МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ 14.Tucholsky, Kurt: Jazz Band. In: Koebner, F.W., Jazz und Shimmy. Brevier der neuesten Tänze, Berlin 1921, S. 105-109. Айлин Симонов. «Кошачий концерт и скандальная музыка» или знак демократии? Джаз как шифр для культурных изломов. Понятие «Джаз» включало в себя в 1920-е годы в Германии многие стилистические направления, такие, как, например, шлягер, различная духовая и танцевальная музыка, которая по сегодняшним меркам не определяется как «джаз». Следовательно, музыка джаза ни в коем случае не была унифицированной, ясно определяемой музыкой. К ярлыку «джаз» современники относили изобилие впечатлений от увиденного и услышанного. Означает ли он новую свободу, является ли она символом демократии? Или «кошачий концерт» означает культурное разрушение? Вспыхнувшая дискуссия подхватывается в литературе 20-ых годов. На этой базе статья исследует два современных романа, которые посвящены джазу, и спрашивает: «какое музыкальное определение лежит в основе литературного описания?» В дальнейшем интересен вопрос: что транспортирует шифр «джаз»? Статья стремится дополнить существующую в науке картину джаза 20-х годов извлеченным из (немецкоязычной) литературы аспектом. Eileen Simonow. «Katzen- und Radaumusik» oder Zeichen für Demokratie? Jazz als Chiffre für kulturelle Umbrüche. Der Begriff «Jazzmusik» beinhaltete in den 1920er Jahren in Deutschland viele musikalische Stilrichtungen wie z.B. Schlager und unterschiedliche Blas- und Tanzmusiken, die unter heutigen Gesichtspunkten nicht mit «Jazz» bezeichnet werden würden. Jazzmusik war demnach mitnichten eine einheitliche, klar zu definierende Musik. Unter dem Etikett «Jazz» subsumierten die Zeitgenossen eine Fülle an Eindrücken von Gehörtem und Gesehenem. An der beliebten Vokabel «Jazz» schieden sich die Geister. Bedeutet sie eine neue Freiheit, ist sie Sinnbild für Demokratie? Oder steht die «Katzenmusik» für kulturellen Verfall? Die entfachte Diskussion wird in der Literatur der 20er Jahre aufgegriffen. Auf dieser Grundlage untersucht das Referat zwei zeitgenössische Romane, die sich mit Jazz beschäftigen, und fragt: «Welcher Musikbegriff liegt den literarischen Beschreibungen zugrunde?» Im weiteren Verlauf interessiert die Frage: «Was transportiert die Chiffre «Jazz»?» Das Referat ist bestrebt, das in der Forschung vorhandene Jazzbild der 20er Jahre um einen aus der (deutschsprachigen) Literatur gewonnenen Aspekt zu ergänzen. Baysal Atalay FILMMUSIK ODER MUSIKBILD? –ÜBERLEGUNGEN ZU PER NØRGÅRDS FILMMUSIKKOMPOSITIONEN Trotz ihrer nur knapp über einhundert Jahre alten Geschichte gehört die Filmmusik heute zu den komplexesten Bereichen der Musik, denn unter diesem Begriff versteht man eine Erscheinung bzw. Funktion der Musik, die jedes Genre von Musik umfasst; vom Schlager bis zur experimentellen Kunstmusik. Genau diese Tatsache erschwert auch den Zugang zu diesem Phänomen. Die ersten wichtigen Abhandlungen über Filmmusik versuchten daher СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ verständlicherweise, diesen Oberbegriff irgendwie systematisch zu erfassen, historisch einzuordnen und ästhetisch zu begreifen, während eine lange Zeit relativ wenige Studien existierten, die sich mit einzelnen Fällen auseinandersetzten. Zwar hat sich diese Situation in den letzten Jahren deutlich geändert, aber eine Tatsache ist weiterhin auffällig, nämlich dass das Filmmusikschaffen eines Komponisten, der primär nicht in dieser Industrie tätig ist, nicht groß beachtet wird. Ausnahmen gibt es freilich, aber meistens bleibt es bei der bloßen Erwähnung, dass dieser oder jener Komponist auch für diesen oder jenen Film die Musik komponiert hat. Diese bekommen auch häufig eine von dem zugehörigen Film unabhängige Existenz, oder werden von ihren Urhebern zu eigenständigen Konzertstücken verarbeitet, so dass ihre Funktion