Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick Migrationskonferenz Kampnagel der Sprung ins Netz und weiter ... Larry Macauley im Gespräch BILDUNG UND KULTUR Kulturarchiv des Krieges erschöpft, ermüdet, überlebt ... Aleida Assmann im Gespräch (2) Fragend und forschend neuen Katastrophen entgegentreten ... Veranstaltung am 17. Februar 2016 im Kultur­ und Kommunikationszen­ trum Die Pumpe in Kiel (SB) ­ "Den Enkeln gewidmet" - im Abspann der Zeitzeugendokumentation "Anfang aus dem Ende. Die Flakhelfergeneration" wurde noch einmal die Brücke in die Gegenwart geschlagen, die im Film bereits durch Begegnungen zwischen ... (S. 5) MUSIK / REPORT In Szene und erzählt das uralte Spiel ... Bewegende Uraufführung und span­ nender Politkrimi in Magdeburg Uraufführung am 18. März 2016 Sonntag, 20. März 2016 Brücken schlagen zwischen Immigranten und Einheimischen Interview mit Larry Macauley am 27. Februar 2016 auf Kampnagel in Hamburg Ein wichtiger Diskussionspunkt auf der International Conference of Refugees and Migrants, die Ende Februar auf Kampnagel in Hamburg stattfand, war die Interaktion zwischen der alteingesessenen Bevölkerung Deutschlands und den Neuankömmlingen - welche Probleme sich daraus ergeben und wie der zwischenmenschliche Umgang verbessert werden könnte. Der gebürtige Nigerianer Larry Macauley setzt sich mit diesem Thema seit seiner Ankunft in Hamburg vor zwei Jahren intensiv auseinander. Am Rande der Konferenz führte der Schattenblick mit dem Gründer und Geschäftsführer des Refugee Radio Network folgendes Interview. (SB) ­ Es war ein ganz besonderer Abend im Magdeburger Schauspielhaus: Sidney Corbetts Kammeroper Die Andere, ein Kompositionsauftrag des Theaters nach dem Libretto Larry Macauley von Christoph Hein, erlebte am Frei- Schattenblick (SB): Herr Macauley, Foto: © 2016 by Schattenblick tagabend (18. März) ihre Urauffüh- was brachte Sie nach Deutschland rung und wurde vom ... (S. 9) und wie kamen Sie dazu, das Refu- LM: Ich lebte und arbeitete dort. Ich leitete ein Ingenieursbüro in gee Radio Network zu gründen? der Hauptstadt Tripolis. Doch als SPORT / BOXEN Larry Macauley (LM): Ich bin poli- die NATO-Bomben fielen und tischer Flüchtling aus Nigeria. 2011 sich das Chaos mit den sich rivaProminenz im Doppelpack bin ich wie viele andere vor dem lisierenden Banden abzeichnete, Badou Jack und James DeGale ver­ Krieg in Libyen in einem Boot über entschied ich mich, Libyen zu verteidigen ihre Gürtel das Mittelmeer nach Lampedusa ge- lassen. Wegen meiner früheren politischen Tätigkeit als Opposi(SB) ­ Badou Jack verteidigt den flohen. tioneller konnte ich nicht nach NiWBC-Titel im Supermittelgewicht am 30. April voraussichtlich in Wa- SB: Lebten Sie damals in Libyen geria zurück. Also ging ich nach oder waren Sie auf der Durchreise? Europa. shington D.C. gegen ... (Seite 12) (SB) ­ Elektronische Zeitung Schattenblick SB: Zu welchem Zeitpunkt 2011 haben Sie Libyen verlassen? Im Februar, als der Aufstand in Benghazi begann? Im März, nachdem die ersten NATO-Bomben in Tripolis einschlugen, oder erst nachdem Gaddhafi im Oktober ermordet wurde? LM: Ich stand mit vielen Leuten innerhalb und außerhalb Libyens in Kontakt. Nachdem der Aufstand ausgebrochen war, habe ich die militärische Entwicklung genau verfolgt. Im Mai hatte ich das Gefühl, daß es für mich lebensgefährlich werden könnte, wenn ich bleibe. Gaddhafi lebte noch, aber der Staat zerfiel immer mehr. Der von den Islamisten seit Jahren propagierte "Regimewechsel" zeichnete sich ab. Also habe ich Libyen am 27. Mai den Rücken gekehrt. SB: Haben Sie Libyen allein verlassen? LM: Ja. Aber auf der Flucht bzw. in Lampedusa habe ich einige Freunde wiedergetroffen. Ich lebte zunächst drei Jahre in Italien in verschiedenen Flüchtlingslagern, bis die Regierung in Rom uns Ausreisepapiere ausstellte und uns drängte, das Land Richtung Nordeuropa zu verlassen. SB: Gehören Sie zur Gruppe Lampedusa in Hamburg? LM: Ich bin kein direktes Mitglied, sondern gehöre zu den Unterstützern. 2014 lebte ich noch in einer Flüchtlingsunterkunft in Rom, als ich Besuch von einem der Gründer von Lampedusa in Hamburg erhielt, der mich bat, in die Hansestadt zu kommen. Er erzählte mir von der gerade angelaufenen Kampagne der Gruppe um ihre Rechte und daß sie Hilfe brauchten. Also beschloß ich, der Einladung mit dem Ziel zu folgen, die Kampagne von Lampedusa in Hamburg auf die nächsthöhere Ebene zu heben. Nach meiner Ankunft in der Elbmetropole haben wir den Lampedusa Emancipation Day veranstaltet. Dazu gehörten unter anSeite 2 derem ein Marsch durch die Stadt, SB: Wie sieht das Format des RefuTheateraufführungen und Diskussio- gee Radio Networks aus? nen. LM: Wir senden online, rund um die Es lief alles sehr gut, nur dachte ich Uhr, sieben Tage die Woche. Wir sind im Anschluß, daß wir unsere Mög- über www.refugeeradionetwork.net lichkeiten weitestgehend ausge- sowie über die populäre App Tuneln schöpft hatten. Also sprach ich mit Radio auf Smartphones und Tablets zwei Mitgliedern von Lampedusa in zu empfangen. Wir sind ein unabhänHamburg und schlug ihnen die Grün- giger Sender, was uns sehr wichtig dung eines eigenen Netzradios für ist. Gleichwohl kooperieren wir derFlüchtlinge vor, um den Informati- zeit mit den verschiedenen freien Raonsaustausch unter ihnen zu fördern diosendern in Deutschland, die auf und die Menschen in den Gastgeber- UKW zu empfangen sind - unter anländern über uns und unsere Belan- derem in Hamburg, Berlin, Marburg, ge aufzuklären. Die beiden waren Stuttgart und München. zunächst etwas skeptisch, denn keiner von ihnen hatte Erfahrung im Ra- SB: Also werden Sendungen, die Sie diobereich. Aber ich kannte mich da produziert haben und im Internet ein wenig aus. Ich wußte, daß