Stichworte zur Entwicklung des internationalen Systems 1648-1990

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Stichworte zur Entwicklung des
internationalen Systems
1648-1990
Skript zur Vorlesung
„Grundlagen der Internationalen Beziehungen“
im 2. Studienjahr des Bachelor-Studiengangs
Politische Wissenschaft
Univ.-Prof. Dr. Ralph Rotte
Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen
Oktober 2006
© Ralph Rotte, 2006
2
Inhalt
1.
Einführung
- 5 -
2.
Prinzipien historischer internationaler Systeme
- 8 -
3.
Das Westfälische System nach 1648
- 10 -
4.
Das Napoleonische System
- 14 -
5.
Das Restaurationssystem nach 1815
- 19 -
6.
Das Bismarcksche System nach 1871
- 26 -
7.
Das wilhelminisches System vor 1914
- 33 -
8.
Das Versailler System
- 43 -
9.
Globale Rahmenbedingungen 1945-1990
- 51 -
10.
NATO und Warschauer Pakt
- 57 -
11.
Europäische Integration
- 67 -
12.
Die Deutsche Frage
- 78 -
13.
Rüstungskontroll- und Entspannungspolitik
- 83 -
14.
Die Auflösung des Systems des Kalten Krieges
- 88 -
15.
Exemplarische (Überblicks-) Literatur
- 96 -
3
4
1.
Einführung
1.1
Ziele
Χ
Kenntnisse der historischen Entwicklung und der Probleme des
internationalen Systems seit 1648 (Etablierung des „Westfälischen Systems“)
Χ
Schwerpunkte: Entwicklung des europäischen Systems (bis 1918 /1945
richtungsweisend für die Weltpolitik) und Perspektive der Sicherheitspolitik
(typisches und vordringliches Perzeptionsmuster in Theorie und Praxis
internationaler Politik bis zum Ende des Kalten Krieges)
Χ
Betonung der historischen Hintergründe: aktuelle Bezüge (z.B. Rolle
historischer Erfahrungen bei gegenwärtigen Entscheidungen) und parallele
Konstellationen (z.B. Globalisierung)
Χ
prinzipielle Übersicht über bleibende Probleme des internationalen Systems,
Ansätze zu ihrer Lösung und Erfahrung mit den Ansätzen
1.2
Aufbau
Χ
Historische Sicherheitssysteme 1648 - 1945
Ende
des
Dreißigjährigen
Krieges:
Durchsetzung
des
Souveränitätsgedankens jenseits von „supranationalen“ Ideen des
Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und des Papsttums
(„respublica christiana“)
Staaten als zentrale Akteure der internationalen Politik
Χ
Kalter Krieg und Systemtransformation nach 1945
Χ
Aktuelle Probleme einer neuen “Sicherheitsarchitektur” und Stabilität des
Systems
1.3
Begriffe
Χ
Sicherheit = Abwesenheit oder Kontrolle (Schutz) vor Gefährdung autonomer
Zukunftsgestaltung
objektiv: Abwesenheit von Gefahr (z.B. TÜV)
subjektiv: Abwesenheit von Gefahr oder Schutz davor (z.B. Deiche)
subjektiv: Kombination im Hinblick auf wahrgenommenen politischen
Gestaltungsspielraum
Χ
Verbindung mit Freiheit und Selbstbestimmung
klassisch: Autarkie
Relativierung von Selbstbestimmung mit wachsender internationaler
Verflechtung (Globalisierung, europäische Integration)
traditionell: Dominanz militärischer Sicherheit
5
-
bei Reduzierung militärischer Bedrohung und wachsender
Interdependenz
Bedeutungszunahme
anderer
Komponenten:
politische, ökonomische, ökologische Sicherheit
Bedeutung subjektiver Perzeption: unterschiedliche Sicherheitspolitiken bei gleichen Gegebenheiten, daher notwendige Einbeziehung
immaterieller Faktoren in die sicherheitspolitische Analyse
Χ
Rolle von Krieg und Frieden
funktionierendes internationales System = i.d.R. Kriegsvermeidung =
Friedenssicherung
positiver und negativer Frieden: Befriedigung sozialer Bedürfnisse im
internationalen Rahmen (allgemeine Rechtsordnung) vs. Abwesenheit
von Krieg = Gewaltanwendung zwischen Staaten (völkerrechtlich)
aber: Stabilität kann auch mit Gewalt funktionieren, ja auf
Gewaltpotential
beruhen:
z.B.
Definition
von
begrenzten
Auseinandersetzungen als Nichtkrieg (Österreich - Osmanisches
Reich; Indien - Pakistan) oder Abschreckungssystem
Χ
Machtbegriffe
relationale Macht = Fähigkeit, andere gegen deren Willen zum
Handeln im Interesse des Mächtigen zu zwingen, z.B. durch
ökonomischen Druck und militärische Drohungen/Gewaltanwendung
(vgl. Max Weber)
strukturelle Macht = Fähigkeit, die Handlungsoptionen anderer so
vorzuprägen, dass sie auch ohne Druck im Interesse des Mächtigen
handeln, weil sie sich quasi automatisch auf dessen Bedürfnisse
einstellen, z.B. aufgrund der dominanten Position in Wirtschaft,
Finanzen, Technologie, Gesellschaft, Kultur (Wissenschaft, Popkultur),
Ideologie (vgl. Susan Strange)
„soft power“ = **** (vgl. Joseph Nye)
1.4
Zentrale Elemente historischer internationaler Systeme
Χ
Militärpotential/-technologie/-strategie/-taktik
Fähigkeiten der Staaten und Planungen
z.B. eskalationsfördernde Wirkung von Offensivstrategie (vgl. Julikrise
1914)
Χ
internationale Konstellation
Bündnisse
internationale Organisationen
Χ
Ökonomie und Demographie
internationale Verflechtung und Kriegskosten (Argument des “Liberalen
Friedens”)
Verteilungsfragen (Ressourcen)
Verbindung zu Konfliktpotentialen
6
Χ
Geographie und Umwelt
Umweltbedingungen und Konfliktursachen (z.B. Wasser)
“Lebensraum”
Χ
Ideologie/Kultur/politisches System
Einfluß auf Einschätzung von Absichten und Konfliktkosten
Argument des “Demokratischen Friedens”
kulturell
und
ideologisch
bedingte
PerzeptionsNormenunterschiede (vgl. “Clash of Civilizations”-Argument)
und
Χ
Sicherheit i.w.S. als zentrales Thema der Internationalen Beziehungen und
der Außenpolitik
1.5
Europabezug
Χ
1648 - 1918/1945: europäisches System als Weltsystem
Kolonialismus, Imperialismus, Kultur, Wirtschaft, Militär
Aufstieg europäisierter Staaten bis 1918: USA, Japan
Abschwächung der Weltdominanz nach dem Ersten Weltkrieg
Χ
1945-89: europäisches System als Spiegelbild des Weltsystems
Entkolonisierung und bipolares System (USA, UdSSR)
Verlust europäischer Hegemonie, aber zentraler Schauplatz des OstWest-Konfliktes
Χ
seit 1990: Europa als Region unter anderen
Ende der Supermächte und der Blockkonfrontation
Auftreten neuer Mächte (China)
Europa als Weltregion mit besonders fortschrittlichen und stabilen
Sicherheitsstrukturen
tw. Renaissance von historischen Problemen und Strukturen
1.6
Schwerpunkte
Χ
19./20. Jh., insbesondere Jahrhundertwende
Χ
Periode mit den größten strukturellen Ähnlichkeiten zu heute
Handels- und Finanzverflechtung
transnationaler Austausch
Idee der Konkurrenz von Volkswirtschaften (“internationale
Wettbewerbsfähigkeit”)
Idee eines “Kampfes der Kulturen”
Abwesenheit umfassender Ideologien wie 1918-89, jedoch gleichzeitig
große Unterschiede in immaterieller Hinsicht (Nationalismus)
7
2.
Prinzipien historischer internationaler Systeme
2.1
Zentrale Akteure
Χ
souveräne Staaten
Vertreter organisierter Gesellschaften nach außen
Regierungshandeln als Folge interner Entscheidungsprozesse (z.B.
Verfassung, Interessengruppen)
Einbettung in internationale Strukturen und transnationale Verflechtung
Χ
völkerrechtliche Elemente
Staatsgebiet
Staatsvolk
Staatsgewalt
Χ
Wechselwirkung zwischen Staaten und internationaler Struktur
staatliches Verhalten als Ursache internationaler Struktur
internationale Struktur als Rahmen und Determinante staatlichen
Verhaltens
Staat zugleich als Subjekt und Objekt internationaler Politik
Χ
transnationale
Beziehungen
=
grenzüberschreitende
Beziehungen
nichtstaatlicher Akteure (Wirtschaft, Interessengruppen, Kommunikation etc.)
Χ
internationale Beziehungen = i.e.S. Beziehungen zwischen Staaten
(Regierungen) und staatlichen Organen; i.w.S. alle grenzüberschreitenden,
politisch relevanten Beziehungen
2.2
Idealtypische Konstellationen
Χ
Gleichgewicht
Vermeidung eines Übergewichts eines Staates oder einer
Staatengruppe
prinzipielle Gleichverteilung der Macht, evtl. durch Bündnisse
Zusammenschluss gegen potentielle Vormacht, auch in wechselnden
Allianzen (z.B. Großbritannien im 18. und 19. Jh.)
Χ
Hegemonie:
Vorherrschaft einer Macht durch i.e.L. militärische und ökonomische
Mittel
Resultat eines Scheiterns der Gleichgewichtsidee (z.B. Frankreich
1807-12, Deutschland 1940-43)
Χ
Integration:
Aufgabe der wechselnden Allianzen
Vermeidung von Hegemonie durch organisierten Zusammenschluß
8
-
Souveränitätsverzicht und institutionelle Verankerung (inter- und
supranationale Organisationen)
Idee der Nachkriegsordnungen nach 1918 und insbesondere nach
1945
2.3
Interaktionen und Zwischensysteme
Χ
Gleichgewicht - Hegemonie
Umschlag durch Krieg oder Bündnisse
bei saturierter Hegemonialmacht Garantie des europäischen
Gleichgewichts (z.B. Großbritannien im 19. Jh., tw. Deutschland unter
Bismarck)
Χ
Gleichgewicht - Integration
kollektives Sicherheitssystem, z.B. Vereinte Nationen
völkerrechtlich: Übereinkommen einer Gruppe von Staaten zur
gemeinsamen Verteidigung gegen einen Aggressor aus der eigenen
Mitte
vgl. kollektive Verteidigung: Übereinkommen zur gemeinsamen
Verteidigung gegen Aggression durch Dritte
Gleichgewichtsgedanke als Element der Organisation von
Integrationssystemen (vgl. EGKS, EWG, EU)
Χ
Hegemonie - Integration
Integrationsförderung und Stabilisierung durch Hegemonialmacht, z.B.
Förderung europäischer Integration durch USA nach 1945
Integration als Machtinstrument des Hegemons, z.B. geplante
Wirtschaftsintegration Mitteleuropas unter Herrschaft Deutschlands
1914-18
Χ
Bedeutung des Krieges
insbesondere bei Gleichgewichts- und Hegemonialsystemen zentrale
Rolle von militärischer und ökonomischer Macht und Krieg
(Kriegsdrohung) zur Stabilisierung des Systems
Ziel des Integrationssystems: Überholung des Krieges als politisches
Mittel
weiterhin bestehende Souveränität der Staaten und völkerrechtliche
Bindung inter- und supranationaler Organisation an das
Völkerrechtssubjekt Staat: bleibende Bedeutung militärischer Macht als
Rückversicherung (ultima ratio)
9
3.
Das Westfälische System nach 1648
3.1
Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges
Χ
Auseinandersetzung um Macht im Reich: Kaiser gegen Fürsten
Χ
Protestanten gegen Katholiken (vgl. Religionsfrieden)
Χ
Involvierung der europäischen Mächte
Χ
überkonfessionelle Allianzen: Machtkrieg
Χ
Konstellation: protestantische deutsche Fürsten (Union) + Frankreich +
Schweden + Niederlande + Großbritannien + Dänemark gegen Österreich +
Spanien + katholische deutsche Fürsten (Liga, inbes. Bayern)
3.2
Frieden von Münster und Osnabrück 1648
Χ
erste umfassende europäische Friedensordnung (Kongress)
Χ
Durchsetzung des Souveränitätsgedankens (Grotius)
National-) Staaten als Hauptakteure des Systems; Nichteinmischung
Rückgang der Bedeutung umfassender Organisationen (Reich, Kirche)
Beendigung der Konfessionskriege zugunsten des Machtgedankens
Überholung des mittelalerlichen Begriffes der Christenheit als
politische Einheit
Ende der äußeren Macht der Kirche: keine Beteiligung an
europäischen Friedensschlüssen oder Schiedsrichterrolle mehr,
nurmehr (teilweise) Vermittlung
Entmachtung des Kaisers; Zersplitterung des Reichs in
Partikularsouveränitäten
Χ
Unabhängigkeit der Niederlande und der Schweiz: Gleichberechtigung von
Republiken mit Monarchien
Χ
Zurückdrängung der spanischen Weltmacht (vgl. Armada 1588); Konkurrenz
von Niederlande und Großbritannien als See- und Handelsmächte
Χ
Verzicht auf gegenseitige Reparationsansprüche und Revanchismus
Χ
Einfluss ausländischer Mächte auf das Deutsche Reich
Schweden über Personalunion im Reich
Frankreich als Garantiemacht der neuen Reichsverfassung
später Großbritannien über Personalunion im Reich (1714)
Χ
Gebietsgewinne
Frankreich: Elsaß, Teile des Breisgaus, Rheingrenze
10
-
Schweden: Ostseeraum
3.3
Ergänzungen
Χ
Pyrenäenfrieden 1659 (Spanien mit Frankreich)
Ende der spanischen Großmachtrolle in Europa
spanische Niederlande an Frankreich
Χ
Friede von Olivia 1660 (Polen + Brandenburg + Österreich mit Schweden)
Entmachtung Polens
erstes (militärisches) Auftreten Brandenburgs
Garantiemacht Frankreich
Χ
Türkenkriege
externe Bindung Österreichs
Bündnis Frankreich - Osmanisches Reich
3.4
Rahmenbedingungen
Χ
ökonomisch:
Bedeutungszunahme des Handels und Fernhandels: Niederlande und
Großbritannien
Kapitalakkumulation durch Handelsmonopole und Geldgeschäfte
(Niederlande)
Merkantilismus (Frankreich): Exportförderung, Importbeschränkung,
Geld als staatliche Machtbasis
Zufuhr von Silber und Gold aus Übersee: monetäre Expansion, damit
Inflation und Wirtschaftswachstum
Intensivierung
der
Landwirtschaft;
Manufakturfertigung
(Produktionssteigerung)
Χ
gesellschaftlich-politisch:
demographisches Wachstum und Verstädterung
Absolutismus (Bodin): Macht- und Realpolitik ohne politische oder
ethische Beschränkung außerhalb der Persönlichkeit des Herrschers
(vgl. Machiavelli)
Zentralisierung der politischen Organisation (Bürokratie)
Kolonialismus:
Niederlande,
Großbritannien,
Frankreich
(Staatsnachfrage, Handel)
Χ
militärisch:
Durchsetzung von Artillerie und Feuerwaffen für die Infanterie
Ablösung von Landsknechttaktik (Gewalthaufen, Karree) zugunsten
der Lineartaktik (besonders negativ für Spanien und die Schweiz)
Notwendigkeit
einer
Rüstungsindustrie
zur
Versorgung
(Staatsnachfrage)
stehende Heere statt saisonaler Rekrutierung: verbesserte Ausbildung
(Disziplin, Drill) und Organisation
11
3.5
Resultierende Strukturen
Χ
Großmächte als zentrale Akteure
Frankreich als kontinentale Vormacht
Niederlande und Großbritannien als konkurrierende Gegenmächte zur
See
Schweden als militärische Großmacht
Österreich als europäischer Puffer gegen das Osmanische Reich
Χ
andere Mächte
Spanien (Kolonien, Gold und Silber)
Bayern (zentraler Reichsstaat neben Österreich)
Brandenburg, später Preußen (aufstrebende Militärmacht, bald
zweitstärkstes Land im Reich)
Russland (modernisierender Staat, wachsende Nutzung des
bestehenden Potentials durch Peter d.Gr.)
Χ
Prinzipien
wechselnde Allianzen
Konkurrenz unter den Staaten (Entwicklung der Diplomatie)
Nichteinmischung in innere Angelegenheiten (aber: Erbfolge)
Allianzbildung gegen potentielle Hegemonialmacht; Krieg als Mittel der
Politik
Gleichgewichtsgedanke, insbesondere bei Seemächten Niederlande
und Großbritannien
territoriale und personelle Beschränkung des Krieges (vgl. aber z.B.
Erschöpfung Preußens im Siebenjährigen Krieg)
Kompromiss- und Friedensbereitschaft (wechselnde Konstellationen
und potentielle Verbündete)
Entscheidung der Regierungen ohne Einfluss der Völker
(Absolutismus, Kabinettskriege)
Abrundung des Systems durch territoriale Kompromisse (vgl. spätere
Teilungen Polens 1772, 1793, 1795)
3.6
Entwicklung des Systems
Χ
Eindämmung französischer Hegemonialbestrebungen Ludwigs XIV.
Krieg um Holland und den Oberrhein (Réunion) 1672-79:
Großbritannien + Frankreich + Schweden gegen Niederlande + Reich
+ Österreich + Brandenburg
Pfälzischer Krieg 1688-97: Frankreich + Schweden gegen Niederlande
+ Spanien + Reich + Österreich + Großbritannien
Spanischer Erbfolgekrieg 1701-14: Frankreich + Bayern gegen
Niederlande + Großbritannien + Österreich + Preußen (Rangerhöhung
1701)
“Barrierevertrag” 1715 (Österreich + Großbritannien + Niederlande):
spanische Niederlande an den Kaiser, gemeinsames stehendes Heer
12
von 30-40.000 Mann in Pufferstaat gegen Frankreich (vgl. spätere
Rolle Belgiens)
Χ
Ablösung Schwedens durch Russland
Nordischer Krieg Karls XII. 1700-21: Schweden gegen Dänemark +
Polen/Sachsen (Personalunion) + Russland
Schweden verliert Gebiete außerhalb Skandinaviens
Russland erhält Teile des Baltikums und Finnlands (Ostseemacht)
Beginn der russischen Expansion nach Zentralasien und gegen
Osmanisches Reich
Χ
Österreich als europäische Großmacht
Erfolge gegen die Türken; Expansion auf dem Balkan (Ungarn)
Entstehung des Dualismus Preußen-Österreich
Behauptung als Großmacht unter Maria Theresia im Österreichischen
Erbfolgekrieg 1740-48 (Preußen + Frankreich + Spanien + Sachsen +
Bayern gegen Österreich + Großbritannien)
Χ
Aufstieg Preußens
Friedrich Wilhelm I.: Staatsorganisation, Finanzen, Aufrüstung
Friedrich II.: preußische Expansion und Großmachtstatus (Schlesische
Kriege 1740-42 und 1744-45)
Behauptung des Großmachtstatus im Siebenjährigen Krieg 1756-63:
Preußen + Großbritannien gegen Österreich + Frankreich + Rußland
(“1. Weltkrieg”)
Χ
Aufstieg Großbritanniens zur europäischen Vormacht
Durchsetzung zur See gegen die Niederlande
Durchsetzung gegen Frankreich in Übersee (Indien, Nordamerika;
damit weltweite Bedeutung der europäischen Konstellation)
Interesse am Gleichgewicht in Europa zur Sicherung und Expansion in
Übersee
Rückschlag in Übersee durch amerikanischen Unabhängigkeitskrieg
(1775-83), zusätzliche geringfügige Gebietsverluste in der Karibik und
in Afrika; gleichzeitig aber generelle Behauptung der Position in
Europa
13
4.
Das Napoleonische System
4.1
Ursachen und Verlauf der Französischen Revolution
Χ
Verfall des Ancien Régime
Prestigeverlust des Königs und außenpolitische Mißerfolge
Aufstieg des Bürgertums mit wirtschaftlicher Entwicklung
Privilegien des Adels
Auflösung der zentralen Bürokratie
Auseinandersetzung zwischen Krone und ständischen Gerichtshöfen
(Parlamenten)
Entstehung eines städtischen Industrieproletariats (Auflösung des
Handwerks durch Manufakturwesen)
wachsende Schicht besitzloser Landarbeiter durch Feudalisierung des
Grundbesitzes
wachsendes Staatsdefizit durch Kriege und Hofhaltung bei
gleichzeitiger faktischer Steuerbefreiung von Adel und Klerus
wachsende Opposition durch Gedankengut der Aufklärung (Freiheitsund Gleichheitsidee, getragen von Oberschicht und Bürgertum und
gefördert durch Erfolg der Amerikanischen Revolution)
Hungersnöte (Missernten) und Industriekrisen (englische Konkurrenz)
Scheitern von Finanzreformen (Freigabe der Getreidepreise,
Beseitigung von Feudalrechten, Einführung einer allgemeinen
Grundsteuer, Deckung der Kriegsdefizite durch öffentliche Anleihen)
an Arbeiterrevolten, Widerstand des Adels und des Hofes;
Staatsbankrott 1788
Χ
Erste Phase der Revolution (1789-91)
Einberufung der Generalstände zur Steuerreform
Bildung der Nationalversammlung durch den Dritten Stand (Bürgertum)
Abschaffung der Feudalordnung und Bauernbefreiung
Erklärung der Menschenrechte
Verstaatlichung der Kirchen-, Kron- und Emigrantengüter gegen
Ausgabe von Papiergeld (Inflation)
Zivilverfassung für den Klerus, teilweise Enteignung der Kirche
neue
Verfassung
(konstitutionelle
Monarchie,
Zensuswahl,
Beamtenwahl, Departementgliederung)
Χ
Konventsherrschaft (1791-93)
Parteienkämpfe in der Nationalversammlung
Kriegserklärung an Österreich
Wahl eines Nationalkonvents; Machtübernahme durch Girondisten
Absetzung des Königs; Erklärung der Republik; Todesstrafe für Ludwig
XVI.
Staatsnotstand: militärische Niederlagen, Hungersnot, Inflation,
royalistische Bauernaufstände
14
Χ
Terrorherrschaft (1793-94)
Machtübernahme
durch
Jakobiner;
Diktatur
Wohlsfahrtsausschusses (Robespierre)
Justizterror und Säuberungen durch Revolutionstribunal
Ausrottungskrieg in Vendée und Bretagne gegen Oppositionelle
Abschaffung des Christentums (stattdessen Zivilreligion)
Sturz Robespierres
Χ
Direktoriumsherrschaft (1795-99)
neue Verfassung mit schwacher Exekutive
Schwäche des Direktoriums gegen Aufstände von rechts und links
Staatsstreich durch Barras 1797
4.2
Reaktionen der europäischen Mächte
Χ
zunächst Geringschätzung des neuen Regimes
Χ
Preußen und Österreich:
unkoordinierte Gegenmaßnahmen ab 1792 (Kanonade von Valmy)
Konzentration auf Konkurrenz bei Teilung Polens
Χ
Großbritannien: Intervention 1793
Kolonialdualismus mit Frankreich
Bedrohung des europäischen Gleichgewichts
französischer Bedrohung der Rheinmündung (strategische Gefährdung
der britischen Inseln)
praktisch ununterbrochener Krieg mit Frankreich bis 1815
4.3
Behauptung und Expansion Frankreichs
Χ
Erster Koalitionskrieg (1792-97)
Frankreich + Spanien (ab 1796) gegen Preußen + Österreich +
Niederlande + Großbritannien + Spanien (bis 1795) + Portugal + Reich
+ Kirchenstaat + Neapel
französische Anfangserfolge 1792, dann Rückschläge 1793
Neuorganisation des Heeres (levée en masse, politische Kommissare,
Tirailleur- und Kolonnentaktik)
französische Erfolge ab 1793 in Belgien, Holland und Italien
Sonderfrieden von Basel 1795: Verzicht Preußens auf linkes Rheinufer
für rechtsrheinische Kompensation; Neutralisierung Norddeutschlands
bis 1806
Frieden von Campo Formio 1797 (Österreich - Frankreich): Abtretung
des linken Rheinufers an Frankreich; Österreich verliert Belgien und
Mailand und gewinnt Venedig; System von Tochterrepubliken
Frankreichs: Niederlande, Mailand, Genua, Schweiz, Rom, Neapel
Scheitern von Napoleons Ägyptenfeldzug an britischer Seemacht
1798/99
15
des
Χ
Zweiter Koalitionskrieg (1799-1802)
Großbritannien + Österreich + Russland + Portugal + Osmanisches
Reich gegen Frankreich
Bestätigung des Friedens von Campo Formio
Isolierung Großbritanniens, das seine Seeherrschaft durch Angriff auf
die Nordische Koalition zum Schutz des neutralen Handels (Dänemark
+ Schweden + Russland + Preußen) 1801 sichert
Verzicht Großbritanniens auf überseeische Eroberungen im Frieden
von Amiens (1802)
Χ
Dritter Koalitionskrieg (1805)
Großbritannien + Österreich + Russland + Schweden gegen
Frankreich + Bayern + Baden + Württemberg
Sicherung der britischen Seeherrschaft (Trafalgar)
Österreich verliert Oberitalien und Westösterreich und gewinnt
Salzburg; Bayern und Württemberg werden Königreiche; Bayern
gewinnt Tirol und Vorarlberg
Χ
Vierter Koalitionskrieg (1806-7)
Preußen + Russland gegen Frankreich
völliger Kollaps Preußens (Jena und Auerstedt)
Rettung der preußischen Staatlichkeit durch Intervention Russlands
(Frieden von Tilsit 1807)
Χ
Fünfter Koalitionskrieg (1809)
Großbritannien + Österreich gegen Frankreich
Scheitern der österreichischen Erhebung
Einbindung
Österreichs
und
Preußens
Hegemonialsystem
in
französisches
4.4
Konsulat und Empire
Χ
Staatstreich Napoleons 1799
Χ
Konsulatsverfassung
Napoleon als Erster Konsul auf 10 Jahre (später auf Lebenszeit)
alleinige Gesetzesinitiative
Ernennung aller Beamten
Bestätigung der faktischen Militärdiktatur durch Plebiszit
Χ
Reformen
Berufsbeamtentum (Spezialisten)
Öffnung aller staatlichen Laufbahnen
zentralisiertes staatliches Schulwesen
Verwaltungszentralismus
Stabilisierung der Wirtschaft durch Inflationsbekämpfung (Zentralbank),
Schutzzölle, Staatsaufträge
Code Civil
16
-
Wehrpflicht
Kriegführung: operative Geschwindigkeit durch Vermeidung langer
Nachschubwege (Requirierung statt Magazine), Artilleriekonzentration,
Divisions- und Korpsgliederung, Schocktaktik (Masse und Kolonne)
Χ
Kaiserreich ab 1804
Titelerhöhungen
regimetreuer Neuadel
4.5
Das französische Hegemonialsystem in Europa
Χ
Auflösung des Deutschen Reiches
Reichsdeputationshauptschluss 1803 (Säkularisierung und Aufteilung
der Kirchengebiete und Reichsstädte)
Mediatisierung 1804 (Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit von
Reichsritterschaften)
Rangerhöhungen 1805/6 (z.B. Königreich Bayern)
Rheinbund unter französischem Protektorat 1806
Verzicht des Kaisers von Österreich (seit 1804) auf Kaiserkrone des
Reiches (1806)
Χ
Staatensystem ab 1807
napoleonische Familienstaaten (z.B. Holland, Westfalen, Spanien)
abhängige Vasallenstaaten (z.B. Rheinbund, Schweiz)
Verbündete (z.B. Österreich, Preußen)
Χ
Aufteilung Europas in französische und russische Interessensphäre (1807)
russische Gewinne auf dem Balkan gegen das Osmanische Reich und
im Norden (Finnland)
Grenze der Interessenräume: Njemen
Χ
Kontinentalsperre gegen Großbritannien seit 1806 (einschließlich Rußlands
und Skandinaviens)
Χ
militärische Besetzungen
Portugal 1807
Rom 1808
Norddeutschland 1810
Χ
Erfassung aller deutscher Staaten außer Preußen und Österreich im
Rheinbund bis 1812
4.6 Nationale Reformen
Χ
durch Ideen der Revolution und Fremdherrschaft Verbreitung liberaler Ideen
und Entstehung von Nationalismus
17
Χ
Preußen seit 1808
Bauernbefreiung
kommunale Selbstverwaltung
Verwaltungsreformen
Heeresreform (Taktik, rotierende Kurzausbildung und Reservenaufbau,
Privilegienabbau, Offiziersausbildung)
Bildungsreform (Universität, Gymnasien)
Χ
Österreich
Nationalitätenprobleme
Heeresreform (Wehrpflicht ab 1808)
Χ
Rheinbundstaaten
französisches Vorbild, insbesondere in Bayern und Baden
einheitliche Bürokratie
Grundfreiheiten (Gewerbe, Religion)
Rechtsgleichheit
staatliche Kirchen- und Schulaufsicht
4.7 Kollaps des Systems
Χ
nationale Erhebung in Spanien seit 1808
Guerillakrieg und Terrormethoden
Unterstützung durch britische Berufsarmee
Χ
Russlandfeldzug Napoleons 1812
Anlass: Aufgabe der Kontinentalsperre durch Russland, territoriale
Differenzen
Frankreich + Preußen + Österreich + Rheinbund gegen Russland +
Schweden
militärische Katastrophe der Grande Armée
Χ
Befreiungskriege 1813/14
Erhebung Preußens 1813
Beitritt Österreichs und Großbritanniens zur Koalition
Völkerschlacht bei Leipzig 1813
Auflösung des Rheinbundes und des Satellitenstaatensystems
Abdankung Napoleons 1814
Erster Pariser Frieden (Frankreich in den Grenzen von 1792)
Χ
Hundert Tage Napoleons 1815
militärisches Scheitern (Waterloo)
innenpolitischer Widerstand und zweite Abdankung Napoleons
Zweiter Pariser Frieden (kleinere Gebietsverluste Frankreichs;
Reparationen; temporäre Besatzung von Festungen)
18
5.
