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5.2.2 Nukleare Abschreckung
 Die Grundfrage der westdeutschen Sicherheitspolitik lautete: War die Sicherheit der
Bundesrepublik durch die Sowjetunion tatsächlich bedroht?
Die Antwort darauf ist davon abhängig, inwieweit die Sowjetunion als expansive und aggressive Macht in der
Nachkriegsphase eingeordnet wird. Auf westlicher Seite gab es drei Hauptsichtweisen, die die Sowjetunion jeweils unterschiedlich einschätzten.
Die erste Variante, die konservative, ging mehr oder weniger uneingeschränkt vom Bild einer expansiven Sowjetunion aus.
Die zweite, die liberale Variante, schätzte die Sowjetunion eher defensiv ein.
Die dritte, die opportunistische Variante, traute der Sowjetunion zwar Expansionsabsichten zu, nahm aber an, dass diese nur
sehr vorsichtig günstige Gelegenheiten ausnutzen würde, in der Regel aber zur Zurückhaltung neigte.
Variante eins und drei dominierten unter den Sicherheitspolitikern des Westens. Das Urvertrauen in die grundsätzlich
defensive Natur der Sowjetunion war eher in linksintellektuellen Kreisen und unter sich als Friedensforscher verstehenden
Wissenschaftlern verbreitet. Aus der Retrospektive dürfte die opportunistische Interpretationsvariante die plausibelste gewesen
sein.
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 Diese Einschätzung machte es für Sicherheitspolitiker nicht einfach. Sie konnten zwar
Vereinbarungen mit der Sowjetunion anstreben, mussten aber dennoch für alle Eventualitäten
gerüstet sein. Dies hieß, sich auf die Modalitäten des Nuklearzeitalters einzulassen.
Der Hauptzweck der Sicherheitspolitik konnte nicht mehr wie vorher darin bestehen, einen Krieg zu gewinnen, sondern ihn zu
vermeiden. Der womöglich erwartbare Nutzen eines Angriffs würde die Kosten des Risikos der Selbstzerstörung nicht
ausgleichen können.
Wirksame Abschreckungspolitik hatte also nicht nur den Verbündeten, sondern auch dem Gegner einen „Versicherungseffekt“
zu vermitteln.
Es entwickelte sich zwangsläufig unter den Gegnern eine alliance entre ennemis, ein Bündnis zwischen Feinden im Sinne
einer Gefahrengemeinschaft des Schreckens.
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 In der Bündnislogik lief die genannte Allianz zwischen den Feinden auf eine Schwächung der
Allianz zwischen den Freunden hinaus. Das galt für die NATO wie für den Warschauer Vertrag.
Letzterer hatte allerdings den Vorteil, dass die Sowjetunion ziemlich frei über die Köpfe ihrer kleinen Satellitenstaaten hinweg
schalten und walten konnte. Die NATO, als Bündnis zwischen Demokratien, hatte es da schwerer.
Die westliche Vormacht, die USA, erstrebte einerseits die Stabilität des sowjetisch-amerikanischen strategischen
Gleichgewichts und den Ausbau der amerikanisch-sowjetischen Verantwortungsgemeinschaft. Das lief auf das Management
der Kriegsverhinderung hinaus. Auf der anderen Seite musste aber die Potentialität des Nuklearkriegs einbezogen werden und
das Vertrauen der Verbündeten in die nukleare Schutzmacht gewahrt bleiben.
Aus westdeutscher Sicht war letzteres besonders schmerzlich. Die deutsche Sonderrolle beinhaltete die Gefahr, dass die
Verbündeten die Verteidigung Westeuropas als teilbar ansahen. Die BRD sah sich stets in der Gefahr, im Bündnis in eine
„singuläre“ Rolle hineingedrängt zu werden. Das war keine paranoide Sichtweise westdeutscher Sicherheitspolitik, sondern
simple politische und geostrategische Realität.
