173 Die zuerst angeführte Meinung (; , D% ξ Ν / „die Gestirne sind erdartig und feurig“) wird Thales zugeschrieben. Im Kontrast zu seiner These steht bereits die zweite These, für die Empedokles angeführt wird.174 Nachdem Eusebius in PE 15.31 die Meinungen der Stoiker und des Anaximenes zur Gestalt der Sterne referiert hat, kommentiert er (PE 15.31): Von solcher Art sind die Erfindungen bei den wunderlichen Philosophen über das, was sie sichtbare Götter nennen. T" 1« 1« φ.φ« %λ W φ φ( /=. Im Folgenden widmet sich Eusebius den Meinungen über die Welt (PE 15.32ff.). In diesem Zusammenhang (PE 15.32.9–10) findet sich eine interessante Bemerkung zu Ps.-Plutarch und dessen Sammlung. Sie zeigt, warum die Placita für die Argumentation des Eusebius von so großem Nutzen sind: Plutarch, so Eusebius, habe diese Fragen, die von der Philosophie in zahllosen Wegen behandelt wurden, in wenigen konzisen Worten zusammengetragen und die Meinungen von allen und ihre Widersprüche zusammengestellt. Aus diesem Grund sei es gewinnbringend (für „uns“), wenn die Meinungen jeweils mit einem Blick auf ihre Widerlegung aus vernünftigen 171 172 173 174 Cf. zu diesem Lemma ebd. 601–612. Cf. dazu Graham (2001). Cf. zu diesem Lemma Mansfeld/Runia (2009) 453–469. Cf. dazu Mansfeld/Runia (2009) 453–469. 194 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Gründen präsentiert werden.175 Damit gibt Eusebius ausdrücklich zu verstehen, worin der spezifische Nutzen der Placita-Sammlung für seine eigene Darstellung besteht. * Kontext zu Th 275 / Th 276 Weitere Bezugnahmen auf Thales, die zusammenfassend kommentiert werden, finden sich sowohl im Kapitel „Über Dämonen und Heroen“ (´. PEI AIMONN KAI HN) in PE 15.43176 als auch im darauffolgenden Kapitel „Über die Materie“ (´. PEI YH). Th 275 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.43.2 (= Th 150) L.)«, P«, P.0(, ¹ (=λ !« %08 !« ?80«α ρ ξ λ S(« « 8(« ?8« (0(, λ $@« ξ « $0«, @« ξ « φ.«. Th 275 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.43.2 Thales, Pythagoras, Platon und die Stoiker nehmen an, dass die Dämonen seelische Substanzen seien. Die Heroen aber seien von den Körpern getrennte Seelen und zwar gute, wenn die Seele gut, schlechte, wenn sie schlecht ist. * Th 276 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.44.2 (= Th 151) O¹ $%µ L0.( λ P λ ¹ (=λ %κ λ $..(κ λ qκ Ρ. ’ Ρ.( κ J.. Th 276 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.44.2 Thales und seine Schule, Pythagoras und seine Schule und die Stoiker sagen, dass die Materie umwandelbar, veränderbar, modifizierbar und im Fluss in ihrem ganzen Umfange sei. 175 176 Cf. PE 15.32.9 " ξ %0 !( 1« %λ W ² .« /%κ Ω ² P.8« / \.!« 1., /%λ µ ²" Ω « 4%0( $%φ0« λ « φ(!« , π" λ π1 Ν8 & % 9« κ Κ. %!. Cf. PE 15.43.1 P(« ξ ) %λ .) ( µ %λ !( λ" π;( ¹. Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 195 Attribute Dämonen und Heroen Th 275 (= Th 150) Materie: Die Materie ist umwandelbar, veränderbar, modifizierbar und im Fluss Th 276 (= Th 151) * Kontext zu Th 277–Th 280 Nachdem Thales wiederum an erster Stelle in PE 15.50 „Über die Eklipse der Sonne“ (´. PEI EKEIE HIOY) angeführt wird,177 bemerkt Eusebius in PE 15.54.3, dass er die Aufmerksamkeit im Folgenden (PE 15.55–57) auf die Differenzen bei den Meinungen über die Erde lenken werde. Thales wird zuletzt dreimal in Kontexten genannt, in denen es um die Erde (PE 15.55,Th 278), ihre Gestalt (PE 15.56, Th 279) und ihre Position im Universum (PE 15.57.1, Th 280) geht. Th 277 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.50.1 (= Th 158) L.)« % « Dφ /.!% µ S. )« .&« µ %8« 0, Κ« φ ;«α *.% ξ " % «, %) (178 ) !) (. Th 277 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.50.1 Thales sagte als Erster, dass sich die Sonne verfinstere, wenn der von Natur erdartige Mond sie senkrecht schneide; man beobachtet das im Spiegelbild, indem man die [mit einer Flüssigkeit gefüllte] Schale unten hinlegt. * Th 278 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.55.1 (= Th 160) L.)« λ ¹ $%’ " ! ρ κ ). Th 278 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.55.1 Thales und seine Schule nahmen an, dass es eine Erde gebe. * 177 178 Cf. dazu Ps.-Plutarch Plac. 2.24. Anstelle des überlieferten %. Vgl. zu Th 158. 196 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Th 279 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.56.1 (= Th 161) L.)« λ ¹ (=λ φ) κ ). Th 279 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.56.1 Thales und die Stoiker nahmen an, dass die Erde kugelförmig sei.179 * Th 280 Eusebius, Praeparatio Evangelica 15.57.1 (= Th 162) O¹ $%µ L0.( κ ) . Th 280 Eusebius, Evangelische Vorbereitung 15.57.1 Thales und seine Schule nahmen an, dass die Erde im Zentrum sei. Attribute Ursache der Sonnenfinsternis Th 277 (= Th 158) Beschaffenheit des Mondes Th 277 Erde: Eine Erde Th 278 (= Th 160) Kugelförmige Erde Th 279 (= Th 161) Erde: im Zentrum des Universums Th 280 (= Th 162) Funktion der Bezugnahmen Festzuhalten ist, dass die angeführten Zeugnisse über Thales Zitate aus der Sammlung des Ps.-Plutarch darstellen und als Bestandteile der argumentativen Strategie des Eusebius zu verstehen sind, einen klaren Dissens zwischen den verschiedenen Meinungen der Philosophen herauszustellen. * Th 281–285 Eusebius, Chronik = Hieronymus Th 304–308 Fünf weitere Bezugnahmen auf Thales finden sich im zweiten der zwei Bücher umfassenden Chronik des Eusebius, die er um 311 verfasste. Das erste Buch enthielt eine Chronologie, die nach Völkern separierte Herrscherlisten und deren Herrschaftszeit präsentierte; das wirkungsgeschichtlich bedeutsamere zweite Buch bestand aus einer synchronistischen Darstellung der 179 Vgl. hierzu O’Grady (2002) 95ff. (Argumente für eine Zuweisung dieser Theorie an Thales). Eusebius von Cäsarea (Th 260–285) 197 Weltgeschichte in Parallelkolumnen.180 Diese „Chronik“ ist in griechischer Sprache nur fragmentarisch überliefert.181 Das zweite Buch entfaltete jedoch durch die lateinische Übersetzung und weitere Bearbeitung des Hieronymus eine große Wirkungsgeschichte, indem es als wichtige Informationsquelle bis zum Ende des Mittelalters diente. Vollständig liegt die Chronik des Eusebius nur in einer armenischen Übersetzung vor. Zusammenfassung Bei den vielen Zeugnissen über Thales in der Praeparatio Evangelica des Eusebius ist auffallend, dass es sich bei fast allen Bezugnahmen um wörtliche Zitate vor allem aus nicht-christlichen Werken Platons, Flavius Josephus’ und insbesondere der doxographischen Sammlung des Ps.-Plutarch handelt. Bemerkenswert ist, dass Eusebius selbst ausdrücklich seine Quellen benennt. Dieser Befund lässt die große Gelehrsamkeit des Eusebius erkennen, die das Fundament seines umfangreichen Werkes darstellt. Die zahlreichen wörtlichen Zitate sind jedoch vor allen Dingen mit seiner literarischen Technik und Argumentationsstrategie zu erklären, die er an mehreren Stellen seines Werkes expliziert (cf. z.B. Th 260, Th 263, Th 264, Th 267, Th 268, Th 271 und die betreffenden Kontexte). Ein wichtiges Merkmal seiner Argumentationsstrategie besteht darin, nicht direkt, sondern mittels ausgewählter Zeugen und Texte seine argumentativen Ziele zu erreichen. Bei den Bezugnahmen auf Thales in PE 14 und PE 15 (= Th 271–280) verarbeitet Eusebius in großem Masse doxographisches Quellenmaterial, das er der Sammlung des Ps.-Plutarch entnimmt. Thales wird dabei immer im Verbund mit weiteren Philosophen und deren Meinungen angeführt. Das ausgewählte Textmaterial wird in diesem Zusammenhang gezielt angeführt, um die ‚Diaphonie‘ (Unstimmigkeit) unter den griechischen Philosophen zu erweisen. Ein weiteres Beispiel für seine ‚indirekte‘ Argumentationsweise bietet Eusebius, indem er mittels Sokrates und seiner Kritik an den Naturphilosophen bei Xenophon (Kommentar zu Th 260, cf. dazu auch Theodoret Th 335) Kritik an den Erklärungsansätzen frühgriechischer Philosophen übt. Noch mehr als bei jedem anderen Werk ist deshalb der jeweils übergeordnete argumentative Zusammenhang bei Eusebius zu beachten. So stehen alle Zeugnisse aus dem zehnten Buch im übergeordneten Zusammenhang 180 181 Cf. dazu Helm (1956), Mosshammer (1979) 29–83, 128–168 und den Überblick von Breitenbach (2003) 27–34 zur Einordnung der Chronik in ihren literaturgeschichtlichen Kontext. Cf. Wöhrle (2009) Anm. zu Th 281 und Th 304–308 sowie insgesamt Helm (1956). 198 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert (a) der chronologischen Argumentation, dass Moses und die Propheten früher als die griechischen Philosophen gelebt und gewirkt haben und (b) unter der Gesamtperspektive einer Abhängigkeit der griechischen Philosophen von der Weisheit des Orients. Vor diesem Hintergrund erscheint Thales als Begründer der Ionischen Schule (Th 262), im Lehrer-Schüler-Verhältnis mit Anaximander und als erster Naturphilosoph (Th 262). Eusebius verweist wie bereits Clemens von Alexandrien (cf. Th 202 und Th 204) in diesem Zusammenhang (ähnlich wie bei Pherekydes und Pythagoras, Th 263) neben der Angabe der milesischen Herkunft des Thales auch explizit auf die ebenso bezeugte nicht-griechische, phönizische Herkunft (Th 263), die mit der Schülerschaft bei den Ägyptern und Chaldäern verbunden wird (Th 263). Mit diesen Elementen wird die These von den nicht-griechischen Ursprüngen der griechischen Philosophie weiter veranschaulicht und als plausibel dargestellt. Im Rahmen der chronologischen Argumentation zitiert Eusebius zahlreiche Abschnitte anderer Autoren (wie z.B. Flavius Josephus, Th 263, oder zur Datierung des Thales, Tatian, Th 264), auf die er seine Argumentation stützt. Für die chronologische Zuordnung des Thales ist entscheidend, dass er unter den Sieben Weisen (Th 264) zugleich als erster Naturphilosoph (Th 266) bekannt wurde. Für das Verständnis der Zitate in PE 11 und PE 12 (aus Attikos, Aristokles und Platon = Th 267–270) ist jeweils der übergeordnete Zweck der Argumentation zu berücksichtigen: zum einen die Darstellung der Vollkommenheit von Platons Philosophie im Kontrast zur Einseitigkeit seiner Vorgänger (Th 267–268), zum anderen die Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen Platons Philosophie und der Weisheit der Hebräer (Th 269–270). Literatur Barnes, T. D., Constantine and Eusebius, Cambridge u.a. 1981. Breitenbach, A., Das „wahrhaft goldene Athen“. 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Jahrhundert 3.4 Ps.-Justin (Th 291–292) Ps.-Justin, Cohortatio ad Graecos Die Schrift des Ps.-Justin,182 die in der kritischen Edition von Marcovich (1990) noch traditionell als Cohortatio ad Graecos bezeichnet wird, nach der grundlegenden Untersuchung von Riedweg (1994) als Ad Graecos de vera religione, ist nicht nur ein Text, der für die argumentative Auseinandersetzung eines Vertreters der christlichen Religion mit der griechischen Philosophie und Dichtung im Allgemeinen von großem Interesse ist.183 Das Werk ist auch für die Rezeptionsgeschichte des Thales bedeutsam, da es zwei Zeugnisse Th 291–292 enthält, die das kreative Rezeptionsverhalten und die rhetorische Finesse dieses Autors unter Beweis stellen. Bis in die Gegenwart sind Datierung und Autorschaft der Schrift umstritten.184 Nach den Forschungen von Riedweg scheint sie in die frühen Dekaden des vierten Jahrhunderts angesetzt werden zu können.185 Thema der im Genre der sym182 183 184 185 Cf. Riedweg (2001) 848–873, bes. 861–866. Cf. Marcovich (1990) und die Untersuchung von Riedweg (1994). Cf. zu Riedweg Runia (1997) 100–107 und van der Horst (1997) 366–367. Runia bemerkt ebd. 103–104 zu Riedwegs Titelvorschlag: „The suggestion is bold and not implausible. It would be strengthened if other cases could be shown where title and first introduction of the main theme are identical in this way. All things considered, I think the attempt to supplant a traditional and well-known title by replacing it with an unproven conjecture (no matter how plausible) is a little too bold, and may well cause confusion in scholarly circles.“ Cf. dazu ausführlich Riedweg (1994) 28–53. Die Untersuchung Riedwegs zu den literarischen Abhängigkeiten führt zu den Jahren 221 (Chronographie des Julius Africanus) und 440 n. Chr. (Kyrill) als sicheren Eckdaten für die Entstehung von Ad Graecos de vera religione. Als terminus post quem ermittelt er das Jahr 275 n. Chr. (Porphyrius). Riedweg bemerkt ebd. 51: „Versucht man, die Abfassungszeit innerhalb dieses relativ weiten Rahmens von 275 bis 440 n. Chr. noch näher zu bestimmen, so müssen inhaltliche Überlegungen den Ausschlag geben. Aus den engeren Berührungen mit Porphyrius möchte man schließen, dass Ps.-Justin seine Rede entweder noch zu Lebzeiten dieses einflussreichen antichristlichen Philosophen (gest. um 310) oder nur wenig danach geschrieben hat.“ Er wendet sich gegen eine deutlich spätere Datierung – etwa in die Zeit Julians –, gegen die weitere Gründe wie z.B. die mittelplatonische Prägung von Ps.-Justins Platonbild sprechen; cf. dazu ebd. 52. Cf. Riedweg (1994) 52. Die zahlreichen Übereinstimmungen der Schrift des Ps.Justin mit Eusebius’ Praeparatio evangelica sowie zugleich deren Unabhängigkeit voneinander könnten darauf hindeuten, dass beide Autoren ungefähr derselben Generation von Apologeten angehören. „Auch die Tatsache, dass in Eusebios’ breit angelegter Apologie wie bei unserem Autor die Verfolgungen insgesamt keine Rolle mehr spielen und die Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Christentum zu einer rein geistigen Angelegenheit geworden ist, deutet darauf hin, dass Ad Graecos de Ps.-Justin (Th 291–292) 201 buleutischen Rede186 verfassten Schrift ist die „wahre Religion“ bzw. die „wahre Frömmigkeit“ ()« $."« *!«), deren existentielle Bedeutung durch den Hinweis auf das von „Hellenen“ und Christen gleichermaßen verkündete Gericht unterstrichen wird. Die bekundete Absicht der Schrift ist die Prüfung der „Lehrer“ der griechischen und der christlichen Religion: „wer sie sind, wie viele an Zahl und zu welcher Zeit sie gelebt haben“.187 Der Zweck dieser Prüfung sei vornehmlich, „dass diejenigen, welche früher die fälschlich so genannte Religion von den Vorfahren übernommen haben, dies jetzt wenigstens wahrnehmen und sich von jener alten Verirrung trennen“.188 Die Schrift lässt sich in zwei große Argumentationsteile untergliedern: Während im ersten Argumentationsgang (coh. Gr. 2–13) griechische Dichter und Philosophen als griechische Religionslehrer den „heiligen Männern“, insbesondere Moses, gegenübergestellt werden, wird im zweiten Argumentationsgang (coh. Gr. 14–34) aufgezeigt, dass die griechischen Religionslehrer von denjenigen, mit denen der Autor sympathisiert (insbesondere wiederum Moses), abhängig sind.189 Auf Thales wird an zwei Stellen im ersten Teil der Argumentation Bezug genommen: zuerst (coh. Gr. 3–4) im Rahmen einer Präsentation von Prinzipienannahmen einiger Naturphilosophen, die dazu dienen soll, die chaotische Meinungsvielfalt unter diesen zu veranschaulichen; die zweite Bezugnahme auf Thales, die argumentativ eine wichtige Funktion erfüllt, erfolgt im nächsten Argumentationsschritt (coh. Gr. 5–7.1), in dem gezeigt werden soll, dass sich selbst die beiden großen Philosophen Platon und Aristoteles widersprechen und sich sogar in ihren eigenen Lehren nicht immer treu bleiben. Kontext zu Th 291 Nachdem die Dichter als Religionslehrer untersucht worden sind, soll nun von den ältesten und ersten ($%µ %. λ %;() Weisen gehan- 186 187 188 189 vera religione etwa im gleichen Zeitraum entstanden sein dürfte wie Eusebios’ Praeparatio evangelica, d.h. ca. 312–322 n. Chr.“ ebd. 52. Cf. Riedweg (1994) 69–70. Cf. coh. Gr. 1.2.15–17 […] D= . « D8, % ξ @« )« *!« π λ /=0 0.«, o« λ Ρ λ ’ ?« 8« […]. Coh. Gr. 1.2.17–19 […] o’ ¹ ξ % κ ?; * % %( %.φ«, " " 9 )« %.»« /!« $%.. %.0«, […]. Cf. zur Gliederung Riedweg (1994) 18. 202 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert delt werden. Die Lehre jedes einzelnen (κ 40 =) wird im Vergleich mit der (in coh. Gr. 2 behandelten) Theologie der Dichter weiter qualifiziert und bewertet: Jede von ihnen sei „um vieles bzw. in vielem .) als die Theologie der Dichter ()« lächerlicher (%..) % .!«)“. Es folgt eine katalogartige Aneinanderreihung der jeweiligen „Lehren“, die lediglich das jeweils angenommene Prinzip ($8&) referiert. Auf Thales (Wasser, µ J() folgen Anaximander (das Apeiron, µ Ν%), Anaximenes (Luft, $), Heraklit (Feuer, / %«), Anaxagoras (gleichartige Teile, « ²!«) und Archelaos (unendliche Luft, $ Ν%). All diese seien der von ihnen so genannten Naturphilosophie nachgegangen (κ φκ %’ . ). φ.φ!). Th 291 Ps.-Justin, Cohortatio ad Graecos 3.1–2 (ed. Marcovich) O" /%&% $%µ %. λ %;( !φ " Ν= %&, /" $=0« κ 40 = /&, %..) . )« % .!« σ. [2] L.)« ξ ² M.&«, ² % « )« φ)« φ.φ!« Ν=«, $8κ ρ `( 4%0( $%φ& µ J(α /= J« 0 φ %0 ρ λ 9« J( %0 $.. […] O^ %0«, $%µ L." « 8« /8«, κ φκ %’ . ). φ.φ!. Th 291 Ps.-Justin, Mahnung an die Griechen 3.1–2 Da man bei den alten und ersten Weisen beginnen soll, werde ich dort beginnend die Lehre jedes einzelnen darlegen, die um vieles lächerlicher als die Theologie der Dichter ist. [2] Denn Thales aus Milet (vgl. Th 147), der Archeget der Naturphilosophie, bezeichnete das Wasser als Prinzip aller Dinge; denn aus dem Wasser, sagt er, sei alles und in Wasser löse sich alles wieder auf [es folgen die Lehren von Anaximander und Anaximenes]. Diese alle befleißigten sich in der Nachfolge des Thales der von ihnen so genannten Naturphilosophie. Attribute Milet Archeget der Naturphilosophie Prinzip Wasser Begründung: Aus dem Wasser sei alles und in Wasser löse sich alles wieder auf Ps.-Justin (Th 291–292) 203 Funktion der Bezugnahme Es folgen Bemerkungen zu (1) den gelieferten Informationen, (2) der Strategie des Ps.-Justin und dem so genannten Widerspruchsargument sowie (3) zu einer Besonderheit im Hinblick auf den Rückgriff auf Ps.-Plutarch. (1) Die von Ps.-Justin referierten Lehrmeinungen entsprechen weitgehend dem Referat bei Ps.-Plutarch Plac. 1.3 Pλ $8 ! 9.190 Im Unterschied jedoch zu Eusebius PE 14.14 (= Th 271), der dieselbe Stelle ausdrücklich aus Ps.-Plutarch zitiert, gibt Ps.-Justin seine Quelle nicht an.191 (2) Zur argumentativen Strategie bei der Anordnung des doxographischen Materials ist zu bemerken, dass die referierten „Lehren“ der Philosophen nicht unmittelbar kritisiert werden; vielmehr werden die verschiedenartigen Akzentuierungen der einzelnen Philosophen im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Prinzipienannahmen besonders klar und anschaulich herausgestellt. Die starke Verschiedenheit der Meinungen und die Widersprüchlichkeit unter den Philosophen über die ersten Prinzipien sollen als Beweis für die Falschheit ihrer religiösen Spekulationen dienen.192 So mündet die Argumentation in ein erstes Fazit (coh. Gr. 4.2), das mit einer suggestiven Frage verbunden wird: Seht euch das Chaos der bei euch als Weise Geltenden an, von denen ihr behauptet, sie seien eure Lehrer der Religion! Die einen erklären das Wasser zum Prinzip von allem, die anderen die Luft, andere das Feuer, wiederum andere sonst etwas vom eben Gesagten, und sie alle gebrauchen einnehmende Worte zur Darstellung ihrer unrichtigen Meinungen und versuchen so den eigenen Lehrsatz als vorzüglicher zu erweisen. Das sind ihre Äußerungen! Wie könnte es also, ihr Hellenen, für Leute, die gerettet werden wollen, ungefährlich sein zu glauben, man könne die wahre Religion von ihnen lernen (κ $.) * 0) – sie, die nicht einmal sich selbst zu überreden vermochten, nicht gegeneinander zu streiten und offen ihre Ablehnung der Meinung der anderen zu zeigen?193 >O» κ $=! % ’ 1 ( ) φ , ?« 0.« )« *!« )! φ, ξ J( $%φ( $8κ 4%0( ρ, ξ $, ξ %", 190 191 192 193 Zur Analyse der Quellen cf. Riedweg (1994) 229–231 und Mansfeld/Runia (1997) 164–166. Cf. dazu Riedweg (1994) 229. Cf. dazu ebd. 109–115. Übersetzung Riedweg (1994) Appendix II, 587. 204 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert ξ Ν.. %(, λ %0( ( %1« .« %µ« κ κ . « =0( 1« 8(( λ µ F % /%8( . T"’ %’ F. P « σ $φ.«, τ Ν« 6E..«, 1« ) ;' *.« % ( F κ $.) * 0, ’ 4@« %1 ( µ κ %µ« $..&.« 0' ’ /!!«" )« $..&.( φ! =«; Diese Form der Argumentation findet sich bereits in der Schule der Skeptiker und wird vielfach auch von anderen Autoren wie z.B. Eusebius verwendet.194 (3) Das Muster der Argumentation ist ähnlich der Kritik, die Clemens an Thales und weiteren frühgriechischen Philosophen wegen ihrer angeblichen ‚Verehrung der Elemente‘ in Th 197 und Th 198 äußert. Riedweg bemerkt zu Ps.-Justin, dass dessen Ziel eigentlich die Darstellung der Theologie der Philosophen sei. Man könne daher einen Auszug aus dem Kapitel T!« ² « (Ps.-Plut. Plac. 1.7) erwarten, doch stattdessen werden die = der Philosophen Pλ $8 vorgeführt. Offensichtlich konnte man die Prinzipien als etwas Göttliches und damit als Bestandteil der Theologie betrachten. Diese Gleichsetzung der Prinzipien mit Göttern ist besonders bei den jüdisch-christlichen Apologeten häufig anzutreffen.195 * Kontext zu Th 292 Anhand des zweiten Zeugnisses Th 292 lässt sich in besonderer Weise zeigen, wie die Bezugnahme auf Thales eine bestimmte Funktion im Rahmen der Argumentation erfüllt. Vorweg jedoch eine Bemerkung: Wenn im Folgenden von „Platon“ und „Aristoteles“ sowie deren „Lehren“ die Rede ist, so ist besonders zu beachten, dass damit der Argumentation des Textes und der Perspektive des Ps.-Justin gefolgt wird.196 Nach den Lehren der Naturphilosophen scheint es ihm nun notwendig, sich den Lehren von Platon und Aristoteles zuzuwenden und diese zu prüfen 194 195 196 Zur Herkunft, Verbreitung und Transformation dieses Arguments cf. Riedweg (1994) 109–115. Cf. ebd. 230–231 mit der Angabe weiterer Stellen. Cf. dazu auch Tertullian Th 220 und Clemens Th 197 und Th 198. Cf. zum Platonbild und den mittelplatonischen Elementen im ersten Teil der Argumentation coh. Gr. 5–7.1 Riedweg (1994) 71–101, bes. 76–80 sowie 235–266, bes. 235–246. Ps.-Justin (Th 291–292) 205 (« ( /=0 =«),197 da diese bei den Griechen im größten Ansehen stünden,198 als sittlich vollkommen gälten und beide sich „die vollkommene und wahre Religion“ (κ .! λ $.) […] *) erworben hätten. Die Untersuchung zu Platon und Aristoteles ist erstens durch die Frage motiviert, von wem diese letztlich ihr Wissen erworben hätten (coh. Gr. 5.1). Diese Frage wird von der Annahme bestimmt, dass sie das Wissen von „so großen und göttlichen Dingen“ (@« J( 0. λ 1) nicht ohne eine Vermittlung durch andere Wissende erlernen konnten.199 Zweitens sollen die Lehren der beiden Philosophen im Hinblick auf Widersprüche zwischen ihnen untersucht werden (coh. Gr. 5.2). Wenn bei ihnen keine gegenseitige Übereinstimmung (φ("« $..&.«) aufgefunden werden könne, so sei es leicht möglich, „ihre Unwissenheit ebenfalls klar zu erkennen“.200 Mit diesen Voraussetzungen und Erwartungen wird die Untersuchung (coh. Gr. 5.2–7.1) eingeleitet. Einen ersten Widerspruch (coh. Gr. 5.2) erkennt Ps.-Justin darin, dass Aristoteles im Unterschied zu Platon den obersten Gott nicht in der feurigen Substanz ansetze, sondern in einem von ihm erfundenen „fünften, ätherischen und unveränderlichen Körper“.201 Diese These versucht Ps.-Justin (coh. Gr. 5.2) zunächst durch ein entstelltes Zitat aus Ps.-Arist. (cf. De mundo 2.392a5ff.) zu stützen. 197 198 199 200 201 Cf. coh. Gr. 5.1. Cf. coh. Gr. 5.1 #A..’ F(« ¹ )« $8!« λ %.»« /!« $%) κ *. %.0« Κ φ % %(, $.. % /=0( λ .0( / $9 ) ( ρ % ’ 1« φ.φ(, µ %λ )« *!« %.φ ., P.0(« λ #A.«α « κ .! λ $.) φ *. Cf. coh. Gr. 5.1 #EΩ ξ % ξ π(« s %! " .(, % !( @« « 9 φ!· $ @« J( 0. λ 1 κ %0 ( 9( « ν @« 9 ν 4« 0 \ «. Cf. coh. Gr. 5.1 ξ ρ 1 λ « ( /=0 =«· 9 0 9 κ λ ( 40« $! ) ( φ& .(. E9 ξ λ « κ φ("« $..&.« J, q) 0 ρ λ κ ( Ν ; φ «. Cf. coh. Gr. 5.2 P.0( ξ 0, ³« Ν( ..Ω« λ / 1« Ϊ% $* « 4(;«, µ $(0( µ / 9 ) %; !) ρ .. #A.« , / ) %µ« #A.= µ M .) ( )« 4" φ.φ!« /« Ρ, φ « λ φ « κ P.0(« $1 =, / 9 ) %; !) µ µ ρ .(· $..0, %% 9 ( µ ρ! φ. Cf. dazu Riedλ $0*. $%.0( , / ) weg (1994) 238–241. 206 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert In einem zweiten Schritt (coh. Gr. 5.3 = Th 292) gibt er kritisch zu bedenken, dass Aristoteles – „um Platon zu beschimpfen“ – seine These mit einem Rekurs auf ein Homerzitat Il. 15.192 beweisen wolle: Mit einem Zeugnis aus Homer will er seine eigene Lehre als glaubwürdig erweisen und verkennt dabei, dass, wenn er Homer zum Zeugen für den Beweis der Wahrheit seiner Worte nimmt, sich offenbar viele seiner eigenen Lehren als nicht wahr erweisen werden. *.« !ξ" / )« >O& !« $=% κ 4" =, $ !’" Ρ, 9 >O&) ( %µ« $%= " $.) 4µ . 0 8) , %.. ) =0( $.) φ& `. Ps.-Justin lenkt damit den Blick auf Homer als einen problematischen Zeugen für die Argumentation des Aristoteles (gegenüber Platon). Im unmittelbaren Anschluss folgt die Bezugnahme auf Thales. Th 292 Ps.-Justin, Cohortatio ad Graecos 5.3–4 φ 0α OJ(« " λ 6O« Dφα Z@« ’ D.8’ µ @ / 9 λ φ.9 α [Il. 15.192] *.« !ξ" / )« >O& !« $=% κ 4" =, $ !’" Ρ, 9 >O&) ( %µ« $%= " $.) 4µ . 0 8) , %.. ) =0( $.) φ& `. [4] L.)« ² M.&«, ² % « % ’ 1« )« φ.φ!« Ν=«, κ %φ % ’ " .*Ω « %;« " !" #A.«" %λ $8 $& =«. A" [#A.«] µ λ J. $8« ρ %0( 9« ² %*« ’ @« 4%0( !φ " L.)« $8κ `( J( ρ .α /= J« 0 φ %0 ρ λ 9« J( $. %0. 80' ξ % ξ $%µ " %0( ') ;( κ &, $8κ σ, ρα ξ Ρ %0 φ ) φ λ %φ1, $" ξ " " =!. Eρ’, —% κ $« g« 80', λ µ 6O ³« $=% J(« .α #«, Ρ% « %0 . [Il. 14.246] P « σ 9(« ² L.)« %µ« µ φ&α ’ b 9!, τ #A.«, « ξ P.0(« $1 /.( =«, ³« $. %8« >O&) (, π ξ κ /! $%φ0« = $. 6O F; Ps.-Justin (Th 291–292) 207 Th 292 Ps.-Justin, Mahnung an die Griechen 5.3–4 [Aristoteles] hat nämlich geschrieben:202 „So sagte ja auch Homer: ‚Zeus aber erlangte den Himmel, den breiten, in Äther und Wolken‘ [Il. 15.192].“ Mit einem Zeugnis aus Homer will Aristoteles seine eigene Lehre als glaubwürdig erweisen und verkennt dabei, dass, wenn er Homer zum Zeugen für den Beweis der Wahrheit seiner Worte nimmt, sich offenbar viele seiner eigenen Lehren als nicht wahr erweisen werden. Thales von Milet, der erste Begründer ihrer Philosophie, wird nämlich unter Berufung auf ihn [Homer] Aristoteles’ Grundlehren über die Prinzipien verwerfen. Denn während Aristoteles gesagt hat, Gott und Materie seien die Prinzipien aller Dinge, sagt der älteste unter allen ihren Weisen, das Prinzip der seienden Dinge sei das Wasser; denn aus dem Wasser, behauptet er, sei alles und in Wasser löse sich alles wieder auf (vgl. Th 147). Er geht dabei zunächst von der Tatsache aus, dass der Same aller Lebewesen, ihr Prinzip, feucht ist. Zweitens, dass alle Pflanzen dank des Feuchten ernährt werden und Frucht tragen, aber vertrocknen, wenn sie keinen Anteil am Feuchten haben. Schließlich begnügt er sich nicht mit seinen Mutmaßungen und ruft noch als glaubwürdigen Zeugen Homer an, der folgendermaßen spricht: „Okeanos, der doch der Ursprung ist von allen“ [Il. 14.246]. Wird nun Thales nicht billigerweise zu ihm [Aristoteles] sagen: „Weshalb, Aristoteles, hältst du dich, wenn du Platons Lehren widerlegen willst, an Homer als einen Mann, der die Wahrheit spricht, glaubst aber, wenn du gegen uns eine Lehre aufstellst, dass Homer nicht wahr rede?“ Attribute Milet Ältester der griechischen Philosophen Prinzip Wasser 1. Argument: Same als Prinzip aller Lebewesen ist feucht 2. Argument: Bedeutung von Feuchtigkeit für alle Pflanzen 3. Argument: Wasserthese und Homer Funktion der Bezugnahme Im Zentrum der Auseinandersetzung um die Frage nach den Prinzipien aller Dinge (coh. Gr. 5.4) stehen sich nun Thales und Aristoteles gegenüber. Während Aristoteles angeblich Gott und die Materie als Prinzipien annähme,203 202 203 Ps.-Arist. De mundo 6.400a19. Cf. dazu Riedweg (1994) 252–253. 208 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert spreche sich Thales als ältester der griechischen Philosophen für das Wasser als das Prinzip der seienden Dinge aus. Die These des Thales wird zuerst mit zwei Argumenten aus der Naturbetrachtung (% – ; cf. Th 147 Ps.-Plut. Plac. 1.3, das dritte Argument wird nicht genannt!) gestützt.204 Die Pointe entsteht nun dadurch, dass sich Thales im Anschluss an die zwei referierten Argumente explizit auch noch auf ein Zitat Homers („dass der Okeanos Ursprung von allem sei“; cf. Th 147 Ps.-Plut. Plac. 1.3, dort jedoch eingeleitet mit ") berufen haben soll. Somit entsteht nun eine Opposition der Autorität des Thales mit dem noch älteren Homer gegenüber Aristoteles. Die Kritik an Aristoteles liegt rein formal darin, dass dieser zum einen zuvor mittels eines Zitates Homer als Zeugen und Autorität für seine Kosmologie bzw. Theologie gegen Platon anruft (coh. Gr. 5.3) und zum anderen nun bei der Frage nach den Prinzipien (Gott und Materie bei Aristoteles gegenüber dem Wasser bei Thales) mit demselben Homer, der als Autorität für die Prinzipienannahme des Thales von Milet stehe, in Widerspruch gerate. Ps.-Justin ist mit dieser Argumentation noch nicht am Ende. Seine gegenüber Aristoteles artikulierte Kritik legt er der Figur des Thales in den Mund. Denn dieser könne sich nun wohl mit der berechtigten Frage an Aristoteles wenden (coh. Gr. 5.4): „Weshalb, Aristoteles, hältst du dich, wenn du Platons Lehren widerlegen willst, an Homer als einen Mann, der die Wahrheit spricht, glaubst aber, wenn du gegen uns eine Lehre aufstellst, dass Homer nicht wahr rede?“ ’ b 9!, τ #A.«, « ξ P.0(« $1 /.( =«, ³« $. %8« >O&) (, π ξ κ /! $%φ0« = $. 6O F; Riedweg spricht bei dieser Textpassage treffend von einem „belebenden Gedankenspiel“ des Ps.-Justin, insofern Thales mit gleichem Recht Aristoteles’ Lehre unter Berufung auf Homer widerlegen könne.205 Im Hinblick auf die Figur des Thales ist festzuhalten, dass ihm von Ps.-Justin an dieser Stelle eine gewichtige Autorität zugeschrieben wird, die mitunter durch das Attribut „des Ältesten“ (der Philosophen) und die Bezugnahme auf Homer 204 205 Cf. Aristoteles Th 29 und dazu Mansfeld (1985). Riedweg (1994) 235–236 spricht von einem „Interludium“, das formal „als eine Art Sequenz“ bezeichnet werden könne: „Das Motiv Y (Arist.) mit Homer gegen Z (Plat.)“ (5,3) wird auf einer andern Stufe wiederholt: „X (Thales) mit Homer gegen Y (Arist.)“ (5,4).“ Ps.-Justin (Th 291–292) 209 noch gesteigert wird. Interessant ist, dass Ps.-Justin, seinem doxographischen Quellenmaterial folgend, die Bezugnahme auf Homer Thales selbst zuschreibt. Bei der gesamten Konfrontation platonischer und aristotelischer Auffassungen in coh. Gr. 5.2–6.2 scheint er sich an einer mittelplatonischen Quelle zu orientieren, die ihrerseits doxographisches Material (unter anderem aus Ps.-Plut. Plac.) in der Absicht aneinanderreiht, die Gegensätze zwischen Platon und Aristoteles zu dokumentieren.206 Für den mit Aristoteles und der doxographischen Tradition vertrauten Leser, der das Thales-Referat Th 29 aus der Metaphysik kennt, mag diese Passage beim ersten Lesen zunächst befremdlich erscheinen. Berücksichtigt man jedoch das ausdrücklich artikulierte argumentative Interesse des Ps.Justin sowie seine doxographischen Quellen, so ist die Textpassage ein schönes Beispiel für die Rezeptions- und Transformationsgeschichte des Thales und seiner Ideen. Literatur Mansfeld, J., Aristotle and others on Thales, or the Beginning of Natural Philosophy, Mnemosyne 38, 1985, 109–129. Mansfeld, J., Runia, D. T., Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer, Vol. 1. The Sources, Leiden/New York/Köln 1997. Marcovich, M., Pseudo-Iustinos. Cohortatio ad Graecos. De Monarchia. Oratio ad Graecos, Berlin 1990. Riedweg, C., Pseudo-Justin (Markell von Ancyra?), Ad Graecos de vera Religione (bisher: „Cohortatio ad Graecos“), Einleitung und Kommentar, 2 Bde., Basel 1994. Riedweg, C., Art. Iustinus Martyr II (Pseudo-justinische Schriften) in: RAC 19, 2001, 848–873. Runia, D. T., Review [zu Riedweg, C., Ps.-Justin […], Basel 1994], Vigiliae Christianae 51, 1997, 100–107. Van der Horst, P. W., Rezension [zu Riedweg, C., Ps.-Justin […], Basel 1994], Mnemosyne 50, Fasc. 3, 1997, 366–367. 206 Cf. dazu Riedweg (1994) 76–80 und 241–246. 210 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert 3.5 Epiphanios von Salamis (Th 293) Epiphanios, der zwischen 310 und 320 nahe Eleutheropolis in Palästina geboren wurde, scheint sich bereits in jungen Jahren dem monastischen Leben zugewandt zu haben.207 Nachdem er als junger Mann in Ägypten Kontakt zu monastischen Kreisen gepflegt hatte, soll er mit ca. zwanzig Jahren selbst ein Kloster in Besanduc (Palästina) gegründet und geleitet haben.208 Im Jahre 367 wird er zum Bischof von Salamis, dem heutigen Constantia auf Zypern, gewählt. Dieses Amt versieht er bis zu seinem Tode im Jahre 403.209 Hieronymus, mit dem er im so genannten ersten origenistischen Streit gegen Ende des 4. Jh. zusammenarbeitet, äußert sich in einem Brief an Rufinus über die Fünfsprachigkeit des Epiphanios (Hebräisch, Syrisch, Koptisch, Griechisch und Latein).210 Epiphanios, Haereses / de fide Sein in den Jahren 374–377 verfasstes Hauptwerk trägt den symbolträchtigen griechischen Titel Panarion (‚Arzneikasten‘) und gilt als „die bedeutendste und umfangreichste häresiologische Enzyklopädie der Alten Kirche“.211 Quasten bemerkt, der griechische Titel „finds its explanation in the authors’s intention to furnish an antidote to those who have been bitten by the serpent of heresy and to protect those who have remained sound in their faith“.212 Das Werk, das auf Bitten von Freunden geschrieben worden sein soll, wird gewöhnlich unter dem lateinischen Titel (Adversus) Haereses zitiert. Epiphanios behandelt darin in drei Büchern achtzig ‚Häresien‘. Zu dieser Zahl bemerkt Schneemelcher: „Die Zahl stammt, wie Epiphanios selbst darlegt […] aus Cant. 6,7: die 80 Nebenfrauen stehen der einen reinen und vollkommenen ‚Taube‘, der Kirche, gegenüber (ebd. de fide 6.6). Unter dem Zwang, diese vorgegebene Zahl auszufüllen, wird der Begriff der Häresie sehr weit gefasst: nach den allgemeinen Häresien B*«, «, >E..« und #I« erscheinen Stoiker, Platoniker, Pythagoräer und Epikuräer als hellenistische ‚Häresien‘. Es folgen nach einer erneuten Behandlung des Judentums die Sama- 207 208 209 210 211 212 Zu Leben und Werk cf. Schneemelcher (1962) 909–927. Cf. ebd. 910–911. Cf. Löhr (1998) 196–198, 196. Cf. Hieron. adv. Ruf. 2.22; 3.6. Löhr (1998) 196. Quasten (1992) 387. Cf. dazu Epiphanios haer. prooem. 1.1.2. Epiphanios von Salamis (Th 293) 211 ritaner, Essener, Sebuäer […]. Insgesamt werden vor der D« %- ! Christi 20 Häresien aufgezählt.“213 Kontext zu Th 293 Das Panarion wird durch eine zusammenfassende „wahre“ Darstellung über den Glauben der katholischen und apostolischen Kirche (« $.κ« .« %λ %!(« .)« λ $%.)« /.!«)214 abgeschlossen, die jedoch auch noch polemische und antihäretische Exkurse enthält. In diesem letzten Abschnitt des Werkes, der auch unter dem Titel De fide bekannt ist, steht die kurze Bezugnahme auf Thales und weitere Philosophen. Epiphanios beabsichtigt, die Namen und Lehrmeinungen ( \ λ « =«) der griechischen Philosophen, die ihm bekannt sind, aufzuführen.215 Th 293 Epiphanios, Haereses 3.504.32–505.3 = De fide 9.4–6 (ed. Dummer) λ 9λ ξ ¹ /= >E..&( o, W %; 0= $%’ $8)« κ L." " M.! ; λ =. [505] Aµ« L.)« ² M.&«, g« φ 4% φ , $8 %0( $%φ& µ J(α /= J« 0 φ %0 ρ λ 9« J( %0. $.. Th 293 Epiphanios, Über den Glauben 3.504.32–505.3 = De fide 9.4–6 Auch gibt es die folgenden von den Griechen stammenden Ansichten, unter denen ich wohl als Erstes von Anfang an die Ansicht und Lehre des Thales von Milet anordnen würde. Denn Thales selbst, der Milesier, der einer der Sieben Weisen war, erklärte das Wasser zum Urprinzip von allem. Denn aus Wasser, sagte er, sei alles und in Wasser löse es sich wieder auf.216 Attribute Milet Einer der Sieben Weisen Prinzip Wasser: Alles besteht aus Wasser und löst sich wieder dahinein auf 213 214 215 216 Schneemelcher (1962) 916. Schneemelcher bemerkt, dass Epiphanios diesen erweiterten Begriff der Häresie von Hippolytos übernommen habe. Cf. haer. 3.496.13–14 = de fide 1. Cf. haer. 3.504.26–32 = de fide 9.2–4. Übersetzung Schwab. 212 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Funktion der Bezugnahme Epiphanios führt an erster Stelle seiner Liste griechischer Philosophen die Einsicht und Meinung (; λ =) des Thales an, den er als einen der Sieben Weisen einführt. Als dessen Lehre präsentiert er die Wasserthese.217 Festzuhalten ist, dass Thales an dieser Stelle ähnlich wie bei Irenäus (Th 145) und Hippolytos (Th 209–215) in einem häresiologischen Kontext erscheint. Die Bezugnahme ist Bestandteil einer Aufzählung griechischer Philosophen (de fide 9.4 bis zu Epikur in de fide 9.48), wird jedoch selbst nicht unmittelbar für die Argumentation nutzbar gemacht.218 Epiphanios stellt abschliessend fest, dass es auch viele andere Philosophen und Philosophien bei den „Barbaren“ und den griechischen Teilen des römischen Reiches sowie in anderen Teilen der bewohnten Welt gebe.219 Daran schliessen sich weitere Aufzählungen z.B. der verschiedenen „Philosophien“ Indiens an. Literatur Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Löhr, W. A., Art. Epiphanius von Salamis, LACL, 1998, 196–198. Quasten, J., Patrology, Bd. 3, 1992. Schneemelcher, W., Art. Epiphanius von Salamis, RAC 5, 1962, 909–927. Williams, F., The Panarion of Epiphanius of Salamis. Books II/III (Sects 47–80, De Fide), Leiden/New York/Köln 1994. 217 218 219 Cf. dazu Sim. ‚Prinzip Wasser‘. Eine Zusammenstellung der Abfolge der Philosophen bietet Diels (1879) 175–177, bes. 176. Cf. haer. 3.509.24–25 = de fide 10.1. Hieronymus (Th 304–308) 213 3.6 Hieronymus (Th 304–308) Sophronios Eusebius Hieronymus wurde um 347 in einer christlichen Grundbesitzerfamilie in Stridon (Dalmatien) geboren. „Als Bibelübersetzer und Exeget, Vorkämpfer des Mönchtums und der Orthodoxie, Gelehrter und Vermittler zwischen Orient und Abendland, Antike und Christentum ist Hieronymus (gest. 419 oder 420) der weitaus vielseitigste unter den christlich-lateinischen Schriftstellern des Altertums und nächst Augustin auch ihr produktivster […].“220 Er wirkte in bedeutenden Zentren des römischen Reiches, vor allem in Rom, Trier (wo er zur mönchischen Lebensform konvertierte), Antiochien und Konstantinopel, später auch in einem Kloster in Bethlehem.221 Erst in der Mönchszelle, so Hagendahl und Waszink, soll Hieronymus in vollem Umfang seine literarische Tätigkeit entfaltet haben.222 In seiner Eigenschaft als Übersetzer ist Hieronymus durch seine lateinische Übersetzung und Weiterführung der Chronik des Eusebius für die Rezeptionsgeschichte des Thales von Bedeutung. Seiner Übersetzung verdanken wir fünf Zeugnisse über Thales (cf. Eusebius Th 281–285 = Hieronymus Th 304–308). Hieronymus, Interpretatio Chronicae Eusebii Die fünf Bezugnahmen auf Thales stehen im zweiten der zwei Bücher umfassenden Chronik des Eusebius, die dieser um 311 verfasste.223 Das erste Buch enthielt eine Chronologie, die nach Völkern separierte Herrscherlisten und deren Herrschaftszeit präsentierte; das wirkungsgeschichtlich bedeutsamere zweite Buch bestand aus einer synchronistischen Darstellung der Weltgeschichte in Parallelkolumnen.224 Diese „Chronik“ ist in griechischer Sprache nur fragmentarisch überliefert. Das zweite Buch entfaltete jedoch durch die lateinische Übersetzung und weitere Bearbeitung des Hieronymus eine große Wirkungsgeschichte, indem es als wichtige Informationsquelle bis zum Ende des Mittelalters diente.225 Vollständig liegt die Chronik nur in 220 221 222 223 224 225 Hagendahl/Waszink (1991) 117–139, 117; cf. auch Fürst (1998) 286–290. Cf. Hagendahl/Waszink (1991) 117. Cf. ebd. 117. Cf. zur Chronik des Eusebius Mosshammer (1979) 31–37 sowie Mansfeld (1990) 313–318. Cf. dazu Helm (1956) und Mosshammer (1979) 29–83, 128–168. Cf. z.B. das Chronicon universale von Ekkehard von Aura (Migne PL 154, 541). Cf. für weitere Beispiele die Anmerkungen bei Wöhrle (2009) zu Th 304–308. 214 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert einer armenischen Übersetzung vor.226 Mosshammer bemerkt zur Übersetzung des Hieronymus: „This version, presented as showpiece to the Roman synod of 382, was a vulgate edition of the most substantial portion of Eusebius’ work – the Chronological Canons. Jerome continued the chronicle to his own times ending with the Battle of Adrianople in 378. He also expanded its scope to include more information of interest to Latin readers than Eusebius had, especially in the field of literary history.“227 Bedeutsam für die Wirkungsgeschichte der griechischen Chronik des Eusebius ist auch die folgende Einschätzung von Mosshammer: „Jerome’s version of the Chronicle of Eusebius, composed little more than fifty years after the Vicennalia with which his exemplar ended, entirely supplanted the Greek Eusebius, at least in the Latin-speaking world, and rapidly became the standard encyclopedia of chronology in the West.“228 Alle Textzeugnisse über Thales bei Hieronymus sind als feste Bestandteile der lateinischen Übertragung und Aneignung der chronologischen Gelehrsamkeit des Eusebius anzusehen.229 Auf ihre Funktion wird abschliessend in einer kurzen Zusammenfassung eingegangen. Kontext zu Th 304 Die erste Bezugnahme auf Thales stammt aus der Übersetzung des Vorwortes des Eusebius. Bezeugt wird die Zeitgenossenschaft Solons mit Thales, die, mit weiteren fünf anderen, als die Sieben Weisen bezeichnet werden (septem sapientes appellati sunt); es wird konstatiert, dass Homer viel früher (Homerus autem […] multo prior) als diese Gruppe der Sieben Weisen lebte. Th 304 Hieronymus, Interpretatio Chronicae Eusebii – interpretata Eusebii praefatio (13.19–14.1 ed. Helm) Homerus autem Solone et Thalete Milesio ceterisque, qui cum his septem sapientes appellati sunt, multo prior repperitur.230 226 227 228 229 230 Cf. zur Geschichte der armenischen Übersetzung Mosshammer (1979) 41ff. und 73ff. Mosshammer (1979) 29. Ebd. 38. Cf. zu allen Zeugnissen unter Berücksichtigung der hellenistischen Quellen Mosshammer (1979) 255–273, zu Thales in der Chronik Apollodors Jacoby (1902) 175–183. Cf. Frechulf von Lisieux Historiae (Allen CCL 169A, 953C) Hieronymus (Th 304–308) 215 Th 304 Hieronymus, Übersetzung der Chronik des Eusebius 13.19–14.1 Es wird berichtet gefunden, dass Homer viel früher als Solon und Thales von Milet und die übrigen, die zusammen mit diesen die Sieben Weisen genannt werden, lebte. Attribute Milet Datierung Einer der Sieben Weisen * Kontext zu Th 305 In diesem Zeugnis wird Thales auf das Jahr 747 v. Chr. datiert; zu dieser Zeit soll er als „Naturphilosoph“ (physicus philosophus) bekannt gewesen sein (agnoscitur).231 Th 305 Hieronymus, Interpr. Chron. Eus. – Chronicorum canones ad ann. a. Chr. n. 747 (88b.19) Thales Milesius physicus philosophus agnoscitur.232 Th 305 Hieronymus, Übersetzung der Chronik des Eusebius zum Jahr 747 v. Chr. Thales von Milet ist als Naturphilosoph bekannt. Attribute Milet Datierung Naturphilosoph * 231 232 Auf diese Datierung stützt sich vermutlich auch Augustinus in civ. 18.24 (= Th 313). In der Suda Th 495 wird diese Datierung in Zusammenhang mit der Angabe des Phlegon von Tralleis (cf. Th 166) gebracht. Jacoby (1902) 182 bemerkte zur Angabe des Phlegon: „Die Rechnung ist thöricht, ihre Entstehung unsicher.“ Cf. Ekkehard von Aura Chronicon universale (Migne PL 154.541). Cf. Th 495. 216 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Kontext zu Th 306 Nach diesem Zeugnis wird die Lebenszeit des Thales bestimmt. Er wird als Sohn des Examyas (Examyis filius) und als der erste Naturphilosoph (primus physicus philosophus) bezeichnet; zu dieser Charakterisierung wird auch seine Lebenszeit (uixisse) angegeben: Thales soll bis zur (usque ad) 58. Olympiade (548/7–545/4 v. Chr.) gelebt haben.233 Th 306 Hieronymus, Interpr. Chron. Eus. – Chron. canones ad ann. a. Chr. n. 640 (96a.9–12) Thales Milesius, Examyis filius, primus physicus philosophus agnoscitur,234 quem aiunt vixisse usque ad LVIII olympiadem. Th 306 Übersetzung der Chronik des Eusebius zum Jahr 640 v. Chr. Thales von Milet, Sohn des Examyas, ist als der erste Naturphilosoph bekannt;235 er soll bis zur 58. Olympiade [548–545] gelebt haben.236 Attribute Milet Sohn des Examyas Erster Naturphilosoph Datierung (der Lebenszeit bis zur 58. Ol.) * 233 234 235 236 Gleichung zur Zeitbestimmung mittels der Olympiadenberechnung: 776 v. Chr. (= 1. Jahr der 1. Olymp.) – Anzahl der Olympiaden × 4 = Ergebnis (+ 4,3,2,1) Bsp. 58. Ol.: 776 – 58 × 4 = 544 + 4 (+3,+2,+1) = 1. Jahr der 58. Ol.: 548 (547, 546, 545). Helm (1956) weist darauf hin, dass die Bemerkung von Diels zur Stelle (VS 11 A7), es müsse richtig nascitur heißen, fragwürdig ist (vgl. die armenische Version und Th 480). Vgl. Prosper Aquitanus Epitoma chronicorum 165 (ed. Mommsen chron. min. I (1892) = MGH auct. ant. IX 394); Chronicum integrum (Migne PL 51, 543). Vgl. Chronicum Gall. a. 511 (Mommsen chron. min. I (1892) = MGH auct. ant. IX 636, 170): „Tales Melezius primus phisicus philosophus“; Isidor von Sevilla Chronicon 444, 158 (Mommsen chron. min. II (1894) = MGH auct. ant. XI), 391–488: Thales Milesius primus fisicus clarus habetur, [qui defectus solis, acutissima perscrutatione comprehensis astrologiae numeris, primus investigavit]. Vgl. dazu Frechulf von Lisieux Chronica (Allen CCL 169 A, 984B). Eus. chron. armen. ad. ann. ab Abr. 1376–9 = 35. Olympiade (GCS Eus. 5, 185 Karst (1911)): „Thales von Amilos, der Milesier, war als erster Physiker gekannt; und es wird berichtet, er habe sein Leben bis zur 48ten Olympiade ausgedehnt.“ Hieronymus (Th 304–308) 217 Kontext zu Th 307 Das Zeugnis datiert im Jahre 586/585 v. Chr. eine Sonnenfinsternis (solis […] defectio); das Eintreten dieser Sonnenfinsternis soll von Thales vorhergesagt worden sein (antedixisset).237 Bemerkenswert ist, dass bei Hieronymus die Schlacht zwischen dem Lyderkönig Alyattes (im 30. Jahr seiner Herrschaft) und dem Mederkönig Astyages (im 17. Jahr seiner Herrschaft) auf das Jahr 582 v. Chr. datiert wird.238 Th 307 Hieronymus, Interpr. Chron. Eus. – Chron. canones ad ann. a. Chr. n. 586 und ad. ann. a. Chr. n. 582 (100b.25–101b.6) Solis facta defectio, cum futuram eam Thales antedixisset […] Alyattes et Astyages dimicaverunt.239 Th 307 Hieronymus, Übersetzung der Chronik des Eusebius zum Jahr 586 v. Chr. Es gab eine Sonnenfinsternis, deren Eintreten Thales vorausgesagt hatte […] Alyattes und Astyages lieferten sich eine Schlacht. Attribute Datierung der Sonnenfinsternis (48. Ol) Vorhersage der Sonnenfinsternis * 237 238 239 Cf. dazu Sim. ‚Sonnenfinsternis‘ und ‚Datierung‘. Cf. zur Genese dieser Version des Hieronymus Mosshammer (1979) 272–273, der erklärt: „In this case, it can be explained exactly how the error happened. Eusebius had entered the eclipse and the Lydo-Median war side by side in the spatium historicum of the 48th Olympiad. That was the last Olympiad on Jerome’s 26-line page. Jerome was dictating the notices associated with Olympiad 48.4. His bookman entered the first part of the notice (the eclipse) at that year but, having used the last line, he was forced to turn the page and write the second part (the war) at the top of the next page and hence in the next Olympiad.“ Zur Abweichung der armenischen Version (49. vs. 48. Ol.) bemerkt Mosshammer ebd. 273: „The Armenian version shifted the combined notice down by two or three years, a displacement evident in every entry in the right margin of this page of the Armenian Canons (e.g. Solon in 591, compared to Jerome’s 594).