wir mit senden, auch über die offenen Kanänur wenig Geld und einfachster Ra- le ausgestrahlt? dio-Ausrüstung schon auf Sendung gehen könnten. Mein Vorschlag wur- LM: So ist es. Auf diese Weise finde angenommen, und noch im selben det unsere "Refugee Voices Show" Monat konnten wir den Betrieb auf- Verbreitung und neue Hörer. nehmen. Am Anfang war alles ein wenig primitiv. Im Dezember 2014 SB: Und was sendet das Refugee gingen wir mit unserer ersten zwei- Radio Network sonst noch alles? stündigen Magazin-Sendung mit Was bekomme ich zu hören, wenn Diskussionsrunde online. Seitdem ist ich Ihren Sender einschalte? alles nur noch besser geworden - sowohl qualitativ als auch quantitativ. LM: Ich denke ein unterhaltsames und informatives Programm, das breit gefächert ist. Wir bringen Nachrichten, machen Live-Interviews, Reportagen von aktuellen Ereignissen sowie Sendungen mit den verschiedenen Musikrichtungen Afrikas. Wir senden Radiodramen von einem afrikanischen Netzwerk aus und haben unter Beteiligung einiger Mitglieder von Lampedusa in Hamburg unser erstes eigenes Hörspiel produziert und ausgestrahlt. SB: Also stehen Sie auch mit verschiedenen afrikanischen Radiosendern in Verbindung? Larry Macauley meldet sich bei einer Diskussion auf der Flüchtlingskonferenz zu Wort Foto: © 2016 by Schattenblick www.schattenblick.de LM: Das läuft gerade an. Nachdem es uns gelungen ist, einen gewissen Bekanntheitsgrad unter den Flüchtlingen und Migranten in Europa zu schaffen, wollen wir dieses Jahr damit beginnen, erste Reportagen aus den Krisenregionen in Afrika zu proSo, 20. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick duzieren und über die Lage der Menschen dort zu berichten. In diesem Zusammenhang planen wir in den kommenden Monaten Lager für Binnenflüchtlinge in Nigeria und Mali zu besuchen. Wir stehen bereits in Kontakt mit den Menschen in Flüchtlingslagern in Kenia und Somalia. SB: Wie setzt sich aktuell die Zuhörerschaft von Refugee Radio Network zusammen? LM: Unsere Zuhörer und die Leute, die uns anrufen, sind Flüchtlinge sowie Einheimische in den Städten, wo unsere Sendungen auch über UKW ausgestrahlt werden - was natürlich die Bedeutung für die Zusammenarbeit mit den offenen Kanälen verdeutlicht. sich diese später in der Wiederholung anhören. Unser Livestream wird laufend aktualisiert. Auf unserer Webseite kann man sich das Programm für die kommenden Stunden und Tage anschauen und die Beiträge heraussuchen, die einen interessieren. Im Archiv auf der Webseite halten wir auch Podcasts vergangener Sendungen - nicht von allen, aber von den wichtigsten - bereit. Wir planen, künftig auch kleine Fernsehproduktionen zu erstellen. Unsere erste Fernsehsendung haben wir live am gestrigen Freitag hier von Kampnagel anläßlich des Auftakts der internationalen Flüchtlingskonferenz ausgestrahlt. Damit haben wir diesen Bereich bereits betreten und werden hoffentlich demnächst auch ein Refugee TV Network haben. zieren und gegebenenfalls senden können. Wenn wir beispielsweise in der Hauptstadt sind, können wir dort bei dem freien Sender Alex Berlin arbeiten und erhalten Unterstützung von den Kollegen. SB: Sie bedienen mit Ihrem Sender ein sehr vielschichtiges Publikum, wenn man allein die zahlreichen Ethnien und Volksgruppen Afrikas bedenkt. Vor diesem Hintergrund die Frage, in welcher Sprache Ihre Sendungen ausgestrahlt werden. Arabisch, Französisch, Englisch, Yoruba, Swahili oder Hausa? LM: Refugee Radio Network ist ein mehrsprachiger Sender. Welche Sprache benutzt wird, hängt jeweils vom Thema ab und woher die Men- SB: Heißt das, Sie machen auch Sendungen, wo sich die Zuhörer telefonisch melden und sich mit ihren Meinungen und ihren Geschichten einbringen können? LM: Ja. "Refugees Voices Show" ist so eine Anrufsendung. SB: Wie nehmen die Hörer Kontakt zum Sender auf, allein übers Telefon oder auch über Skype? LM: Beides ist möglich, auch wenn einen Skype-Anruf in die Sendung einzubinden für uns momentan noch etwas knifflig ist. In letzter Zeit haben wir die Anzahl der Anrufsendun- SB­Redakteur und Larry Macauley gen reduziert, denn unser Team war Foto: © 2016 by Schattenblick viel unterwegs auf Reportagen, und man kann nicht alles gleichzeitig SB: Von wo aus operiert der Sender? Mieten Sie ein Studio oder machen machen. Sie das alles von zu Hause aus? SB: Aber das Refugee Radio Network ist dennoch rund um die Uhr LM: Wir benutzen die Räumlichkeiten und die Technik des Freien Senauf Sendung? der Kombinats hier in Hamburg. Wir LM: Ja, den ganzen Tag. Um das zu produzieren die Beiträge dort und gewährleisten, werden die Program- senden auch von dort aus. Das FSK me manchmal wiederholt. Auf die ist Mitglied beim Bundesverband Weise können Hörer, die die eine Freier Radios, was bedeutet, daß wir oder andere Sendung zu einer be- unterwegs auch bei den offenen stimmten Tageszeit verpaßt haben, Kanälen in anderen Städten produSo, 20. März 2016 www.schattenblick.de schen stammen, die zu Wort kommen. Die von Ihnen genannten Sprachen bekommt man bei uns zu hören und viele mehr. Geht es in der Sendung um Themen, die spezifisch, sagen wir mal Gambia oder Senegal betreffen, dann werden die Beteiligten Mandingo, Fula und Wolof sprechen. Deren Aussagen werden von Dolmetschern ins Deutsche übersetzt, damit die Menschen hierzulande die Möglichkeit haben zu verfolgen, worum es überhaupt geht. In der vergangenen Woche haben wir auf Bitten der afghanischen Flüchtlinge hier in Hamburg mit einer neuen Seite 3 Elektronische Zeitung Schattenblick Sendung namens "Afghan Voices" Menschen, denen wir mit unseren gen. Diesen Prozeß zu befördern ist begonnen. Diensten behilflich sein wollen. die Mission von Refugee Radio Network. SB: Also ist Refugees Radio Net- SB: Inwieweit