Kriegsbeteiligung oder Neutralität ? Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vor 90 Jahren Arbeitsblatt 1 M 1 Warum griffen die USA in den Krieg ein ? Als in Europa 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, waren die USA zunächst ihrem außenpolitischen Grundsatz treu geblieben, sich nicht in europäische Kriege einzumischen. US-Präsident Wilson hatte unmittelbar nach Kriegsausbruch die Neutralität seines Landes proklamiert. Drei Jahre später erfolgte die grundsätzliche Abkehr von dieser traditionellen Außenpolitik. Die USA traten im Frühjahr 1917 gegen Deutschland und die Mittelmächte an der Seite der alliierten Westmächte in den Krieg ein. Die Entscheidung der US-Regierung für eine Beteiligung am Krieg resultierte aus mehreren Gründen. Die Amerikaner standen den alliierten Westmächten näher als dem Deutschen Reich oder Österreich-Ungarn, die als autoritäre und nicht demokratische Monarchien galten. Zudem sprachen wirtschaftliche Gründe für eine Unterstützung der Alliierten. Bereits vor dem Krieg war Großbritannien der wichtigste Handelspartner der USA gewesen, Deutschland hingegen ihr schärfster Konkurrent. Außerdem hatten die USA bereits nach Kriegsausbruch Frankreich und Großbritannien Kredite für Kriegsmaterial und Nahrungsmittel gewährt. Zwar beeinträchtigten die Briten durch ihre Seeblockade auch die Handelsinteressen der USA, die Amerikaner beschränkten ihre Reaktion jedoch auf eine formelle Protestnote. Der Hauptgrund für den Kriegseintritt der USA war der uneingeschränkte Unterseebootkrieg der deutschen Marine. Zahlreiche Handels- und Passagierschiffe, auch neutraler Nationen, wurden bedroht und ohne Vorwarnung versenkt. So torpedierte am 7. Mai 1915 ein deutsches U-Boot das englische Passagierschiff "Lusitania" vor der irischen Küste. Unter den etwa 1200 Toten befanden sich auch 128 Amerikaner. Anfang Februar 1917 nahmen die Deutschen den uneingeschränkten U-Bootkrieg, den sie ein Jahr zuvor eingestellt hatten, ungeachtet amerikanischer Warnungen wieder auf. Den letzten Anstoß für die Kriegsbeteiligung der USA gab im März 1917 der Sturz des Zaren und der Beginn der Revolution in Russland. Die amerikanische Regierung befürchtete den militärischen Zusammenbruch Russlands, der das Deutsche Reich im Osten entlasten und damit die Westfront stärken würde. Am 2. April 1917 bat der US-Präsident Wilson den Kongress um Zustimmung für eine Kriegserklärung an Deutschland. Wilson erklärte ihn nicht nur mit der Gefährdung der amerikanischen Sicherheit, sondern begründete ihn auch mit der Aussage: „The world must be save for democracy“. Mit dieser Forderung hatte sich der Präsident nicht nur für ein militärischen Einsatz ausgesprochen, sondern er deklarierte für die USA künftig die Aufgabe eines internationalen Wächters zum Schutz der Demokratie. Der Kongress kam am 5. April mit überwältigender Mehrheit der Bitte Wilsons nach. Einen Tag später erfolgte die Kriegserklärung der USA an das Deutsche Reich. Dem Kriegseintritt der USA schlossen sich fast alle Staaten Südamerikas an. Der Krieg in Europa war zum Weltkrieg geworden. Die Stärke der US-Wirtschaft und ihre Rüstungsproduktion führten schließlich die Wende zugunsten der alliierten Westmächte herbei. