© Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG, 2012 Köln. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig. Bilder: Jens Hager technik Seit Anfang 2011 zeigt sich das 130 Jahre alte ehemalige Sparlädle in einem Gewand aus modernen Bauprodukten, die der moderne Zimmerer heutzutage verarbeitet. Hauptsache Holz Wohnhaussanierung ❙ Der ausführende Holzbauer bei der Sanierung eines 130 Jahre alten Wohnund Geschäftshauses war gleichzeitig auch der Bauherr. Im Vordergrund der Bauaufgabe standen Nachhaltigkeit und eine möglichst hohe Wertschöpfung im eigenen Unternehmen. F ür die Sanierung alter Mauerwerksfassaden bietet der Baustoffhandel heutzutage zahlreiche Bauprodukte zur Auswahl an. Schnell landen Bauherren bei der Wärmedämmung dann beispielsweise bei geklebten Wärmedämm-Verbundsystemen auf Schaumkunststoffbasis. Anders kann es sein, wenn der Bauherr ein Zimmerer ist wie Jens Hager. Der Zimmermeister betreibt seit 2003 einen Holzbaubetrieb in der Nähe von Karlsruhe. Kürzlich sanierte er ein Massivhaus, das er zuvor von einer alten Dame erworben hatte. 16 Ehemals war das Haus in Wilferdingen 1880 als Wohnhaus mit Scheune gebaut worden. 1910 wurde es umgebaut und um einen Verkaufsladen erweitert, der später lange Zeit zur SPAR-Ladenkette gehörte. „Sparlädle“ nannten die Bewohner des Ortes den Tante-Emma-Laden. Er war typisch für die Zeit vor Discountern wie Aldi und Lidl und außerdem ein wichtiger Treffpunk und Kommunikationsort im Viertel. Diesen Charme zu erhalten machte sich Jens Hager genauso zur Vorgabe, wie die zweite wesentliche Anforderung: Alle Sanierungs- Wolfgang Schäfer und Umbauarbeiten sollten im Bereich des Zimmererhandwerks angesiedelt sein. Der Schwerpunkt aller Maßnahmen lag bei der Reduzierung des Wärmebedarfs. Das Gebäude sollte nach der Sanierung wärmetechnisch auf dem neuesten Stand sein. Dazu wurden die Außenwände mit einer vorgesetzten diffusionsoffenen Fassade in Holzbauweise ertüchtigt. Die Außenlage bildet eine 60 mm dicke Schicht aus Holzfaserplatten. In den entstandenen Hohlraum zwischen dem Mauerwerk und der Holzfaserplatte wurden 10 bis 14 cm bauen mit holz · 10.2012 © Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG, 2012 Köln. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig. Zellulose eingeblasen. Somit konnte der U-Wert der Wand von ehemals 1,4 W/(m²K) auf 0,22 W/(m²/K) gesenkt werden. Im Bereich des Tante-Emma-Ladens sollten außen der bestehende Bruchsteinsockel und die farblich abgesetzten Faschen erhalten bleiben. Daher wurde dieser Wandbereich nicht von außen, sondern von innen gedämmt. Als Innendämmung klebten die Handwerker eine feuchteregulierende 80 mm dicke Holzweichfaserplatte auf die bestehende Mauerwerkswand, die später von innen mit einem Kunstharzputz bekleidet wurde. Sparren wurden sandgestrahlt und aufgedoppelt Der Dachstuhl war zwar alt, aber im Wesentlichen schadenfrei. Er konnte komplett erhalten werden. Dabei sollten die alten Hölzer nach der Sanierung von innen sichtbar sein, und so wurde das Gebälk zunächst sandgestahlt. Danach verschalten die Zimmerleute die Dachschrägen von außen mit einer weiß lasierten Nut-und-Feder-Schalung, auf die sie dann im nächsten Schritt eine Luftdichtungsbahn auflegten. Danach folgte eine Aufdopplung mit 20 cm hohen Kanthölzern und als Abschluss eine Lage 35 mm dicker Holzfaserplatten. Später wurde auch hier in den Hohlraum wie bei den Außenwänden eine Zellulosedämmung eingeblasen. Im Ergebnis wurde auf diese Weise für die Dachfläche ein U-Wert von knapp unter 0,2 W/(m²K) erreicht. Neben der Sanierung des Bestandsgebäudes wurde außerdem ein