МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG

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МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ
MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG
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14.Tucholsky, Kurt: Jazz Band. In: Koebner, F.W., Jazz und Shimmy. Brevier der neuesten
Tänze, Berlin 1921, S. 105-109.
Айлин Симонов. «Кошачий концерт и скандальная музыка» или знак
демократии? Джаз как шифр для культурных изломов. Понятие «Джаз» включало в
себя в 1920-е годы в Германии многие стилистические направления, такие, как,
например, шлягер, различная духовая и танцевальная музыка, которая по сегодняшним
меркам не определяется как «джаз». Следовательно, музыка джаза ни в коем случае не
была унифицированной, ясно определяемой музыкой. К ярлыку «джаз» современники
относили изобилие впечатлений от увиденного и услышанного. Означает ли он новую
свободу, является ли она символом демократии? Или «кошачий концерт» означает
культурное разрушение? Вспыхнувшая дискуссия подхватывается в литературе 20-ых
годов.
На этой базе статья исследует два современных романа, которые посвящены
джазу, и спрашивает: «какое музыкальное определение лежит в основе литературного
описания?» В дальнейшем интересен вопрос: что транспортирует шифр «джаз»? Статья
стремится дополнить существующую в науке картину джаза 20-х годов извлеченным из
(немецкоязычной) литературы аспектом.
Eileen Simonow. «Katzen- und Radaumusik» oder Zeichen für Demokratie? Jazz
als Chiffre für kulturelle Umbrüche. Der Begriff «Jazzmusik» beinhaltete in den 1920er
Jahren in Deutschland viele musikalische Stilrichtungen wie z.B. Schlager und
unterschiedliche Blas- und Tanzmusiken, die unter heutigen Gesichtspunkten nicht mit «Jazz»
bezeichnet werden würden. Jazzmusik war demnach mitnichten eine einheitliche, klar zu
definierende Musik. Unter dem Etikett «Jazz» subsumierten die Zeitgenossen eine Fülle an
Eindrücken von Gehörtem und Gesehenem. An der beliebten Vokabel «Jazz» schieden sich
die Geister. Bedeutet sie eine neue Freiheit, ist sie Sinnbild für Demokratie? Oder steht die
«Katzenmusik» für kulturellen Verfall? Die entfachte Diskussion wird in der Literatur der
20er Jahre aufgegriffen.
Auf dieser Grundlage untersucht das Referat zwei zeitgenössische Romane, die sich
mit Jazz beschäftigen, und fragt: «Welcher Musikbegriff liegt den literarischen
Beschreibungen zugrunde?» Im weiteren Verlauf interessiert die Frage: «Was transportiert die
Chiffre «Jazz»?» Das Referat ist bestrebt, das in der Forschung vorhandene Jazzbild der 20er
Jahre um einen aus der (deutschsprachigen) Literatur gewonnenen Aspekt zu ergänzen.
Baysal Atalay
FILMMUSIK ODER MUSIKBILD? –ÜBERLEGUNGEN ZU PER
NØRGÅRDS FILMMUSIKKOMPOSITIONEN
Trotz ihrer nur knapp über einhundert Jahre alten Geschichte gehört die
Filmmusik heute zu den komplexesten Bereichen der Musik, denn unter diesem
Begriff versteht man eine Erscheinung bzw. Funktion der Musik, die jedes
Genre von Musik umfasst; vom Schlager bis zur experimentellen Kunstmusik.
Genau diese Tatsache erschwert auch den Zugang zu diesem Phänomen. Die
ersten wichtigen Abhandlungen über Filmmusik versuchten daher
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verständlicherweise, diesen Oberbegriff irgendwie systematisch zu erfassen,
historisch einzuordnen und ästhetisch zu begreifen, während eine lange Zeit
relativ wenige Studien existierten, die sich mit einzelnen Fällen
auseinandersetzten.