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges kämpften zwei Millionen US-Soldaten in Europa. Die USA verloren ca. 50.000 Soldaten, weitere 60.000 starben an Seuchen. Der amerikanische Kontinent blieb allerdings von Kriegshandlungen verschont. Quelle: Beitrag des Verfassers Arbeitsaufträge (M 1) 1. Nenne die Gründe für den Kriegseintritt der USA. 2. Erläutere, warum der Krieg durch die militärische Beteiligung der USA zum Weltkrieg wurde. www.cornelsen-teachweb.de 1 Autor: Robert Rauh © Cornelsen Verlag GmbH & Co. OHG, Berlin 2007 Kriegsbeteiligung oder Neutralität ? Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vor 90 Jahren Arbeitsblatt 2 M 2 Allegorie auf den gemeinsamen Kampf der Alliierten gegen Deutschland, US-Propagandaplakat, 1917 Arbeitsaufträge (M 2) 1. Beschreibe das Plakat und erarbeite die Bildaussage. www.cornelsen-teachweb.de 2 Autor: Robert Rauh © Cornelsen Verlag GmbH & Co. OHG, Berlin 2007 Kriegsbeteiligung oder Neutralität ? Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vor 90 Jahren Arbeitsblatt 3 M 3 Kriegseintritt oder Neutralität ? a) Rede des US-Präsidenten Thomas W. Wilson vor dem Kongress am 2. April 1917 (Auszug) Neutralität ist nicht länger durchführbar oder wünschenswert, wo es um den Frieden der Welt und die Freiheit der Völker geht, und die Bedrohung dieses Friedens und dieser Freiheit liegt also in der Existenz 1 autokratischer Regierungen, die sich auf organisierte Gewalt stützen, welche gänzlich durch ihren Willen, nicht den ihres Volkes kontrolliert wird. (...) Wir stehen am Anfang eines Zeitalters, in dem man darauf beharren wird, dass die gleichen Maßstäbe für das Verhalten und für die Verantwortlichkeit für getanes Unrecht von den Nationen und ihren Regierungen beobachtet werden sollen, die von den einzelnen Bürgern zivilisierter Staaten befolgt werden. Wir haben keinen Streit mit dem deutschen Volk. Wir haben keine andere Empfindung ihm gegenüber als eine der Sympathie und Freundschaft. Es war nicht auf seinem Impuls hin, dass seine Regierung handelte, als sie in diesen Krieg eintrat. (...) 2 Die Welt muss sicher gemacht werden für die Demokratie. (...) Wir haben keine selbstischen Ziele, denen wir dienen. Wir verlangen nach keiner Eroberung, keiner Herrschaft. Wir suchen keinen Schadenersatz für uns selbst, keine materielle Entschädigung für die Opfer, die wir bereitwillig bringen werden. Wir sind lediglich einer der Vorkämpfer für die Rechte der Menschheit (...). Es ist eine fürchterliche Sache, dieses große friedfertige Volk in den Krieg zu führen, in den schrecklichsten und verheerendsten aller Kriege, in dem die Zivilisation selbst auf dem Spiele zu stehen scheint. Aber das Recht ist wertvoller als der Friede, und wir werden für die Dinge kämpfen, die wir stets in unserem Herzen getragen haben – für die Demokratie, für das Recht jener, die der Autokratie unterworfen sind, (...) für die Rechte und Freiheiten kleiner Nationen, für eine allgemeine Herrschaft des Rechts durch ein Konzert der freien Völker, das allen Nationen Frieden und Sicherheit bringen und die Welt selbst endlich frei machen wird. Solch einer Aufgabe können wir unser Leben und unser Vermögen weihen, alles, was wir sind, und alles, was wir haben, mit dem Stolz derer, die wissen, dass der Tag gekommen ist, da Amerika die Auszeichnung erfährt, sein Blut und seine Macht für die Prinzipien darzubringen, denen es seine Geburt und sein Glück und den Frieden verdankt, den es wertschätzt. Gott helfe ihm, es kann nicht anders. Zit. nach: Erich Angermann, Der Aufstieg der Vereinigten Staaten von Amerika. Innen- und außenpolitische Entwicklung 1914-1957, Stuttgart, o.J., S. 7f. Arbeitsaufträge (M 3a) 1. Analysiert die Position und die Argumente Wilsons zu der Frage des Kriegseintritts der USA. 2. Diskutiert die Aussage Wilsons: „Wir stehen am Anfang eines Zeitalters, in dem man darauf beharren wird, dass die gleichen Maßstäbe für das Verhalten und für die Verantwortlichkeit für getanes Unrecht von den Nationen und ihren Regierungen beobachtet werden sollen, die von den einzelnen Bürgern zivilisierter Staaten befolgt werden.