hat die einheimische work nicht ausschließlich für Men- Bevölkerung von Ihrem Sender No- SB: Vielen Dank, Larry Macauley, schen aus Afrika da? tiz genommen bzw. wie sieht die In- für dieses Gespräch. teraktion zwischen Refugee Radio LM: Keinesfalls. Wir sind eine mul- Network und den deutschen Bürgern tiethnische, mehrsprachige Platt- aus? form, die Flüchtlinge aus aller Welt bedient und ihnen helfen will, sich in LM: Wir bekommen Briefe von der neuen Umgebung zurechtzufin- deutschen Zuhörern. Sie melden sich den und den Kontakt zum Herkunfts- auch während unsere Anrufsendunland aufrechtzuerhalten. Heute traf gen zu Wort. Natürlich sind sie uns ich mich hier auf Kampnagel mit ei- nicht immer wohlgesonnen. Manchner Gruppe junger Jemeniten, die ei- mal bekommen wir Haßbriefe oder ne Sendung über ihre Situation hier auch Anrufe von Leuten, welche die in Deutschland und die katastropha- Flüchtlinge für alles, was in le Lage in ihrem Land auf die Beine Deutschland schiefläuft, verantwortstellen wollen. lich machen wollen. Doch die Mehrzahl der Deutschen, die Kontakt mit SB: Große Aufmerksamkeit wird dem Sender aufnehmen, sind freundseitens der westlichen Medien der lich und wollen uns und die neuen Militärintervention der Saudis und Migranten ermutigen. Was wir da ihrer Verbündeten im Jemen, die in- machen, nennen wir Community Razwischen ein Jahr anhält und Tausen- dio. Konkret bedeutet das, daß wir de Menschen das Leben gekostet hat, natürlich für die Gemeinde der Das Refugee Radio Network macht auf sich aufmerksam nicht zuteil. Bisher ist wenig darüber Flüchtlinge und Migranten da sind, Foto: © 2016 by Schattenblick berichtet worden, daß Kriegsflücht- gleichzeitig aber auch den Kontakt linge aus dem Jemen nach Deutsch- zwischen ihnen und der einheimiland gekommen sind. Liegen Ihnen schen Bevölkerung befördern wolBisherige Beiträge zur Hamburger dazu Zahlen vor? len. LM: Wie viele es inzwischen sind, kann ich Ihnen nicht genau sagen, aber die ersten Kriegsflüchtlinge aus dem Jemen sind bereits vor sechs Monaten in Deutschland angekommen. Diese Jugendlichen aus dem Jemen sind heute ohne Voranmeldung in unserem provisorischen Studio auf Kampnagel erschienen. Ras, ein syrischer Mitarbeiter des Senders, hat gleich ein Interview mit ihnen aufArabisch über die Zustände in ihrer Heimat gemacht. Auf Englisch habe ich mit ihnen über die Möglichkeit einer eigenen Sendung gesprochen, um die Probleme der jemenitischen Kriegsflüchtlinge ins öffentliche Bewußtsein zu rücken. Sie sagten mir, sie wollten unter anderem Musik machen, Gedichte vorlesen und über den Krieg informieren. Ich habe sie in alle Richtungen ermutigt, denn das sind genau die Seite 4 Ich denke, daß das, was wir machen, für das Zusammenleben der Menschen hier in Deutschland wichtig ist. Als ich nach Hamburg kam, gab es kein Flüchtlingsradio. Doch nur neun Monate, nachdem Refugee Radio Network auf Sendung ging, kam der NDR mit einem eigenen Portal für Flüchtlinge heraus. Im Grunde genommen bieten sie jeden Tag nur fünf Minuten Nachrichten für Flüchtlinge an. An sich ist es als öffentlich-rechtliche Dienstleistung nicht schlecht. Doch wir wollen ein weit umfassenderes Programm anbieten, das von Flüchtlingen selbst gemacht und auf deren Bedürfnisse zugeschnitten ist. Gleichzeitig wollen wir ein Forum sein, mittels dessen die Energie der Flüchtlinge und der Migranten der deutschen Gesellschaft zuteil wird; denn sie leben hier und wollen zum Gemeinwohl beitrawww.schattenblick.de Flüchtlingskonferenz im Schatten­ blick unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT: BERICHT/231: Migrationskonferenz Kampnagel - Teilen und Verweilen (SB) INTERVIEW/300: Migrationskonferenz Kampnagel - Historische Pflicht und humane Selbstverständlichkeit ... Beate Gleiser im Gespräch (SB) INTERVIEW/301: Migrationskonferenz Kampnagel - Nah! und solidarisch Asmara Habtezion im Gespräch (SB) INTERVIEW/302: Migrationskonferenz Kampnagel - Die Geschichte der Opfer ... Ibrahim Arslan im Gespräch (SB) So, 20. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick BILDUNG UND KULTUR / REPORT / INTERVIEW Kulturarchiv des Krieges - erschöpft, ermüdet, überlebt ... Aleida Assmann im Gespräch (2) Fragend und forschend neuen Katastrophen entgegentreten ... Veranstaltung am 17. Februar 2016 im Kultur­ und Kommunikationszentrum Die Pumpe in Kiel Solange die Betroffenheit selbsterlebter Kriegsrealität das Bewußtsein der Menschen prägte, war die Bereitschaft, sich auf neue Abenteuer dieser Art einzulassen, gering. Der Widerstand gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik in den 1950er Jahren trieb noch Millionen Menschen auf die Straße, und auch die akute Atomkriegsgefahr brachte zu Beginn der 1980er Jahre noch zahlreiche Kriegsgegnerinnen und -gegner auf die Beine. Das letzte Aufflackern des entschiedenen Willens, es nicht noch einmal so weit kommen zu lassen, daß Millionen Menschen einer mörderischen Militärmaschinerie zum Opfer fallen, waren die weltweiten Demonstrationen gegen die Eroberung des Iraks 2003. Wie beFortsetzung von Seite 4: gründet dieser auch in der Bundesrestarke Protest war, zeigen die INTERVIEW/303: Migrationskon- publik katastrophalen die ferenz Kampnagel - Am eigenen dieser Eingriff Entwicklungen, in die nahöstlichen Leib ... Kokou Theophil Ayena im Machtverhältnisse gezeitigt haben. Gespräch (SB) von der Hand zu weisen ist INTERVIEW/304: Migrationskon- Nicht mithin die Möglichkeit, daß der Verferenz Kampnagel - Halbherzig ... lust authentischer Erinnerungen an Nadya Hareket im Gespräch (SB) kriegerische Zerstörung die damit Nachkriegszeit in eine INTERVIEW/305: Migrationskon- auslaufende neue Vorkriegszeit umschlagen läßt. ferenz Kampnagel - Fremdbestimmt Die politischen