“ Eus. chron. armen. ad. ann. ab Abr. 1433 = 49. Olympiade (GCS Eus. 5, 187 Karst): „Die Sonne ward verfinstert nach Thales des Weisen Vorausverkündigung. Aliates und Azdahak lieferten eine Schlacht.“ Cf. Petrus Comestor Historia scholastica (Migne PL 198.1427 C-D). 218 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Th 308 Hieronymus, Interpr. Chron. Eus. – Chron. canones ad ann. a. Chr. n. 548 (103b.12) Thales moritur.240 Th 308 Hieronymus, Übersetzung der Chronik des Eusebius zum Jahr 548 v. Chr. Thales stirbt.241 Attribut Datierung des Todes Funktion der Bezugnahmen Die Zeugnisse Th 304–308 in der Übersetzung des Hieronymus zeigen deutlich, dass Thales als markante Figur Eingang in die antike Chronologie und Chronographie gefunden hat und somit auch über diese Textform bei gebildeten Christen der Kaiserzeit und Spätantike präsent bleiben konnte. Aspekte seiner chronologischen Bedeutsamkeit sind (1) seine Schlüsselrolle als Mitglied der Sieben Weisen und als Archeget der Naturphilosophie (primus physicus philosophus); (2) die ihm zugeschriebene Vorhersage der Sonnenfinsternis manifestiert und veranschaulicht in einzigartiger Weise seine Leistung als Naturphilosoph und bietet zugleich ideale Bezugspunkte für die Datierung seiner Lebens- und Wirkungszeit im synchronen Vergleich mit anderen Ereignissen.242 Die Textzeugnisse bei Hieronymus veranschaulichen, wie Thales in einer wichtigen und einflussreichen lateinischen Textgattung bekannt ist. Literatur Fürst, A., Art. Hieronymus, LACL, 1998, 286–290. Hagendahl, H., Waszink, J. H., Art. Hieronymus, RAC 15, 1991, 117–139. Helm, R., Eusebius Werke VII, Die Chronik des Hieronymus, GCS 47, Berlin 1956. Jacoby, F., Apollodors Chronik. Eine Sammlung der Fragmente, Berlin 1902. Mansfeld, J., Studies in the Historiography of Greek Philosophy, Assen/Maastricht 1990. Mosshammer, A. A., The ‚Chronicle‘ of Eusebius and Greek chronographic tradition, Lewisburg 1979. 240 241 242 Eus. chron. armen. ad. ann. ab Abr. 1468 = 58. Olympiade (GCS Eus. 5, 189 Karst): „Thales stirbt.“ Cf. Ekkehard von Aura Chronicon universale (Migne PL 154.549). Cf. zum Tod des Thales auch die Angaben im Chronikon Paschale (Osterchronik), Th 477, sowie im Chronikon des Symeon Logothetes, Th 492, wo als Todesort des Thales die Insel Tenedos angegeben wird. Cf. dazu Mansfeld (1990) 317–318. Cf. dazu Sim. ‚Datierung‘ und ‚Sonnenfinsternis‘. Ambrosius (Th 309) 219 3.7 Ambrosius (Th 309) Bei dem Mailänder Bischof Ambrosius (um 333/334–397) findet sich eine kurze, jedoch äußerst interessante Bezugnahme auf Thales in seiner neun Homilien umfassenden exegetischen Schrift (von 386/387) über das SechsTage-Werk, das Hexaëmeron.243 In seiner Exegese von Genesis 1,1–26 rezipiert der Bischof unter anderem auch das gleichnamige Werk des kappadozischen Bischofs und Theologen Basilius („des Großen“), das dieser in griechischer Sprache verfasst hatte.244 Kontext zu Th 309 Die Bezugnahme auf Thales findet sich in der ersten Homilie (hex. 1.2.6), in der Ambrosius den zuvor referierten Prinzipienannahmen der Philosophen (hex. 1.1–4)245 den ‚Fundamentalsatz der mosaischen Kosmologie‘ (Gen 1,1) gegenüberstellt: in principio fecit Deus caelum et terram („Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“). Diesen Satz (hex. 1.2.5) habe der heilige Moses (sanctus Moyses) an den Anfang seines Berichtes (in exordio sermonis sui) gestellt, weil er im göttlichen Geiste (divino spiritu) voraussah (praevidens), dass solche menschliche Irrtümer (hos hominum errores) hervortreten und vielleicht schon hervorzutreten anfingen. Ambrosius lenkt – ähnlich wie bereits Basilius (cf. Bas. hex. 1.1)246 – die Aufmerksamkeit auf Moses, der als Verfasser des Genesisberichtes genauer betrachtet werden soll (hex. 1.2.6): Wer dies spricht, müssen wir beachten. Quis hoc dicat advertere debemus. 243 244 245 246 Cf. zu Ambrosius Markschies (1998) 13–22. Zum Einfluss Philons auf das Werk des Ambrosius Runia (1993) 291–311. Cf. zum Begriff und zur Tradition der Hexaëmeron-Literatur van Winden (1988) 1250–1269, zu Ambrosius bes. 1263–1264. Neben Basilius, Origenes und Hippolytos soll Ambrosius auch Philon, Cicero und Vergil als Quellen verwendet haben, cf. Markschies (1998) 17. Zum Umgang des Ambrosius mit der paganen Biologie cf. Föllinger (2008) 51–62. Cf. dazu Pépin (1964). Basilius schreibt in der ersten Homilie des hex. 1.1: „Doch bevor wir den Sinn der Worte genau untersuchen und nachforschen, was alles mit den wenigen Worten gesagt sein will, wollen wir erwägen, wer es ist, der zu uns redet. […] Moses nämlich ist es, der diesen Bericht verfasst hat […].“ Übersetzung Stegmann (1925). 220 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Ambrosius weist sowohl auf dessen vollständige Vertrautheit mit der Weisheit der Ägypter (in omni sapientia Aegyptiorum) als auch auf dessen Unterweisung und Ausbildung in allen Lehren der Weltweisheit (omnibus saecularis prudentiae disciplinis informari atque instrui) hin, die dem jungen Moses im Rahmen seiner Erziehung am Hofe des ägyptischen Pharaos zuteil wurden.247 Moses, der (nach Ex 2,10) durch die Tochter des Pharaos aus dem Nilfluss geborgen wurde, soll auch seinen Namen (nomen) vom Wasser (de aqua) empfangen haben (acceperit). Darauf folgt die prägnante Äußerung des Ambrosius zu Moses und Thales. Th 309 Ambrosius, Exameron 1.2.6 (ed. Schenkl) Qui cum de aqua nomen acceperit, non putauit tamen dicendum quod ex aqua constarent omnia, ut Thales dicit, et cum esset in aula educatus regia, maluit tamen pro amore iustitiae subire exilium uoluntarium quam in tyrannidis fastigio peccati perfunctionem deliciis adquirere. Th 309 Ambrosius, Hexaëmeron 1.2.6 Obwohl er [Moses] seinen Namen vom Wasser empfangen hatte, glaubte er doch nicht, sagen zu müssen, dass alles aus Wasser bestehe, wie Thales es behauptet. Und obwohl an einem königlichen Hof erzogen, wollte er sich doch lieber aus Gerechtigkeitsliebe einer freiwilligen Verbannung unterziehen als an der Spitze einer Zwangsherrschaft in Üppigkeit in den Genuss der Sünde zu gelangen. Attribut Prinzip Wasser Funktion der Bezugnahme Dieser humorvolle Vergleich von Moses mit Thales in der exegetischen Betrachtung des Ambrosius ist bemerkenswert, umso mehr, da sich ein derartiger Vergleich im griechischen Hexaëmeron des Basilius nicht findet.248 Ambrosius erwähnt in seiner Beschreibung des Moses im Unterschied zu Basilius explizit dessen Rettung aus dem Nil (de flumine collectum). Er spielt damit auf die der Volksetymologie (Ex 2,10) entstammende Erklärung an, dass sich der Name des Moses von dem hebräischen Wort für „ziehen“ (= aus dem Wasser gezogen) ableite. Denn in Ex 2,10 wird von der 247 248 Cf. hex. 1.2.6. Zu einem Vergleich der beiden Werke insgesamt cf. Henke (2000) mit weiterführender Literatur ebd. 310–315. Ambrosius (Th 309) 221 Tochter des Pharaos gesagt: „Sie nannte ihn Moschäh, und sie sagte: ‚Weil ich ihn aus dem Wasser gezogen habe (meschitihu).‘“249 Philon und Flavius Josephus, denen sich Clemens von Alexandrien anschließt, führen den Namen Moses (M()«) auf das ägyptische Wort für Wasser ( ) zurück.250 Ambrosius knüpft an diese Version an und weist auf die große Nähe des Moses zum Wasser hin, die sich selbst in seinem Namen zeige. Die Pointe liegt nun darin, dass Moses trotz dieser Affinität zum Wasser nicht zu einem Anhänger der Wasserthese des Thales wird.251 Ambrosius hatte zuvor (hex. 1.2.5) betont, dass Moses durch den ersten Satz in Gen 1,1 „den Anfang der Dinge, den Urheber der Welt und die Erschaffung der Materie zugleich“ ausspreche.252 Diese theistische, biblische Welterklärung zieht Ambrosius der dem Thales zugeschriebenen Annahme über das Wasser als Prinzip der Welt vor. Wichtig für den rezeptionsgeschichtlichen Befund ist die Tatsache, dass Ambrosius nur das Thema des Wassers berührt und auch nur den Namen des Thales zu erwähnen braucht, um seine geistreiche Pointe zu erzeugen. Henke bemerkt, dass Ambrosius an „etlichen Stellen […] das alte rhetorische Mittel scherzhafter Wortspiele“ nutze.253 Abgesehen von dieser einmaligen und ausdrücklichen Bezugnahme auf Thales im Hexaëmeron des Ambrosius finden sich sowohl im Hexaëmeron des Basilius254 als auch bei Ambrosius255 249 250 251 252 253 254 255 Der Name „Moses“ ist ägyptischer Provenienz und ursprünglich wohl Teilelement theophorischer Eigennamen, insbesondere von Königen (vgl. Thut-Mose/is, RaMses). Cf. dazu Zenger (1994) 332. Cf. Philon vita Mos. 1.17: ρ !( ` M() /(« µ / " J« µ $.· µ J( \0' A9%. Cf. auch Josephus Ap. 1.31.286 und Ant. Iud. 2.9.6.228 sowie Clem. Alex. str. 1.23.152.3. Der Vergleich könnte von einem Zuhörer bzw. Leser des Ambrosius noch fortgeführt werden, wenn man bedenkt, dass Moses und Thales nach antiker Tradition eine weitere gemeinsame Eigenschaft verbindet. Ambrosius betont im vorausgehenden Zusammenhang die Vertrautheit des Moses mit der Weisheit der Ägypter. Ähnliches wird auch für Thales berichtet (cf. z.B. Flavius Josephus Th 108, Plutarch Th 115/116 und Sim. ‚ägyptischer Einfluss‘), dessen kosmologische Vorstellungen (Wasser als Ursprung und Wasser, das die Erde trägt) möglicherweise auf ägyptische Einflüsse zurückgehen. Cf. dazu Hölscher (1968) 40–46. Cf. hex. 1.2.5 […] in exordio sermonis sui sic ait: in principio fecit deus caelum et terram, initium rerum, auctorem mundi, creationem materiae comprehendens […]. Henke (2000) 305. Henke bietet sehr erhellende Ausführungen über die Wortspiele des Ambrosius und dessen Nutzung antiker Scherzrede mit einigen Beispielen ebd. 305–364. Cf. dazu allgemein Luck (1991) 173–212. Cf. z.B. Basilius hex. 1.2 und hex. 1.8. Cf. z.B. hex. 1.22, wo im Zusammenhang mit der Erörterung der Beschaffenheit und Lage der Erde auf die ‚Erde-auf-dem-Wasser‘-These angespielt wird. Thales wird dabei jedoch nicht explizit genannt. 222 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert mehrere Anspielungen auf Ansichten und vor allem Thesen zur Kosmologie, die Thales und anderen frühgriechischen Philosophen in der Antike zugeschrieben wurden, ohne dass jedoch deren Namen ausdrücklich genannt werden. Literatur Föllinger, S., Der Trick des Krebses: Ambrosius und die pagane Biologie, in: Fuhrer, T. (Hrsg.), Die christlich-philosophischen Diskurse der Spätantike: Texte, Personen, Institutionen, Stuttgart 2008, 51–62. Henke, R., Basilius und Ambrosius über das Sechstagewerk. Eine vergleichende Studie, Basel 2000. Hölscher, U., Anfängliches Fragen. Studien zur frühen griechischen Philosophie, Göttingen 1968. Luck, G., Art. Humor, RAC 15, 1991, 173–212. Markschies, C., Art. Ambrosius von Mailand, LACL, 1998, 13–22. Pasteris, E., Sant’Ambrogio. L’Esamerone ossia dell’Origine e Natura delle Cose, Turin 1937. Pépin, J., Théologie cosmique et théologie chrétienne (Ambroise, Exam. I 1, 1–4), Paris 1964. Runia, D. T., Philo in Early Christian Literature. A Survey, Assen/Minneapolis 1993. Stegmann, A., Des Heiligen Kirchenlehrers Basilius des Großen, Bischofs von Cäsarea, ausgewählte Homilien und Predigten, München 1925. Van Winden, J.C.M., Art. Hexaemeron, RAC 14, 1988, 1250–1269. Zenger, E., Art. Moses, TRE XXIII, 1994, 332. Tyrannios Rufinos (Th 310) 223 3.8 Tyrannios Rufinos (Th 310) Die ursprünglich in griechischer Sprache verfassten pseudo-clementinischen Recognitiones (clement.) wurden von Rufinos von Aquileia ins Lateinische übersetzt.256 Der besonders durch seine Origenes-Übersetzungen bekannte Rufinos übertrug im Jahre 407 das Werk in der Meinung, es handle sich dabei um ein Werk des Clemens von Rom.257 Die neuere Forschung geht davon aus, dass es sich bei den Recognitiones ebenso wie bei den ps.-clementinischen Homilien um „zwei Rezensionen einer um 220/250 in Cölesyrien entstandenen Grundschrift“ handelt.258 Die Recognitiones sind (neben wenigen griechischen und syrischen Fragmenten) nur in der lateinischen Übersetzung des Rufinos erhalten259 und zählen zur Gattung des christlichen Romans.260 Ihren Titel haben die Recognitiones von den „Wiedererkennungen“ des Clemens und seiner Familie, die zerstreut worden war.261 Nachdem seine Mutter Mattidia mit den zwei älteren Zwillingsbrüdern des Clemens Rom verlassen hat und auf See verschollen ist, begibt sich sein Vater Faustinianus auf die Suche nach ihnen und kehrt ebenfalls nicht mehr zurück. Der junge Clemens wendet sich bei seiner Suche nach der Wahrheit der Philosophie zu, die ihn jedoch unbefriedigt lässt. Er reist nach Palästina und begegnet dort dem Apostel Petrus, der ihn in Cäsarea freundlich aufnimmt. Clemens nimmt daraufhin teil an den Missionspredigten des Petrus in den Städten Phöniziens, den Streitgesprächen mit dem Magier Simon sowie an den geheimen Belehrungen im engsten Jüngerkreis. Nachdem Petrus zum einen auf der Insel Arados durch geschicktes Ausfragen einer Bettlerin Clemens’ Mutter erkannt hat, geben sich zum anderen zwei Jünger des Petrus, Niceta und Aquila, nach Anhören der Schicksale der fremden Frau, als ihre verlorenen Zwillingssöhne zu erkennen. Bei der letzten Anagnorisis (clement. 8–9) treffen Petrus und seine Begleiter an einem Morgen auf einen Greis (senex), der sie zuerst am Hafen beim gemeinsamen Beten beobachtet, sich darauf mit ihnen unterhält und später als Clemens’ Vater er- 256 257 258 259 260 261 Cf. dazu insgesamt Rehm (1957) 197–206. Cf. Skeb (1998) 536. Hofmann (1998) 132. Cf. zu den griechischen Fragmenten die Erklärung und Übersicht bei Rehm/Paschke (1965) C-CII sowie für die syrische Übersetzung Rehm (1957) 203. Cf. Hofmann (1998) 132 und die Untersuchung von Vielberg (2000). Cf. Hofmann (1998) 133. Cf. zu den Strukturen und Motiven des Romans sowie den clement. als einer Familiengeschichte Vielberg (2000) 111–129. 224 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert weist.262 Im Laufe der Unterredung versucht Niceta, der Bruder des Clemens, in einem philosophischen Lehrvortrag die Auffassung des alten Mannes (und damit seines Vaters) zu widerlegen, dass alle Dinge einem zufälligen Werden unterliegen.263 Auf Thales und weitere griechische Philosophen kommt er in diesem Zusammenhang zu sprechen (clement. 8.15.1–3). Kontext zu Th 310 Niceta wendet sich in seinem Lehrvortrag dezidiert gegen die These des alten Mannes, dass alle Dinge einem zufälligen Werden (genesis) unterlägen. In der sog. ‚Genesis-Disputation‘ (clement. 8.3–9.31) vertritt er als Christ die Ansicht, dass die Welt von der Vorsehung Gottes gelenkt werde, zumindest in den Bereichen, die auf seine Führung angewiesen seien: Ich sage, dass die Welt durch die Vorsehung Gottes gelenkt wird, wenigstens in den Bereichen, die seiner Führung bedürfen. Ego dico providentia dei gubernari mundum, in his dumtaxat quae gubernatione eius indigent.264 Bevor er jedoch für seine Überzeugung argumentiert, versucht Niceta seinem Gesprächspartner zu zeigen, dass er auch dessen philosophische Position und deren logische Konsequenzen nachvollziehen kann (clement. 8.7.4–5). Er erklärt, dass er selbst die Schule des Epikur besucht habe (Epicuri scholas frequentavi) und einer seiner Brüder, Aquila, die Pyrrhonische, und wieder ein anderer, die Platoniker und Aristoteliker besucht habe. Der Alte habe es also mit „gebildeten Hörern“ zu tun.265 Niceta erörtert unter anderem folgende Themen und Fragen: das Problem der einfachen und zusammengesetzten Materie, die Entstehung der Welt, ob sie geschaffen sei oder nicht, Folgerungen aus der Annahme einer Welt ohne göttliche Vorsehung, die Annahme einer göttlichen Vorsehung und ihre Folgen, die Unterschei262 263 264 265 Eine kunstvolle Pointe liegt darin, dass der astrologische Schicksalsglaube des Vaters durch die Rückkehr seiner keuschen Gattin erschüttert wird. Cf. clement. 8.6.4 Niceta vero dicere hoc modo adgressus est: Definisti, pater, quod non per dei providentiam mundus regatur, sed omnia genesi subiaceant […]. Clement. 8.6.6. Cf. clement. 8.7.5–7 et quia ego non sum ignarus quae sint definitiones philosophorum, ex his quae proposuisti, quid consequatur agnosco, maxime quia prae ceteris philosophis Epicuri scholas frequentavi. frater autem meus Aquila magis Pyr!r"onios secutus est, alius autem frater noster Platonicos et Aristotelicos; itaque cum eruditis tibi auditoribus sermo est. Tyrannios Rufinos (Th 310) 225 dung zwischen allgemeiner und spezieller Vorsehung, die Bedeutungslosigkeit des Gebetes in Anbetracht des Zufalls, die Notwendigkeit eines Schöpfers, die Art und Weise der Schöpfung sowie verschiedene Annahmen über die Prinzipien (clement. 8.15.1–3).266 In diesem Zusammenhang führt er einen Katalog griechischer Philosophen und deren verschiedenartiger Meinungen über die Prinzipien (de principiis) an. Die Bezugnahme auf Thales ist Bestandteil dieses auf doxographischem Wissen basierenden Kataloges. Th 310 Tyrannios Rufinos, Clementina sec. translationem quam fecit Rufinus – Recognitiones 8.15.1–3 (ed. Rehm/Paschke)267 Nam Graecorum philosophi de principiis mundi quaerentes, alius alia incessit via. denique Pythagoras elementa principiorum numeros esse dicit, Callistratus qualitates, Alcmeon contrarietates, Anaximandrus inmensitatem, Anaxagoras aequalitates partium, [2] Epicurus atomos, Diodorus amere, hoc est [ex his] in quibus partes non sint, Asclepiades oncos, quod nos tumores vel elationes possumus dicere, geometrae fines, Democritus ideas, Thales aquam, [3] Heraclitus ignem, Diogenes aerem, Parmenides terram, Zenon Empedocles Plato ignem aquam aerem terram; Th 310 Tyrannios Rufinos, Ps.-Clementinen/Recognitiones 8.15.1–3 Denn als die Philosophen der Griechen nach den Prinzipien der Welt fragten, schlug ein jeder einen anderen Weg für sich ein. Also Pythagoras sagt, dass die Grundelemente der Prinzipien die Zahlen seien, Kallistratos die Qualitäten, Alkmaion die Gegensätze, Anaximander das Unendliche, Anaxagoras die Gleichartigkeiten der Teile, Epikur die Atome, Diodor das amere (das Unteilbare), d.h. Dinge, in denen es keine Teile gibt, Asklepiades oncos (Massen), die wir Anschwellungen oder Ausdehnungen nennen können, die Geometriker die Grenzen, Demokrit die Ideen, Thales das Wasser, Heraklit das Feuer, Diogenes die Luft, Parmenides die Erde, Zenon, Empedokles und Platon Feuer, Wasser, Luft und Erde.268 Attribut Prinzip Wasser 266 267 268 Cf. dazu Rehm (1957) 202–203. Cf. Th 579 und 580 Übersetzung Schwab. 226 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert Funktion der Bezugnahme Um die Funktion der Bezugnahme auf die Philosophen genauer bestimmen zu können, muss die unmittelbar vorausgehende Argumentation des Niceta noch weiter nachvollzogen werden. Nach der Unterscheidung zwischen einer sichtbaren (visibilis) und einer unsichtbaren Welt (invisibilis mundus) in clement. 8.12.6 konstatiert Niceta, dass auch die weisesten unter den Philosophen (philosophorum plurimi sapientes viri) bezeugen könnten (clement. 8.13.1), dass die sichtbare Welt geschaffen sei (quia factus sit mundus iste visibilis). Es solle nicht so aussehen, als ob man ihre Thesen als Zeugen brauche, doch nach ihren Prinzipien solle gefragt werden.269 Niceta stellt fest: Dass die sichtbare Welt körperlich sei, könne bereits aus ihrer Sichtbarkeit erkannt werden.270 Im Folgenden (clement. 8.13.2–14.5) geht er von der Prämisse aus, dass jeder Körper zwei unterschiedliche Eigenschaften annehme (duas recipit differentias): entweder (a) sei er verbunden (conexum) und fest (solidum) oder aber (b) geteilt (divisum) und getrennt (separatum). In einer parallelen Konstruktion unterscheidet er (clement. 8.13.3–4) weiter zwei Fälle (si …, necesse est intellegi fuisse aliquem qui …): 1. Fall: Wenn der Körper, aus dem die Welt gebildet ist, verbunden und fest war und durch verschiedene Formen und Teile entsprechend der ihm innewohnenden unterschiedlichen Eigenschaften geteilt und getrennt worden ist, ist es notwendig einzusehen, dass es jemanden gegeben hat, der den Körper, der verbunden und fest war, auseinandergerissen und in viele Teile und verschiedene Formen auseinandergeführt hat.271 2. Fall: Wenn aber aus geteilten und getrennten Teilen der Körper diese Masse der ganzen Welt zusammengestellt und zusammengefügt worden ist, ist es nichtsdestoweniger notwendig einzusehen, dass es jemanden gegeben hat, der das Verstreute in Eines zusammengesammelt und den Dingen verschiedene Formen gegeben hat.272 269 270 271 272 Cf. clement. 8.13.1–2 sed ne videamur quasi egentes adsertionibus uti voluisse testibus, de principiis eius, si videtur, quaeramus. Cf. clement. 8.13.2 corporeum esse mundum hunc visibilem, eo ipso est visibilis, satis constat. Cf. clement. 8.13.3 et si quidem conexum fuit et solidum corpus ex quo mundus factus est, et per diversas species partesque secundum differentias sui corpus illud partitum est et divisum, necesse est intellegi fuisse aliquem qui corpus quod erat conexum et solidum dirimeret atque in partes multas duceret formasque diversas. Cf. clement. 8.13.4 aut si ex divisis dispersisque corporum partibus omnis mundi haec moles conposita est et conpaginata, necesse est nihilominus intellegi fuisse aliquem qui in unum dispersa colligeret et diversas rebus species inderet. Tyrannios Rufinos (Th 310) 227 Im Anschluss an diese beiden Fallunterscheidungen macht er darauf aufmerksam, dass auch einige der Philosophen (plures philosophorum) wahrnahmen (sensisse), dass der Schöpfergott aus einem Körper, den sie „Materie“ nannten, Teilungen und Formen hervorgebracht hätte. Diese Materie habe jedoch aus vier einfachen Elementen (ex quattuor simplicibus […] elementis) bestanden, die durch das rechte Maß der göttlichen Vorsehung (temperamento quodam divinae providentiae) in Eines vermischt wurden. Nachdem sich Niceta gegen die These gewandt hat, dass die Welt ein einfacher Körper ohne irgendeine Zusammensetzung sei, gibt er mit einer rhetorischen Frage das Folgende zu bedenken: Wenn Körper aus zwei, drei oder vier Elementen zusammengesetzt seien, wer könnte dann nicht sehen, dass es dann jemanden geben haben müsse, der das Viele in Eines zusammengebracht und aus den verschiedenen Teilen einen festen Körper geschaffen hat? Darauf folgt sein Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer und Urheber des Weltganzen: Diesen Schöpfer der Welt also nennen wir Gott, diesen anerkennen wir als Urheber des Weltganzen. Hunc igitur nos conditorem mundi dicimus deum, hunc agnoscimus universitatis auctorem.273 Unmittelbar im Anschluss an diese Identifizierung des Schöpfergottes mit dem christlichen Gott listet Niceta nun die verschiedenartigen Prinzipienannahmen der griechischen Philosophen auf. Zwar hebt er zu Beginn hervor, dass ein jeder von ihnen einen anderen Weg für sich einschlug (alius alia incessit via). Doch ist die Aufzählung insgesamt nicht von Polemik geprägt. Diese Tatsache lässt sich vor dem Hintergrund der vorausgehenden Argumentation verstehen, in der Niceta bereits gezeigt zu haben glaubt, dass für jeden denkbaren Fall die Annahme eines Gottes als Schöpfer und Urheber notwendig sei, entweder in seiner Funktion des Zusammenfügens und Verbindens oder in der des Ordnens und Aufteilens. Der Philosophenkatalog, in dem die Bezugnahme auf Thales steht, erfüllt in diesem Zusammenhang mindestens drei Funktionen. (1) Von einem rein rhetorisch-literarischen Gesichtspunkt aus zeigt sich Niceta wie bereits mehrmals in seinem Lehrvortrag als ein kompetenter Sprecher, der auch von den nicht-christlichen Weltanschauungen Kenntnis 273 Clement. 8.14.6. 228 Textzeugnisse aus dem 4. Jahrhundert besitzt und diese an entsprechender Stelle zu berücksichtigen weiß. Seine Kenntnis der Lehrmeinungen griechischer Philosophen stellt er durch das Aufzeigen auch entlegener Meinungen unter Beweis. (2) Obgleich Niceta zuvor (clement. 8.13.1–2) ausdrücklich betont, dass er die Philosophen nicht als „Zeugen“ (testibus) zu benutzen beabsichtige, zeigt er sich bei der Präsentation und Kommentierung des Philosophenkataloges nicht abweisend und polemisch, sondern vielmehr kreativ.274 Seine wohlwollende Leseweise des Kataloges zeigt sich deutlich bei Aristoteles, der zuletzt (nach Zenon, Empedokles und Platon und der Annahme von vier Elementen) genannt wird. Aristoteles habe ein fünftes Element eingeführt, das akatonomaston genannt werde, d.h. das, was nicht genannt werden könne.275 Niceta ist nun „ohne Zweifel“ (sine dubio) der Meinung, dass es sich dabei um denjenigen handele, der die Welt geschaffen habe, indem er die vier Elemente zu einem verband. (3) Der selbstbewusste und rhetorisch geübte Umgang des Niceta mit den Lehrmeinungen der Philosophen zeigt sich auch in seiner abschließenden Bemerkung. Denn Niceta vertritt die These, dass bei jeder Annahme (ob zwei, drei oder mehrere Elemente) gezeigt werden könne, dass ein Gott gebraucht werde, der die vielen zu einem Ganzen zusammensammelte und zusammenfügte, und wiederum, wenn diese gesammelt waren, sie in verschiedene Arten aufteilen konnte. Dadurch sei gezeigt, dass das „Gerüst der Welt“ (machinam mundi) nicht bestehen könnte ohne einen Schöpfer und Vorseher (non potuisse […] sine opifice et provisore constare). Literatur Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Hofmann, J., Art. Ps.-Clementinische Literatur, LACL, 1998, 132–133. La Penna, A. et alii (Hrsg.), Giorgio Pasquali, Scritti Filologici I. Letteratura Greca, Florenz 1986. Rehm, B., Art. Clemens Romanus II (PsClementinen), RAC 3, 1957, 197–206. Rehm, B., Paschke, F., Die Pseudoklementinen II. Rekognitionen in Rufins Übersetzung, GCS 51, Berlin 1965. Skeb, M., Art. Rufin von Aquileia, LACL, 536–537. Vielberg, M., Klemens in den Pseudoklementinischen Rekognitionen. Studien zur literarischen Form des spätantiken Romans, TU 145, Berlin 2000. 274 275 Cf. zum Katalog der Philosophen auch die griechischen Scholien zum Hexaëmeron des Basilius Th 579 und Th 580 sowie dazu Diels (1879) 250–251, Mansfeld/Runia (1997) 306–308 und La Penna (1986) 539ff. Clement. 8.15.4 Aristoteles etiam quintum introducit elementum, quod acatonomaston, id est inconpellabile nominavit, sine dubio illum indicans, qui in unum quattuor elementa coniungens mundum fecerit. Tyrannios Rufinos (Th 310) 229 4. Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Übersicht der Autoren und Zeugnisse Augustinus [Iulianus von Aeclanum Nemesios von Emesa Theodoret Kyrill von Alexandrien Sidonius Apollinaris Aponius Iohannes Malalas Isidor von Sevilla Insgesamt 38 Zeugnisse Th 311–316 Th 325 = Augustinus Th 316] Th 323–324 Th 326–337 Th 373–378 Th 385–389 Th 338 Th 454–455 Th 473–475 230 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert 4.1 Augustinus (Th 311–316) Im umfangreichen Werk des wohl bedeutendsten lateinischen Kirchenvaters und Theologen finden sich insgesamt sechs Bezugnahmen auf Thales in zwei Werken: fünf Zeugnisse (Th 311–315) enthält sein opus magnum, die 22 Bücher umfassende apologetische Schrift „Über den Gottesstaat“ (De civitate Dei) in den Büchern 8 und 18;1 ein weiteres Zeugnis, Th 316, steht in einer dem häresiologischen Diskurs zugehörigen Schrift gegen den Pelagianer Iulianus (Contra Iulianum; Th 325). Augustinus, De civitate Dei Nachdem sich Augustinus in den Büchern 6–8 im Anschluss an Varro bereits mit der so genannten mythischen (fabulosa) und politischen (civilis) Theologie auseinandergesetzt hat, wendet er sich im achten Buch der Behandlung der natürlichen Theologie (theologia naturalis) zu. Buch 8 bildet den Auftakt zur Diskussion mit den platonischen Philosophen, die in den Büchern 9 und 10 vertieft wird.2 Kontext zu Th 311 Zu Beginn von civ. 8.1 betont Augustinus, dass besondere Aufmerksamkeit (animo multo) erforderlich sei, da nun die Auseinandersetzung bzw. der Vergleich (conlatio) mit den Philosophen zu führen sei (cum philosophis). Bereits deren Name (ipsum nomen) weise bei der Übersetzung ins Lateinische (si Latine interpretemur) auf die „Liebe zur Weisheit“ (amorem sapientiae) hin. Augustinus formuliert darauf die folgende Bedingung: Wenn (si) nun die Weisheit Gott sei, durch den alles erschaffen worden ist – wie auch (sicut) die göttliche Autorität und Wahrheit gezeigt habe –, so sei der wahre Philosoph (verus philosophus) ein amator Dei, ein Freund bzw. Liebender Gottes.3 Nach Augustinus sind jedoch nicht alle, die als Philosophen bezeichnet werden, der „wahren Weisheit“ (verae sapientiae) zugetan. Eine erste Folge dieser Einschätzung besteht darin, dass sich Augustinus nur mit einer Auswahl von Philosophen beschäftigt, deren Anschauungen ihm aus schriftlichen Quellen zugänglich sind (sententias litteris nosse potuimus). Er betont ausdrücklich, dass er in diesem Werk nicht beabsichtige, alle als vanas (inhaltsleer, eitel, grundlos oder falsch) bezeichneten 1 2 3 Cf. zur philosophischen Bedeutung des Werkes Horn (1997) 1–22, bes. 17–22. Cf. dazu Fuhrer (1997) 87–108. Cf. civ. 8.1 Porro si sapientia Deus est, per quem facta sunt omnia, sicut divina auctoritas veritasque monstravit, verus philosophus est amator Dei. Augustinus (Th 311–316) 231 Meinungen (opiniones)4 aller Philosophen zu widerlegen, sondern sich nur mit den Meinungen beschäftige, welche die Theologie betreffen (quae ad theologian pertinent). Augustinus erläutert den Begriff des griechischen Wortes „Theologie“ als „Begriff/Lehre oder Rede von der Gottheit“ (de divinitate rationem sive sermonem).5 Darauf trifft er eine weitere Unterscheidung: Nur die Meinungen der Philosophen sind Gegenstand der Diskussion, die darin übereinstimmen (consentiunt), dass es (1) eine Gottheit gebe (et esse divinitatem), die sich (2) um die menschlichen Angelegenheiten kümmere (et humana curare). Diese Philosophen unterscheiden sich jedoch von den Christen insofern, als ihnen „zur Erlangung eines auch nach dem Tode seligen Lebens nicht die Verehrung des einen unwandelbaren Gottes“ genüge, sondern die Verehrung vieler – und wie Augustinus ergänzt – „wenn auch von jenem Einen erschaffener und eingesetzter Götter“.6 Über diese Philosophen äußert sich Augustinus folgendermaßen (civ. 8.1): Sie nähern sich der Wahrheit bereits mehr als selbst Varro; denn dieser kam mit der gesamten natürlichen Theologie nicht über die sichtbare Welt oder ihre Seele hinaus, jene dagegen bekennen sich zu einem über jegliche Art von Seele erhabenen Gott, der nicht nur die sichtbare Welt, Himmel und Erde, wie sie gewöhnlich genannt wird, sondern auch jede Seele ohne Ausnahme erschaffen hat und die mit Vernunft und Verstand begabte Seele, wie die Menschenseele, durch Zulassung zur Teilnahme an seinem unwandelbaren und unkörperlichen Lichte glückselig macht.7 Hi iam etiam Varronis opinionem veritatis propinquitate transcendunt; si quidem ille totam theologian naturalem usque ad mundum istum vel animam eius extendere potuit, isti vero supra omnem animae naturam confitentur Deum, qui non solum mundum istum visibilem, qui saepe caeli et terrae nomine nuncupatur, sed etiam omnem omnino animam fecerit, et qui rationalem et intellectualem, cuius generis anima humana est, participatione sui luminis incommutabilis et incorporei beatam facit. 4 5 6 7 Es ist bemerkenswert, dass sowohl Schröder (1911) als auch Combès (1960) bei dem Ausdruck „omnes […] vanas opiniones“ die ausdrücklich als „vanas“ qualifizierten Meinungen (opiniones) nur sehr schwach bzw. gar nicht übersetzen: (dt). „alle übrigen Meinungen“, (frz.) „toutes les opinions de tous les philosophes“; dagegen übersetzt Perl (1979) „alle Irrmeinungen sämtlicher Philosophen“. Cf. civ. 8.1. Cf. civ. 8.1. Übersetzung Schröder (1911). 232 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Augustinus bezeichnet diese Philosophen als die „Platoniker“ (Platonicos), da sich ihr Name von ihrem „Lehrmeister Platon“ (Platone doctore) ableite (civ. 8.1). Er bemerkt zum Abschluss des ersten Kapitels, dass er nur kurz (breviter) Platons Lehre streifen werde, so weit es für die vorliegende Frage nötig erscheine. Zuerst sollen jedoch diejenigen (illos) erwähnt werden (commemorans), die Platon in eben dieser Art von Studien (in eodem genere litterarum) zeitlich (tempore) vorangegangen sind. Diesem Zweck soll das zweite Kapitel dienen, in dessen Kontext die Bezugnahme auf Thales und eine kleine Auswahl frühgriechischer Philosophen steht.8 In civ. 8.2 unterscheidet Augustinus gemäß der ihm bekannten Überlieferung (traduntur) zwei Familien/Ursprünge der Philosophie (duo philosophorum genera): zum einen die italische, benannt nach dem Teil Italiens, der ehemals (quondam) Großgriechenland (magna Graecia) genannt wurde, zum anderen die ionische, die nach jenen Gebieten benannt ist, die auch zu seiner Zeit noch als Griechenland bezeichnet werden. Als Begründer der italischen Familie nennt Augustinus Pythagoras von Samos, der den Namen „Philosophie“ aufgebracht und sich als Philosoph bezeichnet habe.9 Es folgt die ionische Familie, angefangen bei Thales, der als ihr Begründer (princeps) und als einer der Sieben Weisen (sapientes) eingeführt wird. In der folgenden Lehrer- bzw. Hörerabfolge (auditor) werden genannt: Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras und Diogenes als Hörer des Anaximenes, Archelaos als Hörer des Anaxagoras sowie als Schüler des Archelaos Sokrates, „der Lehrmeister Platons“.10 8 9 10 Am Ende des zweiten Kapitels weist Augustinus nochmals daraufhin, dass er wegen Platon kurz (propter quem breviter) auf die genannten Vorgänger eingegangen sei. Cf. dazu Cicero Tusc. 5.8–10. Augustinus bemerkt weiter, dass man vor Pythagoras diejenigen, die sich vor anderen durch eine anerkennenswerte Lebensführung (modo quodam laudabilis vitae) hervortaten (praestare), als Weise (sapientes) bezeichnet habe. Pythagoras hingegen habe auf die Frage, für was er sich öffentlich ausgebe, geantwortet, er sei Philosoph (philosophum se esse respondit). Augustinus erläutert: d.h. ein Schüler (studiosum) oder Liebhaber der Weisheit (amatorem sapientiae), da es als eine große Anmaßung (arrogantissimum) aufgefasst worden wäre, sich öffentlich als Weiser auszugeben. Cf. dazu Cicero Tusc. 5.8–9. Cf. civ. 8.2 Socrates huius (sc. Archelaus) discipulus fuisse perhibetur, magister Platonis, propter quem breviter cuncta ista recolui. Augustinus (Th 311–316) 233 Th 311 Augustinus, De civitate Dei 8.2 (ed. Dombart/Kalb) Ionici vero generis princeps fuit Thales Milesius, unus illorum septem, qui sunt appellati sapientes. Sed illi sex vitae genere distinguebantur et quibusdam praeceptis ad bene vivendum accommodatis; iste autem Thales, ut successores etiam propagaret, rerum naturam scrutatus suasque disputationes litteris mandans eminuit maximeque admirabilis extitit, quod astrologiae numeris conprehensis defectus solis et lunae etiam praedicere potuit. Aquam tamen putavit rerum esse principium et hinc omnia elementa mundi ipsumque mundum et quae in eo gignuntur existere. Nihil autem huic operi, quod mundo considerato tam mirabile aspicimus, ex divina mente praeposuit. Huic successit Anaximander, eius auditor, mutavitque de rerum natura opinionem. Non enim ex una re, sicut Thales ex umore, sed ex suis propriis principiis quasque res nasci putavit. Quae rerum principia singularum esse credidit infinita, et innumerabiles mundos gignere et quaecumque in eis oriuntur; eosque mundos modo dissolvi, modo iterum gigni existimavit, quanta quisque aetate sua manere potuerit; nec ipse aliquid divinae menti in his rerum operibus tribuens. Iste [sc. Anaximander] Anaximenen discipulum et successorem reliquit, qui omnes rerum causas aeri infinito dedit, nec deos negavit aut tacuit; non tamen ab ipsis aerem factum, sed ipsos ex aere ortos credidit. Anaxagoras vero eius auditor harum rerum omnium, quas videmus, effectorem divinum animum sensit et dixit ex infinita materia, quae constaret similibus inter se particulis rerum omnium; quibus suis et propriis singula fieri, sed animo faciente divino. Diogenes quoque Anaximenis alter auditor, aerem quidem dixit rerum esse materiam, de qua omnia fierent; Th 311 Augustinus, Gottesstaat 8.2 Der Archeget der ionischen Richtung [der Philosophie] war Thales aus Milet, einer der so genannten Sieben Weisen. Jene sechs [anderen Weisen] zeichneten sich durch ihre Lebensweise und bestimmte Regeln für ein [sittlich] gutes Leben aus. Thales aber,11 der auch eine Nachfolge begründen wollte, erforschte die Natur der Dinge, legte seine Untersuchungen schriftlich nieder und ragte vor allem deshalb heraus und wurde bewundert, weil er astronomische Berechnungen anstellte und sogar Sonnen- und Mondfinsternisse vorhersagen konnte. Er glaubte dennoch, dass das Wasser das Prinzip der Dinge sei und dass daher alle Elemente der Welt stammten und die Welt 11 Vgl. Frechulf von Lisieux Historia (Allen CCL 169 A, 981B; ebd. 990 B/C; ebd. 1002 A/B); Rodrigo Jimenez de Rada Breviarum historie catholica 6.59 (Valverde). 234 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert selbst und was in ihr entsteht. In keiner Weise aber setzte er diesem Werk, das uns bei der Betrachtung der Welt so wunderbar erscheint, einen göttlichen Geist voran. Ihm folgte Anaximander, sein Hörer, nach, der auch eine andere Ansicht über die Natur der Dinge hatte. Er glaubte nämlich, dass die Dinge nicht aus einer Sache, wie bei Thales aus der Feuchtigkeit, sondern aus ihren jeweiligen Prinzipien entstünden. Er glaubte, dass diese Prinzipien der einzelnen Dinge unendlich seien und unzählige Welten hervorbrächten und alles, was immer in ihnen entsteht; und diese Welten, glaubte er, lösten sich bald wieder auf, bald entstünden sie erneut, je nach dem Alter, das eine jede erreichen könne. Auch wies er dem göttlichen Geist bei diesem Geschehen keine Rolle zu. Er hinterließ als Schüler und Nachfolger den Anaximenes, der die Ursachen aller Dinge auf die unendliche Luft zurückführte und Götter weder leugnete noch verschwieg; dennoch glaubte er nicht, dass von ihnen die Luft geschaffen worden sei, sondern dass sie selbst aus der Luft entstanden seien. Anaxagoras aber, sein Hörer, meinte, dass ein göttlicher Geist der Bewirker aller Dinge, die wir sehen, sei. Er sagte, dass aus einem unendlichen Stoff, der aus den unter sich gleichartigen Teilchen aller Dinge bestehe, das Einzelne entstehe durch die ihm eigenen Teilchen, unter der Wirkung aber eines göttlichen Geistes. Auch Diogenes, der andere Hörer des Anaximenes, sagte, dass die Luft der Stoff der Dinge sei, aus dem alles entstehe. Attribute Begründer der Ionischen Schule Milet Einer der Sieben Weisen Herausragend Anaximander als Hörer Erforschung der Natur / Naturphilosoph Schrift: Untersuchungen wurden schriftlich niedergelegt Astronom Astronomie Vorhersage der Sonnen- und Mondfinsternisse Prinzip Wasser: Annahme der Feuchtigkeit Gott: keine Voraussetzung eines göttlichen Geistes Funktion der Bezugnahme Das Referat zu Thales sowie die Bemerkungen zu den in der Hörerabfolge weiter Genannten bis zu Sokrates sind sehr dicht und enthalten viele diskussionswürdige Aspekte. Auf vier davon soll hingewiesen werden: Augustinus (Th 311–316) 235 (1) Thales wird explizit nicht als Philosoph bezeichnet, obgleich er „princeps“ der ionischen „Schule“ (Ionici […] generis princeps) genannt wird. Die Bezeichnung „Philosoph“ wird eindeutig als Selbstbezeichnung des Pythagoras eingeführt und erläutert. Durch diese Bezeichnung wird ein Unterschied markiert: zum einen zwischen Pythagoras und Thales, zum anderen zwischen Pythagoras und den Sieben Weisen (wiederum einschließlich Thales).12 (2) Thales wird als den Sieben Weisen zugehörig charakterisiert, doch zugleich von den anderen sechs, die an dieser Stelle nicht namentlich genannt werden (cf. dagegen civ. 18.25) unterschieden: Thales scheint sich nicht nur wie die übrigen sechs in der Art der Lebensführung und in gewissen praktischen Vorschriften über einen guten Lebenswandel auszuzeichnen. Darüberhinaus unterscheidet er sich zum einen durch die Erforschung der Natur der Dinge (rerum naturae scrutatus), zum anderen dadurch, dass er seine Untersuchungen (suasque disputationes) schriftlich niedergelegt (litteris mandans) haben soll, um auch Nachfolger (successores) heranzubilden (propagaret). (3) Es stellt sich die Frage, wieso Augustinus erwähnt, dass Thales seine Untersuchungen schriftlich niedergelegt habe. Zwei Antworten, die sich gegenseitig ergänzen, möchte ich skizzieren. (i) Zunächst wird man annehmen dürfen, dass Augustinus vermutlich aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen und Quellen (cf. dazu die Sim. ‚Schrift‘) davon ausgehen konnte, dass Thales auch Schriftliches hinterlassen hatte. (ii) Zweitens ist grundsätzlich zu bedenken, dass Augustinus zu den Autoren zählt, die sich die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen und Materialien auf eigene Weise aneignen, interpretieren und auch etwas Eigenes daraus entwerfen.13 Vor diesem Hintergrund möchte ich zumindest zwei Aspekte anführen, die möglicherweise in diesem Zusammenhang für Augustinus eine Rolle spielen: (a) die Schlüsselstellung des Thales als eines der Sieben Weisen und als Begründer der ionischen Richtung; (b) das Entstehen der ‚ionischen Schule‘ überhaupt. Beide Aspekte scheinen durch die Erklärung der schriftlichen Produktion, die Augustinus gibt, erhellt zu werden. Die Aussage „ut successores 12 13 Pythagoras spielt neben Sokrates im vierten Kapitel des achten Buches, in dem es um die Charakterisierung der Philosophie Platons geht, eine prominente Rolle. Während sich Pythagoras nach Augustinus auf den theoretischen Teil der Philosophie (Erforschung der Ursachen der Natur und der möglichst vollkommenen Wahrheit) verlegt habe, zeichnet sich Sokrates in der praktischen Philosophie (der Lebensführung und der Durchbildung des sittlichen Verhaltens) aus. Gemäß Augustinus verbindet Platon beide Richtungen der Philosophie und vervollkommnet damit die Philosophie. Cf. dazu die Beobachtungen und Analysen zu De trinitate von Kany (2007). 236 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert etiam propagaret“ bietet eine Erklärung dafür, wie überhaupt der Übergang von den Weisen, die sich durch ihr moralisch-vorbildliches Verhalten auszeichnen, zu den Naturphilosophen gedacht werden kann. Neben der von Augustinus erwähnten Erforschung der Natur (rerum naturam scrutatus) ist es besonders dieser zweite Aspekt der schriftlichen Produktion, der die herausgehobene Stellung des Thales als Begründer der ionischen Schule (Ionici generis princeps) erklärt. Augustinus geht also davon aus, dass Thales forschte und schrieb, um auch Nachfolger (successores etiam) hervorzubringen. (4) Bemerkenswert ist die Äußerung, dass Thales „in keiner Weise“ (nihil autem) der Welt einen göttlichen Geist (divina mente) vorangestellt habe (praeposuit). Mit dieser Äußerung wendet sich Augustinus gegen die Zuschreibung der (i) Gott-ist-Geist-These an Thales (in der lateinischen Literatur zum ersten Mal bei Cicero Th 72) sowie deren Verbindung mit der (ii) Schöpferthese (cf. ebenfalls Cicero Th 72 sowie Minucius Felix Th 229 und Laktanz Th 254). Wie kommt Augustinus zu dieser abweichenden Beurteilung? Was ermöglicht sie? Es handelt sich zumindest um eine implizite Korrektur z.B. der Darstellung bei Cicero Th 72 sowie der beiden genannten christlichen Autoren. Aufschlussreich für diese Fragen ist, wie Augustinus die in der Nachfolge des Thales genannten frühgriechischen „Philosophen“ versteht und behandelt. In den auf Thales folgenden kurzen Darstellungen konzentriert sich Augustinus zum einen auf die Frage, welches Prinzip bzw. welche Prinzipien der jeweilige Nachfolger angenommen habe. Zum anderen interessiert er sich dafür, ob bereits von einer mens divina die Rede sein kann. Auf Thales folgt eine Kurzinformation zu Anaximander, der als Hörer (auditor) des Thales bezeichnet wird. Augustinus konstatiert: „Auch er (ipse) wies dem göttlichen Geist (divinae menti) bei diesem Geschehen (sc. der Generierung von Welten) keine Rolle zu.“ Bei Anaximenes stellt er fest, dass dieser „Götter weder leugnete noch verschwieg“ (nec deos negavit aut tacuit). Dennoch habe er nicht geglaubt (non tamen credidit), dass die Luft von den Göttern geschaffen worden sei, sondern dass diese selbst aus der Luft entstanden seien. Erst Anaxagoras, ein Schüler des Anaximenes, nehme einen göttlichen Geist (divinus animus) als Bewirker aller sichtbaren Dinge an.14 Bei dessen Schüler Archelaos, dem Lehrer des Sokrates, spielt der Geist (mentem) wiederum eine wichtige Rolle. Es ist festzuhalten, dass Augustinus ein facettenreiches Bild von Thales als dem Archegeten der ionischen Philosophie, einem der Sieben Weisen 14 Cf. civ. 8.2 Anaxagoras vero eius auditor harum rerum omnium, quas videmus, effectorem divinum animum sensit et dixit ex infinita materia […]. Augustinus (Th 311–316) 237 und besonders einem Naturforscher mit seinen Leistungen zeichnet. Dabei bestreitet er jedoch ausdrücklich, dass der Milesier bereits die Konzeption eines göttlichen Geistes vertreten habe. * Kontext zu Th 312 Nachdem Augustinus im dritten Kapitel des achten Buches auf die Philosophie des Sokrates und im vierten auf Platon und dessen Dreiteilung der Philosophie eingegangen ist, stellt er zu Beginn des fünften Kapitels zusammenfassend fest: „Wenn also Platon das Kennzeichen des Weisen in die Nachahmung, Erkenntnis und Liebe dieses Gottes setzt und den Weisen durch die Teilnahme an ihm glückselig sein lässt, wozu dann die übrigen vornehmen? Keine anderen Philosophen sind uns näher gekommen als die Platoniker.“15 Nachdem Augustinus nochmals Kritik an der mythischen und staatlichen Theologie geäußert hat, folgert er wenig später (civ. 8.5): „Also nicht nur das, was jene zwei Arten von Theologie, die fabelnde und die staatliche, zum Inhalt haben, hat den Platonikern Platz zu machen, die den wahren Gott als den Urheber der Dinge, als die Lichtquelle der Wahrheit und als den Spender der Glückseligkeit bezeichnet haben, sondern auch andere Philosophen (alii philosophi) haben zurückzutreten vor diesen großen Männern, die den so großen Gott erkannten (his tantis tanti Dei cognitoribus viris) […].“16 Dies ist der unmittelbare Kontext, in dem auf Thales sowie auf andere Philosophen Bezug genommen wird. Th 312 Augustinus, De civitate Dei 8.5 Sed alii quoque philosophi, qui corporalia naturae principia corpori deditis mentibus opinati sunt, cedant his tantis et tanti Dei cognitoribus viris, ut Thales in umore, Anaximenes in aere, Stoici in igne, Epicurus in atomis […]. 15 16 Übersetzung Schröder (1911) leicht geändert. Civ. 8.5 Si ergo Plato Dei huius imitatorem cognitorem amatorem dixit esse sapientem, cuius participatione sit beatus, quid opus est excutere ceteros? Nulli nobis quam isti propius accesserunt. Übersetzung Schröder (1911). Civ. 8.5 Non solum ergo ista, quae duae theologiae, fabulosa continet et civilis, Platonicis philosophis cedant, qui verum deum et rerum auctorem et veritatis inlustratorem et beatitudinis largitorem esse dixerunt; sed alii quoque philosophi, qui corporalia naturae principia corpori deditis mentibus opinati sunt, cedant his tantis et tanti Dei cognitoribus viris […]. 