Das Restaurationssystem nach 1815
5.1
Bestimmungen des Wiener Kongresses
Χ
Frankreich
Gebietsstand von 1792
zusätzliche Eindämmung durch Pufferstaaten (Schweden mit
Norwegen, Vereinigte Niederlande, Sardinien-Piemont mit Savoyen)
Χ
Österreich
Verlust der spanischen Niederlande
Gebietsgewinne in Galizien, Oberitalien und Dalmatien
Dominanz über Italien
Vielvölkerstaat über Deutschland hinaus
Χ
Preußen
Gewinn der Rheinprovinzen, Westfalens und von Teilen Sachsens
verstärktes Gewicht in Deutschland
unmittelbare Gegenmacht zu Frankreich (“Wacht am Rhein”)
Χ
Großbritannien
Gewinn bzw. Wiederherstellung von Hannover, Malta, Ceylon,
Kapkolonie und Helgoland
Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichts
unbestrittene Seeherrschaft
Χ
Russland
Gewinn von “Kongresspolen” (mit eigener Verfassung)
Aufstieg zur führenden Kontinentalmacht
Χ
Deutschland
Fehlen starker Reichsgewalt (preußisch-österreichischer Dualismus,
Fürstensouveränität)
Bestätigung der Säkularisierung; Verzicht auf Wiederherstellung der
Ordnung vor 1792
Deutscher Bund mit 39 Mitgliedern, einschl. Hannover (brit.), Holstein
(dän.) und Luxemburg (niederl.)
konföderative Strukturen (Bundestag der Regierungsgesandten und
Bundesversammlung der Fürsten) mit gemeinsamem Bundesheer;
Führung Österreichs
5.2
Grundprinzipien des Systems
Χ
Grundsätze des Wiener Kongresses:
Restauration: Wiederherstellung des Zustandes von 1792
Legitimität: politischer Anspruch der Regierenden von 1792 (Ancien
Régime)
19
-
Solidarität: gemeinsames Handeln der Mächte zur Stabilisierung des
Systems
Χ
Europäisches Gleichgewicht
fünf Großmächte: Frankreich, Großbritannien, Österreich, Preußen,
Russland (Pentarchie)
Zurückhaltung
und
Vertragstreue
der
Mächte
auch
bei
Interessendivergenzen
Verzicht auf bzw. gemeinsame Eindämmung von einseitigem
Machtzuwachs einer Großmacht
Χ
Konzert der Mächte
Vertrag von Chaumont 1814 (Großbritannien + Rußland + Österreich +
Preußen): Verpflichtung zur dauerhaften Ausgestaltung des
Bündnisses auch nach dem Sieg über Napoleon
Abstimmung zwischen den Fünf Mächten
gemeinsames Handeln zur Wahrung der Stabilität
Ausgleich
durch
Verhandlungen
und
Kompromisse
bei
Interessenunterschieden
Χ
“Heilige Allianz”
Zusammenschluss von Österreich, Preußen und Rußland 1815 (Beitritt
Frankreichs 1818)
Ziel der Aufrechterhaltung von Monarchie und Gottesgnadentum
gegen
nationale
und
liberale
Bewegungen
in
Europa
(Interventionismus)
5.3
Rahmenbedingungen
Χ
ökonomisch
Industrialisierung: seit zweiter Hälfte des 18. Jh.s in England, seit
Anfang/Mitte des 19. Jh.s verstärkt auch in Kontinentaleuropa;
Investition
von
Privatkapital;
liberale
Wirtschaftsauffassung;
technischer Fortschritt; Mechanisierung der Arbeit; Entstehung des
Fabriksystems mit Unternehmer und Proletarier (Schwerindustrie)
Protektionismus und Freihandel: Getreideschutzzölle in England 1815;
Abschaffung
1846;
allmähliche
Durchsetzung
des
Freihandelsgedankens in Europa
wirtschaftliche Integration: Deutscher Zollverein (1834); Entwicklung
eines Weltmarktes
zunehmende Bedeutung von transnationalen Kapitalströmen und
Finanzinvestitionen (Aktiengesellschaften)
gravierende Wirtschaftskrisen nach 1815, 1845-47 („Great Famine“ in
Irland, Radikalisierung des Proletariats in Frankreich), 1857 (erste
„Weltwirtschaftskrise“, ausgehend von Überproduktion in den USA)
20
Χ
gesellschaftlich-politisch
demographisches Wachstum (Verdoppelung der europäischen
Bevölkerung zwischen 1800 und 1900 auf ca. 400 Mio); Verstädterung
und Landflucht
Soziale Frage; Anfänge der staatlichen Sozialpolitik in Frankreich,
Großbritannien und Preußen (Beschränkungen der Kinder- und
Frauenarbeit)
politische Ideologien: Konservatismus, Liberalismus, nationale
Bewegung, demokratische Bewegung, Sozialismus, Anarchismus
Restauration und Reaktion: Unterdrückung antikonservativer
Strömungen durch Polizeistaat und Repression in Österreich,
Russland und Preußen
Entscheidungsfreiheit der Regierungen: begrenzter Einfluss der
öffentlichen Meinung, der Rüstungslobby und des Militärs
Χ
militärisch
Waffentechnologie: gezogener Lauf und Hinterlader für Infanterie- und
Artilleriewaffen; Schiffspanzerung
Logistik: Eisenbahnwesen, Dampfschiffe; damit umfassendere
Versorgungsmöglichkeiten (quantitativ und räumlich)
zunehmende taktische Auflockerung; wachsende Feuerkraft und
Beweglichkeit
zunehmende Bedeutung von Generalstabsarbeit
5.4
Bewährung des Systems bis 1848
Χ
Interventionen in Süd- und Osteuropa
österreichische Intervention in Italien 1821: Unterdrückung nationaler
Erhebung
französische Intervention in Spanien 1823: Wiederherstellung der
konservativen Monarchie (gegen Willen Großbritanniens)
österreichische Intervention in Italien 1831: Unterdrückung von
liberalen und nationalen Aufständen
österreichische Intervention in Polen 1846 (Krakau): Unterdrückung
nationaler Erhebung
französische Intervention im Kirchenstaat 1849: Frankreich als
Schutzmacht des Papstes
Χ
Unterstützung des griechischen Freiheitskampfes
griechischer Nationalaufstand gegen die Türken seit 1821
Unterstützung griechischer Autonomie durch Russland, Großbritannien
und Frankreich im Londoner Vertrag von 1827 (gegen Willen
Österreichs)
russisch-britisch-französische „humanitäre Intervention“ 1827
Frieden von Adrianopel 1829 (Russland - Osmanisches Reich):
Russland als Schutzmacht der Griechen; Abtretung der
Donaumündung an Russland
21
-
Anerkennung der griechischen Unabhängigkeit durch die Londoner
Konferenz 1830
Χ
Lösung der Belgienfrage
Unabhängigkeitsbestrebungen der südlichen Niederlande seit 1815
Aufstand und Unabhängigkeit 1830
Londoner Protokoll 1831: Anerkennung der Selbständigkeit und ewige
Neutralität
Intervention Frankreichs gegen niederländischen Angriff 1831-32
Anerkennung Belgiens durch Holland im Londoner Vertrag 1839
Χ
Intervention gegen die Revolution 1849
Intervention Russlands in Ungarn
Intervention Preußens in Baden
Χ
Unterdrückung des polnischen Freiheitskampfes
faktische Akzeptanz des russischen Vorgehens gegen Aufstände
1830-32
Annexion Krakaus durch Österreich 1846
preußisch-russische Kooperation gegen polnischen Aufstand 1863
(europaweite Proteste)
Χ
Geplante Intervention in der Schweiz 1847
Sonderbundskrieg: konservative Kantone gegen liberale Kantone um
Umwandlung der Schweiz von einer Konföderation in einen
Bundesstaat
Intervention der Garantiemächte der immerwährenden Neutralität von
1815 unterbleibt durch Verzögerungstaktik Großbritanniens und
schnellen Sieg der föderalen Kräfte
5.5
Strukturelle Probleme
Χ
Rolle des Konzerts der Mächte
britische Auffassung: keine Einmischung in innere Angelegenheiten
(positiv gegenüber liberalen Revolutionen)
Auffassung der Heiligen Allianz: Intervention zur Aufrechterhaltung der
traditionellen inneren Ordnung
Konsequenz:
Beschränkung
der
britischen
Teilnahme
am
institutionalisierten Konzert der Mächte seit 1820, aber weiterhin
Engagement zur Krisenbewältigung und Gleichgewichtswahrung
Χ
Weltanschauliche Gegensätze
liberaler “Westblock”: Großbritannien, Frankreich
konservativer “Ostblock”: Russland, Österreich, Preußen
Konsequenz:
Schwächung
(jedoch
nicht
Aufhebung)
übergreifenden Konsenses über die europäische Stabilität
22
des
Χ
Innenpolitische Probleme
Julirevolution 1830: Absetzung des reaktionären Bourbonenkönigs
durch Arbeiter und Bürger; Bürgertum setzt konstitutionelle Monarchie
durch
Folgen der Julirevolution 1830: Verfassungen u.a. in Sachsen,
Hannover und Belgien
wachsender Widerstand gegen Regierungen in Deutschland, Polen,
Italien, der zu weiter verstärkter Repression führt
Folgen der Revolution von 1848: Furcht vor radikalen Arbeitern;
Bündnis zwischen Bürgertum und Obrigkeit; Durchsetzung der
Reaktion in Deutschland; Konzentration auf nationale Frage
wachsender Einfluss der öffentlichen Meinung, besonders in
Frankreich und Großbritannien
Χ
Nationale Realpolitik nach 1848
zunehmende Entfernung der Entscheidungsträger (Generationenwechsel) von den Prinzipien des Wiener Systems
russisch-österreichischer
Gegensatz
in
der
“Orientfrage”
(Expansionsbestrebungen Russlands auf dem Balkan und gegen
Osmanisches Reich), daher Auflösung der Heiligen Allianz
französischer Revisionismus : Beanspruchung der Rheingrenze und
Orientkrisen um Ägypten 1831-41 (Frankreich gegen Großbritannien +
Russland + Preußen); Expansionspolitik Napoleons III. seit 1852
russisch-britischer Gegensatz um die Meerengen (Dardanellenvertrag
1841)
Konflikt um dänische Annexion Holsteins 1848: Unterbindung des
Vorgehens Preußens gegen Dänemark (Russland + Großbritannien +
Frankreich gegen Preußen + Österreich)
Interessengegensatz um Polen 1863 (Preußen + Russland gegen
Frankreich + Großbritannien + Österreich)
Konsequenz: weitgehende Anarchie in der Pentarchie
Χ
neue Staaten und Nationalbewegungen
Belgien (seit 1830), Serbien (faktisch unabhängig seit 1817, formal
autonom seit 1829), Griechenland (seit 1829)
Machtvakuum Osmanisches Reich: Unabhängigkeitsbestrebungen auf
dem Balkan
Bestrebungen zur Beseitigung des deutschen und des italienischen
Machtvakuums
5.6
Auflösung des Systems
Χ
Revolutionen von 1848
Februarrevolution 1848: Absetzung des “Bürgerkönigs”; Frankreich
Republik; Niederschlagung von Arbeiteraufständen; Louis Napoleon
Präsident
Märzrevolution 1848 in Deutschland: zunächst Erfolge der
Revolutionäre; Erlass von Verfassungen; Einberufung einer
23
-
-
Verfassungsgebenden Nationalversammlung (Frankfurt); Streit um
Verfassung (Grundrechte, Gewaltenteilung, Bundesstaat), groß- und
kleindeutsche Lösung
militärische Niederschlagung der Revolution und der nationalen
Bewegungen in Österreich 1949; Auflösung der deutschen und der
preußischen Nationalversammlung 1849; Niederschlagung der
Revolution im restlichen Reich
Behauptung der österreichischen Hegemonie über Italien 1848/49
Χ
Krimkrieg
Staatsstreich Louis Napoleons 1851 und Zweites Kaiserreich ab 1852
(Napoleon III:); außenpolitische Zielsetzung: Revision des Wiener
Systems, französische Hegemonialstellung in Europa
französische Expansion in Afrika (Algerien, Senegal)
Konfrontation mit Russland, das gegenüber dem Osmanischen Reich
expandieren will (formaler Anlass: Konfessionsstreitigkeiten)
russischer Einmarsch in Donaufürstentümer 1853
Intervention Frankreichs, Großbritanniens und Sardinien-Piemonts (ab
1855); 1854 Landung auf der Krim (Sewastopol, erster moderner
Stellungskrieg); Besetzung der Donaufürstentümer durch Österreich;
Stillhalten Preußens
Frieden von Paris 1856: Russland verliert das Donaudelta;
Neutralisierung des Schwarzen Meeres
Konsequenz: Frankreich als Vormacht und Schiedsrichter Europas;
österreichisch-russischer Gegensatz auf dem Balkan; Reformversuche
von oben in Russland
Χ
Italienische Einigung
Aufrüstung und Unterstützung Sardiniens durch Frankreich ab 1858
österreichische Kriegserklärung an Sardinien 1859, französische
Unterstützung für Sardinien; österreichische Niederlagen bei Magenta
und Solferino (erster Eisenbahnaufmarsch)
Frieden von Zürich 1859 (beschleunigt durch Furcht Napoleons III. vor
Eingreifen Preußens): Österreich verliert die Lombardei, behält jedoch
Venetien (entgegen französisch-sardischer Abmachungen)
Vertrag von Turin 1860 (Frankreich - Sardinien-Piemont): Frankreich
tauscht die Lombardei gegen Nizza und Savoyen
Eroberung Süditaliens durch Garibaldi und Anschluss an Sardinien
1860-61; Proklamation des Königreichs Italien 1861
Militärbündnis mit Preußen 1866; Erwerb Venetiens nach der
österreichischen Niederlage
Verhinderung der Eingliederung des Kirchenstaates durch Frankreich
bis 1870
Χ
Deutsche Einigung
Bismarck preußischer Ministerpräsident 1862; Heeresreform Roons
Militärkonvention Preußens mit Russland 1863
24
-
-
-
-
-
Deutsch-Dänischer Krieg 1864 nach Annexion Schleswigs durch
Dänemark (1863)
Deutscher Krieg 1866 nach Differenzen über Schleswig-Holstein
(Preußen + Italien gegen Österreich + Hannover + süddeutsche
Staaten); österreichische Niederlage bei Königgrätz
Frieden von Prag: keine Gebietsverluste Österreichs an Preußen;
Auflösung des Deutschen Bundes; preußische Annexion der
gegnerischen deutschen Staaten nördlich des Mains außer Sachsen
und Hessen-Darmstadt
Gründung des Norddeutschen Bundes 1867; Schutz- und
Trutzbündnisse des süddeutschen Staaten mit Preußen
außenpolitische Misserfolge und innenpolitische Schwächung
Napoleons
III.:
Scheitern
der
Mexiko-Expedition
1860-66
(Interventionsdrohung
der
USA
nach
dem
Ende
des
Sezessionskrieges 1861-65); Scheitern von Kompensations-wünschen
für Stillhalten im Deutschen Krieg (Belgien, Luxemburg, Pfalz);
Scheitern des Kaufs von Luxemburg (von den Niederlanden), das
neutralisiert wird (1867); Zugeständnisse an Opposition und liberale
Reformen
(“Empire
libéral”)
1864-70;
Bemühungen
um
außenpolitischen Prestigeerfolg
Krise um die spanische Thronkandidatur 1870: Forderungen
Napoleons III. nach Garantien für den Verzicht des HohenzollernKandidaten;
Emser
Depesche
Bismarcks;
französische
Kriegserklärung auf Druck der öffentlichen Meinung
Deutsch-französischer Krieg 1870/71 (Preußen + Bayern + Baden +
Württemberg + Sachsen gegen Frankreich): französische Niederlagen
bei Sedan und Metz; Sturz Napoleons III.; Volkskrieg der Dritten
Republik
Proklamation des Deutschen Reiches 1871; Frieden von Frankfurt:
Verlust Elsass-Lothringens; extrem hohe Reparationen durch
Frankreich und temporäre Besetzung Ostfrankreichs
25
6.
Das Bismarcksche System nach 1871
6.1
Ausgangslage
Χ
Akteure
zentrale Großmächte: Deutschland, Großbritannien, Russland
wiederaufstrebende Großmacht: Frankreich (nach Begleichung der
Reparationen und deutschem Truppenabzug 1873)
neue Großmacht: Italien
absteigende Großmächte: Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich
neue, kleinere Staaten (Katalysatoren des Systems): Serbien,
Bulgarien, Rumänien
Χ
Deutschland als Zentralmacht Europas
Kontinentalmacht: stärkste Militärmacht; hohes Selbstbewusstsein
nach 1870/71
politisches
System:
Militarismus;
Hegemonie
Preußens
in
Deutschland;
starke
Exekutive;
beschränkte
Demokratie
(Reichstagskompetenzen, Wahlrecht)
Innenpolitik: innerer Reichsausbau (Vereinheitlichung); Bekämpfung
der katholischen Kirche (Kulturkampf 1871-86) und der SPD
(Sozialistengesetze 1878)
Χ
Deutsch-französischer Antagonismus
Annexion Elsass-Lothringens (Reichsland)
französischer Revanchismus für Niederlage von 1870/71
Χ
Zweitrangige Großmächte
Italien: innenpolitische Krise nach der Einigung; „Große Politik“ seit
1882 (Expansion in Afrika und im östlichen Mittelmeer); IrredentaBewegung (Südtirol, Triest)
Österreich-Ungarn: Ausgleich 1867; Nationalitätenprobleme in der
Folge großmagyarischen Chauvinismus’
Osmanisches Reich: Staatsbankrott 1875; Jungtürkische Bewegung
(liberal und national) seit 1860; Aufhebung der ersten Verfassung von
1876; Unabhängigkeitsbewegungen auf dem Balkan und im Nahen
Osten
6.2
Zentrale Prinzipien
Χ
Primat der Außenpolitik
Versuch der Loslösung deutscher Außenpolitik von innenpolitischen
Differenzen
Nichteinbeziehung der öffentlichen Meinung durch Geheimdiplomatie
Χ
Saturiertheit Deutschlands
26
-
keine Territorialansprüche des Deutschen Reiches in Europa oder
Übersee (Ablehnung großdeutscher oder kolonialer Ideen)
Rolle als „ehrlicher Makler“
Χ
Isolation Frankreichs
Vermeidung von Bündnissen zur Realisierung der Revanche
Deutschland als Zentrum bestehender Bündnisse ohne Frankreich
Χ
Ausgleich mit Frankreich: Unterstützung der kolonialen Expansion
Ablenkung von Elsass-Lothringen zur Entspannung des deutschfranzösischen Verhältnisses
Förderung des französisch-britischen und französisch-italienischen
Antagonismus in Afrika
Χ
Unterstützung Großbritanniens
Anerkennung britischer See- und Weltmacht
Unterstützung der britischen Expansion in Afrika und Nahem Osten
gegen neutralisierenden britischen Einfluss auf Frankreich und Italien
(indirekte Unterstützung Deutschlands und Österreichs gegen
Russland)
Kooperation bei der Wahrung des europäischen Gleichgewichts
gemeinsames Krisenmanagement
Χ
Europäischer Ausgleich
Ziel der Vermeidung eines Krieges zwischen Großmächten,
insbesondere solchen der Pentarchie (Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Russland, Österreich)
Vermeidung der Kriseneskalation (Balkan): Weltkriegsgefahr
Kongressdiplomatie
Bewahrung formaler Großmächte (Osmanisches Reich, ÖsterreichUngarn)
gegenüber
Auflösungsbestrebungen
(Russland,
Balkanstaaten)
6.3
Rahmenbedingungen
Χ
ökonomisch
beschleunigte Industrialisierung
Abwendung vom Freihandel
Aufstieg Deutschlands zur Weltwirtschaftsmacht
Weltwirtschaftskrise 1873; Große Depression 1873-95
Durchsetzung der Idee einer direkten Kontrolle von Rohstoffen und
Überseemärkten (Imperialismus)
Χ
gesellschaftlich-politisch
weiteres massives Bevölkerungswachstum
Soziale Frage: Arbeiterbewegung; Anarchismus; Sozialismus
Verstärkung staatlicher Sozialpolitik aus innenpolitischen
militärischen Erwägungen
27
und
-
Öffentliche Meinung: Bedeutung der Presse
Lobbyismus:
Landwirtschaft
(Junker);
Schwerindustrie;
Rüstungsindustrie; Kolonialismus
Imperialismus: Ideologie nationaler Expansion (Sendungsbewusstsein,
Prestige, Wirtschaft)
Χ
militärisch
fortschreitende Industrialisierung der Kriegführung und Aufrüstung
politisch relevante Planungsaktivität der Generalstäbe (deutsche
Präventivkriegsgedanken seit 1887)
6.4
Ausgestaltung durch internationale Verträge
Χ
Drei-Kaiser-Bund 1872
Deutschland + Österreich + Russland
ideologische Nähe (Konservatismus, Monarchismus)
Belastung durch Differenzen mit Russland, aber Wiederannäherung
nach Abschluss des Zweibundes 1879
Erneuerung 1881, aber Scheitern am österreichisch-russischen
Gegensatz in der Bulgarienkrise 1885-87
Χ
Zweibund 1879
Deutschland + Österreich
offiziell
geheimes
Defensivbündnis
gegen
Russland;
Neutralitätsabkommen bei Angriff anderer Macht
Abschreckung Russlands; Basis zuverlässiger Konservatismus
Österreichs und Tradition des alten Reiches
erstes europäisches Dauerbündnis seit dem Krimkrieg
Χ
Dreibund 1882
Deutschland + Österreich + Italien
italienische Suche nach Absicherung im Kolonialkonflikt mit Frankreich
(Besetzung Tunesiens 1881)
Bündnisfall nur bei Angriff mehrerer Großmächte; Neutralität der
anderen bei eigenem Angriff auf Dritten
Instabilität wegen österreichisch-italienischem Gegensatz und
Misstrauen gegenüber politischem System Italiens
Χ
Erweiterung des Dreibundes 1883
Deutschland + Österreich + Italien + Rumänien
verstärkter deutscher Einfluss auf dem Balkan; gleichzeitig jedoch
auch zusätzliche Frontposition gegen Russland (russisch-rumänischer
Territorialstreit)
Χ
Rückversicherungs-Vertrag 1887
Deutschland + Russland
nach Scheitern des Dreikaiser-Bundes Sicherung nach Osten
28
-
geheimes Zusatzprotokoll: deutsche Unterstützung für russische
Expansion zu den Meerengen
Χ
Mittelmeerabkommen (Orient-Dreibund) 1887
Großbritannien + Italien + Österreich
Schutz des Osmanischen Reiches gegen Russland
Bewahrung des Status quo im Mittelmeer
6.5
Bewährung des Systems
Χ
Pontus-Konferenz 1871
Revision des Pariser Friedens von 1856 mit deutscher Unterstützung
Durchfahrtsrechte für russische Schiffe durch Bosporus und
Dardanellen
Χ
Berliner Kongress 1878
deutsche Vermittlung zwischen Großbritannien + Österreich +
Osmanisches Reich und Russland
Selbständigkeit von Rumänien, Serbien und Montenegro; Bulgarien
wird autonomes Fürstentum und geteilt; Bosnien-Herzegowina wird
österreichisch verwaltet; Großbritannien gewinnt Zypern
Beschränkung der Expansion russischen Einflusses auf dem Balkan;
weiterhin nationale Probleme auf dem Balkan
Χ
Berliner Afrika-Konferenz 1884/5
Bindung Großbritanniens durch Engagement in Ägypten seit 1882
(Mahdi-Aufstand); koloniale Expansion Frankreichs und Initiierung des
deutschen Kolonialismus
deutsch-französische Kooperation gegen Großbritannien zur
außereuropäischen Ableitung französischer Ressentiments
Beteiligung der Großmächte einschließlich der USA (als Beobachter)
Beginn des “Scramble for Africa”
Kongo wird belgisch und damit neutralisiert (gegen Ansprüche
Großbritanniens)
Χ
Kooperation bei internationalen Krisen
Internationale Finanzkontrolle, z.B. Ägyptens nach Staatsbankrott
diplomatische
Vermeidung
der
Kriseneskalation
Großmachtkonflikten
bei
6.6
Strukturelle Probleme
Χ
Komplexität
Unüberschaubarkeit von Bündnisbindungen
Notwendigkeit und wachsende Schwierigkeit von Geheimdiplomatie
Notwendigkeit ständigen Taktierens
teilweise Widersprüche und Einschränkungen: Österreich und
Russland
29
Χ
Deutsch-russische Entfremdung
Unterstützung Deutschlands für Begrenzung der russischen Expansion
(Balkan, Osmanisches Reich)
russische Ressentiments gegen deutsche Vermittlung 1878
Wirtschaftskrieg seit Anfang der achtziger Jahre
Χ
Französischer Revanchismus
Χ
„Splendid isolation“ Großbritanniens
Nichteinbeziehung in kontinentale Bündnisse
Scheitern von Bündnisabsichten Bismarcks 1879-81
Ablehnung eines Bündnisses mit Deutschland 1887 und 1889
Χ
Balkan-Problematik
dauerhafter Antagonismus zwischen Österreich und Russland
Stellvertreterfunktion der Balkanstaaten; Eskalationspotential
Bedeutung nationaler Bewegungen für Innenpolitik Österreichs
Χ
Ideologisierung
wachsender Nationalismus
Imperialismus und Konkurrenz zwischen Staaten
zunehmend sozialdarwinistische Politikauffassung
Förderung durch sensationslustige Presse
Χ
innenpolitische Probleme
Arbeiterbewegung
und
sozialistische
Opposition
(Gewerkschaftsbildung und Streiks, I. Internationale 1864, II.