als Filmmusik in den Hintergrund rückt 1 . Solche Filmkompositionen aber in die Gesamtheit eines kompositorischen Schaffens einzuordnen, zu deuten oder sogar zu hinterfragen, ist oft nicht der Fall. Dass ein Komponist auch Filmmusik komponiert, ist jedoch nicht immer selbstverständlich und kann in manchen einzelnen Fällen sogar die Musikauffassung eines Komponisten in Frage stellen, denn Filmmusik befindet sich im Spannungsfeld von Bild und Musik, und ihre Beziehung ist durch bestimmte Parameter gekennzeichnet, wie z.B. Unter- bzw. Überordnung. Außerdem ist der Umfang des künstlerischen Freiraums ebenso ein wichtiger Aspekt. Filmmusikkomponieren ist nämlich eine Tätigkeit, die der Vorstellung des alleine schaffenden Komponisten nicht entspricht, und diese Tatsache ist dann beachtenswert, wenn ein Komponist eine sehr spezielle Auffassung von der Musik und vom Komponieren hat, wie es bei dem dänischen Komponisten Per Nørgård der Fall ist. Per Nørgård, geboren 13. Juli 1932, zählt heute in Dänemark zu den wichtigsten Komponisten seiner Heimat. Er gehört neben Ib Nørholm und Pelle Gudmundsen-Holmgreen zu einer Gruppe von Komponisten, welche nach dem zweiten Weltkrieg die zeitgenössische Musik in Dänemark kultivierten. Dass aber Nørgård die nächsten Generationen bedeutend mehr beeinflusst hat, ist mittlerweile eine anerkannte Tatsache; nicht ohne Grund wird er von Anders Beyer in der neuen MGG als der inoffizielle Nationalkomponist beschrieben 2 . Ein Grund für diese Sonderstellung liegt auch darin, dass Nørgård nicht nur als Komponist, sondern auch als fortschrittlicher Musikpädagoge und vor 1 Denken wir an die 7. Symphonie von Vaughan Williams, die ja ursprünglich für Scott of Antarctic (1948) komponiert wurde. 2 Vgl. Anders Beyer: «Dänemark, IX: 1950-1994», in: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil Bd. 2, 2., neubearb. Ausg., Kassel [u.a.]: Bärenreiter; Stuttgart [u.a.]: J. B. Metzler 1995, Sp. 1076. МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ allem als Musiktheoretiker tätig war und heute noch ist. Neben seinen über 330 Kompositionen in den unterschiedlichsten Gattungen schrieb er Bücher und unzählige Abhandlungen über neue Musiktheorien, entwickelte neue Kompositionstechniken, reflektierte über das Geschehen in der – nicht nur europäischen – Musik. Dementsprechend nimmt das Schaffen von Per Nørgård in der dänischen Musikforschung einen sehr großen Platz ein. Mehrere Abhandlungen, Dissertationen, Monographien und analytische Arbeiten widmen sich ihm, seiner Musik und seiner recht außergewöhnlichen Musikauffassung; aber es existiert bis jetzt keine Untersuchung über seine Filmmusik. 1 Zwar ist es keine ungewöhnliche Erscheinung für einen zeitgenössischen Komponisten, Filmmusik zu schreiben, und diese Tatsache würde vielleicht auch nicht groß auffallen, solange die Filme einen hohen künstlerischen Anspruch haben, aber im Falle Nørgårds ist es nicht unproblematisch, diese Kompositionen in seine Musikauffassung einzuordnen, welche ich im Folgenden in drei Schritten vorstellen und hinsichtlich der Filmmusik problematisieren werde. Schritt 1: Das Vermögen der Musik In seinen Abhandlungen stellt Nørgård häufig klar, was für ein Vermögen die Musik seiner Meinung nach hat oder vielmehr haben sollte. Inspiriert von Goethes Farbenlehre bzw. Phänomenologie sieht Nørgård die Möglichkeit, durch die Musik universelle Erkenntnisse über die Natur und Menschlichkeit zu gewinnen. Wie das geschehen soll, werden wir kurz unter Schritt 2 erfahren. Dabei stellt sogar Nørgård die Musik vor allen anderen Kunstarten auf die gleiche Ebene der Naturwissenschaften. Es wird aber in diesen Abhandlungen auch deutlich, dass für Nørgård nicht jede musikalische Erscheinung in der Lage ist, diese Erkenntnisgewinnung zu bewirken; und unter diese Kategorie fallen nicht nur Musiken, die – wie wir es vielleicht erwarten würden – als Unterhaltungsmusik dienen, sondern auch Musikstile im Bereich der Kunstmusik. Sein auffälligstes Beispiel ist die Aleatorik. Darin sieht Nørgård eine pädagogische Mission, er schreibt: Ich höre dieser Art von avantgardistischen Manifestationen im Konzertsaal nicht als Kunstwerken zu, sondern als Naturphänomenen, Methodenerneuerungen und um herauszufinden, was für neue Möglichkeiten man hat. Aber nicht um ein künstlerisches Erlebnis zu haben, was für mich eine Menschliche Mitteilung in einer Formsprache bedeutet. 