Zwar hat sich diese Situation in den letzten Jahren deutlich geändert, aber
eine Tatsache ist weiterhin auffällig, nämlich dass das Filmmusikschaffen eines
Komponisten, der primär nicht in dieser Industrie tätig ist, nicht groß beachtet
wird. Ausnahmen gibt es freilich, aber meistens bleibt es bei der bloßen
Erwähnung, dass dieser oder jener Komponist auch für diesen oder jenen Film
die Musik komponiert hat. Diese bekommen auch häufig eine von dem
zugehörigen Film unabhängige Existenz, oder werden von ihren Urhebern zu
eigenständigen Konzertstücken verarbeitet, so dass ihre Funktion als Filmmusik
in den Hintergrund rückt 1 . Solche Filmkompositionen aber in die Gesamtheit
eines kompositorischen Schaffens einzuordnen, zu deuten oder sogar zu
hinterfragen, ist oft nicht der Fall.
Dass ein Komponist auch Filmmusik komponiert, ist jedoch nicht immer
selbstverständlich und kann in manchen einzelnen Fällen sogar die
Musikauffassung eines Komponisten in Frage stellen, denn Filmmusik befindet
sich im Spannungsfeld von Bild und Musik, und ihre Beziehung ist durch
bestimmte Parameter gekennzeichnet, wie z.B. Unter- bzw. Überordnung.
Außerdem ist der Umfang des künstlerischen Freiraums ebenso ein wichtiger
Aspekt. Filmmusikkomponieren ist nämlich eine Tätigkeit, die der Vorstellung
des alleine schaffenden Komponisten nicht entspricht, und diese Tatsache ist
dann beachtenswert, wenn ein Komponist eine sehr spezielle Auffassung von
der Musik und vom Komponieren hat, wie es bei dem dänischen Komponisten
Per Nørgård der Fall ist.
Per Nørgård, geboren 13. Juli 1932, zählt heute in Dänemark zu den
wichtigsten Komponisten seiner Heimat. Er gehört neben Ib Nørholm und Pelle
Gudmundsen-Holmgreen zu einer Gruppe von Komponisten, welche nach dem
zweiten Weltkrieg die zeitgenössische Musik in Dänemark kultivierten. Dass
aber Nørgård die nächsten Generationen bedeutend mehr beeinflusst hat, ist
mittlerweile eine anerkannte Tatsache; nicht ohne Grund wird er von Anders
Beyer in der neuen MGG als der inoffizielle Nationalkomponist beschrieben 2 .
Ein Grund für diese Sonderstellung liegt auch darin, dass Nørgård nicht
nur als Komponist, sondern auch als fortschrittlicher Musikpädagoge und vor
1
Denken wir an die 7. Symphonie von Vaughan Williams, die ja ursprünglich für Scott of
Antarctic (1948) komponiert wurde.
2
Vgl. Anders Beyer: «Dänemark, IX: 1950-1994», in: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in
Geschichte und Gegenwart, Sachteil Bd. 2, 2., neubearb. Ausg., Kassel [u.a.]: Bärenreiter; Stuttgart
[u.a.]: J. B. Metzler 1995, Sp. 1076.
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allem als Musiktheoretiker tätig war und heute noch ist. Neben seinen über 330
Kompositionen in den unterschiedlichsten Gattungen schrieb er Bücher und
unzählige Abhandlungen über neue Musiktheorien, entwickelte neue
Kompositionstechniken, reflektierte über das Geschehen in der – nicht nur
europäischen – Musik. Dementsprechend nimmt das Schaffen von Per Nørgård
in der dänischen Musikforschung einen sehr großen Platz ein. Mehrere
Abhandlungen, Dissertationen, Monographien und analytische Arbeiten widmen
sich ihm, seiner Musik und seiner recht außergewöhnlichen Musikauffassung;
aber es existiert bis jetzt keine Untersuchung über seine Filmmusik. 1 Zwar ist es
keine ungewöhnliche Erscheinung für einen zeitgenössischen Komponisten,
Filmmusik zu schreiben, und diese Tatsache würde vielleicht auch nicht groß
auffallen, solange die Filme einen hohen künstlerischen Anspruch haben, aber
im Falle Nørgårds ist es nicht unproblematisch, diese Kompositionen in seine
Musikauffassung einzuordnen, welche ich im Folgenden in drei Schritten
vorstellen und hinsichtlich der Filmmusik problematisieren werde.
