zurück 23 a r z n e i - t e l e g r a m m® 2009; Jg. 40, Nr. 2 WarenTabelle: zeichen in Österreich Wirkstoff/ und Schweiz Gruppe (Beispiele) Plötzlicher Herztod unter Neuroleptika4 „typische” Neuroleptika Clozapin: niedrig dosiert LEPONEX hoch dosiert (A, CH) Haloperidol Thioridazin Olanzapin: „atypische” Neuroleptika ZYPREXA niedrig dosiert (A, CH) hoch dosiert Risperidon, Clozapin Olanzapin als Depot: RISPERDAL Quetiapin CONSTA Risperidon Risiko für plötzlichen Herztod (IRR)* 1,99 1,31 2,42 1,61 3,19 2,26 1,59 2,86 3,67 2,04 1,88 2,91 Konfidenzintervall 1,68-2,34 0,97-1,77 1,91-3,06 1,16-2,24 2,41-4,21 1,88-2,72 1,03-2,46 2,25-3,65 1,94-6,94 1,52-2,74 1,30-2,71 2,26-3,76 (A, CH) besonders häufig sind (s. auch a-t 2007; 38: 15-6 und 2006; 37: 15), sowie QT-Verlängerung und plötzlicher Herztod diskutiert.1,2 Es wird befürchtet, dass die Sterblichkeit schizophrener Patienten weiter steigt, weil „atypische” Neuroleptika immer häufiger verordnet werden.3 Bei älteren Patienten mit Demenz und Verhaltensstörungen oder psychotischen Symptomen ist die Mortalität unter Neuroleptika kardiovaskulär bedingt erhöht (a-t 2005; 36: 51-2; a-t 2008; 39: 80). Während das Agranulozytoserisiko unter Clozapin (LEPONEX, Generika) mit einer Todesrate von 0,2 pro 1.000 Patientenjahre allgemein als schwerwiegend eingestuft und Überwachungsmaßnahmen zur Risikoabwehr eingeführt wurden, wird das Risiko eines plötzlichen Herztodes unter Neuroleptika unterschätzt. In einer aktuellen retrospektiven Kohortenstudie4 liegt es mit 3,3 pro 1.000 Patientenjahre um ein Vielfaches höher.5 Die Analyse basiert auf bis Dezember 2005 ausgewerteten Daten des US-amerikanischen Medicaid Systems für Einwohner mit geringem Einkommen. 44.000 Anwender eines „klassischen” Neuroleptikums und 46.000 unter einem „Atypikum” werden mit knapp 190.000 Kontrollpersonen ohne Neuroleptikum verglichen.4 Die für Risikofaktoren adjustierte Rate eines plötzlichen Herztodes verdoppelt sich jeweils („klassische” Mittel: Incidence Rate Ratio*[IRR] 1,99; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,68-2,34; „Atypika”: IRR 2,26; 95% CI 1,88-2,72).4 Mit steigender Dosis nimmt in beiden Gruppen das Risiko zu. Anders als bei „klassischen” Neuroleptika ist bei Einnahme von „Atypika” das Risiko bereits unter niedrigen Dosierungen signifikant erhöht (siehe Tabelle).4 Die Ergebnisse erscheinen robust und bestätigen sich auch bei nicht schizophrenen Anwendern.1 Vor Beginn der Behandlung mit einem Neuroleptikum sowie während der Therapie sollte ein EKG abgeleitet werden. Dies wird in vielen Kliniken schon seit längerem praktiziert und seit 2001 in Frankreich von der Arzneimittelbehörde für 12 Neuroleptika dringend empfohlen.6 Vor Off-label-Anwendungen in Indikationen ohne ausreichend belegten Nutzen, etwa bei älteren Patienten mit Demenz und Verhaltensstörungen (a-t 2004; 35: 36; a-t 2006; 37: 109-10) oder bei Kindern (a-t 2008; 39: 69-70), ist zu warnen. Das Ausmaß des Off-label-Gebrauchs von Neuroleptika ist jedoch immens: Der Olanzapin (ZYPREXA)-Hersteller Eli Lilly muss die bislang einmalige Rekordsumme von 1,4 Milliarden Dollar zahlen, damit US-amerikanische Gerichtsverfahren wegen illegaler Propagierung des Off-label-Gebrauchs eingestellt werden.7 Die Mortalität schizophrener Patienten nimmt im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung seit Jahrzehnten zu. Metabolische und kardiale Störwirkungen von Neuroleptika werden als mitverursachende Faktoren angesehen. Nach einer großen retrospektiven Kohortenstudie verdoppeln Neuroleptika das Risiko eines plötzlichen Herztods. Dies gilt offenbar unabhängig von der Diagnose Schizophrenie. „Atypische Mittel” sind dabei nicht weniger riskant als „klassische”. * Incidence rate ratio (IRR): Quotient der Inzidenzraten Vor Off-label-Gebrauch von Neuroleptika in Indikationen ohne ausreichend belegten Nutzen ist zu warnen. (M = Metaanalyse) 1 2 M 3 4 5 6 ENGER, C. et al.: J. Nerv. Ment. Dis. 2004; 192: 19-27 KOPONEN, H. et al.: Nord. J. Psychiatry 2008; 62: 342-5 SAHA, S. et al.: Arch. Gen. Psychiatry 2007; 64: 1123-31 RAY, W.A. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 360: 225-35 SCHNEEWEISS, S., AVORN, J.: N. Engl. J. Med. 2009; 360: 294-6 Affsaps : Anschreiben an Ärzte vom 21. Dez. 2001: interactions médicamenteuses des neuroleptiques donnant des torsades de pointes 7 HARRIS, G., BERENSON, A.: New York Times, 15. Jan. 2009; http://www.nytimes.com/2009/01/15/business/15drug.html? WOLANZAPIN-DEPOT (ZYPADHERA): WARNUNGEN SCHON VOR VERMARKTUNG Parenterales Olanzapin (ZYPREXA) scheint nicht die Stärke von Eli Lilly zu sein: 2004 musste die Firma vor Todesfällen unter der kurz wirkenden Injektion warnen und jetzt – kurz vor Markteinführung Anfang März* – vor schwerer Sedierung bis zum Koma unter der WDepotzubereitung (vorgesehenes Warenzeichen ZYPADHERA).1,2 Bei dem zur Erhaltungstherapie Erwachsener mit Schizophrenie vorgesehenen Depotneuroleptikum treten Symptome wie bei einer Überdosierung auf. Bei einigen Betroffenen finden sich erhöhte Plasmaspiegel.3 Kennzeichnend sind neben der Sedierung Krampfanfälle, Verwirrtheit bis zum Delir, extrapyramidalmotorische Störungen und Schwäche.2,3 Bis Mai 2008 erhielten in Studien 2.054 Patienten die Depotzubereitung. Bei 28 (1,4%) tritt der – auch als Postinjektions-Syndrom bezeichnete – Störwirkungskomplex auf. Die Beschwerden beginnen bei fünf von sechs Patienten innerhalb einer Stunde nach der Injektion.4 Die daraufhin eingeleitete spezielle Schulung des Studienpersonals in der Injektionstechnik verhindert weitere Ereignisse nicht. Ein Experte der USamerikanischen Arzneimittelbehörde FDA vermutet, dass Trübung und hohe Dichte des Produktes es erschweren, aspiriertes Blut in der Spritze zu erkennen.3 Dadurch wird möglicherweise versehentlich intravasal injiziert. Von der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA geforderte Sicherheitsauflagen erscheinen jedoch in der Praxis gerade bei Patienten mit Schizophrenie und Complianceproblemen, die für die Depotbehandlung infrage kommen, unrealistisch: dreistündige Überwachung in einer medizinischen Einrichtung und dann – dies muss vorab sichergestellt sein – darf sich der Patient nicht allein nach Hause begeben. Für den Rest des Tages muss er sich in der Nähe von Personen aufhalten, die Hilfestellung leisten könnten, und darf kein Fahrzeug sowie keine Maschinen bedienen.2,4 Da das Depot-Olanzapin erst nach Monaten** ein steady state erreicht, besteht andererseits für einen Zeitraum von offenbar mindestens acht Wochen das Risiko der Unterdosierung und damit von Therapieversagen.4 Dafür sprechen auch die Abbruchraten aufgrund von Rückfällen in der 24-wöchigen Zulassungsstudie: 20% unter Olanzapin per os im Vergleich zu 24% bis 36% unter therapeutischen Dosierungen des Parenteraldepots.4 Das schlecht zu steuernde Depot hat weitere Nachteile: Treten Nebenwirkungen wie Leukopenie auf oder werden Therapieumstellungen erforderlich, ist zu bedenken, dass Absorption und Ausscheidung aus dem Depot erst sechs bis acht Monate nach der letzten Injektion abgeschlossen sind.4,5 Über die bekannten Nebenwirkungen der Einnahme per os hinaus muss mit häufigen Lokalreaktionen (8%) gerechnet werden, vorrangig mit Schmerz (5%).4 Im Tierversuch mit Hunden sind dosisunabhängig bereits nach einmaliger Injektion chronische Entzündungsreaktionen mit Fibrosierung, bei Ratten Fremdkörperreaktionen aufgetreten.4 Bereits bei Markteinführung von parenteralem Risperidon (RISPERDAL CONSTA), das 2002 als erste Depotzubereitung * ** Voraussichtlicher Einführungstermin, Eli Lilly: Schreiben vom 6. Febr. 2009. Exakte Angaben fehlen im europäischen Beurteilungsbericht und in der Produktinformation.4,5 vor