2 1 Nørgård komponierte die Musik für die folgenden vier Kinofilme: Den røde kappe (1966), Manden der tænkte ting (1969), Babettes Gæstebud (1986) und Amled - Prinsen af Jylland (1993). Darüber hinaus lieferte Nørgård kleinere musikalische Beiträge für unterschiedliche TV-Produktionen und Dokumentationen. 2 Per Nørgård: «Mellem klassicisme og avantgardisme», in: Per Nørgård artikler 1962-1982, hg. von Ivan Hansen, ged. in Randers: J. M. Elmenhoff & Søn A/S, 1982, S. 18-27 (Vortrag gehalten an СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ Menschliche Mitteilung, die Voraussetzung für eine Erkenntnisgewinnung ist das künstlerische Ziel Nørgårds kompositorischer Arbeit, worin die Form der Musik die zentrale Rolle zu spielen scheint, und womit Nørgård nicht nur eine bestimmte Elite im Konzertsaal, sondern auch die Menschen auf der Straße erreichen möchte 1 . Er setzt sich auch dafür ein, das Musizieren für Amateure zu erleichtern und komponiert auch für solche Gruppen geeignete, leicht spielbare Stücke. Wie vereinbart sich eine solch anspruchsvolle Funktion der Musik als ein Erkenntnis bringendes Medium mit den Funktionen der Filmmusik, die ja nicht alleine, sondern gleichzeitig mit bewegten Bildern wahrgenommen wird? Oder spricht nichts dagegen, in einem Film die Musik als Erkenntnis bringendes Element zu erleben? Die Frage nimmt besonders dann eine kompliziertere Gestalt an, wenn wir uns den nächsten Schritt in Nørgårds Musikauffassung anschauen, der ausgerechnet eine spezielle Beziehung von Musik und Bild voraussetzt. Schritt 2: «Musik ist Bilder» 2 Ein sehr abstrakter Aspekt der Nørgård’schen Musikauffassung ist die Vorstellung von einem mentalen Prozess, der bei der Musikwahrnehmung bzw. Musikerfahrung und somit bei der Erkenntnisgewinnung stattfindet. Eine Zusammenfassung von diesem Prozess liefert uns Sven Hvidtfelt Nielsen, indem er anhand von Nørgårds Schriften dessen Musikauffassung vorstellt und diese dann an musikalischen Beispielen darstellt 3 . Diesen mentalen Prozess komplett zu beschreiben wäre sehr zeitaufwändig, und ist zudem hier nicht nötig. Was aber in diesem Prozess sehr zentral ist, ist die Übersetzung von individuellen Musikerlebnissen in die allgemeine Sprache, was für Nørgård durch Leitbilder geschieht. Das Wort «Leitbild» tauchte schon in manchen frühen Aufsätzen von Nørgård auf und wurde von ihm benutzt, um bestimmte Vorgänge in seiner Kompositionsweise zu beschreiben. Er versteht darunter so etwas wie Momentaufnahmen von Gefühlen, Eindrücken, die wir meist durch archetypische Bilder beschreiben Askov Musikstævne 1966). Das Zitat wurde von mir Übersetzt. Originaltext: «Jeg hører på den slags avantgarde-manifestationer i en koncertsal – ikke som kunstværker – men som naturfænomener, metodefornyeler of for at lære noget om tekniske landvindinger. Men ikke for at få en kunstnerisk oplevelse, som for mig er en menneskelig meddelelse givet i et formsprog». 1 Auf der anderen Seite ist es für ihn auch nicht nur die Kunstmusik, die dieses Vermögen hat, sondern auch Musikstücke aus dem populären Bereich. 2 Titel eines Aufsatzes in de. Ü.: Per Nørgård: «Musik er Billeder», in: Per Nørgård: Musik som tilblivelse – Analytiske studier på organisk-hierarkisk basis, Maschinenschrift in Fotokopien (Standort: Århus Statsbiblioteket)1976; zuerst erschienen in: Viktor B. Andersens Maskinfabrik, 1975, 2, 65-67. 