238 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Th 312 Augustinus, Gottesstaat 8.5 Aber auch die anderen Philosophen, die ihren Geist auf den Körper richteten und die Prinzipien der Natur für körperlich hielten, mögen diesen so großen Männern [den Platonikern], die den so großen Gott erkannten, das Feld räumen, wie Thales, der das Prinzip in der Feuchtigkeit [vermutete], Anaximenes in der Luft, die Stoiker im Feuer, Epikur in den Atomen […]. Attribute Annahme eines körperlichen Prinzips Prinzip Wasser: Annahme der Feuchtigkeit Funktion der Bezugnahme Gegenüber der deutlich erkennbaren Sympathie für die „Platoniker“ führt Augustinus einige „andere Philosophen“ (alii philosophi) an, die in einem Vergleich mit den Platonikern zurückzutreten haben. Namentlich werden Thales an erster Stelle, dann Anaximenes, die Stoiker und Epikur genannt. Ihnen schreibt Augustinus zu, dass sie die Prinzipien der Natur (naturae principia) für körperlich (corporalia) hielten: Thales habe die Prinzipien in der Feuchtigkeit (in umore) vermutet, Anaximenes in der Luft (in aere), die Stoiker im Feuer (in igne) und Epikur in den Atomen (in atomis).17 Bemerkenswert ist der partizipiale Ausdruck corpori deditis mentibus („aus einer dem Körper hingegebenen Gesinnung“), mit dem die Ansichten der alii philosophi, der anderen Philosophen, zugleich verspottet werden. Im Anschluss an diese erste namentlich genannte Gruppe erweitert Augustinus seine Aussage auf alle, die überhaupt „einfache oder zusammengesetzte Körper, unbelebte oder belebte, aber doch eben Körper als Ursache und Prinzipien der Dinge bezeichnet haben“.18 Allerdings möchte er bei deren Aufzählung nicht verweilen. Festzuhalten ist, dass Thales in diesem Kontext ebenso wie die anderen Genannten ausdrücklich als Philosoph bezeichnet wird (cf. dagegen Th 311). Des Weiteren wird er von Augustinus als erster Vertreter einer materialistischen (bzw. korporalistischen) Weltsicht präsentiert, gegen die 17 18 Cf. civ. 8.5. Cf. civ. 8.5 […] et quicumque alii, quorum enumeratione inmorari non est necesse, sive simplicia sive coniuncta corpora, sive vita carentia sive viventia, sed tamen corpora, causam principiumque rerum esse dixerunt. Augustinus (Th 311–316) 239 Augustinus im Folgenden sowohl mit Argumenten als auch mit polemischer Schärfe vorgeht.19 * Augustinus, De civitate Dei 18 Die restlichen drei Zeugnisse über Thales stammen aus der zweiten Hälfte des Werkes, die mit civ. 11 einsetzt und in der Augustinus von den Ursprüngen (civ. 11–14),20 dem Verlauf (civ. 15–18) und dem Ausgang (civ. 19–20) der beiden Staaten handelt.21 Die Bezugnahmen auf Thales stehen allesamt 19 20 21 Cf. die folgende Argumentation, civ. 8.5, gegen die Stoiker, der es nicht an Polemik mangelt: „Sie und die anderen ihresgleichen konnten sich in ihren Gedanken nicht höher erschwingen als zu dem, was ihnen ihre an die Sinne des Fleisches gebundenen Herzen zuraunten. Sie trugen in sich, was sie nicht sahen, und hatten ein Vorstellungsbild von dem, was sie äußerlich wahrgenommen hatten, auch wenn sie nicht eben wahrnahmen, sondern nur in Gedanken tätig waren. In dem Augenblick aber, wo man nur in Gedanken reproduziert, handelt es sich schon nicht mehr um einen Körper, sondern um das Bild eines Körpers; und gar das, womit man im Geiste dieses Bild eines Körpers wahrnimmt, ist weder ein Körper noch ein Bild eines Körpers; und natürlich ist das, womit man das Bild eines Körpers wahrnimmt und ein Urteil fällt, ob es schön sei oder missgestaltet, besser als das Bild, worüber man urteilt. Diese Kraft ist der Geist des Menschen und das Wesen der vernünftigen Seele, die also selbstverständlich nichts Körperhaftes ist, wenn schon nicht einmal mehr das Bild des Körpers, das im Geiste des Denkenden geschaut und beurteilt wird, etwas Körperliches ist. Der Geist ist also weder Erde noch Wasser, weder Luft noch Feuer, keiner von den vier Körpern, die man die vier Elemente nennt und aus denen, wie wir sehen, die körperliche Welt zusammengefügt ist.“ Übersetzung Schröder (1911). Nachdem Augustinus in den Büchern 11–14 von der Schöpfung, den ungefallenen und den gefallenen Engeln, von der Erschaffung des Menschen, dem Sündenfall und seinen Folgen sowie den beiden Lebens- bzw. Liebesformen (secundum carnem, secundum spiritum vivere) gehandelt hat, zieht er am Ende von civ. 14.28 das folgende Fazit: „Zweierlei Liebe (amores duo) also hat die beiden Staaten (civitates duas) gegründet (fecerunt), und zwar den Weltstaat (terrenam) die bis zur Verachtung Gottes gesteigerte Selbstliebe (amor sui usque ad contemptum Dei), den himmlischen Staat (caelestem) die bis zur Verachtung ihrer selbst gehende Gottesliebe (amor Dei usque ad contemptum sui).“ Übersetzung Schröder (1914). Cf. dazu civ. 18.1: „Sodann wollte ich als Hauptgegenstand meines Werkes die Anfänge (exortu), den Verlauf (procursu) und den verdienten Ausgang (et debitis finibus) der zwei Staaten behandeln, des Gottesstaates und des Weltstaates, in welch letzterem auch der Gottesstaat, soweit er sich auf das Menschengeschlecht erstreckt, als Pilger und Fremdling sich findet. In den vier Büchern 11–14 nun habe ich von diesen drei Teilen den einen, die Anfänge der beiden Staaten, durchgeführt; ferner habe ich im fünfzehnten Buch deren Verlauf vom ersten Menschen bis zur Sündflut dargestellt, und 240 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert im achtzehnten Buch des Gottesstaates und sind damit im weitesten Sinne Gegenstand eines chronologischen Kontextes. In den vorausgehenden Büchern 15 bis 17 geht es um folgende Themen: x x x civ. 15: Ereignisse vom Sündenfall bis zur Flut civ. 16: Ereignisse von der Flut bis zum Bund Abrahams mit Gott (12–34) und bis zu König David (35–43) civ. 17: Zeitalter der Propheten und Thema der Prophetien; bis zu den Propheten und Prophetinnen um die Zeit der Menschwerdung Christi (20–24) Nach seinem Exkurs zum Thema der Prophetien betont Augustinus zu Beginn von civ. 18.1 seine Absicht, „mit Beschränkung auf das Notwendige den Verlauf des Weltstaates von Abrahams Zeiten an in aller Kürze [zu] schildern, damit der Leser imstande sei, beide Staaten in vergleichender Betrachtung nebeneinander zu halten“.22 Im 18. Buch sollen die Ereignisse der nicht-biblischen Geschichte synchron zu den biblischen Ereignissen und Personen ausgehend von der Zeit Abrahams dargestellt werden.23 Bei dieser Darstellung stützt sich Augustinus unter anderem sowohl auf die Arbeiten des Eusebius zur Chronologie, die so genannten Canones, die von Hieronymus ins Lateinische übersetzt und fortgeführt wurden,24 als auch auf das Werk De Gente Populi Romani von Varro.25 Kontext zu Th 313 Ausgehend von den synchronen Königreichen zur Zeit Abrahams kommt Augustinus schließlich in Kapitel 22 auf die Gründung der Stadt Rom (civitas Roma) zu sprechen. Rom wird als „zweites Babylon“ (altera Babylon) und „als Tochter des früheren Babylon“ (prioris filia Babylonis) bezeichnet.26 In diesem Kontext erfolgt die erste Nennung des Thales. 22 23 24 25 26 auch von da bis zu Abraham laufen in unserem Werke gerade so wie in der Wirklichkeit die beiden Staaten nebeneinander.“ Übersetzung Schröder (1916). Cf. civ. 18.1. Übersetzung Schröder (1916). Cf. zur Geschichtsdarstellung, Geschichtsphilosophie und zum Geschichtsbewusstsein bei Augustinus Horn (1997) 171–193. Cf. dazu die Hinführung zu Hieronymus Th 304–308. Cf. civ. 18.8, dazu O’Daly (1999) 183–184 und Pfeiffer (1968) 163–164. In civ. 18.23 geht Augustinus auf die Weissagungen der erythräischen Sibylle ein. Augustinus (Th 311–316) 241 Th 313 Augustinus, De civitate Dei 18.24 Eodem Romulo regnante Thales Milesius fuisse perhibetur, unus e septem sapientibus, qui post theologos poetas, in quibus Orpheus maxime omnium nobilitatus est, φ! appellati sunt, quod est Latine sapientes. Th 313 Augustinus, Gottestaat 18.24 Zur Regierungszeit des Romulus soll Thales aus Milet gelebt haben, einer der Sieben Weisen, die nach den Dichtertheologen, unter denen am allermeisten Orpheus gefeiert wurde, ‚sophoi‘ – lateinisch ‚sapientes‘ – genannt wurden.27 Attribute Datierung der Lebenszeit Milet Einer der Sieben Weisen Funktion der Bezugnahme Sonderbar ist die Datierung der Lebenszeit des Thales zur Regierungszeit des legendären ersten römischen Königs Romulus (Romulo regnante), also um die Mitte bzw. in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr.28 Eine explizite Quellenangabe findet sich an dieser Stelle zwar nicht, doch die Vermutung liegt nahe, dass sich Augustinus bei dieser Information auf Hieronymus stützt, bei dem sich diese merkwürdige Datierung neben anderen findet.29 Thales wird als einer der Sieben Weisen charakterisiert, die nach den theologischen Dichtern (post theologos poetas) – von denen Orpheus als berühmtester (maxime omnium nobilitatus est) genannt wird – als „weise“ (im Text auf griechisch φ!) bezeichnet wurden.30 Die Bezugnahme auf Thales, die sich auf die Chronologie des Hieronymus stützen kann, ist ein Element des chronologischen Diskurses. * 27 28 29 30 Vgl. Otto von Freising Chronica II 5 (73.21–23 Hofmeister). Cf. zur Regierungszeit des Romulus RE II. 1, s. v. Romulus 1074–1104, 1099. Cf. dazu Hieronymus Th 305. Neben diesen beiden Zeitangaben führt Augustinus zwei weitere synchrone Ereignisse an: zum einen die Überwindung der zehn Stämme Israels durch die Chaldäer (Babylonier) sowie den Beginn ihrer Gefangenschaft; zum anderen den Verbleib der zwei Stämme Juda im Lande Juda. 242 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Kontext zu Th 314 In chronologischer Fortsetzung werden zu Beginn von Kapitel 25 die folgenden Ereignisse synchronisiert: (a) auf jüdischer Seite die Regierung des Königs Sedechias (Zedekia), (b) auf römischer Seite König Tarquinius Priscus (616–578 v. Chr.). Zu deren Herrschaftszeit soll das jüdische Volk nach der Zerstörung Jerusalems und des von Salomon erbauten Tempels gefangen nach Babylon gebracht worden sein. Synchron zu der Babylonischen Gefangenschaft wird im Folgenden Pittakos von Mitylene als einer der Sieben Weisen genannt. Th 314 Augustinus, De civitate Dei 18.25 Eo tempore Pittacus Mitylenaeus, alius e septem sapientibus, fuisse perhibetur. Et quinque ceteros, qui, ut septem numerentur, Thaleti, quem supra (Th 313) commemoravimus, et huic Pittaco adduntur, eo tempore fuisse scribit Eusebius, quo captivus Dei populus in Babylonia tenebatur. Hi sunt autem: Solon Atheniensis, Chilon Lacedaemonius, Periandrus Corinthius, Cleobulus Lindius, Bias Prienaeus. Omnes hi, septem appellati sapientes, post poetas theologos claruerunt, quia genere vitae quodam laudabili praestabant hominibus ceteris et morum nonnulla praecepta sententiarum brevitate complexi sunt. Nihil autem monumentorum, quod ad litteras adtinet, posteris reliquerunt, nisi quod Solon quasdam leges Atheniensibus dedisse perhibetur; Thales vero physicus fuit et suorum dogmatum libros reliquit. Eo captivitatis Iudaicae tempore et Anaximander et Anaximenes et Xenophanes physici claruerunt. Th 314 Augustinus, Gottesstaat 18.25 Zu dieser Zeit [der Babylonischen Gefangenschaft der Juden] soll Pittakos aus Mytilene, ein anderer der Sieben Weisen, gelebt haben. Auch die fünf übrigen, die, um die Siebenzahl voll zu machen, dem Thales, den wir oben (Th 313) erwähnt haben, und diesem Pittakos hinzugefügt werden, lebten, wie Eusebius schreibt,31 zu der Zeit, in der das Volk Gottes in Babylonischer Gefangenschaft gehalten wurde. Es sind dies: Solon aus Athen, der Spartaner Chilon, Periander aus Korinth, Kleobulos aus Lindos und Bias aus Priene. Alle diese32 sieben so genannten Weisen erhielten nach den Dichter- 31 32 Hieronymus Chron. I 98, 18 (g); 101, 12 (e). Vgl. Frechulf von Lisieux Historiae (Allen CCL 169 A, 989 C/D); Ekkehard von Aura Chronicon universale (Migne PL 154, 547); ebd. (539); Otto von Freising Chronica II 7 (75.4–11 Hofmeister). Augustinus (Th 311–316) 243 theologen Berühmtheit, weil sie sich durch eine bestimmte lobenswerte Lebensweise vor den übrigen Menschen auszeichneten und manche Sittenregeln in kurzen Sentenzen erfassten. Allerdings hinterließen sie der Nachwelt keine schriftlichen Monumente, außer dass Solon den Athenern einige Gesetze gegeben haben soll. Thales aber war Naturforscher und hinterließ Bücher mit seinen Lehren. Zu der Zeit der jüdischen Gefangenschaft erlangten auch die Naturphilosophen Anaximander, Anaximenes und Xenophanes Berühmtheit. Attribute Einer der Sieben Weisen Datierung Schrift: Thales hinterließ Bücher mit seinen Lehren Naturforscher Funktion der Bezugnahme Mit der Angabe des Pittakos werden der bereits oben (supra) genannte Thales (cf. 18.24 = Th 313) und die weiteren fünf Weisen (Solon, Chilon, Periander, Kleobulos und Bias) namentlich angeführt und zur gleichen Zeit wie die Gefangenschaft des „Volkes Gottes“ in Babylon angesetzt. Augustinus nennt an dieser Stelle ausdrücklich Eusebius als seine Informationsquelle (scribit Eusebius).33 Datiert werden die Sieben Weisen wiederum34 nach den Dichtertheologen (post poetas theologos) und insbesondere durch zwei Aspekte charakterisiert: zum einen durch ihre lobenswerte Lebensführung (genere vitae quodam laudabili), durch die sie sich vor ihren Mitmenschen ausgezeichnet haben sollen; zum anderen durch die Tatsache, dass sie einige Sittenvorschriften (morum praecepta) in kurze Sinnsprüche (praecepta sententiarum brevitate) zusammengefasst haben. Bemerkenswert ist die Einschätzung Augustins, dass die Sieben Weisen der Nachwelt keine „schriftlichen Monumente“ hinterlassen hätten, mit der Ausnahme von Solon und Thales. Solon wird aufgrund seiner Gesetzgebung in Athen hervorgehoben.35 Thales wird als Naturforscher bezeichnet (physicus fuit) und wie in civ. 8.2 (= Th 311) wird über ihn gesagt, dass er Schriften mit seinen Lehren hinterlassen habe (suorum dog- 33 34 35 Cf. dazu Hieronymus Th 304–308 und Eusebius PE 10.14.10–12 = Th 265, PE 10.14.16 = Th 266. Cf. Th 313. Cf. dazu Opelt (1980) 27–28. Zu einer weiteren Erwähnung Solons ebd. 25–26. 244 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert matum libros reliquit). Über den Zweck dieser Schriften äußert sich Augustinus an dieser Stelle nicht.36 * Kontext zu Th 315 Nachdem sich Augustinus in den Kapiteln 27–36 mit den Propheten und deren Alter auseinander gesetzt hat, vertritt er in Kapitel 37 zuerst die These, dass es schon zur Zeit der Propheten – „deren Schriften bereits zur Kenntnis fast aller Völker gelangt sind, und erst recht (et multo magis) nach ihnen“ – bei den Völkern Philosophen (philosophi gentium) gab, die sich auch als solche bezeichneten.37 Wie sich Augustinus das chronologische Verhältnis von Propheten und Philosophen vorstellt, wird im Folgenden erläutert. Zuerst bezieht er sich auf Pythagoras aus Samos, mit dem diese Bezeichnung aufgekommen sei.38 Die Zeit, zu der Pythagoras anfängt, sich auszuzeichnen und bekannt zu werden (coepit excellere atque cognosci) wird mit dem Ende der Gefangenschaft der Juden (quo Iudaeorum est soluta captivitas) angesetzt. Darauf vertritt Augustinus die These, dass die übrigen Philosophen (genannt werden Sokrates und sein Schüler Platon) umso mehr nach den Propheten anzusetzen seien. Denn Sokrates soll nach der Bezeugung der Chroniken erst nach Esdras (= Esra) gelebt haben. Darauf ist jedoch der chronologische Status von zwei weiteren Gruppen zu klären, die Augustinus als „die Früheren“ (superiores) bezeichnet: (1) zum einen diejenigen, die noch nicht Philosophen genannt wurden (qui nondum philosophi vocabantur), die Sieben Weisen, sowie (2) nach ihnen „die Naturphilosophen“ (physicos), die auf Thales folgten und sein Bemühen um die Erforschung der Natur der Dinge fortsetzten, namentlich Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras und einige andere vor der Zeit (antequam), da Pythagoras sich zuerst als Philosoph bezeichnete. 36 37 38 Cf. dazu Th 311. Abschließend berichtet Augustinus, dass sich – ebenfalls zu der Zeit der Gefangenschaft der Juden (eo captivitatis Iudaicae tempore) – Anaximander, Anaximenes und Xenophanes als „Naturphilosophen“ auszeichneten (physici claruerunt) und auch Pythagoras gelebt haben soll, „von dem an man die Weisen Philosophen nannte“. Cf. civ. 18.37 Tempore igitur prophetarum nostrorum, quorum iam scripta ad notitiam fere omnium gentium pervenerunt, et multo magis post eos fuerunt philosophi gentium, qui hoc etiam nomine vocarentur […]. Cf. civ. 8.2. Augustinus (Th 311–316) 245 Th 315 Augustinus, De civitate Dei 18.37 Quibus si addamus etiam superiores, qui nondum philosophi vocabantur, septem scilicet sapientes ac deinde physicos, qui Thaleti successerunt in perscrutanda natura rerum studium eius imitati, Anaximandrum scilicet et Anaximenem et Anaxagoram aliosque nonnullos, antequam Pythagoras philosophum primus profiteretur: nec illi prophetas nostros universos temporis antiquitate praecedunt, quando quidem Thales, post quem ceteri fuerunt, regnante Romulo eminuisse fertur, quando de fontibus Israel in eis litteris, quae toto orbe manarent, prophetiae flumen erupit. Th 315 Augustinus, Gottesstaat 18.37 Nehmen wir noch die Früheren hinzu, die noch nicht Philosophen hießen, nämlich die Sieben Weisen und dann die Naturforscher, die auf Thales folgten und es bei der Erforschung der Natur seinem wissenschaftlichen Streben nachtaten, Anaximander nämlich und Anaximenes und Anaxagoras und einige andere, ehe sich Pythagoras als Erster einen Philosophen nannte: Auch jene gehen nicht allen unseren Propheten zeitlich voran, da ja Thales, nach dem die übrigen lebten, während Romulus regierte, hervorgetreten sein soll, als sich aus Israels Quellen in den Schriften, die sich im ganzen Erdkreis ausbreiteten, der Strom der Weissagung ergoss. Attribute Einer der Sieben Weisen Naturforscher / Erforschung der Natur Datierung Funktion der Bezugnahme Augustinus begründet (quando quidem) seine These, die Naturforscher gingen nicht allen Propheten voran, indem er den Fokus auf Thales richtet, dem die übrigen zeitlich gefolgt sein sollen (post quem ceteri fuerunt). Die synchrone Datierung von Thales in civ. 18.37 erfolgt zum einen (in Übereinstimmung mit der Datierung in civ. 18.24) mit der Regierungszeit des Romulus (regnante Romulo), zum anderen mit dem unscharfen Ausdruck bzw. der Metapher „quando de fontibus Israel in eis litteris, quae toto orbe manarent, prophetiae flumen erupit“: „Als aus den Quellen Israels der Strom der Weissagung in den Schriften hervorbrach, die den ganzen Erdkreis überfüllen sollten.“ An dieser Stelle wird deutlich, wie Thales in einem chronologischen Kontext aufgrund seiner Stellung innerhalb der griechischen Chronologie als Grenzfall bzw. als Wasserscheide betrachtet 246 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert wird. Aufgrund des Nachfolge- bzw. Hörer-/Schülerschemas genügt der chronologische Vergleich mit ihm, um anzuzeigen, dass „der Strom der Weissagung“ bereits zu seiner Zeit hervorbrach. Eine Ausnahme (soli) stellen die so genannten Dichtertheologen (theologi poetae) – Orpheus, Linos und Musaios – dar, die der Zeit nach früher sind (annis reperiuntur priores) als die kanonischen hebräischen Propheten. Gegenüber den Dichtertheologen wird jedoch Moses („unser wahrer Theologe“) angeführt, der zeitlich vor diesen „den einen wahren Gott wahrhaft verkündete und dessen Schriften nun in dem bei uns gültigen Kanon an erster Stelle stehen“.39 Das abschließende Fazit gibt zu erkennen, wieso sich Augustinus mit dieser chronologischen Frage im Hinblick auf die Griechen auseinander gesetzt hat und welche kulturgeschichtliche Bedeutung er ihnen zumisst: […] demnach haben wenigstens die Griechen, in deren Sprache die Wissenschaft dieser Welt ihren Höhepunkt erreichte, keinen Grund, mit ihrer Weisheit sich zu brüsten, als wäre sie, wenn nicht gar erhabener, so doch älter als unsere Religion, bei der sich die wahre Weisheit findet.40 […] ac per hoc, quantum ad Graecos adtinet, in qua lingua litterae huius saeculi maxime ferbuerunt, nihil habent unde sapientiam suam iactent, quo religione nostra, ubi vera sapientia est, si non superior, saltem videatur antiquior.41 * Augustinus, Contra Iulianum Th 316 = Iulianus, Ad Turbantium Th 325 Die Schrift gegen Iulianus von Aeclanum (ca. 385–450), verfasst um 421/2, ist Teil der Auseinandersetzung Augustins mit der innerchristlichen Richtung des Pelagianismus.42 Iulianus, der als Sohn des süditalienischen Bi39 40 41 42 Cf. civ. 18.37 Soli igitur illi theologi poetae, Orpheus, Linus, Musaeus et si quis alius apud Graecos fuit, his prophetis Hebraeis, quorum scripta in auctoritate habemus, annis reperiuntur priores. Sed nec ipsi uerum theologum nostrum Moysen, qui unum uerum deum ueraciter praedicauit, cuius nunc scripta in auctoritatis canone prima sunt, tempore praeuenerunt […]. Civ. 18.37. Übersetzung Schröder (1916). Cf. zur Bedeutung des Altersbeweises den Kommentar zu Tatian Th 176. Cf. zur Einführung Moreschini/Norelli (2007) 478–480 und Geerlings (1998) 74–76. Zur Chronologie, den kirchenpolitischen und theologischen Aspekten der Auseinan- Augustinus (Th 311–316) 247 schofs Memor bzw. Memorius und seiner Frau Iuliana um 380 geboren wurde, heiratete im Jahre 403 als Lektor die Tochter des Bischofs Aemilius von Benevent. Nach der klassischen Ausbildung in Rhetorik wurde er im Jahre 417 zum Bischof von Aeclanum (südl. von Benevent) geweiht.43 Mit einer Gruppe von italienischen und sizilianischen Bischöfen weigerte er sich im Jahre 418, die Epistula tractoria des Zosimus von Rom44 zu unterschreiben, in welcher der Pelagianismus verurteilt wurde. Nachdem Iulianus und weitere Anhänger aus Italien verbannt worden waren, fand er Asyl bei dem kilikischen Bischof Theodor von Mopsuestia. In der Zeit zwischen 418 und 421 widmete sich Iulianus besonders der Auseinandersetzung mit Augustinus, dessen Orthodoxie er in Zweifel zog.45 „In Julianus“, so Geerlings, „erwuchs Augustinus der einzige ebenbürtige Gegner. Beiden war auf Grund unterschiedlicher Herkunft, Erfahrung und konträrem philosophischem Ansatz (Augustinus: Platoniker; Iulianus: Aristoteliker) gegenseitiges Verstehen fast unmöglich.“46 Der Bischof von Hippo reagierte im Winter 421/2 auf den vier Bücher umfassenden Brief des Iulianus an den Bischof Turbantius (Ad Turbantium, cf. Iulianus Th 325), in dem Iulianus nach Bruckner „glaubte, die Wahrheit der Pelagianischen Lehr- und Denkweise aus der Vernunft, der Schrift und der Tradition erschöpfend bewiesen und die völlige Verkehrtheit der von ihm bekämpften Augustinischen Lehre 43 44 45 46 dersetzung zwischen Augustinus und Iulianus cf. Lössl (2007) 197–203, 337–340 und Lamberigts (2001) 483–505, bes. 484–488. Cf. zu Iulianus, seinem Leben, Werk, seiner Lehre und ihrer Überlieferung, die reichhaltige Untersuchung von Lössl (2001). Horn (1995) 19–20 bemerkt zum Pelagianismus: „Der Pelagianismus bildet um das Jahr 400 eine asketische Bewegung innerhalb der Kirche, die sich gegen die Verflachung des christlichen Alltagslebens zur Wehr setzt; sein Betätigungsfeld ist besonders die Aristokratie der Stadt Rom. Neben dem Briten Pelagius (etwa 384–422) sind seine Exponenten der Syrer Rufinus sowie Caelestius und Julianus von Aeclanum, der spätere Hauptgegner Augustins. Die Bewegung tritt in den Jahren von 408 (erste Konflikte um Pelagius) bis 431 (endgültige Verurteilung auf dem Konzil von Ephesus) in Erscheinung; zu einer weitreichenden Wirkung kommt es aber erst infolge der Emigration ihrer Protagonisten nach Afrika und Palästina nach der Eroberung Roms durch die Goten (410).“ Kern dieser Lehre war unter anderem die Überzeugung von der völligen Unabhängigkeit des freien Willens, mit dem der Mensch zwischen Gut und Böse wählen kann. Cf. zur Bildung des Iulianus Lamberigts (2001) 490–499. Cf. dazu Dümler (1998) 637: „Nach einer Rehabilitierung des Pelagius und des Caelestius mußte er auf Druck der Afrikaner in der Epistula tractoria Pelagius offiziell verurteilen.“ Cf. Geerlings (1998) 361. Geerlings (1998) 361. Zu den vorausgehenden Auseinandersetzungen zwischen Augustinus und Iulianus cf. ebd. 361–362 und Moreschini/Norelli (2007) 478–480. 248 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert unwiderleglich dargetan zu haben“.47 Das vier Bücher umfassende Werk des Iulianus an seinen Mitstreiter Turbantius, das er im Sommer 419 schrieb, ist nur fragmentarisch in Form von Zitaten und Anspielungen aus den Schriften des gegen ihn polemisierenden Augustinus (besonders aus Contra Iulianum, cf. Th 316, und De nuptiis) erhalten.48 In seiner sechs Bücher umfassenden Widerlegung Contra Iulianum gibt Augustinus in c. Iul. 1.1.3 über den Gedankengang des Briefes Auskunft.49 Augustinus unterzieht danach die vier Bücher an Turbantius der Kritik und unternimmt den Versuch, sie zu widerlegen. Er verwahrt sich zuerst gegen den Vorwurf des Manichäismus, der dann auch alle anderen Väter treffe (c. Iul. 1), bietet darauf einen Traditionsbeweis gegen Iulianus (c. Iul. 2) und widerlegt detailliert dessen einzelne Vorwürfe (c. Iul. 3–6).50 In der von starker Polemik gefärbten Argumentation des vierten Buches befasst sich Augustinus mit der Widerlegung des zweiten Buches von Iulianus (Ad Turbantium). Das Werk des Iulianus stellt eine Replik auf die Schrift des Augustinus De nuptiis et concupiscentia I (418/9) dar, in der sich Augustinus unter anderem gegen Iulians Vorwurf verteidigte, dass er mit seiner Erbsündenlehre die Ehe verurteile.51 Mit seinen vier Büchern Ad Turbantium versuchte Iulianus zu zeigen, dass die Idee der Erbsünde manichäischen Ursprungs sei; er verteidigte Gottes Güte als Schöpfer, auch der concupiscentia (Begierde), und seine Gerechtigkeit als Richter. Im zweiten und dritten Buch befasste er sich mit dem Verhältnis von Begierde und „physischer“ Ehe.52 Kontext zu Th 316 Die Funktion und Bedeutung des Zeugnisses über Thales (aus dem zweiten Buch Ad Turbantium) lassen sich aus Iulianus’ Reaktion erschließen. Er scheint nach Augustinus (c. Iul. 4.75.2) die folgenden Autoren jeweils mit ihrer eigenen Lehrmeinung über die natürlichen Dinge (unusquisque cum proprio dogmate suo de naturalibus rebus) als Unterstützung für seine Argumentation anzuführen: neben Thales, Anaximander und Anaximenes 47 48 49 50 51 52 Bruckner (1973) 1. Cf. dazu Bruckner (1973) 1–2. Zur Überlieferung und Reihenfolge der Fragmente ebd. 3–23. Cf. zur Disposition und zum Inhalt der Schrift Ring (2005) 7–11. Cf. Geerlings (1998) 74–76, 76. Cf. zur Chronologie der Auseinandersetzung Lössl (2007) 197–203 und Lamberigts (2001) 488–489. Cf. Lamberigts (2001) 488 sowie ders. (2008) 245–260 über den philosophischen und theologischen Hintergrund von Julians Begriff der Konkubiszenz. Augustinus (Th 311–316) 249 auch Anaxagoras, Xenophanes, Parmenides, Leukipp, Demokrit, Empedokles, Heraklit, Melissos, Platon und die Pythagoreer.53 Augustinus macht Iulianus den Vorwurf, „die Schar der Philosophen“ (turbam philosophorum), darunter an erster Stelle Thales, für seine Position zur Hilfe (in auxilium) gerufen zu haben (convocasti). Iulianus, so Augustinus, gehe es nur um das Prahlen mit Gelehrsamkeit (doctrinae […] iactantiam), wenn er die Namen gelehrter Leute und verschiedener Schulen erwähne (in commemorandis nominibus doctorum hominum sectisque diversis). Th 316 Augustinus, Contra Iulianum 4.75 (ed. Migne PL 44, 776) Convocasti etiam in auxilium turbam philosophorum, quasi susceptae tuae, si non possunt pecorum solertiae naturales, saltem doctorum hominum opitulentur errores. Sed quis non videat, doctrinae te quaesisse iactantiam in commemorandis nominibus doctorum hominum sectisque diversis, quando perspicit quicumque ista tua legit, ad quaestionem quae inter nos vertitur, haec nullatenus pertinere? Quis enim audiat, quod abs te commemorantur, „Thales Milesius unus e septem sapientibus, deinde Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Xenophanes, Parmenides, Leucippus, Democritus, Empedocles, Heraclitus, Melissus, Plato, Pythagoraei,“ unusquisque cum proprio dogmate suo de naturalibus rebus: quis, inquam, haec audiat, et non ipso nominum sectarumque conglobatarum strepitu terreatur, si est ineruditus, qualis est hominum multitudo; et existimet te aliquem magnum, qui haec scire potueris? Th 316 Augustinus, Gegen Julian [von Eclanum] 4.75 Du hast sogar die Schar der Philosophen zu Hilfe gerufen, als ob deinem Unternehmen wenigstens die Irrtümer gelehrter Leute Hilfe leisten sollten, wenn es die natürlichen Fertigkeiten von Tieren nicht können. Aber wer sähe nicht, dass du das Prahlen mit Gelehrsamkeit gesucht hast, indem du Namen gelehrter Leute und verschiedener Schulen erwähnst, da ja durchschaut, wer immer deine Erzeugnisse da liest, dass das zu unserer Frage in keiner Hinsicht beiträgt? Wer sollte nämlich hören, was von dir erwähnt wird [s. Th 325], Thales aus Milet, einer der Sieben Weisen, dann Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Xenophanes, Parmenides, Leukipp, Demokrit, Empedokles, Heraklit, Melissos, Platon, die Pythagoreer, jeder 53 Cf. Cicero Ac. 2 (= Lucullus) 118. Cf. zum philosophischen Werk Ciceros als Quelle für Iulianus Lössl (2001) 80 Anm. 24 und 25. 250 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert mit seiner spezifischen Lehre über die Natur: Wer, sage ich, sollte das hören, und nicht durch den bloßen Lärm der Namen und der versammelten Schulen in Schrecken geraten, wenn er, wie die meisten Menschen, ungebildet ist; und sollte dich nicht für bedeutend halten, der du das wissen kannst? Attribute Milet Naturphilosoph Einer der Sieben Weisen Lehre über die Natur Funktion der Bezugnahme Thales wird als Erster in der Reihe der Naturphilosophen mit seiner Herkunft und seiner Zugehörigkeit zu den Sieben Weisen angeführt. Über den Sinn und die Funktion der Bezugnahme auf Thales bei Iulianus können wir angesichts der Überlieferungslage nur aufgrund der Äußerungen von Augustinus einige Zusammenhänge erschließen. Es ist sinnvoll, Thales dabei nicht isoliert von den anderen Philosophen zu betrachten. Für den argumentativen Zusammenhang ist die Feststellung des Augustinus von Bedeutung, dass Iulianus zur Unterstützung seiner Argumentation und Polemik gegen ihn die frühgriechischen Autoren anführe oder auf diese anspiele. Erst der nachfolgende Kontext bei Augustinus (c. Iul. 4.75.2–6) lässt weiter erkennen, weshalb die Aufzählung der Philosophen für Augustinus zum Stein des Anstoßes gegenüber Iulianus wird und ein Grund zu mehreren Vorwürfen gegenüber diesem ist. Wichtig ist die von Augustinus zitierte „Vorrede“ (praelocutus, c. Iul. 4.75.3) des Iulianus, die über dessen Positionierung sowohl gegenüber den Philosophen als auch gegenüber dem theologischen Gegner Augustinus ein aussagekräftiges Zeugnis darstellt. Iulianus soll nach Augustinus (c. Iul. 4.75.3) folgende These vertreten haben: Mögen alle Philosophen in ihren Schulen auch anderes lehren (und) gleichwohl mit dem Volk Götzenbilder verehren, (jene,) die etwas über die Dinge der Natur zu ergründen versucht haben, leckten gewissermaßen zwischen den zahlreichen Nichtigkeiten ihrer Ansicht dennoch an gewissen Teilen der Wahrheit, (und sie) können trotz der Dunkelheit ihrer Nichtigkeit zu Recht dieser Lehrmeinung, gegen die wir angehen, vorgezogen werden.54 54 Übersetzung Habitzky in Ring (2005). Augustinus (Th 311–316) 251 […] omnes philosophi in scholis licet aliud disserentes, tamen idola cum plebe venerantes, qui de naturalibus causis aliquid excogitare conati sunt, inter multas opinionis suae vanitates, aliquas tamen veritatis velut lambere partes, qui per caliginem vani, huic tamen dogmati contra quod agimus, iure anteferri possunt.55 Zwei Aspekte sind hervorzuheben: (1) das Verhältnis des Iulianus zu den Philosophen und (2) die daraus resultierende polemische Spitze gegen Augustinus. (1) Obgleich Iulianus in deutlicher Abwertung der Philosophen deren angebliche Verehrung von Götzenbildern mit dem Volk (idola cum plebe venerantes) anführt sowie die „zahlreichen Nichtigkeiten ihrer Ansicht“ betont, schreibt er ihnen zu, dass sie „dennoch gleichsam an irgendwelchen Teilen der Wahrheit leckten“ (aliquas tamen veritatis velut lambere partes). (2) Die besondere Polemik gegenüber Augustinus besteht nun darin, dass die Philosophen dennoch in Anbetracht der gegnerischen Lehrmeinung des Augustinus (dogmati contra quod agimus) vorgezogen werden können. Darin scheint zumindest eine Pointe in der Argumentation Iulians zu liegen, gegen die sich Augustinus zunächst mit Vorwürfen gegenüber seiner Rhetorik wehrt: Die Namen der Gelehrten und der verschiedenen Schulen haben nach Augustinus nichts mit dem behandelten Sachproblem zu tun (c. Iul. 4.75.1 und 4.75.2), sondern sind lediglich ein Zeugnis für die Prahlerei des Iulianus (doctrinae te quaesisse iactantiam); sie erschrecken den ungebildeten Leser – die Mehrheit der Menschen (si est ineruditus, qualis est hominum multitudo). Augustinus wirft Iulianus des Weiteren bezüglich der angeführten Namen der Naturphilosophen mitsamt ihren Meinungen (philosophorum nomina physicorum cum opinionibus) einen Betrug (fraudasti)56 vor (c. Iul. 4.75.4), da Iulianus nicht alle erwähnen wolle oder könne (nec tamen commemorare omnes sive voluisti, sive potuisti). In der anschließenden Argumentation kritisiert Augustinus, dass Iulianus, als er den Anaximenes und seinen Schüler Anaxagoras angeführt habe, seinen anderen Schüler, Diogenes, verschwiegen habe (tacuisti), der sowohl von seinem Lehrmeister wie von seinem Mitschüler in der Ansicht über die Dinge der Natur abwich (dissensit) und eine eigene Lehrmeinung aufstellte (propriumque dogma constituit).57 Augustinus wirft Iulianus zum einen vor, dass er nicht ad rem argumentiere und also auch die Philosophen nicht ad rem zitiere, sondern seine Ar55 56 57 C. Iul. 4.75.3. Cf. c. Iul. 4.75.4 Qua in re homines imperitos nullo doctorum dubitante fraudasti. Cf. c. Iul. 4.75.5 Cur ergo […] cum commemorasses Anaximenem eiusque discipulum Anaxagoram, tacuisti alterum eius discipulum Diogenem, qui et a magistro et a condiscipulo suo in rerum naturae opinione dissensit, propriumque dogma constituit? 252 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert gumentation ad hominem gerichtet sei. D.h. die Philosophen werden nach Augustinus von Iulianus nur deswegen angeführt, weil durch sie beeindruckt werden solle. Die Bemerkung des Augustinus zu Diogenes stellt nicht zuletzt dessen Kenntnis frühgriechischer Philosophie unter Beweis. Weiter ist zu bemerken, dass Augustinus selbst keine Auskunft darüber gibt, warum Iulianus nicht ad rem argumentiere. Die Funktion des Rekurses des Iulianus auf die Philosophen – darunter Thales – ist vor dem Hintergrund des rhetorischen Schlagabtausches zwischen den beiden Kontrahenten zu verstehen. Literatur Bruckner, A., Die vier Bücher Julians von Aeclanum an Turbantius, Berlin 1910, ND Aalen 1973. 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Jh. verfasst und unter dem Namen des Nemesios überliefert wurde,58 finden sich zwei Bezugnahmen auf Thales.59 Möglicherweise handelt es sich bei dem Verfasser um Nemesios, den Bischof von Emesa in Syrien (heute Homs).60 In der 42 Kapitel umfassenden Schrift behandelt der Autor systematisch Themen, die die Natur des Menschen betreffen, die Seele (nat. hom. 2), ihre Eigenschaften und Vermögen (nat. hom. 6–13), den Körper (nat. hom. 4) und die Elemente (nat. hom. 5) sowie die Einheit von Seele und Körper (nat. hom. 3). Während das erste Zeugnis über Thales im zweiten Kapitel bei der Erörterung über die Natur der Seele steht, erfolgt die zweite Bezugnahme auf Thales im fünften Kapitel in der Diskussion um die vier Elemente. Kontext zu Th 323 In seiner Erörterung über die Seele (nat. hom. 2) vertritt Nemesios zu Beginn die These, dass „fast alle Alten in der Lehre von der Seele (² %λ )« ?8)« .«)“ nicht übereinstimmten (φ(1).61 Zuerst zeigt er auf, wie diejenigen, welche die Seele als einen Körper ( ) betrachten, verschiedene Meinungen über ihre Essenz haben.62 Darauf wendet er sich denjenigen zu, welche die Seele als „unkörperlich“ bezeichnen ($; ρ κ ?8&). Erneut (%0.) stellt er auch bei ihnen eine „grenzenlose Unstimmigkeit“ (Ν%« […] π φ(!) fest.63 Diese zeigt sich in der folgenden Unterscheidung: Während die einen behaupten, dass die Seele eine Substanz (!) und unsterblich sei ($0), vertreten andere die These, dass die Seele zwar unkörperlich sei, nicht jedoch eine Substanz und auch nicht unsterblich ( κ ! ξ $0).64 Im An- 58 59 60 61 62 63 64 In der Mehrzahl der hauptsächlichen Handschriften wird der Name des Nemesios genannt, cf. Sharples/van der Eijk (2008) 2 Anm. 1. Cf. zu Inhalt und Absicht des Werkes die Einführung von Sharples/van der Eijk (2008) 1–32. Cf. Vetten (1998) 449. Cf. nat. hom. 2.67 φ(1 8µ Ϊ% 1« %.1« ² %λ )« ?8)« .«. Cf. nat. hom. 2.67 […] λ λ ξ ^ ¹ κ ?8κ $%φ φ %λ )« !« )«. Cf. nat. hom. 2.68 %0. ξ λ .( $; ρ κ ?8κ Ν%« π φ(! […]. Cf. nat. hom. 2.68 […] ξ ! κ λ $0 .(, ξ $; ξ, κ ! ξ $0. 254 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert schluss an diese Unterscheidung werden die Meinungen einiger Philosophen, darunter an erster Stelle die des Thales, über die Seele angeführt.65 Th 323 Nemesios, De natura hominis 2.68–69 (ed. Morani) P0. ξ λ .( $; ρ κ ?8κ Ν%« π φ(!, ξ ! κ λ $0 .(, ξ $; , κ ! ξ $0. L.)« ξ % « κ ?8κ Dφ $! λ !, P« ξ $µ 4µ " […]. Th 323 Nemesios, Über die Natur des Menschen 2.68–69 Es gab aber auch unter denen, die die Seele als unkörperlich bezeichneten, eine grenzenlose Unstimmigkeit; während die einen sie (sc. die Seele) selbst als Substanz und als unsterblich bezeichneten, sagten die anderen, dass sie zwar unkörperlich, jedoch freilich keine Substanz und auch nicht unsterblich sei.66 Denn Thales sagte als Erster, dass die Seele immer bewegt und selbstbewegt sei (cf. Th 165), Pythagoras aber bezeichnete sie als eine sich selbst bewegende Zahl […]. Attribut Seele: Die Seele ist immer bewegt und selbstbewegt67 Funktion der Bezugnahme Thales wird die These zugeschrieben, dass die Seele immer bewegt ($!) und selbstbewegt sei (!).68 Es folgt die Pythagoras zugeschriebene Meinung, dass die Seele eine selbstbewegte Zahl sei. Festzuhalten ist, dass auf Thales und die anderen Philosophen an dieser Stelle Bezug genommen wird, um den Dissens zwischen ihnen in der Frage über die Natur der Seele zu demonstrieren.69 * 65 66 67 68 69 Cf. zu diesem Abschnitt Sharples/van der Eijk (2008) 51–53 und Mansfeld (1990) 3076–3082, 3084–3085, Diels (1879) 49–50, Krause (1904) 16ff. und Mansfeld/ Runia (1997) 293–294. Übersetzung Schwab. Cf. dazu den Kommentar zu Theodoret Th 336. Cf. dazu Ps.-Plutarch Th 165 und Stobaios Th 360, bei denen die beiden Adjektive in einer Disjunktion stehen, während Theodoret in Th 336 Thales zuschreibt, dass er die Seele von Natur aus unbewegt genannt habe. Cf. dazu auch Sharples/van der Eijk (2008) 51–53 und Mansfeld (1990) 3076–3082. Cf. dazu Aristoteles Th 31 und die Sim. ‚Natur der Seele/Magnetstein‘. Nemesios von Emesa (Th 323–324) 255 Kontext zu Th 324 Im Anschluss an die Abhandlung über den Körper im vierten Kapitel befasst sich Nemesios im fünften Kapitel mit den Elementen (%λ 8!(). Nach einer Erörterung über die vier Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer) und die vier Elementarqualitäten (heiß, kalt, trocken, nass) sowie deren Beziehungen untereinander führt er im letzten Abschnitt des Kapitels einen letzten Beweis für die Existenz der vier Elemente an.70 Th 324 Nemesios, De natura hominis 5.169 Kλ L.)«, µ J( .( ρ 81, %» Ν.. ! %µ α κ ξ %0 " ) !, µ ξ .% $, " ξ $« µ .% %". #A=« , $ .(, λ µ« ²!(« %» Ν.. 81 / " $« $%.. Th 324 Nemesios, Über die Natur des Menschen 5.169 Auch Thales sagt, dass das Wasser das einzige Element sei, und versucht zu zeigen, dass die anderen drei Elemente von diesem her entstehen. Sein Niederschlag werde nämlich Erde; das Feinteiligere Luft und von der Luft das Feinteiligere Feuer. Anaximenes aber nennt nur die Luft und versucht auf gleiche Weise zu zeigen, dass die anderen Elemente aus der Luft entstehen. Attribute Prinzip Wasser: Wasser als das einzige Element Aggregatzustände: Elemente entstehen aus dem Wasser Funktion der Bezugnahme Die Bezugnahme auf Thales steht in einem Zusammenhang, der mit der folgenden These eingeleitet wird: Der beste Beweis dafür, dass es die vier Elemente gebe, gehe aus dem Versuch jedes einzelnen (% µ F U«) Philosophen hervor, seine eigene Lehre zu etablieren (0' ).71 Im Anschluss an diese These werden namentlich vier frühgriechische Philosophen angeführt, die jeweils nur ein Element annahmen: Thales (Wasser), Anaximenes (Luft), Heraklit und Hipparch (Feuer). Zuerst wird Thales genannt, der als einziges Element das Wasser annehme 70 71 Cf. zur Diskussion dieses Abschnittes Kallis (1978) 10–47, Sharples/van der Eijk (2008) 91–99 und Mansfeld/Runia (1997) 293–299. Cf. nat. hom. 5.169 $.. λ /= W λ % µ F U« 0' , / ( 0. ! ` 81. 256 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert (µ J( .( ρ 81) und zu zeigen versuche (%» ), dass die anderen drei Elemente von diesem her entstehen. Darauf folgt eine Begründung (0): Denn „der Bodensatz“ bzw. die Grundlage des Wassers (κ ξ %0 ") werde zu Erde () !), das Feinteiligere zu Luft. Von der Luft werde das Feinteiligere zu Feuer. Anaximenes nenne nur die Luft ($ ), versuche jedoch auf gleiche Weise zu zeigen (²!(« %» ), dass die anderen Elemente aus der Luft entstehen. Diese Beweisführungen dienen Nemesius dazu, abschließend festzuhalten, dass auf diese Art und Weise alle Elemente jeweils ineinander verwandelt werden können; da sich jedes Element in jedes andere Element verwandeln könne, müsse es sich bei allen um Elemente handeln ($0 81 %0 ρ).72 Literatur Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Kallis, A., Der Mensch im Kosmos, Münster 1978. Krause, H., Studia Neoplatonica, Diss. Leipzig 1904. Mansfeld, J., Doxography and dialectic: The Sitz im Leben of the ‚Placita‘, in: ANRW II.36.4, 1990, 3056–3229. Mansfeld, J., Runia, D. T., Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer, Vol. 1. The Sources, Leiden/New York/Köln 1997. Sharples, R. W., Van der Eijk, P., Nemesius. On the Nature of Man, Liverpool 2008. Vetten, C. P., Art. Nemesius, LACL, 1998, 449. 72 Cf. nat. hom. 5.170 / ( ! Ρ %0 81 9« Ν... *0.., %0( ξ 9« Ν... %( $0 81 %0 ρ. Cf. dazu auch die Sim. ‚Aggregatzustände‘. Theodoret (Th 326–337) 257 4.3 Theodoret (Th 326–337) Der aus Syrien stammende Theodoret wurde um 393 in Antiocheia am Orontes (heute Antakya am Asi, Türkei) als Kind wohlhabender Eltern geboren. Nach dem Tod seiner Eltern 416 verkaufte er seinen Besitz und trat in das Kloster Nikertai bei Apamea in Syrien ein. Nachdem er zuerst als Prediger gewirkt hatte, wurde er um 423 zum Bischof von Kyrrhos (oder Cyrus), östlich von Antiocheia, geweiht, wo er neben seinen geistlichen Aufgaben auch große kirchen- und städtebauliche Aktivitäten entfaltete.73 Innerhalb des östlichen Christentums erscheint Theodoret als „der letzte große Exeget der antiochenischen Schule“.74 Zu seinen Schriften zählen neben einer Reihe von exegetischen Werken wie der Kommentierung der Psalmen oder des Jesajabuches75 seine Kirchen- und Mönchsgeschichte sowie das vollständig erhaltene apologetische Hauptwerk, die so genannte Graecarum affectionum curatio, die „Therapie“ oder „Heilung der griechischen Krankheiten“.76 Die Datierung der Schrift ist umstritten; Versuche variieren zwischen 427 und 437.77 In Theodorets Schrift finden sich insgesamt zwölf Bezugnahmen auf Thales. Theodoret, Graecarum affectionum curatio Mit seiner in der Tradition der christlichen Apologie stehenden Schrift wendet sich Theodoret gegen die Verspottung des christlichen Glaubens durch die Nicht-Christen.78 Explizit bezeichnet er sie als „Anhänger der griechischen Fabelwelt“ ( )« >E..)« .!« /=(). Anlass ihres Spotts sind (i) der Glaube der Christen, (ii) die mangelhafte Bildung der Apostel und deren Bezeichnung als Barbaren, die keine elegante Redeweise kennen, sowie (iii) die christliche Märtyrerverehrung und weitere Aspekte, auf die Theodoret in seiner Schrift zu sprechen kommen 73 74 75 76 77 78 Cf. Moreschini/Norelli (2007) 341–342 (zum Leben), 342–346 (zu seinen Werken). Ebd. 341. Cf. zum exegetischen Werk Guinot (1995). Griechischer Titel: EHNIKN LEAPEYTIKH PALHMATN. Canivet (2000) bemerkt zum Problem der Datierung, 28: „Cette date a été l’objet de bien des conjectures. En s’appuyant sur les lettres de Théodoret, la critique externe fixe comme dates extrêmes les années 427 et 437.“ Canivet plädiert ebd. 31 für eine Datierung vor dem Konzil von Ephesus (431): „La Thérapeutique nous semble donc avoir été écrite avant Éphèse, probablement au début de la carrière littéraire de Théodoret et peut-être avant son accession au siège épiscopal de Cyr.“ Cf. zum politischen, religiösen und sozialen Milieu in Antiochien Canivet (1959) 3–41. 258 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert wird.79 Damit sich nicht die weniger Gebildeten von diesen „Beschuldigungen“ ( &) gegen die Christen täuschen lassen, unternimmt Theodoret in seiner zwölf Abhandlungen (9« ! .=«) umfassenden Schrift die Auflösung (.() dieser Beschuldigungen, indem er diese auflistet (=0?) und widerlegt (.=).80 Als alternativen Titel neben der „Behandlung der griechischen Krankheiten“ führt Theodoret gegen Ende des Vorwortes auch den folgenden Titel an: „Erkenntnis der evangelischen Wahrheit aus der griechischen Philosophie“.81 Theodoret geht es um die Therapie von Krankheiten, die er bei seinen nicht-christlichen Zeitgenossen diagnostiziert und an späterer Stelle (z.B. in cur. 1.9) auch als „Krankheit der Selbstgefälligkeit“ (µ )« 9&(« […] %0«) beschreibt.82 Wie der zweite Titel zu erkennen gibt, kommt bei seiner „Therapie“, die zur Erkenntnis der christlichen Wahrheit führen soll, den Bezügen auf die griechische Philosophie und die Philosophen eine große Bedeutung zu. Über seine Motive zur Abfassung der Schrift äußert sich Theodoret folgendermaßen: „Somit habe ich um der Behandlung der Kranken willen und vorsorglich zum Nutzen der Gesunden diese Arbeit auf mich genommen.“ An seine Leser („die Leser fremder Mühen“) wendet er sich mit der doppelten Aufforderung: „wenn ihnen diese Schrift gefällt, den göttlichen Geber [von allem Guten] mit aller Kraft zu rühmen und gleichzeitig allen, die daran gearbeitet haben, ihre Mühen mit Gebeten zu vergelten; wenn sie aber Fehler entdecken, sich dann davor zu hüten, das gesamte Werk zu verdammen, vielmehr aus dem Wohlgesagten dennoch Nutzen zu ziehen“.83 79 80 81 82 83 Cur. p.1–2 P..0« )« >E..)« .!« /=( =8« ξ« & %! /() ; κ π, ξ Ν.. .« π»« 1« 1 % ’ π %« ν µ % %», λ )« $%.( $%!«, **0« $%."«, µ .φµ )« %!« D8«α λ µ ! ξ @« 0« . Dφ, λ .! $ µ %» @« ' « % ;( kφ. %!'α %! ξ λ U Ν %%.& «, ψ 0= µ =. Cur. p.2–3 #EΩ ξ %µ« ξ /!« Ϊ% /8) =)., & .(α $ ξ k ) & λ *ξ« %1 @« 4%.1« Q 8« %’ /!( $%(« λ κ =0? λ .= 0( µ 0. Cur. p.16 5O ξ ) **.!) ( >E.. %κ %0( ν E.)« $.!« /= >E..)« φ.φ!« /%!(«. Cur. 1.9 P Ν..( µ )« 9&(« 9( %0«. Cur. p.17 #EΩ ξ σ )« ( U %!« λ )« ( %« kφ.!« " $=0 µ %α @« ξ 1« $..!« /80« %« %. , 9 ξ Ϊ% σ D8 - Theodoret (Th 326–337) 259 Bemerkenswert ist die stilistische Charakterisierung des Werkes durch Theodoret selbst: In seiner Unterweisung (9 ) .!) ) beabsichtigt er in einem Stil84 zu schreiben, wie er in einer Unterhaltung üblich sei. Als Begründung führt er an, dass er Zitate von Platon und etlichen anderen Philosophen anzubringen habe und er den eigenen Redefluss in gewisser Ähnlichkeit zu diesen formulieren wolle.85 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 1 Wie bereits der Titel des ersten Buches PEI PITE, „Über den Glauben“ oder „Vom Vertrauen“ zu erkennen gibt, geht es Theodoret um eine grundsätzliche Verteidigung ($%.!) des Glaubens ()« %!