“ 1 autokratisch, vgl. Autokratie: unumschränkte (Allein)herrschaft 2 selbstisch: egoistisch www.cornelsen-teachweb.de 3 Autor: Robert Rauh © Cornelsen Verlag GmbH & Co. OHG, Berlin 2007 Kriegsbeteiligung oder Neutralität ? Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vor 90 Jahren Arbeitsblatt 3 b) Rede des US-Politikers George W. Norris, Senator von Nebraska, vor dem Kongress am 4. April 1917 (Auszug) Bevor wir diese bedeutende Entscheidung treffen (...), sollten wir innehalten und die fürchterlichen Konsequenzen bedenken, die ein solcher Schritt mit sich bringt (...). Kein vernünftig denkender Mensch wird abstreiten, dass sowohl Großbritannien als Deutschland seit Kriegsbeginn permanent und ungeachtet des geltenden internationalen Rechts, das bis zum Beginn des Krieges von der zivilisierten Welt befolgt wurde, die Rechte neutraler Schiffe und neutraler Nationen verletzt haben. Der vom Präsidenten vorgebrachte Grund, den Kongress zu bitten, Deutschland den Krieg zu erklären, besteht darin, dass die deutsche Regierung bestimmte Kriegszonen erklärt hat, binnen welcher sie mittels U-Booten ohne Warnung amerikanische Schiffe versenkt und amerikanische Leben auslöscht. (...) Es ist gar nicht nötig, Autoritäten zu zitieren, die diesen Verstoß entgegen internationalem Recht belegen. Es reicht aus, zu sagen, dass unsere Regierung offiziell beide Kriegszonen als illegal zurückgewiesen und formell gegen beide protestiert hat. Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir im Falle Deutschlands auf unserem Protest bestehen und im Fall Großbritanniens nachgegeben haben. Was war unsere Pflicht und was waren unsere Rechte, als wir uns mit diesen Kriegszonen konfrontiert sahen? Erstens, wir hätten beide ablehnen und gegen beide Nationen wegen der Verletzung des internationalen Rechts sowie wegen des Eingriffs in unsere neutralen Rechte den Krieg erklären können. Zweitens, wir hatten (...) das technische Recht gegen eine Macht vorzugehen und gegenüber der anderen nachzugeben. Drittens, wir könnten, während wir beide Zonen als illegal ablehnten, gegenüber beiden Seiten nachgeben und somit neutral verbleiben, ohne die Rechtmäßigkeit beider Befehle zuzugestehen. Wir hätten amerikanischen Schiffseigentümern und Seeleuten erklären können, dass, weil diese Maßnahmen unrecht sind und gegen internationales Recht verstoßen, wir nicht glauben, dass diese Provokation hinreicht, uns zu veranlassen, für die Verteidigung unserer Rechte als neutraler Nation den Krieg zu erklären und dass daher amerikanische Schiffe und Bürger diese Zonen auf eigenes Risiko befahren. (...) Es gibt viele amerikanische Bürger, die fühlen, dass wir aus Gründen der Menschlichkeit verpflichtet sind, in diesen Krieg einzugreifen. (...) Aus Sympathie und Eigennutz urteilen Menschen oft voreingenommen. Nach meiner Meinung hätten wir von Anfang strikteste Neutralität wahren sollen. Wenn wir das getan hätten, stünden wir jetzt nicht am Rande des Krieges. Zit. nach: Georg Mondwurf, Neutralität oder Intervention ? Der Kriegseintritt der USA als Podiumsdiskussion; in: Praxis Geschichte. Heft 1/2007, Bildungshaus Schulbuchverlage, Braunschweig 2007, S. 32. Arbeitsaufträge (M 3b) 1. Analysiert die Position und die Argumente Norris zu der Frage des Kriegseintritts der USA. 2. Diskutiert die von Norris aufgezeigten Handlungsalternativen der US-Regierung gegenüber der Verletzung internationalen Rechts durch Deutschland und Großbritannien. 