3 Siehe: Svend Hvidtfeld Nielsen: Virkeligheden fortæller mig altid flere historier – om Per Nørgårds verdenssyn og musik, Odense: Det Fynske Musikkonservatorium 1995. МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ können, wie Schatten, Sonnenaufgang, Weiblichkeit, Männlichkeit ...etc. Bei solchen Überlegungen stützt sich Nørgård auf mehrere Theorien oder Lehren anderer Disziplinen seiner Zeit, besonders auf die Psychologie, Anthropologie und Physik. Was anfangs aber wie eine nette, bildhafte Darstellung eines zeitgenössischen Komponisten aussieht, nimmt in Nørgårds Schriften allmählich eine Form an, die den Eindruck einer neuen Musiktheorie macht. Es entstanden Bücher 1 , die eine neue Musikauffassung vorstellen, in der die Beziehung von Bild und Musik einen wichtigen Aspekt ausmacht. «Musik ist Bilder» heißt es dann auch später in einem Aufsatz 2 . Dass das Wort «Bilder» im Plural vorkommt, hat den Grund, dass Nørgård damit Bilder in einem zeitlichen Ablauf meint. Dieser zeitliche Ablauf ist auch für Nørgård der Schlüssel für die Erkenntnisgewinnung; denn das Vermögen der Musik liegt in ihrer Zeitdimension, wodurch sie in der Lage ist, die zeitlichen Vorgänge der inneren Welt – eben die Gefühle und Eindrücke – wiederzugeben. Durch ein kontemplatives Zuhören bzw. Komponieren bietet die Musik uns die Möglichkeit, diese innere Welt zu erforschen. Die Erkenntnisgewinnung – und bisweilen heißt es auch die Bewusstseinserweiterung – folgt darauf mit der Übersetzung der Eindrücke aus diesem Erforschten, was durch die archetypischen Bilder geschieht. Somit spielen Bilder bzw. Leitbilder für Nørgard sowohl beim Kompositionsprozess als auch bei dem Erfahren des Komponierten einerseits eine zentrale, andererseits vielleicht der Musik nicht untergeordnete, aber schon eine sekundäre Rolle. Solch eine abstrakte Vorstellung von der Musikerfahrung, die hier ja sehr knapp dargestellt wurde, ist bei einem Komponisten durchaus ernst zu nehmen, wenn er behauptet, dass er seine Kompositionen nach dieser Vorstellung gestaltet, wie es bei Per Nørgård der Fall ist. Schritt 3: Die Rolle des Komponisten In Nørgårds oben beschriebenem Musikerfahrungsprozess sind Komponieren und Zuhören auf der gleichen Ebene situiert. Diese Vorstellung führte Nørgård zu einer der Musikgeschichte nicht unbekannten Einstellung, was das Komponieren und die Rolle des Komponisten angeht: Für Nørgård ist der Kompositionsvorgang nicht in der Arbeit des Komponisten und auch nicht in der Aufführung abgeschlossen (wie es z.B. bei der Aleatorik der Fall wäre), sondern erst beim bewussten Zuhören. Während für Nørgård der Komponist die 1 Besonders zu nennen sind: Kompendium over metoder og studier i en ny kompositorisk teknik og tænkemåde, Autograph in Fotokopien (Standort: Århus Statsbiblioteket) 1972; sowie Hierarkisk genesis: trin henimod en naturlig musikteori? Musikopleven som interferens mellem forventning og realisering, Maschinenschrift in Fotokopien (Standort: Århus Statsbiblioteket) 1977. 2 Siehe 6. СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ Aufgabe hat, Musik zu komponieren, die in der Lage ist, diese Erkenntnisgewinnung bzw. Bewusstseinserweiterung herbeizuführen, erwartet er vom Rezipienten ein kontemplatives Zuhören. Nørgård entwickelte dafür eine Kompositionstechnik, die das bewusste Zuhören seiner Meinung nach anregen kann. Er bediente sich eines physikalischen Phänomens der Wellenmechanik, und zwar Interferenz. Interferenz ist ein Ergebnis der Intersektion zweier Wellen; das betrifft schließlich auch die Schallwellen und somit die Musik. Tatsächlich verdankt die Musik diesem Phänomen in akustischer Hinsicht so manches. Das Aufregendste für Nørgård aber war nun, dass sich das Ergebnis des Zusammentreffens zweier Schallwellen im Ohr des Zuhörers manifestiert. Von