Bedingungen und kriegsgetrieben ... Tahir Khair sind allemal gegeben, wie diedafür NeuKhowa im Gespräch (SB) fassung der deutschen Staatsräson, sei an der Zeit, auch im Sinne anINTERVIEW/306: Migrationskon- es geblich notwendiger Kriegführung ferenz Kampnagel - Fluchtgrund wieder "Verantwortung" zu übernehNeubeginn ... Zohair Mahmoud im men, zeigt. Um so wertvoller sind die Gespräch (SB) verbliebenen Bemühungen, sich der persönlichen wie staatlichen Beteilihttp://www.schattenblick.de/ gung an der Entstehung bewaffneter infopool/politik/report/ Auseinandersetzungen gewahr zu prin0307.html werden. (SB) ­ "Den Enkeln gewidmet" - im Abspann der Zeitzeugendokumentation "Anfang aus dem Ende. Die Flakhelfergeneration" wurde noch einmal die Brücke in die Gegenwart geschlagen, die im Film bereits durch Begegnungen zwischen den Generationen zum Thema wurde. Das allmähliche Schwinden persönlicher Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg geht Hand in Hand mit dem Aufkommen von Kriegsgefahren, die als Bedrohung von letztlich unauslotbarem Eskalationspotential hierzulande kaum wahrgenommen wird. So, 20. März 2016 www.schattenblick.de In der Diskussion nach der Vorführung des Filmes zeigte sich, wie stark das Interesse an den Berichten und Erzählungen der Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs ist. Moderiert von Mechthild Klingenburg-Vogel [1] stellte sich Aleida Assmann den Fragen des Publikums, das sich für die Hintergründe der Entstehung des Dokumentarfilms ebenso interessierte, wie es eigene Geschichten aus erster und zweiter Hand beisteuerte. Was im Dialog mit Eltern und Großeltern hervortrat, war für die einzelnen Personen häufig von dramatischem Erkenntniswert, so daß das persönliche Interesse an dieser Form von Erinnerungskultur die Debatte bestimmte. Über die häufig heilsame Wirkung dieser innerfamiliären Dialoge hinaus sind die gesellschaftlichen Konsequenzen des Verhältnisses von Erinnern und Vergessen von eminenter Bedeutung nicht nur für die Vermeidung neuer Kriegsgefahren, sondern für einen Umgang mit anderen Menschen, der nicht von Sozialkonkurrenz und Rassismus geprägt ist. Da in der Bundesrepublik wieder Flüchtlingsheime brennen, selbsternannte Verteidiger des Abendlandes fremdenfeindliche Parolen skandieren und rechtspopulistische Politik massiv anwachsende Zustimmung erhält, tritt der einander verstärkende Zusammenhang von mangelndem zeitgeschichtlichen Bewußtsein und der Verschärfung sozialer Widersprüche um so deutlicher hervor. Geschichte wird immer auch im Kontext gesellschaftlicher Deutungsmacht geschrieben, was die korrigierende Intervention zweckSeite 5 Elektronische Zeitung Schattenblick dienlicher Auslegungen durch Zeitzeugen, die das schnelle, durch die Anforderungen der digitalisierten Arbeits- und Lebenswelt zusätzlich dynamisierte Vergessen durchbricht, um so unentbehrlicher macht. Im zweiten Teil des Gesprächs [2] mit der Kulturwissenschaftlerin und Autorin zahlreicher Werke zu Fragen des kulturellen Gedächtnisses, Dr. Aleida Assmann, das anläßlich der Aufführung des Filmes "Anfang aus dem Ende. Die Flakhelfergeneration" in Kiel zustande kam, wird deutlich, wie wichtig die Wirkungsmacht historische Diskurse für politische Weichenstellungen im besonderen und die gesellschaftliche Entwicklung im allgemeinen ist. Es gibt also allen Anlaß, sich über Erinnern und Vergessen in der sogenannten Wissensgesellschaft Gedanken zu machen, die den Horizont alltäglicher Bewältigung überschreiten und damit existentielle Fragen menschlichen Daseins berühren. Aleida Assmann Foto: © 2016 by Schattenblick Schattenblick (SB): In der Welt der Digitalisierung scheint sich eigentlich alles auf den Begriff der Information zu reduzieren, so daß man im Grunde genommen nicht mehr als dies benötigte, um die Wirklichkeit zu verstehen. Von einem zum Informationsbegriff abgegrenzten Wissen ist in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht mehr so sehr die Rede. Wie bewerten Sie die Auswirkungen Seite 6 der Totalität der Information auf den die Naturwissenschaft. Beide funktiovon Ihnen verwendeten Begriff des nieren noch in einer Form des permakulturellen Gedächtnisses? nenten Überholmanövers. Man spricht inzwischen auch von ProduktAleida Assmann (AA): Zu Wissen generationen. Insbesondere die digiund Information will ich noch zwei tale Technologie geht dahin, daß jedes weitere Begriffe hinzufügen, um die- Smartphone durch eine nächste Genese Reihe aufzublättern. Ich fange mit ration überholt werden muß, damit die Daten an. Daten stehen noch unter- Wirtschaft weiter in Gang gehalten halb der Information, denn eine In- wird. Wirtschaft, Wissenschaft und formation ist bereits eine Verknüp- Technik sind eigentlich der heiße Mofung von Daten. Das Wissen ist dann tor, der uns antreibt und unsere Kultur eine Form der Aneignung von Infor- immer gerichtet in Bewegung hält. mation oder der Einbau in einen Was wir nicht mehr brauchen, wird Kontext. Es muß aber noch ein näch- entsorgt und weggeworfen. Wir leben ster Schritt folgen, damit man sich in einer Wegwerfgesellschaft, die die auch ein Wissen aneignen kann, das Vergangenheit nicht braucht und nur für die eigene Identität und Person damit ein Problem hat, wie man den wichtig ist. Die Frage ist doch, Berg giftiger Rückstände ablagern warum Wissen für mich erheblich und wieder loswerden kann. In dieser und bedeutsam ist. Damit wären wir Sicht ist die Vergangenheit keine Resbei einer Kategorie, die wir im kul- source, auf die man angewiesen ist turellen Sinne Bildung oder Ge- und mit der man weitermachen kann. dächtnis nennen. Hier beginnt die bewußte Aneignung von Informatio- Das kulturelle Gedächtnis ist völlig nen, die in Wissen übergegangen anders, geradezu