Schritt 1: Das Vermögen der Musik
In seinen Abhandlungen stellt Nørgård häufig klar, was für ein Vermögen
die Musik seiner Meinung nach hat oder vielmehr haben sollte. Inspiriert von
Goethes Farbenlehre bzw. Phänomenologie sieht Nørgård die Möglichkeit,
durch die Musik universelle Erkenntnisse über die Natur und Menschlichkeit zu
gewinnen. Wie das geschehen soll, werden wir kurz unter Schritt 2 erfahren.
Dabei stellt sogar Nørgård die Musik vor allen anderen Kunstarten auf die
gleiche Ebene der Naturwissenschaften.
Es wird aber in diesen Abhandlungen auch deutlich, dass für Nørgård
nicht jede musikalische Erscheinung in der Lage ist, diese Erkenntnisgewinnung
zu bewirken; und unter diese Kategorie fallen nicht nur Musiken, die – wie wir
es vielleicht erwarten würden – als Unterhaltungsmusik dienen, sondern auch
Musikstile im Bereich der Kunstmusik. Sein auffälligstes Beispiel ist die
Aleatorik. Darin sieht Nørgård eine pädagogische Mission, er schreibt:
Ich höre dieser Art von avantgardistischen Manifestationen im
Konzertsaal nicht als Kunstwerken zu, sondern als Naturphänomenen,
Methodenerneuerungen und um herauszufinden, was für neue Möglichkeiten
man hat. Aber nicht um ein künstlerisches Erlebnis zu haben, was für mich eine
Menschliche Mitteilung in einer Formsprache bedeutet. 2
1
Nørgård komponierte die Musik für die folgenden vier Kinofilme: Den røde kappe (1966),
Manden der tænkte ting (1969), Babettes Gæstebud (1986) und Amled - Prinsen af Jylland (1993).
Darüber hinaus lieferte Nørgård kleinere musikalische Beiträge für unterschiedliche TV-Produktionen
und Dokumentationen.
2
Per Nørgård: «Mellem klassicisme og avantgardisme», in: Per Nørgård artikler 1962-1982, hg.
von Ivan Hansen, ged. in Randers: J. M. Elmenhoff & Søn A/S, 1982, S. 18-27 (Vortrag gehalten an
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Menschliche
Mitteilung,
die
Voraussetzung
für
eine
Erkenntnisgewinnung ist das künstlerische Ziel Nørgårds kompositorischer
Arbeit, worin die Form der Musik die zentrale Rolle zu spielen scheint, und
womit Nørgård nicht nur eine bestimmte Elite im Konzertsaal, sondern auch die
Menschen auf der Straße erreichen möchte 1 . Er setzt sich auch dafür ein, das
Musizieren für Amateure zu erleichtern und komponiert auch für solche
Gruppen geeignete, leicht spielbare Stücke.
Wie vereinbart sich eine solch anspruchsvolle Funktion der Musik als ein
Erkenntnis bringendes Medium mit den Funktionen der Filmmusik, die ja nicht
alleine, sondern gleichzeitig mit bewegten Bildern wahrgenommen wird? Oder
spricht nichts dagegen, in einem Film die Musik als Erkenntnis bringendes
Element zu erleben? Die Frage nimmt besonders dann eine kompliziertere
Gestalt an, wenn wir uns den nächsten Schritt in Nørgårds Musikauffassung
anschauen, der ausgerechnet eine spezielle Beziehung von Musik und Bild
voraussetzt.