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 Typisch für die Entwicklung innerhalb der NATO war aus deutscher Sicht ein zunehmender
Vertrauensverfall.
Anfänglich wäre die Sowjetunion nicht in der Lage gewesen, die USA selbst mit nuklearer Vernichtung zu bedrohen. Im
Umkehrschluss konnten die USA also im Fall eines sowjetischen Angriffs oder einer Angriffsdrohung mit einer glaubhaften
nuklearen Vergeltungsdrohung antworten.
Auch diese Variante beinhaltete schon die Möglichkeit eines begrenzten Krieges in Europa, der hauptsächlich auf deutschem
Boden stattfinden würde. Doch für Bonn war in den fünfziger Jahren nicht mehr zu haben. Das politische Geschäft Integration
gegen Souveränität ließ die Bundesrepublik potentielle Differenzen nicht hoch- sondern runterspielen.
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 Die Bonner Politik war dabei in einem Dilemma.
Einerseits sollten möglichst viele amerikanische Truppenkontingente in Europa und besonders in Deutschland stationiert sein,
was den Abschreckungseffekt erhöhte. Andererseits wurde dadurch aber auch die amerikanische automatische Nuklearreaktion
unterhöhlt.
In Westdeutschland fand diese Debatte im kleinen Expertenkreis statt, für die Gesamtgesellschaft lag die Verdrängung nur
allzu nahe, wenn man die potentiellen Schreckensszenarien betrachtet.
So simulierte etwa das Nuklearmanöver Carte Blanche im Juni 1955 355 Atombombenabwürfe auf deutschem Boden und
schätzte die Verluste auf über 5 Mio. Menschen. Die Frage, ob taktische Nuklearwaffen nun Verteidigungs- oder
Abschreckungsmittel seien, blieb also aus deutscher Sicht besser im Nebel.
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 Genauso schwierig war es, die Funktion der konventionellen Streitkräfte zu definieren.
Ihre Rolle bei der Vorneverteidigung war angesichts der sowjetischen Überlegenheit dubios. Im Ernstfall hätte dies auf ein
schnelles „Verheizen“ der deutschen Truppen hinauslaufen müssen.
Noch erschreckender für die deutsche Seite war die amerikanische Debatte über einen „begrenzten“ Nuklearkrieg. Der konnte
ja wohl nur in Westeuropa, besonders in Deutschland, geführt werden und würde nach dem Verschwinden Mitteleuropas von
der Landkarte dann eine Verhandlungsrunde zwischen den beiden Supermächten nach sich ziehen.
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 Die anfängliche Strategie der „Massiven Vergeltung“ der NATO war schon im Januar 1954 von
der amerikanischen Regierung inoffiziell als wenig sinnvoll bezweifelt worden. Sie folgte logisch
und stringent dem Prinzip der aktiven Abschreckung.
Wegen des wachsenden sowjetischen Nuklearpotentials sahen sich die USA allerdings sehr schnell in einer militärisch
unhaltbaren Situation.
Daraufhin wurde die Strategie der schnellen Nuleareskalation (Rapid Nuclear Escalation) geprüft. Danach sollten die
konventionellen Truppen der NATO als Stolperdraht dienen, dem die taktische Phase eines Nuklearkrieges folgen würde.
Die Debatte darüber brachte die westdeutschen Sicherheitsprobleme auf den Punkt. Nach der Stolperdrahtstrategie sollte eine
Feuerpause eingelegt werden können, bevor die nukleare Eskalation starten würde. Das brächte genau die Abkoppelung der
USA von Europa, die die Bundesrepublik befürchtete.
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 Doch dieser Gedankengang war aus amerikanischer Sicht so naheliegend, dass er die Grundlagen
für die neue amerikanische Strategie der „Flexiblen Reaktion“ wurde.
Aus Bonner Sicht war das Prinzip der „Flexiblen Reaktion“ strategisch wie politisch wenig attraktiv.