(«) und der „Unbildung der Apostel“ ()« $%.( $%!«). In diesem Zusammenhang greift er auf die Argumente griechischer Philosophen zurück.86 Drei Bezugnahmen auf Thales finden sich im ersten Buch (cur. 1.12, cur. 1.23–24, cur. 1.37). Kontext zu Th 326 Die Textzeugnisse Th 326 und Th 327 stehen im Rahmen derselben übergeordneten Argumentation des ersten Buches, in der sich Theodoret mit der Heilung der Krankheit der Selbstgefälligkeit oder des Dünkels auseinander setzt (µ )« 9&(« […] %0«).87 Er zielt dabei besonders auf diejenigen ab, „welche die Schriften der Dichter und Redner genossen oder den schönen Stil Platons gekostet haben“.88 Die Krankheit dieser zu therapierenden 84 85 86 87 88 , µ ( $) ) λ 1« %% %8« $"α 9 /..!%, κ %0( ²" ( o , $..’ / σ 9( µ « !. Zur Sprache und zum Stil Theodorets cf. Canivet (2000) 60–67. Cur. p.3 Kλ 1. ξ 9« ! .=« κ %!, µ $ ξ 8) 1« .« /α 9 ) .!) ρ " %!.φ %φ, Ν..(« λ 1« P.0(« λ Ν..( φ.φ( 8; !« D λ @« .« κ %0% $%) 0« =, $..’ D80« %µ« /!« /φ. Cur. p.4 >H ξ %; 0.=« κ %ξ )« %!(« λ )« $%.( $%!« $%.! %1, / >E.. φ.φ( « $%!=« %φ. Cur. 1.9 P Ν..( µ )« 9&(« 9( %0«. Canivet (2000) übersetzt „la maladie de la suffisance“ und bemerkt 105 Anm. 1: „Dans le langage des spirituels, la suffisance (F«) est la cause la plus profonde de l’incrédulité, et tous les vices en découlent;“ Cf. dazu auch cur. 2.21. Cur. 1.9 Kλ & « , % λ q .( 8«, ξ« ξ λ )« P.0(« %!« $%0 […]. 260 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert gebildeten Nicht-Christen wurzelt für Theodoret (cur. 1.9) zum einen in der Verachtung der heiligen Schriften (φ" ξ !( .!() der Christen aufgrund ihrer stilistischen Schmucklosigkeit; zum anderen bemängelt Theodoret, dass diese Menschen es nicht für würdig erachten ( $="), die „Wahrheit über alles, was ist“ (κ " `« $.&) bei Fischern zu lernen.89 Gegen diese beiden Gesichtspunkte richtet sich Theodoret mit seiner Argumentation. Er behauptet (cur. 1.10), dass sich seine Zeitgenossen im Hinblick auf „die Früchte einer jeden Fertigkeit“ (8« ξ 40«) „nicht um die Sprache der Handwerker kümmern“ (« 8 %0' .;«) – seien diese auch Skythen, Sarmaten, Iberer oder Ägypter.90 Wenn sie einem Kitharaspieler zuhörten, forderten sie nur (), dass er die Melodie richtig spiele, und begehrten nicht zu wissen (1), ob er ein Grieche oder Barbar sei (9 6E.. /λ ν *0*«).91 Theodoret vertritt nun die These, dass sie folglich nur () das Erlernen der Wahrheit ()« $.!« κ 0) nicht auf einfache Weise ($%(«) aufnehmen wollen, sondern sich entehrt fühlten, wenn ein Barbar sie in dieser Sprache unterrichten wolle.92 Ihre Haltung charakterisiert Theodoret mit dem an Bedeutungen reichen Begriff des "φ«,93 der unter anderem sowohl eine Art des Fiebers bezeichnen kann, das von Benommenheit/Stumpfsinn begleitet ist, als auch im übertragenen Sinne als Wahnvorstellung, Täuschung (engl. delusion) oder auch Einbildung übersetzt werden kann.94 Zu dieser pathologischen Charakterisierung der zu Behandelnden fügt Theodoret noch hinzu (cur. 1.11), dass sie selbst nicht bis an die Spitze (9« Ν) der griechischen Philoso89 90 91 92 93 94 Cur. 1.9–10 […] ξ« ξ λ )« P.0(« %!« $%0, φ" ξ !( .!(, ³« S ..%9 φ0 ?(, $=" ξ % ’ $ 4.( 1 κ " `« $.&. Cur. 1.10–11 Kλ 8« ξ 40« % @« %«, « 8 %0' .;«α ξ #A@« ρ @« « $%" ν @« 8.« ν @« « ν @« '(0φ« ν @« %@« ν @« *&«, $.. s τ, s 0, s 5I*«, s A9%, ’ π)« $%. 8 , $%"« κ ( $!*, κ ξ / φ S 8!. Cur. 1.11 Kλ " ξ $«, 0( $%" κ 4!, κ 9 6E.. /λ ν *0*« /%'" 1α Cur. 1.11 ’ Ν )« $.!« κ 0 $%(« .*1 /., $..’ $! %.*0, 9 *0*« @« κ . %α Cur. 1.11 λ " D8 µ φ Ν« ’ 9« Ν )« >E..)« φ.φ!« /..«, $..’ \.!( , µ κ ., Ν« 8!. λ Ν D $1 . Cf. LSJ s. v. "φ«, ². Theodoret (Th 326–337) 261 phie gekommen seien, sondern „nur von Wenigem mit spitzen Lippen gekostet haben, und hier und da eine Kleinigkeit aufschnappend“. Im Anschluss an diesen Gedankengang, der reich an Polemik ist, kommt Theodoret (cur. 1.12) auf die „berühmtesten“ (%φ) griechischen Philosophen zu sprechen, deren Andenken auch in seiner Zeit noch (8 λ &) bei den hoch Gebildeten (% 1« /..!«) allbekannt (%..«) sei.95 Er nennt den Syrier Pherekydes, den Samier Pythagoras, Thales, den Milesier, Solon, den Athener, und Platon, die nicht zögerten ( z), um die Wahrheit zu finden (U " $.ξ« /=1), Ägypten und das ägyptische Theben, Sizilien und Italien zu durchreisen (%)), obwohl zu jener Zeit nicht nur eine Königsherrschaft diese Völker lenkte, sondern es unterschiedliche Verfassungen in den Städten gab und unterschiedliche Gesetze (cur. 1.12). Th 326 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 1.12 (ed. Canivet) O¹ ξ >E.. φ.φ( %φ, W π & % 1« /..!« 8 λ & %..«, R« ² « λ P« ² 0« λ L.)« ² M.&« λ .( ² #A1«, λ λ P.0( /1«, ² #A!(« ξ ¹«, (0« ξ φ&«, !) ξ %0« $%?«, z U " $.ξ« /=1 λ AF% %) λ L&*« « A9%!« λ .! λ #I.!, λ " »« *.!« 0 µ " 9« D, $.. φ( ξ %. / 1« %. , φ( ξ (. Th 326 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 1.12 Die berühmtesten der griechischen Philosophen, deren Andenken bei den hoch Gebildeten bis heute allbekannt ist, Pherekydes aus Syros, Pythagoras aus Samos, Thales aus Milet und Solon aus Athen, und freilich auch jener Platon, der Sohn des Ariston, der Schüler des Sokrates, der mit seiner Wohlberedtheit alle in den Schatten stellte,96 sie zögerten, um die Wahrheit zu finden, nicht, auch nach Ägypten zu reisen und zum ägyptischen Theben und nach Sizilien und nach Italien, und dies, obwohl damals nicht nur eine Monarchie diese Völker lenkte, sondern es unterschiedliche Verfassungen in den Städten gab und unterschiedliche Gesetze. 95 96 Cf. cur. 1.12. Übersetzung Schwab. 262 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Attribute Philosoph Ägyptischer Einfluss: Reise nach Ägypten Funktion der Bezugnahme Bemerkenswert an dieser Bezugnahme auf Thales ist (1) die übergeordnete argumentative Strategie Theodorets, der durch seine Darstellung indirekt einen Vergleich konstruiert: Er stellt die angeführten berühmten griechischen Philosophen, namentlich Pherekydes, Pythagoras, Thales, Solon und besonders Platon, seinen nicht-christlichen Zeitgenossen gegenüber. Implizit veranschaulicht er durch seine Charakterisierung der frühgriechischen Philosophen sowie deren bis in seine Gegenwart reichende Bedeutung einen ersten Unterschied zu diesen. Indem er in einem zweiten Schritt betont, dass die frühgriechischen Philosophen bei der Suche nach der Wahrheit keine Mühen und Gefahren scheuten und selbst Reisen zu den Barbaren unternahmen, kritisiert er seine Zeitgenossen, die sich gegenüber den christlichen heiligen Schriften als überlegen verstehen. Die Bezugnahme auf die frühgriechischen Philosophen steht an dieser Stelle deutlich im Dienst des theodoretischen Argumentationszieles.97 (2) Das, was die von Theodoret angeführte Gruppe von Weisen und Philosophen verbindet, sind nicht nur deren außerordentliche Berühmtheit, sondern ebenso die ihnen zugeschriebenen Reisen. (3) Die Anstrengung und das Bemühen der angeführten Weisen und Philosophen wird noch dadurch hervorgehoben, dass diese sich auf die Reise begaben, obwohl es zu jener Zeit unterschiedliche Verfassungen in den Städten gab und unterschiedliche Gesetze (cur. 1.12). (4) Seine Argumentation wird durch die folgende Bemerkung (cur. 1.13) noch weiter verstärkt, dass die frühgriechischen Philosophen nichts daran hinderte, zu den Barbaren zu reisen und gerade das (Ϊ%) bei ihnen zu lernen, was diese ihrer Meinung nach besser (Ν) als sie selbst erkannt hatten.98 Im darauffolgenden Kontext präzisiert Theodoret (cur. 1.14): Man behauptet, dass sie (sc. die Philosophen) in Ägypten nicht nur von den Ägyptern, sondern auch von den Hebräern in den Lehren über den wirklich seienden Gott unterrichtet wurden. 97 98 Zum Thema der „Philosophie der Barbaren“ cf. Dihle (2000) 183–203. Cur. 1.13 #A..’ Ρ(« ξ @« ( /%8 (.0( % **0« $;%« 1 λ 1 % ’ , Ϊ% @« Ν ; 4 %.0*. Theodoret (Th 326–337) 263 Rλ ξ @« / A9%) ( % ’ A9%!(, $.. λ % ’ >E*!( %λ " `« 8) L". Als Garanten für diese These stützt sich Theodoret namentlich auf Plutarch aus Böotien, Porphyrius („der leidenschaftlich gegen die Wahrheit aufgebracht war“)99 und Numenius, den Pythagoreer.100 * Kontext zu Th 327 Der argumentative Zusammenhang der Erwähnung des Thales ist derselbe wie in Th 326. Doch geht Theodoret in seiner Argumentation einen Schritt weiter. Unter Bezugnahme auf nicht-christliche Autoren wie Herodot, Diodor und die Tragödiendichter weist er in cur. 1.17–22 auf die zahlreichen kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen von Nicht-Griechen (wie z.B. die Geometrie, Astronomie, religiöse Riten oder Mysterienkulte, sowie Erfindungen wie z.B. der Trompete oder der Flöte, des Alphabetes etc.) hin, die von den Griechen angeblich importiert wurden. In cur. 1.23 gibt Theodoret eine kurze Zusammenfassung und spitzt seine Argumentation, die im Kern aus zwei Bedingungssätzen (9 ) besteht, zu (cur. 1.23–24). Auf den ersten Bedingungssatz folgt eine Frage und Ansprache an die Adressaten (cf. Th 327): Als Ausgangsthese formuliert er die Bedingung (9 ), dass die Griechen die handwerklichen Fertigkeiten, die Wissenschaften, die „religiösen Geheimnisse“ ( ( « .0«) – angespielt wird auf die zuvor (cur. 1.21–22) genannten religiösen Feste und Riten z.B. der Mysterienkulte – und sogar die elementarsten Kenntnisse wie das Alphabet von den Barbaren gelernt haben und sich sogar ihrer Lehrer rühmen (4*). Es folgt die Frage (cur. 1.23–24): „Was verweigert ihr da, die ihr das von jenen Verfasste nicht verstehen könnt, die Wahrheit von Männern zu lernen, die eine gottgegebene Weisheit ( φ!) empfangen haben?“ In einem zweiten Schritt geht er von der folgenden Bedingung (9 ) aus: Wenn sie den Christen aber kein Gehör schenken wollten, da diese nicht 99 100 Anspielung auf die Schrift K X des Porphyrius. Cf. dazu Meredith (1980) 1125–1137. Cur. 1.14–15 Kλ " 0 ξ P.8« ² B;«, 0 ξ λ Pφ« ² )« $.!« .&«, λ λ N&« ² P« λ U %.1. Cf. dazu Canivet (2000) 107 Anm. 1 sowie die Übersicht in Canivet (2001) zu Plutarch 463–464, zu Porphyrius 464–465 und zu Numenius 456. Cf. dazu insgesamt auch Eusebius Th 262 und Th 263. 264 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert griechischen Ursprungs seien, könnten sie weder Thales, den Weisen, nennen, noch den Philosophen Pythagoras, noch seinen Lehrer Pherekydes. Diese Aussage begründet er damit, dass die drei genannten Philosophen nicht aus Griechenland stammten. Th 327 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 1.23–24 E9 ξ λ « 8« λ « /%&« λ ( « .« λ % 81 % **0( /08 6E..« λ /%λ 1« 0.« 4*, ! &% 1«, ξ = %’ /!( = 0, %1 1 κ $.& % ’ $ φ! 9=(; [24] E9 , Ρ / )« >E..0« /*.0, « $« 1« %8 *., — 1 & L.) \0' φµ & P φ.φ & R µ /! 0.. >O ξ R« « f, #A1« ξ %0« K!«α µ ξ P #A=« λ #A!8« λ L%%« Tµ ρ! φ, ² ξ N0« T \0'α µ ξ L.) ¹ ξ M.& ., « (Th 50) ξ λ >H« (Th 12) R! %. Th 327 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 1.23–24 Wenn aber die Griechen die Künste und die Wissenschaften und die religiösen Geheimnisse und die ersten Buchstaben von den Barbaren lernten und sich mit ihren Lehrern brüsten, was verweigert ihr da, die ihr das von jenen Verfasste nicht verstehen könnt, die Wahrheit von Männern zu lernen, die eine gottgegebene Weisheit empfangen haben? [24] Wenn ihr ihnen aber kein Gehör schenken wollt, da sie nicht Griechenland entstammen, dann ist es Zeit für euch, weder Thales, den Weisen, zu nennen, noch den Philosophen Pythagoras, noch seinen Lehrer Pherekydes. Denn Pherekydes war Syrier, nicht Athener, nicht Spartaner und auch nicht Korinther; Pythagoras soll laut Aristoxenos, Aristarch und Theopomp Tyrrhener sein, Neanthes aber nennt ihn Tyrer. Von Thales sagen die einen, er sei Milesier, Leandros aber (Th 50) und Herodot (Th 12) sprechen von ihm als Phönizier. Attribute Weiser Milet Phönizisch Kulturimport Theodoret (Th 326–337) 265 Funktion der Bezugnahme Auch in diesem Zusammenhang führt Theodoret wie in Th 326 einen bemerkenswerten Vergleich durch. Zuerst kontrastiert er (cur. 1.23) wie in Th 326 die frühen Griechen mit seinen ‚Patienten‘. Indem er die Verhaltensweisen der zuerst Genannten besonders im Hinblick auf den Kulturimport und das Lob ihrer Lehrer charakterisiert, kritisiert er damit implizit seine ‚Patienten‘, denen er unterstellt, dass sie nicht imstande seien, die Schriften der früheren Philosophen zu verstehen. In Form einer Frage wirft er ihnen ausdrücklich vor, dass sie sich im Gegensatz zu ihren Vorfahren weigerten, die Wahrheit von Männern zu lernen, die sogar „eine gottgegebene Weisheit“ empfangen haben. In seinem zweiten Argumentationsschritt (cur. 1.24) benutzt Theodoret die durch nicht-christliche Quellen bezeugten variierenden Nachrichten über die Herkunft des Pherekydes, des Pythagoras und des Thales zu der mit 0 eingeleiteten Begründung seiner Schlussfolgerung: Wenn seine ‚Patienten‘ der biblischen Überlieferung kein Gehör schenken wollten, weil diese nicht Griechenland entstammte, dann wäre es für sie auch an der Zeit (— 1), ebensowenig Thales, Pythagoras und Pherekydes zu nennen (\0'). Pherekydes wird als Syrier101 bezeichnet und soll – mit dreifach betonter Negation – weder Athener noch Spartaner noch Korinther gewesen sein. Während Theodoret für die milesische Abstammung des Thales keinen Gewährsmann anführt, präsentiert er für die phönizische Herkunft des Thales sowohl Leandros (Th 50) als auch Herodot (Th 12). Diese beiden Gewährsmänner werden gemeinsam auch bei Clemens von Alexandrien (Th 202, str. 1.14.62.3) genannt. An einer späteren Stelle (cur. 1.43–44) gibt Theodoret ausgehend von einem Zitat des Porphyrius (cur. 1.42) allgemein über das Verhältnis der „Propheten und Apostel der Hebräer“ zu den Ägyptern, Chaldäern und Phöniziern zu bedenken, dass die Phönizier ganz in der Nähe der Hebräer lebten und als Nachbarn von ihnen die Wahrheit, wenn sie überhaupt etwas davon begriffen haben, erlernten.102 Die Raffinesse von Theodorets Argumentation zeigt sich auch in der abschliessenden Bemerkung (cur. 1.25): Wenn die von ihm Behandelten sagten, dass diese Männer zwar außerhalb Griechenlands (³« D=( ξ )« >E..0«) geboren und aufgewachsen seien, dass sie aber zumindest die 101 102 Cf. dazu Canivet (2000) 106 Anm. 1 und 109 Anm. 4. Zum Verhältnis des Pythagoras zu Pherekydes cf. Riedweg (2007) 21–23. Cur. 1.44 E9 ξ λ A9%!« λ X.!« λ R!« « ='=, 9 ³« λ R!«, %8( ( `« λ $8«, % ( D, F% D, κ $.& […]. 266 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert griechische Sprache gesprochen hätten, würden sie zuerst zugestehen (².1), dass es auch bei anderen Völkern weise Männer gegeben habe.103 * Kontext zu Th 328 Im übergeordneten Zusammenhang argumentiert Theodoret für die These (cur. 1.26), dass es nicht richtig sei ( \ «), einen guten Stil (κ %) der Wahrheit vorzuziehen.104 Zuerst stellt er am Beispiel des Sokrates (cur. 1.26–31), „des besten der griechischen Philosophen“ (>E.. φ.φ( Ν),105 dar, dass dieser ohne Wissen und ohne Bildung sprach, zugleich jedoch mehr Respekt als alle anderen verdiene, mehr noch sogar als Platon, der wegen seines schönen Stils über alle Griechen triumphierte.106 Im Folgenden (cur. 1.32–39) versucht Theodoret anhand von ausgewählten Zitaten aus den platonischen Dialogen Politikos, Politeia, Nomoi und dem Theaitetos107 zu zeigen, dass gerade Platon, „der alle Menschen und nicht nur die übrigen Griechen, sondern selbst die Athener durch wohlgesetzte Rede und Schönheit des Ausdrucks ganz in den Schatten stellte“, seine Aufmerksamkeit „nicht auf die Wohlgesetztheit der ) /0( Worte, sondern auf die Stimmigkeit der Gedanken“ (9 108 4!) ) richtete. Theodoret versucht zu zeigen, dass Platon die Weisheit (κ φ!) nicht durch literarisches Können, sondern durch die Erkenntnis der Wahrheit definierte.109 Platon unterscheide gemäß Theodoret (cur. 1.36) zwei Gruppen: (a) zum einen diejenigen, die diese Weisheit besitzen, auch wenn sie selbst die Buchstaben nicht kennen (ξ % 103 104 105 106 107 108 109 Cur. 1.25 E9 ξ Ν " φ, ³« D=( ξ )« >E..0« λ Dφ o ¹ Ν« λ /0φ, κ >E..κ & . , % ξ ².1 λ / Ν..« D Ν« ) φ«. Cur. 1.26 5E% ξ λ 4( /=.8 \ « %« )« $.!« κ % […]. Cur. 1.26. Cur. 1.31 #A..’ Ρ(« λ $) . λ $%! /8;«, Ν..( 4%0(, $.. λ P.0(« " Ϊ%« 6E..« %!) « 9"« $=;« f. Cf. dazu Canivet (1959) 170–173. Cur. 1.31–32 6O ξ λ ^«, ² Ϊ%« $;%« λ @« Ν..« 6E..« , $.. λ @« #A!« .(!) λ \0( 0.. %0% $%?«, κ 9 ) ?!) .(, $.. 9 ) /0( 4!) %8 %) » […]. Cur. 1.36 T κ φ.φ( ² .φΩ / & 0(, $..’ / $.!« ; κ φ! ²!'α Theodoret (Th 326–337) 267 81 ;); sie bezeichne Platon als weise (φ«). (b) Zum anderen jene, die den gesamten Bildungsgang durchlaufen ( %0« /..« %!«) und dennoch keine Erkenntnis der Wahrheit und Gerechtigkeit erreichten; Platon stoße sie zurück und schließe sie von der Herrschaft aus.110 Mit dem anschließenden Zitat (cur. 1.37) aus dem Theaitetos (cf. Th 19) möchte Theodoret veranschaulichen, wie Platon „die Sternschwätzer“ (@« (.8«)111 diskreditiert (*0..().112 Th 328 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 1.37 Kλ $ ) L&) ( @« (.8« *0..( W .α „>% λ L.) $", τ L(, λ Ν( *.%, % 9« φ, L) »0 « /.κ« λ 8! %λ« $% ? . ³« ξ / ) %1 9, ’ `% " λ % %« .0 .“ Th 328 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 1.37 Und im Theaitetos (Th 19) attackiert er [Platon] die Himmelsgaffer und sagt folgendermaßen: „Thales, mein lieber Theodoros, fiel, als er sich mit den Sternen beschäftigte und nach oben blickte, in einen Brunnen. Da soll ihn eine witzige und reizende thrakische Magd verspottet haben, weil er zwar die Dinge am Himmel zu erkennen begehre, ihm aber, was ihm vor den Füßen liege, entgehe.“ Attribute Brunnenfall (Zitat aus Platons Theaitetos = Th 19) Astronom Funktion der Bezugnahme Die Bezugnahme auf Thales steht im weiteren Kontext des Zitates aus dem Theaitetos (174a4–8 = Th 19).113 Theodoret schöpft dieses Zitat möglicher110 111 112 113 Cur. 1.36–37 λ @« ξ /%«, s ξ % 81 ;, \0' φ«α @« ξ %0« /..« %!«, $.!« ξ λ « κ /%& D8«, $%! λ /=. λ Ν8 /%%. Cf. Plat. Rep. 489c6. Canivet (2000) 114 übersetzt „les pêcheurs de lune“ und bemerkt ebd. Anm. 1, dass das Wort (« „dans la langue des spirituels […] désigne l’orgueilleux“. Wie Theodoret auch an anderer Stelle seines Werkes (z.B. in cur. 12.21–28) auf Textpassagen aus dem Theaitetos Bezug nimmt, cf. Raeder (1900) 127–129 und Siniossoglou (2008) 110–115. 268 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert weise aus Eusebius PE 12.29.4 (cf. Th 269), der zwar denselben griechischen Wortlaut präsentiert,114 jedoch die Bezugnahme auf Thales im Rahmen der ganzen so genannten ‚Digression‘ (Tht. 173c-177b) in einem äußerst verschiedenen Kontext („über den rein Philosophierenden“) und mit einer anderen Absicht als Theodoret an dieser Stelle anführt.115 Canivet bemerkt zu Recht: „Théodoret, en reproduisant cette citation, ne s’est pas soucié de la remettre dans son contexte platonicien.“116 Zu beachten ist, dass Theodoret an dieser Stelle auf den platonischen Text Bezug nimmt, um zu zeigen, wie Platon den zu den Sternen aufblickenden Thales bei seinem Brunnenfall mitsamt der spottenden thrakischen Magd durch seine Darstellung diskreditiert. Erst durch die hinführenden Worte und die auf Platon zurückgreifende Aufteilung der Menschen in zwei Gruppen bringt Theodoret den Leser dazu, Thales als ein Mitglied der Gruppe von Menschen zuzuordnen, die eine alles betreffende Bildung durchlaufen haben ( %0« /..« %!«) und dennoch keine Erkenntnis der Wahrheit und Gerechtigkeit zu erreichen scheinen.117 Auch wenn diese Aussageabsicht im ursprünglichen Kontext des platonischen Theaitetos von Platon so nicht intendiert wird, führt die theodoretische Zitat-Auswahl und Einleitung dazu, dass die Figur des Thales an dieser Stelle bei Theodoret durch Platon diskreditiert erscheint. Theodoret, Graecarum affectionum curatio 2 Im zweiten Buch, in dem zwei Zeugnisse über Thales stehen, geht es unter anderem um die Meinungen „der hochbedeutenden Weisen bei den Griechen“ sowie der besonders berühmten Philosophen über den Ursprung oder das Prinzip des Universums (%λ )« Ρ.( $8)«). Parallel dazu stellt Theodoret ihnen die „wahre Gotteslehre (κ $.) .!) des Moses“, des ältesten all jener, gegenüber. Die Gotteslehre des Moses widerlege (.8) die falsche Lehre (?.!) der Philosophen und zeige die glänzende Wahrheit seiner Unterweisung.118 114 115 116 117 118 Sowohl Eusebius als auch Theodoret und Jamblich (prot. 73.5–10) überliefern mit einigen Platon-Codices an Stelle von D% in Tht. 174a7 `%: cf. Canivet (2000) 114 und Des Places (1983) 124, Apparat zu PE 12.29.4. Canivet ist ebd. 114 Anm. 2 der Meinung, dass die Zitation „fautive manifeste la négligance de Théodoret“. Der Kontext bei Eusebius PE 12.29.4 ist jedoch vergleichbar mit dem bei Theodoret cur. 12.21–28. Canivet (2000) 114 Anm. 2. Cf. auch Siniossoglou (2008) 111–113. Cf. cur. p. 5 >H ξ % ’ 6E.. \0( φ λ ’ /!« φ.φ( /%.( « %λ )« Ρ.( $8)« $%1 Theodoret (Th 326–337) 269 Kontext zu Th 329 In seiner an Bildern reichen Beschreibung zu Beginn des zweiten Buches charakterisiert Theodoret zuerst die Situation der vielen Menschen, die sich vor der göttlichen Epiphanie (des christlichen Gottes) in der unglücklichen Lage befanden, da „die Sonne der Gerechtigkeit119 noch nicht aufgegangen war, und sie ihr Leben wie in tiefer Nacht zubrachten und nur von der Fackel der Natur erleuchtet wurden“.120 Demgegenüber deutet er seine Zeit als eine, in der die Sonne „mitten am Himmel erstrahlt“.121 Theodoret stellt sich die Frage (cur. 2.4), was er zur Verteidigung derjenigen vorbringen könne, φ.;„die jetzt im Mittagslicht blind“ seien (1« " / *!) ), die ihre Augen geschlossen hielten (@« \φ.@« ) und deswegen nicht in den Genuß des Lichtes kämen.122 Wie bereits im ersten Buch erklärt er die Krankheit der Selbstgefälligkeit (µ )« 9&(« %0«) als Ursache für diesen Zustand. Er behauptet (cur. 2.5): „Denn sie meinen, dass sie die Wahrheit besser als alle anderen kennen, weil sie von hochangesehenen Männern in den Wissenschaften ausgebildet wurden.“123 In einem ersten Schritt übt Theodoret (cur. 2.6–7) unter Berufung auf Platon,124 „den besten der Philosophen“ ( φ.φ( ² Ν«), Kritik an Homer, der „Koryphäe der Dichter“ (" φ! % ). Theodoret stellt fest (cur. 2.7): Auch wer die ganze Schönheit des Stils erreicht habe, könne nicht zuverlässig als Lehrer der Wahrheit ($.!« 0.«) gelten.125 In cur. 2.8 kommt er auf die Philosophen zu sprechen: Wenn (9 ) sich seine Zeitgenossen gegen die Christen (π1) auf die Philosophen (@« 119 120 121 122 123 124 125 =«α λ M(" 3 " %0( /!( %*0 κ $.) .! / %..&. 1, κ ξ /!( .8 ?.!, )« ξ .!« $0% ! κ $.&. Mal 3,20: Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, / wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, / und ihre Flügel bringen Heilung. Cur. 2.4 ¹ ξ %µ )« !« /%φ!« 9 ) 9 ) %09 %%« D8! %( )« « $1. µ ! J( %(« %!, ) S., $..’ —% / λ 0 λ %µ « ) 81 )« φ(«. In Anspielung auf Homer Il. 8.68, 16.777ff. und Od. 4.400. Cur. 2.4–5 !« $%.!« %.!% .« 1« " / *!) φ.; λ @« \φ.@« , o κ " φ(µ« $%.(; Cur. 2.5 P0( Ν 9 !' κ $.&, /%κ 1« /..!( $ & /0φ […]. In Anspielung auf Rep. 398a und einem freien Zitat von Rep. 377e-378d; cf. auch Eusebius PE 2.7.4–7 und PE 13.3.3–6. Cur. 2.7 OΚ Ϊ%« .(! « $=8(« s $.!« 0.«. 270 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert φ.φ«) berufen wollten, so sollten sie wissen, dass „sich auch diese jedem erdenklichen Irrtum unterzogen haben“. Weiterhin charakterisiert Theodoret die Philosophen als solche, die (1) nicht ein und denselben Weg (! .(φ) eingeschlagen hätten und (2) jeweils auch nicht den Spuren (F8) ihrer Vorgänger gefolgt seien, sondern jeder sich vielmehr seinen eigenen (9! U«) Weg gebahnt habe, und sie sich unzählige Wege hinzu erdachten. Er bemerkt pointiert: „Denn vielfach verzweigt sind die Wege der Falschheit.“126 Den Beweis für diese Behauptungen versucht Theodoret im Folgenden zu führen, indem er die Aufmerksamkeit auf die Diaphonie bzw. den Dissens der Philosophen untereinander bezüglich des ersten Prinzips lenkt: Die Aufzählung beginnt mit Thales, der als ältester (² %*«) der Sieben Weisen angeführt wird. Die ihm zugeschriebene Prinzipienannahme (µ J(, das Wasser) soll Thales von Homer (Il. 14.201, 302) übernommen haben. Der nächste ist Anaximander, der Thales zeitlich nachfolgte, aber das Unendliche (µ Ν%) als Prinzip annahm, sowie Anaximenes, der Nachfolger des Anaximander (² 08«), und Diogenes von Apollonia, die übereinstimmend (=φ;(«) von der Luft als dem Prinzip sprachen. Weitere Philosophen und deren Annahmen werden referiert.127 Th 329 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 2.8–9 E9 ξ κ @« φ.φ« π1 %*0.., σ F, ³« λ ^ %.0 % %0%.. O κ ! Ϊ%« .(φ /8& ξ 1« %(( . F8, $..’ 9! U« / !* λ !« /%& [!*«]α %.81« 0 % " ?« ¹ $%!α [9] λ " & ! κ 0. 8&. L.)« ξ 0, 4% .( φ ² %*«, $8κ %0( µ J( %.*, >O&) ( ρ 9 %«α # λ T. #A=!« , " =0«, $8κ Dφ µ Ν%α #A=« , ² 08«, λ « ² #A%..(0« µ $ =φ;(« $8κ %0. 126 127 Cur. 2.8 %.81« 0 % " ?« ¹ $%!α Zur Frage nach den Quellen Theodorets an dieser Stelle ist zu bemerken, dass zwar gewisse Ähnlichkeiten mit dem Lemma 1.3 aus den Placita des Ps.-Plutarch bestehen, jedoch bereits Diels (1879) anhand der kurzen Doxographie in cur. 2.9–11 bemerkte, dass nicht das ganze doxographische Material bei Theodoret aus Aëtios stammen könne. Cf. dazu Diels (1879) 170, Mansfeld/Runia (1997) 284 bes. Anm. 36 und Raeder (1900) 89, der vermutete, dass Theodoret unter anderem aus Eusebius’ PE 1.8.1–12 schöpfte. Theodoret (Th 326–337) 271 Th 329 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 2.8–9 Wenn ihr euch aber gegen uns auf die Philosophen beruft, so müsst ihr wissen, dass sich auch diese jedem erdenklichen Irrtum unterzogen haben. Denn sie haben keineswegs alle einen einzigen Weg eingeschlagen und folgten auch nicht den Spuren ihrer Vorgänger. Vielmehr bahnte sich ein jeder seinen eigenen Weg, und unzählige Wege dachten sie hinzu. Denn vielfach verzweigt sind die Pfade der Falschheit. [9] Und dies soll sogleich ausdrücklich gezeigt werden. Denn Thales, der älteste der so genannten Sieben Weisen, nahm an, dass das Wasser das Prinzip aller Dinge sei, indem er, nehme ich an, den Worten Homers vertraute: „Okeanos, den Ursprung der Götter, und die Mutter Tethys“ [Il. 14.201]. Anaximander aber, sein Nachfolger, sagte, dass das Unendliche das Prinzip sei. Anaximenes aber, dessen Nachfolger, und Diogenes von Apollonia sprachen übereinstimmend von der Luft als dem Prinzip. Attribute Ältester der Sieben Weisen Prinzip Wasser Wasserthese und Homer Anaximander als Nachfolger des Thales Funktion der Bezugnahme Das Argumentationsziel Theodorets ist klar formuliert: Die Auflistung der unterschiedlichen Prinzipienannahmen soll den Dissens (φ(!/dissensio philosophorum)128 zwischen den griechischen Naturphilosophen und damit insgesamt deren Irrtümer veranschaulichen. Theodoret lässt im darauf folgenden Kontext (cur. 2.11ff.) die Reihe der frühgriechischen Philosophen besonders durch die Figur des Sokrates und durch die gezielte Bezugnahme auf einige platonische Dialogstellen kritisieren. Diese indirekte Form der Kritik wird von Theodoret durch einen Hinweis auf die Verspottung der Naturphilosophen durch Sokrates in cur. 2.11–12 eingeleitet: Deswegen machte sich wahrlich auch Sokrates, der Sohn des Sophroniskos, immer wieder über sie (sc. die Naturphilosophen) lustig, weil sie sehr steif behaupteten, das den Menschen nicht Zugängliche zu erkennen, und sie sich immer gegenseitig bekämpften, indem sie neue und gegensätzliche Lehren verteidigten, wie Xenophon in den Memorabilien sagt. 128 Cf. zur Bedeutung der φ(! bei Theodoret Mansfeld/Runia (1997) 276–278. 272 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert 0 " λ (0« ² (φ! () ( @« ., Ρ $;%« /φ 9 .! 98', %µ« $..&.« $λ 08, %« λ /!( 0(, 9 e φ ² mφ / 1« #A%. Theodoret belässt es an dieser Stelle bei einem Hinweis auf Xenophon und seine Schrift, während er später in cur. 4.26–29129 zwei ausgewählte Textpassagen aus Xenophon (mem. 1.1.11–14 und mem. 4.7.6) für diese Behauptung anführt. Dieselbe argumentative Technik findet sich bereits bei Eusebius,130 der die enstprechenden Textpassagen aus Xenophon anführt.131 Bei Theodoret folgen Bezugnahmen auf Dialogpartien Platons, z.B. Phd. 96a (cf. Eus. PE 1.8.17), Phd. 96c (Eus. PE 1.8.17), Tht. 180a-c (Eus. PE 14.4.4–5), mittels derer Theodoret unter anderem zu zeigen versucht, dass bereits Platon die Naturphilosophen wegen ihrer Streitigkeiten untereinander kritisiert habe. Die Formulierung Theodorets zur Genese der thaletischen Prinzipienannahme (cf. Aristoteles Th 29) ist vieldeutig. Seine Bemerkung, dass Thales „im Vertrauen auf das, was Homer sagte“ oder „im Glauben an die Worte ( ρ 9 %«) zu seiner Überzeugung geHomers“ (>O&) langt sei, ist als Vermutung gekennzeichnet ( ρ). Die Formulierung kann so verstanden werden, dass sich Theodoret aufgrund seiner Informationen und seines Wissens so zurückhaltend äußert. Liest man jedoch die Äußerung vor dem Hintergrund des ersten Buches mit seiner Diskussion der Glaubens- bzw. Vertrauensthematik (%!«), so ergibt sich aufgrund der Wortwahl Theodorets ein weiteres Verständnis: Betrachtet man besonders das Partizip %«, so ist denkbar, dass Theodoret bereits die Prinzipienannahme des ersten griechischen Weisen und Philosophen als einen Akt des Glaubens oder des Vertrauens qualifizieren möchte (cf. dazu Arnobius Th 259). Thales wird somit als ein sklavisch auf die Worte Homers Hörender, nicht als Erfinder oder Weiser gekennzeichnet. * 129 130 131 Cf. dazu den Kommentar zu Th 337. Cf. dazu Eusebius PE 1.8.15–16, 14.11.1–7 und PE 15.62.1–4. Cf. dazu Theodoret cur. 4.27 und 4.28ff. und Kommentar zu Th 335. Theodoret (Th 326–337) 273 Kontext zu Th 330 Nachdem sich Theodoret in seiner Kritik an den griechischen Philosophen auch noch auf den Philosophen und satirischen Dichter Timon von Phleius132 berufen hat (cur. 2.20–21), trifft er in cur. 2.21 eine Unterscheidung, die sowohl allgemein für seine Argumentationsweise als auch für das Verständnis des Kontextes von Th 330 von grundlegender Bedeutung ist.133 Theodoret möchte die Aufmerksamkeit des geneigten Lesers (τ φ.«) auf die folgende Unterscheidung (cur. 2.21–22) lenken: Wahrheit ($.&) einerseits und eine Vermutung bezüglich der Wahrheit (8µ« $.!«) andererseits seien in vielem voneinander verschieden. Während die Vermutung viele große Fehler enthalte (!« D8 %..0«), ist Theodoret davon überzeugt, dass es die Wahrheit nicht zulasse, dass etwas Widersprüchliches (ξ /!) gelehrt werde. Demgemäß sei zu unterscheiden, (i) wenn irgendjemand mit Hilfe von Beweisführungen über die Wahrheit spreche (« $.!« % « .) und (ii) wenn sich die Wahrheit selbst erkläre (κ 4κ 4). Diese Unterscheidung erklärt zwei Vorwürfe Theodorets (cur. 2.26)134 gegenüber den Nicht-Christen: (1) Warum glauben seine Zeitgenossen den Philosophen, von denen einige (wie z.B. Pythagoras, Anaxagoras und Platon) zwar bei Ägyptern und Hebräern einige rätselhafte Worte (9!0 ) über das Sein aufgesammelt haben, obwohl sie die göttlichen Dinge nicht vollkommen begriffen haben ( $* « 1 )? (2) Warum wollen sie sich nicht von den Vertretern der biblischen Überlieferung belehren lassen, bei denen auch ihre Philosophen gelernt haben? Vor diesem Hintergrund wird der argumentative Zusammenhang von cur. 2.50 (Th 330) deutlich. Im vorausgehenden Kontext wirft Theodoret im Hinblick auf die Theologie Platons die an Metaphern reiche Frage auf (cur. 2.43), warum man für sich „aus dem trüben und schlammigen Bach“ schöpfe und nicht „jene klare und durchsichtige Quelle“ (%&) suche, von 132 133 134 Cur. 2.21 O Ν π1« µ )« 9&(« /%%1 1 9& %0«α %0. λ %%. ² T!( ( φ.φ( κ ! %%!. Cur. 2.21–22 P..) 0 φ, τ φ.«, $..&. $.& λ 8µ« $.!«α ² ξ 8µ« λ !« D8 %..0«, π ξ $.& /% ξ /! $8. T" Ν..(« « $.!« % « ., λ Ν..(« κ 4κ 4α […] Cur. 2.26–27 O" λ P« λ #A=« λ P.0( 9!0 %λ " `« % ’ A9%!( λ >E*!( =.=α ! &%’ σ « ξ $* « 1 %, % ’ W ξ ^ "0 D, 1 /.; 274 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert der Platon die Ausgangspunkte zu seiner Gotteslehre genommen und zu denen er nur Schlamm und Erde beigemischt habe. Er weist darauf hin, dass Moses viel älter sei als „alle eure Dichter, Historiker und Philosophen“.135 Um das Argument von der zeitlichen Vorgängigkeit des Moses zu bekräftigen, beruft sich Theodoret in cur. 2.44–50 auf den Plotinschüler Porphyrius (cur. 2.43–45, cf. cur. 2.50 µ Pφ). Im Anschluss an seine zusammenfassende Aufzählung wirft Theodoret die ermunternde Frage auf (cur. 2.50 = Th 330): „Warum sollen wir diese dann nicht alle beiseite lassen 3 ), dem Ozean der Theologie wenden, und uns zu Moses (%µ« M( „aus dem doch“, dichterisch gesprochen, „alle Ströme und alles Meer“136 [hervorgegangen sind]?“ Th 330 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 2.50 E9 ! ( ξ µ Pφ ² M()« 3 %.! ν 8.!« %*« D, ^ ξ %. % / – « λ 6O« λ >H!« /, λ ^ ’ σ %0. L." λ Ν..( φ.φ( %..1« D $8, λ ¹ $φλ L.) ’ @« %φ.φ( –, ! &% κ « %0« .%« %µ« M( 3 µ )« .!« kµ *!, „/= ^%“, % « 9%1, „%0« %λ λ %» 0.“; Th 330 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 2.50 Wenn demnach Porphyrius zufolge Moses um mehr als tausend Jahre älter als diese [Orpheus, Linos, Musaios u.a.] ist, sie aber die ältesten Dichter waren – denn nach ihnen lebten Homer und Hesiod, und diese wiederum sind um viele Jahre älter als Thales und die übrigen Philosophen, und Thales und die um ihn [sind älter] als die, die nach ihnen philosophierten –, warum sollen wir diese dann nicht alle beiseite lassen und uns zu Moses, dem Ozean der Theologie wenden, „aus dem doch“, dichterisch gesprochen, „alle Ströme und alles Meer“ [Hom. Il. 21.196] [hervorgegangen sind]? 135 136 Cf. cur. 2.43 #A’ Ρ κ σ, τ φ!., µ .µ λ « $ », λ κ κ %κ /! '" κ ) λ φ), /= e« ^« .*Ω )« .!« « $φ0«, µ 9. « 1« λ « $=; ν $1, Ρ M()« 3 #I!( ² « %0( /λ ( % λ =φ( λ φ.φ( %*«; Anspielung auf Hom. Il. 21.196. Theodoret (Th 326–337) 275 Attribute Datierung (Moses ist älter als die ältesten Dichter und Thales) Philosoph Funktion der Bezugnahme Warum sich Theodoret bei seiner chronologischen Argumentation gerade auf einen der größten Kritiker der christlichen Religion, den Philosophen Porphyrius, beruft, wird aus einer Bemerkung aus dem vorausgehenden Kontext deutlich (cur. 2.43): „Wenn ihr auch jetzt noch daran zweifelt und annehmt, dass wir diese Argumentation erfunden haben, soll euch nun Porphyrius ein brauchbarer Zeuge (0« $=8(«) sein, der ein Vorkämpfer der Gottlosigkeit war und seine zügellose Zunge gegen den Gott des Universums in Bewegung gesetzt hat.“137 Indem sich Theodoret also explizit auf Porphyrius und dessen Schrift gegen die Christen138 beruft, versucht er die Glaubwürdigkeit seiner Darlegung zu bekräftigen. Der große Unterschied, den Theodoret mittels der chronologischen Argumentation zwischen Moses und den griechischen Dichtern und Philosophen markiert, ist zunächst ein quantitativer im Hinblick auf die Chronologie, d.h. dass Moses zeitlich viel früher anzusetzen ist als alle anderen griechischen Dichter, Weisen und Philosophen. Theodoret lenkt jedoch im Hinblick auf Moses’ „Lehren“ die Aufmerksamkeit auf einen zweiten Aspekt, einen qualitativen Bedeutungsunterschied, der in der metaphorischen Bezeichnung des Moses als „Ozean der Theologie“ zum Ausdruck kommt. Diese Kennzeichnung des Moses korrespondiert mit der in cur. 2.43 angekündigten Suche nach der „klaren und durchsichtigen Quelle“. Die in Anspielung auf Homer geäußerte Formulierung „von dem alle Flüsse und das gesamte Meer hervorgegangen sind“139 unterstreicht mit Hilfe der ‚archaischen Wortwahl‘ das Alter und die Ursprünglichkeit der ‚mosaischen Theologie‘ und damit der biblischen Tradition. Auf diesen für Theodoret entscheidenden Punkt weist er auch im darauf folgenden Kontext (cur. 2.51) hin, wenn er über die Theologie des Moses im Vergleich mit derjenigen eini- 137 138 139 Cur. 2.43 E9 ’ D λ " /0' λ %.0 π»« µ . %.*0, Pφ« " 1 0« $=8(« D(, χ« )« $*!« « %8« " L" Ρ.( κ $. /! . . Cf. cur. 2.43–44 #A σ " " .«, / g« ’ π =φα Cf. dazu Porphyrius Chr. 4 bei Eusebius PE 1.9.21, 10.9.12, Kommentar zu Th 326 und Meredith (1980) 1125–1137. Cf. Hom. Il. 21.196. 276 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert ger griechischer Philosophen (Anaxagoras, Pythagoras, Platon und Sokrates) zusammenfassend die These vertritt: Doch Moses, der Göttlichste, hat seine Theologie nicht niedergeschrieben, indem er menschlichen Gedanken folgte wie diese, sondern indem er auf die Stimme des Seienden selbst, die er klar vernahm, hörte. M()« 3 ξ ² «, .1« $(%!« 4%« 0% ^, κ .! =?, $..’ )« / « )« " `« /%« φ()«α […]140 Während Theodoret also die Inhalte der Theologie der griechischen Weisen und Philosophen auf deren eigene menschliche Vorstellungen und Gedanken zurückführt, hebt er bei Moses das klare Vernehmen der Stimme des Seienden selbst hervor. * Theodoret, Graecarum affectionum curatio 4 Insgesamt fünf Bezugnahmen auf Thales finden sich im vierten Buch, in dem es um die Materie und den Kosmos geht.141 Theodoret versucht zu zeigen, wie die christliche Kosmogonie der des Platon und aller anderen Philosophen bei weitem überlegen sei.142 Im Hinblick auf die herangezogenen Quellen gebraucht Theodoret im vierten Buch besonders häufig Texte der Placita-Literatur.143 140 141 142 143 Cur. 2.51. Cur. p.7. >H ξ 0 %λ )« J.« λ " κ % D8 λ ! κ π %..) )« P.0(« λ Ν..( %%(. Cf. zu den Meinungen der Philosophen und zur Argumentation des vierten Buches insgesamt die Untersuchung von Ninci (1977) bes. 21–31, die auch eine italienische Übersetzung dieses Buches (107–137) enthält. Cf. zur Placita-Literatur bei Theodoret Raeder (1900) 82ff., Schulte (1904) 97–101, Mansfeld/Runia (1997) 77, 168, bes. 272–290, für die Debatte mit Lebedev 333–338 sowie insgesamt die wertvollen Beobachtungen von Frede (1999) 138–149. Im Folgenden verwende ich in Anlehnung an Mansfeld/Runia (1997) und (2009) die folgenden Abkürzungen: P (= Ps.-Plutarch, Placita philosophorum), S (= Stobaios, Eclogae physicae) und A (= Aëtios). Theodoret (Th 326–337) 277 Kontext zu Th 331–335 Vor seiner Darlegung der verschiedenen Lehrmeinungen der Philosophen erläutert Theodoret, von welcher Überzeugung er geleitet wird. Er ist davon überzeugt (cur. 4.4),144 dass die Philosophen über die sichtbare Schöpfung ()« ²)« % !(«) weder der Wahrheit entsprechende noch miteinander übereinstimmende Meinungen vortrugen (/=). In metaphorischer Redeweise spricht Theodoret darüber, dass sich die Philosophen wie (0%) in einem Nachtgefecht in mehrere Gruppen aufgespalten und sich gegenseitig für Feinde (³« %.!«) gehalten hätten. Theodoret erscheint es nützlich, deren Meinungen (=«) im Folgenden den Glaubenslehren ( ) der Heiligen Schrift ()« !« φ)«) gegenüberzustellen. Mit dieser Strategie versucht Theodoret in Anspielung auf einen Vers aus dem Buch der Weisheit 9,14 aufzuzeigen, dass „die Überlegungen der Menschen armselig sind und ihre Gedanken unsicher schwanken“.145 Thales wird bei den folgenden Themen genannt: zur Frage nach dem Prinzip und der Beschaffenheit der Materie (cur. 4.13 = Th 331), zur Frage nach der Pluralität oder Einheit der Welt (cur. 4.15–16 = Th 332), zur Beschaffenheit der Sterne (cur. 4.17 = Th 333) sowie der Beschaffenheit von Sonne und Mond (cur. 4.21 = Th 334 und cur. 4.23 = Th 335). Th 331 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 4.13 Kλ κ J. L.)« ξ λ P« λ #A=« λ >H0.« λ ² (= ²µ« %κ λ $..(κ λ qκ Dφ ρ. Th 331 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 4.13 Thales, Pythagoras, Anaxagoras, Heraklit und der Schwarm der Stoiker sagten, dass die Materie umwandelbar, veränderbar und im Fluss sei (vgl. Th 151). Attribut Materie: Die Materie ist wandelbar, veränderbar und im Fluss 144 145 Cf. cur. 4.4 #E%κ ξ λ )« ²)« % !(« Κ $.) Κ κ =) (0 $..&.« /=, $..’ 9« %..« 0% / 8!) ! !«, $..&.« ³« %.!« $ 8, % ρ λ « ( / ) ( %1 =« λ )« !« φ)« %1 λ 1=! Ν«, ³« „.λ $;%( .!, λ /%φ.1« ¹ /%! e φ« « π« F. “, 9 Cf. Wsh 9,14. 278 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Funktion der Bezugnahme Der Dissens entsteht an der konkreten Stelle cur. 4.13 (Th 331) und dem darauffolgenden Kontext dadurch, dass zwei entgegengesetzte Ansichten über die grundlegenden Eigenschaften der Materie (J.) referiert werden. Die erste Gruppe (namentlich Thales, Pythagoras, Anaxagoras, Heraklit und die Stoiker) vertritt die These, dass der Materie die folgenden drei Eigenschaften zugeschrieben werden können: (a) (um)wandelbar (b) veränderbar (c) fließend bzw. im Fluss. Die zweite Gruppe (Demokrit, Metrodoros und Epikur) vertritt demgegenüber in cur. 4.13 die These, dass die Atome und das Leere „unveränderlich“ bzw. nicht affizierbar ($%)) seien.146 Der Begriff $%) scheint jedoch gerade die anderen drei zuvor angeführten Eigenschaften der Materie auszuschließen. Beide Aussagen können nicht zugleich wahr sein.147 * Th 332 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 4.15–16 O ξ / « φ(!) %.!9 , $.. $ 1« Ν..« /8&. Kλ κ µ L.)« ξ λ P« λ #A=« λ P!« λ M.« λ >H0.« λ P.0( λ #A.« λ Z&( U ρ =(.α #A=!« ξ λ #A=« λ #A8.« λ mφ0« λ « λ %%« λ « λ #E%!« %..@« ρ λ $%!« /=. [16] Kλ ¹ ξ φ) " ρ, ¹ ξ 4)α λ ¹ ξ . «, ¹ ξ 8" ! %1α λ ¹ ξ D?8 λ D%, ¹ ξ %0% Ν?8α λ ¹ ξ ’ /%! , 8, ¹ ξ $ %. « λ $!α λ ^ ξ φ, /1 ξ Νφ. 146 147 Cf. cur. 4.13 « ξ λ M(« λ #E%!« $%) Ν λ µ µ %. Zum Vergleich des Textausschnittes bei Theodoret bezüglich der angeführten Namen mit dem Lemma %λ J.« (Über die Materie) 1.9.2–3 bei Ps.-Plutarch (= P) und Stobaios (= S) cf. Diels (1879) 307–308. Theodoret hat bei der ersten Gruppe allein Anaxagoras, Heraklit steht auch bei S; bei der zweiten Gruppe führt Theodoret nach Demokrit allein auch Metrodoros und Epikur auf. Theodoret (Th 326–337) 279 Th 332 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 4.15–16 Nicht nur darin148 waren sie ganz unterschiedlicher Ansicht, sondern auch in anderen Dingen. Thales, Pythagoras, Anaxagoras, Parmenides, Melissos, Heraklit, Platon, Aristoteles und Zenon stimmten überein, dass es eine einzige Welt gebe. Anaximander, Anaximenes, Archelaos, Xenophanes, Diogenes, Leukipp, Demokrit und Epikur waren der Ansicht, dass es viele und unendliche [Welten] gebe. Und die einen [meinten, dass sie] kugelförmig sei, die anderen andersförmig; die einen, dass sie wie ein Mühlrad, die anderen wie ein Wagenrad herumwirble. Die einen hielten sie für beseelt und mit Pneuma [Atem, Hauch] versehen, die anderen für gänzlich unbeseelt. Die einen meinten, sie sei mit Vorsatz entstanden, nicht im Laufe der Zeit, die anderen, sie sei gänzlich unentstanden und ohne Ursache. Die einen hielten sie für vergänglich, jene wieder für unvergänglich. Attribut Welt: Es gibt eine Welt Funktion der Bezugnahme In cur. 4.15 stellt Theodoret fest, dass sich die Philosophen nicht nur im Hinblick auf die Materie und das Leere völlig uneinig waren (φ(!) 149 %.!9 ), sondern auch in anderen Dingen. Seine Darlegung führt zum nächsten Thema über: den entgegengesetzten Meinungen über die Anzahl der Welten.150 Der Dissens entsteht in cur. 4.15–16 dadurch, dass die erste Gruppe (angeführt von Thales, Pythagoras, Anaxagoras, Parmenides, Melissos, Heraklit, Platon, Aristoteles und Zenon) die These vertritt, dass es nur eine (U) Welt gebe.151 Theodoret betont die Einigkeit der Philosophen in dieser Frage (=(.), die nun mit der entgegengesetzten These (#A=!« ), dass es viele und unendliche Welten gebe (%..@« ρ λ $%!«), kontrastiert wird. Diese Meinung wird der zweiten Gruppe (Anaximander, Anaximenes, Archelaos, Xenophanes, Diogenes, Leukipp, Demokrit und Epikur) zugeschrieben.152 148 149 150 151 152 Über die Materie, das Leere. Cf. cur. 4.15 O ξ / « φ(!) %.!9 , $.. $ 1« Ν..« /8&. Cf. auch den Kommentar zu Kyrill Th 377. Cf. Ps.-Plutarch Th 155. Zu einem makro- und mikroskopischen Vergleich des theodoretischen Textausschnittes mit dem Lemma %λ (Über die Welt) bei P 2.1.2–3, S und einer Rekon- 280 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Es folgen in cur. 4.16 weitere unterschiedliche Meinungen, die Eigenschaften der Welt wie z.B. ihre Gestalt, Bewegung, Entstehung und Vergänglichkeit betreffen;153 die Positionen und Thesen werden jedoch ohne Angabe von Namen angeführt. * Th 333 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 4.17 Kλ @« $« ξ L.)« ξ ;« λ /%« k. Th 333 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 4.17 Thales benannte die Sterne als erdartig und feurig. Attribut Natur der Gestirne: Die Sterne sind erdartig und feurig Funktion der Bezugnahme In cur. 4.17 präsentiert Theodoret verschiedene Meinungen zur Substanz und Beschaffenheit der Sterne bzw. Himmelskörper.154 Thales wird an erster Stelle aufgeführt mit der These, die Sterne seien erdartig und feurig (;« λ /%«).155 Auf diese Aussage folgen Meinungen weiterer frühgriechischer Philosophen, die den teils nur durch kleine Unterschiede in der Formulierung bedingten Dissens in dieser Frage hervorheben. Die folgende Auflistung veranschaulicht die angeführten Meinungen in cur. 4.17–20: Thales: Anaxagoras und Demokrit: Diogenes I: Anaximander: Diogenes II: 153 154 155 156 erdartig und feurig Felsgestein dem Eruptionsgestein ähnlich Aufschichtung der Luft, mit Feuer ausgefüllt Steine156 struktion und Übersetzung des A (= Aëtios) cf. Mansfeld/Runia (2009) 306–322, für Theodoret bes. 309–310, für A 318–320. Cf. dazu Diels (1879) 329–332 und Mansfeld/Runia (2009) 324, 331–336, 339, 344, 351–352, 362–364. Cf. dazu Diels (1879) 341–343, P 2.13.1ff. (T!« π ! Ν(, %. λ $%. ) und Mansfeld/Runia (2009) 453–468, zur Verwendung des Terminus „Himmelskörper“ („heavenly bodies“) ebd. 453 Anm. 272. Cf. Ps.-Plutarch Th 157. Cf. dazu Mansfeld/Runia (2009) 457, 461. Theodoret (Th 326–337) Platon: Aristoteles: Xenophanes: Herakleides (u.a. Pythagoreer): 281 Feuer und andere Elemente Fünftes Element Wolken, die in Brand geraten ein zugrundeliegender Kosmos aus Erde und Luft.157 * Th 334 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 4.21 Kλ λ µ S. λ κ .& […] L.)« ξ ; […]. Th 334 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 4.21 Thales aber sah die Sonne und den Mond als erdartig an. Attribut Sonne und Mond sind erdartig (vermutlich hier nur: die Sonne)158 Kontext und Funktion der Bezugnahme In cur. 4.21 präsentiert Theodoret verschiedene Meinungen über die Beschaffenheit von Sonne und Mond (µ S. λ κ .&).159 Im Anschluss an (i) Xenophanes, der Sonne und Mond als in Brand geratenes Gewölk (φ ρ %%() bestimmt haben soll, folgen (ii) Anaxagoras, Demokrit und Metrodoros, die sie als glutflüssiges Eisen oder glühendes Gestein ( ν % 0%) bezeichnen. Darauf folgt (iii) Thales mit der These, dass sie erdartig (;) seien, und (iv) Diogenes, der sie als dem Eruptionsgestein ähnlich ()) bezeichnet. 157 158 159 Zum Vergleich des theodoretischen Textausschnittes mit dem Lemma bei P 2.13.1ff., S und der Rekonstuktion des A cf. Diels (1879) 341–343 und Mansfeld/Runia (2009) 453–468, für Theodoret bes. 456–457, zur Rekonstruktion und Übersetzung von A 466–468. Runia, Mansfeld/Runia (2009) 518, bemerkt zu Recht: „T(heodoret) commences by speaking of both the sun and the moon. But it seems that he has only coalesced the views of Xenophanes on the two planets, and that from T2 onwards he speaks about the sun only (he returns to the moon in 4.22).“ Cf. cur. 4.21 Kλ λ µ S. λ κ .& ² mφ0« φ ρ %%( φ!α #A=« ξ λ « λ M(« ν % 0%α L.)« ξ ;, ) ξ «α ² ξ #A.« φ1 ρ / " %% ;« = α ² ξ P.0( µ ξ %.1 D8 / " %«, 8 ξ λ Ν..( (0(. R..« ξ ² P ) ( %µ« κ $, « .), 8 ξ " / ) " ξ %µ« π»« φ « λ κ $., 9;. 