Anbau in Holzrahmenbauweise hinzugefügt. In diesem Anbau befinden sich zusätzliche Wohnräume und ein Technikraum. Das Erdgeschoss wird als Carport genutzt. Bei den Decken des Anbaus setzten die Zimmerleute auf vorgefertigte Brettstapelelemente. Insgesamt entstanden nach der Sanierung drei Wohneinheiten mit jeweils 80, 100 und 120 m² Fläche. Teilweise konnten die bestehenden Eichenparkette erhalten bleiben. Moderne Energiesparfenster mit Dreifachverglasung ersetzen die alten einfach verglasten Fenster. Die Wärmeerzeugung erfolgt in Zukunft mit einer Pelletheizung. Eine Solaranlage dient der Warmwasser- und Heizungsunterstützung. Auf dem Gaubendach an der Gebäuderückseite wurde eine IndachPhotovoltaikanlage installiert und für die 10.2012 · www.bauenmitholz.de Sehr wichtig war dem Bauherrn, trotz der umfangreichen Modernisierung den Charme des ehemaligen Wohnhauses mit Tante-Emma-Laden zu erhalten. Zur Ertüchtigung der Wandflächen kam eine vorgesetzte Schale aus Holzfaserplatten zum Einsatz, die später mit Zellulose hinterfüllt wurde. Dachdeckung wählte der Bauherr Ziegel, die Stickoxide aus der Luft filtern und in Nitrate umwandeln sollen. Nach der Sanierung werden die Dämmeigenschaften des Gebäudes an insgesamt zehn Stellen in Dach und Wand mit Sensoren überwacht. Sie messen sowohl die Temperatur als auch die Feuchtigkeit in der neuen Konstruktion. Projekt verdeutlicht die Lesitungs­ fähigkeit des modernen Holzbaus Die Baumaßnahme ist für die ausführende Zimmerei in verschiedener Hinsicht 17 © Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG, 2012 Köln. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig. technik Auch das Marketing sollte stimmen: Über die Presse lud die Zimmerei zu einem Tag der offenen Tür ein – Imagewerbung fürs eigene Unternehmen und den Holzbau insgesamt. Das alte Gebälk des Dachstuhls sollte erhalten bleiben. Nach Sandstrahlen und kleineren Reparaturen konnte es von innen sichtbar bleiben. Ein Anbau in Holzrahmenbauweise schaffte weiteren Wohnraum und bietet Platz für die Haustechnik und einen Carport im Erdgeschoss. 18 bauen mit holz · 10.2012 © Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG, 2012 Köln. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig. Von außen wurde die Dachfläche aufgedoppelt und mit Holzweichfaserplatten verschalt. In die Hohlräume wurde später Zellulose eingeblasen. Nach der Sanierung ist die rückwärtige Dachfläche geprägt von moderner Energietechnik. Photovoltaikmodule, Solarflächen und moderne Dachflächenfenster sorgen für eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs. bedeutend: Zum einen ist es ein Referenzobjekt, bei dem die zahlreichen Leistungen, die im modernen Holzbau umgesetzt werden können, vorgestellt und dem Endkunden nahegebracht werden. Dabei zeigt es plakativ sowohl die Neubau- als auch die Sanierungskompetenzen, die moderne Zimmereien heutzutage mitbringen. Außerdem stellt das Gebäude einen Teil der Altersvorsorge des Betriebsinhabers dar. Die Verwendung möglichst vieler Bauprodukte, die üblicherweise von Zimmerern verarbeitet werden, führte bei 10.2012 · www.bauenmitholz.de Holzbau Hager zu einer möglichst hohen Wertschöpfung. Des Weiteren beließ es Jens Hager nicht dabei, das Haus nur zu sanieren. Er veranstaltete außerdem an einem Sonntagnachmittag einen Tag der offenen Tür, zu dem er in der örtlichen Presse einlud. Dabei wurde das Gebäude vorgestellt und die Besonderheiten erklärt. Wohnungssuchende hatten ebenso die Gelegenheit, sich zu informieren, wie sanierungswillige Hausbesitzer, aus denen möglicherweise neue, vom Holzbau begeisterte Kunden werden. ❙ 19