dieser Vorstellung inspiriert, entwickelte er die interferenzielle Kompositionstechnik. Diese Kompositionen beinhalten gleichzeitig unterschiedliche Hörergebnisse. Der bewusste Zuhörer sollte dann als Endglied der Musikerfahrung die Entscheidung treffen, welchem akustischen Ergebnis er zuhören möchte. Die Nørgård-Forschung war von dieser Musikauffassung mehr als fasziniert. Sie nahm sie als eine Geheimformel, als eine Schablone an, und man analysierte Nørgårds Werke mit Hilfe dieser Schablone. Interferenz bekam mit der Zeit die Hauptrolle in Nørgårds Schaffen, was auch seitens Nørgård gelegentlich bestätigt wurde. Sogar in den früheren Werken der so genannten Nordischen Phase glaubte man, interferenzielle Strukturen zu erkennen 1 . Diese Interferenzielle Strukturen wurden systematisiert und quasi katalogisiert. Nørgårds Musikauffassung scheint zunächst in sich schlüssig. Die Analysen scheinen plausibel und nachvollziehbar, solange die Schablone eingesetzt wird. Meine Untersuchungen aber zeigten, dass hinter dieser Musikauffassung und besonders dem Begriff Interferenz viel mehr steckt, als angenommen wird, worauf ich aber hier nicht weiter eingehen werde. Wenn wir die drei Schritte zusammenfassen, haben wir eine Musikauffassung, in der die Musik durch ihr spezielles Vermögen eine bestimmte Aufgabe, eine bestimmte Funktion hat. In der Erfahrung dieser Funktion spielen Bilder eine zentrale Rolle. Dabei ist der Kompositionsprozess genauso wie das Zuhören ein Teil dieser Erfahrung. Während der Komponist die künstlerische Verantwortung hat, Kompositionen zu liefern, die solch einen Prozess ermöglichen, muss das Zuhören bewusst und kontemplativ stattfinden. Diese Vorstellung ist in einer Filmmusikkomposition nicht unproblematisch. Schon der Kompositionsprozess für den Film unterliegt den Regieanweisungen, wenn auch bestimmte künstlerische Freiheiten existieren. 1 Vgl. Anders Bonde: «Per Nørgårds nordiske Periode», in: Dansk Musik Tidsskrift, 1996/1997, År. 6, Nr. 6, S. 182-189. МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ Das Verhältnis von Musik und Bild ist in der Filmmusik zum größten Teil klar definiert, und dabei ist die Musik sekundär: es ist wohl nicht die Regel, dass man sich einen Film anschaut, um primär der Musik zuzuhören. Filmmusik hat bestimmte Funktionen zu erfüllen, wie Untermalung, Antizipation, Kontrapunkt u.s.w; die Musik ist also nicht alleine erfahrbar, solange sie nicht als eigenständiges Werk aufgeführt wird. Dieses romantische Ideal, das Nørgård sich für die Musik vorstellt, ist in einer Filmmusikkomposition nicht ohne weiteres zu erreichen. «Ist das ein Problem? Warum sollte Nørgård nicht nebenbei Musiken komponieren, die nicht seinem Ideal entsprechen?» könnte eine berechtigte Frage sein. Das bedeutet aber ebenso, dass die Schablone nicht für seine Filmmusik anwendbar ist. Das hieße, dass Nørgård nach seinen Worten keine Kunst machte, wenn er Filmmusik komponierte. Gehen wir aber davon aus, dass Nørgård dabei in der Tat einen Seitensprung macht. Dann müsste man die Frage stellen, wie sich die Filmmusikkompositionen von den anderen Kompositionen unterscheiden; wie sah der Kompositionsprozess überhaupt aus? Worauf musste Nørgård verzichten, wo musste Nørgård Kompromisse eingehen? Der nächste logische Schritt wäre, die Filmmusikkompositionen z.B. hinsichtlich interferenzieller Strukturen zu analysieren. Meine ersten Hörerfahrungen haben gezeigt, dass bestimmte Vorgänge, die in der NørgårdForschung als Interferenz erzeugend dargestellt wurden, auch an manchen Stellen aus der Musik zu Babettes Fest () vorhanden sind, beispielsweise die ineinander verwobenen Dur- und Moll-Strukturen. In Nørgårds Fall – zumindest für den Moment – scheint das Komponieren für den Film im Konflikt mit seiner Musikauffassung zu stehen. Entweder sind seine Filmmusikkompositionen keine Abweichung