Schritt 2: «Musik ist Bilder» 2
Ein sehr abstrakter Aspekt der Nørgård’schen Musikauffassung ist die
Vorstellung von einem mentalen Prozess, der bei der Musikwahrnehmung bzw.
Musikerfahrung und somit bei der Erkenntnisgewinnung stattfindet. Eine
Zusammenfassung von diesem Prozess liefert uns Sven Hvidtfelt Nielsen, indem
er anhand von Nørgårds Schriften dessen Musikauffassung vorstellt und diese
dann an musikalischen Beispielen darstellt 3 .
Diesen mentalen Prozess komplett zu beschreiben wäre sehr
zeitaufwändig, und ist zudem hier nicht nötig. Was aber in diesem Prozess sehr
zentral ist, ist die Übersetzung von individuellen Musikerlebnissen in die
allgemeine Sprache, was für Nørgård durch Leitbilder geschieht. Das Wort
«Leitbild» tauchte schon in manchen frühen Aufsätzen von Nørgård auf und
wurde von ihm benutzt, um bestimmte Vorgänge in seiner Kompositionsweise
zu beschreiben. Er versteht darunter so etwas wie Momentaufnahmen von
Gefühlen, Eindrücken, die wir meist durch archetypische Bilder beschreiben
Askov Musikstævne 1966). Das Zitat wurde von mir Übersetzt. Originaltext: «Jeg hører på den slags
avantgarde-manifestationer i en koncertsal – ikke som kunstværker – men som naturfænomener,
metodefornyeler of for at lære noget om tekniske landvindinger. Men ikke for at få en kunstnerisk
oplevelse, som for mig er en menneskelig meddelelse givet i et formsprog».
1
Auf der anderen Seite ist es für ihn auch nicht nur die Kunstmusik, die dieses Vermögen hat,
sondern auch Musikstücke aus dem populären Bereich.
2
Titel eines Aufsatzes in de. Ü.: Per Nørgård: «Musik er Billeder», in: Per Nørgård: Musik som
tilblivelse – Analytiske studier på organisk-hierarkisk basis, Maschinenschrift in Fotokopien
(Standort: Århus Statsbiblioteket)1976; zuerst erschienen in: Viktor B. Andersens Maskinfabrik, 1975,
2, 65-67.
3
Siehe: Svend Hvidtfeld Nielsen: Virkeligheden fortæller mig altid flere historier – om Per
Nørgårds verdenssyn og musik, Odense: Det Fynske Musikkonservatorium 1995.
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können, wie Schatten, Sonnenaufgang, Weiblichkeit, Männlichkeit ...etc. Bei
solchen Überlegungen stützt sich Nørgård auf mehrere Theorien oder Lehren
anderer Disziplinen seiner Zeit, besonders auf die Psychologie, Anthropologie
und Physik.
Was anfangs aber wie eine nette, bildhafte Darstellung eines
zeitgenössischen Komponisten aussieht, nimmt in Nørgårds Schriften allmählich
eine Form an, die den Eindruck einer neuen Musiktheorie macht. Es entstanden
Bücher 1 , die eine neue Musikauffassung vorstellen, in der die Beziehung von
Bild und Musik einen wichtigen Aspekt ausmacht.
«Musik ist Bilder» heißt es dann auch später in einem Aufsatz 2 . Dass das
Wort «Bilder» im Plural vorkommt, hat den Grund, dass Nørgård damit Bilder
in einem zeitlichen Ablauf meint. Dieser zeitliche Ablauf ist auch für Nørgård
der Schlüssel für die Erkenntnisgewinnung; denn das Vermögen der Musik liegt
in ihrer Zeitdimension, wodurch sie in der Lage ist, die zeitlichen Vorgänge der
inneren Welt – eben die Gefühle und Eindrücke – wiederzugeben. Durch ein
kontemplatives Zuhören bzw. Komponieren bietet die Musik uns die
Möglichkeit, diese innere Welt zu erforschen. Die Erkenntnisgewinnung – und
bisweilen heißt es auch die Bewusstseinserweiterung – folgt darauf mit der
Übersetzung der Eindrücke aus diesem Erforschten, was durch die
archetypischen Bilder geschieht. Somit spielen Bilder bzw. Leitbilder für
Nørgard sowohl beim Kompositionsprozess als auch bei dem Erfahren des
Komponierten einerseits eine zentrale, andererseits vielleicht der Musik nicht
untergeordnete, aber schon eine sekundäre Rolle.