Internationale 1889; Sozialistengesetze in Deutschland; Syndikalisten
in Frankreich)
Wirtschaftskrise und Protektionismus
Katholizismus nach dem II. Vatikanischen Konzil 1870 (strenger
Zentralismus
der
katholischen
Kirche:
„Ultramontanismus“,
Kulturkampf in Deutschland)
anarchistische Gewalt, besonders in Russland
polizeistaatliche Repression (Russland, Deutschland)
Scheitern von Reformen und Hungerkatastrophen in Russland
Nationalitätenprobleme in Österreich (Südslawen, Rumänen),
Osmanischem Reich (Balkanvölker), Russland (Polen), Deutschland
(Polen), Großbritannien (Irland)
wachsender Antisemitismus
6.7
Entwicklung und Krisen des Systems
Χ
Krieg-in-Sicht-Krise 1875
deutsche Sorgen um Annäherung Österreichs, Frankreichs und
Russlands
30
-
Scheitern von Ideen zur Teilung Österreichs (zwischen Deutschland
und Russland, Kompensation Frankreichs durch Wallonien)
französische Wiederaufrüstung; Präventivkriegsdrohung Deutschlands
Interventionsdrohung Russlands und Großbritanniens bei deutschem
Angriff auf Frankreich
Χ
Balkankrise (Große Orientkrise) 1875-78
Finanzkrise des Osmanischen Reiches: Steueraufstände in der
Herzegowina 1875
militärische Intervention Serbiens und Montenegros
russisch-österreichisches Geheimabkommen 1876: freie Hand für
Österreich in Bosnien-Herzegowina und für Russland in Bulgarien
nach militärischer Niederlage Serbiens gegen Türken 1876
Intervention Russlands mit Rumänien und Bulgarien (russischtürkischer Krieg 1877/8)
Interventionsdrohung Großbritanniens und Österreichs nach türkischen
Niederlagen und Diktatfrieden durch Russlands
deutsche Vermittlung und Kriegabwendung durch den Berliner
Kongress 1878
Χ
Afghanistan-Krise 1885-87
ergebnislose Grenzverhandlungen zwischen Großbritannien und
Russland in Zentralasien seit 1882
russisches Vordringen; Kriegsvorbereitungen auf beiden Seiten
(Großbritannien + Osmanisches Reich); Verbindung mit Balkankrise
deutsches Dringen auf türkische Neutralität (Eskalationsgefahr auf
dem Balkan)
Χ
Bulgarien-Krise 1885-87
Versuch der Emanzipation von Russland durch liberale Regierung;
Unterstützung durch Großbritannien
Vereinigung des autonomen Fürstentums Bulgarien und der
autonomen Provinz Ost-Rumelien 1885
Angriff Serbiens auf Bulgarien zur territorialen Kompensation;
Niederlage Serbiens; Stellvertreterkrieg für Österreich (Serbien) und
Russland (Bulgarien)
Interventionsdrohung Großbritanniens; britische Suche nach einem
kontinentalen Partner gegen Russland (Deutschland)
deutsche Neutralität (zugunsten Russlands); Unterstützung für
Einsetzung einer russophilen bulgarischen Regierung
Χ
Boulanger-Krise 1885-89
politischer Erfolg bonapartistisch-nationalistischer Bewegung General
Boulangers in Frankreich
Gefährdung der Dritten Republik und verstärkter Revanchismus gegen
Deutschland
Gefahr
eines
Revanchekrieges
gegen
Deutschland;
Präventivkriegsbereitschaft in Deutschland
31
-
zusammen mit der Bulgarien- und Afghanistan-Krise Potenzial einer
Eskalation (Deutschland + Österreich + Großbritannien gegen
Russland + Frankreich)
Ernüchterung in Frankreich durch deutsche Warnungen; Wahlsieg der
französischen Republikaner
Χ
deutscher Protektionismus
Schutzzölle auf (russische) Getreideimporte 1879, verschärft 1885-87
Schutzzölle für die Industrie gegen Großbritannien und Frankreich seit
1879
Lombardverbot 1887: keine ausländischen (russischen) Anleihen mehr
Konsequenz: Behinderung der russischen Industrialisierung; russische
Finanzkooperation mit Frankreich („Revanche-Anleihen“)
Χ
Anfänge deutscher Kolonialpolitik
Kamerun, Togo 1884
Südsee 1884/5
Ostafrika 1885
32
7.
Das Wilhelminische System bis 1914
7.1
Ausgangslage
Χ
Akteure in Europa
zentrale Großmächte: Deutschland, Großbritannien, Russland,
Frankreich
weitere Großmächte: Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich, Italien
kleinere Mächte (Katalysatorfunktion): Serbien, Montenegro, Bulgarien,
Rumänien, Albanien, Belgien
Χ
weltpolitischer Rahmen
imperialistische Konkurrenz der Mächte
Aufteilung Afrikas und Asiens
Grenzen der Verteilungs- und Kompensationsmöglichkeiten, damit
direkte Konfrontation der Mächte
neue Akteure: USA (offener Imperialismus seit 1898) und Japan
(Imperialmacht seit 1894/95 und Großmacht seit 1904/05)
Χ
Deutsche Position
stärkste Kontinentalmacht: Militär, Wirtschaft, Selbstbewusstsein
“Neuer
Kurs”
Wilhelms
II.:
Aufgabe
der
Saturiertheit,
Weltmachtanspruch Deutschlands; imperiale Macht; Kolonien und
Flottenbau
innenpolitische Stützung der Weltmachtpolitik: Alldeutscher Verband
(1891), Flottenverein (1898); Rüstungs- und Wirtschaftslobby
Überzeugung, auch Frankreich und Russland zusammen gewachsen
zu sein
7.2
Prinzipien
Χ
Eindämmung Deutschlands
Deutsche Politik als Gefährdung des europäischen Gleichgewichts
Bündnispolitik der übrigen Mächte gegen deutsche Hegemonie
Auflösung der Isolation Frankreichs
Χ
“Nibelungentreue”
Bindung der deutschen Außenpolitik an Österreich
verstärkte Involvierung Deutschlands in Balkanproblematik (inbes.
österreichisch-russischer Antagonismus)
Χ
Blocksystem
Herausbildung fester Allianzen mit Bündnisautomatik
Deutschland + Österreich gegen Russland + Frankreich (+
Großbritannien)
Ergänzung durch panslawistische Verbindung (Russland + Serbien +
Montenegro) und deutsch-türkische Annäherung
33
-
unsichere Haltung Italiens, Rumäniens und Bulgariens
Χ
Risikopolitik
Konfrontation der Großmächte bis hin zur Kriegsdrohung
Krisengewöhnung der Diplomatie; entsprechend Unterschätzung der
Eskalationspotenziale
militärisch-politischer Fatalismus; wachsender Einfluss des Militärs
Präventivkriegsgedanken (Österreich gegen Serbien; Deutschland
gegen Frankreich und Russland)
Χ
Wettrüsten
Flottenrüstung (Deutschland gegen Großbritannien)
Heereserweiterungen und -reformen in Deutschland, Frankreich und
Russland
7.3
Rahmenbedingungen
Χ
ökonomisch
Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum
rasante Industrialisierung und technischer Fortschritt
Zunahme internationaler Interdependenz und Idee des Liberalen
Friedens
Vorstellung eines Verdrängungswettkampfes zwischen nationalen
Volkswirtschaften
Betonung der Bedeutung imperialer Großräume (Autarkie)
Χ
gesellschaftlich-politisch
Chauvinismus und Imperialismus als Massenideologien
Sozialismus, Sozialpolitik und Arrangements mit politischen
Verhältnissen
vermehrte
transnationale
Bewegungen
(Frauenbewegungen,
Pazifismus, Arbeiterbewegung)
Χ
militärisch
neue
Technologien:
rauchloses
Pulver,
Maschinengewehr,
Großkampfschiffe,
Flugzeuge,
Magazingewehr,
Rohrrücklauf
(Feuergeschwindigkeit der Artillerie), schwere Artillerie
Offensivdoktrin; Doktrin des Primats des Angriffwillens
strategische und operative Bindung an Vorausplanungen ohne
Rücksicht auf politische Probleme (Schlieffenplan 1905)
7.4
Bündnisstrukturen
Χ
Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages 1890
Ablehnung russischen Verlängerungswunsches
Bereinigung des Widerspruches zwischen
Russlandorientierung
34
Österreich-
und
-
deutsches Engagement in russischen Interessensgebieten (Persien,
Osmanisches Reich)
Χ
Zweibund (Frankreich + Russland) 1892/94
Neuorientierung der russischen Außenpolitik
Finanzierung der russischen Industrialisierung, Infrastrukturausbau und
Aufrüstung durch französische Anleihen
Ende der französischen Isolierung
automatische Beistandspflicht bei Angriff oder Mobilmachung einer
Dreibundmacht (Zweifrontenkrieg gegen Deutschland)
Χ
Britisch-japanisches Bündnis 1902
Ziel der Eindämmung der russischen Expansion in Ostasien
Japan
als
Juniorpartner
Großbritanniens
nach
Ablehnung
Deutschlands
Χ
Französisch-italienische Abkommen 1902
Ausgleich der Interessen in Nordafrika (Marokko, Libyen)
Neutralitätsabkommen
Χ
Entente cordiale 1904
Beilegung französisch-britischer Kolonialdifferenzen
Aufgabe der “splendid isolation” in Europa zur Eindämmung des
deutschen Konkurrenten und zur Besitzstandswahrung
kein formales Bündnis
Χ
Triple Entente 1908
Britisch-russischer
Ausgleich
1907
(Aufteilung
Persiens,
Neutralisierung Afghanistans))
kein formales Bündnis
schrittweiser Ausbau zu einer Allianz bis 1914 (Kooperation der
Militärs)
Χ
Russisch-italienischer Vertrag 1909
Erhaltung des Status quo auf dem Balkan
Orientierung gegen Österreich
Χ
Britisch-französische Marinekonvention 1912
Übernahme der Sicherung des Mittelmeers durch Frankreich im
Kriegsfall
Sicherung der Kanalküste durch Großbritannien und Konzentration der
britischen Home Fleet im Nordseeraum (Blockade)
Χ
Erneuerung des Dreibundes 1912
Χ
Balkan-Bund 1912
Balkanstaaten gegen Osmanisches Reich
Serbien + Bulgarien + Montenegro + Griechenland
35
Χ
Deutsch-türkisches Bündnis 1914
7.5
Strukturelle Probleme
Χ
Balkanfrage
Unabhängigkeits- und Expansionsstreben der Balkanstaaten gegen
Osmanisches Reich
innenpolitische Gefährdung Österreichs durch russisch unterstützten
Panslawismus
Österreich und Russland als Konkurrenten um die Beerbung des
Osmanischen Reiches
Χ
Französischer Revanchismus
Revanche für 1870/71 und Wiedergewinn Elsass-Lothringens als
Konstante französischer Außenpolitik
keine Ableitung durch koloniale Expansion
Χ
Deutsche Flottenrüstung und Weltpolitik
Tirpitz’ “Risikotheorie” (Abschreckungswirkung einer starken Flotte)
wird von Großbritannien als Gefährdung seiner Seeherrschaft
betrachtet
britische Gegenmaßnahmen führen zum Flottenwettrüsten seit 1900
deutsche Weltpolitik kollidiert mit Interessensphären Großbritanniens,
Frankreichs und Russlands
wirtschaftliche Konkurrenz Deutschlands für Großbritannien (Ablösung
als größte europäische Handels- und Industriemacht)
deutscher Aufstieg gefährdet europäisches Gleichgewicht
Χ
innenpolitische Probleme
Nationalitätenprobleme in Deutschland (Polen, Elsass), Österreich
(Südslawen) und Großbritannien (Irland)
Einfluss von Großindustrie, Großagrariern und Rüstungslobby auf
Regierungen (koloniale Expansion)
Widerstand gegen innenpolitische Reformen (Demokratisierung in
Deutschland und Russland; nationale Autonomie in Großbritannien
und Österreich)
Frage der Einbindung der Arbeiterschaft in die bürgerliche Gesellschaft
(Sozialismus)
Χ
Ideologie
Nationalismus und Chauvinismus
Politik als Sozialdarwinismus
Militarismus und Kriegsverherrlichung
Sendungsbewusstsein aller europäischer Mächte
Χ
Deutsche Selbstüberschätzung
36
-
Überzeugung, auch Frankreich und Russland zusammen gewachsen
zu sein
Illusion einer möglichen Wahl zwischen “Wal” (Großbritannien) und
“Bär” (Russland) als Bündnispartner
Weltmachtanspruch bei gleichzeitiger See- und Landrüstung
(Verschuldung, Verzettelung)
Χ
Bündnisautomatik
formelle Beistandsverpflichtungen
Eskalationsgefahr bei Krisen
großer Spielraum für Österreich und Russland in ihren Allianzen
7.6
Entwicklung des Systems
Χ
Italienisch-abessinischer Krieg 1894-96
italienische Expansion in Afrika seit 1887
Niederlage von Adua 1896 und Scheitern der Expansion in Ostafrika
Anlass zum Ausgleich mit Frankreich (Nordafrika) und Neuorientierung
im Mittelmeerraum
Χ
Europäische Intervention in Asien 1895
japanisch-chinesischer Krieg 1894/95 und geplante Expansion Japans
Beschränkung der japanischen Gewinne durch gemeinsamen
Widerstand Großbritanniens, Frankreichs und Deutschland (Interesse
an Kolonien in China)
Χ
Dreyfus-Affäre 1894-1906
Verurteilung jüdischen Offiziers aufgrund gefälschter Dokumente
Spaltung der Nation: Rechte (Nationalisten, Monarchisten,
Bonapartisten, Antisemiten und Armee) gegen Linke (Sozialisten,
Republikaner, Antiklerikale und Pazifisten)
Rehabilitierung Dreyfus’ 1906: Durchsetzung der zivilen Gewalt
gegenüber dem Militär
Schwächung Frankreichs durch innenpolitische Krise am Rand eines
Bürgerkrieges
Χ
Deutsch-türkische Annäherung seit 1895
Orientbesuche Wilhelms II. 1898
Engagement deutscher Banken
Bau der Bagdadbahn seit 1903
türkische Heeresreform unter deutscher Führung seit 1913
Χ
Faschoda-Krise 1898
Zusammenstoß zwischen Frankreich (Ost-West-Orientierung) und
Großbritannien
(Nord-Süd-Orientierung,
“Kap-Kairo-Linie”)
im
Südsudan
Nachgeben Frankreichs angesichts militärischer Überlegenheit der
Briten (Zerstörung des Mahdi-Reiches 1898)
37
-
Ausgleich 1899 (Sudan, Ägypten, Marokko) ermöglicht Annäherung
Χ
Deutsch-britische Bündnisverhandlungen 1898-1901
Streitpunkt Flottenrüstung: deutsche Flottengesetze von 1898 und
1900 streben 60 Schlachtschiffe und -kreuzer bis 1920 an
Scheitern wegen britischen Zögerns und deutscher Absicht einer
formalen Erweiterung des Dreibundes um Großbritannien
Χ
Burenkrieg 1899-1902
Grenzen der militärischen Leistungsfähigkeit der ersten Weltmacht
deutsch-britische Entfremdung wegen deutscher Unterstützung für die
Buren
Folgen: Armeereform und Suche nach Verbündeten
Χ
Russisch-japanischer Krieg 1904/05
militärische Niederlage Russlands
Revolution in Russland 1905
außenpolitische Lähmung
Reorientierung auf den Balkan
Bündnisversuche Deutschlands
Frankreichs
scheitern
an
der
Einbindung
Χ
Erste Marokkokrise 1905-06
französische Intervention in Marokko, entgegen internationalen
Abmachungen (Prinzip der “offenen Tür”) und deutschen
Wirtschaftsinteressen
deutsches Ziel einer neuen Isolierung des innenpolitisch geschwächten
Frankreichs angesichts des temporären Ausfalls Russlands als
Großmacht (Frankreich als “Geisel Deutschlands”)
Konferenz von Algeciras: Verhinderung einer kompletten französischen
Besetzung Marokkos, aber keine Verurteilung und Isolierung
Deutschlands (mit Österreichs) aufgrund des Misstrauens der übrigen
Mächte (Großbritannien)
Folge: Festigung der Entente; prinzipielle deutsche Abneigung gegen
internationale Konferenzen zur Krisenbeilegung (vgl. Julikrise 1914)
und Vorbereitung einer militärischen Lösung (Schlieffenplan)
Χ
“Dreadnought”-Sprung 1906
britischer Großkampfschiffbau entwertet bisherige Schlachtflotten,
technischer Vorsprung verbessert jedoch britische Position
Verschärfung des deutsch-britischen Rüstungswettlaufs durch
Notwendigkeit zusätzlichen Ressourcenaufwandes
Χ
Zweite Haager Konferenz 1907
Festlegung von Kriegsführungsregeln und Verbot bestimmter Waffen
auf der Ersten Haager Konferenz 1899
russische Initiativen zur Rüstungsbeschränkung oder Abrüstung
(eigener qualitativer und quantitativer Rückstand) sowie zur
38
-
Einrichtung obligatorischer internationaler Schiedsgerichtsbarkeit zur
Kriegsverhinderung
Scheitern
am
Widerstand
Deutschlands
(Bewahrung
der
“Aktionsfreiheit”)
Beschränkung auf Haager Landkriegsordnung (Kodifizierung des
Kriegsvölkerrechts)
Χ
Bosnien-Krise 1908-09
Jungtürkische Revolution mit dem Ziel einer liberalen Verfassung
(Gleichberechtigung für alle Untertanen)
Unabhängigkeitserklärung Bulgariens
Annexion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich zur Vermeidung
von Rückgabeforderungen
Ablehnung der britischen Forderung einer internationalen Konferenz
durch Österreich; Zurückhaltung Frankreichs aus militärischer
Schwäche
serbischer Widerstand (mit russischer Unterstützung) wird durch
österreichisches Ultimatum und eine deutsche Kriegsdrohung gegen
Russland beseitigt
Konsequenz: verstärkte russische Aufrüstung; stärkere Bindung
Deutschlands an Österreich
Χ
Zweite Marokkokrise 1911
Erweiterung des französischen Einflusses in Marokko und deutscher
Protest durch “Panthersprung von Agadir” (Kanonenboot)
deutsche Absicht einer neuerlichen Gefügigmachung Frankreichs
durch militärische Drohung; Unterstützung durch alldeutsche
Kriegstreiberei
britische Interventionsdrohung zugunsten Frankreichs
Rückzug Deutschlands und offizielle Kompensation der französischen
durch Gebiete in Zentralafrika
Konsequenz: wachsende Kriegsbereitschaft in Deutschland wegen
Scheiterns der “friedlichen” Weltpolitik; verstärkte französische
Aufrüstung; Entente-Erwartung einer militärischen Auseinandersetzung
mit Deutschland, hervorgerufen durch einen Angriff auf Frankreich
Χ
Italienisch-türkischer Krieg 1911-12
italienische Annexion von Tripolis (formal türkisch)
Italien gewinnt Libyen und besetzt die Dodekanes (östl. Ägäis)
Χ
Scheitern deutsch-britischer Flottenverhandlungen 1912
deutsches Ziel einer freien Hand auf dem Kontinent; dazu
Notwendigkeit britischer Neutralität (bis zum Abschluss des
Flottenbaus)
britisches Angebot: Neutralität bei französischem Angriff, nicht bei
deutschem Angriff
Scheitern der Verhandlungen an deutschen Forderungen nach
unbedingter britischer Neutralität in deutsch-französischem Krieg und
39
-
nach Anerkennung eines 3:2-Schlüssels für die britisch-deutschen
Flottenstärken
deutsche Flottennovelle 1912: Anheizen des Rüstungswettlaufs
Χ
Erster Balkankrieg 1912-13
Balkanbund gegen Osmanisches Reich
militärischer Kollaps der Türken
Eskalation zur internationalen Krise: Serbien (mit Russland) fordert
Adria-Zugang (gegen Italien); Italien will Annexion Albaniens;
Griechenland will Räumung der Dodekanes durch Italien; Österreich
(mit Italien) ist gegen jeden serbischen Machtzuwachs und unterstützt
bulgarische Forderung nach Makedonien (gegen Serbien), die von
Russland abgelehnt wird
Beilegung der Krise durch deutsch-britische Kooperation: Räumung
Europas durch die Türkei bis auf Vorfeld Konstantinopels;
Zurückhaltung Österreichs durch Deutschland (noch ungenügende
Flottenrüstung und zu geringfügiger Anlass für einen Großkrieg) und
Russlands durch Großbritannien (drohende Unterlassung von
Hilfeleistung im Kriegsfall)
Χ
Zweiter Balkankrieg 1913
Angriff Bulgariens auf Serbien zur Eroberung Makedoniens
Unterstützung Serbiens durch Montenegro, Griechenland, Rumänien
und Osmanisches Reich; bulgarische Niederlage
internationale Krise: Interventionsdrohung Österreichs gegen Serbien
zur Rettung Bulgariens
erneute Mäßigung durch Deutschland (mit Italien) und Großbritannien
Friede von Bukarest: bulgarische Gebietsverluste (Mittelmeerzugang);
Erweiterung der europäischen Türkei, Gebietsgewinne Serbiens,
Griechenlands und Rumäniens; Albanien wird unabhängig
Abkühlung des österreichisch-rumänischen Verhältnisses (auch wegen
rumänischer Minderheit in Siebenbürgen)
Ende der Kompensationsmöglichkeiten auf türkische Kosten
Χ
Kriegsvorbereitungen 1912/13
österreichische Heeresvermehrung von 385.000 auf 470.000,
außerdem Modernisierung der Artillerie
russische Heeresverstärkung von 1.200.000 auf 1.450.000 (geplant bis
1917: 1.800.000), außerdem beschleunigter Ausbau der Eisenbahn in
Polen
deutsche Heeresvermehrung von 644.000 auf 780.000 (geplant bis
1915; realisiert bis 1914: 748.000)
Erhöhung der Wehrpflicht in Frankreich von zwei auf drei Jahre (1914:
750.000)
Kassierung des deutschen Ostaufmarschplanes 1913; ausschließliche
Konzentration auf den Schlieffenplan
Forderung des deutschen Heeres nach baldigem Krieg gegen
Deutschland; Marine: nicht vor Juni 1914 (Mindestrüstung zur See; U40
Χ
Boothafen Helgoland, Nord-Ostsee-Kanal; „Kriegsrat“ von Kaiser,
Generalstabschef und Marinechef 1912)
russische Planung: Abschluss der Rüstungsvorbereitungen 1917
letzte britisch-deutsche Verständigungsversuche 1913/14
Teilung des Baus der Bagdadbahn
Übereinkommen zur Teilung der portugiesischen
(Arrondierung der deutschen Afrikakolonien zu “Mittelafrika”)
keine Lösung der Flottenfrage
Kolonien
7.7
Kollaps des Systems im Ersten Weltkrieg
Χ
Julikrise 1914
Ermordung des österreichischen Thronfolgers; österreichisches
Ultimatum an Serbien (Furcht vor weiterem Prestigeverlust und
Chance zum Vorgehen gegen südslawischen Nationalismus;
Sicherung der Position auf dem Balkan gegenüber Russland;
Einmischung in innere Angelegenheiten Serbiens); Teilannahme durch
Serbien
deutsche Unterstützung für raschen österreichischen Angriff auf
Serbien (innenpolitische Stützung Österreichs; Schließung der
strategischen Lücke zwischen Deutschland und der Türkei;
Zurückdrängung Russlands auf dem Balkan; Wertlosigkeit des
russisch-französischen Bündnisses oder militärische Lösung gegen
Frankreich und Russland vor Abschluss der russischen Aufrüstung;
Hoffnung auf Neutralität Großbritanniens)
russische Unterstützung Serbiens (Vermeidung einer Verdrängung
vom Balkan; Entwertung des französisch-russischen Bündnisses;
Furcht von deutscher Hegemonialmacht auf dem Kontinent)
französische Unterstützung Russlands (Furcht vor neuer Isolierung
gegenüber einem gestärkten Deutschland; nationaler Konsens gegen
Deutschland)
britische Unterstützung Frankreichs und Russlands (Ablenkung von
drohendem irischen Bürgerkrieg; Furcht vor deutscher Hegemonie in
Europa; Verletzung belgischer Neutralität)
italienische Neutralität aufgrund des Konfliktes mit Österreich
britische Vermittlungsversuche; deutsche Bemühungen um britische
Neutralität und Lokalisierung des Krieges; Zurückhaltung Frankreichs;
Mobilmachungsmechanismus (militärischer Druck auf politische
Entscheidungsträger)
Eskalation: regionaler Krieg (Österreich - Serbien), Kontinentalkrieg
(Deutschland - Russland, Frankreich), Weltkrieg (Großbritannien Deutschland)
Χ
Bündnisse
Mittelmächte: Deutschland + Österreich + Türkei (1914) + Bulgarien
(1915)
41
-
Entente-Mächte: Russland + Frankreich + Serbien + Montenegro +
Belgien + Großbritannien + Japan (1914) + Italien (1915) + Rumänien
(1916) + Griechenland (1917) + USA (1917)
Χ
Kriegsverlauf
1914: Scheitern der Offensivpläne (Marne, Lothringen und Ardennen,
Galizien, Tannenberg) und Stellungskrieg
1915: alliierte Offensiven im Westen und Süden; deutsche Vorstöße im
Westen; deutsch-österreichische Offensive im Osten; Niederwerfung
Serbiens; alliierte Dardanellenoperation
1916: deutsche Offensive im Westen (Verdun); alliierte Offensiven im
Westen (Somme), Osten (Brussilow) und Süden (Isonzo);
Niederwerfung Rumäniens; österreichische Offensive im Süden;
Friedensangebot Deutschlands; Vermittlungsversuche der USA
1917: alliierte Offensiven im Westen (Champagne, Flandern) und
Süden (Isonzo); unbeschränkter U-Boot-Krieg; Kriegseintritt der USA;
russische Februarrevolution und Offensive (Kerenski); russische
Oktoberrevolution; Kollaps der sowjetischen Front; deutschösterreichische Offensive im Süden (Caporetto); Friedensbemühungen
Österreichs und des Papstes
1918: Wilsons “Vierzehn Punkte”; “Brotfriede”; Frieden von BrestLitowsk; deutsche Offensiven im Westen (Ludendorff); österreichische
Offensive im Süden; alliierte Gegenoffensiven im Westen, Süden und
Südosten; Kollaps Bulgariens, der Türkei und Österreich-Ungarns;
Novemberrevolution in Deutschland; Waffenstillstand zwischen
Deutschland und den Alliierten
Χ
Deutsches Mitteleuropa-Konzept
deutsche Kriegsziele: Sicherheitsgarantien und Expansion im Westen
(völlige militärische Niederwerfung Frankreichs; Annexionen in
Frankreich und Belgien); erweiterte Einflusszone im Osten; Schaffung
eines Wirtschaftsraumes mit Österreich, Osteuropa und dem Balkan);
Erweiterung der deutschen Kolonien in Afrika
Umsetzung
des
Mitteleuropa-Konzeptes:
militärisch-politische
Dominanz der Mittelmächte; Proklamation eines unabhängigen Polen
1916; “Brotfriede” 1918 (Anerkennung der Ukraine); Friede von BrestLitowsk (Anerkennung Finnlands, Baltikum, Polen und Ukraine als
deutsche
Einflusssphäre,
Reparationen);
Unabhängigkeit
Weißrusslands, Georgiens, Armeniens und Aserbeidschans 1918 unter
deutscher Führung (deutscher Vormarsch bis zum Don); Frieden von
Bukarest 1918 (wirtschaftliche Ausbeutung Rumäniens durch
Deutschland, Gebietsverluste an Bulgarien)
42
8.