0= /%8· 282 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Theodoret referiert weitere Meinungen, die Aristoteles, Platon, und Philolaos zugeschrieben werden. Im Anschluss an Philolaos bemerkt er, dass andere jedoch wiederum anderes (U ξ U Ν) darüber gelehrt hätten. Er ist der Meinung, dass es überflüssig (%) ist, dies weiter auszuführen, um sich nicht an denselben Haarspaltereien zu beteiligen ()« )« .08( !«).160 Aus dieser Äußerung wird klar, dass Theodoret mehr Material zur Verfügung stand als das, was er an dieser Stelle letztlich für seine Zwecke in den Argumentationsverlauf aufnimmt.161 * Th 335 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 4.23 Kλ %λ .&« ξ ²!(« ."α ; ξ κ ² L.)« φ, #A=« ξ λ P!« λ >H0.« / =0 %«. Th 335 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 4.23 Und über den Mond schwatzen sie gleichermaßen: Erdartig nämlich sei er, sagt Thales. Anaximenes, Parmenides und Heraklit nahmen an, dass der Mond allein aus Feuer bestehe. Attribut Mond: Der Mond ist erdartig Funktion der Bezugnahme Nachdem Theodoret in cur. 4.22 auf den großen Streit zwischen den Philosophen (%..κ % ’ 1« 08) bezüglich der Größe und Gestalt (« ξ % λ 8&«) der Sonne zu sprechen gekommen ist und einige einander gegensätzliche Ansichten referiert hat,162 behauptet er in cur. 4.23, dass die Philosophen in der gleichen Art und Weise über den Mond „schwätzen“ (λ %λ .&« ξ ²!(« ."). Die abwertende Haltung Theodorets gegenüber den naturphilosophischen Thesen der 160 161 162 Cur. 4.21–22 λ U ξ U Ν %λ /=, ψ %µ ρ ., o κ )« )« .08( !«. Cf. auch Mansfeld/Runia (2009) 519: „His closing remark indicates that he has not cited all the views in the text before him.“ Zum Vergleich des theodoretischen Textausschnittes mit dem Lemma bei P 2.20.1ff., S und der Rekonstuktion des A cf. Diels (1879) 348–351 und Mansfeld/Runia (2009) 514–533, für Theodoret bes. 518–519, zur Rekonstruktion und Übersetzung von A 529–532. Cf. dazu Mansfeld/Runia (2009) 536–537, 543–544, 549, 551. Theodoret (Th 326–337) 283 Philosophen zeigt sich bereits in der Wahl des Verbs ." (dt. schwätzen, plappern; LSJ s. v. .(, talk nonsense, trifle, prate).163 Auch bei diesem Thema demonstriert Theodoret sogleich einen Dissens, wie die folgende Übersicht zu cur. 4.23164 zeigt: Vertreter Meinung zur Beschaffenheit des Mondes Thales: erdartig Anaximenes, Parmenides, Heraklit: allein aus Feuer bestehend Anaxagoras, Demokrit: ein feuerdurchglühter Körper, auf dem es Ebenen, Berge und Täler gibt Pythagoras: ein felsiger Körper Herakleides: dichtumwölkte Erde Es ist zu bemerken, dass Theodoret nicht weiter auf den Dissens z.B. zwischen der ersten, dem Thales zugeschriebenen These („der Mond sei erdartig“), der zweiten („der Mond bestehe allein aus Feuer“) und der übrigen eingeht. Er belässt es bei der gezielten Aufzählung von sich widersprechenden Thesen und geht in cur. 4.23 unmittelbar zu den unterschiedlichen Meinungen über die Größe des Mondes über.165 Zwei Aspekte möchte ich abschließend hervorheben: erstens Theodorets auf nicht-christliche Autoren und Zitate gestützte Kritik an den naturwissenschaftlichen Fragestellungen und spekulativen Meinungen der Philosophen; im Zentrum steht dabei erneut die Berufung auf Sokrates als deren Kritiker, zweitens sein Verweis auf drei nicht-christliche Autoren sowie namentlich deren Werke, die grundsätzlich die Argumente von Theodorets Beweisführung stützen: Aëtios, Ps.-Plutarch und Porphyrius. (1) Theodoret bringt in cur. 4.24 und cur. 4.25 explizit zum Ausdruck, dass er von den Forschungen und Meinungen der Philosophen nicht viel hält. Er stellt die rhetorische Frage (cur. 4.24), ob man auch noch aufzählen müsse, was die Philosophen für Geschichten über die Phasen, Eklipsen und 163 164 165 Cf. dazu Diels (1879) 355–357 und Mansfeld/Runia (2009) bes. 577, 585–586. Cur. 4.23 Kλ %λ .&« ξ ²!(« ."α ; ξ κ ² L.)« φ, #A=« ξ λ P!« λ >H0.« / =0 %«α #A=« ξ λ « ( 0%, D8 / 4) %! λ ` λ φ0«α ² ξ P« % « α >H.!« ξ ) \!8.9 %8α […]. Cf. dazu Diels (1879) 357 und Mansfeld/Runia (2009) 588–593. 284 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Entfernungen des Mondes fabelten (.").166 Er macht ihnen den Vorwurf, dass sie sich zwar rühmten, die Höhe der Luft und des Äthers genau zu kennen (φ « 9 φ.), dass sie sich jedoch nicht schämten, die Tiefe des Meeres nicht zu kennen, obwohl sie doch eine Angelschnur oder ein Seil dort hinablassen könnten. Theodoret wirft ihnen schließlich die Nutzlosigkeit ihrer Unternehmung vor, die er mit einer Bezugnahme auf Aischylos (Pr. 44)167 unterstreicht: Das, was ohne Nutzen ist, erforsche nicht vergeblich!168 ξ kφ." κ '& 0. Im Anschluss an dieses Zitat behauptet Theodoret (cur. 4.25),169 dass jede einzelne dieser Fragen, auch wenn sie zu beantworten wäre (9 λ µ f), doch ganz ohne Nutzen ($ %0%) sei.170 Derartige Studien sind für Theodoret nur vergebliche Mühe (0 %) und Verschwendung der freien Zeit an Unnötiges (9« ξ κ 8.κ).171 Als bedeutenden Kritiker derjenigen, die sich mit solchen Fragen befassten, führt Theodoret Sokrates an (cur. 4.26): Sokrates habe die Einsicht gehabt und sich von den ‚Höhen‘- und Naturforschern ((.« λ φ.«) abgewandt, um sich der ethischen Unterweisung (κ κ .!) zuzuwenden.172 An dieser Stelle folgen (im Unterschied zur der bloßen Ankündigung in cur. 2.11–12) zwei längere Zitate aus den Memorabilien (mem. 4.7.6, cf. Eusebius PE 15.62.6, und mem. 1.1.11–14, cf. Eusebius PE 15.62.1–4), mit denen Theodoret diese Geisteshaltung des Sokrates zu illustrieren versucht. Er betont abschließend (cur. 4.30), dass Xenophon und Sokrates – „keiner der Unsrigen“ (λ« π() –, hervorragende Griechen, diese Anschauungen vertraten.173 166 167 168 169 170 171 172 173 Cf. cur. 4.24 Kλ ! 1 ., Ρ /1 80( % λ /.!?( λ 0( ."; Cf. auch Clemens str. 5.1.5. Cf. auch Canivet (2000) 210: „Ne cherche pas en vain ce qui ne sert à rien.“ Cur. 4.25 T( ξ U 9 λ µ f, $ %0% f. Cf. LSJ s. v. $«, unprofitable. Cur. 4.25–26 Kλ ^ κ $1 0 $8 % λ 9« ξ κ 8.κ $.!. Cf. cur. 4.26 T" κ = ² (0«, (.« λ φ.« / φ0«, κ κ .! %0. Kλ " &.( ² mφ / 1« #A%, .( ³!α […]. Cur. 4.30 T" @« (.8« λ« π( /0?, $.. mφ λ (0«, >E..&( ¹ Ν. Theodoret (Th 326–337) 285 (2) In cur. 4.31 äußert sich Theodoret vorbeugend gegen den möglichen Einwand, dass er die Philosophen fälschlich verleumde, wenn er ihren großen Dissens aufdecke. Er verweist namentlich auf drei nicht-christliche Autoren, deren Werke man lesen solle ($;(): Wenn nun einer meint, dass ich diese Männer verleumdet habe, indem ich die völlige Unstimmigkeit unter ihnen bewiesen habe, der soll zum einen (a) die Zusammenstellung der Placita des Aëtios lesen, (b) zum anderen den Auszug des Plutarch Über die Lehrmeinungen der Philosophen und es lehrt auch (c) die Geschichte der Philosophie des Porphyrius vieles Derartige. E9 « F $ξ φ) @« Ν«, κ %%.. φ(! /.=, $;( ξ (a) #A! κ Pλ $( =(&, $;( ξ (b) P.08 κ Pλ 1« φ.φ« =0( /%&α λ (c) Pφ! ξ π R.φ« ¹! %.. " 0. Um sich mit dem großen Dissens der Philosophen untereinander vertraut zu machen, empfiehlt Theodoret die Lektüre von drei Werken: (a) Aëtios’ Sammlung von Placita, (b) des Ps.-Plutarch Auszug über die Lehrmeinungen bei den Philosophen174 und (c) Porphyrius’ Geschichte der Philosophie.175 Diese Werke sollen die Plausibilität seiner Argumentation unterstützen.176 * 174 175 176 Cf. Eusebius PE 14.13.9, der jedoch das Werk mit leicht verändertem Titel als Pλ $( 1« φ.φ« φ 0( bezeichnet. Kyrill von Alexandrien hingegen spricht in Juln. 2.14 (= Kommentar zu Th 377) von P.8« ) ( **.!) ( )« !, $κ % ’ 1« Ν« ;«, / ) ‚R 0(‘ ()« […]. Cf. zu Aëtios auch cur. 2.95 und cur. 5.16 sowie Diels (1879) 45–48, Mansfeld/Runia (1997) und (2009), Frede (1999) 144–149 und Zhmud (2001) 219–243; zu Ps.-Plutarch Diels (1879) 1–43 und Mansfeld/Runia (1997) bes. 121–195; zu Porphyrius auch cur. 2.95–96, Canivet (1958) 270–271, Frede (1999) 144–147, Smith (1993) 220–248 und den Kontext zu Theodoret Th 336. Cf. dazu Mansfeld/Runia (1997) 272–290 sowie die komplexe und wertvolle Analyse zu Theodoret von Frede (1999) bes. 138–149. Zu cur. 4.31 bemerkt Frede ebd. 146–147: „And we should remember that even in IV,31 T(heodoret) does not claim to have based his account on these sources, but just invites the reader to consult these sources, if they are in doubt about T’s claims. Again the suggestion is that Aetius is not so entirely obscure as to make this invitation seem strange. The curious repetition of the three names in conjunction might suggest that T thinks of these three works as some of the main sources for Greek philosophy of nature available.“ 286 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Theodoret, Graecarum affectionum curatio 5 Im Mittelpunkt des fünften Buches steht die Diskussion um die menschliche Natur (Pλ ξ )« " $;% φ(«). Theodoret behandelt darin die Unterschiede zwischen der christlichen und der nicht-christlichen Lehre.177 Kontext zu Th 336 / Th 337 In cur. 5.16 kommt Theodoret aufgrund der zuvor referierten unterschiedlichen Meinungen von Dichtern und Philosophen über den Ursprung der menschlichen Natur und das Verhältnis von Leib und Seele zu dem Urteil, dass sie sich nicht nur untereinander ( $..&.«) widersprechen, sondern auch jeweils selbst Widersprüchliches bezüglich derselben Dinge (λ φ! 1« %λ /!) geschrieben haben.178 Um den großen Streit (%..κ […] D) unter den Philosophen zu erkennen, möchte Theodoret noch einmal aufzeigen (cur. 5.16), was (!) die „hochberühmtesten“ der Philosophen über die Seele (%λ ?8)«) meinten und wie sie „der eitle Ruhm“ (π κ =) aufgebracht habe, im Streit zu kämpfen.179 Interessant ist die folgende Formulierung, mit der Theodoret seine Darlegung der verschiedenen Meinungen einleitet (cur. 5.16): Was ich aber mit der Hilfe Gottes aufzählen (auch: auswählen!) werde, sage ich aufgrund der Schriften des Plutarch, des Porphyrius und freilich auch des Aëtios. &A =@ L) .=(, / P.08) ( λ Pφ!) ( λ λ #A!) ( =( / . Die Angabe dieser nicht-christlichen Autoren, die Theodoret bereits im vierten Buch180 mitsamt ihren Werken angeführt hatte, kann im Interesse der Glaubwürdigkeit seiner Argumentation verstanden werden. 177 178 179 180 Cur. p.8. Pλ ξ )« " $;% φ(« π %% µ $ , λ « >E..« =« λ « X« /%" λ Ρ φ(µ« λ « 0 µ 0φ. Cur. 5.16 ξ σ ( φ « D(, ³« $..&.«, $.. λ φ! 1« %λ /! φ&α Cf. cur. 5.16. Dazu Canivet (2000) 230–231, Clemens str. 5.1.11.1ff., Eusebius PE 15.62.14 und Diels (1901) 189. Cf. Kommentar zu Th 335. Theodoret (Th 326–337) 287 Th 336 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 5.17 L.)« ! . κ ?8κ $! φ. Th 336 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 5.17 Thales nannte die Seele von Natur unbewegt (vgl. aber Th 165). Attribut Seele: Die Seele ist von Natur unbewegt181 Funktion der Bezugnahme Es folgt der erste Dissens (cur. 5.17) über die Seele:182 1 2 3 4 5 6 L.)« ! . κ ?8κ $! φα #A.183 ξ κ ! Fα ² P« $µ 4µ "α =φ; ξ ) .) ( λ m0«α ² ξ P.0( ! κ /= 4)« &α ² ξ !« /.8 %; ;« φ" \", 0 '(κ D8«α /.8 ξ κ / .α Nach der Position des Stagiriten geht Theodoret unmittelbar zu Thesen über, die auf die Frage antworten, ob die Seele ein Körper und welches ihre Substanz sei.184 Besonders bemerkenswert an diesem doxographischen Abschnitt ist die These, die Thales zugeschrieben wird, weil sie im Vergleich zu Ps.-Plutarch (Th 165), Nemesios (Th 323) und Stobaios (Th 360) einen klaren Unterschied erkennen lässt. Während Theodoret Thales zuschreibt, dass er von einer $! φ – einer „unbewegten Natur“ der Seele oder von „einer von Natur unbewegten“ Seele – spreche, überliefern Ps.-Plutarch und Stobaios die folgende Thales zugeschriebene Disjunktion: L.)« $%φ& % « κ ?8κ (φ)185 $! 181 182 183 184 185 Cf. dagegen Ps.-Plutarch Th 165, Nemesios Th 323 und Stobaios Th 360. Cf. dazu Diels (1879) 386–387, P 4.2 (*2. Pλ ?8)«). Während es bei P keinen äquivalenten Eintrag gibt, ist bei S von „Alkmaion“ die Rede, cf. dazu Diels (1879) 386. Mansfeld (1990) 3065 Anm. 16, bemerkt dazu: „But Theodoret, who in his abstracts preserves important details and even whole lemmata lacking in both ps.Plutarch and Stobaeus, as a rule omits quite a few items and here and there seems to provide arrangements of his own. He also allows himself stylistic felicities.“ Cf. dazu Diels (1879) 387–389, P 4.3. 2. E9 π ?8κ λ !« π ! )«. φ nur bei P 4.2.1, nicht bei S. 288 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert ν !. Nach diesen beiden Autoren habe Thales als Erster behauptet, dass die Seele immer bewegt ($!) oder selbst bewegt (!) sei. Bei Nemesios Th 323 hingegen sind die beiden Adjektive durch die Konjunktion ! verbunden: L.)« […] κ ?8κ Dφ $! λ !. Canivet folgt186 bei seiner Übersetzung der handschriftlichen Überlieferung, die klar $! bezeugt und er bemerkt dazu: „[…] nous nous garderons de la remplacer ici par l’ $! de Plutarque et de Stobée, représentants du doxographe Aétios.“187 Wo könnte ein möglicher Grund für diese Abweichung bei Theodoret liegen? (a) Ein Grund für die Abweichung an dieser Stelle könnte darin liegen, dass Theodoret einen anderen Text bzw. eine andere Quelle als Ps.-Plutarch und Stobaios vor sich hatte. (b) Ein Abschreibefehler wäre ebenfalls denkbar. (c) Doch eine andere Erklärung scheint mir gerade vor dem Hintergrund, wie Theodoret insgesamt in seinem Werk mit dem doxographischen Material verfährt, nicht unwahrscheinlich.188 Mansfeld/Runia bemerken zu Recht in ihrer Analyse von Theodorets Methode zur Paraphrase und Adaptation der doxai, dass er im Vergleich zu Eusebius „extremly free in his use of the Placita“189 sei. Charakteristisch für Theodoret scheint mir auch die folgende Einschätzung, die ich ebenso teile: „He (sc. Theodoret) has a clear and fixed purpose in mind, in the light of which many, if not all, of his changes are motivated.“190 Vor diesem Hintergrund halte ich die These für wahrscheinlich, dass Theodoret absichtlich anstelle der Disjunktion ($! ν !), die er möglicherweise in seinen Quellen vorfand, den Terminus $! wählte, um einen offenkundigen Dissens zur zweiten (!) und dritten These (4µ ") zu ‚konstruieren‘. Anstatt sogleich von einer ‚Konstruktion‘ zu sprechen, könnte man diesen Fall auch als eine bewusste Auslassung von Informationen und Kürzung im Interesse sowohl des angekündigten „großen Dissenses“ als auch in Übereinstimmung mit der gesamten Tendenz seines Werkes einstufen. * 186 187 188 189 190 Cf. auch Müller (2006) 181 mit seiner Übersetzung „Unbewegte Natur“ und Wöhrle (2009). Canivet (2000) 231 Anm. 1. Cf. zu Theodorets Methode Mansfeld/Runia (1997) 276–284 und 289–290 sowie Frede (1999) 139–149. Mansfeld/Runia (1997) 278. Cf. ebd. 289. Mansfeld/Runia (1997) 282. Theodoret (Th 326–337) 289 Th 337 Theodoret, Graecarum affectionum curatio 5.44–45 T λ =φ1« λ φ.φ λ %λ λ ?8)« % λ ;« λ )« )« " $;% =0(« %µ« $..&.« /8& D λ 08, ¹ ξ ", ¹ ξ /1 %*«, ¹ ξ ( $!( /! = k!«. O $.ξ« 1 /%, $.. =!) λ φ.!) .« λ .) 0( /%. [5.45] κ " λ µ %.@ %& %.0, J /%( $φ( %*( « =«. Kλ #A=!« , .&« Q " L0.(, 1« /!« /8& α λ #A=« ξ µ #A=0 0 µ " %%!α λ #A=« ξ ³(«. Th 337 Theodoret, Heilung der griechischen Krankheiten 5.44–45 Die Schriftsteller, Philosophen und Dichter befanden sich in einem so großen Streit und Kampf untereinander über Seele, Körper und selbst über die Zusammensetzung des Menschen, wobei die einen dieses, die anderen jenes bevorzugten, andere wiederum eine Lehre ausbrüteten, die sowohl den einen als auch den anderen widersprach. Denn sie begehrten nicht die Wahrheit zu erkennen, sondern, indem sie der Selbstgefälligkeit und Ruhmsucht sklavisch dienten, begehrten sie als Erfinder neuer Lehren genannt zu werden.191 [45] Daher haben sie auch das große Irren geduldig ausgehalten, wobei die Nachgeborenen die Lehren der Älteren umwarfen. Auch Anaximander hielt sich nach Thales’ Tod an entgegengesetzte Ansichten. Nach Anaximanders Tod machte das Anaximenes ebenso; und ebenso Anaxagoras. Attribute Thales-Anaximander Anaximander hielt sich nach dem Tod von Thales an entgegengesetzte Lehren Funktion der Bezugnahme In cur. 5.44 lenkt Theodoret mit einer auffälligen Hyperbaton-Konstruktion ( […] D) nochmals die Aufmerksamkeit auf den großen Streit und die Uneinigkeit (D λ 08) zwischen den Schriftstellern, Phi- 191 Übersetzung Schwab. 290 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert losophen und Dichtern untereinander über die Seele, den Körper und selbst die Konstitution des Menschen. Theodoret macht ihnen den Vorwurf, dass sie nicht begehrten ( […] /%), die Wahrheit zu erkennen ($.ξ« 1), sondern dass sie vielmehr, als Sklaven der Selbstgefäl λ φ.!) .«), beligkeit und der Ruhmsucht (=!) gehrten, als Erfinder immer neuer Lehren genannt zu werden ( λ .) 0(). Auf Basis dieser Vorwürfe setzt Theodoret zu einer Erklärung (cur. 5.45 κ ") der „großen Irrtümer“ an. Er vertritt die These, dass sie deshalb das große Irren geduldig ausgehalten haben (µ %.@ %& %.0), wobei die Nachgeborenen ( J /%() die Lehren der Älteren ( %*( « =«) immer wieder umstürzten ($φ(). Um diese These zu belegen, führt Theodoret exemplarisch vier Philosophen an, die im Vergleich zu ihren Vorgängern entgegengesetzte Lehren vertreten hätten: (1) So soll sich z.B. Anaximander nach dem Tod des Thales (.&« Q " L0.() an entgegengesetzte Lehren gehalten haben (1« /!« /8& ). In der weiteren Sukzession werden die ‚Paare‘ (2) Anaximander und Anaximenes (3) sowie Anaximenes und Anaxagoras und zuletzt (4) Aristoteles als Schüler der Akademie Platons genannt. Es fällt auf, dass Theodoret für die frühgriechischen Philosophen an dieser Stelle keine Belege und auch keine Begründung für das angebliche Abweichen des jüngeren Schülers von der Lehre des älteren Lehrers gibt. Nur im Fall von Aristoteles und Platon führt er zwei Differenzen in der Lehre an (unterschiedliche Ansichten über die Seele, Unterschiede in der Vorsehungslehre).192 Ein Grund für dieses Vorgehen könnte darin liegen, dass er davon ausgeht, dass der Leser durch die zahlreichen ‚Diaphonien‘ an mehreren Stellen seines Werkes keine weiteren Belege mehr erwartet. Zusammenfassung Die Thales zugeschriebenen Attribute in der Argumentation Theodorets zeigen deutlich, dass er den Großteil seiner Informationen über Thales aus der doxographischen Literatur entnommen hat. In seiner Argumentation nennt er ähnlich wie bereits Eusebius eine Anzahl von nicht-christlichen Autoren und Werken. Namentlich führt er neben anderen Ps.-Plutarch, Aëtios und Porphyrius an (cf. die Kommentare zu Th 326, Th 334 und Kontext 192 Cur. 5.47 Kλ κ κ ?8κ /! φ0« $0, ^« Dφ &α λ µ Lµ 9« /! %1 %0(, ^« κ ), Ρ e 9« .«, )« !« !« /α κ 8 .&« 9 Dφ µ L, Ν.. %µ κ ¹ 08α Theodoret (Th 326–337) 291 zu Th 336). Für die argumentative und rhetorische Strategie Theodorets ist wiederum die Tatsache von Bedeutung, dass es sich bei den Autoren dieser Werke gerade nicht um Christen handelt und im Fall des Porphyrius sogar um einen erklärten Gegner der christlichen Religion. Theodoret verweist seine Leser auf diese Werke, um die Glaubwürdigkeit seiner Argumentation und deren Inhalt auszuweisen. Während Eusebius jedoch in vielen Fällen seine Quellen zu Beginn eines Abschnittes klar benennt und diese teils seitenweise exzerpiert, ist bei Theodoret zu bemerken, dass er zwar auch seitenweise Placita-Material anführen kann, dieses jedoch gemäß den Anforderungen seiner Argumentation selektiert und paraphrasiert.193 Abgesehen von den genannten Werken, die er seinen Lesern als Garanten für sein Wissen und die Schlüssigkeit seiner Argumentation empfiehlt, macht Theodoret reichen Gebrauch von seinen christlichen Vorgängern, besonders Clemens (Th 327) und Eusebius (Th 328). In manchen Fällen zeigt erst der genaue Vergleich (z.B. bei Theodoret Th 328 mit Eusebius Th 269) die feinen Unterschiede bei der kreativen Aneignung und Kontextualisierung z.B. der Platon-Zitate. Wie Clemens (Th 202, Th 204) und Eusebius (Th 262, Th 263) verwendet auch Theodoret das Attribut der phönizischen Herkunft des Thales (nach Th 12 und Th 50) in seiner Argumentation dazu, um die nicht-griechischen Ursprünge der griechischen Philosophie zu belegen sowie die Nähe des Thales zum Orient plausibel erscheinen zu lassen. Eine Besonderheit der Bezugnahmen Theodorets auf Thales und weitere frühgriechische Philosophen ist im ersten Buch (cf. Th 326 und Th 328) zu bemerken. Theodoret stellt darin die als früh und besonders berühmt charakterisierten griechischen Philosophen den von ihm attackierten nicht-christlichen Zeitgenossen gegenüber. Indem er die frühgriechischen Philosophen in diesem Kontext des ersten Buches (Th 326) äußert positiv als Interessierte, Lernwillige und den nicht-griechischen Kulturen Aufgeschlossene charakterisiert, hält er seinen nicht-christlichen Zeitgenossen einen Spiegel vor und beurteilt diese abwertend im Vergleich mit den frühgriechischen Philosophen. Im vierten und fünften Buch seiner curatio benutzt Theodoret eine Vielzahl doxographischen Materials (Th 331–335), das er passend zu seiner Argumentation und für seine Zwecke auswählt und anführt. Theodoret geht 193 Cf. zu den fünf Merkmalen von Theodorets Paraphrasentechnik Mansfeld/Runia (1997) 279–282 und die nützlichen Einzelanalysen zum zweiten Buch des Aëtios (specimen reconstructionis) von Runia in Mansfeld/Runia (2009) sowie insgesamt die Beobachtungen von Frede (1999). 292 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert es dabei (explizit in Th 332) ähnlich wie bereits Eusebius um das Aufweisen der Widersprüche (‚Diaphoniai‘) unter den Philosophen und ihren Meinungen sowie insgesamt um den Erweis der Nutzlosigkeit ihrer Forschungen. Ein logisches Problem der argumentativen Strategie (nicht nur) bei Theodoret besteht darin, dass der Umstand allein, dass es verschiedene einander widersprechende Meinungen gibt, noch lange nicht besagt, dass es keine richtige geben könnte. Auch ergibt sich allein aus deren Widersprüchlichkeit nicht automatisch deren Falschheit. Es ist festzustellen, dass Theodoret es nicht unternimmt, die Meinungen der Philosophen einzeln zu prüfen. Theodoret argumentiert vielmehr akkumulativ und versucht dadurch zu überzeugen.194 Wie Eusebius, so kritisiert auch Theodoret indirekt in Anspielung auf die Figur des Sokrates in Xenophons Memorabilien (cf. Kommentar zu Th 329 ohne Zitat, Th 335 mit Zitat aus den Memorabilien) die naturphilosophischen Forschungen der frühgriechischen Philosophen. Literatur Canivet, P., Histoire d’une entreprise apologétique au Ve siècle, Paris 1959. Canivet, P., Théodoret de Cyr. Thérapeutique des maladies helléniques, SC 57.1/2, Bd. 1: Paris 2000, Bd. 2: Paris 2001. Des Places, E., Eusèbe de Césarée. La Préparation évangélique, Livres XII–XIII, SC 307, Paris 1983. Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Diels, H., Poetarum Philosophorum Fragmenta, Berlin 1901. Dihle, A., Die Philosophie der Barbaren, in: Hölscher, T. (Hrsg.), Gegenwelten zu den Kulturen Griechenlands und Roms in der Antike, München 2000, 183–203. Frede, M., Aëtiana, Review Article, Phronesis 44, 1999, 135–149. Guinot, J. N., L’exégèse de Théodoret de Cyr, Paris 1995. Mansfeld, J., Doxography and dialectic: The Sitz im Leben of the ‚Placita‘, in: ANRW II. 36.4, 1990, 3056–3229. Mansfeld, J., Runia, D. 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Riedweg, C., Pythagoras. Leben, Lehre, Nachwirkung, München 2002, 22007. Roos, C., De Theodoreto Clementis et Eusebii Compilatore, Diss. Halle 1886. Schulte, J., Theodoret von Cyrus als Apologet, Wien 1904. Siniossoglou, N., Plato and Theodoret, Cambridge 2008. Smith, A. (Hrsg.), Porphyrii Philosophi Fragmenta, Stuttgart/Leipzig 1993. Zhmud, L., Revising Doxography: Hermann Diels and his Critics, Philologus 145, 2001, 219–243. 294 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert 4.4 Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) Im umfangreichen Werk des bedeutenden Patriarchen Kyrill von Alexandrien (von 412–444) finden sich sechs Zeugnisse über Thales.195 Alle Zeugnisse stehen im Rahmen seiner monumentalen Verteidigungsschrift Contra Iulianum, die an den „sehr frommen und Christus liebenden Kaiser Theodosius“ (Reg. 408–450) adressiert ist.196 Nur die ersten zehn Bücher dieser Schrift sind vollständig erhalten.197 In diesen Büchern wendet sich Kyrill gegen die polemische Kritik Kaiser Julians (361–363) an der christlichen Religion.198 Kyrills Apologie ist eine Erwiderung auf die nur fragmentarisch erhaltene Schrift des Kaisers Contra Galilaeos bzw. Gegen die Christen, die dieser 362/363, etwa zwei Generationen vor Kyrill, verfasst hatte.199 Eine Besonderheit von Kyrills apologetischer Schrift besteht darin, dass sie im fünften Jahrhundert den polemischen Diskurs „gegen Julian“ fortführt und sich damit Teile der Bücher (vor allem des ersten Buches) und der Kritik des Julian rekonstruieren lassen.200 Während sich Kyrill in den ersten zehn Büchern Contra Iulianum mit den Vorwürfen des ersten Buches von Julians Kritik auseinandersetzt, widmet er sich in den folgenden zehn Büchern, die nur fragmentarisch erhalten sind, den Gegenständen des zweiten Buches von Julian.201 Für die Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie in Contra Iulianum sind unter anderem folgende Quellen für Kyrill von besonderer Bedeutung:202 die Geschichte der Philosophie des 195 196 197 198 199 200 201 202 Cf. zur Notwendigkeit einer Neuedition von Kyrills Werk Contra Iulianum Kinzig (1997) 484–494. Cf. T" ! K!.. $8%% #A.=!« %φ; %µ« µ * λ φ.8 *. L. Cf. zum gesamten Werk Malley (1978). Cf. dazu Kinzig (1997). Zur Problematik der Datierung des Werkes Burguière/Évieux (1985) 10–15, zur Erforschung Kyrills und zur handschriftlichen Überlieferung des Werkes Riedweg (2000) 151–165, zu den philosophischen Argumentationsstrukturen in Julians Contra Galilaeos ders. (1999). Cf. zu Kaiser Iulianus den Sammelband von Schäfer (2008). Cf. dazu die Fragmentsammlung mit italienischer Übersetzung von Masaracchia (1990). Zum Titel Burguière/Évieux (1985) 27–29. Der polemische Anti-Julian-Diskurs setzt 363–364 nach dem Tode Julians mit den zwei berühmten „Schandsäulenreden“ des kappadozischen Kirchenvaters Gregor von Nazianz ein. Cf. dazu Klein (2002) 128–155 und Schwab (2009) 19. Für weitere Autoren, die auf Contra Galilaeos reagierten, cf. Burguière/Évieux (1985) 52–58. Cf. dazu Riedweg (2000). Cf. Burguière/Évieux (1985) 62–65. Zur Verwendung apologetischer Quellen, dem Gebrauch dieser Texte und Kyrills Erforschung griechischer Autoren cf. Malley (1978) 251–261. Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 295 Porphyrius, die Cohortatio ad Graecos203 des Ps.-Justin sowie die apologetischen Schriften früherer christlicher Autoren. Im Rahmen der chronologischen Argumentation, d.h. für die Beweisführung der Anteriorität von Moses und der hebräischen Tradition vor der griechischen Tradition, folgt Kyrill Wort für Wort dem Chronikon, in das ihn „sans doute“ (Burguière/ Évieux) das zehnte Buch der PE des Eusebius eingeführt hatte.204 Bei der Auseinandersetzung der griechischen Philosophen mit der mosaischen Tradition ist Kyrill zu großen Teilen von der Cohortatio ad Graecos des Ps.Justin abhängig, während bei der Gegenüberstellung der hebräischen und griechischen Lehren wiederum der Einfluss des Eusebius deutlich ist.205 Kyrill von Alexandrien, Contra Iulianum Von den Zeugnissen über Thales befinden sich vier im ersten Buch, das sich von den folgenden neun Büchern insofern unterscheidet, als es bereits für sich genommen eine Apologie der christlichen Religion als Antwort auf die Anklage Julians enthält. Kyrill setzt sich darin grundlegend mit dem Vorwurf Julians auseinander, dass die „Galiläer“, d.h. die Christen, Umherirrenden glichen, deren Kult sich sowohl von den mosaischen Gesetzen als auch von der Religion der Griechen im Hinblick auf die Gebräuche und Verhaltensweisen entfernt habe. Die Christen, so die Kritik Julians, hätten sich einen neuen Lebenswandel zwischen diesen beiden geschaffen.206 Mit dem zweiten Buch unternimmt Kyrill die systematische Widerlegung der Schrift Julians Gegen die Galiläer. Burguière/Évieux bemerken zusammenfassend zur Aufteilung des Werkes: „Le Contre Julien, ce qu’il en reste tout au moins, se présente donc sous deux aspects différents et complémentaires. Une courte apologie répondant globalement au Contre les Galiléens sans le citer, en montrant que la doctrine chrétienne est plus vraie et plus ancienne 203 204 205 206 Kyrill kopierte oder exzerpierte einige Passagen aus der symbuleutischen Rede des Ps.-Justin; cf. dazu Marcovich (1990) 19. Cf. Burguière/Évieux (1985) 62–65, 64. Für die Methode und Auswahl von Zitaten (sowohl nicht-christlicher Autoren als auch aus der Bibel) cf. Eusebius PE 7–15. Cf. Juln. 1.3 Kλ "0 φ 1« #I." **.!« /8;, χ« )« "« π !« φκ /%& κ 0, %%.) .( π»« λ $%φ) ξ $(« )« λ $(&(« /8« ²", 9 ξ —% % , λ ².%(« $*. ) /%λ %0( L) %1 .!, Κ 1« " %φ M((« « *!, Κ κ 1« >E..&( !«, Q D! λ %«, ξ —% λ $φ1 40 ) '(&. Cf. dazu Meredith (1980) 1138–1149. 296 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert que la superstition des Grecs (livre I), puis la réfutation systématique du premier livre du Contre les Galiléens dont chaque fragment est suivi de la réponse de Cyrille.“207 Kontext zu Th 373 Kyrill wendet sich im ersten Buch gegen die Kritik (κ 0) Julians an der christlichen Religion208 und versucht (Juln. 1.4) aufzuzeigen ((), dass Moses im Hinblick auf die Zeit (M( ξ / 8) () die Würde des Ältesten zukomme ( %*1 .8). Moses wird weiter charakterisiert (λ […] λ […] !) als (a) derjenige, der die richtige und fehlerfreie Lehre über das unaussprechliche und höchste Wesen von allen (%λ )« $& λ $(0( % !«) vermittle, (b) am besten von der Welterschaffung erzähle (%!« Ν ) und (c) ein bewunderungswürdiger Verfasser der Gesetze sei, die zur Frömmigkeit und Gerechtigkeit führen (( 9« * λ ).209 Die bei den Griechen hingegen „als Weise Bezeichneten“ (@« ξ % ’ 1« k« φ«) seien „äußerst spät und sehr jung geboren“ (« ξ 0« λ (0«). Diese hätten sich die Lehre von jenem ( /!) heimlich verschafft und in ihre eigenen Worte eingearbeitet, auch wenn sie insgesamt nicht so erfolgreich waren, die ehrwürdige Lehre zu rauben, und etwas von den wahren Dingen zu behaupten schienen.210 Kyrill bemerkt darauf (Juln. 1.5), dass einige von diesen nach Moses geboren wurden und andere zur gleichen Zeit mit den heiligen Propheten (nach Moses) ihre Blütezeit hatten (&). Diejenigen nun, die den Lehren der Propheten nachfolgten, seien höher zu schätzen als die anderen, obgleich (!) ihre Lehre über Gott insgesamt nicht ganz wahr sei.211 207 208 209 210 211 Burguière/Évieux (1985) 62. Cf. dazu Juln. 1.3 und Meredith (1980) 1138–1149. Cf. Juln. 1.4 Eρ %µ« ) ( ( M( ξ / 8) ( %*1 .8, λ = \κ λ $%.0 %λ )« $& λ $(0( % !« 9, λ %!« Ν , λ ( 9« * λ $ **& […]. Cf. Juln. 1.4 […] @« ξ % ’ 1« k« φ@« « ξ 0« λ (0«, .φ« ξ /! λ 1« 9!« .« /.;«, 9 λ κ 9« Ϊ% « 98« J( λ = 4%0 %%) ! $. / .. Cf. Juln. 1.5 T! ! « ξ M(, & ξ λ U @« 1« ’ /1 %φ&« 4!«α W ¹ 1« =« .1 9 π ?&φ )« !« % @« Ν..« =!(, ! " ?« 9« Ϊ% /. )« %λ L" =« % κ $%. Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 297 Die erste Bezugnahme auf Thales steht in der anschließenden chronologischen Argumentation,212 die Kyrill mit Noah und der Sintflut – zehn Generationen nach Adam – beginnen lässt. Es folgen der Turmbau zu Babel, Abraham und schließlich Moses als Fixpunkt (Juln. 1.11), mit dem die vergleichende Chronologie (Juln. 1.13) von der Einnahme Trojas (400 Jahre später als die Geburt des Moses angesetzt)213 bis zur ersten Olympiade eingeleitet wird.214 Th 373 Kyrill, Contra Iulianum 1.14, 520D (ed. Burguière/Évieux) T9 ) %%9 \.%0 L.)« #E= M.&« % « φµ« φ.φ« ., %1 ξ κ '(κ " φ U(« %)« \« \.%0«. Th 373 Kyrill, Gegen Julian 1.14, 520D Während der 35. Olympiade [640–637] soll der Milesier Thales, der Sohn des Examyas, der erste Naturphilosoph, geboren worden sein; er soll bis zur 58. Olympiade [548–545] gelebt haben. (vgl. Th 306, aber Th 500, Th 529, Th 557) Attribute Milet Datierung (Geburt des Thales in der 35. Ol.) Sohn des Examyas Datierung (Lebenszeit bis zur 58. Ol.) Erster Naturphilosoph Funktion der Bezugnahme Die Lebenszeit des Thales wird auf die Zeit der 35.–58. Olympiade angesetzt. In Juln. 1.17 konstatiert Kyrill die Anteriorität des Moses gegenüber allen griechischen Weisen. Diese seien, wie seine Auflistung zeigt, erst viele 212 213 214 Cf. zum so genannten Altersbeweis und der chronologischen Argumentation Pilhofer (1990), Tatian Th 176, Clemens Th 203, 205 und Eusebius Th 263–265. Cf. auch die arabischen Texte Th 500, Th 529 und Th 557. Cf. Juln. 1.13 0 ! $%µ )« M((« (« 8 " 4. µ 5I. D . Die Chronologie reicht bis zur 194. Olympiade, dem Prinzipat des römischen Kaisers Augustus und der Geburt von Jesus Christus. Cf. dazu Burguière/Évieux (1985) 117–137. 298 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Jahre nach dem Beginn der Olympiadenzählung geboren worden.215 Dass Thales im Rahmen dieser Auflistung genannt wird, zeigt, dass er für Kyrill zu den „unumgänglichen“ bzw. „notwendigen Personen“ (cf. Juln. 1.13 1« $!« %;%() – denn nur auf diese konzentriert sich Kyrill in seiner Chronologie – gehört.216 Als „erster Naturphilosoph“ (% « φµ« φ.φ«) spielt Thales für die Argumentation Kyrills eine entscheidende Rolle. Basierend auf diesem ersten Beweisgang bezüglich der Chronologie von Moses und den griechischen Philosophen versucht Kyrill nun in einem zweiten Schritt (cf. Th 374) plausibel darzulegen, dass die Weisen nicht in völliger Unwissenheit der Lehre des Moses gewesen seien. * Kontext zu Th 374 Nachdem Kyrill zuerst die Anteriorität des Moses vor den griechischen Weisen und Philosophen dargelegt und dessen Weisheit betont hat (Juln. 1.11–17), geht es in Juln. 1.18ff. um das Verhältnis der frühgriechischen Autoren zu Moses. Zu klären ist die als möglicher Einwand formulierte These (Juln. 1.18), ob die griechischen Weisen dabei überführt werden könnten, dass sie von der Weisheit des Moses gestohlen (%.?«) und vielmehr (Q) diese ganz auf ihre Art und Weise verwandelt hätten (%« Ρ.(«).217 Kyrill hebt in seiner Argumentation zuerst hervor (Juln. 1.18), dass die griechischen ¹0φ die ganze Erde bereist hätten und immer lernwillig gewesen wären, „um als viel Wissende zu scheinen“.218 Indem sie dabei sicherlich kein Ereignis der Vergangenheit mit Schweigen übergingen, hätten sie ihrem Werk „Schmuck“ verleihen wollen.219 215 216 217 218 219 Cf. Juln. 1.17 #A%µ ξ ! )« λ )« . $*"« $φ)«, % « 8 Ϊ% /ξ« ³« 4%0( ξ % ’ 6E.. φ ² %« M()« %*« f, ¹ ξ λ g $φ1«; Cf. dazu Juln. 1.13 K! %0. Ν @« =)«· / /%0, 1« /φ.8( , /φ!'( ξ ».. 1« $!« %;%( µ .. Cf. Juln. 1.18 #A..’ F(« /1 «· „Nλ ξ κ %* M((« λ % ’ 6E.. φ · κ D λ $.ξ« 9%1 ³« )« /« ) φ!« %.?« Q %« Ρ.(« 4.1 Ν.“ Cf. Juln. 1.18 O¹ ξ % ’ /!« ¹0φ, %» ³« D%« 9%1 %"« κ ), $! 0 Q. o 1 9 %..0· Cf. Juln. 1.18 µ 0 ( $%) ξ )« 4 /%" φ)«. Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 299 Th 374 Kyrill, Contra Iulianum 1.18, 524C-D Eρ % « o " λ 81 9(« . s " 8) [524D] 1 ¹!« J( 0«, 0( λ ( $8%%0( $*) 0φ; K! P« ² / 0 λ L.)« ² M.&« ! / A9%) ( φ« , ..=0! /1 λ 0( Ν b /8 . «, 9« κ /" $!'. Th 374 Kyrill, Gegen Julian 1.18, 524C-D Und wie hätten auch zumindest solche Männer, die die Gelehrsamkeit pflegten, die Pflicht vernachlässigt, so erhabene Forschungen zu lernen, eine genaue Erklärung altehrwürdigster Lehren und Bräuche? Nun aber verbrachten Pythagoras aus Samos und Thales von Milet eine durchaus beachtliche Zeit in Ägypten, in der sie zuerst das von dort her Stammende (sc. die dortigen Lehren und Bräuche) sammelten und eine Ansammlung von Wissenschaften, die sie, wie man sagt, gekannt hätten, zusammenführten und in ihre Heimat mit sich fortnahmen.220 Attribute Milet Ägyptischer Einfluss: Ägyptenreise Sammlung von Wissenschaften Funktion der Bezugnahme Kyrill schreibt den Historiographen auch Gelehrsamkeit zu (81 9(«). Vor diesem Hintergrund sei es nur schwer vorstellbar, dass sie sich nicht darum gesorgt hätten, so ehrwürdige Forschungen (¹!« J( 0«) und eine genaue Erklärung der altehrwürdigsten Lehren und Bräuche (0( λ ( $8%%0( […] $*) 0φ) zu lernen (1). Als Beispiele für die frühgriechischen Weisen und Philosophen, die mit dem ägyptischen Kulturkreis in Berührung gekommen sein sollen, werden zuerst Thales von Milet und Pythagoras von Samos angeführt. Darauf wird Solon nach der Schilderung Platons im Timaios genannt.221 Auf die Historiographen wird erneut in Juln. 1.19ff. eingegangen. 220 221 Übersetzung Schwab. Plat. Tim. 21e-22b und 23c. In Juln. 1.19 spricht Kyrill zusammenfassend davon, dass Solon und Platon, die sich beide in Ägypten aufgehalten hätten, Bewunderer der Thesen bzw. Schriften des Moses gewesen seien: Juln. 1.19 .( ξ ² #A& ( κ« λ κ λ µ« ² P.0(, / A9%) ( « %ξ " 300 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Von Thales und Pythagoras berichtet Kyrill, dass sie „eine beachtliche Zeit“ ( ! ) in Ägypten verbracht hätten.222 Dort hätten sie /1, wörtlich „das von dort“ (im vorausgehenden Kontext ist von und die Rede), „sowohl die Lehren und Bräuche“ als auch die Sammlung von Wissenschaften (0( Ν), die ihnen zugeschrieben wurden, betrieben, bevor sie diese mit in ihre Heimat fortschafften. In der rhetorisch gestalteten Textpassage wird die Tätigkeit von Thales und Pythagoras in Ägypten als eine „Sammlung“ (Ν) von Wissenschaften und wörtlich als ein „Zusammenlesen“ (..=0) beschrieben. Von dem Erfindungsgeist, der den beiden frühgriechischen Denkern von anderen Autoren zugesprochen wird,223 ist bei Kyrill ausdrücklich nicht die Rede; vielmehr wird ihr Aufenthalt in Ägypten neben dem Aspekt des Sammelns durch das Weg- und Fortschaffen der Wissenschaften gekennzeichnet. Die Argumentation Kyrills, die sich auf bereits bekannte Elemente der griechischen Tradition berufen kann,224 versucht die These der Abhängigkeit der griechischen Weisen und der Philosophie von der östlichen Weisheit plausibel erscheinen zu lassen. * Kontext zu Th 375 Im Anschluss an die chronologische Argumentation vergleicht Kyrill die „hebräische“ mit der griechischen Theologie (Juln. 1.22–49). Zuerst geht er auf die Überlieferung der mit Abraham und Moses beginnenden hebräischen Theologie (Juln. 1.22–34) ein. Bevor er auf die Theologie der griechischen Tradition (Juln. 1.35–49) zu sprechen kommt, bemerkt er zusammenfassend, dass er noch vieles über „unsere heilige Religion“ ()« "« π !«) und die „untadellose Lehre“ ($(& =«) über Gott anführen könne.225 Die griechische Tradition beginnt für Kyrill mit Or- 222 223 224 225 %. 4%0( 9 1, %0(« % λ 0 M((«. Cf. LSJ s. v. !«, easy to count, i. e. few in number; wörtlich: „nicht leicht zu zählende“ oder „nicht wenig“ Zeit. Cf. z.B. Strabon Th 81 und Heron Th 93. Cf. dazu Sim. ‚ägyptischer Einfluss‘ und ‚Urheber der Naturphilosophie/Geometrie‘. Cf. Juln. 1.34 P.1 ξ σ Ρ 1« 9« /%1 %! )« "« π !« λ $(& =« b /%λ ) %0( " L) %%&, 8.%µ . Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 301 pheus (Juln. 1.35) und Homer (Juln. 1.36). Nachdem er bei beiden Dichtern monotheistische Bezüge ausgemacht hat, kommt er auf die so genannten Sieben Weisen zu sprechen (Juln. 1.38).226 Sie werden von Kyrill an dieser Stelle (Juln. 1.37) als „die Hochmütigen“ (@« *«) und „nach unten Herabblickende“ ((φ(«) charakterisiert (Juln. 1.37), die bei den jungen Griechen aufgrund ihrer „Scheinweisheit“ (φ!«) in besonderem Ansehen stünden.227 Kyrill beruft sich im Folgenden explizit auf Porphyrius und auf das erste Buch seiner Philosophiegeschichte. Er wird charakterisiert als einer, der sich mit spitzen bzw. bitteren Worten (² %@« π 8« .«) gegen die christliche Religion gewandt habe.228 Porphyrius nenne den Grund (/= 9!« »), weshalb sich die so genannten Sieben „Weisen“ diesen Namen (κ 0 .)) angeeignet hätten. Darauf zitiert Kyrill die ätiologische Erklärung (eine Variante der Dreifußgeschichte) bezüglich der Sieben (bzw. neun) Weisen. Im Anschluss an das Zitat aus Porphyrius führt Kyrill (Juln. 1.38) drei Lehrsätze (=) über Gott an, die auf Thales, Demokrit und Anaximander zurückgehen sollen.229 In Juln. 1.39 referiert Kyrill zwei weitere Meinungen über Gott, die er (in Anlehnung an Ps.-Plutarch) Aristoteles und den Stoikern zuschreibt. Th 375 Kyrill, Contra Iulianum 1.38, 544D-545B Pφ« ξ σ, ² %@« π 8« .«, λ )« X !« 8λ 8«, @« k« „φ«“, µ $µ `« 4%0, κ 0 .) 4%0 φλ /= 9!« »α 0φ ξ J(« / ) %;) ( **.!) ( )« „R.φ ¹!«“ [= Porph. Fr. 203 F, 425 F Smith]α „E ξ `(, 4% .) „φ@«“ /= 9!« «. >A.(« *. !« $% 98(, * 8" !% / ) *.) ( )α " ξ 4.(« 98"«, $.. κ !% %% .«, λ !( 9« κ 8 $φ( κ J, D= ) ) κ ! 226 227 228 229 Bereits in Juln. 1.25 zitiert Kyrill einen längeren Abschnitt aus dem ersten Buch der Philosophiegeschichte des Porphyrius zu den so genannten „Weisen“, die sich wegen der Schwierigkeiten bei der Bestimmung der ersten Prinzipien auf die Zahlen zurückgezogen hätten, insofern sich diese leicht lehren ließen. Darin hätten sie sowohl die Gemeter als auch die Grammatiklehrer nachgeahmt. Juln. 1.37 […] F( ξ λ /%’ @« Q @« *@« λ (φ(«, φ!« = .8« $) %0 1« >E..&( %!. In Juln. 1.39 wird Porphyrius als „der Übermütige gegen uns“ (² @« ’ π Pφ«) bezeichnet. Cf. dazu Ps.-Plutarch Plac. 1.7 T!« ² « (881D-882A). 302 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert /%?α [545A] " ξ 8&« µ !% ) „φ) “, L0. %;) ( ² !%« %8, ² ξ %µ« B! $%%?, /1 φ0« ρ µ φα ² ξ %µ« U %%, $1« %µ« Ν.., U(« 9« @« 4% " !%« /%8« λ %0. %?« /%λ µ % , D= $1 ) ) α " ρ %0( µ φ;.“ >O%1 ! ¹ = , /%λ " ..= %µ« π α L0.« ξ σ ² M.&« " " φλ ρ µ , « ξ ² #A*!« φ 0 , %%0 λ Uα " ξ ρ µ µ 98!' λ «, %.κ / %λ φ1, λ µ ρ κ " ?8&. #A=!« ξ ρ —% ².%(« 4 [545B] 9Ω µ !' ρ @« $%!« «, ρ’ Ρ .(. Th 375 Kyrill, Gegen Julian 1.38, 544D-545B (cf. Th 245) Porphyrius nun, der bittere Reden gegen uns ausschüttete und gleichsam über die Religion der Christen triumphierte, sagt, dass die so genannten „Weisen“, die sieben an der Zahl waren, sich eben diesen Namen aus einem solchen Grund aneigneten. Im ersten Buch der ‚Geschichte der Philosophie‘ schreibt er Folgendes: „Obgleich es neun waren, wurden sieben aus dem folgenden Grund als „Weise“ bezeichnet: Als ein Fischer seinen Fischfang an junge Leute verkaufte, geschah es, dass ein goldener Dreifuß im Netz gefunden wurde. Weil der Fischer sagte, dass er zwar die Fische, nicht jedoch den Dreifuß verkauft habe, und die jungen Leute den Fund auf ihr eigenes Glück zurückführten, schien es am besten, das Urteil dem Gott zu überlassen. Da er jedoch durch sein Orakel erklärte, den Dreifuß dem „Weisen“ zu geben, wurde der Dreifuß Thales als Erstem angeboten; der aber schickte ihn fort zu Bias, weil er meinte, dass jener der Weise sei. Der aber schickte ihn zu einem anderen, und auch jener wieder zu einem anderen, solange, bis der Dreifuß zu den Sieben herumgeführt worden war und wieder zum Ersten zurückkehrte, und es am besten schien, ihn dem Gott zu weihen. Denn dieser sei von allen der Weiseste.“230 Welches ihre Ansichten waren, soll bei dieser Gelegenheit gesagt sein. Thales aus Milet behauptet, dass Gott der Geist des Kosmos ist; Demokrit von Abdera stimmt in gewisser Hinsicht überein,231 er fügt aber noch etwas Weiteres hinzu. Auch er behauptet fest, dass Gott der Geist sei, nur [befinde er sich] in einer Feuersphäre und sei die Seele des Kosmos. Anaximander 230 231 Übersetzung Schwab. Cf. DK II 68 A 74. Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 303 geht irgendwie einen ganz anderen Weg und definiert Gott als die unendlichen Welten – ich weiß nicht, aufgrund welcher Überlegung. Attribute Einer der Sieben Weisen Dreifußerzählung Variante: Fischer – Thales als Weiser – Bias – etc. – Thales Gott [als Geist des Kosmos] Milet Funktion der Bezugnahme Bemerkenswert sind (1) neben der Bezugnahme auf Porphyrius und der ätiologischen Erzählung die darauf folgenden (2) Meinungen (=) über Gott, die Thales, Demokrit und Anaximander zugeschrieben werden. (1) Zu der aus Porphyrius zitierten Erzählung vom Dreifuß, welche die Namensgebung der Sieben Weisen erklären soll, sind zwei Aspekte zu bemerken: (a) Der Informant Porphyrius, auf den sich Kyrill explizit beruft, stellt als erklärter Gegner der christlichen Religion eine nicht-christliche Quelle und Autorität dar; insofern Kyrill das Zitat in seine Argumentation einbaut, ist besonders nach der Funktion und der Bedeutung des Zitates (Ätiologie der Bezeichnung „Sieben Weise“) für die weitere Argumentation Kyrills zu fragen. (b) Die so genannten Sieben Weisen zeichnen sich nach der Erzählung bei Porphyrius gerade dadurch als Weise aus, dass nach der einmal erfolgten Weitergabe des Dreifußes der Erste unter ihnen, Thales, diesen dem Gott ) ).232 Die Erzählung schließt mit dem eine Begrünweiht ($1 ) dung (0) enthaltenden Satz, dass der Gott der Weiseste von allen sei (" ρ %0( µ φ;). Diese Vorstellung kann im Kontext der Argumentation Kyrills zum einen so verstanden werden, dass die Weisheit der Sieben Weisen sogleich im Hinblick auf Gott relativiert wird; zum anderen wird damit zu Beginn vor den zu behandelnden Philosophen angezeigt, dass zumindest die frühgriechischen Weisen noch wussten, wem eigentlich die Weisheit zuzuschreiben ist. (2) Im Anschluss an die Erzählung führt Kyrill drei Meinungen über Gott an, die Thales, Demokrit und Anaximander zugeschrieben werden. 232 Cf. zu der Erzählung des Dreifußes z.B. auch Kallimachos Th 52 und Valerius Maximus Th 95. 304 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert (a) Die Äußerungen Kyrills haben eine große Ähnlichkeit mit den Thesen, die bei Ps.-Plutarch Plac. 1.7, unter dem Lemma T!« ² « (881D-882A)233 angeführt werden. Die Thales zugeschriebene These bei Kyrill unterscheidet sich aber vom Text des Ps.-Plutarch sowohl in der Kennzeichnung des Thales (als „der Milesier“) als auch durch die Verwendung des bestimmten Artikels vor . Ein weiterer Unterschied liegt in der Reihenfolge der Doxai bei Kyrill gegenüber denen bei Ps.-Plutarch (Thales-Anaximander-Demokrit). Kyrill ist an dieser Stelle ausführlicher als Ps.-Plutarch und gibt in eigenen Worten das wieder, was bei Ps.-Plutarch in aphoristischer Kürze steht. Wichtig ist die ausdrückliche Nennung Plutarchs in Juln. 1.39 neben Porphyrius als möglicher Quelle Kyrills.234 Die Thales zugeschriebene These, dass Gott der Geist des Kosmos sei, wird zuerst referiert (cf. Sim. ‚Gott [als Geist des Kosmos]‘). Sie wird verbunden mit der Demokrit zugeschriebenen These. Demokrit stimme mit Thales bis zu einem gewissen Punkt überein, füge jedoch einen anderen Aspekt hinzu (%%0 λ U). Er bekräftige (98!') wie Thales, dass Gott Geist sei, dieser Geist befinde sich jedoch in einer Feuersphäre und sei die Seele der Welt (µ ρ κ " ?8&). Anaximander schlage einen radikal anderen Weg ein (—% ².%(« 4), indem er für sich bestimme (!'), dass Gott die unendlichen Welten sei. (b) Kyrill enthält sich an dieser Stelle einer expliziten Stellungnahme gegenüber den Thesen, die er zu Thales und Demokrit referiert. Bei der These hingegen, die er Anaximander zuschreibt, deutet er gewisse Verständnisschwierigkeiten an ( ρ’ Ρ .(, „ich weiß nicht, was er damit sagen will / meint“). Es folgen Aussagen zu Aristoteles und den Stoikern. Eine klare und wertende Stellungnahme zu den beiden Milesiern findet sich wenig später in Juln. 1.40 (Th 376), wo Thales und Anaximander als „sinnlose Schwätzer“ bezeichnet werden. * 233 234 Cf. Ps.-Plutarch Th 149. Juln. 1.39 0φ ξ %λ ( P.8« λ U % ’ 1« .0(, λ ² @« ’ π Pφ«. Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 305 Kontext zu Th 376 Kyrill weist in Juln. 1.39 auf die Uneinigkeit der Meinungen bei den griechischen Philosophen hin235 und betont im Gegensatz dazu die Übereinstimmung, die er in den Anfängen der christlichen Tradition bei den ersten Lehrern bezüglich der heiligen Lehren festzustellen meint.236 In Übereinstimmung mit Moses sollen alle eine Lehre über Gott gelehrt haben – bis zu den Aposteln und den Evangelisten.237 Im Zentrum des Interesses (Juln. 1.40) steht die richtige Auffassung des als transzendent verstandenen Gottes. Th 376 Kyrill, Contra Iulianum 1.40, 545D–548A E9 κ *. « σ 0. 1 µ \ « λ $*&.(« D8 . %λ " %0( /% L", κ !« s 9= = [548A] λ s 40 %"; L0.« ξ λ #A=!«, U! W $!(« , 9) %φ.« 4.1 Ν. Th 376 Kyrill, Gegen Julian 1.40, 545D–548A Denn wenn man unbedingt einen geraden und unverfälschten Begriff des alltranszendenten Gottes erhalten wollte, wessen Lehre sollte man dann annehmen, ohne das Ziel zu verfehlen? Denn Thales und Anaximander und 235 236 237 Juln. 1.39 7A ’ σ 0φ ξ $..&.« 9!, 8λ ξ ».. ν )« $.!« ;« ¹ %.%« J( =« «; K! @« $. « λ $%. « /(« ’ % 1« $..&.( /!« /8) $φ, 0% $. λ /φ’ π D 91. Gegen den möglichen Einwand (Juln. 1.39 #A..’ /1 %µ« ", ρ!, «α „T! σ, τ »; O ¹« 9λ %..λ λ % ’ 1 1«, λ 8!'! « 9« µ U0 λ U φ1 λ .;“), dass es auch in der christlichen Tradition sowohl viele divergierende Richtungen (¹«, „Häresien“) als auch einige gebe, die sich abgespalten hätten (8!'! «), lenkt Kyrill in seiner Entgegnung die Aufmerksamkeit auf die Zeit der ersten Lehrer bezüglich der heiligen Lehren (Juln. 1.39). Er vertritt die These Juln. 1.40, dass sie alle darin übereinstimmten, dass es „einen Gott gebe, der über allen und durch alle und in allem“, der „ohne Anfang und ewig“ sei, „ungeschaffen, unvergänglich, der Leben sei und Leben hervorbringe, der Schöpfer von Himmel und Erde und insgesamt von allen Dingen darin“. Cf. Juln. 1.40 6E %0« ²." µ /%λ %0« λ %0( λ / %» L, Ν8 λ $u, $, Νφ, '(κ λ '(%, " λ )« %κ λ ..&* 4%0( / 1«. Cf. auch Juln. 1.39 O U ² M()« %φ, ¹ ξ ’ µ 8 1« " 08, $..’ g«, ³« Dφ, % %0( %λ L" .« 8 4!( $%.( λ . . 306 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert andere, die wir eben erwähnt haben, dürften sich als sinnlose Schwätzer erweisen. Attribut Thales und Anaximander als Schwätzer in theologischen Belangen Funktion der Bezugnahme Kyrill vertritt die These, dass sich Thales, Anaximander und andere zuvor Genannte (U! W $!(« )238 als „sinnlose Schwätzer“ (9) %φ.«) erweisen würden. Trotz der zuvor bezeugten Kontakte des Thales zu Ägypten (cf. Th 374) wird er in diesem Zusammenhang mit Anaximander abwertend behandelt, während im Gegensatz dazu namentlich Pythagoras und Platon eine besondere und auch positive Rolle aufgrund ihrer intensiven Beziehungen und Kontakte zu Ägypten zugewiesen wird. Die zuletzt Genannten bezeichnet Kyrill als äußerst wissbegierig (φ.0( ` λ φ.u).239 Beide hätten die $& (Tugend) des Moses erkannt, die nach Kyrill auch von den Ägyptern über die Maßen bewundert worden sei.240 Die unterschiedliche Beurteilung von Thales und Anaximander im Vergleich zu Pythagoras und Platon gibt zu erkennen, dass die Verbindung des Thales mit Ägypten allein noch zu keiner positiven Bewertung durch Kyrill führt. Pythagoras und Platon zeichnen sich gegenüber den anderen Philosophen nach Kyrill besonders dadurch aus, dass sie einen angemesseneren (/%) Begriff von Gott (µ %λ L" .) als die anderen haben.241 Weitere Gründe für den Unterschied, der zwischen Thales und den anderen beiden „Ägypten-Kundigen“ von Kyrill markiert wird, liegen vermutlich einerseits im Hinblick auf die Lehre (1) in den immateriellen metaphysischen Grund238 239 240 241 Cf. Juln. 1.38–39: Demokrit, Aristoteles und die Stoiker. Zu beachten ist die alliterierte U 1-Konstruktion (φ.0( ` λ φ.u). Cf. Juln. 1.40 P« ξ λ P.0(, φ« / A9%) ( λ %..1« 1« %80«, Ϊ κ φ.0( ` λ φ.u, 0 κ M((« $&α f A9%!« ’ µ / !) ( . Cf. Juln. 1.40 #E" ρ µ %λ L" . $?(« /« /% %(« % @« Ν..« %λ " =0 λ κ λ 4. φ1. Kyrill weist Juln. 1.40 auch auf eine Tradition von Philosophen in Athen hin, welche die wahren Positionen von Pythagoras und Platon verstanden habe. Zu Pythagoras’ und Platons’ Auffassung von Gott nach Kyrill cf. Juln. 1.42–43, zur Konzeption des Heiligen Geistes bei Platon cf. Juln. 1.47–48. Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 307 überzeugungen von Pythagoras und Platon im Gegensatz zu einem materialistischen Monismus von Thales sowie andererseits (2) in der allgemeinen Hochschätzung der beiden Philosophen Pythagoras und Platon in der Kaiserzeit und Spätantike.242 * Kontext zu Th 377 Im zweiten Buch greift Kyrill den Vorschlag Julians auf, sich in methodischer Hinsicht einen Gerichtshof vorzustellen, in dem über Wahrheit und Falschheit der Aussagen entschieden werde.243 Kyrill konstatiert zum einen Julians „maßlose Kritik ( ! […] κ 0) an dem umfassend weisen Moses und seiner Schrift“ ( " %φ M((« λ )« " φ)«), und betont zum anderen dessen Bewunderung für die Lehren der griechischen Weisen, besonders für die Lehre Platons.244 Kyrill will nun im Gegenzug (Juln. 2.14) erneut (%0.) die verschiedenen Meinungen der Philosophen über die Erschaffung der Welt „aus ihren Büchern“ (/ % ’ 1« **.!() vorstellen und diese darauf (ρ) der „Kosmogonie des Moses“ (κ M((« ), d.h. dem Schöpfungsbericht des Alten Testamentes, gegenüberstellen.245 Der Leser solle „das Geschwätz“ (² .)«) „ihrer Wortklauberei“ ()« /!( .8!«) im Vergleich mit der Reinheit (µ $φ«) der Schriften des Moses im Hinblick auf die Wahrheit (9« $.&) sehen.246 242 243 244 245 246 Cf. dazu Riedweg (2007) und Staab (2002). Cf. zur Methode Kyrills im zweiten Buch Malley (1978) 248–251. Cf. Juln. 2.13 P.1 ξ σ Ρ ’ π % ’ /!α $.1 ξ .! λ " %φ M((« λ )« " φ)« ! %1 κ 0. Rλ µ )« %!« **.! 9%1 ξ Ρ.(« $. , J.« ξ 4%. « φ) «, λ ψ ξ f 9µ« " %µ« $= ., " κ %0 %& % ’ , 9) ξ 4%. « /?) ( = . φ λ $=0. T ( =«, 0. ξ Ν..( ξ % ’ 6E.. φ « /%λ ) φ!« λ « κ P.0(« φ1. Cf. Juln. 2.14 X) ξ ρ %1 %0. / % ’ 1« **.!( $%.=0 κ 40 =, b D8 =! %λ )« " )«, ρ κ M((« $%1α […]. Cf. Juln. 2.14 \φ& J( 1« /=« λ )« /!( .8!« ² .)« λ M((« 0( µ $φξ« 9« $.&. 308 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Th 377 Kyrill, Contra Iulianum 2.14, 571D-572A P.8« !, $κ % ’ 1« Ν« ;«, / ) ) ( **.!) ( )« ‚R 0(‘ ()«, J( φλ %λ " α „P« % « k κ Ρ.( %8κ ‚‘ / )« / ) 0=(«. L.)« λ ¹ $%’ " U µ .“ Th 377 Kyrill, Gegen Julian 2.14, 571D-572A Plutarch, ein Mann, der bei ihnen nicht unbedeutend war, äußert sich im zweiten Buch seiner Sammlung der Lehren der Physiker [oder der Physikalischen Lehren] folgendermaßen über den Kosmos: „Pythagoras benannte als Erster die Umfassung des Alls ‚Kosmos‘ infolge der in ihm enthaltenen Ordnung. Thales und seine Schule nahmen an (Th 155), dass es einen Kosmos gebe.“ Attribut Ein Kosmos Funktion der Bezugnahme Kyrill spricht in Th 377 ausdrücklich davon, dass er sich auf das zweite Buch der Sammlung der Lehren der Physiker bzw. der physikalischen Lehren247 des Plutarch, „des bei ihnen nicht unbedeutenden Mannes“ ($κ % ’ 1« Ν«), stützen werde. Im Folgenden führt er in (fast) wörtlicher Übereinstimmung mit Ps.-Plutarch zuerst die sieben Lemmata unter der Überschrift %λ " an.248 Pythagoras wird genannt, der als Erster die Masse des Universums aufgrund seiner Ordnung als „Kosmos“ bezeichnet habe. Darauf wird Thales zusammen mit „denjenigen“ genannt, die nach ihm bzw. ihm folgend (λ ¹ $%’ ") den Kosmos als einen bezeichnen. Es folgen Thesen von Demokrit, Epikur, Empedokles und weiteren, bevor, wie bei Ps.-Plutarch Plac. 2.2, verschiedene Thesen über die Gestalt des Kosmos (%λ " 8&« " ) vorgestellt werden.249 Nach der Präsentation weiterer doxographischer Materialien wendet sich Kyrill (Juln. 2.16) mit einem Appell an die Leser: 247 248 249 Cf. zum Titel Mansfeld/Runia (1997) 121–122. Cf. zu den Abweichungen von Ps.-Plutarch Mansfeld/Runia (2009) 306–322, 307. Juln. 2.15 Eρ %λ " 8&« " W %0. φ!α Cf. dazu Mansfeld/Runia (2009) 323–330. Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 309 Hört zu, ihr Männer, dann werdet auch ihr verstehen, wieviel Geschwätz darin ist. #A, τ Ν«, λ ! .%µ %« / « ² .)«. Durch den Nachweis der Verschiedenartigkeit der Meinungen und Thesen versucht Kyrill zu zeigen, dass die Philosophen den Eindruck erwecken, vielmehr nach der Wahrheit zu suchen (8λ »..), als dass sie diese kannten (λ )« $.!« /%&«).250 * Kontext zu Th 378 Im sechsten Buch versucht Kyrill gegenüber Julian zu zeigen, dass Moses und die übrigen Heiligen des Alten Testamentes die griechischen Philosophen (wie Sokrates und Platon), Gesetzgeber (Lykurg) und Weisen (Thales) weit übertreffen. Auch die besten Könige der Griechen, Römer und anderer Völker stünden den Königen der Juden nach. Zu Beginn des sechsten Buches (Juln. 6.183A) lenkt Kyrill durch ein Zitat aus der Heiligen Schrift (Spr 18,21)251 die Aufmerksamkeit auf die (ambivalente) Macht der Sprache. Er macht Julian den Vorwurf (Juln. 6.184B), dass er, obgleich er eine wohlgeordnete Sprache habe (! φ» ξ D8( κ . ), gegen die Heilige Schrift rede ()« ¹»« φ)«) und besonders häufig unverschämt gegen die große Anzahl der Heiligen spreche ()« 4!( %.« λ 0. 8 «). Nachdem Kyrill im Folgenden nochmals die Rede und Rhetorik Julians durch zwei Bezugnahmen auf Psalm 52252 (Ps 52,3 und Ps 52,6) auf polemische Art und Weise charakterisiert hat, behauptet er, dass Julian am meisten „gegen die Schrift des weisesten Moses schreie“ ()« " %φ M((« φ)«). 250 251 252 Cf. Juln. 2.16 T1« $..&.( $0 =«, " $1 φ 4%. « λ $%(« µ 40) ( " /, % « s ρ 1 8λ ».., λ )« $.!« /%&«; Spr 18,21 in der Übersetzung von Luther: „Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt; wer sie liebt, wird ihre Frucht essen.“ Ps 52 trägt in der Einheitsübersetzung die Überschrift „Gericht über den Mann der Lüge“. 310 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Th 378 Kyrill, Contra Iulianum 6.184B-D = Th 297253 (= Julian, Contra Galilaeos Fr. 39 Masaracchia) #A..’ 9@ κ λ " g« Q %1% U %λ« J( φ!α % σ 8& ’ Ν \0' λ /% ν @« $;%«, g P.0(, (0, #A!, K!(, L.), ", #A!., #A8!, ν ».. µ φ.φ( «, µ , µ , µ ; & ¹ 8 λ *.; /% 80 1« ν M()« 1« ξ /=. #A9» ξ σ, —« ρ, %0. µ %8) !« @« $% M(* , ³« φ« 1« /= #Iκ. !( 4', ψ 1« (0( —« 9« $. &« %µ ) , λ 1« )« $%0(« /.& /1 @« $%(« .) % ) B.φ;. Th 378 Kyrill, Gegen Julian 6.184B-D254 Aber nun fügt er [Julian] dem, was er schon früher gesagt hat, noch anderes hinzu und sagt (Th 297): „Soll ich nun einzeln die Lebensweisen oder die Männer durchgehen, wie Platon, Sokrates, Aristides, Kimon, Thales, Lykurg, Agesilaos, Archidamos, oder eher den Stand der Philosophen, der Heerführer, der Künstler, der Gesetzgeber? Es wird sich herausstellen, dass gerade die unredlichsten und verbrecherischsten Heerführer diejenigen, die am meisten Unrecht getan hatten, freundlicher behandelten als Moses diejenigen, die sich in keiner Weise vergangen hatten.“ Er [Julian] klagt nun wieder, wie ich freilich glaube, an, dass die Moabiter dafür büßen mussten, dass sie den Israeliten Dirnen zugeführt hatten, die durch die Reize ihrer Körper unzählige der Kinder Gottes mit den Fesseln der Lust banden und sie, nachdem sie durch Betrug in die Schuld der Abtrünnigkeit verstrickt waren, dahin brachten, sich dem Beelphegor zu weihen. 253 254 Vgl. Fr. 33 und 37 Masaracchia (1990). Wöhrle (2009) bemerkt dazu, 301: „Eine Synkrisis von paganen Heerführern und Mose in Julians Schrift soll die Unterlegenheit des Letzteren erweisen. Der weitere Zusammenhang ist die Diskussion der Providenz Gottes, die sich auf alle Menschen erstrecke und dabei die Heiden bevorzuge (so in Fr. 37). Kyrill greift dabei im Folgenden Fr. 33 auf (daher hier „palin“), wo Julian die Geschichte Numeri 25 als Belege für die jüdisch-christliche Vorstellung eines zornigen Gottes herangezogen hatte, die er als Platoniker ablehnt. Kyrill hatte die Moabiter-Episode dementsprechend bereits in Buch 5, PG 76, 752A-B behandelt. Hier nun dient sie Julian (offenbar nur implizit, daher „hos ge oimai“) als Illustration für die Grausamkeit Moses’.“ Kyrill von Alexandrien (Th 373–378) 311 Attribut Herausragend Funktion der Bezugnahme Kyrill wendet sich darauf mit der Aufforderung an den Leser, dass dieser nun sehe, wie Julian dem, was er schon früher gesagt habe (Q %1%), noch anderes hinzufüge (U %!«) und folgendermaßen rede (Κ( φ!). Es folgt das Zitat aus der Schrift Contra Galilaeos des Kaisers (= Th 297). Thales wird in diesem Zusammenhang mit einer Reihe von berühmten Philosophen, Rednern, Herrschern und Gesetzgebern genannt. Literatur Burguière, P., Évieux, P., Cyrille d’ Aléxandrie. 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Staab, G., Pythagoras in der Spätantike. Studien zu De Vita Pythagorica des Iamblichos von Chalkis, München/Leipzig 2002. 312 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert 4.5 Sidonius Apollinaris (Th 385–389) Der aus Lyon stammende Gaius Sollius Apollinaris Sidonius, Schwiegersohn des weströmischen Kaisers Avitus, gilt als „der bedeutendste lateinische Dichter und Prosaschriftsteller der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts in Gallien“.255 Nachdem er noch im Jahre 468 unter Kaiser Anthemius in Rom das Amt des praefectus urbi innegehabt hatte, wurde er wahrscheinlich ein Jahr später Bischof der Stadt Arverna, des heutigen Clermont-Ferrand. In dieser Position beteiligte er sich maßgeblich an der Organisation des Widerstandes gegen die westgotische Besatzung.256 Während vier Zeugnisse über Thales in seinen Gedichten stehen, enthält auch einer seiner literarischen „Kunstbriefe“ eine Bezugnahme auf Thales.257 Sidonius Apollinaris, Carmina Bei den 24 carmina, die im Jahre 468 publiziert wurden, handelt es sich lediglich um eine Auswahl an Gedichten, die Sidonius vermutlich noch vor seinem Eintritt in den geistlichen Stand veröffentlichte.258 Während die carmina 1–8 in enger Verbindung mit seiner römischen Karriere stehen, geht es bei den carmina 9–24 – die meisten davon sind Gelegenheitsgedichte – um Personen und Ereignisse in Gallien. Harries bemerkt treffend: „Office in Rome and aristocratic otium in Gaul, the twin preoccupations of Sidonius’ life, were reflected in the division of the two parts of the carmina itself.“259 Die Bezugnahmen auf Thales finden sich zum einen in carmen 2, dem Panegyrikus auf den weströmischen Kaiser Anthemius (um 420–472, Reg. 467–472), zum anderen in den carmina 15 und 23. 255 256 257 258 259 Delhey (1998) 42–43, 43. Cf. ebd. 43. Als dann jedoch Eurich, König der Goten, im Jahre 474 Arverna eroberte, nahm er Sidonius gefangen. Einige Jahre später wurde Sidonius wieder entlassen und konnte auf seinen Bischofssitz zurückkehren. Cf. Loyen (1970) VIII: „Les lettres de Sidoine ne sont pas de vraies lettres comportant une réponse, mais appartiennent au genre que les Anciens désignaient par les expressions accurate ou curatius scriptae litterae et que la critique moderne appelle „la lettre d’art“. Peu importe que certaines d’entre elles aient été vraiment envoyées à des correspondants; la discussion à ce sujet est vaine. L’essentiel est de savoir que toutes sans exception ont été écrites ou du moins revues et corrigées pour la publication, le nom de l’ami qui figure en tête étant plus une dédicace qu’une adresse.“ Zu Sidonius und dem „esprit précieux aux derniers jours de l’Empire“ cf. Loyen (1943) 124 und 129. Cf. Harries (1994) 3–10, 3–4. Cf. Harries (1994) ebd. 7. Sidonius Apollinaris (Th 385–389) 313 Kontext zu Th 385 Das carmen 2 stellt einen Panegyrikus auf den weströmischen Kaiser Anthemius dar, den Sidonius am 1. Januar 468 in Rom gehalten hatte.260 Auf die fünfzehn Distichen umfassende Einleitung261 folgt der Panegyrikus, der aus 548 Hexameterversen besteht. In seinem Lob auf den Herrscher geht Sidonius zuerst auf dessen Vorfahren, namentlich Prokopius, den Vater des Anthemius, sowie die Wunder, die sich bei seiner Geburt zutrugen, ein. Darauf kommt er auf dessen Ausbildung, seine eheliche Verbindung mit Euphemia, der Tochter des Kaisers Marcianus, und seine Kriegstaten zu sprechen.262 Im Anschluss an die phantasiereiche Schilderung seiner Geburt, Kindheit und Jugend kommt Sidonius in den Versen 155–192 auf die Ausbildung des Anthemius zu sprechen.263 Sidonius bemerkt zuerst (v. 156), dass der von ihm gepriesene Kaiser die „ueteres sophistas“, die alten Weisen, gehört habe. Thales wird als erster von diesen mit einer Spruchweisheit angeführt. Th 385 Sidonius Apollinaris, Carmen 2.156–163 (ed. Loyen) Nec minus haec inter ueteres audire sophistas: Mileto quod crete Thales uadimonia culpas, Lindie quod Cleobule canis: „modus optimus esto“, ex Efyra totum meditaris quod Periander, Attice quodue Solon finem bene respicis aeui, Prienaee Bia, quod plus tibi turba malorum est, noscere quod tempus, Lesbo sate Pittace, suades, quod se nosse omnes uis, ex Lacedaemone Chilon. Th 385 Sidonius Apollinaris, Gedicht 2.156–163 Und er hörte nicht weniger dies unter den alten Weisen: Dass du, Thales, Spross aus Milet, tadelst die Bürgschaftsleistung, dass du, Kleobulos, aus Lindos, preisest „das Beste sei das Maß“, dass du, Periander aus Efyra, das Ganze bedenkst, und dass du, Solon aus Athen, den Blick auf ein gutes Lebensende richtest, dass dir, Bias von Priene, die Volksmenge mehr ein Übel ist, dass du, Pittakos, Spross von Lesbos, dazu rätst, die Zeit zu erkennen, und dass du, Chilon aus Lakedaimon, willst, dass alle sich selbst erkennen.264 260 261 262 263 264 Cf. Loyen (1960) 171 Anm. 1, zu den historischen Hintergünden ders. (1967) 85–95. Carm. 1 Praefatio Panegyrici Dicti Anthemio Augusto Bis Consuli. Cf. Schanz/Hosius (1959) 48. Cf. carm. 2.193 His hunc formatum studiis […]. Übersetzung Schwab. 314 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Attribute Milet Einer der Sieben Weisen Spruchweisheit „Bürge nicht“ Funktion der Bezugnahme Die milesische Herkunft des Thales (Mileto) wird zuerst genannt. Auf seinen Namen folgt die ihm zugeschriebene Spruchweisheit zum Tadel an der Leistung von Bürgschaften: uadimonia culpas (griech: / φ).265 Ebenso in Verbindung mit einem Ort und einem Ausspruch werden die folgenden Weisen genannt: Kleobulos, Periander, Solon, Bias, Pittakos und Chilon. Auf die Frage nach der Funktion dieser Bezugnahme auf Thales sind mindestens drei Aspekte zu nennen. (1) Zuerst ist festzustellen, dass Thales als ein fester Bestandteil der Gruppe der Sieben Weisen hier angeführt wird. Das Zeugnis über Thales ist damit Teil einer Bezugnahme auf ein klar umgrenztes Kollektiv. (2) Im Vordergrund steht das Lob der griechischen Bildung, die Sidonius Anthemius zuschreibt. Der Katalog der Sieben Weisen und ihre Lehrsätze, die Anthemius gehört haben soll, sind ein ornamentaler Bestandteil dieses Lobes. (3) Indem Sidonius auf diese Art und Weise die Bildung des Kaisers besingt, stellt er zugleich seine eigene Bildung und Kenntnis der griechischen Philosophie und Literatur unter Beweis. Bei dieser Kenntnis scheint es sich um ein Basiswissen in antiker Philosophie und Literatur zu handeln, das an entsprechender Stelle rhetorisch passend eingeflochten und in Szene gesetzt werden konnte.266 Zwei weitere Beispiele dieser Art finden sich in carmen 15 (= Th 386 und Th 387).267 * Sidonius Apollinaris, Carmen 15 Das Hochzeitsgedicht (Epithalamium) auf den Philosophen Polemius268 und dessen Braut Araneola stellt ein besonderes Gedicht dieser Art dar, 265 266 267 268 Cf. Anthologia Palatina 9.366 (= Th 89). Cf. dazu auch Gualandri (1979) 145–146. Cf. auch Ausonius Ludus sept. sap. 26.69–70 (= Th 294) und 26.162–188 (= Th 295). Polemius war ein Anhänger der neuplatonischen Philosophie, Redner und Dichter sowie für zwei Jahre (wahrscheinlich 473–475) Prätorianerpräfekt von Gallien, cf. den Brief des Sidonius an ihn (ep. 4.14) und Loyen (1943) 84–85. Sidonius Apollinaris (Th 385–389) 315 ein ‚philosophisches Epithalamium‘.269 Sidonius rechtfertigt sich zuerst in einem an Polemius adressierten, prosaischen Brief (carmen 14)270 für seine poetische Unternehmung und stellt dem eigentlichen Gedicht, das aus 201 Hexametern besteht, eine metrische Praefatio271 voran. In diesem Gedicht für die Brautleute, die beide dem gallischen Hochadel angehören, finden sich zwei Bezugnahmen auf Thales. Kontext zu Th 386 Das Gedicht setzt mit dem Auftritt der Göttin Pallas Athena, der Göttin der Künste und des Handwerks, ein (vv. 1–35). Im Folgenden stehen zwei imaginäre, der Göttin Pallas Athena geweihte Tempel in oder nahe Athen (v. 36, hic duo templa micant)272 im Zentrum des Gedichtes, wovon einer den Philosophen gewidmet ist, die mit ihren Lehrsätzen vorgestellt werden (vv. 36b-125); der andere Tempel (textrinum Mineruae, v. 126), welcher dem textilen Kunsthandwerk gewidmet ist, zeigt in Anspielung auf den Namen der Braut (Araneola, Deminutiv von aranea = eine niedliche Spinne) 273 kostbar gefertigte Teppiche (vv. 126–195). Beide Bezugnahmen auf Thales stehen im Zusammenhang mit der Beschreibung des ersten Tempels der Forschenden und Philosophen. Sidonius charakterisiert diese Männer (uiros) in den Versen 37b-41 als Forschende (scrutantes), die mit höchster Vernunft und Berechnung (alta […] ratione) die verschiedenen Elemente sowie die irdischen und himmlischen Naturphänomene (wie z.B. den Wechsel von Tag und Nacht) ergründeten. Er schildert, dass sich in diesem Tempel an höchster Stelle (ilicet hic summi) die Sieben Weisen niederließen (resident septem sapientes), die Uranfänge der unzähligen Philosophen 269 270 271 272 273 Cf. dazu Loyen (1960) 107 mit der Überschrift zu carm. 14, dem Brief des Sidonius an Polemius: „Défense du sujet choisi: un épithalame philosophique“. Cf. auch die Einführung des philologisch ausgerichteten Kommentars von Ravenna (1990) 9–18, zum Begriff des Epithalamiums Keydell (1962) 927–943, bes. 939. Keydell bemerkt ebd. 939, dass Sidonius in seinem Epithalamium für Polemius und Araneola „eine Art Parodie“ des mythologischen Epithalamiums wagen konnte. Carm. 14 Sidonius Polemio suo salutem. Cf. dazu Ravenna (1990) 43–48. Carm. 14 Praefatio Epithalamii dicti Polemio et Araneolae. Cf. dazu Ravenna (1990) 49–52. Zu einem Versuch, die beiden Tempel näher zu identifizieren und zu lokalisieren cf. von Premerstein (1912) 1–35, bes. 26–35. Von Premerstein bezeichnete ebd. 26 das Gedicht des Sidonius als „ein bisher noch unbeachtetes Zeugnis für die Topographie Athens im ausgehenden Altertum, besonders für die Lage der Peploswerkstatt“. Anderson (1963) 227 bemerkt zu Premersteins Versuch: „He seriously misunderstands vv. 36f.“ Cf. Cicero nat. deor. 2.123. 316 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert (innumerabilium primordia philosophorum).274 Darauf folgt, ähnlich wie in carmen 2.156–163 (Th 385), eine Aufzählung der Sieben Weisen. Sie wird eingeleitet mit Thales, dem Namen seiner Herkunft (Thales Mileto genitus) sowie einer ihm zugeschriebenen Spruchweisheit. Diese Informationen werden auch für die weiteren sechs Weisen jeweils in einem Vers variierend angeführt (vv. 44–50).275 Th 386 Sidonius Apollinaris, Carmen 15.42–50 (ed. Loyen) Ilicet hic summi resident septem sapientes, innumerabilium primordia philosophorum: Thales Mileto genitus uadimonia damnat; Lindie tu Cleobule iubes modus optimus ut sit; tu meditans totum decoras, Periandre, Corinthon; Atticus inde Solon „ne quid nimis“ approbat unum; Prienaee Bia, plures ais esse malignos; tu Mytilene satus cognoscere, Pittace, tempus, noscere sese ipsum, Chilon Spartane, docebas. Th 386 Sidonius Apollinaris, Gedicht 15.42–50 Hier ließen sich nieder an höchster Stelle die Sieben Weisen, die Uranfänge der unzähligen Philosophen: Thales, ein Spross aus Milet, verurteilt die Bürgschaften, du, Cleobulos von Lindos, befiehlst, dass das Maß das Beste sei, du, Periander, indem du das Ganze bedenkst, ehrst Korinth, darauf der Athener Solon eines empfiehlt: „Nichts zu viel“, du, Bias von Priene, behauptest, dass die Vielen böswillig seien, während du, Pittakos, Gewächs von Mytilene, lehrtest, zu erkennen die Zeit, und du Chilon, Spartaner, dass jeder sich selbst erkennen solle.276 274 275 276 Cf. für die unterschiedlichen Akzente, die bei der Übersetzung des Ausdrucks primordia zur Charakterisierung der Sieben Weisen in Relation zu den zahllosen Philosophen gesetzt werden, (a) die englische Übersetzung von Anderson: „Here, then, are enthroned the Seven Sages, the sources of numberless philosophers“ mit (b) der italienischen Übersetzung von Ravenna: „Qui dunque, nel posto più alto, siedono i sette Sapienti, precursori di innumerevoli filosofi“, die der (c) französischen Übersetzung von Loyen gleicht: „Ici donc siègent aux plus hauts degrés les Sept Sages, ancêtres des philosophes innombrables“. Auf diese Aufzählung der Sieben Weisen folgen einige Ausführungen zu Pythagoras aus Samos (vv. 51–78, asserit hic Samius). Cf. dazu Ravenna (1990) 67–73. Übersetzung Schwab. Sidonius Apollinaris (Th 385–389) 317 Attribute Milet Einer der Sieben Weisen Spruchweisheit „Bürge nicht“ Funktion der Bezugnahme Thales wird als erster der Forschenden und Weisen namentlich genannt. Die ihm zugeschriebene Spruchweisheit wird anders als in Th 385277 mit dem Verb „damnare“ in der dritten Person beschrieben: uadimonia damnat, d.h. „Thales […] tadelt Bürgschaften“ in Anlehnung an das Griechische / φ.278 Durch diese Bezugnahme auf die Sieben Weisen stellt Sidonius auf eindrucksvolle Weise seine philosophische Bildung und insbesondere sein Wissen um die Anfänge der griechischen Weisheit und Philosophie unter Beweis. Mit dieser ersten Anspielung auf den Milesier als einen der Sieben Weisen und dessen Spruchweisheit ist jedoch sein Wissen um dessen Leistungen noch nicht erschöpft (cf. dazu Th 387). * Kontext zu Th 387 Im Anschluss an die Ausführungen über Pythagoras und einige ihm zugeschriebene Äußerungen (vv. 51–78) kommt Sidonius in Vers 79 erneut auf Thales zu sprechen (Thales hic etiam). Bei dieser Bezugnahme lassen sich im unmittelbaren Kontext drei Abschnitte unterscheiden: erstens eine Charakterisierung des Thales und seiner Leistungen (vv. 79–81a), zweitens ein kritischer Kommentar zu seiner Prinzipienannahme (vv. 81b-82) sowie drittens eine Aufzählung von Schülern und Nachfolgern mitsamt den ihnen zugeschriebenen Thesen (vv. 83–90). Th 387 Sidonius Apollinaris, Carmen 15.79–90 Thales hic etiam numeris perquirit et astris defectum ut Phoebi nec non Lunaeque laborem nuntiet anterius; sed rebus inutile ponit principium, dum credit aquis subsistere mundum. 277 278 In Th 385 ist in der 2. Person von uadimonia culpas die Rede. Zur spekulativen Frage, aus welchen Quellen Sidonius die Informationen seines Philosophenkataloges schöpfte, cf. Loyen (1960) 190 Anm. 6, Courcelle (1948) 123–124, 181, 240–241 sowie Speyer (1964) 225–248, der unter anderem versucht, die Nähe zum Referat des Augustinus in civ. 8.2 (= Th 311) weiter zu beleuchten. 318 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Huius discipuli versa est sententia dicens principiis propriis semper res quasque creari, singula qui quosdam fontes decernit habere aeternum irriguos ac rerum semine plenos. Hunc etiam sequitur qui gignere cuncta putabat hunc aerem pariterque deos sic autumat ortos. Quartus Anaxagoras Thaletica dogmata seruat, sed diuinum animum sentit, qui fecerit orbem. Th 387 Sidonius Apollinaris, Gedicht 15.79–90 Thales erforscht nach Zahlen und Sternen, die Finsternis der Sonne und die Mühen des Mondes im Voraus zu künden; doch für die Dinge setzt er ein rohes Prinzip, der glaubt, dass die Welt auf dem Wasser ruhe. Dessen Schüler war anderer Ansicht, wenn er sagt, dass die jeweiligen Dinge aus stets eigenen Prinzipien geschaffen würden.279 Das Einzelne, meint er, besitze gewisse ewig bewässernde Quellen, voll des Samens der Dinge. Sein Nachfolger glaubte, dass die Luft alles erzeuge, und in gleicher Weise, behauptet er, seien so die Götter entstanden. Als vierter wahrt Anaxagoras die Lehren des Thales, aber er denkt an einen göttlichen Geist, der die Welt geschaffen hat. Attribute Astronomie Erforschung der Zahlen und Gestirne Vorhersage der Sonnenfinsternis Vorhersage der Mondphasen Erde ruht auf dem Wasser Prinzip Wasser Schüler des Thales Anaxagoras wahrt die Lehren des Thales Funktion der Bezugnahme In den ersten zweieinhalb Versen (vv. 79–81a) stellt Sidonius Thales als einen mathematisch und astronomisch interessierten Forscher (numeris perquirit et astris) dar, der nicht nur die Finsternis der Sonne (defectum ut 279 Cf. Augustinus Th 311. Sidonius Apollinaris (Th 385–389) 319 Phoebi),280 sondern durchaus auch (nec non) „die Mühen des Mondes“ (Lunaeque laborem)281 „im Voraus kündete“ (nuntiet anterius). Mit den „Mühen des Mondes“ sind vermutlich die Mondfinsternisse oder die Phasen des Mondes gemeint, die Thales ebenso wie die Sonnenfinsternis vorausgesagt haben soll.282 Dieser erste Abschnitt ist nicht von einer negativen oder kritischen Darstellungsweise geprägt, sondern bringt vielmehr Anerkennung oder Bewunderung für Thales zum Ausdruck. Die folgenden eineinhalb Verse (vv. 81b-82), die Sidonius mit der Konjunktion sed einleitet (v. 81b), sind von einem kritischen Unterton geprägt: Sidonius äußert sich über das „unnütze Prinzip“ (inutile principium), das Thales im Hinblick auf die Dinge annehme (rebus […] ponit), insofern er glaube (dum credit), dass die Welt auf dem Wasser ruhe (aquis subsistere mundum). Mehrere Übersetzungen der lateinischen Aussage aquis subsistere mundum, die jeweils Nuancen des Verbs subsistere in diesem Kontext hervorheben, scheinen mir denkbar und gleichermaßen zutreffend: Anderson (231) übersetzt (etwas frei) „believing that the universe is evolved from water“, Ravenna (33) „nel credere che l’universo consista di acqua“, oder Loyen (114) „quand il croit que l’univers tire sa permanence de l’eau“. Die verschiedenen Übersetzungen veranschaulichen, wie Vers 82 in seiner Prägnanz sowohl auf die Wasserthese (Wasser als Prinzip) als auch auf die ‚Erde ruht auf dem Wasser‘-These anspielen könnte. Festzuhalten ist, dass Sidonius die Prinzipienannahme des Thales kritisiert. Seine Kritik drückt sich einerseits explizit in dem als inutile („unnütz“ oder „nutzlos“) bezeichneten Prinzip (principium) aus, andererseits in der Verwendung des Verbes credere: Sidonius führt damit die Prinzipienannahme des Thales auf den Glauben zurück, dass die Welt auf dem Wasser ruhe bzw. die Welt aus Wasser bestehe (aquis subsistere mundum). Im folgenden Abschnitt (vv. 85–90) weist Sidonius zuerst auf den Dissens zwischen der Lehre des Thales und der seines Schülers (huius discipuli) Anaximander hin, der jedoch namentlich nicht genannt wird. Dieser sei anderer Ansicht gewesen (uersa est sententia), wenn er die These vertrete, dass die jeweiligen Dinge aus stets eigenen Prinzipien geschaffen würden.283 Es folgt, wiederum ohne Angabe seines Namens, die These des Anaximenes, der Anaximander nachfolgte (hunc etiam sequitur qui) und glaubte (putabat), dass die Luft alles erzeuge (gignere […] cuncta hunc ae280 281 282 283 Cf. zu „Phoebus“ als poetischer Ausdruck für Sonne Georges, Bd. 2, 1692. Cf. zum Ausdruck „lunae labores“ Richter (1977) 96–105. Cf. dazu Sim. ‚Mondfinsternis/Mondphasen‘. Cf. dazu Augustinus Th 311. 320 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert rem) und in gleicher Weise behauptete (pariterque […] autumnat), dass die Götter so entstanden seien (deos sic autumnat ortos). Im Anschluss an die Lehre des Anaximenes folgt als Vierter (quartus) Anaxagoras, der die Lehren des Thales (Thaletica dogmata) wahre (seruat), der aber an einen göttlichen Geist denke (sed diuinum animum sentit), welcher die Welt geschaffen habe (qui fecerit orbem). Was unter den Thaletica dogmata zu verstehen ist, die Anaxagoras nach Sidonius bewahrt oder aufrechterhalten habe, sagt Sidonius nicht ausdrücklich. Ravenna äußert die folgende Vermutung: „[…] forse l’espressione Thaletica dogmata si riferisce al fatto che anche Anassagora, come Talete e come tutti i filosofi prima citati, pensava che tutto si dovesse ricondurre a un solo principio, con la sola differenza (sed) che per lui questo principio no era materiale, ma divino.“284 Möglicherweise ist die Formulierung also so zu verstehen, dass Anaxagoras bei seiner Erklärung der Kosmogenese (wie Thales) nur ein Prinzip der Erklärung anwendet, jedoch darin von den ‚thaletischen Lehren‘ abweicht, dass er nicht an ein materielles Prinzip wie das Wasser, sondern an ein geistiges und göttliches Prinzip (diuinum animum) gedacht haben soll.285 In Ergänzung zu der ersten Anspielung auf Thales als einen der Sieben Weisen in carmen 15 (Th 386) ist festzustellen, dass Sidonius mit dieser zweiten Bezugnahme nicht nur sein Wissen um die astronomischen und philosophischen Leistungen des Milesiers und weiterer griechischer Philosophen unter Beweis stellt, sondern sich zugleich kritisch gegenüber der Prinzipienannahme des Thales äußert. Der spielerische und zugleich kritische Umgang des Sidonius mit seinen philosophiegeschichtlichen Kenntnissen scheint dem Epithalamium auf einen Philosophen durchaus angemessen. * 284 285 Ravenna (1990) 74 Anm. zu Vers 89. Zur Frage nach den Quellen, die Sidonius für seine Aufzählung der Philosophen verwendet, cf. Diels (1879) 173 sowie Courcelle (1948) 238 und bes. 240–241. Diels verweist auf Augustinus civ. 8.2. Courcelle ebd. 241 hält eine „source commune“ mit Augustinus für sehr wahrscheinlich, „car chez Augustin comme chez Sidoine, Thalès figure simultanément dans les deux listes: celle des sept sages et celle des philosophes“. Er vertritt, ausgehend von Diels (1879) 169–174 die folgende weiterführende Hypothese: „Cette source, dont Diels a montré la valeur et la parenté avec le compendium qu’utilisait Eusèbe de Césarée, est, à mon avis, l’ouvrage de Celsus ou Celsinus qu’Augustin comparait, dans le domaine profane, au Panarion d’Épiphane dans le domaine des hérésies.“ Cf. zur weiteren Diskussion Speyer (1964) 225–248. Sidonius Apollinaris (Th 385–389) 321 Kontext zu Th 388 Nachdem Sidonius die Gastfreundschaft des Consentius, der als ein guter Kenner des Griechischen galt, genossen und auch Gedichte von ihm erhalten hatte, adressiert er als Dank dafür ein Enkomion auf Narbo, Narbonne, die in Südfrankreich gelegene Vaterstadt der beiden Consentii (Vater und Sohn). Das in 512 Hendekasyllaben verfasste Gedicht ist zwischen 463 und 466 entstanden.286 Das Lob des Sidonius auf die Stadt enthält sowohl ein Lob auf den Vater des Consentius (vv. 97–177) als auch auf Consentius selbst (vv. 178f.). Die Bezugnahme auf Thales steht im Zusammenhang mit dem auf Consentius maior287 einsetzenden Lob (vv. 97–177), in dem sich Sidonius an die Stadt Narbonne richtet (vv. 97–104). Th 388 Sidonius Apollinaris, Carmen 23.97–110 His tu ciuibus, urbe, rure pollens, Consenti mihi gignis, alme, patrem, illum cui nitidi sales rigorque Romanus fuit Attico in lepore. Hunc Milesius et Thales stupere auditum potuit simulque Lindi est notus qui Cleobulus inter arces, et tu qui, Periandre, de Corintho es, et tu quem dederat, Bias, Priene, et tu, Pittace, Lesbius sophistes, et tu qui tetricis potens Athenis uincis Socraticas, Solon, palaestras, et tu, Tyndareis satus Therapnis, Chilon, legifero prior Lycurgo. Th 388 Sidonius Apollinaris, Gedicht 23.97–110 (Angeredet: Narbonne)288 Stark durch diese Bürger, die Stadt, das Land, erzeugst du, Gütige, mir den Vater des Consentius, jenen, dem [gegeben] waren glänzender Witz 286 287 288 Cf. Loyen (1960) 196. Loyen (1960) 148 Anm. 8 bemerkt zum Vater des Consentius, der gleichfalls Consentius hieß, er sei ein „[…] professeur de morale et d’éloquence ou même simplement rhéteur. Son brillant mariage (v. 173) fit de lui un clarissime […]“ Cf. ders. auch (1943) 78–79. Übersetzung H.-O. Kröner, Trier. 322 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert [salzige Sprüche] und römischer Ernst in Attischer Anmut. Diesen hätte sowohl Thales aus Milet, wenn er ihn gehört hätte, bestaunen können und zugleich Kleobulos, der in Lindos unter den Bergeshöhen bekannt ist, und du, Periander, der du aus Korinth bist; und du, Bias, den Priene gegeben hatte [hat] und du, Pittakos, ein Weiser aus Lesbos, und du, Solon, der du im strengen Athen mächtig bist und die sokratischen Ringplätze [Gymnasien] besiegst, und du, Chilon, geboren in den spartanischen/tyndareischen Therapnai, der du früher lebtest als der gesetzgebende Lykurg. Attribute Milet Einer der Sieben Weisen Funktion der Bezugnahme Neben Thales werden die weiteren als weise geltenden Kleobulos, Periander, Bias, Pittakos, Solon und Chilon, der früher als der Gesetzgeber Lykurg gelebt habe (Chilon, legifero prior Lycurgo), mitsamt ihren Herkunftsorten genannt. Im Vergleich zu Th 385 und Th 386 schreibt ihnen Sidonius in diesem Kontext keine Spruchweisheiten zu. Bei der Frage nach der Funktion dieser Bezugnahme lassen sich mindestens zwei Aspekte anführen: (1) In dieser rhetorischen Form der akkumulativen Aufzählung289 zählt nicht so sehr der einzelne Name, sondern erst die Aneinanderreihung von mehreren bedeutsamen Namen, die beeindrucken soll. (2) Dennoch kommt Thales wiederum durch die Anfangsstellung bei den Sieben Weisen eine besondere Bedeutung zu. Mit dem Namen des Thales leitet Sidonius eine Reihe von Vergleichen ein, die dazu dienen, den Vater des Consentius als einen hervorragend gebildeten Mann nicht nur seiner Zeit zu loben. Mit dem bedeutungsreichen Verb stupere (lahm sein; starr, verdutzt, verblüfft, betreten sein; stutzen, staunen) beschreibt Sidonius die imaginierte Reaktion des Thales auf den Vater des Consentius, wenn er diesen gehört hätte (auditum). Der Vater des Consentius wird auch im Folgenden in den höchsten Tönen gelobt: Er zeichne sich ebenso auf dem Gebiet der Astronomie (im Vergleich zu Arat), der Geometrie (im Vergleich zu Euklid) und der Musik (im 289 Cf. dazu ähnlich Arnobius Th 259. Sidonius Apollinaris (Th 385–389) 323 Vergleich zu Chrysipp) besonders aus. Mit dieser rhetorischen Technik der Akkumulation im Lob auf den Vater des Consentius stellt Sidonius zugleich seine eigene Bildung und seine Kenntnisse der griechischen Antike dar, d.h. indem er Consentius maior ob seiner Bildung und Kenntnisse würdigt, lobt er um nichts weniger sich selbst. Sidonius stilisiert in poetischer und spielerischer Weise die Bildung und das Wissen des Consentius zu einer Bedeutsamkeit, die den ‚Gründungsvätern‘ der Philosophie und der Wissenschaften gleichzukommen scheint. * Sidonius Apollinaris, Epistula Die Briefe des Sidonius, die in neun Büchern nach dem Beispiel des jüngeren Plinius und Hieronymus verfasst wurden, liefern viele Informationen über die politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse sowie über das kirchliche Leben im Gallien des 5. Jahrhunderts.290 Kontext zu Th 389 Die Bezugnahme auf Thales steht in dem im Jahre 471 verfassten Brief des Sidonius an den gelehrten gallischen Priester und Philosophen Claudianus Mamertus.291 Sidonius bedankt sich mit diesem rhetorisch ausgefeilten literarischen Brief bei Claudianus für die explizite Widmung seines Werkes De statu animae (Über den Zustand der Seele).292 Nachdem er bereits (in ep. 4.3.2–3) das Werk des Claudianus sowie dessen Stil in höchsten Tönen allgemein gelobt hat,293 geht Sidonius auf die spezifische Qualität und auf bestimmte Charakteristika des Buches ein (ep. 4.3.4–7). Das Werk des Claudianus zeichne sich, so Sidonius (ep. 4.3.5), nicht zuletzt durch die vorzügliche und einzigartige Gelehrsamkeit (unica singularisque doctrina) aus, die sich in verschiedenen Bereichen (diuersarum rerum) behaupte und bemerkbar mache. Ein Markenzeichen dieser Gelehrsamkeit bestehe darin, über einzelne Künste mit den jeweiligen Meistern 290 291 292 293 Cf. Delhey (1998) 43 und die instruktive Einleitung zu den Briefen und ihrer Sprache von Köhler (1995) 6–25. Cf. zu diesem Brief den Kommentar von Amherdt (2001) 93–165. Zu Claudianus Mamertus cf. Loyen (1970) Introduction, XXXII–XXXIII, Skeb (1998) 128 und Bömer (1936). Ep. 4.3.2 […] volumen illud, quod tute super statu animae rerum uerborumque scientia diuitissimus propalauisti. In quo dum ad meum nomen prooemiaris […]. Cf. ep. 4.3.2 „Mais quelle œuvre, grand dieu, quelle œuvre magnifique, ardue par son sujet, lumineuse par son style […].“ Übersetzung Loyen (1970). 324 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert „zu philosophieren“ (de singulis artibus cum singulis artificibus philosophari). In diesem Zusammenhang wird Thales in einer Aufzählung verschiedener Meister mitsamt deren spezifischen Attributen genannt: Erwähnt werden unter anderem Orpheus und das Plektrum, Aesculap und der Stab, Euphrates und das Horoskop,294 Vitruv und das Senkblei sowie Thales und die Jahreszeiten (cum Thalete tempora).295 Im Anschluss an diese Aufzählung schließen sich (ep. 4.3.6) weitere Lobeshymnen des Sidonius auf die Kenntnisse sowie die Art und Weise der Darstellung des Claudianus an. Darin wird dieser in zwei weiteren Vergleichen (ut) sowohl mit verschiedenen nicht-christlichen Philosophen und Rednern (z.B. sentit ut Pythagoras, dividit ut Socrates, explicat ut Platon, implicat ut Aristoteles, ut Aeschines blanditur) als auch (ep. 4.3.7) mit herausragenden christlichen Gelehrten (ad sacrosanctos patres pro comparatione […], instruit ut Hieronymus, destruit ut Lactantius, adstruit ut Augustinus) gleichgesetzt. Th 389 Sidonius Apollinaris, Epistula 4.3.5 (ed. Loyen) Ad hoc unica singularisque doctrina et in diuersarum rerum assertione monstrabilis, cui moris est de singulis artibus cum singulis artificibus philosophari, quaeque, si fors exigit, tenere non abnuit cum Orpheo plectrum, cum Aesculapio baculum, cum Archimede radium, cum Euphrate horoscopium, cum Perdice circinum, cum Vitruuio perpendiculum quaeque numquam inuestigare destiterit cum Thalete tempora, cum Atlante sidera, cum Zeto pondera, cum Chrysippo numeros, cum Euclide mensuras. Th 389 Sidonius Apollinaris, Briefe 4.3.5 Und dazu die vorzügliche und einzigartige Gelehrsamkeit, die sich in so verschiedenen Bereichen behauptet und bemerkbar macht und die in den verschiedenen Künsten mit den jeweiligen Meistern zu philosophieren pflegt. Sie zögert nicht, wenn nötig, gemeinsam mit Orpheus das Plectrum, mit Aesculap den Stab, mit Archimedes den Zeichenstock, mit Euphrates das Horoskop, mit Perdix den Zirkel und mit Vitruv das Senkblei zu ergreifen. Niemals lässt sie ab, mit Thales die [Jahres]zeiten, mit Atlas die Gestirne, mit Zetus die Gewichte, mit Chrysipp die Zahlen oder mit Euklid die Maße zu erforschen. 294 295 Cf. dazu Amherdt (2001) 136. Cf. zu den einzelnen Figuren Amherdt (2001) 135ff. Sidonius Apollinaris (Th 385–389) 325 Attribut Erforschung der Jahreszeiten Funktion der Bezugnahme Der Brief an Claudianus und die Bezugnahme auf Thales lassen wiederum in hervorragender Weise den großen Sinn für Bildung und Kultur des Sidonius erkennen. Im Kontext des Briefes an Claudianus geht es nicht um eine polemische, sondern um eine äußerst positive Anspielung auf Thales. Der Figur des Thales wird als Charakteristikum die Erforschung der tempora zugeschrieben. Es handelt sich um die Jahreszeiten.296 Der kunstvoll stilisierte Brief lässt deutlich erkennen, dass die Bezugnahme auf Thales vor dem entworfenen bildungsgeschichtlichen Panorama sowohl einen Eindruck von der breiten Bildung und Kulturbeflissenheit des gelobten Autors Claudianus und seines Werkes als auch des Lobenden selbst vermitteln soll, eines Dichters, der sich auch als christlicher Bischof in seiner Privatkorrespondenz gerne diesen Bildungsschmuck anzulegen scheint.297 Literatur Amherdt, D., Sidoine Apollinaire. Le quatrième livre de la correspondance, Bern u.a. 2001. Anderson, W. B., Sidonius Gaius Sollius Apollinaris. Bd. 1, Poems and Letters, Book I–II, London/Cambridge Mass. 1963, Bd. 2, Letters, Books III–IX, London/Cambridge Mass. 1965. Bömer, F., Der lateinische Neuplatonismus und Neupythagoreismus und Claudianus Mamertus in Sprache und Philosophie, Klassisch-Philologische Studien, Heft 7, Leipzig 1936. Courcelle, P., Les lettres grecques en occident, Paris 1948. Delhey, N., Art. Apollinaris Sidonius, LACL, 1998, 42–43. Diels, H., Doxographi Graeci, Berlin 1879, ND 1965. Gualandri, I., Furtiva Lectio. Studi su Sidonio Apollinare, Mailand 1979. Harries, J., Sidonius Apollinaris and the Fall of Rome AD 407–485, Oxford 1994. 296 297 Cf. die französische Übersetzung von Loyen („scruter les saisons avec Thalès“) und die englische von Anderson: „To investigate times with Thales.“ Cf. dazu auch die Sim. ‚Jahreszeiten‘ und Apuleius Th 178. Courcelle (1948) bemerkt treffend zu der rhetorischen Art der Aufzählungen bei Sidonius, 238: „De telles énumérations sont le fait d’une éducation rhétorique devenue scolastique et artificielle; ne croyons donc point que Sidoine a pratiqué tous ces auteurs. Mais inversement, ce serait une erreur de conclure que Sidoine n’a eu aucun contact direct avec la langue et la littérature grecques; le vain étalage d’érudition auquel il se complaît ne doit pas faire oublier qu’il savait de grec.“ Cf. zur Frage nach den möglichen Quellen, die Sidonius für seine gelehrten Aufzählungen verwendet, ders. ebd. 238, 240–241 und Diels (1879) 173. 326 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Keydell, R., Art. Epithalamium, RAC 5, 1962, 927–943. Köhler, H., C. Sollius Apollinaris Sidonius. Briefe Buch 1. Einleitung-Text-ÜbersetzungKommentar, Heidelberg 1995. Loyen, A., Sidoine Apollinaire et l’esprit précieux aux derniers jours de l’Empire, Paris 1943. Loyen, A., Recherches Historiques sur les Panégyriques de Sidoine Apollinaire, Rom 1967. Loyen, A., Sidoine Apollinaire Bd. 1 Poèmes, Paris 1960. Loyen, A., Sidoine Apollinaire Bd. 2 Lettres, Paris 1970. Ravenna, G., Le nozze di Polemio e Araneola. Sidonio Apollinare, Carmina XIV–XV, Bologna 1990. Richter, W., Lunae labores, Wiener Studien 11, 1977, 96–105. Schanz, M., Hosius, C., Art. C. Apollinaris Sidonius, in: Schanz, M., Hosius, C., Krüger, G., Geschichte der römischen Literatur bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian, Teil 4, Bd. 2, München 1920, ND 1959, §§ 1024–1028, 43–55. Skeb, M., Art. Claudianus Mamertus, LACL, 1998, 128. Speyer, W., Zu einem Quellenproblem bei Sidonius Apollinaris, Carmen 15, 36–125, Hermes 92, 1964, 225–248. Von Premerstein, A., Das Parthenonfries und die Werkstatt des panathenäischen Peplos, Jahreshefte des österreichischen Archäologischen Institutes in Wien 15, 1912, 1–35. Aponius (Th 338) 327 4.6 Aponius (Th 338) Aponius, In Canticum Canticorum Expositio Das Zeugnis Th 338,298 das sich im Kommentar des Aponius zum Lied der Lieder (bzw. dem Hohen Lied der Liebe) findet, ist von besonderer Bedeutung in der Geschichte der Darstellungen des Thales, insofern es im Kontext einer allegorischen Exegese steht. Der zwölf Bücher umfassende Kommentar stellt die „umfangreichste lateinische Erklärung des Hohen Liedes aus dem kirchlichen Altertum dar“.299 Die Datierung des Kommentars ist bis heute umstritten.300 Der gelehrte Theologe, der das Werk verfasste, wird von seinen französischen Übersetzern charakterisiert als ein „admirateur des philosophes, écrivain original et vigoureux“.301 Kontext zu Th 338 In seinem Kommentar geht der Exeget auf die im Lied der Lieder zweimal vorkommende Beschwörung der Töchter Jerusalems (filiae Hierusalem, Hld 2,7 und 3,5) ein, die bei den Rehen (capreas) und Hirschen auf dem Felde (ceruosque camporum) die Liebe nicht aufwecken und nicht stören sollen, bis es ihr selbst gefalle.302 Im vorausgehenden Kontext (in cant. 5.19) stellt Aponius die Frage, welche (quae) und welcher Art (quales) die Seelen seien (animae sunt), die mit den Rehen und Hirschen verglichen werden.303 Er erklärt in diesem Zusammenhang, dass diese Tiere mit der 298 299 300 301 302 303 In der Sammlung von DK ist ein Teil des Zeugnisses abgedruckt bei Pherekydes 7 [71] A 5. Cf. dazu Diels ebd. 45 und Anm. 9. Frank (1985) 370–383, 370. Für weitere Informationen cf. Witek (2001) 506–514. Als Terminus ante quem erscheint die Erwähnung des Aponius in Bedas Hoheliedkommentar, der zwischen 720 und 730 verfasst wurde, während der Terminus post quem (nach dem Konzil von Chalcedon, 451) umstritten ist. Zur Datierung cf. König (1992) 99–110. De Vregille/Neyrand (1997) bemerken ebd. 113 zur Frühdatierung (405–410) ihrer Edition im CCL 19 (1986) in der Einführung zu ihrer französischen Übersetzung: „Amenés par le fait à réexaminer certains des arguments apportés en 1986, nous admettons qu’en effet, il n’y a pas lieu de maintenir les dates de 405–410 proposées, mais nous restons persuadés que le commentaire d’Apponius ne saurait être postérieur aux années 420–430.