umgekehrt organisind und zu einem Teil der Persön- siert. Hier geht es um Institutionen lichkeit werden, weil man sich mit der Bestandswahrung und den Erhalt diesem Wissen auseinandersetzt und dessen, was nicht unmittelbar in Nutdaran wächst, also auch aufwächst in zen zu übersetzen und optimierbar ist. einem primären Sinne. Man lernt Dazu gehören Museen, Archive, BiDinge in der Schule, die einem wich- bliotheken, Theater und so weiter. Es tig sind, seien es Gedichte, Romane sind Institutionen, die Dinge vorhaloder Theaterstücke, die man gesehen ten, damit die nächste Generation hat, es kann auch Musik sein, die noch die Chance hat, sich damit ausman gehört hat, oder Bilder, die ei- einanderzusetzen. An dieser Stelle nem nachgehen. In diesen hochse- würde ich das kulturelle Gedächtnis lektiven Prozessen eignet und erar- ansiedeln. Es ist nie auf einen kollekbeitet man sich Wissen an, das dann tiven Verwertungs- oder Identitätszudie eigene Person ausmacht. Da hat sammenhang ausgerichtet, sondern jeder seinen eigenen Zugriff und Zu- stellt immer eine in sich widersprüchsammenhalt. Daß man sich das in je- liche Vielfalt dar, aus der sich dann der Generation wieder neu zusam- die Individuen die Dinge herausziemenstellen kann, setzt voraus, daß hen, mit denen sie umgehen wollen. sich die Gesellschaft Institutionen leistet, die auch kostspielig sind, die SB: Welche Auswirkungen hat es aus diese Dinge vorhalten, obwohl sie Ihrer Sicht, wenn diese Archive zukeinen unmittelbaren Anwendungs- sehends digitalisiert, teilweise sogar nutzen haben. monopolisiert werden? Damit streifen wir die Frage nach dem Fortschritt. In unserer Gesellschaft gibt es nämlich eine Dimension, die weiterhin an einer völlig ungebrochenen Fortschrittslogik festhält: die Technik und im gewissen Sinne auch www.schattenblick.de AA: Nehmen wir ein neues Instrument wie Wikipedia, mit dem wir alle Informationen, an die wir überhaupt denken können, immer in Sekundenschnelle erhalten und das uns jede Frage sofort beantworten kann. So, 20. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick An diesem Punkt muß man sich jedoch auch überlegen, wie man an Fragen kommt, die nicht so schnell beantwortet werden können. Das ist eigentlich der nächste Schritt. Denn es führt auch zu einer Entwertung des Wissens, wenn alle gleichzeitig an alles herankommen, weil dann nichts mehr im engeren Sinne wissenswert ist. Das heißt, man muß über die verfügbaren Informationen hinaus etwas tun, was nicht verfügbar ist, damit dies wieder zum Gegenstand der Suche, des Findens, des Tastens, der Auseinandersetzung und des Dialogs wird. Man muß Fragezusammenhänge und Diskurse aufbauen, an denen man gemeinsam teilnehmen und die man nicht durch Knopfdruck beenden kann. Denn Suchen und Noch-nicht-gefundenHaben sind für die intellektuelle Entwicklung eigentlich der wichtigste und auch produktivste Zustand. Wenn ich sofort eine Antwort bekomme, ist das ja auch extrem unpädagogisch. Jeder Lehrer wird erst einmal eine Spannung aufbauen, damit das, was am Schluß herauskommt, die Leute auch befriedigt. Bis dahin müssen sie sich anstrengen. Das ist ja auch beim Erzählen so. Man kommt am Schluß an ein Ziel, aber das Ziel bedeutet nichts, wenn man nicht einen langen Weg dahin beschritten hat. Die Aufgabe besteht darin, solche Zusammenhänge aufzubauen und die geistige Aktivität auf Dinge umzuorientieren, die nicht sogleich erfüllbar und instantan zur Hand sind. Ansonsten werden wir erschlaffen, unsere Denkmuskeln werden atrophieren. SB: Ihre Beschäftigung mit der Flakhelfergeneration ruft eine Erinnerung hervor, die manchen Menschen unangenehm ist. Nicht zufällig gab es in der Bundesrepublik einmal die sogenannte Schlußstrichdebatte. Halten Sie die Forderung, diese Dinge endlich einmal beiseitezulegen, um normale Verhältnisse herzustellen, für eine notwendige oder gar positive Entwicklung? So, 20. März 2016 AA: Die Schlußstrichdebatte hat sehr gut zwischen 1945 und Mitte der 80er Jahre funktioniert. Kohl war noch ein Anhänger des Schlusstrichs im Adenauerischen Fahrwasser. Nicht nur Deutsche, auch Engländer haben diese Idee, daß wir das Vergangene abschließen müssen, damit wir eine neue Zukunft schaffen können, verfolgt. In seiner Rede vor der Studentenschaft der Universität Zürich hat zum Beispiel Churchill 1946 gesagt: Wir müssen diese Vergangenheit auf sich beruhen lassen, wenn wir das Haus Europa bauen wollen, sonst tragen wir ja nur Haß und Rache in die Zukunft hinein. Die Erinnerung - und da hat er völlig recht - kann auch negative Folgen haben, beispielsweise, daß man die ganze Zeit Rechnungen begleichen möchte und die Textur des sozialen Gewebes zerreisst. Natürlich war das unglaublich entlastend für die Gesellschaft, die alles vergessen oder besser gesagt in Klammern setzen wollte, denn natürlich kann man so etwas nicht vergessen. Aber man wollte das Thema in der Öffentlichkeit nicht traktieren und sich statt dessen gemeinsam - wie es Hermann Lübbe sagte - auf die große Aufgabe einstimmen, aus Parteigenossen Bundesbürger einer neuen Demokratie zu machen. Diese große Transformation war, wie er es ausdrückte, nur im Kokon eines kommunikativen Schweigens möglich. Inzwischen hat man ihm recht gegeben, daß es vielleicht eine solche Phase geben mußte, damit diese Verwandlung passieren konnte, an der übrigens die Flakhelfer - deswegen auch mein Interesse an ihnen - einen besonderen Anteil hatten. Die Flakhelfer waren bei Kriegsende ungefähr 18 Jahre alt. In dem Alter fängt man normalerweise zu studieren an, aber meistens mußten sie noch zwei, drei Schuljahre nachholen, ehe sie ins Studium gehen konnten. Im Gegensatz dazu hatte die Kriegs-Generation der Väter bereits ihre Schriften verfaßt, ihre geistigem