3. Vergleicht die Redeauszüge (M 3a,b) im Hinblick auf die Überzeugungskraft der Argumentation. www.cornelsen-teachweb.de 4 Autor: Robert Rauh © Cornelsen Verlag GmbH & Co. OHG, Berlin 2007 Kriegsbeteiligung oder Neutralität ? Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vor 90 Jahren Arbeitsblatt 4 M 4 Der Historiker Mathias Kirschner über den Kriegseintritt der USA (Auszug, 2007): Knapp drei Jahre hielten sich die USA aus dem Kriegsgeschehen in Europa heraus und blieben in ihren öffentlichen Erklärungen neutral. Das militärische Eingreifen der Amerikaner war jedoch nur eine Frage der Zeit. Seit Kriegsbeginn unterstützten die USA die Engländer bereits mit Waffen und Krediten. Um aber die Amerikaner von der Abkehr der strikten Neutralität zu überzeugen und einen Einsatz amerikanischer Soldaten in Europa zu rechtfertigen, bedurfte es eines konkreten Anlasses. Erst mit der Versenkung des britischen Dampfers "Lusitania" - und dem Tod von 128 Amerikanern - im Mai 1915 kochte die antideutsche Stimmung in der amerikanischen Öffentlichkeit hoch. Nach dem Bekanntwerden der „Zimmermannnote“, mit der die deutsche Militärführung Mexiko in ein anti-amerikanisches Bündnis einspannen und die USA so militärisch in Schach halten wollte, sowie der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot Krieges durch die Deutschen im Februar 1917, war die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung für den Kriegseintritt an der Seite der Alliierten. Jetzt wurde der große Krieg der Europäer wahrhaft zum Weltkrieg. (...) Binnen weniger Wochen rekrutierte „Uncle Sam“ über 3 Mio. Soldaten, von denen 2 Mio. nach Europa verschifft wurden. Erstmals standen amerikanische Soldaten in den Ländern ihrer Vorväter. Die Kriegsbeteiligung der USA blieb jedoch bis Anfang 1918 ohne militärische Bedeutung, da die US-Armee auf einen modernen Krieg nicht ausreichend vorbereitet war. Zwar war die produktive Stärke des Landes, angekurbelt durch die Milliardenaufträge der Alliierten, unübertroffen und konnte den Zusammenbruch Russlands mehr als ausgleichen. Die USA konnten jedoch für die Gefechte auf europäischen Boden in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht die nötigen Mengen eigener Panzer, Geschütze und Flugzeuge produzieren. Aber nicht nur die deutsche Militärführung hatte das wirtschaftliche und militärische Potenzial der größten Industriemacht der Erde unterschätzt. (...) Der Kriegseintritt der Amerikaner brachte die Wende im Krieg und verhalf den Alliierten im November 1918 letztendlich zum Sieg. Am Ende des Ersten Weltkrieges lag das alte Europa in Trümmern, weil die europäischen Mächte sich aufgrund ihres imperialistischen Machtstrebens fast in den Untergang gestürzt hatten. Mit dem Todeskampf der Europäer begann der Aufstieg der USA zu einer Weltmacht, die am Ende des 20. Jahrhunderts zur alleinigen Supermacht wurde. Zit. nach: www.geschichte/uni_gießen/weltgeschichte/ersterWeltkrieg/texte.de (10.1.2007) Arbeitsaufträge (M 4) 1. Analysiert die wesentlichen Aussagen des Textes und präsentiert die Ergebnisse in knappen Thesen. 2. Diskutiert ausgehend von dem Text die historische Bedeutung des Kriegseintritts der USA. www.cornelsen-teachweb.de 5 Autor: Robert Rauh © Cornelsen Verlag GmbH & Co. OHG, Berlin 2007