“ Cf. De Vregille/Neyrand (1997) Introduction, Ch. VI, Le Personnage, l’époque et le cadre, 111–120, 119. Im Hld 1,5 und 3,10 werden die „Töchter Jerusalems“ ebenfalls erwähnt und angesprochen; Hld 5,8 enthält eine Ansprache der „Töchter Jerusalems“ sowie eine Beschwörung anderer Art. Cf. in cant. 5.19.268–269 Nunc autem uideamus quae uel quales sint animae ceruis et capreis comparatae […]. 328 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert platonischen und stoischen Philosophie (platonicae uel stoicae philosophiae) zu vergleichen seien (comparemus), allerdings nur (dumtaxat) im Hinblick auf jenen Bereich (in illa parte), in dem sie mit ihren Überlegungen (in illa disputatione) mit der göttlichen Schrift (cum scripturis diuinis) übereinstimmen (consentit).304 Die Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift sowie die von den Philosophen vertretene monotheistische Gotteslehre spielt für Aponius bei der Beurteilung der Philosophen eine entscheidende Rolle. Während die Rehe305 für die „Platoniker“ (in cant. 5.20.289–291)306 stehen, werden die Hirsche mit den „Stoikern“ (in cant. 5.20.291–292)307 verglichen.308 Bei der anschließenden Auslegung (in cant. 5.22.316–318) des Hld 3,5 erinnert Aponius zuerst daran, dass er bereits in seinem Kommentar zu Hld 2,7 (in cant. 4.4–6) erläutert habe, dass „unter den Rehen und Hirschkühen die personifizierte Philosophie des Thales und des Pherekydes zu verstehen sei“ (in caprearum et ceruorum personas thalesianae et ferecidensis philosophiae intellegi diximus).309 Die Philosophie des Thales und des Pherekydes wird im Folgenden weiter charakterisiert und einer Beurteilung unterzogen. 304 305 306 307 308 309 In cant. 5.20.281 […] in illa parte dumtaxat, in illa disputatione quae cum scripturis diuinis consentit. Nach Witek (2001) 510 „Ziegen“. Cf. in cant. 5.20.289–291 Hi ergo cursus uerborum tam ueloces, sic gloriose ad excelsa currentium, platonicae capreae comprobantur. Cf. in cant. 5.20.291–292 Stoicorum autem haec est ceruorum uelocitas sensus, haec […]. Die Platoniker lehren nach Aponius (in cant. 5.20.285–289): […] incorporeum unum Deum, rerum omnium conditorem, beatum, beatificum, optimum, nihil indigentem, ipsum conferentem cuncta, caelestem, inuictum, innominabilem, cuius natura nulli nisi sibi sit cognita: quae etiam si inueniri possit, diuidi in multos omnino non posse pronuntiat. Für die kurz skizzierte Lehre der ‚Stoiker‘, in der das Walten einer allmächtigen göttlichen Vorsehung betont wird (in cant. 5.20.294–295 Deique omnipotentis prouidentia), führt Aponius einen Vergleich (in cant. 5.20.297–299) mit der Heiligen Schrift an (Jer 23,24 „Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der Herr. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der Herr.“). Bei der Kommentierung von Hld 2,7 ist jedoch nicht von Thales und Pherekydes, sondern von den Platonikern und Stoikern die Rede. Cf. dazu in cant. 4.6.67–68 zu Hld 2,7. Aponius (Th 338) 329 Th 338 Aponius, In canticum canticorum expositio 5.22–23 (ed. De Vregille/Neyrand) Quod autem secundo haec uerba repetuntur in Cantico hoc, ubi secundo dumtaxat per capreas ceruosque camporum adiurantur filiae Hierusalem, non pigebit priora alterius libelli repetere dicta. In priore enim filiarum adiuratione, in caprearum et ceruorum personas thalesianae et ferecidensis philosophiae intellegi diximus. Quae licet in Ecclesiae doctrina non inferatur, sicut caprearum et ceruorum animalia non sunt iussa Moysi in altario sacrificium Deo offerri, ut iussa sunt agnus, uitulus uel capra in altario immolanda, tamen inter immunda non sunt reputata et uesci iubentur populo fuso sanguine in terra: ita et praedicta philosophia non est immunda iniuriis creatoris, sicut aliorum philosophorum uita uel dogmata, qui bestiis, canibus et porcis comparandi probantur, libidinem summum bonum esse docentes, a quorum insania procul supradicta philosophia antedictis animalibus comparata esse dignoscitur. [23] De quibus Thales nomine initium omnium rerum aquam in suo esse dogmate pronuntiauit, et inde omnia facta subsistere ab inuiso et magno; causam uero motus aquae spiritum insidentem confirmat; simulque geometricam artem perspicaci sensu prior inuenit, per quam suspicatus est unum rerum omnium creatorem. Th 338 Aponius, Auslegung zum Lied der Lieder 5.22–23 Wenn aber diese Worte ein zweites Mal in diesem Lied [III 5]310 wiederholt werden, da nämlich zum zweiten Mal die Töchter Jerusalems bei den Rehen oder Hirschkühen auf dem Felde beschworen werden, wird man es mir nicht verargen zu wiederholen, was früher in einem anderen Buch gesagt wurde. Bei der ersten Beschwörung der Töchter haben wir nämlich gesagt, dass man unter den Rehen und Hirschkühen die personifizierte Philosophie des Thales und des Pherekydes verstehen muss.311 Wenngleich diese Philosophie nicht in den Bereich der Lehre der Kirche fällt, wie auch Moses nicht befohlen wurde, die Rehe und Hirschkühe Gott auf dem Altar zu opfern, ebenso wie befohlen wurde, Lamm, Kalb oder die Ziege auf dem Altar darzubringen, werden sie doch nicht zu den unreinen Tieren gezählt, und die Menschen sollen sich von ihnen ernähren, nachdem ihr Blut auf die Erde gegossen wurde.312 So ist auch die besagte Philosophie nicht durch Ungerechtigkeiten gegen den Schöpfer unrein, wie das für das Leben oder die Lehren 310 311 312 Zuerst in cant. 2.7. „En réalité, il y est bien question des platoniciens et des stoïciens, mais non de Thalès et de Phérécyde“ (De Vregille/Neyrand zur Stelle). Cf. Dtn 12,15–16. 330 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert anderer Philosophen gilt, die man wilden Tieren, Hunden und Schweinen vergleichen muss, und die lehren, dass die Lust das höchste Gut sei. Man erkennt den Abstand zwischen deren Wahnsinn und der oben genannten Philosophie im Vergleich mit den in Frage stehenden Tieren. [23] Unter diesen Philosophen verkündete nun der genannte Thales in seiner Lehre, dass das Wasser der Beginn aller Dinge sei. Und von da aus sei alles von einem Unsichtbaren und Großen geschaffen worden und bestehe es; er versichert aber, dass die Ursache des Bebens der dem Wasser innewohnende Geist sei.313 Zugleich erfand er mit scharfem Sinn die Geometrie, wodurch er zur Ahnung gelangte, dass der Schöpfer aller Dinge einer sei. Attribute Philosophie des Thales Prinzip Wasser Gott [als Geist des Kosmos] Schöpferthese: Der Schöpfer aller Dinge ist einer Die Ursache des Bebens ist der dem Wasser innewohnende Geist Urheber der Naturphilosophie und Geometrie Funktion der Bezugnahme Das Zeugnis Th 338 enthält zuerst eine Verhältnisbestimmung der Philosophie des Thales und Pherekydes zur Kirche. Aponius konstatiert, dass diese Philosophie nicht in den Bereich der Lehre der Kirche falle (quae licet in Ecclesiae doctrina non inferatur). In der Form einer allegorischen Beschreibung wird das Verhältnis der beiden Philosophien zur Kirche und zum Volk Gottes (populo) weiter expliziert. Bei diesem Vergleich (in cant. 5.22.319–323, sicut […] ita)314 spielt die Bezugnahme auf das Buch Deuteronomium315 mit seinen Opfer- und Speisegesetzen eine besondere Rolle. Die Rehe und Hirsche, die allegorisch für die Philosophie des Thales und 313 314 315 „et il affirme que la cause du mouvement de l’eau est l’esprit qui y réside“ (De Vregille/ Neyrand). Cf. auch die französische Übersetzung dieser Stelle: „de même que […] de même pour la philosophie […].“ Cf. Dtn 12,15–16 „Doch darfst du in allen deinen Städten ganz nach Herzenslust schlachten und Fleisch essen nach dem Segen des Herrn, deines Gottes, den er dir gegeben hat. Der Reine wie der Unreine dürfen davon essen, so wie man Reh oder Hirsch isst. Nur das Blut sollst du nicht essen, sondern auf die Erde gießen wie Wasser.“ Cf. auch Dtn 12,22–24 und 15,22–23. Cf. auch Dtn 14,3–5 „Du sollst nichts essen, was dem Herrn ein Greuel ist. Dies aber sind die Tiere, die ihr essen dürft: Rind, Schaf, Ziege, Hirsch, Reh […].“ Aponius (Th 338) 331 des Pherekydes stehen, zählen (a) nicht zu den Tieren (animalia non sunt) wie (ut) Lamm, Kalb oder Ziege, die Moses auf dem Altar (in altario) zu opfern (immolanda) befohlen wurden. (b) Dennoch (tamen) zählen sie auch nicht zu den unreinen Tieren (inter immunda non sunt reputanda). (c) Dem „Volk“ wurde vielmehr befohlen (iubentur populo), dass es sich von ihnen ernähren solle (uesci), nachdem ihr Blut auf die Erde gegossen worden sei (fuso sanguine in terra).316 Soweit der erste Vergleich (sicut – ita), der erste Anhaltspunkte sowohl zum Verhältnis dieser Philosophie zur kirchlichen Lehre als auch zum Umgang des Volkes Gottes mit dieser Philosophie gibt. Anhand eines zweiten Vergleiches (in cant. 5.22.323–328, ita – sicut) veranschaulicht Aponius nun den Unterschied zwischen der Philosophie des Thales und Pherekydes einerseits und anderen Philosophen sowie deren Lehren andererseits. Zuerst stellt er fest, dass die Philosophie des Thales und Pherekydes (praedicta philosophia) nicht durch Ungerechtigkeiten gegen den Schöpfer unrein sei (non est immunda iniuriis creatoris). Darauf folgt ein kontrastiver Vergleich mit den Lehren oder dem Leben anderer Philosophen (aliorum philosophorum uita vel dogmata), die man nach der Ansicht des Exegeten „mit wilden Tieren, Hunden und Schweinen“ (bestiis, canibus et porcis) vergleichen müsse (comparandi probantur), weil sie lehrten, dass die Lust das höchste Gut sei (libidinem summum bonum esse docentes).317 Aponius weist abschließend darauf hin, dass der Abstand zwischen dem „Wahnsinn“ (insania) dieser Philosophen zur Philosophie des Thales und Pherekydes auch im Vergleich mit den von ihm vorgestellten Tieren veranschaulicht werde. Im Anschluss an diese erste allgemeine Charakterisierung der Philosophie des Thales und Pherekydes sowie ihrer Abgrenzung von anderen philosophischen Strömungen, kommt Aponius auf die Lehre des Thales (in suo […] dogmate) zu sprechen. Er schreibt Thales zuerst die Wasserthese in folgender Formulierung zu: initium omnium rerum aquam. Die darauffolgende Erklärung ist bemerkenswert: Aponius erläutert, dass daraus (inde) alles (omnia) von einem Unsichtbaren und Großen (ab inuiso et magno) geschaffen wurde (facta) und bestehe (subsistere). Weiter schreibt er Thales die Erklärung zu, dass die Ursache (causam) der Bewegung (motus) der dem Wasser innewohnende Geist (aquae spiritum insidentem) sei.318 Abschließend verknüpft Aponius die dem Thales zugeschriebene Erfindung der Geometrie (geome316 317 318 Hier bezieht sich Aponius auf Dtn 12,15–16; 12,22–24; 14,5 und 15,22–23. Witek (2001) 510–511 vermutet, dass an dieser Stelle nicht auf die Epikureer, sondern auf die Kyniker angespielt wird. Cf. dazu Seneca Th 99 und 101 sowie die Sim. ‚Erdbeben‘. 332 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert tricam artem perspicaci sensu prior inuenit)319 mit dem folgenden Relativsatz (per quam): wodurch er bzw. durch die er zur Ahnung gelangte (suspicatus est), dass der Schöpfer aller Dinge (rerum omnium creatorem) einer (unum) sei. Aponius vertritt also die These, dass Thales qua seiner geometrischen Forschungen zu einer monotheistischen Gottesvorstellung gekommen sei. Diese Einschätzung steht in Übereinstimmung mit der allgemeinen Wertschätzung der Geometrie durch Aponius.320 Die so dargestellte ‚Lehre des Thales‘ erweckt den Eindruck, dass sie auch für einen Christen – in der allegorischen Sprache des Aponius gesprochen – durchaus einen Wert hat. Die Aussagen über Thales berühren sich mit Äußerungen bei Cicero Th 72, Apuleius Th 178, Minucius Felix Th 229, Laktanz Th 254 und Stobaios Th 339 und Th 340.321 Literatur Courcelle, P., Les lettres grecques en occident, Paris 1948. De Vregille, B., Neyrand, L., Apponius. Commentaire sur le Cantique des Cantiques, Tome I, Introduction générale, texte, traduction et notes, Livres I–III, SC 420, Tome II, Livres IV–VIII, SC 421, Paris 1997. Frank, S., Apponius, In Canticum Canticorum Explanatio, VC 39, No. 4, 1985, 370–83. König, H., Aponius. Die Auslegung zum Lied der Lieder, Freiburg 1992. Witek, F., Art. Aponius (1981), RAC Supplement, Bd. 1, 2001, 506–514. 319 320 321 Cf. dazu Strabon Th 81, Apuleius Th 178 und die Sim. ‚Urheber der Geometrie‘. Cf. dazu Witek (2001) 508–509. Cf. dazu unter anderem die Sim. ‚Gott [als Geist des Kosmos]‘. Courcelle (1948) 128–129 vermutete, dass Aponius („le mystérieux Aponius“) aus dem gleichen Handbuch der Philosophiegeschichte wie Augustinus und Sidonius schöpfte. Cf. dazu De Vregille/Neyrand (1997) 53–55 und Witek (2001) 509–512. Iohannes Malalas (Th 454–455) 333 4.7 Iohannes Malalas (Th 454–455) Der um 500 geborene Iohannes Malalas stammte wohl aus dem syrischen Antiochien oder aus dessen näherer Umgebung.322 Bereits sein aus dem syrischen abgeleiteter Name ‚Malalas‘ (Rhetor, Scholasticus) gibt zu erkennen, dass es sich bei dem „Verfasser der frühesten erhaltenen byzantinischen Weltchronik“323 um einen umfassend gebildeten Mann gehandelt hat.324 Nachdem er die damals für Mitglieder lokaler Eliten übliche klassische Ausbildung durchlaufen hatte, war er später möglicherweise in der Reichsverwaltung tätig.325 Iohannes Malalas, Chronographia Mit seiner insgesamt achtzehn Bücher umfassenden Chronik steht Malalas in der Tradition christlicher Chronisten sowie der nicht-christlichen Chronographie.326 Seine Weltchronik beginnt mit Adam und der Erschaffung der Welt und bricht kurz vor dem Tod Kaiser Justinians im Jahre 565 ab. In den ersten sechs Büchern geht es um die biblische Geschichte, die mit der Frühgeschichte des Alten Orients und der griechischen Geschichte in einen synchronen Zusammenhang gebracht wird.327 Die zwei Bezugnahmen auf Thales stehen im vierten (chron. 4.6) und sechsten Buch (chron. 6.4). Kontext zu Th 454 Das vierte Buch beginnt in chron. 4.1 mit der Herrschaft der Könige von Argos im Anschluss an den mythischen König Inachos ( µ 5I8). Es folgen kurze Ausblicke (chron. 4.2–3) auf die parallelen Geschehnisse (chron. 4.2) im Westen, in Italien (π ξ «, Ρ / /%λ κ #I.!), 322 323 324 325 326 327 Cf. zu Leben und Werk Thurn (2000) 1–4, die Rezension von Meier (2001) 1073–1081, bes. 1073–1076 und ders. (2007) 559–586. Meier (2001) 1073. Cf. auch die Untersuchung von Jeffreys (2003) zum Beginn der Byzantinischen Chronographie mit Iohannes Malalas, 497–527. Cf. dazu Thurn (2000) 1 und Meier (2001) 1073. Debié (2004) weist auf zwei Besonderheiten (particularités) der syrischen Tradition hin, 147: „[…] la première est que Jean n’y est pas connu comme Malalas, et la seconde que sa chronique n’a pas fait l’objet d’une traduction.“ Cf. Meier (2007) 569. Cf. dazu Meier (2007) 559–568, bes. 566–568. Für eine englische Übersetzung des Werkes cf. Jeffreys/Scott (1986), für eine deutsche Übertragung Wirth (2009). Buch 7 behandelt die römische Frühzeit, Buch 8 Alexander den Großen und die hellenistische Geschichte. In Buch 9 geht es um die Vorgeschichte des Prinzipats des Augustus. Buch 10 bildet die Werkmitte mit der gleichzeitigen Menschwerdung Christi und der Herrschaft des Augustus. 334 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert das zu dieser Zeit ohne Herrschaft war (f $*!.«), in Israel (nach dem Tod von Moses und Aaron in der Wüste: von der Herrschaft des Anführers Joschua, dem Sohn des Nun, bis zur Herrschaft der dreizehn vom Volk gewählten Richter) und (chron. 4.3) in Griechenland (mit den mythischen Gestalten und Erfindern Prometheus, Epimetheus, Atlas, Argos und Deukalion).328 Iohannes verweist auf „den höchst gelehrten Eusebius“ (E*« ² Pφ!. ² φ;«) als einen Zeugen.329 In chron. 4.4 erwähnt er den Tod der Richter in Israel und die sich anschließende Herrschaft des Barach, zu dessen Zeit auch die Prophetin Deborah lebte, die den Juden die zukünftigen Ereignisse voraussagte. Zur selben Zeit (chron. 4.5) soll unter den Griechen die Seherin Sibylle gelebt haben. In chron. 4.5 berichtet Iohannes über die attische Frühzeit, die Herrschaft des Kekrops sowie die des Kranaos in Athen. Zur Zeit des Kranaos führt er Sappho „als erste Dichterin“ (/ /!« ξ 1« 8« %φΩ %; κ /(!') an. Zu Beginn von chron. 4.6 kommt die Rede auf Drakon, der als erster von den Archonten den Athenern Gesetze gegeben habe, die nach ihm (’ ) Solon auflöste (D. @« « 0« .(). Unmittelbar im Anschluss an Solon führt Iohannes (chron. 4.6) Thales den Milesier an, der „wiederum“ (%0.) als Gesetzgeber tätig war (/). Nach Thales konzentriert sich der Bericht wieder auf die Angaben der Herrschaft über Athen (chron. 4.6). Th 454 Iohannes Malalas, Chronographia 51.77–78, Logos 4.6 (ed. Thurn) […] λ D. @« « 0« .(. λ %0. / L.)« ² M.&«. Th 454 Iohannes Malalas, Weltchronik 51.77–78, Logos 4.6 Solon hob die Gesetze Drakons auf. Dann wieder war Thales, der Milesier, Gesetzgeber. 328 329 Cf. chron. 4.3. Der Quellenapparat bei Thurn (2000) verweist auf Eusebius PE 10.10.23. Eusebius nennt zwar an der angezeigten Stelle Prometheus, gibt jedoch ein längeres Referat aus Iulius Africanus. Meier (2007) 568 bemerkt allgemein zu dem ‚Eusebius‘ des Iohannes Malalas, dass es sich entweder um eine Bearbeitung handle, „die nicht mehr viel mit dem Original gemeinsam hatte (mehrfache Überarbeitungen, Modifikationen und Fortschreibungen von Chroniken waren in der Spätantike ohnehin üblich)“ oder er „vielleicht sogar lediglich den Autorität vermittelnden Namen des Eusebius“ benutzte, „um dadurch die Glaubwürdigkeit und Relevanz seiner eigenen Darstellung zu stärken“. Iohannes Malalas (Th 454–455) 335 Attribute Datierung Milet Gesetzgeber Funktion der Bezugnahme Thales wird im Zuge der berühmten athenischen Gesetzgeber Drakon und Solon genannt. Von ihm wird gesagt, dass er Gesetze gab oder gestaltete (/).330 Es wird jedoch nichts über die Form oder den Inhalt der Gesetzgebung des Thales gesagt. Da auch keine weitere Ortsangabe für die gesetzgeberische Tätigkeit des Thales genannt wird, kommt dem Namenszusatz „der Milesier“ oder „der aus Milet“ eine größere Bedeutung zu. Für die im weitesten Sinne politische Tätigkeit des Thales kommt Milet bzw. die Umgebung von Milet in Frage. Bereits in einem der frühesten Zeugnisse, in den Historien des Herodot (Th 12), wird Thales als politischer Ratgeber der Ionier bezeugt, der ihnen den Ratschlag gab, sich ein gemeinsames Versammlungshaus in Teos zu errichten.331 * Kontext zu Th 455 Das sechste Buch (chron. 6.1) setzt mit der Herrschaft des Königs Joakim über Israel ein. Dieser König wurde von dem assyrischen König Nebukadnezar II332 bei der Einnahme Jerusalems und des ganzen judäischen Landes, gefangen genommen. Die Gefangenschaft der Juden (π 98.(! #I!() in Babylon wird auf das fünfte Herrschaftsjahr des Nebukadnezar datiert. Bei dieser Datierung beruft sich Johannes auf Eusebius („der aus Pamphylien“) und seine chronographische Arbeit.333 Nachdem er in chron. 6.2 in Kürze von der Herrschaft bei den Lydern berichtet hat, wendet er sich in chron. 6.3 wieder den assyrischen Herrschern zu: In der Nachfolge des Nebukadnezar steht dessen Sohn Belshazar, der nach einer Vision, die ihm 330 331 332 333 LSJ s. v. -(, frame laws. Cf. auch Platon Th 21, Claudius Aelianus Th 227, Diogenes Laertius Th 237 (1.25) sowie später Iohannes von Antiochien Th 479. Zu den Quellen des Iohannes Malalas cf. Jeffreys (1990) 167–216. Iohannes nennt ihn (chron. 6.1) N*8, *.@« #A!(. Er wurde um 640 geboren und regierte von 604–562 v. Chr. Chron. 6.1 / ξ ) %%) ( D )« *.!« N*8 %» π 98.(! #I!( / / B*. , Ω« E*« ² Pφ!. /80φ. Cf. Eusebius PE 10.14.7. 336 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert der hebräische Gefangene Daniel deutet, von dem Meder Dareios getötet wurde. Es folgen die Herrschaft des Dareios sowie weiterer Herrscher über Assyrien (chron. 6.4) bis zu der Zeit des Astyages, der als König der Perser mit großer Macht gegen die Lyder in den Kampf zog (χ« /%0 ). In diesem Zusammenhang folgt die Bezugnahme auf die Sonnenfinsternis und deren Vorhersage durch Thales. Johannes bemerkt, ) 8) () die Sonne für viele Stunden des Tages dass sich in dieser Zeit (/ W (/%λ %..« —«) verfinsterte. Diese Sonnenfinsternis (κ D.? " π.!) sei durch Thales, den Philosophen, vorhergesagt worden. Th 455 Iohannes Malalas, Chronographia 118.41–45, Logos 6.4 M ξ κ *.! ! /*!. U *.1« #A!( U(« #A0«. λ .%µ ² #A0« /*!. P , χ« /%0 , $.Ω 0(« %..)«. / W ) 8) ( ² S.« /=.? /%λ %..« —« )« π«, %%« L." " φ.φ κ D.? " π.!. Th 455 Iohannes Malalas, Weltchronik 118.41–45, Logos 6.4 Nach der Königsherrschaft des Dareios herrschten andere Könige der Assyrer bis Astyages. Und danach war Astyages König der Perser, der gegen die Lyder zu Felde zog und mit einer großen Macht aufzog. In dieser Zeit verfinsterte sich die Sonne für viele Stunden des Tages. Der Philosoph Thales hatte die Sonnenfinsternis vorhergesagt. Attribute Philosoph Vorhersage der Sonnenfinsternis Datierung Funktion der Bezugnahme Die von Thales vorhergesagte Sonnenfinsternis wird zeitgleich angesetzt zum einen mit (a) dem Krieg des assyrischen und persischen Königs Astyages gegen die Lyder, zum anderen (b) im darauf folgenden Kontext mit dem Staatsstreich des Peisistratos in Athen (/ 1« 1« 8« P!«).334 Bemerkenswert ist die Angabe des Malalas, dass die Sonnenfinsternis über viele Stunden des Tages (/%λ %..« —«) angedauert haben soll. In der slawischen Fassung wird Thales als „Weiser“, nicht als 334 Cf. dazu Sim. ‚Datierung‘ und ‚Sonnenfinsternis‘. Iohannes Malalas (Th 454–455) 337 Philosoph bezeichnet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Thales für die Chronik des Iohannes Malalas in zwei Punkten von Bedeutung ist: zum einen in der Funktion eines Gesetzgebers und Zeitgenossen des Solon (Th 454), zum anderen aufgrund seiner Vorhersage der außergewöhnlichen Sonnenfinsternis, die während des Krieges zwischen Persern und Lydern stattgefunden haben soll. Literatur Debié, M., Jean Malalas et la tradition chronographique de la langue syriaque, in: Beaucamp, J. (Hrsg.), Recherches sur la Chronique de Jean Malalas, Paris 2004, 147–164. Jeffreys, E., Jeffreys, M., Scott, R., The Chronicle of John Malalas, Melbourne 1986. Jeffreys, E., Malalas’ Sources, in: Jeffreys, E., Croke, B., Scott, R. (Hrsg.), Studies in John Malalas, Sydney 1990, 167–216. Jeffreys, E., The Beginning of Byzantine Chronography: John Malalas, in: Marasco, G. (Hrsg.), Greek and Roman historiography in late antiquity, Leiden u.a. 2003, 497–527. Meier, M, Rezension zu Ioannis Malalae Chronographia, rec. H. Thurn, in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft, 4, 2001, 1073–1081. Meier, M., Naturkatastrophen in der christlichen Chronistik. Das Beispiel Johannes Malalas (6. Jh.), Gymnasium 114, 2007, 559–586. Thurn, H., Ioannis Malalae Chronographia, Berlin 2000. Wirth, P. (Hrsg.), Johannes Malalas. Weltchronik, übers. v. Thurn, J. u. Meier, M., mit Einl. u. Erl., Bibliothek der griechischen Literatur, Bd. 69, Stuttgart 2009. 338 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert 4.8 Isidor von Sevilla (Th 473–475) Der als letzter westlicher Kirchenvater bekannte Isidor von Sevilla (um 570–636) steht bereits an der Schwelle zum Frühmittelalter. Er kann sowohl zu den letzten Gelehrten der Spätantike als auch zu den frühesten und sehr einflussreichen christlichen Gelehrten des Mittelalters gezählt werden.335 Isidor erhielt eine umfassende weltliche und geistliche Ausbildung. Als Nachfolger seines Bruders Leander setzte er sich als Erzbischof von Sevilla (seit 600/601) besonders für die Reorganisation der Kirche und des Bildungswesens in Spanien ein. Isidor von Sevilla, Etymologiae Neben einer großen Anzahl von verschiedenen Themen gewidmeten Werken ist besonders sein zwanzig Bücher umfassendes Hauptwerk Etymologiae, das auch als Buch von den ‚Ursprüngen‘ (Origines) bekannt ist, für die Rezeptionsgeschichte des Thales von Interesse.336 In dieser nach Themen geordneten Schrift bietet Isidor eine zusammengefasste Form des Wissens seiner Zeit, die zu einem „Grundbuch des Mittelalters“ wird.337 Sie verdankt ihren Namen „der Grundüberzeugung, dass die Herkunft eines Wortes den Schlüssel zum Verständnis bietet […] und das Wort das Wesen der Sache ausdrückt.“338 Die Schrift enthält drei Bezugnahmen auf Thales von Milet: Bei der Definition von Philosophie in Buch 2 (De rhetorica et dialectica), im Rahmen einer chronologischen Übersicht in Buch 5 (De legibus et temporibus) sowie unter der Überschrift „de philosophis gentium“ in Buch 8 (De ecclesia et sectis). Kontext zu Th 473 Im zweiten Buch De rhetorica et dialectica behandelt Isidor die Disziplinen der Rhetorik und Dialektik sowie deren Gegenstände. Zuerst ist von der Rhetorik (orig. 2.1–21) und der Dialektik (orig. 2.22) die Rede. Darauf werden die Unterschiede zwischen diesen beiden Disziplinen hervorgehoben (orig. 2.23). Im 24. Kapitel, in dem es um eine Bestimmung der Philosophie (de definitione philosophiae) geht, steht die erste Bezugnahme auf Thales (Th 473). Nachdem Isidor in orig. 2.24.3 zuerst das Wort „Philosophie“ von der Übersetzung ins Lateinische als amor sapientiae bzw. griechisch φ.! 335 336 337 338 Cf. Barney (2006) 16, Röwekamp (1998) 320–322 und Fontaine (1998) 1002–1027. Cf. Röwekamp (1998) 321. Für eine deutsche Übersetzung cf. Möller (2008). Ebd. 322. Ebd. 321. Cf. dazu die Überlegungen zur Wortenstehung in orig. 1.29. Isidor von Sevilla (Th 473–475) 339 (Liebe) und φ! (Weisheit) näher erläutert hat,339 unterscheidet er in einem ersten Referat drei Bereiche der Philosophie, für die er wiederum jeweils die griechische und lateinische Bezeichnung angibt: die Naturlehre (naturalis/gr. physica), die Morallehre (moralis/gr. ethica) und die Logik bzw. Vernunftlehre (rationalis/gr. logica). Die Gegenstände der drei Bereiche bestimmt er folgendermaßen (cf. Th 473): Während in der Naturphilosophie (in physica) nach der Ursache (causa) dessen, was in der Forschung gefunden worden ist, in der Ethik (in ethica) nach dem, wie man richtig leben solle (ordo vivendi), gefragt werde, beschäftige man sich in der Logik (in logica) mit der Methode des Denkens (ratio intellegendi). Darauf geht Isidor auf die ersten Vertreter dieser drei Bereiche ein: Thales für den Bereich der physica, Sokrates für die „Ethik“, Platon für die „Logik“. In diesem Zusammenhang steht die Bezugnahme in Th 473. Th 473 Isidor von Sevilla, Etymologiae 2.24.4 (ed. Lindsay) (Cap. 24: De definitione philosophiae) In physica igitur causa quaerendi, in ethica ordo vivendi, in logica ratio intellegendi versatur. Physicam apud Graecos primus perscrutatus est Thales Milesius, unus ex septem illis sapientibus. Hic enim ante alios caeli causas atque vim rerum naturalium contemplata ratione suspexit, quam postmodum Plato in quattuor definitiones distribuit, id est Arithmeticam, Geometricam, Musicam, Astronomiam. Th 473 Isidor von Sevilla, Ursprünge 2.24.4 (Kap. 24: Über die Bestimmung der Philosophie) In der Physik also beschäftigt man sich mit der Ursache dessen, was in der Forschung gefunden worden ist, in der Ethik mit der Ordnung des Lebens, in der Logik mit der Methode des Denkens. Die Physik hat bei den Griechen zuerst Thales von Milet erforscht, einer jener Sieben Weisen. Denn dieser richtete vor den anderen seinen Blick mit betrachtender Methode sowohl auf die Ursachen des Himmels als auch auf die Kraft der natürlichen Dinge, die Platon später in vier Disziplinen aufteilte, nämlich Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.340 339 340 Cf. dazu Augustinus civ. 8.1 […] cum philosophis […]; quorum ipsum nomen si Latine interpretemur, amorem sapientiae profitetur. Übersetzung Schwab. 340 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert Attribute Milet Erster Naturphilosoph Einer der Sieben Weisen Untersuchung der himmlischen Ursachen und der Kraft der natürlichen Dinge Funktion der Bezugnahme Thales wird als der Erste bei den Griechen (apud Graecos primus) genannt, der sich als einer der Sieben Weisen (unus ex septem illis sapientibus) mit der gründlichen Erforschung (perscrutatus est) der Natur (physicam) befasst habe. Seine Auszeichnung als Pionier auf diesem Gebiet begründet (enim) Isidor folgendermaßen: Thales habe vor den anderen (ante alios) durch die betrachtende Methode/Vernunft (contemplata ratione) seine Aufmerksamkeit sowohl auf die Ursachen des Himmels (caeli causas) als auch auf „die Kraft der natürlichen Dinge“ (atque vim rerum naturalium) gerichtet. Platon habe später (postmodum) die Erforschung der physica in vier Disziplinen (in quattuor definitiones) aufgeteilt: Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.341 Es ist festzuhalten, dass Thales neben Sokrates (Ethik) und Platon (Logik) für Isidor einen erstrangigen Platz in der Geschichte der griechischen Philosophie aufgrund seiner erstmaligen Erforschung der Ursachen des Himmels erhält. * Kontext zu Th 474 Die zweite Bezugnahme auf Thales steht in einer chronologischen Tabelle im fünften Buch (De legibus et temporibus, Über Gesetze und Zeiten). Die Inhalte dieser Tabelle gehen besonders auf die als Chronikon bezeichnete Schrift des Isidor zurück, die vor allem auf der von Hieronymus adaptierten 341 Zur Frage nach den Quellen dieses Abschnittes ist die Studie von Fontaine (1983) Bd. 3, 609–611, heranzuziehen, der die Aufmerksamkeit besonders auf zwei Autoren lenkt: erstens auf Cicero, zweitens auf verschiedene Passagen aus dem achten Buch von Augustinus’ De civitate Dei mit Verweisen auf civ. 8.1, 8.2, 8.4 und 8.10. Zur Dreiteilung der Philosophie bei Isidor bemerkt Fontaine ebd. 609: „La tripartition de la philosophie exposée par Isidore est fort ancienne. Déjà virtuelle dans Platon, explicitée par son disciple Xénocrate, divulgée surtout par les Stoïciens, elle était devenue banale dans l’école gréco-romaine: Cicéron la mentionnait dans le De oratore comme une notion courante qu’il se bornait à rappeler au passage.“ Er verweist auf Cicero De orat. 1.15.68. Weitere Stellen ebd. 609. Isidor von Sevilla (Th 473–475) 341 Chronik des Eusebius basiert.342 In seiner „Beschreibung der Zeiten“ (De descriptione temporum) unterscheidet Isidor in orig. 5.39 sechs Zeitalter: Während das erste Zeitalter mit der Erschaffung der Welt und des ersten Menschen (Adam) durch Gott beginnt, reicht das zweite von Adam bis zu Noah, das dritte von Abraham bis zu König David, das vierte von König David bis zum Babylonischen Exil, das fünfte von der Einnahme Babylons bis zur Ankunft des Erlösers, des Sohnes Gottes.343 Das sechste setzt mit der Geburt Christi zur Regierungszeit des Augustus ein und erwähnt zuletzt als Herrscher der Gegenwart Isidors den oströmischen Kaiser Heraclius (in seinem 17. Regierungsjahr, also 627 n. Chr.) und die (Zwangs-)Konversion der Juden zum Christentum in Spanien während des vierten und fünften Jahres des Westgotenkönigs Sisebut. Th 474 Isidor von Sevilla, Etymologiae 5.39.18 (ed. Lindsay) (Cap. 39: De descriptione temporum) Quarta aetas […] Iosias ann. XXXII. Thales philosophus agnoscitur. [IVMDLXXXVII] Th 474 Isidor von Sevilla, Ursprünge 5.39.18 (Kap. 39: Einteilung der Zeitalter) Viertes Zeitalter […] Josia, Jahr 32.344 Der Philosoph Thales ist bekannt. [4587].345 Attribute Philosoph Datierung Funktion der Bezugnahme Thales wird im Kontext des vierten Zeitalters genannt. Dieses setzt zur Zeit Davids (nach Isidor: im Jahre 4164) ein und vermerkt die Gründung Karthagos durch Dido. Gegen Ende des vierten Zeitalters wird der Name des Thales im Jahre 4587, gemeinsam mit dem berühmten König von Juda, Josia, genannt.346 Im 32. Jahr seiner Herrschaft, so die Auskunft Isidors, soll Thales als philosophus bekannt gewesen sein (agnoscitur). 342 343 344 345 346 Cf. dazu Kommentar zu Hieronymus Th 304–308 und Eusebius Th 281–285. Cf. dazu die Hinführung in orig. 5.38. Josia (Joschija), 639–609 v. Chr. König des Reiches von Juda. Cf. bes. Hieronymus Th 306; Annales Hildesheimenses I Iosias ann. 32 (4 ed. Waitz); Beda Venerabilis De temporibus liber 20 (ed. Jones); Lambert von Hersfeld Annales 5.25 (ed. Holder-Egger). Zu König Josia cf. 2 Kön 22–23 und 2 Chron 34–35. 342 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert (1) Auffällig ist, dass Thales als einziger der frühgriechischen Naturphilosophen in der chronologischen Tabelle des Isidor vorkommt. Vor Thales werden (gegen Ende des dritten Weltalters, 4124) lediglich Homer und im vierten Weltalter kurz vor Thales die Sibylle von Samos (zur Regierungszeit des Königs Manasse, des Großvaters von Josiah) angeführt. Mit gewissem Abstand folgen im fünften Zeitalter die Tragiker Sophokles und Euripides, Platon, Demosthenes und Aristoteles. (2) Thales wird nicht als Weiser, sondern als Philosoph bezeichnet.347 Für die Chronologie des Isidor markiert er den Anfang der Philosophie in Griechenland. (3) Von der Sonnenfinsternis als einem möglichen Fixpunkt der Datierung ist an dieser Stelle bei Isidor nicht die Rede, ebensowenig von seinen mathematischen, astronomischen Erkenntnissen oder „politischen“ Leistungen.348 Die Bezugnahme auf Thales innerhalb dieser Chronologie, die sich in ähnlicher Form auch in mehreren Chroniken des Früh- und Hochmittelalters findet,349 veranschaulicht die hervorragende Stellung des Thales innerhalb einer lateinischen Darstellung der Geistes- und Kulturgeschichte an der Schwelle von Spätantike und frühem Mittelalter. * Kontext zu Th 475 Das dritte Zeugnis über Thales steht im achten Buch der Origenes, das von der Kirche und den „Sekten“ (De ecclesia et sectis) handelt.350 Im Anschluss an die in orig. 8.5 (De haeresibus Christianorum) aufgelisteten „Häresien“ der christlichen Religion kommt Isidor auf die nicht-christliche Philosophie zu sprechen (De philosophis gentium). Nachdem er zuerst die Bedeutung des griechischen Wortes „Philosoph“ als amator sapientiae351 347 348 349 350 351 Hieronymus (Th 305 und Th 306) bezeichnet Thales als physicus philosophus. Cf. dazu die beiden Zeugnisse Th 454–455 aus der Weltchronik des Iohannes Malalas. Cf. z.B. Beda Venerabilis De temporibus liber 20; Lambert von Hersfeld Annales 27. Cf. zu den Quellen der Bücher 6–8 Barney (2006) 10–17. Für den kirchlichen und theologischen Teil der Bücher 6–8 werden als Primärquellen Augustinus, Hieronymus, Gregor der Große, Laktanz und Tertullian genannt, als Quellen für die „nichtchristliche Weisheit“ in Buch 8 die Autoren Varro, Cicero und Plinius. Cf. dazu Barney (2006) 15. Cf. orig. 2.24.3. Isidor von Sevilla (Th 473–475) 343 aufgezeigt und an Pythagoras erinnert hat,352 unterscheidet er drei Klassen von Philosophen (orig. 8.6.3–6): die Naturphilosophen (physici), die Ethiker (ethici) und die Logiker (logici);353 darauf charakterisiert er in Kürze (orig. 8.6.6–16) verschiedene griechische Philosophenschulen (Platoniker, Stoiker etc.) bis er zuletzt (orig. 8.6.17) auf die Gruppe der Gymnosophisten zu sprechen kommt. Im unmittelbaren Anschluss an diese Ausführungen folgt die Bezugnahme auf Thales. Th 475 Isidor von Sevilla, Etymologiae 8.6.18 (Cap. 6: De philosophis gentium) Theologi autem idem sunt qui et Physici. Dicti autem Theologi, quoniam in scriptis suis de Deo dixerunt. Quorum varia constat opinio, quid Deus esset dum quaererent. Quidam enim corporeo sensu hunc mundum visibilem ex quattuor elementis Deum esse dixerunt, ut Dionysius Stoicus. Alii vero spiritaliter intellexerunt mentem esse Deum, ut Thales Milesius.354 Th 475 Isidor von Sevilla, Ursprünge 8.6.18 (Kap. 6: Die heidnischen Philosophen) Die Theologen sind aber zugleich auch die Naturphilosophen. Sie heißen aber Theologen, weil sie in ihren Schriften über Gott sprachen. In ihren Untersuchungen gibt es mannigfaltige Ansichten hinsichtlich der Natur Gottes. Einige nämlich, wie der Stoiker Dionysius, sagten, dass Gott diese dem körperlichen Sinn sichtbare Welt aus den vier Elementen sei. Andere aber, wie Thales aus Milet, verstanden Gott in spiritueller Weise als Geist. Attribute Milet Naturphilosoph Theologe Schrift Gott: Gott ist in spiritueller Weise zu verstehen Funktion der Bezugnahme Isidor bemerkt, dass es auch unter den theologi Forscher gebe, die jedoch (autem) dieselben seien wie die Naturphilosophen (idem sunt qui et phy352 353 354 Cf. dazu Augustinus civ. 8.2 und ähnlich Laktanz inst. 3.2. Cf. orig. 8.6.3 Idem autem philosophi triplici genere dividuntur: nam aut physici sunt, aut ethici, aut logici. Cf. Honorius Augustodunensis De haeresibus (ed. Migne PL 172, 236A). 344 Textzeugnisse aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert sici). Für ihre Namensgebung führt er folgende Begründung (quoniam) an: Sie würden als Theologen (theologi) bezeichnet, weil sie in ihren Schriften (in scriptis suis) Aussagen über Gott gemacht hätten (de Deo dixerunt). Des Weiteren: Es gebe in ihren Untersuchungen mannigfaltige Ansichten darüber, was Gott sei (quid deus esset). Bei diesen ‚Theologen‘ unterscheidet Isidor zwei Anschauungen, die er anhand zweier typischer Vertreter illustriert: zum einen des Stoikers Dionysius, zum anderen des Thales aus Milet.355 Während die einen, wie der Stoiker Dionysius, „diese dem körperlichen Sinn sichtbare Welt als aus den vier Elementen bestehend“ (hunc mundum visibilem ex quattuor elementis) als Gott bezeichneten (Deum esse dixerunt), hätten andere (alii), wie Thales aus Milet, Gott in „spiritueller Weise“ (spiritaliter) als Geist (mentem) verstanden (intellexerunt). Bemerkenswert an diesem Zeugnis ist erstens, dass Thales von Isidor zu den Theologen gezählt wird, zweitens, dass Isidor auf die ‚Gott-ist-Geist‘These anspielt, indem er, wie bereits vor ihm Minucius Felix (Th 229) und Laktanz (Th 254) in der lateinischen christlichen Tradition, Thales ein ‚geistiges‘ Verständnis Gottes zuschreibt.356 Da Isidor von den Schriften der ‚Theologen‘ (in scriptis suis) spricht, wird er wohl annehmen, dass Thales etwas Schriftliches verfasst haben wird.357 Literatur Barney, S. A. (Hrsg.), The Etymologies of Isidore of Seville, Cambridge 2006. Fontaine, J., Art. Isidor IV (von Sevilla), RAC 18, 1998, 1002–1027. Fontaine, J., Isidore de Séville et la culture classique dans l’espagne wisigothique, Bd. 1–3, Paris 1983. Möller, L., Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, Wiesbaden 2008. Röwekamp, G., Art. Isidor von Sevilla, LACL, 1998, 320–322. 355 356 357 Zu dem Stoiker Dionys(ios) aus Herakleia am Pontos, der ein Schüler des Zenon von Kition war, cf. Ueberweg, Bd. 4/2, Hellenistische Philosophie, 558. Cf. dazu Aponius Th 338, dagegen Augustinus Th 311. Cf. dazu die Sim. ‚Schrift‘, Eusebius Th 263 und Augustinus Th 311, 314 und Th 315. Isidor von Sevilla ( 345 5. Zusammenfassung Das Hauptinteresse meiner Untersuchung der Textzeugnisse über Thales bei den 25 christlichen Autoren konzentrierte sich auf die beiden Fragen, (1) wie Thales und seine Ideen zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Texten und Kontexten erscheinen und (2) warum. (1) Die in einem ersten Schritt (unter der Rubrik: Attribute) unternommene formale Annäherung an die Textzeugnisse zeigte, wie bereits aus der Summe der Thales zugeschriebenen Attribute im Mikrokontext erste Konturen eines Bildes von Thales und der ihm zugeschriebenen Ideen entworfen werden können.1 Für ein umfassendes Verständnis der Darstellungen des Thales und seiner Ideen in einem bestimmten Zusammenhang reichen diese Angaben jedoch noch nicht aus. (2) Um wirklich verstehen zu können, warum Thales in einem bestimmten Zusammenhang erwähnt und ihm dabei dieses oder jenes Attribut zugeschrieben wird, musste in einem zweiten Schritt (unter der Rubrik: Kontext) dem weiteren Kontext, in dem die Bezugnahme steht, mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dort habe ich jeweils die vielfältigen Zusammenhänge und Argumentationen, in denen Thales vom 2. bis zum frühen 7. Jahrhundert in den Texten christlicher Autoren erwähnt wird, analysiert und beschrieben. Mit Hilfe dieser teils sehr umfangreichen Untersuchung, die ich als ‚Kontextualisierung‘ bezeichne, konnte gezeigt werden, dass und wie die Figur des Thales und seine Ideen in den jeweiligen Texten eine bestimmte, zumeist argumentative Funktion erfüllen. (3) An diese Beobachtung anschließend führte die Untersuchung in einem dritten Schritt (unter der Rubrik: Funktion der Bezugnahme) zu einer Analyse jener argumentativen Funktion unter Berücksichtigung des Kontextes. Es hat sich gezeigt, dass die Bezugnahmen auf Thales in großem Maße bedingt sind durch die teils sehr wohl durchdachten (aber nicht immer explizit genannten) Argumentationsstrategien der Autoren (z.B. bei Tertullian, Laktanz, Athenagoras, Clemens, Eusebius, Kyrill, Theodoret), teilweise sogar deren ausdrücklich benannte Argumentationsziele (z.B. bei Eu- 1 Cf. zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen die Tabelle im Anhang. 346 Zusammenfassung sebius, Ps.-Justin, Theodoret, Augustinus), das enzyklopädische Interesse (z.B. bei Isidor) oder die rhetorische Inszenierung der eigenen nicht-christlichen Bildung (z.B. bei Sidonius) – um nur einige Beispiele anzuführen. Ein Hauptergebnis meiner Untersuchung besteht darin, dass bei den vielen Bezugnahmen auf Thales durchaus Konstanten, Muster und Themen aufgezeigt werden können, die sowohl in der griechischen als auch in der lateinischen frühen christlichen Literatur wiederkehren. Diese Beobachtungen sollen nun durch die Beantwortung der drei eingangs gestellten Fragen (vgl. Einleitung) für ein besseres Verständnis der Bezugnahmen fruchtbar gemacht werden. 5.1 Vom Kontext zum Diskursfeld Als Ergebnis meiner Untersuchung des Makrokontextes der jeweiligen Textzeugnisse über Thales war es mir möglich, bestimmte ‚Diskursfelder‘ aufgrund der Ähnlichkeit und Verschiedenheit der eben angeführten Faktoren sowie einer bestimmten Form und Ausrichtung der untersuchten Texte vom 2. bis zum 7. Jahrhundert zu unterscheiden. Die Zuordnung der verschiedenen Texte zu einem oder auch mehreren Diskursfeldern ergab sich erst im Anschluss an die induktive Untersuchung der Makrokontexte. Auf der Grundlage der Falluntersuchungen zu den Textzeugnissen der christlichen Autoren schlage ich die folgenden Diskursfelder zur Unterscheidung vor: x x x x Apologetisches Diskursfeld bei Tertullian, Arnobius, Augustinus, Athenagoras, Tatian, Hermias, Eusebius, Theodoret, Kyrill Apologetisch-protreptisches Diskursfeld bei Minucius Felix, Laktanz, Clemens, Eusebius, Ps.-Justin, Theodoret Chronologisches Diskursfeld bei Tatian, Eusebius, Hieronymus, Augustinus, Iohannes Malalas; teils auch innerhalb des apologetischen und enzyklopädischen Diskursfeldes; Theologisch-philosophisches Diskursfeld bei Tertullian: De anima, Laktanz, Augustinus: De civitate Dei, Clemens: Stromateis, Ps.-Justin, Eusebius, Nemesios Faktoren für die Thales-Darstellung 347 Als weitere Diskursfelder lassen sich die Folgenden unterscheiden: Epistolographisches Diskursfeld (bei Sidonius) Enzyklopädisches Diskursfeld (bei Isidor) Diskursfeld des christlichen Romans (bei Ps.-Clemens / Tyrannios Rufinus) x x x Innerhalb der ‚binnenchristlichen‘ Kommunikation sind zu unterscheiden: x Häresiologisches Diskursfeld bei Irenäus von Lyon, Tertullian: Adversus Marcionem, Hippolytos, Epiphanios, Augustinus: Contra Iulianum, Iulianus von Aeclanum und die Folgenden: Exegetisches und homiletisches Diskursfeld (bei Aponius und Ambrosius) und epistolographisches Diskursfeld (bei Sidonius) x Die Diskursfelder können sich gelegentlich überschneiden und sind teils identisch mit den literarischen Genres der frühen christlichen Literatur. Um nun zu verstehen, warum in einem bestimmten Text auf Thales Bezug genommen wird, ist es sinnvoll, die Thales zugeschriebenen Attribute in Kenntnis und vor dem Hintergrund der entsprechenden Faktoren und wirkenden Einflüsse des jeweiligen Diskursfeldes zu betrachten. 5.2 Faktoren für die Thales-Darstellung Die hermeneutische Situation zur Untersuchung der Figur des Thales und seiner Ideen sowohl in den Texten der christlichen Autoren als auch in denen nicht-christlicher ist meines Erachtens als komplex zu charakterisieren. Die Autoren – die christlichen ebenso wie die nicht-christlichen – sind im Hinblick auf Thales, anders als vielleicht bei Empedokles, Parmenides oder Heraklit, nicht Leser eines Buches oder Textes von Thales selbst, sondern vielmehr Leser von Texten über Thales und seine Ideen, von Handbüchern und Placita-Werken, aus denen sie schöpfen; d.h. es handelt sich um Leser, die auswählen, was sie ihren Lesern für ihre eigenen Zwecke – in unterschiedlichem Maß an rhetorischer Eleganz und Meisterschaft – darbieten wollen. Eine Vielzahl von konkreten Gründen und Anlässen für eine Bezugnahme auf Thales und seine Ideen in den untersuchten Kontexten habe ich in den entsprechenden Einzelkommentaren dargestellt und erläutert. Zwar können sie zumeist bereits aus der vorausgehenden Analyse des Kontextes 348 Zusammenfassung ersehen werden, doch ist es mir ein Anliegen, anhand des apologetischen Diskursfeldes exemplarisch zu skizzieren, wie es überhaupt zu einer Bezugnahme auf Thales kommen kann. Das apologetische Diskursfeld zeichnet sich allgemein durch einen argumentativen, philosophisch-theologischen, kritischen, komparativen, rhetorischen, oft auch polemischen und vor allem weltanschaulichen Charakter aus. Im Kern geht es um das Verhältnis von Vertretern der frühen christlichen Religion mitsamt ihrem jüdischen Erbe gegenüber den zeitgenössischen Nicht-Christen, deren weltanschauliche Ansichten, Werte und Überzeugungen. Die Bestandteile, Argumente und Argumentationsformen dieses Diskursfeldes sind zu einem Großteil sowohl aus der antiken, jüdisch-apologetischen als auch aus der philosophischen (z.B. skeptischen) Tradition übernommen. Die Formen des Vergleichs, wie der so genannte Altersbeweis oder die Verwendung von Placita-Material zum Beweis der Diaphonie (Unstimmigkeit) unter den nicht-christlichen Philosophen, sind nur zwei der häufig wiederkehrenden Beispiele dafür, welche Funktion eine Bezugnahme auf Thales erfüllen kann, wie etwa, dass er als einer der Sieben Weisen und Begründer der Naturphilosophie einen wichtigen, wenn nicht gar den zentralen Bezugspunkt für eine chronologische Argumentation darstellt. 