Es nährte die Zweifel an der amerikanischen Vertrauenswürdigkeit und beförderte die Unterstellung, dass die USA sich mit der
Sowjetunion auf Kosten deutscher Interessen verständigen könnten.
Da sich beide Partner in unterschiedlichen strategischen Lagen befanden, konnte ihr Interesse nicht mehr zur Übereinstimmung
gebracht werden.
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 Aus dem Weißbuch 1970 über das Konzept der Flexiblen Reaktion
... Dieses Konzept (Flexible Reaktion) gibt, sofern die erforderlichen Streitkräfte zeitgerecht, einsatzbereit, ausreichend
und richtig disloziert zur Verfügung stehen, den Alliierten die Möglichkeit, in einer Krise oder im Falle eines Angriffs
bemessen und angemessen zu reagieren. Mit dieser Doktrin sind Begriffe wie kontrollierte Eskalation und
Vorneverteidigung untrennbar verbunden. Laut NATO-Definition beruht sie auf zwei Grundsätzen:
Der erste Grundsatz besteht darin, jeder Aggression durch eine direkte Verteidigung auf etwa der gleichen Ebene
entgegenzutreten, und der zweite darin, durch die Möglichkeit der Eskalation abschreckend zu wirken. Es ist das
wesentliche Merkmal der neuen Strategie, dass ein Angreifer davon überzeugt sein muss, die NATO werde
erforderlichenfalls Kernwaffen einsetzen, jedoch muss er gleichzeitig hinsichtlich des Zeitpunktes und der Umstände
dieses Einsatzes im ungewissen bleiben ...
Quelle: Bundesminister der Verteidigung (Hg.), Weißbuch 1970. Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der
Bundeswehr, Bonn 1970, S. 267
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 Da die Sowjetunion Mitte der sechziger Jahre gegenüber den USA und gegenüber Westeuropa eine
Counter-City-Kapazität aufgebaut hatte, betonte die NATO ihre Fähigkeit zum Ersteinsatz.
Weil die Sowjetunion die nuklearen Streitkräfte der NATO effizient verwunden konnte, war dieser Schritt logisch.
1965 gab der amerikanische Verteidigungsminister McNamara den Planungsgrundsatz der gesicherten Vernichtungsfähigkeit
(Assured Destruction, AD), bekannt.
Daraus wurde später angesichts der fortgesetzten sowjetischen Aufrüstung das Prinzip der beiderseitig gesicherten
Vernichtung, die Mutual Assured Destruction (MAD).
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 Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre waren durch den Rüstungswettlauf zwischen
Warschauer Pakt und NATO solide Overkill-Kapazitäten aufgebaut worden.
Abwehrraketen gegen ballistische Flugkörper (ABM Systeme = Anti-Ballistic Missiles, Anti-Raketen-Raketen) und Raketen
mit Mehrfachsprengköpfen (Multiple Independently Targetable Reentry Vehicle, MIRV) waren die neuen strategischen
Trümpfe neben den alten Interkontinentalraketen (Intercontinental Ballistic Missiles, ICBM).
Allein zwischen 1970 und 1974 verdreifachte sich die Zahl amerikanischer Sprengköpfe auf strategischen Waffensystemen
von 2 000 auf 6 000.
Der Rüstungswettlauf geriet in die Sackgasse, die kritische Wissenschaftler zu Friedensforschern werden ließ, weil sie die
Logik des ganzen Systems bezweifelten.
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 Trotz der zunehmenden Potentiale auf beiden Seiten wurde die sowjetische Bedrohung in Europa
aber eher geringer als früher eingestuft. Die amerikanische Nukleargarantie verlor derweil für die
Europäer und besonders für die Westdeutschen immer mehr an Glaubwürdigkeit.
Die sicherheitspolitische Debatte der siebziger Jahre zählte nicht mehr nicht nur die Potentiale, sondern versuchte, die
Absichten des Gegners einzubeziehen.