Solch eine abstrakte Vorstellung von der Musikerfahrung, die hier ja sehr
knapp dargestellt wurde, ist bei einem Komponisten durchaus ernst zu nehmen,
wenn er behauptet, dass er seine Kompositionen nach dieser Vorstellung
gestaltet, wie es bei Per Nørgård der Fall ist.
Schritt 3: Die Rolle des Komponisten
In Nørgårds oben beschriebenem Musikerfahrungsprozess sind
Komponieren und Zuhören auf der gleichen Ebene situiert. Diese Vorstellung
führte Nørgård zu einer der Musikgeschichte nicht unbekannten Einstellung,
was das Komponieren und die Rolle des Komponisten angeht: Für Nørgård ist
der Kompositionsvorgang nicht in der Arbeit des Komponisten und auch nicht
in der Aufführung abgeschlossen (wie es z.B. bei der Aleatorik der Fall wäre),
sondern erst beim bewussten Zuhören. Während für Nørgård der Komponist die
1
Besonders zu nennen sind: Kompendium over metoder og studier i en ny kompositorisk teknik
og tænkemåde, Autograph in Fotokopien (Standort: Århus Statsbiblioteket) 1972; sowie Hierarkisk
genesis: trin henimod en naturlig musikteori? Musikopleven som interferens mellem forventning og
realisering, Maschinenschrift in Fotokopien (Standort: Århus Statsbiblioteket) 1977.
2
Siehe 6.
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Aufgabe hat, Musik zu komponieren, die in der Lage ist, diese
Erkenntnisgewinnung bzw. Bewusstseinserweiterung herbeizuführen, erwartet
er vom Rezipienten ein kontemplatives Zuhören.
Nørgård entwickelte dafür eine Kompositionstechnik, die das bewusste
Zuhören seiner Meinung nach anregen kann. Er bediente sich eines
physikalischen Phänomens der Wellenmechanik, und zwar Interferenz.
Interferenz ist ein Ergebnis der Intersektion zweier Wellen; das betrifft
schließlich auch die Schallwellen und somit die Musik. Tatsächlich verdankt die
Musik diesem Phänomen in akustischer Hinsicht so manches. Das Aufregendste
für Nørgård aber war nun, dass sich das Ergebnis des Zusammentreffens zweier
Schallwellen im Ohr des Zuhörers manifestiert. Von dieser Vorstellung
inspiriert, entwickelte er die interferenzielle Kompositionstechnik. Diese
Kompositionen beinhalten gleichzeitig unterschiedliche Hörergebnisse. Der
bewusste Zuhörer sollte dann als Endglied der Musikerfahrung die Entscheidung
treffen, welchem akustischen Ergebnis er zuhören möchte.
Die Nørgård-Forschung war von dieser Musikauffassung mehr als
fasziniert. Sie nahm sie als eine Geheimformel, als eine Schablone an, und man
analysierte Nørgårds Werke mit Hilfe dieser Schablone. Interferenz bekam mit
der Zeit die Hauptrolle in Nørgårds Schaffen, was auch seitens Nørgård
gelegentlich bestätigt wurde. Sogar in den früheren Werken der so genannten
Nordischen Phase glaubte man, interferenzielle Strukturen zu erkennen 1 . Diese
Interferenzielle Strukturen wurden systematisiert und quasi katalogisiert.