Das Versailler System
8.1
Der Frieden von Versailles
Χ
Hintergrund der “Vierzehn Punkte”
wesentliche Punkte: Abschaffung der Geheimdiplomatie, Freiheit der
Meere,
Nationalitätenprinzip,
Rückgabe
Elsass-Lothringens,
Wiederherstellung der deutsch besetzten Staaten, polnischer Staat mit
Meereszugang, Völkerbund
Wilsons Friedenskonzept: Misstrauen gegenüber dem europäischen
Gleichgewichtssystem und Geheimdiplomatie; Vorstellung des
Liberalen Friedens (Demokratie und Handel); Ziel der Integration der
Staaten in einem kollektiven Sicherheitssystem (Völkerbund)
Positionen der Alliierten: grundsätzliche Härte der Franzosen;
Verhärtung der amerikanischen Position nach dem Frieden von BrestLitowsk; britische und französische Macht-, Sicherheits- und
Kolonialinteressen (Reparationen, Garantie gegen Deutschland,
Auflösung des Osmanischen Reiches)
Χ
Wichtige Bestimmungen des Versailler Vertrages (1919)
Völkerbund: Gewaltverzicht; Gleichberechtigung der Mitglieder,
Einstimmigkeitsprinzip;
Streitschlichtung, Vermittlung; Haager
Ständiger Internationaler Gerichtshof (assoziiert); kollektive Sicherheit
(wirtschaftliche und militärische Sanktionen durch 2/3 der Mitglieder)
territoriale Bestimmungen: Verwaltung der deutschen Kolonien und
des Saargebiets durch Völkerbund (Mandatssystem); Rückgabe
Elsass-Lothringens; Abtretung Westpreußens, Posens und von Teilen
Schlesiens an Polen
deutsche Rüstungsbeschränkung: Berufsheer von 100.000 Mann;
Entmilitarisierung des Rheinlandes; Auslieferung des Kriegsmaterials;
Beschränkung der Marinerüstung
Reparationen: Sachlieferungen (Handelsflotte, Vieh, Kohle, Maschinen
u.a.) und Geldleistungen, festgesetzt auf 269 Mrd. Goldmark in 42
Jahresraten (1921)
alleinige Kriegsschuld Deutschlands
Garantie durch temporäre Besetzung des linken Rheinufers für 5-15
Jahre
Χ
Ergänzungen durch die anderen Vorortverträge (1919/20)
Österreich: Gebietsverluste, insbesondere an Italien; Anerkennung der
Selbständigkeit der Tschechoslowakei, Ungarns, Polens und
Jugoslawiens; Anschlussverbot an Deutschland; Berufsheer von
30.000 Mann
Ungarn: Gebietsverluste, insbesondere an Tschechoslowakei,
Jugoslawien und Rumänien; Heeresstärke von 35.000 Mann
Osmanisches Reich: Reduzierung auf Türkei; Gebietsabtretungen
insbesondere an Frankreich, Großbritannien und Griechenland;
43
-
Selbständigkeit Armeniens; Autonomie Kurdistans; Heeresstärke von
50.000
Bulgarien: Gebietsverluste an Griechenland; Heerestärke von 20.000
Mann
8.2
Prinzipien des Systems
Χ
Isolation und Schwächung Deutschlands
militärische Entwaffnung und teilweise Besetzung
ökonomische Abhängigkeit und Reparationslast
Verhinderung der Einbindung Deutschlands in Bündnissysteme
Χ
Isolation der Sowjetunion
Ausschluss aus Bündnissystemen, insbesondere durch Großbritannien
Stützung antikommunistischer Staaten in Osteuropa
Χ
Kollektive Sicherheit
Völkerbundsystem
Gewaltverzicht und Kriegsächtung
Χ
Sicherheit durch militärische Macht
französisches Bündnissystem zur Sicherung gegen Deutschland
zusätzliche Bündnisse gegen Revisionismus Ungarns und gegen
Sowjetunion
Ablehnung europäischer Abrüstung ohne Sicherheitsgarantien durch
Frankreich
Χ
graduelle Verständigung mit Deutschland
Lösung der Reparationsfrage und wirtschaftlicher Wiederaufbau
allmähliche Anerkennung Deutschlands als gleichberechtigter Partner,
insbesondere durch Großbritannien
deutsch-französische Annäherung (Briands Europaideen seit 1929)
Beitritt Deutschlands zum Völkerbund 1926 (Austritt 1933)
8.3
Rahmenbedingungen
Χ
ökonomisch
Kriegsverluste und -kosten
Aufgabe der Goldwährung
Reparationslast Deutschlands, Hyperinflation
Verschuldung der europäischen Mächte bei den USA
Orientierung Großbritanniens innerhalb des Empire/Commonwealth
neue Zollgrenzen durch neue Staaten; Protektionismus der
europäischen Staaten
Planwirtschaftliche Ideen und Autarkiebestrebungen
Weltwirtschaftskrise seit 1929/30: Überproduktion in den USA;
Börsencrash und Einstellung der Kreditvergabe; Preisverfall, Deflation
und
Arbeitslosigkeit;
nach
Scheitern
der
Deflationspolitik
44
-
Arbeitsbeschaffung und Verstaatlichung der Industrie, Preiskontrollen,
Devisen- und Rohstoffbewirtschaftung
Sonderkonjunktur durch Aufrüstung in Europa
Χ
gesellschaftlich-politisch
innenpolitische Unruhen, insbesondere in den mittel- und
osteuropäischen Staaten
Auseinandersetzung zwischen sozialistischen und nationalen Kräften
Durchsetzung autoritär-faschistischer Regimes
verstärkter Nationalismus
verstärkte Rolle sozialistischer Parteien in Westeuropa
Pazifismus in Westeuropa
Χ
militärisch
strategische Folgerungen aus dem Ersten Weltkrieg: Festungsdenken
(Maginotlinie), Luftkrieg und mechanisierte Kriegsführung
technologische Entwicklungen: Panzerwaffe, Luftwaffe
8.4
Bündnisstrukturen
Χ
Völkerbund 1919
Χ
Französisch-britischer Garantievertrag 1919
französisches Streben nach Sicherheit über Versailles hinaus
(Rheinlinie)
Nichtratifizierung britisch-amerikanischer Garantie im Fall eines
deutschen Angriffs durch USA
britischer Rückzug aus dem Garantievertrag begründet französische
Bündnispolitik
Χ
Französische Militärbündnisse 1920-26
Militärkonvention mit Belgien 1920
Bündnis mit Polen 1921
Bündnis mit Tschechoslowakei 1924
Bündnis mit Rumänien 1926
Χ
Kleine Entente 1920/21
Tschechoslowakei + Jugoslawien 1920
Tschechoslowakei + Rumänien 1921
Rumänien + Jugoslawien 1921
Ziel einer Eindämmung des ungarischen Revisionismus
Organisationspakt 1933
Χ
Deutsch-russische Verständigung
Vertrag von Rapallo 1922: Reparationsverzicht, Handelsbeziehungen
Berliner Vertrag 1926: Vertiefung wirtschaftlicher Kontakte; politische
Konsultation; Neutralität bei Angriff Dritter
45
Χ
Ausbildung deutschen Militärs in der Sowjetunion gegen deutsche
Rüstungshilfe
Baltische Entente 1922
Polen + Estland + Lettland + Finnland
Nichtangriffs- und Konsultativpakt mit Ziel des
Sowjetunion
Ergänzung des polnisch-rumänischen Vertrags (1921)
Schutzes
vor
Χ
Adria-Pakt und italienische Freundschaftsverträge 1924-30
formale Anerkennung des Status quo auf dem Balkan
Italien + Ungarn + Rumänien + Bulgarien + Albanien + Österreich
Unterstützung des ungarischen Revisionismus gegen Jugoslawien
Abhängigkeit Albaniens von Italien
Χ
Vertragswerk von Locarno 1925
Sicherheitspakt (Frankreich + Großbritannien + Italien + Belgien +
Deutschland): deutsche Garantie der Westgrenze
Schiedsabkommen Deutschlands mit Belgien, Frankreich, Polen und
Tschechoslowakei
keine Fixierung der deutschen Ostgrenze
Χ
Briand-Kellogg-Pakt (Kriegsächtungspakt) 1928
Χ
Dreierpakt 1934
Italien + Ungarn + Österreich
italienische Unterstützung einer Totalrevision des Versailler Systems
Χ
Balkanpakt 1934
Jugoslawien + Griechenland + Rumänien + Türkei
Furcht vor sowjetischen Balkaninteressen und
Revisionismus
bulgarischem
Χ
Französisch-sowjetischer Vertrag 1935
Scheitern eines französischen Vorschlags eines “Ost-Locarno” an
Deutschland (1934)
Unterstützung Frankreichs für sowjetischen Völkerbundsbeitritt (1934)
Beistandspakt gegen Deutschland
Ergänzung durch Beistandspakt zwischen Tschechoslowakei und
Sowjetunion (Hilfe bei Hilfe durch Frankreich)
8.5
Strukturelle Probleme
Χ
Krisen der Demokratie
Ursachen:
soziale
Veränderungen
(Massendemokratien);
psychologische
Wirkungen
des
Krieges
(Machtgedanke);
Enttäuschung über den Frieden; neue Probleme und Konflikte
46
-
-
(Weltwirtschaftskrise); Nationalitätenprobleme; Furcht vor dem
Kommunismus
Durchsetzung autoritärer Regimes in Europa: Sowjetunion (1917),
Türkei (1922), Italien (1922), Albanien (1925), Polen (1926), Portugal
(1926), Jugoslawien (1929), Österreich (1933), Deutschland (1933),
Estland (1934), Lettland (1934), Bulgarien (1934), Litauen (1936),
Griechenland (1936), Spanien (1938), Rumänien (1938)
verbleibende Demokratien 1939: Großbritannien, Irland, Frankreich,
Schweiz, Schweden, Dänemark, Finnland, Belgien, Niederlande,
Luxemburg, Tschechoslowakei, Ungarn
Χ
Revisionismus
Bestrebungen der Revision des Vertragssystems von Versailles durch
die Verliererstaaten, insbesondere durch Deutschland und Ungarn
Expansionspolitik Italiens
Minderheitenprobleme und Territorialkonflikte, insbesondere in
Osteuropa
Χ
Nichtbeteiligung der USA
Isolationismus und Nichtbeitritt zum Völkerbund
Nichtratifikation des Versailler Vertrages (Sonderfrieden mit
Deutschland 1921)
Untergrabung von Ansätzen zur europäischen Integration durch
Unterstützung Deutschlands gegen Frankreich (Sorge vor
antiamerikanischer Blockbildung)
Beharren auf Rückzahlung der Kriegskredite an die Verbündeten
Χ
Uneinigkeit und Zögern der Westmächte
koloniale Differenzen zwischen Großbritannien und Frankreich
britische Konzentration auf Commonwealth
unterschiedliche Vorstellungen zur Behandlung Deutschlands
Scheitern französischer Forderungen zum effektiven Ausbau des
Völkerbundes an britischem Widerstand (keine Gleichberechtigung
kleiner Staaten)
französische Hegemonialbestrebungen zur Sicherung gegen
Deutschland
Appeasementpolitik der Westmächte, insbesondere Großbritanniens,
dem Frankreich mangels Macht folgen muss
Χ
wirtschaftliche und innenpolitische Probleme
Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit
Nationalitätenkonflikte
Durchsetzung des Faschismus in Süd- und Osteuropa
8.6
Die Entwicklung des Systems
Χ
Befreiung der Türkei 1920-22
Wiedereingliederung der armenischen Gebiete
47
-
Vertreibung der Griechen
Rückzug der Franzosen
Revision des Vertrags von Sèvres durch den Frieden von Lausanne
Χ
Polnisch-russischer Krieg 1920-21
Expansion Polens in die Ukraine
Behauptung
gegenüber
sowjetischer
Gegenoffensive
durch
französische Unterstützung
Frieden von Riga 1921: Verschiebung der polnischen Ostgrenze über
Nationalitätengrenze (“Curzon Line”) hinaus
Χ
Konferenz von Washington 1921-22
Tonnagebegrenzung der Flottenrüstung; Verlust britischer Dominanz
zur See durch Gleichberechtigung der USA (USA, Großbritannien :
Japan : Frankreich, Italien = 3 : 1,8 : 1)
Ergänzung durch Londoner Flottenabkommen (weiterhin USA :
Großbritannien : Japan = 5 : 5 : 3)
Χ
Reparationsfrage 1921-32
Londoner Ultimatum 1921: Senkung der Reparationen auf 132 Mrd.
Goldmark; Forderung nach zügiger Umsetzung des Versailler
Vertrages (Auslieferung der Kriegsverbrecher, Entwaffnung, Zahlung
der ersten Rate); Drohung mit Besetzung des Ruhrgebietes bei
Nichterfüllung
französisch-belgischer Einmarsch ins Ruhrgebiet (1923) nach
deutschen Versäumnissen bei Holz- und Kohlelieferungen; passiver
deutscher Widerstand im Ruhrkampf
Dawes-Plan (1924): Zahlung von 5,4 Mrd. Goldmark bis 1928, ab 1929
jährlich 2,5 Mrd. Goldmark (ohne zeitliche Befristung)
Räumung des Ruhrgebietes 1925
Young-Plan (1930): Zahlung von 34,5 Mrd. Goldmark bis 1988;
Möglichkeit einer Herabsetzung bei entsprechender Erleichterung der
Schuldentilgung unter den Alliierten selbst
Räumung der Garantiezone links des Rheins 1930
Konferenz von Lausanne (1932): deutsche Schlusszahlung von 3 Mrd.
Goldmark; Ende der Reparationen
Χ
Bündnisse der Sowjetunion 1929/32
Moskauer Ostpakt: Sowjetunion + Estland + Lettland + Litauen + Polen
+ Rumänien + Türkei + Persien; Vorbeugung gegen antisowjetische
Allianz der Briand-Kellogg-Pakt-Staaten
Nichtangriffspakte 1932 mit Finnland, Estland, Lettland, Frankreich und
Polen
Χ
Scheitern der deutsch-österreichischen Zollunion 1931
geplantes Mittel zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise und zur
Annäherung zwischen Deutschland und Österreich
48
-
Widerstand Frankreichs und Polens, die Vorstufe zur Vereinigung
befürchten
Χ
Abrüstungskonferenzen 1932-33
Scheitern an Forderungen Deutschlands (Gleichberechtigung) und
Frankreichs (Sicherheitsgarantien, Völkerbundsarmee)
Ablehnung des britischen Vorschlags zur Heeresverringerung bzw.
Aufstockung der Reichswehr auf 200.000
Χ
Deutscher Austritt aus dem Völkerbund 1933
Χ
Deutsch-polnischer Nichtangriffspakt 1934
Aushöhlung des französischen Bündnissystems
Vorbereitung der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in
Deutschland 1935
Χ
Deutsch-britisches Flottenabkommen 1935
Festlegung der Flottenstärken im Verhältnis 100 : 35
faktische
Anerkennung
der
deutschen
Aufkündigung
der
Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages 1935 durch
Großbritannien
Χ
Kündigung des Locarno-Vertrages 1936
Beendigung der deutschen Anerkennung des Status quo im Westen
Vorbereitung des Einmarsches in das entmilitarisierte Rheinland
Χ
Antikominternpakt 1936
Beginn der deutsch-japanischen Kooperation gegen die Sowjetunion
Beitritt Italiens 1937 und Spaniens 1939
8.7
Der Kollaps des Systems
Χ
Abessinienkrieg 1935-36
Eroberung und Annexion Abessiniens durch Italien
Versagen des Völkerbundes: trotz Sanktionen Lieferungen der USA
und Deutschlands an Italien (Austritt 1937)
Χ
Spanischer Bürgerkrieg 1936-39
Militärputsch mit monarchistischer, katholischer und faschistischer
Unterstützung gegen gewählte Volksfrontregierung (Republikaner,
Kommunisten, Sozialisten, Syndikalisten, Anarchisten)
Unterstützung der Aufständischen durch Italien und Deutschland, der
Regierung durch Frankreich und die Sowjetunion
massive Militärhilfe durch Italien und Deutschland; vorsichtiges
Verhalten Frankreichs und Großbritanniens
Anerkennung des Franco-Regimes durch Deutschland und Italien
1938, durch Frankreich, Großbritannien und die USA 1939
49
Χ
Anschluss Österreichs 1938
Χ
Britisch-italienisches Abkommen 1938
britische Anerkennung der italienischen Annexion Abessiniens
Rückzug der Italiener aus Spanien
faktische Anerkennung des Scheiterns des Völkerbundes durch
Großbritannien
Χ
Münchener Konferenz 1938
Deutschland + Italien + Frankreich + Großbritannien
Abtretung des Sudetenlandes an Deutschland
Druck der Westmächte auf Tschechoslowakei zur Annahme des
Abkommens
Χ
Besetzung der “Rest-Tschechei” 1939
erstmalige Eingliederung “nichtdeutscher” Gebiete in das Reich
Verstoß gegen das Münchener Abkommen
Folge: Aufgabe der britischen Appeasement-Politik (Aufrüstung,
allgemeine Wehrpflicht)
Χ
Deutsch-italienischer “Stahlpakt” 1939
Χ
Kündigung des deutsch-polnischen Freundschaftsvertrages 1939
Χ
Kündigung des deutsch-britischen Flottenabkommens 1939
Χ
Polnisch-britischer Beistandspakt 1939
Χ
Englisch-französische
Garantieerklärungen
Griechenland, die Türkei und Belgien 1939
Χ
Hitler-Stalin-Pakt 1939
Scheitern der Verhandlungen der Sowjetunion mit Frankreich und
Großbritannien (sowjetische Territorialvorstellungen, Widerstand
Rumäniens und Polens gegen sowjetische Durchmarschrechte)
deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt
geheime Aufteilung Osteuropas in Interessensphären
Χ
Deutscher Angriff auf Polen 1939 und Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
50
für
Polen,
Rumänien,
9.
Globale Rahmenbedingungen 1945-1990
9.1
Historische Erfahrungen
Χ
Scheitern des Versailler Systems
Revisionismus (Deutschland; Sowjetunion; Mittel- und Osteuropa)
Ideologien und Schwäche der Demokratien (Nationalismus,
Sozialismus,
Faschismus,
Nationalsozialismus;
ökonomische
Probleme)
Scheitern des Völkerbundes (Nichtbeteiligung der USA; Uneinigkeit
von Frankreich und Großbritannien; Opposition von Deutschland,
Italien, Sowjetunion und Japan; Wirkungslosigkeit gegen italienische
und japanische Aggression)
Appeasement
und
Konzessionspolitik
(Kriegsfurcht
und
Defensivkonzept
in
Frankreich;
Akzeptanz
des
deutschen
Revisionismus durch Großbritannien und Zugeständnisse an
Deutschland; Münchener Abkommen 1938)
Χ
Erfahrung des Zweiten Weltkrieges
Besatzungspolitik und Kriegsschäden in Europa
Verluste der Sowjetunion und Deutschlands
Massenmord und Versklavung im Zuge der NS-Ideologie
9.2
Sicherheitssystem der Vereinten Nationen
Χ
Hintergrund
Briand-Kellogg-Pakt 1928 (Kriegsächtungspakt)
Völkerbund 1919 (Sanktionen mit 2/3 der Mitglieder; keine starke
Exekutive)
Atlantik-Charta 1941 (USA und Großbritannien; liberales Modell der
Friedenssicherung: Demokratie und Freihandel)
Jalta 1945: Prinzipien der Nachkriegsordnung (liberales Modell nach
USA und Großbritannien; gleichzeitig machtpolitischer Kompromiss der
Großmächte als Spielraum der Sowjetunion)
Χ
Organe der VN
Generalversammlung: gleichberechtigte Mitglieder; Empfehlungen,
keine
rechtsverbindlichen
Beschlüsse;
Unterstützung
durch
Wirtschafts- und Sozialrat sowie Treuhandrat
Sicherheitsrat: 5 ständige Mitglieder mit Vetorecht (USA,
Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion, China); 10 wechselnde
Mitglieder (gewählt von der Generalversammlung für zwei Jahre)
Generalsekretär: Unterstützung der Organe; Chef der VN-Verwaltung
Internationaler Gerichtshof: 15 unabhängige Richter (gewählt von
Sicherheitsrat und Generalversammlung für 9 Jahre, Neuernennung
von 5 Richtern jeweils alle 3); Staaten als Parteien; Voraussetzung des
Einverständnisses der Staaten
51
Χ
Sicherheitsrat
Hauptverantwortung für die internationale Sicherheit (Art. 24 SVN)
völkerrechtlich bindende Wirkung der Beschlüsse (Art. 25 SVN)
Beschlussfassung (Art. 27 SVN): generell mit Mehrheit von 9 Stimmen
inkl. aller 5 ständigen Mitglieder; mit Mehrheit von 9 beliebigen
Stimmen
bei
Verfahrensfragen
(aber:
Entscheidung,
ob
Verfahrensfrage, ist keine Verfahrensfrage; daher Vetomöglichkeit im
Vorfeld); Enthaltung der Streitparteien bei friedlicher Streitbeilegung;
Abwesenheit eines ständigen Mitgliedes ist kein Veto
Χ
Sicherheitspolitische Grundsätze (Art. 2 SVN)
souveräne Gleichheit und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten
Gewaltanwendungsverbot und friedliche Streitbeilegung
Bindung von Nichtmitgliedern der VN
Unterstützung von Maßnahmen des Sicherheitsrates (Art. 49 SVN)
Χ
Ausnahmen vom Gewaltverbot
individuelles und kollektives Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 SVN):
extensivere Auslegung durch ergänzendes (eigentlich nicht SVNkonformes) Gewohnheitsrecht (Webster-Formel, Caroline-Kriterien:
unmittelbar bevorstehender, überwältigender Angriff, gegen den kein
anderes Mittel zur Verfügung steht als Gewalt; damit legaler
Präventivkrieg)
Maßnahmen des Sicherheitsrates zur Friedenserhaltung oder
Friedensherstellung (Art. 42, 43 SVN)
Feindstaatenklausel (Art. 107 SVN)
kollektive Sicherheitssysteme auf regionaler Ebene (Art. 52 SVN) mit
Genehmigung von Zwangsmaßnahmen durch den Sicherheitsrat (Art.