5.3 Homogenität der Thales-Darstellungen? Lässt sich nun, gestützt auf die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit, von einem einheitlichen Bild des Thales in den Darstellungen der christlichen Autoren sprechen? (a) Von der Analyse und Kommentierung eines einzelnen Textzeugnisses ausgehend könnte man vielleicht zu einem entschiedenen ‚Nein‘ in dieser Frage neigen. Denn da sich jede Bezugnahme auf Thales zunächst durch ihre Stellung in ihrem spezifischen Mikro- und Makrokontext sowie durch den Umfang der Thales zugeschriebenen Attribute als ein einzigartiges Zeugnis über Thales auszeichnet, wäre die Rede von einem ‚einheitlichen Bild‘ des Thales ungenau und unzureichend. (b) Richtet man jedoch – wie bereits in der Antwort zur zweiten Frage – den Blick auf bestimmte Diskursfelder, die ich unterschieden habe, so trifft man innerhalb dieser auf durchaus ähnliche Darstellungen bei unterschiedlichen Autoren. Zwei Beispiele möchte ich dazu in Erinnerung rufen: zum einen die Stellung des Thales in den chronologischen, zum anderen die in bestimmten apologetischen Diskursfeldern. Homogenität der Thales-Darstellungen? 349 Wie sich zeigte, wird Thales in den chronologischen Diskursfeldern vornehmlich innerhalb einer synchronen Betrachtungsweise wegen einiger signifikanter Merkmale aufgeführt, die ihn sowohl von den anderen beiden Milesiern als auch von weiteren frühgriechischen Philosophen unterscheiden: Ein wichtiges Merkmal ist die Möglichkeit, ihn zu datieren aufgrund (i) seiner Zugehörigkeit zu den Sieben Weisen und (ii) seiner Schlüsselstellung als erster Naturphilosoph (primus physicus) bei den Griechen. Zum prominenten Bezugspunkt innerhalb der synchron angelegten Chronologien wird er insbesondere (iii) durch die ihm zugeschriebene Vorhersage der Sonnenfinsternis, die bereits in den Historien des Herodot (Th 10) in Beziehung zur Geschichte der alten Perser und Lyder gesetzt wird und durch die er sich unter den Naturphilosophen auszeichnet. In den Zeugnissen des chronologischen Diskursfeldes findet sich also abgesehen von geringfügigen Abweichungen in der Datierung eine recht ähnliche Darstellung seiner Figur und seiner Ideen. Die chronologischen Hintergrundinformationen über Thales erfüllen nun sowohl in den griechischen als auch in den lateinischen apologetischen Diskursfeldern eine bestimmte Funktion. Mit Thales wird ein prominenter Anfangspunkt für die griechische Weisheit und Wissenschaft angesetzt, mit dem das Alter der biblisch-hebräischen Tradition verglichen wird (der so genannte Altersbeweis). Zumeist genügt es den Autoren in diesen Fällen, die Priorität der hebräischen Tradition, sei es des Moses oder der letzten Propheten, gegenüber Thales plausibel aufzuzeigen, um damit den Vorrang und die Vorzüglichkeit der hebräischen Tradition in apologetischer Hinsicht gegenüber der gesamten Tradition griechischer Philosophie behaupten zu können. Auch in diesen Diskursfeldern finden sich demnach einander ähnliche Darstellungen des Thales und der ihm zugeschriebenen Attribute. (c) Bedenkt man diese beiden Beispiele, so könnte man zu der These neigen, dass zumindest in denselben Diskursfeldern von ähnlichen Darstellungen des Thales auszugehen ist. Bei derartigen Verallgemeinerungen ist jedoch grundsätzlich Vorsicht geboten, wie das folgende Beispiel zeigt: Das Attribut der ‚Gott-ist-Geist-These‘ wird Thales in apologetischen Diskursfeldern von einigen Autoren wie Athenagoras (Th 186), Minucius Felix (Th 229), Laktanz (Th 254) und Kyrill (Th 375) ausdrücklich zugesprochen. Tertullian, Eusebius und explizit Augustinus äußern sich jedoch davon abweichend in gleichfalls apologetischen Diskursfeldern. Während dabei das von Tertullian gezeichnete Bild des Thales (Th 216, 218, 219) nur implizit gegen die Zuschreibung dieser These spricht, spricht Augustinus (Th 311) Thales die Annahme der ‚Gott-ist-Geist-These‘ ausdrücklich ab. 350 Zusammenfassung Folglich muss man also in bestimmten Fällen, trotz der Zuordnung zum selben Diskursfeld, durchaus unterschiedliche und vor allem verschieden motivierte Darstellungen des Thales und seiner Ideen konstatieren. 5.4 Neue Perspektiven auf Thales In meiner Untersuchung habe ich in Übereinstimmung mit der neuen Edition der Textzeugnisse von Wöhrle (2009) aufgrund der induktiven Vorgehensweise absichtlich einer ungefähren chronologischen Anordnung der Autoren und ihren Textzeugnissen den Vorzug vor einer systematisch orientierten Gliederung gegeben. Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle den Interessierten zumindest einen möglichen, mehr systematisch-orientierten ‚Leseschlüssel‘ an die Hand geben. So wäre es sicherlich eine lohnende Aufgabe, bei einem speziellen Erkenntnisinteresse an Thales (oder anderen frühgriechischen Philosophen) in einem bestimmten Diskursfeld, wie z.B. dem häresiologischen, die zugehörigen Textzeugnisse bei Irenäus (Th 145), Hippolytos (Th 209–215) Tertullian (aus seiner Schrift Adv. Marc. = Th 220) und Epiphanios von Salamis (Th 293) gemeinsam in den Blick zu nehmen und zu untersuchen. Daneben bieten sich weitere Fragestellungen für eine Beschäftigung mit dem hier vorgestellten Themenfeld an: (a) Es wäre gewiss auch eine interessante und fruchtbare Aufgabe, weitere Diskursfelder wie das vor allem hermeneutisch komplexe Diskursfeld der Aristoteles-Kommentatoren (z.B. von Alexander von Aphrodisias bis zu Albertus Magnus) zu erschließen. Dabei wäre es lohnend, nach der Funktion bestimmter Bezugnahmen auf Thales oder anderer frühgriechischer Philosophen zu fragen sowie die spezifischen Hintergründe und Interessen der verschiedenen Kommentatoren näher zu betrachten. (b) Eine andere Untersuchungsperspektive würde sich darin eröffnen, ausgehend von bestimmten Attributen mit Hilfe des Similienapparates der Edition etwa die Thales zugeschriebene Wasserthese oder seine phönizische Herkunft mit ihren argumentativen Funktionen in weiteren vor- wie nichtchristlichen Diskursfeldern zu erforschen. Wie unterscheidet sich nun meine Untersuchung des ‚christlich-kontextualisierten‘ Thales von der bisherigen Erforschung des Milesiers? Es sind besonders drei Merkmale, die ich hier herausstellen möchte: 1) Durch die erstmalige Untersuchung dieser Vielzahl von griechischen und lateinischen Textzeugnissen über Thales bei den christlichen Autoren Neue Perspektiven auf Thales 351 und somit einer Vielfalt an bisher weitgehend unbekannten, aber durchweg bemerkenswerten ‚christlichen‘ Perspektiven auf den Milesier in mithin sehr gemischten Zusammenhängen; 2) durch die neue Perspektive – die Untersuchung der Darstellungsweisen selbst, insofern in dieser Arbeit besonders die jeweiligen Kontexte eingehend untersucht wurden und die Aufmerksamkeit auf die historische und autorindividuelle Bedingtheit der Darstellungen des Thales und seiner Ideen gerichtet wurde; 3) insofern der Versuchung widerstanden wurde, zwischen ‚zutreffenden‘, ‚weniger zutreffenden‘, ‚korrekten‘ oder gar ‚falschen‘ Darstellungen des Thales und der ihm zugeschriebenen Ideen zu unterscheiden – im Fall von Thales hermeneutisch eher fragwürdige Beurteilungen, wenn die dabei vorausgesetzte ‚Norm‘, oftmals die Darstellung(en) eines Aristoteles oder eines Herodot, nicht auch in ihren historisch und individuell bedingten Kontexten gesehen und kritisch reflektiert wird. Am Ende steht ein differenzierteres Bild der an Bezügen reichen Figur des Thales von Milet, die es in den verschiedenen Kontexten und Zeiten auch noch weiter zu erforschen und zu entdecken lohnt. 352 Zusammenfassung Abkürzungen 353 6. Literaturverzeichnis 6.1 Abkürzungen Die Abkürzungen der Werktitel lateinischer Autoren richten sich nach dem Thesaurus Linguae Latinae, die der griechischen christlichen Autoren nach dem Lexikon von Lampe, die aller weiteren griechischen Autoren nach dem LSJ. Die Bücher des Alten und Neuen Testamentes werden den Loccumer Richtlinien entsprechend abgekürzt. ANRW Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Temporini, H., Haase, W. (Hrsg.), Berlin/New York 1972ff. BKV Bibliothek der Kirchenväter. CCL Corpus Christianorum. Series Latina, Turnhout 1954ff. Diels (1879) Doxographi Graeci, Diels, H., Berlin 1879, ND 1965. DK Die Fragmente der Vorsokratiker, Diels, H., Kranz, W. 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Appendix Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen 376 Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Th 197 Autor Schrift Anaximander-Thales Brunnenfall Ägyptischer Einfluss x Sonstiges Irenäus x Athenagoras Th 186 Clemens x Ionische Schule Th 176 Datierung Tatian Weiser / Sieben Weise M Philosoph Th 145 Naturphilosoph Herkunft: Milet / phönizisch Irenäus Autor Thales-Zeugnis Leben M Tatian x Athenagor x Clemens Th 198 Th 199 M Asiate x Th 200 Th 201 Th 202 M/p x Th 203 Th 204 x x x p x Th 205 x x Th 206 Th 207 Th 208 Hippolytos x Th 209 x Th 210 x Hippolytos x x x Th 211 x Th 212 Th 213 x M Th 214 x x x Th 215 Tertullian Th 216 M Begegnung mit Kroisos Tertullian Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen nung mit s Th 145 Tatian Th 176 Athenagoras Th 186 Clemens Spruchweisheiten Sonnenfinsternis Astromomie x Astronom x Gott / Götter / Gottheit Wasserthese und Homer Irenäus Prinzip Wasser Autor tiges Thales-Zeugnis Lehre Bythos Geist des Kosmos Dämonen und Heroen x Th 197 x Th 198 x Sonstiges gottlos Th 199 Th 200 x Th 201 x Th 202 Thales ohne Lehrer Th 203 x Th 204 Th 205 Th 206 x Th 207 x x Th 208 Hippolytos Thales-Lehrer Th 209 Th 210 x x x x Aggregatzustände Th 211 Th 212 Th 213 Naas x Th 214 Th 215 Tertullian Th 216 x x 377 378 Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Th 218 x Th 219 x Autor x Sonstiges Schrift Brunnenfall x Anaximander-Thales Ägyptischer Einfluss Ionische Schule Datierung Weiser / Sieben Weise M Philosoph Th 217 Naturphilosoph Herkunft: Milet / phönizisch Tertullian Thales-Zeugnis Autor Leben Verspottung durch Ägypter Tertullian Begegnung mit Kroisos x Begegnung mit Kroisos Th 220 x Th 221 Th 222 Minucius F. Th 229 Hermias Th 230 Laktanz Th 254 x M Minucius F x Hermias x M x x Laktanz x Th 255 Th 256 M Th 257 x Th 258 Arnobius Th 259 Eusebius Th 260 Th 261 Arnobius M Th 262 M/p x Th 263 x x Th 264 Th 265 Eusebius x x M x Th 266 x x x x Th 267 x Th 268 x x Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Spruchweisheiten Sonnenfinsternis Astromomie Astronom Gott / Götter / Gottheit Wasserthese und Homer Prinzip Wasser Autor Tertullian Thales-Zeugnis Lehre tiges ttung Ägypter 379 Sonstiges Th 217 nung mit s Th 218 x nung mit s Th 219 x Th 220 x Th 221 x Verwirrung durch die Propheten Wasser als Gott x Seele aus Wasser Th 222 Minucius F. Th 229 x Hermias Th 230 x Laktanz Th 254 x Th 255 x Schöpfergeist x Erde ruht auf dem Wasser Schöpfergeist x Th 256 x Th 257 Th 258 x Arnobius Th 259 x Eusebius Th 260 x Th 261 x Aggregatzustände Th 262 Th 263 Th 264 Th 265 Th 266 Th 267 Th 268 x x x Mond 380 Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Eusebius Th 269 Sonstiges Autor Schrift Anaximander-Thales Brunnenfall Ägyptischer Einfluss Ionische Schule Datierung Weiser / Sieben Weise Philosoph Naturphilosoph Herkunft: Milet / phönizisch Thales-Zeugnis Autor Leben Eusebius x Th 270 M Th 271 M x x x Th 272 Th 273 Th 274 Th 275 Th 276 Th 277 Th 278 Th 279 Th 280 Ps.-Justin Th 291 Ps.-Justin x Th 292 M Th 293 M x Hieronymus Th 304 M x Th 305 M x x x Th 306 M x x x Epiphanios x Epiphanio Hieronymu x Th 307 x Th 308 x anno 747 Sohn des Examyas Datierung des Todes Ambrosius Th 309 Ambrosius Rufinus Th 310 Rufinus Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Spruchweisheiten Sonnenfinsternis Astromomie x Astronom x Gott / Götter / Gottheit Wasserthese und Homer Eusebius Prinzip Wasser Autor tiges Thales-Zeugnis Lehre Sonstiges Th 269 Th 270 Th 271 Th 272 x Th 273 Licht des Mondes x Th 274 Natur der Gestirne Th 275 Dämonen und Heroen x Th 276 Materie! Th 277 Ps.-Justin Epiphanios x Th 278 Eine Erde Th 279 Erde kugelförmig Th 280 Erde im Zentrum Th 291 x Th 292 x Th 293 x x Hieronymus Th 304 47 Th 305 es as Th 306 Th 307 ung des Mond x Th 308 Ambrosius Th 309 x Rufinus Th 310 x 381 382 Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Schrift x x Sonstiges Autor Brunnenfall Ägyptischer Einfluss x Anaximander-Thales x Ionische Schule x Datierung M Weiser / Sieben Weise Naturphilosoph Th 311 Philosoph Herkunft: Milet / phönizisch Augustinus Thales-Zeugnis Autor Leben herausragend Augustinu anno 747 Augustinu Th 312 Th 313 M x x Th 314 x x x Th 315 x x x Th 316 Nemesios x x Th 323 Nemesios Th 324 Theodoret Th 326 M x Th 327 M/p Theodoret x x Th 328 x Th 329 x Th 330 x x Th 331 Th 332 Th 333 Th 334 Th 335 Th 336 Th 337 x Aponius Th 338 Kyrill Th 373 M Th 374 M x x Aponius x Sohn des Examyas x x Kyrill Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen 47 es as Th 312 x x Spruchweisheiten x Sonnenfinsternis x Astromomie Astronom x Gott / Götter / Gottheit Th 311 Wasserthese und Homer Prinzip Wasser Autor Augustinus Thales-Zeugnis Lehre tiges ragend 383 Sonstiges Mondphasen körperliches Prinzip Th 313 Th 314 Naturforscher Th 315 Naturforscher Th 316 Nemesios Th 323 Th 324 Theodoret Seele immer- und selbstbewegt Aggregatzustände x Th 326 Th 327 Kulturimport Th 328 Th 329 x x Th 330 Th 331 Materie Th 332 Eine Welt Th 333 x Natur der Gestirne Th 334 x Sonne / Mond Th 335 x Mond Th 336 Seele Th 337 Aponius Th 338 Kyrill Th 373 Th 374 x x Schöpferthese, Geometrie Sammlung von Wissenschaften 384 Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Autor Schrift Anaximander-Thales Brunnenfall Ägyptischer Einfluss Sonstiges Dreifusserzählung x Th 376 Sidonius Ionische Schule Datierung Weiser / Sieben Weise M Philosoph Th 375 Naturphilosoph Herkunft: Milet / phönizisch Kyrill Thales-Zeugnis Autor Leben Kyrill x Th 377 sinnloser Schwätzer Th 378 herausragend Th 385 M x Th 386 M x M x Sidonius Th 387 Th 388 Th 389 Ioh. Malalas Th 454 M Th 455 Isidor Th 473 x M x Th 474 Th 475 x Ioh. Malal x Isidor x x M Gesetzgeber x x x Appendix – Tabelle zu den verwendeten Attributen in den Textzeugnissen Th 375 Spruchweisheiten Sonnenfinsternis Astromomie Astronom Gott / Götter / Gottheit Wasserthese und Homer Sonstiges x Th 376 er tzer Th 377 ragend Th 378 geber Prinzip Wasser Autor Kyrill Thales-Zeugnis Lehre tiges ssung 385 Sidonius Ein Kosmos Th 385 x Th 386 Th 387 x x x x x Mondphasen, Gestirne, Erde ruht auf dem Wasser Th 388 Th 389 Erforschung der Jahreszeiten x Ioh. Malalas Th 454 Th 455 Isidor x Th 473 x x Th 474 Th 475 x Theologe 386 Stellen 387 Register 8.1 Stellen Aischylos Prometheus Vinctus 44 Ambrosius Hexaëmeron 1.1–4 1.2.5 1.2.6 1.22 Anthologia Palatina 9.366 (Th 89) 284 219 219, 221 219, 220 221 314 Aponius In canticum canticorum expositio 2.7 329 4.4–6 328 4.6.67–68 328 5.19 327 5.19.268–269 327 5.20.281 328 5.20.285–289 328 5.20.289–291 328 5.20.291–292 328 5.20.294–295 328 5.20.297–299 328 5.22–23 (Th 338) 46, 123, 329–31, 344 5.22.316–318 328 5.22.319–323 330 5.22.323–328 331 Aristoteles Ethica Nicomachea 1139b31 De Anima 1.405a19–20 (Th 31) 69 254 Metaphysica 1.983b20–984a7 (Th 29) 1.983b27–33 1.984a3–5 1.992b30–31 Arnobius Adversus nationes 2.1–5 2.5–6 2.5.10–26 2.8 2.8–10 2.8.1–4 2.8.2–4 2.8.4–18 2.9–10 (Th 259) 2.9.1–13 2.9.19–21 2.9.22–23 2.9.23–24 2.10 2.10.14–16 2.10.18–19 2.11 3–5 6–7 Athenagoras Legatio pro Christianis 4–30 6.2 13–30 18ff. 20 21 23 112 185 112 68 149 149 149 149, 150 149 150 150 150 148, 150 152 150 151 151 153, 154 152 153 154 148 148 43 44 43 43 43 43 43 388 Register 23.1 23.2 (Th 186) 24 32–34 35–36 43 43–4, 122, 349 44 43 43 Attikos Th 169 (= Th 267) Augustinus De civitate Dei 8.1 8.2 (Th 311) 54, 175–6 230–2, 339–340 232–4, 236, 238, 243–4, 317, 320, 340, 343 340 237–9 340 239 239 239 240 239 64 240 240 239, 240 240 240 240 215, 245 235, 242–3 244–6 239 64 8.4 8.5 (Th 312) 8.10 11 11–14 14.28 15 15–18 15.23 16 17 18.1 18.8 18.22 18.23 18.24 (Th 313) 18.25 (Th 314) 18.37 (Th 315) 19–20 20.25 Contra Iulianum 1 1.1.3 2 3–6 4.75 (Th 316 = Th 325) 4.75.1 4.75.2 4.75.2–6 4.75.3 4.75.3 4.75.4 4.75.5 248 248 248 248 246–9 251 248–9, 251 250 250 251 251 251 Ausonius Ludus septem sapientium 26.69–70 (Th 294) 26.162–188 (Th 295) 314 314 Basilius von Cäsarea Hexaëmeron 1.1 1.2 1.8 219 221 221 Cicero Lucullus sive Academicorum priorum lib. 2 Ac. 2 249 De oratore 1.15.68 340 De natura deorum 1.10.25 (Th 72) 46, 122–3, 134–5, 190, 236, 332 1.22.60 96 2.123 315 Tusculanarum disputationum 5.5 139 5.8–9 232 5.8–10 232 Hortensius Zeugnis 18 = Lact. inst. 3.16.3–6 142 Zeugnis 49 = Lact. inst. 3.16.7–11 142 Zeugnis 52 = Lact. inst. 3.16.12–16 (Th 257) 142 Clemens von Alexandrien Protrepticus 2.23.1–2 5.64–66 5.64.1 5.64.2 (Th 197) 5.64.3 5.64.3–65.4 5.64.4 5.65.1–4 5.65.4 5.66.1 Stromateis 1 1.11.50.1–52.4 1.11.50.5 49, 50 48 48–9 48–9 49 49 50 50 50 49 40 52 52 389 Stellen 1.11.50.6 52 1.11.50.6–51.1 52 1.11.52.3 52–3 1.11.52.4 (Th 198) 51–3, 73, 204 1.13.57.1 54, 176 1.13.57.1–2 54 1.13.57.6.1–58.1 54 1.13.58.4 54 1.14.59.1 (Th 199) 54–6, 72–3, 176 1.14.59.2 56 1.14.59.5 56 1.14.60.1ff. 56 1.14.60.1–2 56 1.14.60.2 56 1.14.60.3 (Th 200) 56–8, 73 1.14.60.4 57 1.14.61.2–3 (Th 201) 56–8, 73 1.14.62.2 (Th 201) 57–8 1.14.62.1–63.2 (Th 202) 58–60, 72–3, 87, 90, 166, 198, 291 1.14.62.3 63, 265 1.14.64.5 61 1.14.65.1 (Th 203) 61–2, 72, 297 1.14.65.2 41, 62 1.14.65.3 41 1.15.66.1 62 1.15.66.1ff. 62 1.15.66.2 (Th 204) 58, 62–3, 67, 73, 90, 198, 291 1.15.72.4 62 1.21.101.1 63 1.21.107.5 41 1.21.129.3 41 1.21.129.3–4 (Th 205) 63–4, 72, 297 1.23.152.3 221 2 52 2.4.12.1 65 2.4.12.2 65 2.4.13.2 65 2.4.13.3 65 2.4.13.3–4 66 2.4.13.4 66, 68 2.4.13.4–14.1 67 2.4.14.1 66–7 2.4.14.1–2 (Th 206) 51, 65–9, 73 2.4.14.2 68 2.4.14.3 68 2.4.14.2–3 68 2.13.56.2 5 5.1.5 5.1.11.1ff. 5.14.89.1ff. 5.14.96.4 (Th 207) 6–7 6.7.57.2 6.7.57.3 (Th 208) 6.7.58.1–2 6.7.58.2 6.12.101.5 70 52 284 286 69 46, 69–71, 73, 78, 81, 90, 123 52 71 71–2 72 72 70 Diogenes Laertius 1.13ff. (Th 236) 1.25 (Th 237) 1.27 (Th 237) 1.36 (Th 237) 6.39 8.3 Epiphanios Haereses/de fide pro. 1.1.2 3.496.13–14 3.502.11–15 3.504.26–32 3.504.32–34 3.504.32–505.3 (Th 293) 3.509.14–22 3.509.24–25 Eusebius Praeparatio Evangelica 1.2.1–2 1.6.8–9 1.7.1–15 1.7.16 1.7.16–8.2 (Th 260) 1.8 1.8.1 1.8.1–3 1.8.1–12 1.8.4–12 1.8.13 1.8.13–14 58 335 166 70, 78, 81, 90 94 63 210 210 210 211 212 35, 210–2, 350 212 212 156 39 157 157–8 157–61 162–3 157 158 158, 270 159 160 159 390 1.8.14 1.8.14ff. 1.8.15–16 1.8.17 1.8.19 1.9.21 2.7.4–7 7.9–11 7.11.13 7.11.14 7.12 7.12.1 (Th 261) 7.14.2 10.1 10.2 10.3 10.4 10.4.1 10.4.9 10.4.10 10.4.10–12 10.4.13–16 10.4.14 10.4.17–18 (Th 262) 10.5–7 10.6 10.6.15 10.7 10.7.8 10.7.9 10.7.10 10.7.10 (Th 263 = Th 108) 10.8.1–16 10.9 10.9.11–13 10.9.12 10.9.25 10.9.26 10.9.27 10.9.28 10.10 10.10.23 10.11 10.11.1–5 10.11.6–35 10.11.34 (Th 264 = Th 176) 10.12 10.13 Register 160 160 272 272 160–1 275 269 161 161 162 162 161–3 163 164 164 164 164 164 164 164 164 164 164 164–6 166 166 166–7 166 167 167 167 166–8 168 168 168 275 168, 169 169–70 170 170 169 334 169 169 169 168–70 169 169 10.14 10.14.1 10.14.3 10.14.7 10.14.8 10.14.10 10.14.9 10.14.10–12 (Th 265) 10.14.12 10.14.16 (Th 266) 11 11. pr. 4 11.1 11.1.1 11.1.2 11.2 11.2–3 11.2.2–3 (Th 267 =Th 169) 170 171 171 171, 335 171 171 171–2 170–3, 243 172 173–4 174 174 174 175 175 54, 175–7 177 54, 175–8, 198 11.2.3 176 11.2.6 177 11.3.1 (Th 268 = Th 97) 177–8, 197–8 11.3.2 178 11.3.10 178 11.4 177 11.5 177 12.27 178 12.28 178 12.29 179 12.29.1 179 12.29.4–5 (Th 269 = Th 19) 178–81, 198, 268, 291 12.43 181 12.43ff. 181 12.47 181 12.48 181 12.48.6 181 12.49 181 12.49.1–2 182 12.49.3–14 182 12.49.6 (Th 270 = Th 22) 181–2, 198 12.49.12 182 13.3.3–6 269 14 182, 197 14.1.1 182 14.1.2 183 14.1.2–3 183 391 Stellen 14.2 14.2.1–7 14.2.7 14.3 14.3.1–6 14.4.4–5 14.11.1–7 14.13.9 14.14.1 (Th 271) 14.14.2 14.14.3 14.14.4 14.14.5 14.14.6 14.14.7 14.14.8 14.14.9–10 14.15.1–10 14.15.11 14.16 14.16.1 14.16.6 (Th 272) 14.16.11 15 15.1 15.22.68 15.22.69 15.23 15.24–25 15.26–29 15.29 15.29.1 15.29.3 (Th 273) 15.30 15.30.1 (Th 274) 15.31 15.32ff. 15.32.9 15.32.9–10 15.43 15.43.1 15.43.2 (Th 275) 15.44.2 (Th 276) 15.50 15.50.1 (Th 277) 15.54.3 15.55 (Th 278) 15.55–57 183–4 184 183 183 183 272 272 184, 285 161–2, 182–7, 203 186 186 186 186 186 186 161, 186–7 187 187 187–8 188 188 46, 123, 187–190 190 182, 197 156 191 191 192 192 192 192 193 192 192 192–3 193 193 194 193 194 194 46, 123, 194–5 194–5 195 195–6 195 195–6 195 15.56 15.56.1 (Th 279) 15.57.1 (Th 280) 15.62.1–4 15.62.1–6 15.62.6 15.62.14 195 195–6 195–6 272, 284 160 284 286 Flavius Josephus Contra Apionem 1.6–26 1.7 (Th 108) 1.31.286 Antiquitates Iudaicae 2.9.6.228 167 168 221 221 Gnomologium Vaticanum 316 (Th 564) 321d (Th 564) Hermias Irrisio gentilium philosophorum 1.4–7 4.1–2 4.2–4 5.3–7 6.1 19.1–5 10 (Th 230) 10.1 (Th 230) 10.4 10.5 Herodot Historiae 1.74 (Th 10) 1.170 (Th 12) 4.46 4.76 70–1 70–1, 78 125 125 126 127–8 126 125 126 127 127 127 61–2, 349 58–60, 166, 264–5, 291, 335 182 182 Hieronymus Apologia adversus libros Rufini 2.22 3.6 De viris inlustribus 79 80 210 210 148 130 392 Register Interpretatio Chronicae Eusebii 13.19–14.1 (Th 304) 155, 196–7, 213–5, 218, 240, 243, 341 88b.19 (Th 305) 155, 196–7, 213, 215, 218, 240, 243, 341 96a.9–12 (Th 306) 155, 196–7, 213, 216, 218, 240, 243, 341 100b.25–101b.6 (Th 307) 155, 196–7, 213, 217–8, 240, 243, 341 103b.12 (Th 308) 155, 196–7, 213, 218, 240, 243, 341 Hippolytos Refutatio omnium haeresium 1. pinax 3 (Th 209) 35, 75–7, 87, 89 pro. 1.8 75–6 pro. 1.8–9 76 pro. 1.11 77–8 1.1 (Th 210) 46, 70, 76–8, 89–90, 123 1.4 82 1.5.1–6.1 (Th 211) 81–2, 87, 89 1.6–9 82 1.6 82 1.7 82 1.8 82 1.9 82 1.10.1 (Th 212) 82, 89 1.26 77 1.26.4 75 5.1 83 5.9 83 5.9.11–12 83 5.9.13 (Th 213) 35, 80, 83–4, 87, 89–90 6.21ff. 86 6.22 86–7 9.13 85–6 9.15–17 85 9.17 85–6 9.17.2–3 (Th 214) 80, 85–7, 89–90, 166 10.2–3 87 10.4 87 10.6.4 (Th 215) 87–9 10.6.4–6 87 10.6–8 75, 87 10.8 89 10.9–29 75, 87 10.32–34 75, 87 Homer Ilias 8.68 14.201 14.246 14.302 15.192 16.777ff. 21.196 Odyssee 4.400 Iohannes Malalas Chronographia 4.1 4.2 4.2–3 4.3 4.4 4.5 4.6 (Th 454) 6.1 6.2 6.3 6.4 (Th 455) 7 8 9 10 269 33, 185, 270–1 185, 206–7 270 206–7 269 274–5 269 333 333 333 334 334 334 333–5 335 335 335 333, 335–7 333 333 333 333 Irenäus Adversus haereses 1.28 37 2.1–11 31 2.12–19 31 2.14.1 32 2.14.2 (Th 145) 31–4, 89, 90, 212, 350 2.14.2–7 32 2.14.1–2 32 2.14.3–7 33 2.14.3–4 33 2.14.4 33 2.14.5 33 2.18.2 107 Isidor Origines 1.29 338 Stellen 2.1–21 2.22 2.23 2.24.3 2.24.4 (Th 473) 5.38 5.39 5.39.18 (Th 474) 8.5 8.6.3 8.6.3–6 8.6.6–16 8.6.17 8.6.18 (Th 475) Jamblich Protrepticus 73.5–10 Kyrill von Alexandrien Contra Iulianum 1.3 1.4 1.5 1.11 1.11–17 1.13 1.14 (Th 373) 1.17 1.18 (Th 374) 1.18ff. 1.19 1.19ff. 1.22–34 1.22–49 1.25 1.34 1.35–49 1.35 1.36 1.37 1.38 (Th 375) 1.38–39 1.39 1.40 (Th 376) 1.42–43 1.47–48 2.13 338 338 338 338, 342 338–340 341 341 340–2 342 343 343 343 343 342–4 268 295–6 296 296 297 298 297–8 155, 296–8 297–8 298–300, 306 298 299–300 299 300 300 301 300 300 301 301 301 300–4, 349 306 301, 304–5 304–7 306 306 307 2.14 (Th 377) 2.15 2.16 5.752A–B 6.183A 6.184B 6.184B–D (Th 378) 393 307–9, 285 308 308–9 310 309 309 309–11 Laktanz Divinae institutiones 1.5.1 131 1.5.2 131 1.5.3 132 1.5.4 132 1.5.4–7 132 1.5.6 132 1.5.7 132 1.5.8 132 1.5.8–10 132 1.5.11 133 1.5.11–12 132 1.5.13 133 1.5.14 133 1.5.15–6 (Th 254) 46, 122–3, 131–6, 141, 144, 146–7, 236, 332, 344, 349 1.5.15–23 133 1.5.16 (Th 255) 135, 147 1.5.21 136 2.1.1 136 2.9.1 136 2.9.15 136–7 2.9.16 137 2.9.17 137 2.9.18 (Th 255) 136–9 2.9.19 137–8 2.9.20 138 3 142 3.2 343 3.2.6 141 3.11.2 139 3.13 139 3.14.1 139 3.14.4–6 (Th 256) 139–42 3.14.7 142 3.16.3–6 142 3.16.7–11 142 3.16.10 142 394 Register 3.16.11 143 3.16.12 143 3.16.12–13 (Th 257) 141–4 5.1.8 131 Epitome Pr. 2 145 1.1 145 1.1–2.1 145 2.1 145 3.1 145 3.2 145 3.3–5 145 4.3 (Th 258) 46, 123, 130, 144–6 37.7 145 Lukrez De rerum natura 5.1–90 5.6–8 5.50b–51 5.335–337 Minucius Felix Octavius 5–13 5.6–9 5.10–13 8–13 13.3–4 13.4 14 16–38 17–18 19.1–2 19.2 19–20.1 19.3 19.3–10 19.4 19.4–5 (Th 229) 20.1 39–40 Nemesios von Emesa De natura hominis 2 2.67 141 141 140–1 144 119 119 119 119 96 96 119 119 119 120 132 120 120 133 120 46, 119–22, 134–5, 236, 332, 344, 349 124 119 253 253 2.68 2.68–69 (Th 323) 3 4 5 5.169 (Th 324) 5.170 6–13 253 253–4, 287–8 253 253 253 90, 255–6 256 253 Ovid Metamorphoses 1.430–433 138–9 Philon Vita Mosis 1.17 221 Philoponus In Aristotelis de anima libros commentaria 1 Pro. 15.9.5–12 (Th 440) 15.86.11–35 (Th 442) 15.188.12–18 (Th 443) 113 113 113 Platon Leges 641e 760b3–6 Phaedo 96a 96c 96a5–c7 97b–99b1 99b6-c6 Protagoras 343a–b (Th 20) Res publica 377e–378d 298a 489c6 595b4–c4 599b–601b 599b9–601b6 600a4–7 (Th 22) Theaetetus 173ff. 173c–177b 173c6–177b7 56 181 272 272 160 187 187 56 269 269 267 182 181 182 181–2 179 268 180 Stellen 174a4–8 (Th 19) 174a7 180a–c 201c–210b Timaeus 21e–22b 23c 41, 80, 98–9, 180, 267 268 272 66 Plutarch De Iside et Osiride 9–10.354D-E (Th 115) 34.364C-D (Th 116) Porphyrius Contra Christianos 4 Ps.-Aristoteles De mundo 2.392a5ff. 6.400a19 Ps.-Justin Cohortatio ad Graecos 1.2.15–17 1.2.17–19 2 2–13 3.1–2 (Th 291) 3–4 4.2 5.1 5.2 5.3 5.3–4 (Th 292) 5.4 5.2–6.2 5–7.1 9.1–10.1 14–34 299 299 98, 166, 221 98, 221 275 205 207 201 201 202 201 202–3 201 203 205 205 208 204–8 207–8 209 201, 204–5 39 201 Ps.-Plutarch Placita Philosophorum 1.3 (Th 147) 35, 184, 186–8, 203, 270 1.7 (Th 149) 45–6, 122, 135, 188–9, 301, 304 1.7.11 45 1.8.2 (Th 150) 45 1.9.2–3 (Th 151) 2.1.2–3 (Th 155) 2.2 2.13.1ff. (Th 157) 2.20f. 2.20.1ff. 2.24 4.2 (Th 165) 4.2.1 4.3 Sextus Empiricus Adversus Mathematicos 7.218 10.310–318 10.312–318 Sidonius Apollinaris carmina 1 1–8 2 2.155–192 2.156–163 (Th 385) 2.193 9–24 14 15 15.1–35 15.36 15.36b–125 15.126 15.126–195 15.37b–41 15.42–50 (Th 386) 15.44–50 15.51–78 15.79–90 (Th 387) 15.79–81a 15.81b 15.81b–82 15.83–90 15.81b–82 15.85–90 23.97–110 (Th 388) 23.97–104 23.97–177 23.178f. 395 278 279 308 280 192–3 282 195 287–8 287 287 66 87–8 88 313 312 312–3 313 313–6 313 312 315 312, 314 315 315 315 315 315 315 314–6, 320 316 314, 317 317–320 317–8 319 317, 319 317 317 319 321 321 321 321 396 23 24 Epistulae 4.3.2 4.3.2–3 4.3.4–7 4.3.5 (Th 389) 4.3.6 4.3.7 4.14 Stobaios Anthologium 1.1.29a (Th 339) 1.1.29b (Th 340) 1.49.1a (Th 360) Tatian Oratio ad Graecos 22–28 25.4 26 26.2 29–30 31 31.1 31.2 36–41 36–42 39 40.1–2 41.1 41.1ff. 41.6–7 41.9–10 (Th 176) Tertullian Adversus Iudaeos 5 Ad nationes 2.1.1 2.1.7 2.1.8–11 2.1.10 2.2–6 2.2.2 2.7 Register 312 312 323 323 323 323–4 324 324 314 332 135, 332 254, 287 38 38 41 41, 127 38 169 38–9 39 38 169 41 40 39 39 39 37–41, 56, 60, 62, 169–70, 246, 292, 297 64 92 93 93 93 93 93 93 2.8 2.1.8–12 2.1.8.12–9.16 2.2.4 2.2.5 2.2.5 2.2.8 2.2.10.5–7 2.2.10–11 (Th 216) 93 93 93 94 94 94 94 95 46, 70, 92–96, 103, 105, 110, 115–6, 123, 292, 349 2.2.10–12 94 2.2.11.7–9 95 2.2.12 94 2.2.13 95 2.4.16 97 2.4.17 97 2.4.18–9 (Th 217) 97–9, 106, 110, 115–6, 292 Apologeticum 18.2 99 18.2.4–10 100 18.2.8 100 18.4.17–18 100 18.5 100 18.5.22–9.42 100 19.1.2–3 100 19.1.4* (Th 218) 56, 95–6, 99–105, 115–6 19.1.1*–10* 100 19.1.1*–4* 101 19.1.2.*16–17 101 19.1.4.*17–18 101 19.1.5.*25–27 104 19.6 101 46.1 104 46.2–48.15 104 46.2.12 104 46.2.12–14 104 46.3.15–16 104 46.7.35–39 104 46.8–9 (Th 219) 95, 99, 104–6, 116 46.8.40–41 104 46.8.41–43 105 46.9.43–45 106 47.9 107 Adversus Marcionem 1.8–21 107 Stellen 1.13.1 1.13.2 1.13.3 (Th 220) 1.13.5 4.25.3 De anima 1–3 1.1.3–4 2.6 2.6.14–5 3.1.32 3.3.6–8 3.3.7–8 3.3.8–12 3.3.12–3 3.4.15 4 4.1 4.1–22.1 4.1.24 5 5.1 5.1–6 5.1.1–2 5.1.4 5.2 (Th 221) 5.2–6 5.2.4–9 5.2.10–5.6 5.3 5.4–5 5.6 6 6.1.2 6.6.2–5 6.6.5–6 6.6–7 6.6.7–11 6.7.12–14 6.7.22–23 6.7.23 6.8 (Th 222) 6.8.24–25 6.8.25 6.8.25–27 6.8.27–30 12 14 107 107 35, 51, 107–9, 350 109 107 109 110 110 110 110 110 111 111 111 111 113 111 111 111 113 112 111 112 112 111–2, 116–7 112 112 112 112 112 112 110 113 114 110 114 114 114 114 114 99, 111, 113–5 114 113 114 115 110 110 15 22.1–2 23 34–35 42–45 De praescriptione haereticorum 7.3 Adversus Hermogenem 1.3 Testament, Altes Genesis 1,1 1,1–26 1,2 Exodus 2,10 Deuteronomium 12,15–16 12,22–24 14,3–5 14,5 15,22–23 Psalmen 52 52,3 52,6 111,10 Sprichwörter 8,9–11 9,10 18,21 Das Hohelied 1,5 2,7 2,7 3,5 3,10 5,8 6,7 Das Buch der Weisheit 9,14 Jeremia 23,24 Die Klagelieder des Jeremia 3,27–28 Das Buch Sacharja 1,1 397 110 111 110 110 110 107 107 219, 221 123, 219 123 220 329–331 329–331 330 331 330–1 309 309 309 94 94 94 309 327 327–8 327–8 327 327 327 210 277 328 179 102 398 Das Buch Maleachi 3,20 Testament, Neues Matthäusevangelium 23,8 23,8–10 Johannesevangelium 1,9 Apostelgeschichte 1,24 15,8 17,18 Römerbrief 1,25 16,27 1. Korintherbrief 2,5 2,15 3,19 3,19–21 2. Korintherbrief 1,9f. Galater 1,5 4,3 4,8–9 4,9 Philipperbrief 1,9–10 4,20 Kolosserbrief 2,4 2,6–8 2,8 1. Timotheusbrief 1,17 2. Timotheusbrief 4,18 Titusbrief 1,12ff. Hebräerbrief 1,1 13,21 11,3f. 11,3ff. 11,38 Register 269 68 72 54 69, 70 69, 70 52 77 70 52 52 52 52 52 70 51 51 51 53 70 52 52 52 70 70 56 72 70 66 68 179 Neutestamentliche Apokryphen Acta Pauli et Theclae 24,7 Theodoret Curatio p.1–2 p.2–3 p.3 p.4 p.5 p.7 p.8 p.16 p.17 1.9 1.9–10 1.10 1.10–11 1.11 1.12 (Th 326) 1.13 1.14 1.14–15 1.17–22 1.21–22 1.23 1.23–24 (Th 327) 1.24 1.25 1.26 1.26–31 1.31 1.31–32 1.32–39 1.36 1.36–37 1.37 (Th 328) 1.42 1.43–44 1.44 1.90–91 2.4 2.4–5 2.5 2.6–7 2.7 70 258 258 259 259 268 276 286 258 258 258–260 260 260 260 260 259–63, 275, 290–1 262 262 263 263 263 263, 265 73, 259, 263–266, 291 265 265 266 266 266 266 266 266 267 259, 266–8 265 265 265 69 269 269 269 269 269 399 Stellen 2.8 2.8–9 (Th 329) 2.9–11 2.11 2.11ff. 2.11–12 2.20–21 2.21 2.21–22 2.26 2.26–27 2.43 2.43–44 2.43–45 2.44–50 2.50 (Th 330) 2.51 2.95 2.95–96 4.4 4.13 (Th 331) 4.15 4.15–16 (Th 332) 4.16 4.17 (Th 333) 4.17–20 4.21 (Th 334) 4.21–22 4.22 4.23 (Th 335) 4.24 4.25 4.25–26 4.26 4.26–29 4.27 4.27–29 4.28ff. 4.30 269 160, 269–72, 292 270 160 271 271, 284 273 259, 273 273 273 273 273–5 275 274 274 273–6 275–6 285 285 277 277–8, 291 279 277–80, 292 280 277, 280–1 280 277, 281–2, 290 282 281–2 160, 197, 272, 277, 282–6, 292, 335 283–4 283–4 284 284 272 272 160 272 284 4.31 5.16 5.17 (Th 336) 5.44 5.44–45 (Th 337) 5.45 5.47 12.21–28 285 285–6 254, 285–8, 291 289 272, 286, 289–90 290 290 267 Tyrannios Rufinos Recognitiones (clement.) 8–9 8.3–9.31 8.6.4 8.6.6 8.7.4–5 8.7.5–7 8.12.6 8.13.1 8.13.1–2 8.13.2 8.13.2–14.5 8.13.3 8.13.3–4 8.13.4 8.14.6. 8.15.1–3 (Th 310) 8.15.4 Vergil Aeneis 6.724–727 Xenophon Memorabilia 1.1.11 1.1.11–14 1.1.13–14 4.7.6 223 224 224 224 224 224 226 226 226, 228 226 226 226 226 226 227 224–8 228 133 160 272, 284 160 272, 284 400 Register 8.2 Namen Aaron 334 Abraham 240, 297, 300, 341 Aesculap 324 Aëtios 127, 155, 270, 276, 280, 283, 285–6, 288, 290–1 Ägypten 23, 59, 60, 87, 90, 98, 116, 185, 210, 261–2, 299, 300, 306 Ägypter 58–60, 62–3, 71–2, 87, 97–8, 101, 109, 116, 165–6, 168, 198, 220–1, 260, 265, 273, 306 Akusilaos 56, 167 Albertus Magnus 20 Alexander von Aphrodisias 20, 35, 350 Alexandrien 47, 148, 164, 169, 198, 221, 265, 285, 294 Alkmaion 225, 287 Alyattes 61, 217 Anacharsis 55, 181–2 Anaxagoras 33, 49,59, 60, 68, 76–7, 82, 120, 126, 146, 161, 172, 176, 186–8, 190, 202, 225, 232–4, 236, 244–5, 249, 251, 273, 276–281, 283, 289, 290, 318, 320 Anaximander 33–4, 49, 59–60, 76–7, 82, 88, 89, 107–8, 123, 126–7, 158–9, 161, 171–2, 186, 188, 193, 198, 202, 225, 232–4, 236, 242–5, 248–9, 270–1, 279–280, 289–290, 301–6, 319 Anaximenes 48–9, 59–60, 76–7, 82, 108, 120–1, 123, 126, 145–6, 158, 161–2, 172, 176, 186, 193, 202, 232–4, 236–8, 242–5, 248–9, 251, 255–6, 270–1, 279, 282–3, 289–90, 319–20 Andron 64 Antiphon 193 Antisthenes 62, 145–6 Archelaos 49, 76–7, 82, 126, 202, 232, 236, 279 Archimedes 324 Aristarch von Samos 264 Aristipp 159 Aristokles 177–8, 191, 198 Aristoteles 33, 35, 56–7, 65, 67–9, 71–2, 77, 82, 112, 126–7, 145–6, 152, 175, 185, 191, 201, 204–9, 228, 254, 272, 279, 281–2, 290, 301, 304, 306, 324, 342, 351 Aristoteles-Kommentatoren 20, 350 Aristoteliker 224, 247 Arkesilaos 152 Asien, Kleinasien 30, 55, 98 Assyrer, Assyrien, assyrisch 101, 335–7 Astyages 61, 217, 336 Athena 315 Atlas 324, 334 Atomisten 53, 152 Attikos 54, 175–8, 191, 198 Babylon, babylonisch 71–2, 171, 173, 240–3, 335, 341 Barbaren 37, 156, 166–7, 212, 257, 262–4 Basilides 31 Basilius 219–21, 228 Berossos 101 Bias von Priene 55, 242–3, 302–3, 313–4, 316, 321–2 Chamaileon 56–7 Chilon 55–8, 242–3, 313–4, 316, 321–2 Christen, Christentum 23, 37–8, 43–4, 46, 92, 104–5, 111, 119, 123–4, 130–1, 142, 148–9, 154, 156–7, 160–1, 168, 183, 200–1, 213, 218, 231, 257–8, 260, 263, 269, 275, 291, 294–5, 302, 332, 341 Christus 48, 52, 107, 111, 149, 154, 294, 297 Chrysipp 112, 114–5, 145–6, 152, 323–4 Cicero 46, 70, 96, 110, 119, 122–3, 130, 134–5, 139, 142–6,190, 219, 232, 236, 249, 315, 332, 340–2 Dareios 64, 101–2, 336 David, König 240, 341 Demetrios Phaleron 100 Demokrit 33, 76–7, 126, 151–3, 162, 173, 186, 188–9, 225, 249, 278–81, 283, 301–4, 306, 308 Demosthenes 342 Diagoras von Melos 188 401 Namen Dido 341 Diodor 157, 159, 168, 225, 262 Diogenes Laertius 15, 58, 63, 70, 81, 90, 166, 335 Diogenes von Apollonia 48–9, 53, 120–1, 123, 159, 225, 232–4, 251–2, 270–1, 279–280 Diogenes (Kyniker) 94–5 Drakon 39, 40–1, 334–5 Empedokles 21, 33, 48, 58, 75–7, 87, 112–3, 126, 159, 162, 186, 193, 225, 228, 249, 308, 347 Epikur 33, 61, 71–2, 77, 112–3, 123, 126, 139, 141, 152, 159, 162, 186, 212, 224–5, 238, 278–9, 308 Epikureer, epikureisch 52, 65, 94, 122–3, 210, 331 Epimenides 55 Epimetheus 334 Eubulus 112 Eudemos 61–2 Euhemeros 188 Euklid 322, 324 Euripides 188, 342 Europa 55 Gnosis, Gnostiker 30–35, 52, 65, 75, 80–87, 89, 109–10, 117, 148 Gregor, der Große 342 Gregor von Nazianz 294 Hebräer 63, 103, 156, 161–4, 174–5, 177–9, 181, 183, 190, 198, 262, 265, 273 Hebräisch 51, 63, 72–3, 83, 103, 156, 163, 174, 179, 181, 183, 210, 220, 246, 295, 300, 336, 349 Heraklit 82, 85, 87–8, 107–8, 112–3, 126, 137–8, 151–3, 162, 186, 193, 202, 225, 249, 255, 277–9, 282–3, 347 Herodot 58–62, 166, 182, 263–5, 335, 349, 351 Hesiod 33, 55, 57, 77, 132, 274 Hipparch 112–3, 255 Hippasos 48, 53, 88, 112, 186 Hippon 76–7, 112–3 Homer 33–5, 38–9, 55, 57–8, 62, 132, 167, 181–2, 185, 206–9, 214, 269–72, 274–5, 301, 342 Iberer 260 Inder 72, 109 Ionien 60, 167 Israel 241, 245, 310, 334–5 Iulius Africanus 169, 200, 334 Jerusalem 47, 85, 181, 242, 327, 329, 335 Josephus, Flavius 98, 101, 116, 166–9, 197–8, 221 Juden, Judentum, Jüdisch 38–9, 60, 72–3, 85, 101, 123, 156, 166, 171, 173, 204, 210, 242–4, 309–10, 334–5, 341, 348 Karneades 126, 152 Karthago 92, 130, 341 Kleanthes 71–2, 112, 126, 145–6 Kleitomachos 126 Kleobulos 55, 242–3, 313, 321–2 Kritias 112–3 Kyaxares 61 Kyniker 33, 94, 331 Kyros II 101–2, 171, 173 Leandros 58–60, 264–5 Leukipp 76–7, 126, 173, 249, 279 Linos 39, 55, 164, 246, 274 Lukrez 139–42, 144 Lyder 61–2, 217, 335–7, 349 Lykurg 39, 176, 309–10, 321–2 Magier 50–1, 71–2, 109, 164 Manetho 101 Marcion/iten 92, 106–9, 116–7, 148, 347 Melissos 126, 249, 279 Metrodoros 71–2, 152, 159, 278, 281 Minos 39 Moses 38–9, 40, 56, 63, 99, 100–3, 156–7, 161, 168, 170–1, 173, 183, 198, 201, 219–221, 246, 268, 274–6, 295–300, 305–7, 309–10, 329, 331, 334, 349. Musaios 39, 164, 246, 274 Myson 56 Naassener 83–4, 90 Numenius 154, 191, 263 402 Register Okeanos 33–4, 184–5, 206–8, 270–1 Origenes 155, 219, 223 Orpheus 39, 55, 62, 132–3, 145, 164, 241, 246, 274 Ovid 132–3, 138–9, 145 Panaitios 152 Parmenides 21, 48, 61, 76–7, 126, 159, 163, 225, 249, 279, 282–3, 347 Paulus 52, 56, 65, 125 Peisistratos 336 Periander von Korinth 55, 176, 242–3, 313–4, 316, 322 Peripatetiker 56, 97, 112, 152, 157, 177, 191 Perser 50–1, 109, 173, 336–7, 349 Petrus, Apostel 223 Pherekydes 56, 58, 71, 126, 164–5, 167–8, 198, 261–2, 264–5, 327–331 Philon 182, 219, 221 Philoponus 20, 113 Phöniker, phönizisch 58–60, 62–3, 73, 155, 165–6, 198, 223, 264–5, 291, 350 Pittakos 55, 176, 242–3, 313–4, 316, 322 Platon 33, 41, 43–4, 46, 56, 63, 65–6, 69, 71–2, 76–7, 80, 85–7, 94, 98–9, 105, 107–8, 110–13, 124, 126, 145–6, 151–4, 156–7, 160, 173–82, 187–8, 190, 194, 197–8, 200–1, 204–9, 225, 228, 232, 235, 237, 244, 249, 259, 261–2, 266–9, 272–4, 276, 279, 281–2, 290–1, 299, 306–7, 309–10, 324, 328–9, 335, 339–40, 342 Platoniker 114, 148, 210, 224, 232, 237–8, 247, 310, 328, 343 Plinius 110, 323, 342 Plutarch 98, 158–9, 166, 187, 191, 221, 263, 285–6, 308 Porphyrius 263, 274, 302 Prometheus 100, 334 Protagoras 56, 126, 173 Ps.-Plutarch 35, 44–6, 122, 135, 155, 157–8, 184, 186–9, 191–3, 195–7, 203, 254, 270, 276, 278–80, 283, 285, 286, 287–8, 290, 301, 304, 308 Pythagoras 39–41, 58–9, 62–4, 71–2, 76–7, 82, 85–7, 126, 140–1, 145–6, 151–3, 162, 164–5, 167–8, 177–8, 187–8, 190, 194, 198, 225, 232, 235, 244–5, 254, 261–2, 264–5, 273, 276–9, 283, 299, 300, 306–8, 316–7, 324, 343 Pythagoreer 33, 112, 153, 249, 263, 281 Rom, Römer, römisch 23, 30, 37–8, 75, 85, 92, 130, 139, 148, 212–4, 223, 240–2, 247, 297, 309, 312–3, 321–2, 333, 340–1 Sappho 334 Sarmaten/Sauromaten 50–1, 260 Seneca 144–6, 331 Simon, der Magier 223 Skythen 260 Sokrates 71–2, 76–7, 81–2, 94, 160, 173, 180, 182, 190, 197, 232, 234–7, 244, 261, 266, 271, 276, 283–4, 292, 309–10, 339–40 Solon 39–41, 55, 85–7, 102–4, 171, 176, 214–5, 217, 242–3, 261–2, 299, 313–4, 316, 321–2, 334–5, 337 Sophokles 342 Stoiker 33, 65, 77, 88–9, 94, 112, 114, 145–6, 152, 157, 193–4, 196, 210, 237–9, 277–8, 301, 304, 306, 328, 343–4 Syrien 23, 37, 47, 85, 223, 253, 257 Tethys 33–4, 271 Theodoros von Kyrene 180, 188, 267 Theophrast 71–2 Theopomp 254 Timon von Phleius 273 Valentin, Valentinianer 31–5 Varro 93, 110, 148, 230–1, 240, 342 Vergil 132, 145, 219 Xenokates 112, 340 Xenophanes 58–9, 61, 77, 88, 159, 163, 165, 178, 187, 242–4, 249, 279, 281 Xenophon 160, 197, 271–2, 284, 292 Zenon von Elea 61, 159, 163, 173, 176, 279 Zenon (Stoiker) 71–2, 107–8, 112, 145–6, 152, 225, 228, 344 Zeus 207 Sachen und Begriffe 403 8.3 Sachen und Begriffe Abhängigkeit 32, 51, 59–60, 69, 72, 90, 156, 198, 200, 300 Äther, ätherisch 107–8, 136, 205, 207, 284 Aggregatzustände 79, 90, 151, 153, 255–6 Agnostiker, agnostisch 46, 105, 116–7 Altersbeweis 37–41, 63–4, 72, 166–174, 245–6, 297–8, 348–9 Anfang 32, 34, 54, 58, 60, 70, 72, 79–80, 90, 94, 98–9, 103, 109, 111, 135, 143, 163–4, 219, 221, 239, 305, 315–7, 322, 342, 349 Apologetik, apologetisch 119, 130, 132, 166, 169, 182, 191, 200, 204, 230, 257, 292, 294–5, 346, 348–9 Apologie/n 37, 43, 99, 200, 257, 294–5 Argument, chronologisches 38, 41, 99,100, 103, 198, 275, 295, 297, 300, 348 Argumentationsziel 27, 40, 61, 70, 80, 103, 127, 157, 169, 262, 271, 345 Argumentative Funktion 25–6, 41, 73, 90, 185, 191, 345, 350 Argumentative Strategie 35, 60, 113, 196–7, 203, 262, 291–2, 345 Astronom/ie, astronomisch 15, 17, 21, 61–2, 79–81, 90, 112, 172, 180, 233–4, 263, 267, 318, 320, 322, 339–40, 342 Atheismus 43 Atheist/atheistisch 35, 43, 46, 119 Atome 53, 112–3, 151, 153, 225, 237–8, 278 Bewegung 78–80, 126–7, 135, 160, 187, 275, 280, 331 Beweis, beweisen 39, 40, 66, 68–9, 77, 100–1, 114, 119, 131, 148–9, 154, 169–70, 203, 206–7, 248, 255–6, 270, 273, 283, 295, 298, 348 Bildung, Ausbildung 35, 37, 54, 62, 98, 130, 155, 220, 235, 247, 257, 259, 266–8, 313–4, 317, 323, 325, 333, 338, 346 Blut 112–3, 329–31 chronologisch 20, 38–41, 56, 60–63, 72, 99–100, 103, 126, 169, 171, 190, 192, 198, 214, 218, 240–2, 244–6, 275, 295, 297, 300, 338, 340–2, 346, 348–350 Dämon/en 43–5, 48, 85, 156, 194–5 Denken 18, 65–6, 69, 104, 142, 174, 339 Diaphonie, Dissens 154, 163, 182, 186, 190, 193, 196–7, 254, 270–1, 278–80, 283, 285, 287–8, 290, 292, 319, 348 Dichter 33–4, 38, 55, 92–3, 120, 131–4, 137, 142, 145, 182, 188, 201–2, 241–3, 246, 259, 263, 269, 273–5, 286, 289–90, 301, 312, 314, 325, 334 Dichtung 123, 132, 167, 182, 200 Diebstahl 52, 69, 84 Doxographie, doxographisch 18, 45, 73, 84, 110, 122, 155, 162, 189, 197, 203, 209, 225, 270, 287–8, 290–1, 308 Dreifuß 64, 301–3 Element/e 48–54, 73, 85, 107, 109, 113, 134–8, 162–3, 191, 204, 225, 227–8, 233, 239, 253, 255–6, 281, 300, 315, 343–4 Erde 48–9, 72, 79, 88, 97–8, 100, 107–8, 126–7, 150, 195–6, 219, 221, 225, 231, 239, 255, 274, 281, 283, 298, 305, 318–9, 328–331 Erfinder 140–1, 272, 289–290, 334 Erforschung, Forschung 47, 61, 78–80, 103, 125, 133–4, 172, 178, 234–6, 244–5, 283, 292, 299, 318, 325, 332, 339–40 Erkenntnis 31, 54, 57, 71, 73, 84, 94, 106, 116, 126, 136, 139, 153, 171, 237, 258, 266–8, 342 Erkenntnis Gottes 50, 99, 116, 136 Feuchtigkeit, feucht 126–7, 134–9, 185, 207, 234, 238 Feuchte Wesenheit 35, 84, 90 Feuer 48–9, 53, 88, 107–8, 112–3, 137–9, 151–3, 162, 185, 202–3, 225, 238–9, 255–6, 280–3, 302, 304 404 Register Geometrie, geometrisch 225, 263, 300, 322, 329, 330–2, 339–40 Gerechtigkeit 99, 104, 220, 248, 267–9, 296 Gesetzgeber 39, 101–3, 309–11, 322, 334–5, 337 Glauben 40, 48, 57, 65–8, 94, 111, 119, 126, 131, 148–54, 203, 211, 257, 259, 272–3, 277, 319 Gott 41, 44–6, 50–4, 65–6, 69–70, 72, 77–81, 89, 90, 93–4, 96, 99, 100–1, 105–7, 109, 111, 116, 119–25, 131–7, 139–41, 145–7, 157, 160–4, 167, 179, 183, 186–9, 190, 205–8, 219, 224, 227–231, 234, 236–40, 242–3, 246, 248, 262, 264–5, 269, 274–5, 286, 296, 300–6, 310, 328–32, 341–4, 349 Götter 33–4, 43, 45, 48–51, 56–7, 63, 92–6, 103, 106–9, 116, 127, 132, 140–1, 148–150, 186–8, 191–3, 204, 231, 234, 236, 271, 318, 320 Gotteslehre 54, 268, 274, 328 Gottheit 48, 70, 77, 89, 93–4, 96, 102–6, 116, 121, 123, 188, 231 Gottlosigkeit, gottlos 32–5, 49–51, 53, 73, 75, 160, 275 Göttlich/es 31, 43, 60, 70, 76, 81, 93, 99, 100, 103–4, 109–10, 119, 130–2, 134, 136, 138, 140, 142–4, 146, 167–8, 181, 204–5, 219, 224, 227, 230, 234, 236–7, 258, 269, 273, 276, 320, 328 Göttlicher Geist 99, 219, 234, 236–7, 318, 320, 328 cf. Attribut ›Gott/Götter/ Gottheit‹ Häretiker 30, 75–6, 89–90, 107, 110–1 Häresie/n, häresiologisch 30–5, 75–8, 82–90, 92, 106–11, 115, 210–2, 230, 305, 342, 347, 350 Herkunft 23, 34, 58, 60, 62–3, 73, 80, 166, 198, 204, 247, 250, 265, 291, 314, 316, 322, 338, 350 Himmel 41, 78, 81, 83, 95, 97–8, 107–8, 111, 121, 159, 180, 207, 219, 231, 267, 305, 328, 339–40 Himmelskörper 107–8, 280 Hörer 82, 171–2, 221, 224, 232, 234, 236, 246 Immateriell 117, 306 Körper, körperlich 88, 107–8, 110, 112–5, 127, 162, 176, 179, 194, 205, 226–7, 238–9, 253, 255, 280, 283, 287, 289–90, 310, 343–4 Kosmos 44, 46, 108, 121, 123, 135, 185, 188–91, 276, 281, 302–4, 308, 330, 332 Lehre/n 21–2, 26, 31–5, 37–9, 43–4, 50–4, 63, 65, 75–7, 80, 83–85, 87, 99, 104–5, 110–12, 119–20, 123–6, 133, 136, 149, 155–9, 161, 163–4, 175, 177–8, 181, 183–4, 186, 201–8, 211–2, 220, 231–2, 236, 243, 247–8, 250, 253, 255, 262, 268–9, 271, 274–5, 277, 286, 289–90, 295–6, 298–300, 305–8, 318–20, 328–332, 339 Lehrer 47, 50, 58–60, 68, 71–3, 82, 87, 89, 107–8, 130, 148, 166, 198, 201, 203, 232, 236, 263–5, 269, 290, 301, 305 Liebe 48, 53, 149, 220, 230, 237, 239, 327, 339 Logos 48, 66, 163 Luft, luftartig 48–9, 53, 88, 94, 107–8, 121, 123, 158, 162, 202–3, 225, 234, 236, 238–9, 255–6, 270–1, 280–1, 284, 318–9, Materie 31, 88–9, 134–5, 137, 194–5, 207–8, 221, 224, 227, 276–9 Materiell 320 Mond 191–3, 195–6, 277, 281–4, 318 Mondfinsternis/se 233–4, 319 Mondphasen 171–2, 318–9 Monotheismus, monotheistisch 43, 145, 147, 301, 328, 332 Mysterien 50, 76, 83–4, 86 Mysterienkulte 48–9, 148, 263 Nachfolger 40, 60, 68, 169, 178, 234–6, 270–1, 317–8, 338 Neugierde 94, 97–99 Offenbarung 32, 48, 99, 123 Opfer, opfern 43, 85, 94, 156, 329–31 Orthodoxie 106, 213, 247 Sachen und Begriffe Plausibilität, plausibel 59, 60, 66, 80–1, 95, 116, 120, 126, 198, 285, 291, 298, 300, 349 Polemik 37, 41, 49, 53, 79, 124, 148, 172, 227, 239, 248, 250–1, 261 Priester 47, 58–60, 62–3, 73, 86–7, 98, 116, 165–6, 323 Prinzip/ien 24, 34–5, 48–9, 51, 53, 66–8, 72–3, 76, 79, 84, 88–90, 106, 108, 113, 121, 126–7, 134–8, 151, 157–9, 161–3, 172, 184–6, 201–4, 207–8, 211–2, 219–21, 225–7, 233–4, 236, 238, 255, 268, 270–2, 277, 301, 317–20, 330 Propheten 58–60, 63–4, 72, 100–4, 116, 131, 145, 161, 164–6, 168, 170–1, 173, 179, 183, 198, 240, 244–6, 265, 296, 334, 349 Religion 7, 23, 92, 99–100, 104, 119, 130–1, 136, 139, 148, 156, 161, 167, 200–1, 203, 205, 246, 275, 291, 294–6, 300–3, 342, 348 Religionsgeschichte 155 Religionsgeschichtlich 50, 92 Rhetorik 38, 119, 130, 142, 148, 247, 251, 309, 338 Same 104, 270–1, 291–2, 318 Schöpfer 31, 50, 52–3, 77, 89, 97–8, 105–7, 121, 124, 132, 134–5, 160, 186, 225, 227–8, 236, 248, 305, 329–32 Schöpfung 31, 37, 77, 89, 94, 106–7, 109, 123, 135–6, 225, 239, 277, 307 Schrift/en 15, 25, 30, 32, 37, 43–5, 47–9, 56–7, 65, 68, 70, 75, 85, 92, 94, 99, 100–3, 106, 109, 116, 119, 125–6, 136, 143–4, 148, 156, 164, 167–70, 175, 179, 181, 184, 191–2, 200–1, 219, 230, 233–6, 243–8, 253, 257–60, 262–3, 265, 272, 275, 277, 286, 294–5, 299, 307, 310–1, 328, 338, 340, 343–4, 350 Schrift/en, Heilige 65, 70, 75, 94, 99–100, 103, 156, 179, 277, 309, 328 Schule (Eleatische) 58–9, 61, 165, 176 Schule (Ionische) 58–9, 61, 72, 165–6, 185, 198, 232–6 Schule (Italische) 58–9, 165, 232 405 Schüler 19, 31, 37, 51, 58–9, 76, 82, 85–7, 130, 155, 164, 166, 168, 173, 198, 232, 236, 251, 251, 261, 274, 290, 317–9, 344 Seele 44, 109–17, 125, 127, 151–2, 178, 187, 194, 231, 239, 253–4, 286–9, 290, 302, 304, 323, 327 Sonne 97, 171–2, 185, 191–3, 195, 217, 269, 277, 281–2, 318–9, 336 Sonnenfinsternis, Eklipse 24, 61–2, 72, 155, 171–2, 195–6, 217–8, 233–4, 283, 318–9, 336–7, 342, 349 cf. Attribut ›Sonnenfinsternis‹ Stoff, stofflich 48–50, 69, 89, 134–5, 234 Strategie (argumentative) 35, 60, 111, 113, 132, 196–7, 203, 262, 277, 291–2, 345 Tag-und-Nacht-Gleiche 171–2 Theist/theistisch 46, 189, 221 Theologie 65, 84, 93, 117, 142, 156, 161–2, 164, 202, 204, 208, 230–1, 237, 273–6, 300 Theologe/n 15, 31, 35, 164, 183, 219, 230, 241, 243, 246, 327, 343–4 Überlieferung 30, 37, 52, 97, 116, 134, 142, 189–90, 232, 247–8, 250, 265, 273, 288, 294, 300 Überlieferungsgeschichte 7–8, 21, 190 Unbewegt 254, 287–8 Unendlich, Unendlichkeit 34, 121, 123, 158, 202, 225, 234, 270–1, 279, 303–4 Unkörperlich 114, 151–3, 175, 186, 231, 253–4 Unwissen, Unwissenheit 32–3, 35, 94–5, 205, 298 Unwissend 31, 94, 149 Ursprung 13, 32–4, 51, 60, 73, 78–9, 81, 94, 110–2, 135–6, 143, 151–2, 185, 198, 207–8, 221, 232, 239, 248, 264, 268, 271, 286, 291 Vertrauen 126–7, 148–50, 259, 272 Vorsehung 52, 119, 136, 145, 161, 224–5, 227, 290, 310, 328 Wahrheit 47–48, 54, 65–66, 93–94, 104, 111, 114, 126, 131–134, 141, 144 406 Register Wasser cf. Attribut ›Prinzip Wasser‹ Weiser, weise cf. Attribut ›Weiser/Sieben Weise‹ Weisheit 69–73, 76, 81, 86, 90, 93–4, 97–8, 101, 103, 105, 107–8, 114, 123, 125, 131, 139–143, 149, 153, 162–3, 180, 198, 220–1, 230, 232, 246, 263–6, 277, 298, 300, 303, 313–4, 316–7, 322, 339, 342, 349 Welt, Weltall 13, 15, 31, 44, 52, 57, 66, 72, 97, 99, 101, 105–9, 125, 127, 133, 136–8, 145–9, 161, 167, 189, 193, 212, 221, 224–8, 231, 233–6, 239, 246, 277, 278–280, 296, 304, 307, 318–20, 333, 341, 343–4 Weltanschaulich 23, 123, 156, 348 Weltanschauung 23, 109, 117, 120, 123, 156, 227, 348 Welten 34, 158–9, 234, 236, 278–9, 303–4 Weltgeschichte 197, 213 Wissen, wissen 15, 45, 50, 65–9, 71, 94, 104, 117, 127, 140, 153–4, 164, 205, 225, 260, 266, 270–2, 291, 314, 317, 320, 323, 338 Wissenschaft/en 23, 38, 67, 80, 83, 98, 153, 246, 263–4, 269, 299–300, 323, 349 Wissenschaftlich 67, 245, 263, 283 Wolken 207, 281