von seiner Auffassung, sondern mögliche Erscheinungen, und decken damit neue Aspekte auf, oder Nørgårds Musikauffassung ist nicht als eine feste Schablone zu nehmen, wie es ja in der Rezeption bis jetzt gemacht wurde, sondern sollte vor allem historisch und konzeptuell hinterfragt werden. Vielleicht hat Nørgårds Musikauffassung, wie sie in seinen Schriften dargestellt wurde, keine musikalischen Konsequenzen. Dann müsste die Auffassung aber auch anders gedeutet werden, z.B. als Ausdruck kultureller Orientierungsversuche, der in der Tat ein wichtiger Aspekt des Nørgård’schen Schaffens ist. Abgesehen davon, welche dieser zwei Deutungsmöglichkeiten die Perspektive bestimmt, scheint die Filmmusikkomposition in Per Nørgards Schaffen eine Schlüsselrolle zu spielen. Аталай Байзаль. Музыка для кино или музыкальная картина? Размышления по – поводу сочинений Пера Нёргарда к кино. Пер Нёргард (1932*) принадлежит сегодня к значительнейшим современным композиторам Дании, не в последнюю СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ очередь в связи со своей деятельностью в различных сферах музыкальной жизни. Таким образом, мы видим Нёргарда педагога, музыкального теоретика, музыкального критика, а так же организатора первых важнейших концертов новой музыки. Эта многогранность отражает определенный аспект понимания музыки Нёргарда: человек должен получать понятия о действительности через музыку, хотя при этом композитор как бы перенимает во всех областях музыкальной действительности роль комментатора. Поэтому неудивительно, что Нёргард дистанцируется от потребительской музыки любого вида, поскольку она не соответствует его требованиям к музыке или не соответствует композитору. Несмотря на это Нёргард сочинил музыку к двум кинофильмам: «Ютландский принц» и «Праздник Бабетты». Моя статья исследует вопрос: насколько эти композиции сочетаются с пониманием музыки Нёргардом. Те ли это Композиции, в которых можно определить музыкальные компромиссы, или они обнаруживают новый аспект понимания музыки Нёргердом? Atalay Baysal. Filmmusik oder Musikbild? – Überlegungen zu Per Nørgårds Filmmusikkompositionen. Per Nørgård (*1932) gehört heute zu den bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten in Dänemark, nicht zuletzt wegen seines Wirkens in unterschiedlichsten Bereichen des Musiklebens. So sehen wir Nørgård als Pädagogen, Musiktheoretiker, Musikkritiker und auch als Veranstalter der ersten wichtigen Konzerte der Neuen Musik. Diese Mannigfaltigkeit spiegelt einen bestimmten Aspekt von Nørgårds Musikverständnis wider: durch die Musik soll der Mensch Erkenntnisse über die Wirklichkeit gewinnen, wobei der Komponist in allen Bereichen des Musikgeschehens quasi eine Moderatorenrolle einnimmt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Nørgård sich von jeder Art von Gebrauchsmusik distanziert, da diese seinen Ansprüchen an die Musik bzw. an den Komponisten nicht entsprechen kann. Trotzdem komponierte Nørgård Musik für zwei Filme: Der Prinz von Jütland und Babettes Fest. Mein Referat wird der Frage nachgehen, inwieweit diese Kompositionen mit Nørgårds Musikverständnis vereinbar sind. Sind es Kompositionen, in denen man musikalische Kompromisse feststellen kann, oder decken sie einen neuen Aspekt des Nørgård’schen Musikverständnisses auf? Guy Van Mondriaan «BJÖRKSISM?!» EINE KRITISCHE BETRACHTUNG VON BJÖRKS SCHAFFEN UND IHREM EINFLUSS AUF DIE ZUKÜNFTIGE POPULARMUSIK Popmusik, wie sie sich als ein schnelleres Zappen zwischen den verschiedenen Musik-Kanälen wie MTV darstellt, veranschaulicht zunehmend den Charakter eines kontrollierten Flusses, der vom allgemeinen Publikum verbreitet und gefordert wird. Die meisten Songs und diejenigen, die sie singen, antworten auf ein Modell, oder – wenn man so will – auf einige sehr spezifische, wiederholte Normen und Formen, die sozial anerkannt sind. Diese Miniatur