53 SVN)
Χ
Möglichkeiten
der
Friedenserhaltung/-wiederherstellung
durch
den
Sicherheitsrat
Feststellung der Friedensgefährdung (Art. 39 SVN)
friedliche Sanktionen (Wirtschaft, Verkehr; Art. 41 SVN)
militärische Sanktionen (Art. 42 SVN)
Verpflichtung zur Bereitstellung von Truppen durch Sonderabkommen
(Art. 43); Übergangsregelung: Konsultation und Kooperation der 5
ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates (Art. 106 SVN)
Anwendung von Waffengewalt auf Beschluss/Empfehlung des
Sicherheitsrates: Koreakrieg 1950 (Beistandsempfehlung durch
Sicherheitsrat und Generalversammlung); Rhodesienblockade 1966
(Ermächtigung Großbritanniens); Golfkrieg 1990/91 (Wiederherstellung
der Souveränität Kuwaits)
Gewaltanwendung bei Aufweichung des Souveränitätsgedankens
zugunsten der Menschenrechte: Somalia-Intervention 1992; BosnienIntervention 1995; Flugverbotszonen im Irak (völkerrechtlich
umstrittene Auslegung der Irak-Resolutionen durch USA und
Großbritannien); Kriegsverbrechertribunal seit 1993
52
9.3
Ursachen des Kalten Krieges
Χ
Kooperationsinteressen nach 1945
USA: Kostenersparnis durch Abrüstung; Stützung auf wirtschaftliche
Überlegenheit („kooperative Suprematie“)
Sowjetunion: Ausgleich der Kriegsschäden; Wiederaufbau des
westlichen Landesteils
Großbritannien: Einflussbewahrung nach Verlust der Weltmachtrolle;
Kolonialinteressen
Χ
Divergierende US-Interessen
geopolitische Prägung der US-Außenpolitik: Verhinderung einer
europäischen Hegemonie oder eines eurasischen Blocks
„One World“-Konzept Roosevelts 1941: Demokratie, Freihandel und
Abrüstung
(gegen
Faschismus,
Nationalsozialismus
und
Kommunismus)
geplante US-Dominanz in friedlicher Kooperation: Atomwaffenmonopol
(Baruch-Plan 1946 zur VN-Kontrolle aller Atomanlagen); ökonomische
Dominanz; gleichzeitig keine externe Einmischung in westliche
Hemisphäre (Monroe-Doktrin)
traditioneller Antikommunismus (z.B. Intervention in den russischen
Bürgerkrieg 1919-21)
Ziel der Vermeidung eines zweiten Versailles: kein Isolationismus,
sondern Engagement gegen totalitäre, expansionistische Systeme
Χ
Divergierende Interessen der Sowjetunion
Gleichberechtigung mit den USA als Weltmacht
Cordon-sanitaire-Politik (Trauma von 1941)
Expansionismus:
machtpolitisches
Erbe
Russlands
(Balkan,
Zentralasien); ideologische Komponente (Beschleunigung der
weltweiten Durchsetzung des Sozialismus)
innenpolitische Stabilisierung durch Beseitigung demokratischer
Systeme an der Peripherie und Verweis auf externe Bedrohung
Χ
Zusätzliche Bedingungen
US-Erbe des British Empire: Konfrontation im Mittleren Osten (Iran)
Machtvakuum in Europa und Asien
unbestimmte Einflusszonen (z.B. Griechenland wegen Churchill-StalinÜbereinkommen 1944)
Χ
Perzeptionsprobleme und gegenseitige Images
grundsätzlicher ideologischer Gegensatz (Demokratie gegen
Sozialismus); Defensivorientierung als eigentliche Grundstimmung,
aber Überschätzung der Aggressivität des anderen
Fehleinschätzungen der USA: Übersehen von sich anbahnenden
Konflikten durch Roosevelt; kein Gegensteuern gegen sozialistische
53
-
-
-
Χ
Lagerbildung;
keine
rechtzeitige
Akzeptanz
des
Gleichgewichtsstrebens der Sowjetunion
Fehleinschätzungen der Sowjetunion: ideologische Annahme einer
Krise des Kapitalismus nach dem Sieg über den Nationalsozialismus;
Erwartung der historischen Unausweichlichkeit des Wachstums des
sozialistischen Lagers; Erwartung von breiter Unterstützung aus der
Dritten Welt
Verschlechterung der sowjetischen Perzeption durch vermeintliche
Brüskierungen: Gefühl, beim Aufbau der zweiten Front in Frankreich
ab 1943 im Stich gelassen worden zu sein; Duldung von
Exilregierungen in den USA (baltische Staaten); Kündigung der USUnterstützung kurz nach Kriegsende; mangelnde US-Gegenleistung
für Truppenrückzug aus dem Iran und Nachgeben im Triest-Konflikt
(keine Unterstützung jugoslawischer Gebietsforderungen an Italien);
Nichtbeteiligung der Sowjetunion bei der Besetzung Japans;
amerikanische Dominanz in den VN; keine Teilhabe am USAtomwaffenmonopol; Marshall-Plan
Verschlechterung
der
US-Perzeption
durch
vermeintliche
Brüskierungen: Nichterfüllung der Schuldenrückzahlung durch die
Sowjetunion; Intervention der Sowjetunion im Spanischen Bürgerkrieg;
sowjetischer Überfall auf Finnland und Kooperation mit NSDeutschland; stalinistische Polen-Politik nach 1939; Unterstützung
kommunistischer Guerilleros in Griechenland; Satellitisierung und
Sowjetisierung Osteuropas und der SBZ; sowjetische Unnachgiebigkeit
bei den Reparationen und indirekte Finanzierung durch die USA
(westdeutsche Reparationen)
Auslösende Ereignisse
Versuch der USA, die Sowjetunion durch wirtschaftlichen Druck auf die
eigene Linie zu zwingen („Sie brauchen uns mehr als wir sie!“) durch
Kündigung des Leih- und Pachtabkommens 1946 und durch Stellen
von Bedingungen für Kredite (Mitsprache in Osteuropa)
Interessenkonflikt in Polen: territoriale und politische Eingriffe durch die
Sowjetunion; Lobbyismus osteuropäischer Emigranten in den USA
ungeklärte Lage in Deutschland (Reparationen, zukünftiger Status,
Besatzungspolitik in der SBZ)
Bürgerkrieg in Griechenland
Ablehnung territorialer Forderungen der Sowjetunion an die Türkei
„langes Telegramm“ Kennans im Februar 1946: Sowjetunion als
Bedrohung der westlichen Demokratie und als Feind, mit dem kein
Arrangement möglich ist
Churchill: „Eiserner Vorhang“ im März 1946
Containment-Politik und Truman-Doktrin im März 1947: globaler
Konflikt mit der Sowjetunion und weltweite Unterstützung von Staaten
gegen kommunistische Bedrohung
Marshall-Plan im Dezember 1947: wirtschaftlicher Wiederaufbau
Westeuropas und Stabilisierung der Demokratie; Ablehnung der
Beteiligung Osteuropas durch die Sowjetunion
54
9.4
Grundelemente des Systems des Kalten Krieges
Χ
Weltmächte als antagonistische Systemzentren
Definitorische Charakteristika einer Weltmacht: industrielle Fähigkeit
zur Produktion qualitativ höchstentwickelter Waffensysteme ohne
Know-how-Transfer;
ausreichende
militärische
Stärke
zur
Selbstbehauptung gegenüber nächstgrößter Militärmacht (durch
glaubhafte Abschreckung oder Krieg); ausreichendes Machtpotential
zum gleichzeitigen politischen, ökonomischen und militärischen
Engagement in mehreren Weltregionen; akzeptiertes oder
erzwungenes Führungszentrum regionaler Bündnissysteme
Zurückhaltung der USA: keine Ausschaltung der Sowjetunion als
Konkurrent solange es noch möglich war
Χ
Entwicklung umfassender Bündnissysteme
Geflecht
politischer
und
militärischer
Allianzen,
bilateraler
Beistandsverträge und vorgeschobener Stützpunkte für Land-, Luftund Seestreitkräfte
globale Orientierung US-amerikanischer Bündnispolitik, z.B. Rio-Pakt
1947 (Südamerika); NATO 1949 (Westeuropa); ANZUS 1951
(Australien/ Ozeanien); SEATO 1954 (Südostasien); BagdadPakt/CENTO 1955/59 (Mittlerer Osten)
weitgehende Beschränkung der Sowjetunion auf Europa und Ostasien,
insbesondere Warschauer Pakt 1955
Flankierung
durch
ökonomische
Kooperation:
westliche
Organisationen als Weltwirtschaftsorganisation (z.B. Bretton WoodsSystem, OEEC/OECD, IWF, GATT); Autarkiekurs des sowjetischen
Lagers (z.B. RGW)
Χ
Globaler Konkurrenzkampf der Blöcke
weltweite, machtpolitisch orientierte Unterstützung freundlicher
Regimes durch ökonomische, militärische und geheimdienstliche
Hilfeleistungen, weitgehend unabhängig von deren Innenpolitik
Parteiergreifung in Bürgerkriegen und internationalen Konflikten bis hin
zur Entsendung eigener Truppen (z.B. Korea, Vietnam, Mittelamerika,
Afghanistan) oder solcher enger Verbündeter (z.B. Kubaner in Angola
und Äthiopien)
qualitativer und quantitativer Rüstungswettlauf mit wachsender
Eigendynamik, angestoßen durch sowjetische Bestrebungen
gleichzuziehen, technologischen Fortschritt, Ziel der glaubwürdigen
Vertretung
der
Abschreckung,
ökonomisch-militärische
Eigeninteressen und Feindbilder
Χ
Interdependenzbedingte Interessenkohäsion
seit Anfang der 70er Jahre System der „Mutual Assured Destruction“
(MAD) auf der Basis beiderseitiger nuklearer Zweitschlagfähigkeit
55
-
-
-
potentielle Eskalationsdynamik bis hin zum allgemeinen Nuklearkrieg,
z.B. durch enge Verflechtung zwischen USA und Westeuropa
(Truppenstationierungen)
historisch bedingte hohe Hemmschwellen vor einem Krieg in Europa
beherrschendes gemeinsames Interesse einer direkten militärischen
Konfrontation
verhältnismäßig rationale Handhabung internationaler Krisen, z.B.
Berlin-Blockade 1948/49, Korea-Krieg 1950-53, Berlin-Krise 1958-61,
Kuba-Krise 1961
gegenseitige Akzeptanz von Einflusszonen gemäß „Monroe-Doktrin“
(z.B. Dominikanische Republik 1965, Grenada 1983, Panama 1989)
und (später so formulierter) „Breschnew-Doktrin“ (z.B. DDR 1953,
Ungarn 1956, CSSR 1968, Polen 1980)
Vermeidung unmittelbarer Konfrontation US-amerikanischer und
sowjetischer Streitkräfte und verbesserte Kommunikation (z.B. „heißer
Draht“ 1963, „Agreement on the Prevention of Incidents on the High
Seas“ 1972); Rüstungskontrollbemühungen
gemeinsame ablehnende Haltung bezüglich der Entwicklung neuer
Weltmächte: z.B. gemeinsamer Druck auf Großbritannien und
Frankreich in der Suez-Krise 1956 (Versuch der Wiederherstellung
kolonialer Großmacht), US-Widerstand gegen Fouchet-Pläne 1962
(gaullistisches Europa als „dritte Kraft“), Überlegungen eines
gemeinsamen Präventivschlages gegen China 1964 (fünfte
Nuklearmacht), gemeinsame Hinderung Chinas an Intervention in den
indisch-pakistanischen Krieg von 1965 (chinesische Expansion gegen
Indien)
Χ
Scheitern von Emanzipationsversuchen der Dritten Welt
Versuche, die entkolonialisierten Entwicklungsländer zu einer
unabhängigen weltpolitischen Kraft zu machen: z.B. BandungKonferenz
1955,
Blockfreienbewegung
1961;
regionale
Zusammenschlüsse: z.B. Arabische Liga 1945, OAU 1963
Ursachen des Scheiterns: weiterbestehende vertikale Abhängigkeit
von den ehemaligen Kolonialmächten, die mit lokalen Eliten
kooperieren (Neoimperialismustheorie, struktureller Imperialismus), die
in die bestehenden Blöcke eingebunden waren; Konflikte aus der
Kolonialzeit (Grenzziehung); Beharrung auf eben erlangter
Souveränität und Machterhaltungswillen der Eliten; wirtschaftliche
Konkurrenz untereinander als Rohstofflieferanten
Ausnahme: zunehmende regionale Rolle Chinas nach Bruch mit
Moskau
Χ
Neutralisierung der VN
Vetoanwendung und -drohung im Sicherheitsrat
Instrumentalisierung des Vorrangs regionaler Organisationen (Art.52
SVN)
fehlende
rechtliche
Bindung
durch
Resolutionen
der
Generalversammlung
56
10. NATO und Warschauer Pakt
10.1 Die NATO
Χ
Hintergrund und Ziele
zunehmende Spannungen zwischen Westmächten und Sowjetunion:
alleinige Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei
(Februar 1948); letzte gemeinsame Sitzung des Alliierten Kontrollrates
(März 1948); finnisch-sowjetischer Beistands- und Freundschaftspakt
(April 1948: „Finnlandisierung“); Beitritt Österreichs zum Marshall-Plan
(Juli 1948); Spaltung Koreas durch Proklamation der Demokratischen
Volksrepublik Korea (September 1948)
Spaltung Deutschlands: separate Wirtschaftsplanung in der SBZ (Mai
1948); Vorschlag eines westdeutschen Staates auf der Londoner
Sechs-Mächte-Konferenz (Juni 1948); Währungsreform in den
Westzonen (Juni 1948); Zusammentreten des Parlamentarischen
Rates (September 1948)
April 1949: Gründung der NATO in Washington
Ziele: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans
down“
Χ
Mitglieder
1949: Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island (keine
Streitkräfte), Italien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen,
Portugal, USA
1952: Griechenland, Türkei
1955: Bundesrepublik Deutschland
1982: Spanien
Χ
Vertragsbestimmungen
friedliche Streitbeilegung (Art.1 NATOV)
wirtschaftliche Kooperation und Stabilisierung der Demokratie (Art.2
NATOV)
Gewährleistung einzelner und gemeinsamer Verteidigungsfähigkeit
(Art.3 NATOV)
gegenseitige Beistandspflicht gemäß Art.51 SVN durch Maßnahmen,
die „für erforderlich erachtet“ werden, um die Sicherheit wieder
herzustellen, d.h. keine automatische militärische Beistandspflicht
(Art.5 NATOV)
geographischer
Geltungsbereich:
Europa
und
Nordamerika
einschließlich atlantischer Inseln nördlich des Wendekreises des
Krebses und französischer Departements in Algerien (Art.6 NATOV)
keine gegenteiligen Vertragsabschlüsse (Art.8 NATOV)
Errichtung eines Rates (Art.9 NATOV)
Geltungsdauer: Revisionsmöglichkeit nach 10 Jahren; nach 20 Jahren
Austrittsmöglichkeit mit einjähriger Kündigungsfrist (Art.12, 13 NATOV)
57
Χ
Politische Organisation
Allianz
souveräner
Staaten,
daher
kein
supranationales
Entscheidungsgremium (wie z.B. in der EU) und Konsensprinzip
Nordatlantikrat (NC): höchstes Entscheidungsgremium; Rat der
Ständigen Vertreter der Regierungen (Tagung einmal pro Woche); Rat
der Minister (mindestens zweimal pro Jahr)
Ausschüsse
des
NC,
insbesondere
Ausschuss
für
Verteidigungsplanung (DPC) mit Vertretern der an der militärischen
Integration teilnehmenden Staaten (ohne Frankreich, Island und
Spanien)
Generalsekretär: Vorsitzender des NC, des DPC, des Ausschusses für
Nukleare
Verteidigungsfragen (NDAC)
und der
Nuklearen
Planungsgruppe (NPG) auf Ebene der Verteidigungsminister;
Unterstützung durch Internationalen Stab
Χ
Militärische Organisation
Militärausschuss (MC): höchste militärische Instanz; Stabschefs aller
an der militärischen Integration beteiligten Staaten; Unterstützung
durch Internationalen Militärstab; Sitzung mindestens zweimal pro Jahr
auf Stabschefebene und einmal pro Woche auf Ebene der Nationalen
Militärischen Vertreter
Oberste Alliierte Befehlshaber: Kommandobereiche Europa, Atlantik,
Ärmelkanal
Kommandobereich Europa: Nord-, Mittel- und Südeuropa, britische
Luftverteidigungsregion,
beweglicher
Eingreifverband,
NATOFrühwarnung
integrierte Kommandostruktur: gemeinsame Kommandobehörden
bereits im Frieden (Stäbe); bereits im Frieden unterstellte Verbände
(Eingreifverband, Flottenverbände Atlantik, Ärmelkanal und Mittelmeer,
alarmbereite Luftwaffeneinheiten); im Verteidigungsfall Unterstellung
der
Masse
der
nationalen
Verbände,
ausgenommen
Territorialverbände
informeller Zusammenschluss der europäischen Integrationsmitglieder:
EUROGROUP; seit 1976 Unabhängige Europäische Planungsgruppe
(IEPG) zur Rüstungskoordination (mit Frankreich)
Ursachen des französischen Austritts aus der militärischen Integration
1966:
gaullistische
Vorstellung
nationaler
Unabhängigkeit,
insbesondere gegenüber US-amerikanischer Dominanz; Entspannung
der Situation in Europa und geringere Rolle der NATO; Zweifel an der
US-Nukleargarantie nach Erreichen interkontinentaler Nuklearkapazität
durch die Sowjetunion; Eskalationsgefahr außereuropäischer Konflikte
(Vietnam) und Einbeziehung Europas; automatischer Schutz durch
NATO durch geographische „Windschattenlage“
Χ
Flankierende bilaterale Abkommen der USA
Verteidigungsabkommen mit Bundesrepublik (1955), Dänemark
(1950), Frankreich (1950), Großbritannien (1950), Italien (1950),
58
-
Kanada (1941, für Neufundland), Luxemburg (1950), Niederlande
(1950), Norwegen (1950) und Portugal (1951)
Stationierungsabkommen, z.B. mit Bundesrepublik (einschließlich
Wartime Host Nation Support-Abkommen 1982), Griechenland,
Großbritannien, Island, Niederlanden, Portugal (Azoren)
10.2 Der Warschauer Pakt
Χ
Hintergrund und Zielsetzung
formal: Militärkoalition als Gegengewicht zur NATO nach dem Beitritt
der Bundesrepublik (Gründung des Warschauer Paktes 1955)
faktische Ziele: Instrument zur außen-, sicherheits- und
innenpolitischen Führung der osteuropäischen Staaten durch die
Sowjetunion
Zusammenfassung aller militärischen Mittel des sozialistischen Lagers
unter der Ägide der Sowjetunion
Χ
Mitglieder
Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei,
Ungarn
Austritt des Gründungsmitglieds Albanien 1968
Χ
Vertragsbestimmungen (vgl. NATOV)
friedliche Streitbeilegung (Art.1 WV)
internationale Kooperation für Abrüstung und Abschaffung der ABCWaffen (Art.2 WV)
geographischer Geltungsbereich: Europa (Art.4 WV)
Beistandspflicht analog zum NATOV (Art.4 WV)
Schaffung eines gemeinsamen Oberkommandos (Art.5 WV)
Schaffung eines politischen Ausschusses (Art.6 WV)
keine gegensätzlichen Bündnisse (Art.7 WV)
wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit (Art.8 WV)
Nichteinmischung in innere Angelegenheiten (Art.8 WV)
Geltungsdauer: 20 Jahre; danach automatische Verlängerung um 10
Jahre bei Nichtaustritt (Art.11 WV); letzte Verlängerung: 1985 für 20
Jahre
Χ
Politische Organisation
Politischer
Beratender
Ausschuss
(PBA):
höchstes
Entscheidungsgremium; Erste Generalsekretäre der Zentralkomitees
der Kommunistischen Parteien, Regierungschefs und Außenminister;
Tagung durchschnittlich alle zwei Jahre („Gipfel der Warschauer-PaktStaaten“)
Generalsekretär: Leiter des Vereinten Sekretariats mit verschiedenen
Kommissionen (u.a. Verbindung zum Rat für Gegenseitige
Wirtschaftshilfe); Ausführungs- und Unterstützungsorgan des PBA
Komitees der Verteidigungs- und Außenminister zur tatsächlichen
politischen Leitung
59
Χ
Militärische Organisation
Komitee der Verteidigungsminister (seit 1969): Koordination aller
militärisch
relevanten
Fragen;
Verteidigungsminister,
Oberkommandierender und Generalstabschef des Vereinten
Oberkommandos;
Unterstützung
durch
den
Militärrat
der
stellvertretenden Verteidigungsminister (i.d.R. Generalstabschefs)
Vereintes Oberkommando: Oberbefehlshaber ist Marschall der
Sowjetunion und erster stellvertretender Verteidigungsminister der
Sowjetunion
Gemeinsamer Generalstab: Stabschef und damit erster Stellvertreter
des Oberbefehlshabers ist General der Sowjetunion und erster
Stellvertreter des Generalstabschefs der Sowjetunion
integrierte Militärstruktur im Frieden: gemeinsame Führung,
Koordination, Ausbildung und Dislozierung; zentralisiert in Moskau;
ständig unterstellte Verbände (sowjetische Truppen in der DDR,
CSSR, Polen und Ungarn; gesamte Nationale Volksarmee der DDR;
gesamte Luftverteidigung des Warschauer Paktes; Vereinte
Seestreitkräfte aus sowjetischer Baltischer Flotte, Volksmarine der
DDR und polnischer Seekriegsflotte; einzelne Kontingente der
Mitgliedsstaaten)
im Krieg: komplette Unterstellung der Streitkräfte der Mitgliedsstaaten
unter den sowjetischen Generalstab
Χ
Flankierende bilaterale Abkommen der Sowjetunion
1. Generation der Freundschafts-, Kooperation- und Beistandsverträge
(1943-49): 23 Verträge mit allen osteuropäischen Staaten außer
Albanien und DDR
2. Generation (1964-72): automatische militärische Beistandspflicht;
keine geographische Begrenzung; vollständige Einbeziehung der DDR
3. Generation (mit der CSSR 1970 und der DDR 1975): gemeinsames
Vorgehen gegen antisozialistische Umtriebe (Breschnew-Doktrin);
ökonomische Integration im RGW; indirekte Bindung von Polen,
Ungarn und Bulgarien durch deren Verträge mit der DDR
Stationierungsabkommen: DDR (1950, 1957), Polen (1956), Ungarn
(1957), CSSR (1968), Rumänien (1957, erloschen nach Abzug 1958)
10.3
Χ
Militärstrategie
Sowjetische Doktrin
Hintergrund: Erfahrung ausländischer Interventionen und Invasionen
(Bürgerkrieg, Erster und Zweiter Weltkrieg); geostrategische
Einkreisung zwischen Westeuropa und China; wirtschaftliche
Überlegenheit der USA; politische Instabilität der Verbündeten;
sozialistische Ideologie; Abschreckungsidee durch militärische Stärke
Konsequenz: unbedingte Offensivausrichtung der Doktrin; Defensive
nur zur temporären Vorbereitung eines Angriffs (Konzentration etc.);
weitgefasstes Aggressionsverständnis, damit Möglichkeit von
60
-
-
-
Präventiv- und Präemptivkriegen; „Blitzkriegskonzeption“ und
Geiselfunktion Westeuropas (Drohung schneller Eroberung im
Kriegsfall als Abschreckung unterstellter Anreize begrenzter
europäischer Kriegführung für die USA)
in den 60er und 70er Jahren: offensive Kriegführung mit allen
verfügbaren Mitteln (einschließlich Nuklearwaffen) zur weiträumigen
Vernichtung des Militär- und Wirtschaftspotentials des Gegners in
kürzester Zeit (Sokolowski)
seit dem Ende der 70er Jahre: Konzentration auf konventionelle
Offensive und Verhinderung nuklearer Eskalation; wachsendes
Bewusstsein der Unmöglichkeit des Sieges im Nuklearkrieg und der
Eskalationsgefahr eines begrenzten Krieges; Offenhalten eines
Ersteinsatzes von Nuklearwaffen, aber Ziel, nukleare Schwelle durch
konventionelle
Überlegenheit
zusammen
mit
strategischer
Abschreckung zu unterlaufen
generelles Ziel eines militärischen Übergewichts zum Schutz vor
Aggression aufgrund geostrategischer Lage (Zwei-Fronten-Krieg) und
innenpolitischer Aufgabe des Militärs (Stabilisierung der Regimes);
Flankierung durch politische Lockerung der transatlantischen Allianz
Χ
Abschreckung und Vorneverteidigung in der NATO-Doktrin
generelles Ziel: Kriegsverhinderung durch Abschreckung; dazu
notwendig: ausreichende Machtmittel, Einsatzwillen und glaubwürdige
Demonstration des Einsatzwillens
Vorneverteidigung: Ziel, einen Angriff so grenznah wie möglich zu
stoppen; notwendige konventionelle Stärke nur durch Stationierung
von Bündnistruppen in Deutschland; bei Nichtgelingen Rückgriff auf
Atomwaffen
variierende Tiefe der Vorneverteidigung und Rolle von Nuklearwaffen:
„Ostverschiebung“ der Hauptverteidigungs- und vorgelagerten
Verzögerungszone im Zeitablauf
Χ
Phasen der NATO-Doktrin
MC 14/1 („Forward Strategy“) von 1950: Verteidigung soweit östlich
wie möglich (d.h. auf dem Boden des Nichtmitglieds Bundesrepublik);
Verwendung auch nuklearer Systeme; unmittelbare Motivation:
Erfahrung des Koreakrieges (extrem weites Vordringen der
Nordkoreaner nach Überraschungsangriff)
Schätzung für eine erfolgreiche konventionelle Abwehr 1952: ca. 96
Divisionen mit 9.000 Flugzeugen und Hubschraubern; Beschluß 1956:
26 Divisionen und 1.400 Flugzeuge und Hubschrauber; Ausgleich
konventioneller Schwäche durch Nuklearwaffen
MC 14/2 („Massive Retaliation“) von 1957: US-Doktrin von 1954 als
Basis (sofortiges Zurückschlagen mit Mitteln und am Ort nach Wahl);
„Schwert-Schild-Doktrin“ mit konventionellen Kräften und taktischen
Atomwaffen als Schild (Abwehr begrenzter Angriffe, die Aggressor zu
umfangreichen Vorbereitungen und Konzentration zwingt) und
strategischen Nuklearwaffen als Schwert (massiver Gegenschlag)
61
-
-
Χ
zwei Hauptfunktionen der Allianz laut Harmel-Bericht von 1967:
ausreichende militärische Stärke und Solidarität zur Aufrechterhaltung
der Abschreckung und gleichzeitig Suche nach Verständigung und
Abrüstung
MC 14/3 („Flexible Response“) von 1967 bis 1991: drei Reaktionen auf
Aggression (Direktverteidigung auf gleicher Stufe wie der Angreifer mit
dem Ziel schneller Kriegsbeendigung; politisch kontrollierte,
vorbedachte Eskalation in horizontaler, d.h. räumlicher, oder vertikaler
Richtung, d.h. durch selektiven Nukleareinsatz, auch Ersteinsatz, um
Einstellung der Aggression zu bewirken; allgemeine nukleare Reaktion,
d.h. Einsatz des strategischen Nuklearpotentials als letztes Mittel der
Eskalation); Prinzip fehlender vorheriger Festlegung und damit
Berechenbarkeit; Mittel der NATO-Triade (konventionelle Streitkräfte;
nukleare Kurz- und Mittelstreckensysteme in Europa; interkontinentale
Nuklearstreitkräfte), deren Elemente als nicht vollständig gegenseitig
substituierbar
angesehen
werden;
weiterhin
Prinzip
der
Vorneverteidigung, daher Notwendigkeit hoher Präsenzstärke wegen
geringer Vorwarnzeit
Rolle der europäischen Verbündeten
Deutschland: NATO-Aufmarschgebiet bereits im Frieden; bekanntes
Gefechtsfeld; zentraler Anteil an den konventionellen Streitkräften im
Abschnitt
Zentraleuropa
(Präsenzstärke
der
Bundeswehr;
überdurchschnittlicher Anteil an schweren, gepanzerten Kräften)
Großbritannien:
Luftwaffenbasis
und
Nachschubzentrum
für
Verstärkung aus den USA; Beitrag der Rheinarmee
Frankreich/Benelux: strategische Tiefe und unmittelbare Verstärkung
im Verteidigungsfall
französische und britische Nuklearwaffen: Verstärkung des
Unsicherheitsfaktors für einen potentiellen Angreifer, damit Stärkung
der Abschreckung; europäische Atomwaffen als potentieller Auslöser
nuklearer Eskalation über die Geiselfunktion der US-Truppen in
Europa hinaus, damit Abschwächung der Selbstabschreckung der
USA (Selbstvernichtung ohne unmittelbare Bedrohung bei
strategischer Eskalation eines europäischen Krieges), aber auch
Risiko unbedachter Eskalation
Türkei und Norwegen: Flankenbedrohung der Sowjetunion im Sinne
einer horizontalen Eskalation
10.4 Probleme der NATO und Strategiediskussion in den 80er Jahren
Χ
Europäisch-amerikanische Interessengegensätze
wachsende wirtschaftliche Konkurrenz: Erfolg der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und Handelsstreitigkeiten (Protektionismus,
Konkurrenz auf dem Weltmarkt)
Reagans Abkehr von der Entspannungspolitik: stark ideologisch
geprägte Verstärkung des Wettrüstens Anfang der 80er Jahre als
Antwort auf sowjetische Expansionsversuche und Unterdrückung in
62
-
-
Χ
Osteuropa (Afghanistan, Polen) gegenüber europäischen Interessen
weiterer Entspannungsbemühungen (KSZE-Prozess, Friedensbewegung)
europäische Zweifel an der US-Nukleargarantie: nach Akzeptanz
strategischer Parität zwischen USA und Sowjetunion wachsende
Befürchtungen in den USA, strategischen Selbstmord zu begehen,
daher Intentionen einer „Abkoppelung“; europäische Befürchtungen,
der konventionellen Überlegenheit des Warschauer Paktes allein
ausgeliefert zu sein oder Schauplatz eines begrenzten Nuklearkrieges
mit einseitiger Vernichtung zu werden (Überlegungen bezüglich eines
„gewinnbaren“ Nuklearkrieges in den USA)
Forderungen der USA nach einem besseren Lastenausgleich zwischen
USA und Europäern
„Reykjavik-Schock“ 1986: Ansätze einer Übereinkunft zwischen USA
und Sowjetunion über nukleare Abrüstung und Sicherheit ohne
Konsultation der europäischen NATO-Verbündeten
Militärstrategische Probleme
konventionelle Überlegenheit des Warschauer Paktes: Konzentration
auf nukleare Komponente der NATO-Abschreckung in den 60er und
70er
Jahren;
Vernachlässigung
konventioneller
Stärkung,
insbesondere durch die Europäer, aufgrund der damit verbundenen
wirtschaftlichen und sozialen Kosten („Aufbau der europäischen
Wohlfahrtsstaaten
im
Schatten
des
US-amerikanischen
Nuklearschirms“); gleichzeitig seit Beginn der 70er Jahre massive
quantitative und qualitative Verstärkung der konventionellen
Streitkräfte des Warschauer Paktes, insbesondere der Ersten
Strategischen Staffel; wachsende Zweifel an der Fähigkeit
konventioneller Abwehr- oder Verzögerungsmöglichkeiten der NATO
bis zum Eintreffen überseeischer Verstärkungen (überlegenes
Mobilisierungspotential der Sowjetunion; verstärkte Vorbereitungen der
Zweiten Strategischen Staffel; Überraschungseffekt; geringere
Behinderungen bei der Zuführung von Reserven des Warschauer
Paktes)
Streitkräftevergleich 1984/85 (präsente konventionelle Streitkräfte in
Europa, NATO gegen Warschauer Pakt einschl. westl. sowjet.