Nørgårds Musikauffassung scheint zunächst in sich schlüssig. Die
Analysen scheinen plausibel und nachvollziehbar, solange die Schablone
eingesetzt wird. Meine Untersuchungen aber zeigten, dass hinter dieser
Musikauffassung und besonders dem Begriff Interferenz viel mehr steckt, als
angenommen wird, worauf ich aber hier nicht weiter eingehen werde.
Wenn wir die drei Schritte zusammenfassen, haben wir eine
Musikauffassung, in der die Musik durch ihr spezielles Vermögen eine
bestimmte Aufgabe, eine bestimmte Funktion hat. In der Erfahrung dieser
Funktion spielen Bilder eine zentrale Rolle. Dabei ist der Kompositionsprozess
genauso wie das Zuhören ein Teil dieser Erfahrung. Während der Komponist die
künstlerische Verantwortung hat, Kompositionen zu liefern, die solch einen
Prozess ermöglichen, muss das Zuhören bewusst und kontemplativ stattfinden.
Diese Vorstellung ist in einer Filmmusikkomposition nicht
unproblematisch. Schon der Kompositionsprozess für den Film unterliegt den
Regieanweisungen, wenn auch bestimmte künstlerische Freiheiten existieren.
1
Vgl. Anders Bonde: «Per Nørgårds nordiske Periode», in: Dansk Musik Tidsskrift, 1996/1997,
År. 6, Nr. 6, S. 182-189.
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Das Verhältnis von Musik und Bild ist in der Filmmusik zum größten Teil klar
definiert, und dabei ist die Musik sekundär: es ist wohl nicht die Regel, dass
man sich einen Film anschaut, um primär der Musik zuzuhören. Filmmusik hat
bestimmte Funktionen zu erfüllen, wie Untermalung, Antizipation, Kontrapunkt
u.s.w; die Musik ist also nicht alleine erfahrbar, solange sie nicht als
eigenständiges Werk aufgeführt wird. Dieses romantische Ideal, das Nørgård
sich für die Musik vorstellt, ist in einer Filmmusikkomposition nicht ohne
weiteres zu erreichen.
«Ist das ein Problem? Warum sollte Nørgård nicht nebenbei Musiken
komponieren, die nicht seinem Ideal entsprechen?» könnte eine berechtigte
Frage sein. Das bedeutet aber ebenso, dass die Schablone nicht für seine
Filmmusik anwendbar ist. Das hieße, dass Nørgård nach seinen Worten keine
Kunst machte, wenn er Filmmusik komponierte. Gehen wir aber davon aus, dass
Nørgård dabei in der Tat einen Seitensprung macht. Dann müsste man die Frage
stellen, wie sich die Filmmusikkompositionen von den anderen Kompositionen
unterscheiden; wie sah der Kompositionsprozess überhaupt aus? Worauf musste
Nørgård verzichten, wo musste Nørgård Kompromisse eingehen?
Der nächste logische Schritt wäre, die Filmmusikkompositionen z.B.
hinsichtlich interferenzieller Strukturen zu analysieren. Meine ersten
Hörerfahrungen haben gezeigt, dass bestimmte Vorgänge, die in der NørgårdForschung als Interferenz erzeugend dargestellt wurden, auch an manchen
Stellen aus der Musik zu Babettes Fest () vorhanden sind, beispielsweise die
ineinander verwobenen Dur- und Moll-Strukturen.
In Nørgårds Fall – zumindest für den Moment – scheint das Komponieren
für den Film im Konflikt mit seiner Musikauffassung zu stehen. Entweder sind
seine Filmmusikkompositionen keine Abweichung von seiner Auffassung,
sondern mögliche Erscheinungen, und decken damit neue Aspekte auf, oder
Nørgårds Musikauffassung ist nicht als eine feste Schablone zu nehmen, wie es
ja in der Rezeption bis jetzt gemacht wurde, sondern sollte vor allem historisch
und konzeptuell hinterfragt werden. Vielleicht hat Nørgårds Musikauffassung,
wie sie in seinen Schriften dargestellt wurde, keine musikalischen
Konsequenzen. Dann müsste die Auffassung aber auch anders gedeutet werden,
z.B. als Ausdruck kultureller Orientierungsversuche, der in der Tat ein wichtiger
Aspekt des Nørgård’schen Schaffens ist. Abgesehen davon, welche dieser zwei
Deutungsmöglichkeiten
die
Perspektive
bestimmt,
scheint
die
Filmmusikkomposition in Per Nørgards Schaffen eine Schlüsselrolle zu spielen.