Trotz der ungelösten deutsch-amerikanischen Interessenunterschiede traten diese unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt und
Helmut Schmidt weniger offen zutage als unter den Vorgängern.
Die erste Entspannungsphase verschob die Aufmerksamkeit von der Sicherheits- auf die Wirtschaftspolitik. Die westdeutsche
Seite reagierte weniger alarmiert als früher, zugleich war aber auch ein Gewöhnungsprozess an die strategisch unangenehme
Lage eingetreten.
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 Die ähnlichen Sichtweisen beiderseits des Atlantiks, allerdings mit fundamental unterschiedlichen
Sicherheitsrisiken, werden in den beiden folgenden Zitaten deutlich. Die amerikanische Sicht wird
durch ein Zitat von Henry Kissinger aus dem Jahr 1979 klar:
„Niemand bestreitet mehr, dass in den achtziger Jahren - vielleicht schon heute, aber bestimmt in den achtziger Jahren
- die Vereinigten Staaten strategisch nicht mehr in der Lage sein werden, einen sowjetischen Gegenschlag gegen sie
auf ein tragbares Maß zu reduzieren.
Deshalb möchte ich sagen - was ich vielleicht als Amtsträger nicht sagen würde - unsere europäischen Verbündeten
sollten uns nicht ständig bitten, strategische Zusicherungen immer wieder zu wiederholen, die wir eigentlich nicht so
meinen können oder, wenn wir sie so meinen, möglichst nicht einlösen sollten, weil wir, wenn wir sie einlösen, die
Zerstörung der Zivilisation riskieren.“ (Henry Kissinger 1979)
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 Die deutsche Perspektive verdeutlicht Helmut Schmidt mit einem Zitat aus dem Jahr 1987:
„'Flexible Reaktion' legte nie wirkliche Flexibilität nahe. Statt dessen beinhaltete sie immer eine schnelle Eskalation
zum frühest möglichen nuklearen Ersteinsatz durch den Westen.
Das ist jedoch unrealistisch anzunehmen, westdeutsche Soldaten würden nach der Explosion der ersten Nuklearwaffen
auf deutschem Boden kämpfen ... Westliche Nuklearwaffen sind notwendig und wertvoll zur Abschreckung des
östlichen Ersteinsatzes sowjetischer Nuklearwaffen ... Nuklearwaffen dürfen nicht als Abschreckungsinstrument gegen
einen begrenzten Krieg oder gar einen konventionellen Großangriff betrachtet werden.
Zur ... Abschreckung einer begrenzten gegnerischen Aggression brauchen wir ... glaubwürdige konventionelle
Streitkräfte.“ (Helmut Schmidt 1987)
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 Die deutliche strategische Differenz wurde in dem offiziellen deutschen Weißbuch 1975/76 trocken
so charakterisiert: „Die mit der NATO-Strategie verbundenen Risiken ... (sind) für die
europäischen und transatlantischen Bündnispartner unterschiedlich“. (BMVg, Weißbuch 75-76)
Die ungleichen Folgen eines Nuklearkrieges für Westeuropa und die USA waren nicht wegzuverhandeln, die Bundesrepublik
zwangsläufig mehr oder weniger „singularisiert“. Das Dilemma der Interessenkonflikte war Faktum.
Beide Seiten, besonders die deutsche, vermieden daraufhin intensive strategisch-technische Debatten in der NATO. Nur in
Einzelfällen brachen die Meinungsunterschiede offen aus.
So passierte es z. B. zwischen Helmut Schmidt und Jimmy Carter als es um die nuklearen Kurzstreckenwaffen auf deutschem
Gebiet ging. Die deutsche Seite suchte darin ein Verbindungsglied zu Amerika zu sehen, die USA selbst sahen in den
Kurzstreckenwaffen ein Verzögerungsmittel für den Fall, dass die konventionelle Sperre der NATO-Streitkräfte versagen
sollte.