Militärbezirke): 3,4 Mio Mann (davon 470.000 Franzosen und 330.000
Spanier) gg. 4,0 Mio; 110 Divisionen (15 frz., 7 span.) gg. 115; 15.400
Kampfpanzer (1.100 frz., 760 span.) gg. 26.900; 13.800
Artilleriesysteme (1.400 frz., 1.360 span.) gg. 19.900; 3.300
Hubschrauber (660 frz., 160 span.) gg. 2.300; 3.700 Flugzeuge (520
frz., 215 span.) gg. 7.400
Problem der nuklearen Mittelstreckenraketen: Modernisierung und
Erweiterung der sowjetischen Nuklearkapazität mittlerer Reichweite
(auf Europa beschränkt, aber hier von strategischer Bedeutung);
wachsende Befürchtungen eines sowjetischen Nukleareinsatzes über
den taktisch-operativen Rahmen hinaus ohne strategische Bedrohung
63
-
der USA, und damit Möglichkeit eines auf Europa beschränkten
Nuklearkrieges
verstärkte sowjetische Marinerüstung: Erweiterung der globalen
Reichweite (Expansion Richtung Weltmeere); Befürchtungen einer
Unterbrechung der transatlantischen Verstärkungslinien
Χ
Ansätze zur Weiterentwicklung der MC14/3
generelle Ziele: Verringerung der konventionellen Unterlegenheit
gegenüber dem Warschauer Pakt durch Betonung qualitativer und
operativ-taktischer Aspekte; dadurch Verringerung der Notwendigkeit
frühzeitigen
Nuklearwaffeneinsatzes;
Verbindung
mit
USAnstrengungen auf dem Gebiet der HighTech-Waffensysteme
(besonders Lenkwaffen etc.) und Kommunikation/Überwachung mit
dem Ziel überlegener konventioneller Kampffähigkeit auf globaler
Ebene (z.B. „discriminate deterrence“)
AirLandBattle 2000: US-Field Manual 100/5 „Operation“ von 1982 als
Basis eines von den USA in die NATO eingebrachten
Konzeptionsentwurf für die operativ-taktische Gefechtsführung;
Betonung des Zieles der offensiven Zerschlagung des Gegners im
Rahmen
des
„integrierten
Gefechtsfeldes“
(grundsätzliche
Verfügbarkeit aller Waffensysteme und Einstellung des Kampfes auch
unter ABC-Bedingungen); keine strategische Neukonzeption
Follow-on-forces Attack: 1984 vom DPC beschlossene langfristige
Planungsrichtlinie; Betonung der Vernichtung der Zweiten Staffeln der
Warschauer-Pakt-Truppen und ihrer Luftunterstützung bereits im
Anmarsch, um Wirksamkeit der konventionellen Überlegenheit zu
reduzieren (Konzept des „erweiterten Gefechtsfeldes“; weiträumiger
Einsatz
insbesondere
von
zielsuchenden
Raketen
und
Marschflugkörpern tief im Hinterland des Gegners ohne Absicht der
Besetzung feindlichen Territoriums); keine strategische Neukonzeption
Strategic Defense Initiative (SDI): Ankündigung durch Reagan 1983;
Ziel: Nutzung neuartiger Technologien für ein komplexes
Abwehrsystem gegen ballistische Raketen in allen Flugphasen; USSicht: Reduzierung der Gefährdung durch strategische Nuklearwaffen
der Sowjetunion, dadurch Stärkung der eigenen nuklearen Drohung;
europäische Sicht: Problem der Handlungsfreiheit der USA
(Begrenzung eines Nuklearkrieges auf Europa) bei US-Monopol;
gleichzeitig weiterbestehende Bedrohung durch Kurz- und
Mittelstreckenraketen; zentrale Bedeutung des konventionellen
Ungleichgewichts bei analogem sowjetischen System und
entsprechender Kriegsbegrenzung; Gefahr eines sowjetischen
Präventivangriffs
Χ
Strategische Alternativkonzepte
Grundgedanken: Misstrauen gegenüber sicherheitspolitischer und
militärischer Bindung an die USA; Loslösung von Verteidigung und
Abschreckung von der nuklearen Komponente, die als unglaubwürdig,
selbstmörderisch, völkerrechtswidrig oder unmoralisch angesehen
64
-
-
-
wird; nachhaltige Berücksichtigung sowjetischer Perzeption der NATOVorneverteidigung mit hoher Präsenzstärke als potentiell offensiv (Ziel
der „strukturellen Nichtangriffsfähigkeit“ durch Truppenorganisation,
Bewaffnung und Dislozierung); teilweise hoher Vertrauensvorschuss
gegenüber dem Warschauer Pakt; militärische Aspekte unter
Vorzeichen neuer HighTech-Defensivsysteme
Raumverteidigung:
z.B.
„Konventionelle
Abhaltung“
und
„Heimatverteidigung“; Aufgabe schwerer Kampfverbände zugunsten
flächendeckender
Kampfgruppenorganisation
leichter,
mobiler
Verbände mit modernen Defensivwaffen (insbesondere zur
Panzerabwehr) und hochmobiler Artillerieunterstützung; Vermeidung
von Konzentrationen, die Ziel sowjetischer Artilleriemassierungen oder
Nuklearschläge sein könnten; Vorbereitung von Sperren, Hindernissen
und Feuerzonen bereits im Frieden; Ziel: konventionelle Abschreckung
ohne Verbände, die zu raumgreifenden (Gegen-) Angriffen fähig sind,
durch verlustreiche Zersplitterung und Festrennen eines Angreifers im
Gebiet der Bundesrepublik; Bezüge zur österreichischen und
schweizerischen Defensivdoktrin
Raumdeckung: „Raumdeckende Verteidigung“ und „Integrierte
Vorneverteidigung“: Bezüge zur deutschen Defensivdoktrin von 1917
(Ersetzung der schmalen Verteidigungslinie durch tiefgestaffelte
Verteidigungszone; Kampfgruppentaktik auf der Basis von MG-Nestern
und Bunkern; Verzögerung des gegnerischen Angriffs durch Zwang zur
Neukonzentration; Bereitstellung von Eingreifreserven für den
Gegenangriff) und 1945 (tiefgestaffelte Verteidigung bis 40 km in
mehreren Verteidigungsstreifen mit Stützpunkten, Feuerzonen,
Minenfeldern und Sperren; mobile Infanterie- und Artillerieverbände;
Zermürbung des Gegners und Zeitgewinn für Heranführung
gepanzerter Verbände für den Gegenangriff); Grundidee einer
Vertiefung der NATO-Abwehrzone zur Vermeidung operativer
Durchbrüche; Verzögerung, Zersplitterung und Zermürbung des
Angreifers im Verteidigungs-„Netz“ durch vorbereitete Sperren,
Feuerzonen und leichte Verbände; Gegenangriff durch schwere
„Schwertverbände“
mit
massiver
Artillerieund
Luftwaffenunterstützung;
teilweise
Verbindung
mit
Raumverteidigungskonzepten (Tiefe der Verzögerungszone bzw.
Raumdeckungsverbände als Auffangposition) und mit FOFA-Konzept
(Zerschlagung
der
hinteren
Feindstaffeln
durch
moderne
Feuerwirkung); Nuklearwaffen nur zur Abschreckung eines
sowjetischen Ersteinsatzes
„Disengagement“ und soziale Verteidigung: Ideen nuklearwaffenfreier
Zone in Europa; Abrüstung inklusive westlicher Vorleistungen zur
Senkung des Kriegsrisikos und Schaffung von Vertrauen; weitgehende
Auflösung militärischer Strukturen („strukturelle Gewalt“); Defensive auf
der Basis passiven Widerstandes und Nichtkooperation statt Drohung
65
Χ
Sicherheitspolitische Reaktionen
NATO-Doppelbeschluss 1979: Entschluss zur Modernisierung und
Stationierung der westlichen Mittelstreckensysteme; zugleich Angebot
der Abrüstung der Systeme bei entsprechender sowjetischer
Abrüstung; Beginn der Stationierung 1983
Stärkung der konventionellen Stärke der Allianz: FOFA-Konzeption;
verstärkte Vorbereitung und Übung von Transport und Dislozierung
transatlantischer Reserven; Verstärkung der HochtechnologieKomponente; Ausbau der konventionellen Streitkräfte
Stärkung des europäischen Pfeilers der Allianz: z.B. Wiederbelebung
der WEU
66
11. Europäische Integration
11.1 Die Westeuropäische Union
Χ
Hintergrund und Ziele
Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg: wachsende Bedrohung
durch die Sowjetunion und Vorbehalte gegenüber Deutschland
Vorläufer: Vertrag von Dünkirchen (1947): Frankreich und
Großbritannien gegen etwaige Wiederaufnahme der deutschen
Aggression; Vertragsdauer 50 Jahre; unmittelbare Beistandspflicht bei
deutschem Angriff; gemeinsame Maßnahmen zur Durchsetzung
wirtschaftlicher Ansprüche gegenüber Deutschland
Grundlage:
Brüsseler
Pakt
(1948):
Belgien,
Frankreich,
Großbritannien, Luxemburg und
Niederlande; Zusammenschluss
europäischer Demokratien und Rechtsstaaten zur wirtschaftlichen,
kulturellen und sozialen Kooperation sowie zum Widerstand gegen
jegliche Angriffspolitik, insbesondere gegenüber einer Erneuerung der
deutschen Angriffspolitik; Vertragsdauer 50 Jahre; automatische
Beistandspflicht mit allen militärischen und sonstigen Mitteln (Art. 4 BP)
vor dem Hintergrund des Koreakrieges wachsende Forderungen nach
deutschem Beitrag zur Verteidigung gegen die Sowjetunion; nach dem
Scheitern der EVG Beschluss zur Einladung der Bundesrepublik und
Italiens in den geänderten Brüsseler Pakt (durch Pariser Verträge vom
Oktober 1954)
Χ
Mitglieder der WEU
Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande seit
1948
Beitritt Italiens und der Bundesrepublik 1954
Beitritt Spaniens und Portugals 1988
Χ
Vertragsbestimmungen
Zielsetzung wirtschaftlicher Erholung; wirtschaftliche Zusammenarbeit
(Art.I WEUV)
Zusammenarbeit und Konsultation im Bereich Sozialpolitik mit dem Ziel
höherer Lebensstandards (Art.II WEUV)
kulturelle Kooperation und Verbesserung des Verständnisses der
gemeinsamen Zivilisation (Art.III WEUV)
Kooperation mit den Organen der NATO; keine Parallelorganisation
zur NATO (Art.IV WEUV)
direkte gegenseitige militärische Beistandpflicht bei einem Angriff in
Europa (Art.V WEUV)
keine Beeinträchtigung der Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft im
UN-Sicherheitsrat (Art.VI WEUV)
keine entgegenstehenden Verträge und keine Bündnisse gegen ein
Mitgliedsland (Art.VII WEUV)
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-
-
-
Χ
Einrichtung eines Rates der WEU und eines Amtes für
Rüstungskontrolle; Einberufung des Rates auf Antrag eines Mitgliedes
bei jeder Gefährdung des Friedens oder der wirtschaftlichen Stabilität;
i.d.R. einstimmige Beschlussfassung (Art.VIII WEUV)
jährliche Berichtspflicht des Rates gegenüber der parlamentarischen
Versammlung der WEU, die aus den Vertretern der Mitgliedsstaaten
bei der Beratenden Versammlung des Europarates besteht (Art.IX
WEUV)
Unterwerfung unter den IGH bei allen Streitigkeiten zwischen
Mitgliedsländern (Art.X WEUV)
Möglichkeit der Einladung jedes anderen Staates (Art.XI WEUV)
Geltungsdauer des Vertrages: 50 Jahre (bis 1998), danach Möglichkeit
des Austritts mit einjähriger Kündigungsfrist
Protokoll I: Änderungen des Brüsseler Vertrages (Streichung der
Passagen gegen deutsche Angriffspläne)
Protokoll II: Festsetzung von Höchstgrenzen der Truppenstärken in
Europa (Bundesrepublik: max. 500.000 Mann); britische Verpflichtung
zur Stationierung von vier Divisionen und einer taktischen Luftflotte auf
dem Kontinent
Protokoll III: Rüstungskontrolle innerhalb der WEU; Beschränkung der
Rüstungsproduktion in der Bundesrepublik (Art.1 und 2); Festsetzung
des Stationierungsumfanges von ABC-Waffen in Europa durch
einfache Ratsmehrheit (Art.3); Kontrolle der ABC- und konventionellen
Rüstung durch WEU (Art.4); Änderungen der zur kontrollierenden
Rüstungstypen nur einstimmig (Art.5)
Anlagen zum Protokoll III: Verzicht der Bundesrepublik auf Herstellung
von ABC-Waffen, Boden-Boden-Lenkwaffen, größere Kriegsschiffe (bis
1980) und strategische Bomber und Überwachung durch die WEU
(Anlage I i.V.m. Anlage II und III; letzte Sonderbeschränkungen für die
konventionelle deutsche Rüstung 1984 aufgehoben); WEURüstungsüberwachung u.a. im Bereich von ABC-Waffen, Artillerie über
90mm Kaliber einschl. Munition, Lenkwaffen, Kampfpanzern einschl.
Türmen, Panzerfahrzeugen über 10t, Kriegsschiffen über 1.500 BRT,
U-Booten, Fliegerbomben über 1.000kg, Kampfflugzeugen einschl.
Flugzeugzellen und Triebwerken (Anlage IV)
Protokoll IV: Errichtung des Amtes für Rüstungskontrolle in Paris
Organisation der WEU
Rat der Außen- und (seit 1984) Verteidigungsminister (Treffen zweimal
pro Jahr); Ständiger Rat der Botschafter der WEU-Staaten in London
Generalsekretär (London); Rüstungskontrollamt; Agenturen für
Sicherheitspolitik (Rüstungskontrolle, Verteidigung und Strategie,
Rüstungskooperation und Technologie)
WEU-Versammlung mit fünf Ausschüssen zur Beratung (Fragen und
Empfehlungen an den Rat)
68
Χ
Versuche zur Belebung der WEU in den achtziger Jahren
Ausgangslage: Schattendasein der WEU gegenüber der NATO
(Bindung an die USA; fehlende militärische Infrastruktur); wachsende
Suche der Europäer nach stärkerem eigenen Profil gegenüber den
USA (besonders Frankreich); Problem des nichtmilitärischen
Charakters der EG
Absichtserklärung von Rom 1984: stärkere Abstimmung der
Sicherheitspolitik; Rüstungskooperation; Stärkung des europäischen
Beitrags zur NATO
Reorganisation der WEU nach 1984: Zusammenfassung der Pariser
Agenturen; stärkere Beteiligung der Verteidigungsminister; Erweiterter
Ständiger Rat (seit 1986): Londoner Botschafter, Generalsekretär,
Politische Direktoren der Außenministerien, Leiter der militärpolitischen
Abteilung der Verteidigungsminister; Abstimmung der europäischen
Position zu den Mittelstreckenraketen unter dem Eindruck von
Reykjavik 1986/87; Erweiterung um Spanien und Portugal (1988)
„WEU-Plattform“ auf Initiative Frankreichs (1987): Koordinierung der
Sicherheitspolitik und Rüstung; Förderung des KSZE-Prozesses;
Kooperation in außereuropäischen Krisen; Betonung der nuklearen
Abschreckung und der transatlantischen Allianz; Rahmen für verstärkte
deutsch-französische Kooperation
deutsch-französische Europkorps-Initiative und Revitalisierung der
WEU durch den Maastrichter Vertrag 1991/92
11.2 Stationen der europäischen Integration
Χ
Ausgangslage
Kriegserfahrung und Notwendigkeit der Zusammenarbeit für den
Wiederaufbau
Misstrauen gegenüber Deutschland und der Sowjetunion
trotz verschiedener Entwürfe in der Vergangenheit fehlende Vorläufer
für institutionalisierte politische Kooperation seit Mitte des 19.
Jahrhunderts
unterschiedliche nationale Interessen und Traditionen
Tradition des europäischen Gleichgewichtes mit wechselnden
Allianzen
Forderung Churchills nach Vereinigten Staaten von Europa 1946 (ohne
Großbritannien und Commonwealth); europäische Bewegung nach
dem Zweiten Weltkrieg
Gründung des Europarates zur Förderung der Kooperation und
Demokratie 1949
Χ
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)
Hintergrund: wirtschaftlicher Wiederaufbau und Furcht vor deutscher
Wiederaufrüstung; Ziel französischer Teilkontrolle über deutsche
Schwerindustrie;
deutsches
Interesse
an
Integration
und
gleichberechtigter Kooperation in Westeuropa
69
-
-
Χ
Schumann-Plan 1950: Kooperation im Kohle- und Stahlsektor zur
Sicherung des Friedens (Gewährleistung materieller Unmöglichkeit
eines deutsch-französischen Krieges); Gründung der EGKS
(Montanunion) im April 1951 (Bundesrepublik, Frankreich, Benelux,
Italien)
zentrale Bestimmungen: Einführung eines gemeinsamen Marktes;
Errichtung einer Hohen Behörde, die im Kohle- und Stahlsektor
Regelungsbefugnis hat, teilweise nach Zustimmung des Ministerrates,
der Verbindung zu den Regierungen aufrechterhält; Gemeinsame
Versammlung ohne größere legislative Kompetenzen; starke
Einschränkung nationaler Souveränität durch supranationale Behörde,
die verbindliche Rechtsakte setzt (gemeinsame Ausübung von
Souveränität durch drittes, supranationales Organ, weil einfacher
bilateraler Kooperation misstraut wird)
Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und Europäische Politische
Gemeinschaft (EPG)
Ausgangslage: Bedarf eines deutschen Verteidigungsbeitrages und
Druck der USA, aber französische Bedenken gegen eine deutsche
Wiederbewaffnung im Rahmen einer nationalen Armee in der NATO;
Erfolg des EGKS-Modells
Pleven-Plan
zur
Schaffung
einer
Europäischen
Verteidigungsgemeinschaft der EGKS-Staaten (1950): Aufstellung
einer europäischen Armee mit nationalen Kontingenten in
europäischen Armeekorps unter der militärischen Führung eines
europäischen Generalstabes mit üblicherweise französischem Chef;
politische Leitung durch ein supranationales Kommissariat
(europäischer Verteidigungsminister) in Verbindung mit einem
Ministerrat der gleichberechtigten Mitgliedsstaaten; Unterstützung
durch eine Parlamentarische Versammlung und einen Gerichtshof;
Beschränkung der deutschen Verbände auf Europa-Einheiten,
Möglichkeit weiterbestehender nationaler Kontingente für die anderen
Mitgliedsstaaten; enge Kooperation mit der NATO und Unterstellung
unter NATO im Kriegsfall; Unterzeichnung des EVG-Vertrages im Mai
1952
gleichzeitige Initiativen zur Schaffung einer Europäischen Politischen
Gemeinschaft 1952/53: europäisches Parlament mit zwei Kammern;
zweigleisige
Exekutive
(national
und
supranational);
Unionskompetenzen in den Bereichen Wirtschafts-, Außen- und
Sicherheitspolitik
Zustimmung des Bundestages zur EVG trotz innenpolitischen
Widerstands
gegen
die
Wiederbewaffnung
und
nationale
Diskriminierung in der EVG im März 1953; Ablehnung des Vertrages
durch die Nationalversammlung im Mai 1954; Ursachen: französische
Befürchtungen einer neuen „Wehrmacht“, Widerstand gegen den
supranationalen Charakter der EVG, befürchtete Unmöglichkeit einer
festen Westbindung der Bundesrepublik angesichts der deutschen
Teilung, generelle Ablehnung der deutschen Wiederbewaffnung als
70
-
relative Schwächung Frankreichs in Europa, Widerstand gegen
Stärkung des Westens (stalinistisch orientierte Kommunistische Partei
Frankreichs), Vorstellung der Unmöglichkeit übernationaler oder
internationaler Streitkräfte (nur die Nation kann und darf „höchstes
Opfer“ von ihren Bürgern fordern; Position der Gaullisten); damit
gleichzeitig Scheitern der EPG
Ergebnis: WEU- und NATO-Beitritt der Bundesrepublik 1954/55
(deutscher Wehrbeitrag im Bündnis und mit Beschränkungen)
Χ
EWG und EURATOM (EAG)
Hintergrund: Konferenz der Montanunion in Messina 1955 (Beschluss
zu weiterer Kooperation und Integration in wirtschafts- und
sozialpolitischer Hinsicht); Hoffnung auf „spill-overs“ im politischen
Bereich; Interesse Frankreichs an einer sektoralen Integration analog
zur EGKS, daher Projekt von EURATOM; Interesse der Niederlande,
Belgiens, Italiens und der Bundesrepublik an Gemeinsamem Markt,
daher Projekt der EWG; Zusammenführung beider Projekte durch
Spaak-Kommission
Ausgestaltung: Römische Verträge März 1957; supranationale
Kommission mit beschränkter Weisungsbefugnis in bestimmten
wirtschaftlichen Bereichen; Ministerrat der nationalen Regierungen als
zentrales Entscheidungsorgan; Konsultationsrechte des Europäischen
Parlamentes; Rechtsprechung durch den Europäischen Gerichtshof
Entwicklung: zunächst Ablehnung einer Beteiligung Großbritanniens
wegen der Zollunion und französischer Weigerung (Gegenprojekt der
EFTA als Freihandelszone); Krisen durch französische Blockadepolitik
1965/66;
Luxemburger
Kompromiss
1966
(prinzipiell
Mehrheitsentscheide im Rat, aber bei Fragen grundsätzlichen
nationalen Interesses Einstimmigkeitsprinzip); Fusion der Organe von
EGKS, EWG und EURATOM 1967; Verwirklichung der Zollunion 1968;
1969 Beschluss der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU);
Erweiterung um Großbritannien, Irland und Dänemark (1973),
Griechenland (1981) sowie Spanien und Portugal (1986); Revision der
EG-Verträge
durch
Einheitliche
Europäische
Akte
1986:
Binnemarktprojekt 1992, Änderung der Beschlussfassung und
verstärkte Beteiligungsrechte des Europäischen Parlamentes
Χ
Europäische Politische Union (Fouchet-Pläne)
Hintergrund: wachsendes Misstrauen de Gaulles gegenüber den
Sicherheitsgarantien der USA für Europa; Ablehnung der
französischen Forderung nach einem NATO-Direktorium für die
Nuklearwaffen aus USA, Großbritannien und Frankreich 1958/59;
französisches Interesse an einem unabhängigen (frankophilen) Europa
als eigenständige Großmacht außerhalb des Konfliktes zwischen USA
und Sowjetunion; Interesse der Bundesrepublik, Italiens und
Luxemburgs an einer supranationalen politischen Weiterentwicklung
der EWG; Bedenken Belgiens und der Niederlande wegen der Zukunft
der NATO und einer französischen (oder französisch-deutschen)
71
-
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-
-
Führung in Europa; Bad Godesberger Erklärung vom Juli 1961 über
die politische Kooperation und Einheit der EWG-Mitgliedsstaaten bei
Offenheit für weitere Beitrittskandidaten (Großbritannien) und
Bewahrung der NATO
Fouchet I (1961): gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik einer
unauflöslichen Union
gleichberechtigter Mitgliedsstaaten in
Kooperation mit anderen freien Völkern (Art.1, 2); Rat der Staats- und
Regierungschefs als einziges beschlussfassendes Organ (Art.5) mit
Einstimmigkeitsprinzip (Enthaltung möglich, Art.6); Unterstützung
durch Europäische Politische Kommission aus Ministerialbeamten
(Art.9, 10); Konsultations- und Informationsrechte des Europäischen
Parlamentes (Art.7, 8); Revisionsmöglichkeit des Vertrages mit dem
Ziel einer Zentralisierung der Gemeinschaften (Art.16); Beitritt
automatisch über Beitritt zu Europarat, EGKS, EWG und EURATOM
(Art.17); kein Gerichtshof; Prinzip enger zwischenstaatlicher
Kooperation statt supranationaler Integration
Verhandlungen: Begrüßung als Verhandlungsgrundlage durch
Bundesrepublik, Italien und Luxemburg; Ablehnung durch Belgien und
Niederlande aus Furcht vor einer Aufweichung der NATO und einer
Hegemonie der großen EWG-Staaten
Revision durch Fouchet II: explizite Nennung der NATO; Garantie der
bestehenden supranationalen Organisationen; stärkere Beteiligung des
Europäischen Parlaments bei der Revision; Einrichtung eines
unabhängigen Generalsekretärs neben der vom Rat abhängigen
Politischen Kommission; starke Annäherung der Positionen bis Ende
1961
Wandel der französischen Position: Einigung über Prinzipien der EWGAgrarpolitik
Anfang
1962;
Projekt
einer
transatlantischen
Wirtschaftsgemeinschaft Kennedys nach einem EWG-Beitritt
Großbritanniens;
Vorlage von Fouchet III (Januar 1962) mit
Ausklammerung der NATO, Wirtschaft als Unionszuständigkeit,
Wegfall der Garantie für die bestehenden Gemeinschaften und des
unabhängigen
Generalsekretariats,
separatem
Beitritt
durch
einstimmige Aufnahme in die EPU; Gegenentwurf der Fünf (CattaniKommission); zunächst Zugeständnisse de Gaulles; im April 1962
jedoch britische Forderung nach direkter Beteiligung an den
Verhandlungen, Garantie der Gemeinschaften und Verbindung der
Union mit der NATO (mit belgischer und niederländischer
Unterstützung); Scheitern der Verhandlungen am Interessengegensatz
Frankreichs gegenüber den Niederlanden und Belgien
Resultat: nationale französische Alleingänge (Verzögerung des
britischen Beitritts zur EWG, Austritt aus der NATO, deutschfranzösischer Vertrag); Demonstration des Primats der NATO vor einer
europäischen Konföderation und der Angst der kleinen EWG-Staaten
vor Bevormundung durch Frankreich und Deutschland
72
Χ
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)
Hintergrund: Wiederaufnahme des Ziels vertiefter außenpolitischer
Koordination seit 1969; Luxemburger Bericht 1970: kontinuierliche
Zusammenarbeit der Außenminister und Diplomaten; Konkretisierung
durch Kopenhagener Bericht 1973; Einbeziehung des Europäischen
Parlaments und der Sicherheitspolitik im Londoner Bericht 1981;
völkerrechtlich verbindliche vertragliche Fassung durch die Einheitliche
Europäische Akte von 1986
Ausgestaltung und Entwicklung: intergouvernmentale Organisation
neben der EG; halbjährliche Treffen des Europäischen Rates der
Staatsund
Regierungschefs;
vierteljährliche
Treffen
der
Außenminister; Koordinierung durch Politisches Komitee hoher
Beamten
(Tagung
einmal
monatlich);
Europäische
Korrespondentengruppe (Beamten der Außenministerien) und
Arbeitsgruppen zur tagespolitischen Umsetzung; Unterstützung der
Präsidentschaft (identisch mit EG-Präsidentschaft) durch Sekretariat in
Brüssel; direkte Verbindung durch Fernschreibernetz COREU;
Teilnahme der EG-Kommission seit 1983; beratende Funktion des
Europäischen Parlaments
Leistungen und Defizite: gemeinsame Positionen bei humanitären
Fragen (Südafrika), Abstimmung der europäischen Position in der
KSZE, Friedensinitiativen im Nahen Osten, Waffenembargos gegen
Terrorismusstaaten und im Falklandkonflikt gegen Argentinien; keine
wirkliche gemeinsame europäische Außenpolitik, weiterhin Prinzip
nationaler Souveränität, Kooperation auf zwischenstaatlicher Basis mit
praktischer Ausblendung der supranationalen Institutionen
Χ
Europäische Union
Hintergrund: Regierungskonferenz 1991; Unterzeichnung des EUVertrages von Maastricht Februar 1992
Prinzipien:
Drei-Säulen-Konzept
mit
EG
(Wirtschaftsund
Sozialpolitik), GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als
Nachfolgerin der EPZ) und Zusammenarbeit im Bereich Justiz und
Inneres als Teilen der EU; dabei zweite und dritte Säule Kooperation
zwischen den nationalen Regierungen außerhalb der supranationalen
EG; GASP als faktische Fortsetzung der EPZ
Sicherheitspolitisch relevante Vertragsbestimmungen von Maastricht:
Titel V EUV; Europäischer Rat und Außenministerrat als zentrale
Gremien; Prinzip der gegenseitigen Solidarität und Loyalität;
gegenseitige
Unterrichtung
und
Abstimmung;
gemeinsame
Standpunkte auf internationalen Konferenzen; WEU als Organisation
zur Umsetzung verteidigungspolitischer Beschlüsse; Achtung der
nationalen Sicherheitspolitik und der NATO; Möglichkeit engerer bioder multilateraler Kooperation; außenpolitische Vertretung der Union
durch Präsidentschaft und Troika; Zusammenarbeit der diplomatischen
und konsularischen Dienste; Beteiligung der EG-Kommission
73
11.3 Deutsch-französische Kooperation seit Beginn der 60er Jahre
Χ
Hintergrund
zentrale Rolle der beiden Staaten in Kontinentaleuropa; Erfahrung der
„Erbfeindschaft“ und dreier großer Kriege in 70 Jahren; Einsicht der
gegenseitigen Abhängigkeit in Europa nach 1945
Besonderheiten französischer Sicherheitspolitik vor dem Hintergrund
historischer Erfahrungen: Betonung der Autonomie einer starken
Verteidigung; Selbstbild der „Grande Nation“ und internationales
Statusbewusstsein (UN-Sicherheitsrat, Atommacht), insbesondere
gegenüber den Weltmächten und Deutschland; pragmatische
Ausgestaltung der Sicherheitspolitik angesichts geographischer
Besonderheiten und ökonomischer Begrenztheit: z.B. „Trittbrettfahrer“
der NATO-Nuklearabschreckung, Europapolitik als Potentialerweiterung für Frankreich, z.T. antiamerikanische Außenpolitik bei
gleichzeitiger Verlässlichkeit in Krisensituationen, Sonderrolle in Afrika
Besonderheiten
bundesdeutscher
Sicherheitspolitik
vor
dem
Hintergrund historischer Erfahrungen: Streben nach gleichberechtigter
Souveränität und staatlicher Einheit; zurückhaltende, tw. idealistische
Außenpolitik ohne militärische Mittel; Betonung von internationalem
Konsens und wirtschaftlichen Instrumenten der Außenpolitik;
existentielles Interesse am Ost-West-Ausgleich; enge Anlehnung an
USA bei gleichzeitiger starker Europhilie zur Förderung der eigenen
Gleichberechtigung und Interessen ohne nationale Exposition
Χ
Der deutsch-französische Vertrag (Elysée-Vertrag, 1963)
Zielsetzung de Gaulles: deutsch-französische Aussöhnung; starkes,
unabhängiges Europa eng kooperierender Nationalstaaten unter
französischer Führung; nach dem Scheitern der Fouchet-Pläne
Konzentration auf die Bundesrepublik; privilegierte bilaterale
Beziehung als Kern eines unabhängigen Europas
Zielsetzung
Adenauers:
deutsch-französische
Aussöhnung;
Souveränitätsgewinn für die Bundesrepublik; Vertiefung der
europäischen Integration gegenüber der sowjetischen Bedrohung; kein
Widerspruch zwischen enger atlantischer Bindung und europäischer
Einigung; möglichst starke Einbindung der Bundesrepublik in den
Westen
Vertragsbestimmungen: institutionelle Verflechtung und regelmäßige
Konsultationen (Abschnitt I DFV: zweimal Gipfeltreffen, viermal Außenund Verteidigungs- sowie Erziehungsministertreffen, sechsmal
Generalstabschef- und Familienministertreffen pro Jahr; Kooperation
der Behörden; ständige interministerielle Kommission); außenpolitische
Zusammenarbeit (Abschnitt II.A DFV: Konsultation und Angleichung in
allen wichtigen Fragen, insbesondere bezüglich europäischer
Integration, Ost-West-Beziehungen, VN, NATO und WEU;
Informationsaustausch;
Abstimmung
der
Entwicklungshilfe;
Kooperation im Gemeinsamen Markt und in allen Bereichen der
Wirtschaftspolitik); verteidigungspolitische Kooperation (Abschnitt II.B
74
-
Χ
DFV: Angleichung der taktischen und strategischen Doktrin;
Personalaustausch und Sprachschulung; gemeinsame Rüstungspolitik;
Zusammenarbeit im Zivilschutz); Kooperation bei Erziehungs- und
Jugendfragen (Abschnitt II C DFV: Sprachunterricht und
Wissenschaftskooperation; deutsch-französisches Jugendwerk zum
Austausch der Jugendlichen)
„Verwässerung“ des Vertrages durch den Bundestag: durch eine
Präambel zum Zustimmungsgesetz Betonung der Verbundenheit mit
den USA, der gemeinsamen Verteidigung in der NATO und der
Einigung Europas inklusive Großbritanniens
Entwicklung der politischen Kooperation
Krisen durch de Gaulle: französisches Veto gegen den EWG-Beitritt
Großbritanniens 1963; EWG-Krise 1965/66 (französische Politik des
„leeren Stuhles“ zur Erzwingung von Zugeständnissen bei der
Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Verhinderung einer Stärkung der
Kommission durch Mehrheitsentscheide im Ministerrat); NATO-Krise
1966 (Ausscheiden Frankreichs aus der militärischen Integration der
NATO); de Gaulles Bestrebungen einer Annäherung an Moskau und
einer Auflösung der Militärblöcke; Abkühlung der Beziehungen und
fehlende Umsetzung des deutsch-französischen Vertrages
Wandel der Beziehungen unter Pompidou und Brandt (1969-74):
Scheitern gaullistischer Ostannäherung durch Prager Frühling 1968;
pragmatischerer Stil Frankreichs; neue, flexiblere Ostpolitik der
sozialliberalen
Koalition;
Annäherung
in
außenund
sicherheitspolitischen Zielen, aber französische Vorbehalte wegen
eines befürchteten neuen „Rapallo“; Beilegung der EG-Krise durch
französische Akzeptanz eines Beitritt Großbritanniens; verbesserte
Abstimmung der EG-Außenpolitiken durch EPZ ab 1970;
weiterbestehende grundsätzliche gaullistische Ziele französischer
Außen- und Sicherheitspolitik; gravierende Meinungsunterschiede
auch bei der Bewältigung der Öl- und Währungskrisen von 1973
„Tandem“ Schmidt/Giscard (1974-81): gemeinsame Initiativen zur
Bewältigung der Wirtschafts- und Währungsprobleme in der EG;
Herausbildung der deutsch-französischen Kooperation; Koordinierung
der
Wirtschaftspolitik
(abgestimmte
Konjunkturprogramme;
Europäisches Währungssystem seit 1978/79; Weltwirtschaftsgipfel der
G-7 seit 1975); Einführung der Direktwahl des Europäischen
Parlaments 1979; dennoch weiterbestehende Interessendivergenzen
bezüglich der europäischen Integration
„Achse“ Paris-Bonn unter Mitterrand und Kohl (1982-1991): Kontinuität
und Selbstverständlichkeit enger Kooperation und bilateralen
Sonderverhältnisses;
Verstärkung
der
sicherheitspolitischen
Kooperation unter dem Eindruck der Nachrüstungsproblematik;
verstärkte Bemühungen um Institutionalisierung der Kooperation;
gemeinsame Initiativen zur Vertiefung der europäischen Integration
und Kooperation (z.B. Fortentwicklung des EWS, EG-Außenhandelsund Technologiepolitik, Vorbereitung des Maastrichter Vertrages);
75
-
Χ
pragmatische
Behandlung
grundsätzlicher
außenund
sicherheitspolitische Divergenzen (Beziehungen zu den USA,
französische Nuklearwaffen etc.)