Аталай Байзаль. Музыка для кино или музыкальная картина? Размышления
по – поводу сочинений Пера Нёргарда к кино. Пер Нёргард (1932*) принадлежит
сегодня к значительнейшим современным композиторам Дании, не в последнюю
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очередь в связи со своей деятельностью в различных сферах музыкальной жизни.
Таким образом, мы видим Нёргарда педагога, музыкального теоретика, музыкального
критика, а так же организатора первых важнейших концертов новой музыки. Эта
многогранность отражает определенный аспект понимания музыки Нёргарда: человек
должен получать понятия о действительности через музыку, хотя при этом композитор
как бы перенимает во всех областях музыкальной действительности роль
комментатора. Поэтому неудивительно, что Нёргард дистанцируется от
потребительской музыки любого вида, поскольку она не соответствует его требованиям
к музыке или не соответствует композитору. Несмотря на это Нёргард сочинил музыку
к двум кинофильмам: «Ютландский принц» и «Праздник Бабетты».
Моя статья исследует вопрос: насколько эти композиции сочетаются с
пониманием музыки Нёргардом. Те ли это Композиции, в которых можно определить
музыкальные компромиссы, или они обнаруживают новый аспект понимания музыки
Нёргердом?
Atalay Baysal. Filmmusik oder Musikbild? – Überlegungen zu Per Nørgårds
Filmmusikkompositionen. Per Nørgård (*1932) gehört heute zu den bedeutendsten
zeitgenössischen Komponisten in Dänemark, nicht zuletzt wegen seines Wirkens in
unterschiedlichsten Bereichen des Musiklebens. So sehen wir Nørgård als Pädagogen,
Musiktheoretiker, Musikkritiker und auch als Veranstalter der ersten wichtigen Konzerte der
Neuen Musik.
Diese Mannigfaltigkeit spiegelt einen bestimmten Aspekt von Nørgårds
Musikverständnis wider: durch die Musik soll der Mensch Erkenntnisse über die Wirklichkeit
gewinnen, wobei der Komponist in allen Bereichen des Musikgeschehens quasi eine
Moderatorenrolle einnimmt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Nørgård sich von jeder
Art von Gebrauchsmusik distanziert, da diese seinen Ansprüchen an die Musik bzw. an den
Komponisten nicht entsprechen kann. Trotzdem komponierte Nørgård Musik für zwei Filme:
Der Prinz von Jütland und Babettes Fest.
Mein Referat wird der Frage nachgehen, inwieweit diese Kompositionen mit Nørgårds
Musikverständnis vereinbar sind. Sind es Kompositionen, in denen man musikalische
Kompromisse feststellen kann, oder decken sie einen neuen Aspekt des Nørgård’schen
Musikverständnisses auf?
Guy Van Mondriaan
«BJÖRKSISM?!»
EINE KRITISCHE BETRACHTUNG VON BJÖRKS SCHAFFEN UND
IHREM EINFLUSS AUF DIE ZUKÜNFTIGE POPULARMUSIK
Popmusik, wie sie sich als ein schnelleres Zappen zwischen den
verschiedenen Musik-Kanälen wie MTV darstellt, veranschaulicht zunehmend
den Charakter eines kontrollierten Flusses, der vom allgemeinen Publikum
verbreitet und gefordert wird. Die meisten Songs und diejenigen, die sie singen,
antworten auf ein Modell, oder – wenn man so will – auf einige sehr spezifische,
wiederholte Normen und Formen, die sozial anerkannt sind. Diese Miniatur
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