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 Am Verfall der aktiven Abschreckung, wie sie durch Henry Kissingers Zitat belegt wurde, war
Ende der siebziger Jahre nicht mehr zu zweifeln.
Eine Möglichkeit, sich wieder stärker der strategischen Realität anzunähern, bestand in der Vergrößerung konventioneller
Streitkräfte und der Erhöhung der Nuklearschwelle in Europa auf ein glaubwürdiges Maß. Genau das passte aber den
Europäern aus Kostengründen überhaupt nicht.
Sie hätten nämlich den Löwenanteil einer konventionellen Aufrüstung zu tragen gehabt. Aus amerikanischer Sicht war es
logisch, Konzepte zur Verbesserung der Unverletzbarkeit ihres Territoriums zu verfolgen, wie z. B. die Strategische
Verteidigungsinitiative (SDI) unter Präsident Ronald Reagan.
Aus amerikanischer Sicht verhielten sich die Europäer und besonders die Bundesrepublik paradox. Sie fürchteten nämlich
gleichermaßen die Anwendung von Nuklearwaffen durch die USA wie die Unterlassung im Sinne einer Abkopplung der USA
vom strategischen Schauplatz Europa.
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 Der Stellenwert der amerikanischen konventionellen Truppen in Europa erhielt angesichts dieser
Situation eine besondere Aufwertung.
Das große amerikanische Kontingent auf deutschem Boden war psychologisch das wichtigste Symbol für ein fortdauerndes
Interesse Amerikas an Europa. Diese Truppen stellten zugleich einen Beitrag zur Glaubwürdigkeit der nuklearen
Abschreckung dar.
Aus deutscher Sicht besaßen sie eine Geiselfunktion und einen Abschreckungswert. Die Geiselfunktion bestand darin, dass die
Truppen die USA an Westeuropa banden. Kein amerikanischer Präsident hätte die Vernichtung dieses großen
Truppenkontingents ohne militärische Reaktion hinnehmen können. Ihr Bewaffnungsstand auf der Basis modernster
Waffentechnologie sollte ihnen auch gegenoffensive Fähigkeiten einräumen.
Das dafür in den USA entwickelte AirLand Battle-Konzept setzte das Schwergewicht auf die Beweglichkeit und auch auf die
Fähigkeit, Kampfhandlungen auf das Gebiet des Gegners auszudehnen.
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 Die deutsche Seite sah das AirLand-Battle-Konzept mit skeptischen Augen.
Einerseits hielt sie es für einen untauglichen Versuch, die geschwächte amerikanische Nukleargarantie auszugleichen,
andererseits gefiel ihr die offensive Seite dieses Konzepts nicht. Schließlich forderte die NATO ja gerade die defensive
Umstrukturierung des Warschauer Paktes.
Aus amerikanischer Sicht stellte dies wieder einmal ein Beispiel dafür dar, dass man es den Europäern und besonders den
Deutschen nie recht machen konnte. Das war insofern richtig, als die prekäre westdeutsche strategische Situation jeden Schritt
als einen in die falsche Richtung erscheinen lassen konnte. Wirkliche Sicherheit für Westdeutschland war nicht durch die
Abschreckung allein zu bekommen.
Die westdeutsche Sicherheitspolitik kam bei jedem Schritt der Amerikaner, in welche Richtung auch immer, ins Rotieren, weil
alle militärischen Szenarien für sie zwangsläufig eine Wahl zwischen Pest und Cholera darstellen mussten.
Die sicherheitspolitische Abhängigkeit der Bundesrepublik blieb bestehen, egal wie sie sich selbst oder die Verbündeten auch
immer bewegten. Nur Entspannung und Rüstungskontrolle konnten den Druck auf die in einem abgrundtiefen
Sicherheitsdilemma befindliche Bundesrepublik mindern.
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