französische Rolle bei der Wiedervereinigung: zunächst massive
französische
Vorbehalte
und
Versuche
einer
neuen
Gleichgewichtspolitik mit Polen und Großbritannien gegen
Deutschland; nach Akzeptanz der deutschen Einheit kooperative
Unterstützung des Prozesses und Bemühung um dauerhafte
Einbindung Deutschlands in Europa; zu diesem Zweck auch
Akzeptanz vertiefter Integration der EG und pragmatischer
Souveränitätsverzicht
Frankreichs
bis
auf
existentielle
sicherheitspolitische Fragen gegenüber wachsenden deutschen
Vorbehalten gegenüber der europäischen Integration; französische
Akzeptanz der NATO gegenüber eigenständigerer Rolle Deutschlands
gegenüber den USA
Militärische Kooperation
Grundprobleme: starke deutsche Anlehnung an die USA zur Sicherung
des Friedens in Europa und zur Selbstbehauptung gegenüber der
Sowjetunion vs. französische Bestrebungen einer Beschränkung des
US-Einflusses bis hin zu einem unabhängigen Europa als dritte
weltpolitische Kraft; französische Vorbehalte gegenüber der deutschen
Einheit vs. Einheit als zentrales Ziel deutscher Außenpolitik; Grenzen
französischer Integrationsbreitschaft in Europa im Bereich als rein
national aufgefasster Verteidigungs- und Großmachtpolitik vs.
deutscher Bereitschaft weitgehender Integration in Europa; deutsche
Vorbehalte gegenüber französischer Nuklearabschreckung, die im
prästrategischen Bereich deutsches Gebiet betrifft (Pluton- und HadèsRaketen)
1982: Gründung des deutsch-französischen Ausschusses hoher ziviler
und
militärischer
Beamte
aus
den
Außenund
Verteidigungsministerien
1983: Unterstützung Frankreichs für die NATO-Nachrüstung
1983/84: französische Vorschläge einer deutschen Beteiligung an der
Stationierung der neuen Hadès-Kurzstreckenraketen mit faktischem
Vetorecht der Bundesrepublik gegen den Einsatz prästrategischer
französischer Systeme („Zwei-Schlüssel-Prinzip“); Ablehnung durch
die Bundesregierung wegen Selbstbeschränkung im ABC-Bereich und
fraglicher US-Position
1985: EUREKA-Projekt auf französische Initiative als europäische
Antwort auf SDI
1986: Vereinbarung über Konsultationen für den Fall eines
französischen prästrategischen Nukleareinsatzes auf deutschem
Gebiet
Bemühungen um Intensivierung der gegenseitigen Ausbildung und
Interoperabilität, z.B. durch gemeinsame Großmanöver 1987 und 1989
76
-
-
1987: Intensivierung der Rüstungskooperation (z.B. gemeinsamer
Kampfhubschrauber); französischer Vorschlag, den Nuklearschirm
auch offiziell auf die Bundesrepublik auszudehnen („sanctuaire élargi“)
1988:
Ergänzungsprotokoll
zum
Elysée-Vertrag;
mindestens
halbjährlich tagender deutsch-französischer Verteidigungs- und
Sicherheitsrat aus Staats- und Regierungschefs, Außen- und
Verteidigungsministern und Generalinspekteur bzw. Generalstabschef;
Aufgaben: Erarbeitung gemeinsamer Positionen zu Verteidigung und
Sicherheit, Abstimmung der Verteidigungspolitik, Beschlussfassung
über gemischte Militärverbände, Verbesserung der Interoperabilität
1988: Beschluss zur deutsch-französischen Brigade, seit 1991
einsatzbereit
1991: Anregung der Erweiterung multinationaler europäischer
Verbände im Rahmen der WEU; Grundlage des Europkorps
77
12. Die Deutsche Frage
12.1 Hintergrund
Χ
Deutschland nach 1945
Jalta-Konferenz (Februar 1945): Festlegung der Curzon-Linie als
polnische Ostgrenze und Entschädigung durch deutsche Ostgebiete
(“Westverschiebung” Polens)
Potsdamer Konferenz (August 1945): Aufteilung Deutschlands in vier
Besatzungszonen; Ostgebiete als Teil der SBZ, vorbehaltlich eines
Friedensvertrages
Sowjetisch-polnischer Vertrag (August 1945): Grenzen unter
Friedensvertragsvorbehalt, aber Versuch, vollendete Fakten zu
schaffen
Abtrennung des Saargebietes von der französischen Besatzungszone,
“politische Unabhängigkeit von Deutschen Reich” und Wirtschaftsunion
mit Frankreich 1946/47
Χ
Entwicklung der beiden deutschen Staaten
Berlinblockade 1948/49
Gründung der Bundesrepublik und der DDR 1949
Petersberger Abkommen zur Erweiterung der bundesdeutschen
Souveränität 1949
“Byrnes-Plan” 1946: Beendigung der Besatzung, aber völlige
Entmilitarisierung Deutschlands und deren Kontrolle durch die
Siegermächte für 25 Jahre
“Stalin-Note”
an
die
Westmächte
1952:
Angebot
der
Wiedervereinigung gegen Neutralisierung
Deutschlandvertrag und Überleitungsvertrag zur Ablösung des
Besatzungsstatuts 1952
Niederschlagung des Berliner Arbeiteraufstandes durch die Sowjets
1953
Eden-Pläne
1954/55:
gesamtdeutsche
Wahlen
zu
einer
verfassungsgebenden Nationalversammlung und Bestimmung einer
deutschen Regierung (jeweils unter Aufsicht der Vier Mächte);
Abschluss eines Friedensvertrages; zugleich Zusicherung eines
Vertrages
über
zu
überwachende
Rüstungsbeschränkungen
Deutschlands (als NATO-Mitglied), Stationierungsbegrenzungen in
Ostdeutschland, Gewaltverzicht und kollektives Sicherheitssystem mit
Ziel einer Verhinderung neuerlicher deutscher Aggression
Sowjetische Souveränitätserklärung für die DDR 1954
Inkrafttreten des Deutschlandvertrages 1955
Vertrag über die Beziehungen zwischen der DDR und der Sowjetunion
1955: formale Souveränität der DDR
Aufnahme von Bundesrepublik und DDR in NATO bzw. Warschauer
Pakt 1955
Volksabstimmung über das Saarstatut 1955: Ablehnung einer
“Europäisierung” des Saargebiets
78
-
-
Χ
Deutsch-französischer Vertrag über das Saargebiet 1956
Rückkehr des Saargebietes zur Bundesrepublik 1957
Sowjetischer Friedensvertragsentwurf 1959: Beendigung des
Kriegszustandes und der Besatzung (Art.1); Abschluss mit DDR und
Bundesrepublik als Teile Deutschlands bis zur Wiedervereinigung
(Art.2); Nichteinmischung und Gewaltverzicht (Art.4); keine
Mitgliedschaft in einem Militärbündnis, ausgenommen Mitgliedschaft
aller Vier Mächte; Austritt aus Warschauer Pakt, WEU und NATO
(Art.5); Grenzen zum 1. Januar 1959 (Art.8); Verzicht auf
Gebietsansprüche im Osten (Art.9) und Westen (Art.12);
Anschlussverbot Österreichs (Art.13); Rüstungsbeschränkung: keine
ABC-Waffen, Raketen und Lenkwaffen, Bomber und Unterseeboote
(Art.29)
Herter-Plan 1959: Stufenplan zur Wiedervereinigung und gleichzeitigen
Schaffung von sukzessive sinkenden Rüstungsobergrenzen in
festzulegenden geographischen Gebieten in Deutschland und Europa
sowie zwischen den Vier Mächten (besonders USA und Sowjetunion);
Friedensvertrag mit einer gesamtdeutschen Regierung auf der Basis
einer in einer gemeinsamen deutschen Kommission ausgearbeiteten
Verfassung; ABC-Waffenverbot für Deutschland; Kontrolle von
Rüstungsbeschränkungen durch die Vier Mächte
Mauerbau 1961: Unterbindung der Ost-West-Wanderung durch die
DDR
Ostpolitik der Regierung Brandt seit Ende der 60er Jahre
Aufnahme der beiden deutschen Staaten in die Vereinten Nationen
1972
Sicherheitspolitische Relevanz der Deutschen Frage
Quelle von Interessengegensätzen zwischen den Westmächten und
der Sowjetunion
rechtlich ungeklärte Grenzfragen (insbesondere deutsche Ostgebiete,
polnische Grenzen)
prinzipielle Spannungen zwischen europäischer Integration und
deutscher Einheit als Zielen der Bundesrepublik
Konkurrenzverhältnis der beiden deutschen Staaten
Frage nach der Rolle eines vereinten Deutschland in Europa
12.2 Rechtsstellung Deutschlands bis 1990 (ohne Berlin)
Χ
DDR-Auffassung
zunächst in Anlehnung an sowjetische Interessen einer weiteren
Einflussnahme auf alle Besatzungszonen Festhalten an der deutschen
Einheit; nach Gründung der Bundesrepublik Theorie, dass die DDR der
Kern des weiterbestehenden Deutschlands ist
mit
fortschreitendem
Legitimationsbedürfnis
gegenüber
der
Bundesrepublik Übergang zur Theorie, das Deutsche Reich sei 1945 in
Folge des Krieges untergegangen (“Debellation”); DDR und
Bundesrepublik damit zwei selbständige Staaten
79
-
Χ
verstärkte Abgrenzung in den 60er Jahren (zwei Staaten mit zwei
Völkern, aber Ziel einer sozialistischen deutschen Nation) und seit den
70er Jahren: Spaltung und Zerstörung der deutschen Nation durch die
Bundesrepublik (Wiederaufrüstung, NATO etc.); daher DDR als
eigener Nationalstaat
Bundesdeutsche Auffassung
Weiterbestehen des Deutschen Reiches (keine Debellation oder
Dismembration, daher auch keine Sukzession): rein militärischer
Charakter der bedingungslosen Kapitulation vom 7. und 8.5.1945;
Weiterbestehen der deutschen Regierungsgewalt auf mittlerer und
unterer Ebene auch nach Verhaftung der Regierung Dönitz am
23.5.1945; Übernahme der “obersten Regierungsgewalt” ohne
Annexion Deutschlands durch die Siegermächte in der Berliner
Erklärung vom 5.6.1945; Deutschland als Ganzes ist weiter existent,
aber nicht handlungsfähig
Beschränkte deutsche Souveränität: Besatzungsrecht als neben dem
deutschen Verfassungsrecht stehend; Souveränitätsbeschränkung der
Bundesrepublik und der DDR auch nach Inkrafttreten des
Deutschland- (Grundlagen-) Vertrages bzw. des Vertrages zwischen
der DDR und der Sowjetunion 1955, da sich die Westmächte ihre
“Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland
als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung und einer
friedensvertraglichen Regelung” (Art.2 DV) und die Sowjetunion die
Funktionen zur Gewährleistung der Sicherheit und aus Verpflichtungen
durch die Viermächteabkommen vorbehalten
Verhältnis der beiden deutschen Staaten: keine Aufgabe der Einheit
Deutschlands; Identitätstheorie (Bundesrepublik als Staatskern
Gesamtdeutschlands, aber ohne tatsächliche Staatsgewalt im ganzen
Staatsgebiet)
oder
Teilidentitätstheorie
(Bundesrepublik
und
Deutsches Reich als Rechtssubjekte identisch, aber effektive
Staatsgewalt nicht umfassend); Weiterführung der Verträge des
Deutschen Reiches (einschließlich Schulden etc.); in den 50er und
60er Jahren Alleinvertretungsanspruch und “Hallsteindoktrin” (keine
diplomatischen Beziehungen mit Staaten, die gleichzeitig solche
Beziehungen mit der DDR unterhalten); pragmatische Position seit
Ende der 60er Jahre (politische, aber keine rechtliche Anerkennung
der DDR)
Konsequenzen für die territorialen Fragen: bundesdeutsches Bestehen
auf dem Gebietsstand des deutschen Reiches vom 31.12.1937 und
keine Anerkennung der Abtretung der Ostgebiete (bestätigt durch
Vertrag Polens mit der DDR 1950); endgültige Gebietsabtretungen nur
durch eine friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland;
Grenzverträge mit Belgien (1956), Luxemburg (1959), den
Niederlanden (1960), Frankreich (1962) und der Schweiz (1964)
stehen
unter
analogem
Vorbehalt wie im
“versteinerten
Besatzungsrecht” nach Art.1 Überleitungsvertrag und Art.2
Deutschlandvertrag festgeschrieben; entsprechend keine rechtlich
80
endgültige Regelung der Ostgrenzen durch die Ostverträge (tw.
explizite Friedensvertragsvorbehalte)
12.3 Völkerrechtliche Regelung der deutschen Einheit
Χ
2+4-Verhandlungen von
Bundesrepublik und DDR)
Χ
Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland
(Moskau, 12.9.1990) als Ersatz für einen Friedensvertrag
Bestätigung des Friedenszustandes mit Deutschland (Präambel
VARD)
endgültige Grenzen: Deutschland = BRD + DDR + Berlin (Art.1 I
VARD); Verpflichtung zur völkerrechtlichen Bestätigung der OderNeiße-Grenze mit Polen (Art.1 II VARD); keine deutschen
Gebietsansprüche (Art.1 III VARD); endgültige Bestätigung der
Grenzen durch die Siegermächte (Art. 1 V VARD)
Gewaltverzicht: Verfassungswidrigkeit und Strafbarkeit eines
Angriffskrieges und seiner Vorbereitung; Waffengewalt nur in
Übereinstimmung mit UN-Charta und Verfassung (Art.2 VARD)
Rüstungsbeschränkung: Verzicht auf Herstellung, Besitz und
Verfügungsgewalt
von
ABC-Waffen,
Beachtung
des
Nichtverbreitungsvertrages (Art.3 I VARD); Kenntnisnahme der
deutschen Selbstverpflichtung auf maximale BW-Stärke von 370.000
Mann, davon höchstens 345.000 in Heer und Luftwaffe (Art.3 II, III
VARD)
Verpflichtung zur vertraglichen Regelung des Abzuges der Roten
Armee bis Ende 1994 (Art.4 VARD)
Stationierungsbeschränkungen in der ehemaligen DDR: keine Truppen
unter Bündnisbefehl bis zum Abzug der Sowjets (Art.5 I VARD);
Aufrechterhaltung der westlichen Präsenz in Berlin bis zum Abzug der
Sowjets (Art.5 II VARD); Stationierung von deutschen Truppen im
Bündnis nach dem Abzug der Sowjets, aber keine ausländischen
Truppen und keine Nuklearwaffenträger (Art.5 III VARD)
keine Beschränkung, Bündnisse zu schließen (Art.6 VARD)
Beendigung der Viermächterechte in bezug auf Berlin und Deutschland
als Ganzes (Art.7 I VARD); Anerkennung der vollen Souveränität
Deutschlands (Art.7 II VARD)
Ratifikation des Vertrages durch das vereinte Deutschland (Art.8
VARD)
Χ
Zusätzlich relevante und ergänzende Rechtsakte
Einigungsvertrag zwischen Bundesrepublik und DDR vom 31.8.1990
Gemeinsamer Brief des Bundesaußenministers und des DDRMinisterpräsidenten
an
die
Siegermächte
vom
12.9.1990
(völkerrechtlich relevanter Bestandteil der Geschäftsgrundlage des
2+4-Vertrages): keine Rücknahme der Enteignungen in der SBZ 194549; Pflege der sowjetischen Denkmäler und Kriegsgräber in
Mai
bis
81
September
1990
(Siegermächte,
-
-
-
Ostdeutschland; Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vor
Wiederaufleben des Nationalsozialismus
Suspendierungserklärung
der
Siegermächte vom
1.10.1990:
Aussetzung der Vier-Mächte-Rechte bis zur Ratifikation des 2+4Vertrages
Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3.10.1990
Deutsch-sowjetisches Abkommen über überleitende Maßnahmen vom
9.10.1990:
Finanzierung
des
Truppenabzuges,
eines
Wohnungsbauprogrammes
sowie
von
Umschulungsund
Arbeitsmarktmaßnahmen durch Deutschland
Deutsch-sowjetischer Vertrag über den sowjetischen Truppenabzug
vom 12.10.1990
Deutsch-sowjetischer Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft
und Zusammenarbeit vom 9.11.1990: Nichtangriffsbestimmungen
(Art.3 DSV); gemeinsames Krisenmanagement und regelmäßige
Konsultationen (Art.6, 7 DSV); gegenseitige Unterstützung in
internationalen Organisationen (Art.20 DSV)
Deutsch-polnischer Grenzvertrag vom 14.11.1990: Bestätigung der
bestehenden Grenze (Art.1 DPGV); Unverletzlichkeit der Grenze (Art.2
DPGV); keine Gebietsansprüche (Art.3 DPGV)
82
13. Rüstungskontroll- und Entspannungspolitik
13.1 Ausgangslage
Χ
Globale Abrüstungsbemühungen
Abrüstung und Vereinte Nationen seit 1945: Diskussion von
Rüstungsfragen in Vollversammlung und Abrüstungskommission
Conference on Disarmament: seit 1962 in Genf; Beteiligung von
NATO, Warschauer Pakt, Neutralen und Blockfreien; einziges globaler,
permanentes Forum mit allen fünf Veto-Mächten des Sicherheitsrates
und den nicht paktgebundenen Staaten
Χ
Strategische Rahmenbedingungen
MAD: seit Anfang der siebziger Jahre nuklearstrategische
Zweitschlagfähigkeit von USA und Sowjetunion; Erfahrung der KubaKrise 1962
Bereitschaft der Sowjetunion, eigene Hegemonialzone militärisch
aufrechtzuerhalten
Konventionelles Ungleichgewicht in Europa
Nukleare Kurz- und Mittelstreckensysteme: NATO-Doppelbeschluss
1979
13.2 Rüstungskontrollabkommen bis in die achtziger Jahre
Χ
USA - Sowjetunion
„Heißer Draht“ 1963: ständige direkte Nachrichtenverbindung
ABM-Vertrag 1972: Begrenzung von Systemen zur Abwehr
ballistischer Raketen auf zwei Stellungsräume mit maximal 100
Systemen pro Land
SALT I-Abkommen 1972: Begrenzung der Interkontinentalraketen für
fünf Jahre
Abkommen zur Verhinderung eines Atomkrieges 1973: gegenseitige
Konsultationspflicht und Gewaltverbot
SALT II 1979: Begrenzung interkontinentaler Trägersysteme auf je
2.250
Abkommen zur Verhinderung nuklearer Erpressung 1985:
Verhaltensmaßregeln für nukleare Erpressungsversuche durch
Terroristen
Χ
Frankreich - Sowjetunion
„Heißer Draht“ 1966
Kriegsverhinderungsvereinbarung 1976: Verhütung eines ungewollten
Atomkrieges und Konsultationspflicht
Χ
Großbritannien - Sowjetunion
„Heißer Draht“ 1967
Kriegsverhinderungsabkommen 1977
83
Χ
Multilaterale Abkommen
Antarktisvertrag 1959: Entmilitarisierung der Antarktis
Atomteststoppabkommen 1963: Verbot von Atomtests in der
Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser
Weltraumvertrag 1967: ABC-Stationierungsverbot im Weltraum
Nichtverbreitungsvertrag 1968: keine Proliferation von Kernwaffen
Meeresbodenvertrag 1971: keine Stationierung von Nuklearwaffen auf
dem Meeresgrund
B-Waffenkonvention 1972: Verbot der Entwicklung, Herstellung und
Lagerung biologischer Waffen
Umweltkriegsübereinkommen 1977: Verbot umweltverändernder
Kriegstechniken
Mondvertrag 1979: Entmilitarisierung des Mondes
13.3 Entspannung und Ostpolitik
Χ
Hintergrund
50er und 60er Jahre: sowjetische Versuche, eine europäische
Konferenz zur Regelung der europäischen Beziehungen ohne USA
einzuberufen
nach 1968: Breschnew-Doktrin; Argumentation in Richtung
Gleichberechtigung, Anerkennung der Souveränität, wirtschaftliche
Kooperation; Ausschluss militärischer Fragen
in den 70er Jahren: sowjetisches Ziel einer Anerkennung des Status
quo; westliches Ziel eines friedlichen Wandels; beiderseitiger Wunsch
nach Abbau von Konfrontation und Kriegsrisiko
Χ
Ostverträge
Resultat bundesdeutscher Entspannungsbemühungen (Brandt) trotz
weiterhin rechtlich ungeklärter Deutscher Frage; politische
Anerkennung der Grenzen und der DDR
Gewaltverzichtsvertrag mit der Sowjetunion (August 1970)
Grundlagenvertrag mit Polen (Dezember 1970)
Grundlagenvertrag mit der DDR (Dezember 1972)
Vertrag mit der Tschechoslowakei (Dezember 1973)
13.4 KSZE-Prozeß (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa)
Χ
Helsinki-Konferenz
Dauer: 1973-75; Teilnehmer: alle europäischen Staaten außer
Albanien, dazu USA und Kanada
Prinzipien:
kein
völkerrechtlicher
Vertrag,
sondern
Regierungsabkommen,
dadurch
Flexibilität
für
Sowjetunion;
pragmatische Gestaltung, insbesondere durch Europäer
Verhandlungsbereiche:
Korb
1
(sowjetisches
Interesse):
Sicherheitsfragen (Status quo); Korb 2 (westeuropäisches Interesse):
Wirtschaft (Befriedung und Wandel durch Handel), Wissenschaft,
84
-
-
-
Technik, Umwelt; Korb 3 (US-Interesse): menschliche Kontakte,
Menschenrechte, Kultur
Schlussakte von Helsinki 1975: Stärkung der Zusammenarbeit in
Europa; Förderung der Beziehungen zwischen den Menschen und
Achtung der Menschenrechte; wirtschaftliche, kulturelle und
umweltpolitische Kooperation; vertrauensbildende Maßnahmen zur
Erhöhung der Sicherheit; gegenseitige Achtung der Grenzen und
friedliche Streitbeilegung; Verzicht auf Drohung mit Waffengewalt und
Intervention; Folgemaßnahmen (Konferenzen)
positive Wirkung: Kommunikation zwischen den Blöcken und
Festlegung von „Spielregeln“ zur Konfliktlösung; öffentliche
Anprangerung von Menschenrechtsverletzungen (von der Sowjetunion
unterschätzt); Einbindung beider Weltmächte (auch USA); Akzeptanz
des strategischen Status quo; größere Unabhängigkeit Europas;
Vertrauensbildung zwischen den Blöcken; Initiierung eines Prozesses
Konferenzprojekte aus den einzelnen Körben: konventionelle
Abrüstung; Ost-West-Wirtschaftskonferenz; Menschenrechtskonferenz
Χ
KSZE-Folgetreffen
Belgrad 1977/78: Schlagabtausch über Menschenrechtsfragen;
Expertenkonferenzen zu den einzelnen Körben
Madrid 1980-83: Mandat für die Konferenz über Vertrauens- und
Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE);
trotz Afghanistan, Polen und Nachrüstung kein Ende des Prozesses;
deutliche Diskrepanz zwischen EG-Staaten (Betonung humanitärer
Erleichterungen
und
wirtschaftlicher
Kooperation)
und
Nordamerikanern (Betonung grundsätzlicher Menschenrechte und der
Afghanistanintervention); Expertenkonferenzen zu sachlich begrenzten
Themen
Wien 1986-89: Ziel einer Institutionalisierung des Prozesses;
Begutachtung der KVAE-Ergebnisse; Wiener Dokument 90: militärisch
relevante,
verbindliche
und
verifizierbare
vertrauensbildende
Maßnahmen; Mandat für KSE-Verhandlungen (Konventionelle
Stabilität in Europa)
Pariser Gipfel (November 1990): „Charta von Paris für ein
gemeinsames Europa“ Institutionalisierung (Gipfeltreffen alle 2 Jahre;
jährliche
Außenministertreffen;
Einrichtung
eines
Konfliktverhütungszentrums in Wien; kommunikationstechnologische
Verknüpfung der Regierungszentren der Mitgliedsländer); gemeinsame
Deklaration von Warschauer Pakt und NATO; KSE-Abrüstungsvertrag
Χ
KVAE
Teilnehmer: alle KSZE-Staaten; Ort: Stockholm; Dauer: 1984-86
Verhandlungsgegenstände: vertrauens- und sicherheitsbildende
Maßnahmen in ganz Europa vom Atlantik bis zum Ural
beschlossene Maßnahmen: Gewaltverzicht; Manöverankündigung (42
Tage wenn mehr als 13.000 Mann und 300 Kampfpanzer beteiligt);
Manöverkalender für das folgende Jahr; Beschränkung des
85
Manöverumfangs (mehr als 40.000 Mann nur bei einem, mehr als
75.000 Mann nur bei zwei Jahren Vorankündigung); Inspektion der
Maßnahmen vor Ort (drei Inspektionen pro Jahr und Land)
Χ
KSE
Teilnehmer: Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts und der NATO;
Ort: Wien; Dauer: 1989-90
Ziel: konventionelle Abrüstung und Rüstungskontrolle; quantitative
Parität durch asymmetrischen Abbau konventioneller Kräfte
Ergebnis: KSE-Vertrag (November 1990) mit kollektiven Obergrenzen
für Waffensysteme in geographischen Staatengruppen mit nationalen
Maximalstärken (komplementäre Zentralzone, erweiterte Zentralzone
und
periphere
Zone;
geschlossene
Flankenzone);
Hinlänglichkeitsklausel: kein Staat mit mehr als ca. einem Drittel aller
Systeme insgesamt; Durchführungsphasen zum Abbau überzähliger
Systeme nach Inkrafttreten (Juli 1992): 25 Prozent in 16 Monaten; 60
Prozent in 28 Monaten; 100 Prozent in 40 Monaten
Bestimmungen über Obergrenzen: insgesamt 20.000 Kampfpanzer,
30.000 gepanzerte Kampffahrzeuge, 20.000 Artilleriesysteme, 6.800
Kampfflugzeuge, 2.000 Kampfhubschrauber (davon nicht aktiv: 3.500
Kampfpanzer,
2.700
gepanzerte
Kampffahrzeuge,
3.000
Artilleriesysteme); Zentralzone (Benelux, Deutschland, CSFR, Polen,
Ungarn): 7.500 Kampfpanzer, 11.250 gepanzerte Kampffahrzeuge,
5.000 Artilleriesysteme; erweiterte Zentralzone (Zentralzone +
Großbritannien,
Frankreich,
Dänemark,
Italien,
sowjetische
Militärbezirke Baltikum, Weißrussland, Kiew und Karpaten): 10.300
Kampfpanzer,
19.260
gepanzerte
Kampffahrzeuge,
9.100
Artilleriesysteme; Periphere Zone (erweiterte Zentralzone + Portugal,
Spanien, sowjetische Militärbezirke Moskau und Wolga-Ural): 15.300
Kampfpanzer,
24.100
gepanzerte
Kampffahrzeuge,
14.000
Artilleriesysteme; Flankenzone (Griechenland, europäische Türkei,
Norwegen, Island, Bulgarien, Rumänien, übrige sowjetische
Militärbezirke bis zum Ural): 7.500 Kampfpanzer, 11.250 gepanzerte
Kampffahrzeuge,
5.000
Artilleriesysteme;
einzelstaatliche
Maximalstärke:
13.300
Kampfpanzer,
20.000
gepanzerte
Kampffahrzeuge, 13.700 Artilleriesysteme, 5.150 Kampfflugzeuge,
1.500 Kampfhubschrauber
Ergänzung durch KSE-Ia-Vertrag (1992): Obergrenzen für nationale
Personalstärken
Χ
Vorläufer von KSE: MBFR (Mutual Balanced Forces Reduction Talks)
Teilnehmer: Mitgliedsstaaten der NATO-Militärintegration und des
Warschauer Paktes; Ort: Wien; Dauer: 1973 bis zum Aufgehen in KSE
Ziel: konventionelle Truppenreduktion in Mitteleuropa (Belgien,
Bundesrepublik, Niederlande, Luxemburg, CSSR, DDR, Polen)
86
13.5 Genfer Rüstungskontrollverhandlungen
Χ
Hintergrund
Ausklammerung von nuklearen Systemen aus den europäischen
Verhandlungen; bilaterale Verhandlungen zwischen USA und
Sowjetunion nach dem NATO-Doppelbeschluss nach 1981 (zeitweise
Unterbrechung 1983-85)
Verhandlungsgegenstände: nukleare Mittelstreckensysteme kurzer und
längerer
Reichweite;
strategische
Nuklearsysteme;
Raketenabwehrsysteme
Χ
Ergebnisse
INF (Intermediate Nuclear Forces) 1987: nach bundesdeutschem
Verzicht auf Pershing Ia „doppelte Nulllösung“
START (Strategic Arms Reduction Talks) 1991: Obergrenzen von je
1.600 ballistischen Raketen und 6.000 Sprengköpfen; verschiedene
Zwischengrenzen und Dislozierungsverbote; Vor-Ort-Verifikation
START II: Reduktion auf je 3.500 Sprengköpfe; Verbot landgestützter
Interkontinentalraketen mit separat programmierbaren Mehrfachsprengköpfen
87
14. Die Auflösung des Systems des Kalten Krieges
14.1 Chronologie
Χ
1979
Januar: Eroberung Kambodschas durch vietnamesische Truppen
Februar: Islamische Revolution im Iran; chinesisch-vietnamesischer
Grenzkrieg
März: Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten
Juni:
erste
Direktwahlen
zum
Europäischen
Parlament;
Unterzeichnung von SALT II
Juli: Saddam Hussein Staatspräsident des Irak; Sturz Somozas in
Nicaragua
November: Besetzung der US-Botschaft in Teheran
Dezember: NATO-Doppelbeschluss; Einmarsch sowjetischer Truppen
in Afghanistan
Χ
1980
Januar: Inkrafttreten des Transitabkommens zwischen Bundesrepublik
und DDR; Verhängung von westlichen Sanktionen gegen die
Sowjetunion
April: US-Wirtschaftsboykott gegen den Iran; Scheitern der Befreiung
der US-Geiseln in Teheran
Mai: Tod Titos
Juli: Erklärung Jerusalems zur Hauptstadt Israels; Warnung vor
Umweltkatastrophen durch “Global 2000"
September: Beginn der Wirtschaftsreformen in China; Militärputsch in
der Türkei; irakischer Angriff auf den Iran, Beginn des Ersten
Golfkriegs
Oktober: gerichtliche Registrierung des freien Gewerkschaftsbundes
“Solidarität” in Polen
November: Wahl Ronald Reagans zum US-Präsidenten
Χ
1981
Januar: Beitritt Griechenlands zur EG; Ende der Teheraner Geiselkrise
Februar: General Jaruzelski Ministerpräsident
April: Beginn der bundesdeutschen Ostermärsche gegen atomare
Rüstung
Mai: Wahl François Mitterrands zum französischen Staatspräsidenten
Juni: Zerstörung des irakischen Atomreaktors Osirak durch Israel
Oktober: Großdemonstration von 300.000 Menschen in Bonn gegen
den NATO-Doppelbeschluss
November: Beginn der Verhandlungen über den Abbau der
Mittelstreckenraketen in Europa
Dezember: Kriegsrecht in Polen; Annexion der Golanhöhen durch
Israel
88
•
1982
Februar: Verkündung von Finanz- und Waffenhilfe für alle nichtlinksgerichteten Regierungen Zentralamerikas durch Reagan
April: Besetzung der Falklandinseln durch Argentinien; völlige
Räumung des Sinai durch Israel; 500.000 Teilnehmer bei den
bundesdeutschen Ostermärschen
Mai: Beitritt Spaniens zur NATO
Juni: Beginn des israelischen Libanonfeldzuges; Niederlage
Argentiniens im Falklandkrieg; Beginn des amerikanisch-sowjetischen
Verhandlungen über die Reduzierung strategischer Waffen;
Großdemonstration von 500.000 Menschen in New York gegen
Atomwaffen
Juli: Unterzeichnung des “Erdgas-Röhren-Geschäfts” zwischen
Bundesrepublik und Sowjetunion
September: Ende der sozialliberalen Koalition, “Wende” in Bonn
Oktober: Helmut Kohl Bundeskanzler
November: Tod Breschnews; Andropow Staats- und Parteichef der
Sowjetunion
Dezember: Ende des Kriegsrechts in Polen
•
1983
-
März: Verkündung der SDI-Pläne durch Reagan
April: 700.000 Teilnehmer bei den bundesdeutschen Ostermärschen
August: französische Intervention im Tschad
September: Ende der KSZE-Folgekonferenz in Madrid
Oktober: massive Proteste der bundesdeutschen Friedensbewegung
(1,3 Millionen Teilnehmer); US-Invasion in Grenada
November: Genehmigung der Stationierung US-amerikanischer
Mittelstreckenraketen durch den Bundestag; Abbruch der INFVerhandlungen durch die Sowjetunion; freie Wahlen in der Türkei
Dezember: Abbruch der START-Verhandlungen durch die Sowjetunion
•
1984
Februar: Tod Andropows; Tschernenko Staats- und Parteichef der
Sowjetunion
April: Beginn einer sowjetischen Großoffensive in Afghanistan
Juli: Jacques Delors Präsident der EG-Kommission
Oktober: Verlängerung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik von 15
auf 18 Monate; Beschluss umfangreicher Wirtschaftsreformen in China
November: Wiederwahl Ronald Reagans
•
1985
März: Tod Tschernenkos; Michail Gorbatschow Generalsekretär der
KPdSU; Beginn von “Glasnost” Aufforderung der Verbündeten zur
aktiven Mitarbeit an SDI durch die US-Regierung
Juni: Rückzug Israels aus dem Libanon (bis auf Pufferzone im Süden)
September: Einstellung der sowjetischen Offensive in Afghanistan
November: Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Reagan in Genf
89
-
Dezember: Binnenmarktprojekt der EG; Ablehnung einer deutschen
Beteiligung an SDI
•
1986
Januar: Beitritt Spaniens und Portugals zur EG; Dreistufenplan
Gorbatschows zum Abbau aller Atomwaffen bis 2000
Februar: Proteste in Jugoslawien gegen die angebliche Gefährdung
der Serben im Kosovo; Proklamation radikaler Wirtschaftsreformen in
der Sowjetunion
April: US-Luftangriffe auf Libyen wegen Terrorismusunterstützung
Mai: Kündigung des nichtratifizierten SALT II-Abkommens durch die
USA
Juli: Ankündigung eines sowjetischen Teilrückzuges aus Afghanistan
September: Beschluss zur Freilassung aller politischen Gefangenen in
Polen
Oktober: Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Reagan in Reykjavik
November: Iran-Contra-Affäre in den USA
•
1987
Februar: Distanzierung Honeckers und Ceausescus von Gorbatschows
Reformplänen
Juni:
Befürwortung
der
doppelten
Nulllösung
durch
die
Bundesregierung
Oktober: Nationalitätenunruhen im Kosovo
Dezember: INF-Abkommen; Beginn der Intifada in den israelisch
besetzten Gebieten
•
1988
Januar: sowjetisch-afghanische Beratungen über den sowjetischen
Truppenabzug; Abkommen zwischen den USA und Spanien über die
Schließung des US-Stützpunktes bei Madrid
Februar: Forderungen Gorbatschows nach einer Intensivierung der
“Perestroika”; Beginn des sowjetischen Mittelstreckenraketen-Abzuges
aus der DDR und der CSSR
März: Waffenstillstand in Nicaragua
April: Abkommen zwischen USA, Sowjetunion, Pakistan und
Afghanistan über den sowjetischen Abzug aus Afghanistan
Mai: Ablösung Kadars und Beginn der Reformen in Ungarn
Juli: Manfred Wörner NATO-Generalsekretär
August:
Ende
des
Ersten
Golfkrieges;
Unabhängigkeitsdemonstrationen im Baltikum
Oktober: regimekritische Demonstration in Ostberlin; Gorbatschow
Staatspräsident der Sowjetunion
November: Wahl George Bushs sen. zum US-Präsidenten
Dezember:
Ankündigung
einseitiger
Abrüstungsschritte
der
Sowjetunion
90
•
1989
Januar: Genehmigung politischer Parteien in Ungarn
Februar: Beendigung des sowjetischen Truppenabzugs aus
Afghanistan
April: Wiederzulassung der Gewerkschaft “Solidarität”
Mai: Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze; Vorschlag der
Warschauer Pakt-Staaten, die Militärbündnisse aufzulösen
Juni: Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking; “Runder
Tisch” zwischen Regierung und Opposition in Budapest
August: Massendemonstrationen für die Souveränität der baltischen
Staaten
September: Massenflucht von DDR-Bürgern über Ungarn nach
Österreich; Ausreiseerlaubnis für DDR-Botschaftsflüchtlinge in
Warschau und Prag; Beendigung des vietnamesischen Abzuges aus
Kambodscha
Oktober: Massendemonstrationen in der DDR; Rücktritt Honeckers;
Anerkennung der Neutralität Finnlands durch die Sowjetunion
November: Rücktritt der Führung der Kommunistischen Partei der
CSSR; Rücktritt Schiwkows in Bulgarien; Massendemonstrationen in
der DDR; Rücktritt der Regierung Stoph; Öffnung der DDR-Grenze;
Zehn-Punkte-Plan Kohls zur Wiedervereinigung ohne Konsultation der
Verbündeten
Dezember: US-Invasion Panamas, Sturz und Hinrichtung Ceausescus;
Vaclav Havel Staatspräsident der CSSR; “Runder Tisch” in Ostberlin
•
1990
Januar: Selbstauflösung der polnischen KP; Allparteienregierung in der
DDR
Februar: Freilassung Nelson Mandelas; freie Wahlen in Litauen;
Intervention sowjetischer Truppen im Konflikt um Berg-Karabach
zwischen Armenien und Aserbeidschan; freie Wahlen in Nicaragua
März: erste freie Wahlen in der DDR; Zustimmung Gorbatschows zum
etappenweisen Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten;
Abwendung
der
italienischen
KP
vom
Kommunismus;
Unabhängigkeitserklärung
Litauens;
Unabhängigkeit
Namibias;
Ablösung Pinochets in Chile
Mai: Beginn der 2+4-Gespräche
Juni: Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion
zwischen Bundesrepublik und DDR; freie Wahlen in Bulgarien
Juli: Souveränitätserklärung der Ukraine; NATO-Gipfel in London
August: irakische Angriff auf Kuwait, Beginn des Zweiten Golfkrieges;
Unabhängigkeitserklärung
Estlands;
Beitrittsbeschluss
der
Volkskammer zur BRD; Einigungsvertrag
September: 2+4-Vertrag; Austritt der DDR aus dem Warschauer Pakt
Oktober: Beitritt der DDR zur Bundesrepublik; Beginn des
Bürgerkrieges in Ruanda; Abkommen über den sowjetischen
Truppenabzug aus Deutschland
91
•
November: Rücktritt Margaret Thatchers; UN-Ultimatum an den Irak
zum Rückzug aus Kuwait; Pariser Gipfel, formelle Beendigung des
Kalten Krieges und “Charta für ein neues Europa”
Dezember: Wahl Walesas zum polnischen Staatspräsidenten; erste
gesamtdeutsche Wahlen
1991
Januar: Beginn von “Desert Storm”; sowjetische Intervention in Litauen
und Lettland; deutsche Demonstrationen von 200.000 Menschen
gegen den Golfkrieg („Kein Blut für Öl!“)
Februar: offizielle Auflösung des Warschauer Paktes; Ende des
Zweiten Golfkriegs; Massendemonstrationen in Albanien
März: Massenflucht aus Albanien
April: Beginn des sowjetischen Truppenabzugs aus Polen; Einrichtung
der Kurdenschutzzonen im Irak; Souveränitätserklärung Georgiens
Juni: Jelzin Präsident der sowjetischen Teilrepublik Russland; Beginn
des jugoslawischen Bürgerkrieges durch Einsatz der Bundesarmee
gegen
Slowenien
und
Kroatien;
deutsch-polnischer
Freundschaftsvertrag
Juli: Unterzeichnung des START-Vertrages
August: Abspaltung Bosnien-Herzegowinas von Jugoslawien;
Putschversuch gegen Gorbatschow; Fluchtwelle aus Albanien
September: Beginn des Bosnischen Bürgerkrieges
Oktober: Unabhängigkeitserklärung Sloweniens und Kroatiens;
Präsentation des deutsch-französischen Eurokorps-Projekts
Dezember: Europäischer Rat zur Gründung der Europäischen Union in
Maastricht; Rücktritt Gorbatschows, Auflösung der Sowjetunion zum
Jahresende
14.2 Ursachen des Systemwandels
Χ
Die “Totrüstungs”-Hypothese
Betonung der Härte der NATO gegenüber der Sowjetunion
Grundidee: Hochrüstungspolitik unter Reagan als wirtschaftliche
Überforderung der Sowjetunion; daraus resultierend Zwang zu
Reformen, die von wirtschaftlichen auf das politische Feld
übersprangen, insbesondere durch den wachsenden Widerstand der
ausgebeuteten Bevölkerung und der immer schwieriger zu
kontollierenden Bündnispartner
letztliche Ursache des Systemwandels: wirtschaftliche und
gesellschaftlich-politische
Unzulänglichkeiten
der
Sowjetunion
(sozialistische
Zentralverwaltungswirtschaft,
politisches
Zwangssystem, Bürokratisierung und Korruption des Partei- und
Staatsapparates) d.h. Unfähigkeit, gleichzeitig den Lebensstandard der
Bevölkerung zu erhöhen und massive Rüstung zu betreiben;
Verbesserung der Beziehungen mit dem Westen als Folge der
Reformansätze
92
Χ
Die “Öffnungs”-Hypothese
Betonung der Rolle der Entspannung für die Auflösung des Systems
Grundidee: Ermöglichung des innenpolitischen Wandels in der
Sowjetunion erst durch Abkehr des Westens vom militärischen Druck
und Übergang zur Entspannung; westliche Hochrüstungspolitik als
Rechtfertigung des sozialistischen Zwangssystems und damit Ursache
der Verzögerung des Wandels; Legitimationsverlust der sowjetischen
Eliten im Zuge der Entspannungspolitik (Abbau von Feindbildern und
Bedrohungsabbau)
und
Neuanfang
durch
eine
neue
Politikergeneration
letztliche Ursache des Systemwandels: Befreiung der Sowjetunion vom
perzipierten Bedrohungsdruck und Möglichkeit der Durchsetzung
latenter Reformkräfte mit dem Ziel eines politischen und
wirtschaftlichen Umbaus der Sowjetunion bzw. der Lösung aus dem
Ostblock; Verbesserung der Beziehungen mit dem Westen als
Voraussetzung der Reformansätze
Χ
Die “Strukturwandels”-Hypothese
Betonung des langfristigen Strukturwandels des internationalen
Systems, der die Sowjetunion als erstes eingeholt hat
Grundidee: Überdehnung der Sowjetunion durch Konzentration auf
Behauptung ihrer internationalen Position durch den Rückgriff auf
traditionell-machtpolitische Instrumente (Militärpotential); Vernachlässigung ökonomisch begründeter Macht und relativer Einflussverlust
gegenüber der neuen “Handelswelt” (repräsentiert durch Staaten wie
Japan oder die Bundesrepublik); prinzipielle ähnliche Betroffenheit der
USA, jedoch aufgrund größeren wirtschaftlichen Potentials bessere
Behauptungschancen als die Sowjetunion (z.B. auch durch Nutzung
der “Friedensdividende”)
letztliche Ursache des Systemwandels: historisch gewachsener,
relativer Bedeutungsverlust militärisch-politischer im Vergleich zu
ökonomisch-politischer Macht in der Struktur des internationalen
Systems; Überholung des Machtstaates durch den Handelsstaat
Χ
Beurteilung
Kritik der Totrüstungshypothese: Versuch einer nachträglichen
Rationalisierung der westlichen Politik und Feindbildperzeption,
insbesondere der USA unter Reagan; tatsächlich Zweifel an deren
langfristigen und systematischen Ausrichtung; Unterschätzung des
KSZE-Prozesses, des politischen Lernprozesses auf beiden Seiten
und der Rolle des Rüstungswettlaufs für die innenpolitische
Stabilisierung der Sowjetunion (Bedeutung der historisch bedingten
sowjetischen “Sicherheitsmanie”)
Kritik der Öffnungshypothese: Überschätzung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Sowjetunion, auch auf militärischem Gebiet;
Übersehen der ursprünglich hauptsächlich wirtschaftlich orientierten
Reformen in der Sowjetunion, deren politischen Konsequenzen,
insbesondere der Kollaps der realsozialistischen Herrschaft, auch von
93
-
-
Gorbatschow
nicht
intendiert
waren;
Unterschätzung
der
Durchsetzungsfähigkeit autoritärer Regimes bei noch funktionierender
ökonomischer Mindestgrundlage
Kritik
der
Strukturwandelshypothese:
Unterschätzung
der
weiterbestehenden Bedeutung militärischer Macht im internationalen
System; Fehleinschätzung der Rolle und des Potentials der USA in der
internationalen Politik; Überschätzung von politischen Möglichkeiten
und Handlungswillen der Handelsmächte
Möglichkeit einer teilweisen Zusammenführung der beiden ersten
Thesen durch Hinweis auf das Harmelkonzept der NATO: Stärke und
Verständigung
14.3 Offene Fragen nach 1991
Χ
Zukunft der Transformationsländer, z.B.:
Herstellung und Sicherung demokratischer Regierungssysteme
wirtschaftlicher Aufbau
nationalistische und ethnische Konflikte
Χ
Neustrukturierung der NATO, z.B.:
Rolle der NATO in Europa und in der Welt
Verhältnis der USA zu den europäischen Partnern
politische und militärische Reorganisation
Erweiterung um die osteuropäischen Staaten
Χ
Gesamteuropäische Sicherheitsstrukturen, z.B.:
Einbindung Russlands in die europäische Sicherheit
Interessendivergenzen zwischen Ost- und Westeuropäern
Rolle der KSZE-Nachfolgeorganisationen (OSZE)
Verhältnis von OSZE und NATO
Χ
Europäische Integration, z.B.:
Vertiefung oder Abschwächung der politischen Integration
Ausgestaltung und Funktionsweise der Institutionen
Verhältnis EU – NATO – USA: EU als weltpolitischer Akteur oder
Friedenszone (Frage nach der „Finalität“)
Realisierung und Bewältigung der Erweiterung nach Osten und Süden
nationale Sonderinteressen und europäische (Sicherheits-) Politik (z.B.
Frankreich)
Χ
Rolle Deutschlands, z.B.:
nationale Interessen nach der Einheit
Einbindung in Europa
internationales Engagement für Frieden und Sicherheit
Χ
Internationale Friedenssicherung und Völkerrecht, z.B.:
Reform des UN-Sicherheitsrates
Möglichkeiten und Reorganisation der Vereinten Nationen
94
Χ
Interventionismus zugunsten von Menschenrechten
Neue Sicherheitsrisiken, z.B.:
Proliferation von Massenvernichtungswaffen
Gefährdung moderner Kommunikationsnetze
Umweltrisiken
Terrorismus und organisiertes Verbrechen
transnationale Migration
Energiesicherheit
95
15. Exemplarische (Übersichts-) Literatur
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Buchbender, Ortwin/Bühl, Hartmut/Quaden, Heinrich: (1987) Sicherheit und
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Bildung.
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International Relations: A Comprehensive Survey. New York: Longman (4. Aufl.).
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