Karrieren und berufliche Existenzen www.schattenblick.de in der NS-Zeit aufgebaut und konnte also nicht so schnell umschalten wie die Flakhelfergeneration, die einfacher den Schalter umstellen konnte, obwohl sie in ihrer gesamten Sozialisation durch und durch indoktriniert war. Von daher hatte das kommunikative Schweigen vielleicht die Demokratisierung Deutschlands ermöglicht, aber mit dem einen ganz großen Nachteil, den Lübbe nicht erwähnt, nämlich daß die Opfer und Verfolgten keine Stimme hatten. Auch sie mußten schweigen. Das hat zu sehr schlimmen Verhältnissen geführt. Erst als sie verspätet Zeugnis ablegen konnten, hat sich das umgedreht, und dann ist auch eine neue Begrifflichkeit entstanden. Ich drücke das für mich so aus: Auf den Schlußstrich ist der Trennungsstrich gefolgt. Das klingt oberflächlich betrachtet vollkommen gleich, aber im Grunde kann man an diesen beiden Begriffen die umfassende Veränderung unseres Verhältnisses zur Vergangenheit sehr klar aufzeigen. Der Schlußstrich bedeutet, wir machen hier einen Strich und vergessen, was vorher war, und kümmern uns um das, was jetzt kommt. Der Trennungstrich bedeutet, wir ziehen eine ganz klare Linie zwischen uns und damals, aber damit wir diese Linie im Auge behalten können und auch wissen, daß wir uns wirklich davon wegbewegt haben - was wir nicht wissen, wenn wir den Schlußstrich ziehen -, müssen wir uns erinnern, was vorher war. Das ist ein reflektiertes Verhältnis zu dieser Schwelle. In diesem Fall heißt das, man muß erinnern, um sich davon zu distanzieren. SB: Giorgio Agamben hat in seinem Buch "Was von Auschwitz bleibt" die authentische Zeugenschaft auf bestimmte Personen begrenzt: die sogenannten Muselmänner, die schon in der Lagersituation ausgegrenzt wurden, weil sie des Todes waren. Agamben warf die Frage auf, inwiefern das historische Zeugnis und ein Erinnern in Authentizität überhaupt möglich sein kann, wenn Seite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick man nicht absolut betroffen ist. überlebten. Warum sollte man das Könnten Sie diese These aus Ihrer schwerste Los dieser Menschen entSicht kommentieren? werten, indem man sagt, nur der Muselmann zählt? Das würde die AufAA: Man kann diese These sogar merksamkeit abwenden von dieser noch verschärfen. Claude Lanzmann Minimalexistenz eines Überlebens und auch viele Überlebende sind der im Regime des Todes. Zur ÖkonoAnsicht, daß die eigentlichen Zeugen mie in den Konzentrationslagern gedie Toten selber sind, also die, die gar hörte zum Beispiel die Kleidung und nicht mehr reden können. Das Wort die Tasche darin. Von der Frage, ob Zeuge leitet sich vom griechischen man eine Tasche hatte, in die man etmartys ab, der als Märtyrer für sei- was stecken konnte, hing manchmal nen Glauben stirbt. Aber er brauchte das Überleben ab. Jedes kleinste Debereits einen Zeugen, der dieses tail war von Wichtigkeit. Das sind Martyrium weitererzählte. Der Zeu- durchaus wichtige Untersuchungen ge, wie wir ihn heute verstehen, ist sowohl Opfer als auch jemand, der etwas gesehen hat. Der Überlebende wurde so zum sekundären Zeugen für die toten Opfer der Gewalt. Die sekundären Zeugen haben also eine ganz wichtige Mission als Zeugen für diese Zeugen. Agamben dagegen hat hier eine Grenze gezogen. Für ihn zählt nur das das Limenale, die letzte Schwelle vor dem Tod, alles andere hat demgegenüber keine Gültigkeit. Das ist eine intellektuelle Strategie der Dramatisierung. Ich habe mich lange mit Geoffrey Hartman über diese These unterhalten, der seit den frühen 80er Jahren das Projekt der FortunoffArchives in Yale leitet, wo Überlebende in Videozeugnissen zur Rede kommen. Spielberg hat das gleiche in den 90er Jahren nach einem klaren Fragebogen gemacht, was viel schematischer war. Die Yale-Zeugnisse sind ein großartiger Beginn dieses ganzen Projekts. Hartman ging es darum, so viel wie möglich zu erfassen. In der Sicht von Agamben würden diese Überlebenden, die Zeugnis abgelegt haben, den Namen Zeuge gar nicht verdienen. Warum muß diese Ausschließlichkeit sein? Mir scheint, dahinter steckt auch ein intellektueller Narzissmus. Wer die steilste These aufstellt, kriegt mehr Aufmerksamkeit. Ein junger Israeli arbeitet im Moment über den Zustand derer, die in den Konzentrationslagern zur Arbeit gezwungen wurden und zum Teil Seite 8 zur Ethnographie des Überlebens in den Todeslagern. All das könnte man gar nicht machen, wenn man eine solche These aufstellt. Die letzte Generation der überlebenden Zeugen sind die Kinder. Ruth Klüger ist kürzlich im Bundestag aufgetreten, man könnte noch Dov Kulka hinzufügen, der ebenfalls als Kind Auschwitz überlebt hat, aber das hört jetzt sehr bald auf. Die Flakhelfer sind Überlebende einer anderen Art, sie sind Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs. Natürlich kommt dann auch die Frage auf, ob man ihnen überhaupt zuhören soll. Schließlich gibt es eine Hierarchie der Opfer, und vielleicht sind sie auch Täter, also wie halten wir es damit? Möglicherweise war es auch ein Grund, warum sie so lange geschwiegen haben, weil sie sich fragten, wie steht mein Zeugnis neben dem Zeugnis der überlebenden Opwww.schattenblick.de fer? Ich denke, es ist an uns, auch diejenigen, die sich aus solchen Gründen zurückhalten, zu Wort kommen zu lassen. Auch wir haben ein Recht auf ihre Erinnerungen, denn an diesem Krieg, der die deutschen Familien mit einbezogen hat, hängen auch noch die Kinder und Kindeskinder. Wir müssen auch diese Welt und diese Erfahrungen kennen, um unsere eigene Geschichte zu verstehen. SB: Frau Assmann, vielen Dank für das lange Gespräch. Moderatorin Mechthild Klingenburg­Vogel und Aleida Assmann bei der Diskussion Foto: © 2016 by Schattenblick Anmerkungen: [1] INTERVIEW/032: Krieg um die Köpfe - Frieden schaffen ohne Waffen ... Mechthild Klingenburg-Vogel im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/infopool/sozial/report/sori0032.html [2] INTERVIEW/035: Kulturarchiv des Krieges - erschöpft, ermüdet, überlebt ... Aleida Assmann im Gespräch (1) (SB) http://www.schattenblick.de/infopool/bildkult/report/bkri0035.html http://www.schattenblick.de/ infopool/bildkult/report/ bkri0036.html So, 20. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick MUSIK / REPORT / BERICHT In Szene und erzählt - das uralte Spiel ... Bewegende Uraufführung und spannender Politkrimi in Magdeburg: Viel Beifall für Die Andere von Sidney Corbett und Christoph Hein Uraufführung am 18. März 2016 von Christiane Baumann, 19. März 2016 Es war ein ganz besonderer Abend im Magdeburger Schauspielhaus: Sidney Corbetts Kammeroper Die Andere, ein Kompositionsauftrag des Theaters nach dem Libretto von Christoph Hein, erlebte am Freitagabend (18. März) ihre Uraufführung und wurde vom Publikum verdient mit viel Beifall bedacht. So hört sich Musik des 21. Jahrhunderts an: dissonant und dennoch tonal. Dem US-Amerikaner Sidney Corbett, dessen Werke international aufgeführt werden, war anzusehen, wie emotional bewegt und aufgewühlt er war, als er nach knapp eineinhalbstündiger Aufführung mit dem Ensemble auf der Bühne stand. Auch Christoph Hein, der sich die Weltpremiere nicht entgehen ließ, zeigte sich von der Inszenierung, die in einer Zusammenarbeit von mehr als drei Jahren zwischen beiden Künstlern und dem Theater Magdeburg entstand, beeindruckt und betonte, sie habe seine Erwartungen noch übertroffen. Nach der Oper Noach, die 2001 in Bremen uraufgeführt wurde, ist es die zweite gemeinsame Arbeit von Corbett und Hein. (SB) ­ Man kann es als Ehe- und PolitThriller bezeichnen, was das Publikum auf der Bühne erlebt. Den Stoff liefert das Alte Testament. Das Bühnenbild wird von einer riesigen Schriftrolle dominiert und rückt so den biblischen Mythos aus dem Buch Genesis Kapitel 16 unübersehbar in den Mittelpunkt. Abraham und Sara, die Erzeltern, sind beide fast hundert Jahre alt und haben noch immer keinen Erben. Die KinderlosigSo, 20. März 2016 Szenenfoto "Die Andere" ­ Uraufführung am 18.03.2016 im Theater Magdeburg v.l.n.r. Kim Schrader (Ältester), Roland Fenes (Abraham), Paul Sketris (Ältester), Manfred Wulfert (Nachor), Kai Preußker (Ältester) Foto: © 2016 by Nilz Böhme keit bedroht Abrahams Macht. Das Volk ist besorgt und rebelliert. Es fürchtet, im Falle von Abrahams Tod den machtgierigen Nachbarn ausgeliefert zu sein und unterjocht zu werden. Es fordert von Abraham nachdrücklich den Erben. Als dieser seiner Frau Sara mit Scheidung droht, schlägt sie ihm vor, mit ihrer Magd Hagar, der Ägypterin, ein Kind zu zeugen. Hagar wird von beiden vergewaltigt. Als sie schwanger ist, droht Saras Ehe dennoch zu zerbrechen. Der Konflikt löst sich erst, als schließlich auch Sara schwanger wird. Der Ältestenrat, der vorsorglich für den Fall von Abrahams Tod dessen Bruder Nachor zum Nachfolwww.schattenblick.de ger gewählt hat, wird für diesen Aufruhr hart bestraft, so wie Sara ihre Magd Hagar wieder in das Sklavenjoch zwingt. Das Ende der Oper Die Andere ist ernüchternd: Sara dankt dem Herrn, dass er die "Ordnung" wiederhergestellt hat. Das Licht geht aus. Es ist tiefe Nacht, eine Nacht, die Ausbeutung, Unterdrückung und Sklaverei bedeutet. Der Aufstand ist vorbei. Die Zeugung des Erben sichert die Ehe Abrahams und Saras und zugleich die politische Macht. Hein bleibt eng an der Bibel, aber er löst diese unerhörte Geschichte aus ihrer religiösen Überhöhung, wodurch sie ihre Aktualität offenbart. Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick Szenenfotos "Die Andere" ­ Uraufführung am 18.03.2016 im Theater Magdeburg links: Undine Dreißig (Sara) und Julie Martin du Theil (Hagar) rechts: Roland Fenes (Abraham) und Julie Martin du Theil (Hagar) Fotos: © 2016 by Nilz Böhme Die Schriftrolle weist nicht nur auf den biblischen Urgrund der Geschichte, sie ist gleichermaßen der Raum, in und mit dem auf der Bühne gespielt wird. Sie teilt die Welt in die politisch Mächtigen und die Befehlsempfänger. Abraham, glänzend von Roland Fenes gespielt und gesungen, kann hier als mächtigster Mann von oben herab auf sein Volk schauen, zu dem auch das Publikum gehört, denn Regisseur Ulrich Schulz siedelt Nachor und den Ältestenrat vor der Schriftrolle sowie vor der Bühne und damit ganz unten im Zuschauerraum an. Dabei presst er die Geschichte nicht gewaltsam in unsere heutige Zeit, auch wenn die Kostüme vom Anzug bis zum Seidenkleid modern und gegenwärtig sind. Bühnenbild und Kostüme lassen vielmehr die zeitliche Zuordnung in der Schwebe, denn was hier verhandelt wird, ist zeitlos. Das Spiel um die Macht ist uralt und lässt im Handeln der Figuren archetypische Muster erkennen. kellosen Text Christoph Heins und setzt ihn in engem Bezug zu den musikalischen Spannungsbögen Corbetts in Szene, was dem Ganzen eine Schlichtheit verleiht, die geradezu bestechend ist. Da wirkt nichts aufgesetzt. Die offene Bühne bezieht das Publikum ein, macht Veränderungen in der Dekoration immer wieder sichtbar. Auch das Orchester sitzt auf der Bühne, hinter der Dekoration, und wird somit Teil der Inszenierung. In knappen Übertiteln werden die acht Szenen der Oper zusam- mengefasst. Projektionen geben dem Ungeheuerlichen auf der Bühne in Riesenlettern einen Namen: der ZEUGUNG durch Vergewaltigung, dem VERRAT und der Wiederherstellung der ORDNUNG. Der Ältestenrat tritt in Masken auf, wird gesichtslos und austauschbar. Jede Szene wird am Ende nahezu filmisch "ausgeblendet". Schulz nutzt Elemente des epischen Theaters ebenso wie moderne Filmtechniken und fügt alles zu einem organischen Ganzen zusammen. Schulz, der in Magdeburg schon verschiedene Bühnenbilder entwarft und sich 2014 mit Strawinskys Die Geschichte vom Soldaten als Regisseur präsentierte, nimmt den schnörSeite 10 www.schattenblick.de So, 20. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Szenenfotos "Die Andere" ­ Uraufführung am 18.03.2016 im Theater Magdeburg Seite 10: Roland Fenes (Abraham), Kim Schrader (Ältester), Kai Preuß­ ker (Ältester), Paul Sketris (Ältester), Manfred Wulfert (Nachor) oben: Roland Fenes (Abraham) und Manfred Wulfert (Nachor) Fotos: © 2016 by Nilz Böhme Dabei gehen Corbetts Musik und Heins Text in der Oper Die Andere eine ungewöhnliche Symbiose ein. Die karge und poesiearme Sprache eröffnet dem Komponisten musikalische Räume, die er buchstäblich sucht und sinnlich gestaltet. Die Oper ist durchkomponiert und basiert auf vertrauten Harmonien. Doch ihre Tonalität beruht nicht auf der Kadenz und lässt sich somit nicht auf eine Grundtonart festlegen. Es sind vielmehr Klangteppiche, die sich aus der Auflösung von Akkorden in der Komposition entwickeln und die sich jeder Zuordnung entziehen. Damit entsteht musikalisch eine Mehrdeutigkeit, die sich zu der stringent erzählten Geschichte kontrastiv verhält. Der Zuschauer, der im Text "ankert", erlebt musikalisch eine Irritation, die sich aus einer Vielzahl überraschender Klangverbindungen und rhythmischen Verschiebungen speist. Jede Figur ist musikalisch charakterisiert, was bei Corbett bedeutet, dass ihr jeweils bestimmte So, 20. März 2016 Corbetts Musik entfaltet eine ungeheure Intensität. Zugleich ist sie anspruchsvoll und verlangt den Sängern Höchstleistungen ab. Roland Fenes brilliert in seiner Rolle als Abraham. Bringt er einerseits dessen Überlegenheit spielerisch zum Ausdruck, so gelingen ihm seine Partien scheinbar mühelos. Sehr gelungen setzt Undine Dreißig als Sara ihre lyrisch anmutenden Passagen dagegen, um schließlich in der Vergewaltigungsszene auch mit schrillen Tönen zu überzeugen. Julie Martin du Theil ist eine anmutige Hagar, die anfangs in ihrer noch kindlichen Naivität befangen, am Ende jedoch gebrochen ist. Auch sie meistert ihre Rolle glänzend. Manfred Wulfert als Nachor steht dem in nichts nach. Dass sich moderne Musik mit Humor verbinden kann, hat die gelungene Trinkszene des Ältestenrates, eindrucksvoll von Paul Sketris, Kim Schrader und Kai Preußker gesungen, einmal mehr gezeigt. Die 19 Musiker des Kammerorchesters lieferten unter dem Gastdirigenten Michael Wendeberg eine bemerkenswerte Leistung ab. Wendeberg gelang es, die Akzente und Spannungsbögen aus der Musik sensibel herauszukitzeln. Instrumente und Akkorde zugeordnet werden. Während bei Abraham die Bassflöte dominiert, finden sich in den Passagen Saras weiche und lyrisch anmutende Instrumente wie die Harfe. Hagar, die sich von einem jungen Mädchen zur Frau und Mutter entwickelt, geht mit dem Akkordeon und der Oboe eine musikalische Liaison ein. Dramatische Passagen, in denen sich die Konflikte verschärfen, bestimmen vor allem Schlagzeug und Blech. Die knappen Zwischenspiele kommen melodiöser daher, wecken mitunter Assoziatio- Corbetts und Heins Die Andere ist eine politische Oper, die ihre Aktuanen zur Musik Paul Dessaus. Szenenfoto "Die Andere" ­ Uraufführung am 18.03.2016 im Theater Magdeburg Julie Martin du Theil (Hagar) Foto: © 2016 by Nilz Böhme www.schattenblick.de Seite 11 Elektronische Zeitung Schattenblick lität aus dem biblischen Mythos bezieht. Sie ist ein Politkrimi, der aktueller nicht sein könnte und ein Krimi, der mit Hagar die Geschichte einer heimatlosen jungen Frau erzählt, einer Fremden, die uns sehr bekannt und gegenwärtig erscheint. Die An­ dere ist ein Musikwerk, das aus dem Geist unseres Jahrhunderts, aus seinen Dissonanzen und Abgründen entstanden ist und mit seiner harmonischen Disharmonie das Publikum unversöhnlich mit dem jahrtausendealten Krieg um Macht konfrontiert. SPORT / BOXEN / MELDUNG Prominenz im Doppelpack Badou Jack und James DeGale verteidigen ihre Gürtel Badou Jack verteidigt den WBC-Titel im Supermittelgewicht am 30. April voraussichtlich in Washington D.C. gegen Lucian Bute. Der in Las Vegas lebende Schwede hatte sich den Gürtel im April 2015 durch einen überraschenden Punktsieg über den favorisierten Anthony Dirrell in Chicago gesichert. Im Die Andere September 2015 setzte er sich in Sidney Corbett der Spielerstadt nach Punkten geKammeroper in acht Szenen | gen den Briten George Groves Libretto von Christoph Hein Kompositionsauftrag des Theaters durch. Bute mußte sich zuletzt vor Magdeburg | URAUFFÜHRUNG heimischem Publikum dem britischen IBF-Champion James DeGaMusikalische Leitung le geschlagen geben, wobei nicht Michael Wendeberg wenige Experten der Auffassung Regie/Bühne Ulrich Schulz waren, daß er mindestens ein UnKostüme Falk Bauer entschieden verdient gehabt hätte. Dramaturgie Ulrike Schröder Um gegen Jack die Oberhand zu Abraham Roland Fenes behalten, müßte der Herausforderer Sara Ks. Undine Dreißig mit einer höheren Schlagfrequenz Hagar Julie Martin du Theil aufwarten, um im Falle eines engen Nachor Manfred Wulfert Verlaufs die Punktrichter für sich Rat der Ältesten Kim Schrader, einzunehmen. Während für den Kai Preußker, Paul Sketris Weltmeister 20 Siege, eine NiederWeitere Vorstellungen am 27. März, lage sowie ein Unentschieden zu am 7. April, am 14. Mai 2016 je- Buche stehen, hat der in Kanada leweils um 19.30 Uhr im Schauspiel- bende Rumäne 32 Auftritte gewonnen und drei verloren. haus Magdeburg. (SB) ­ Im Vorprogramm derselben VeranZur Uraufführung Die Andere staltung verteidigt James DeGale den erschien im Schattenblick ein Gürtel der IBF gegen Rogelio MediInterview mit dem Schriftsteller na, der im Unterschied zu Bute als Christoph Hein: Außenseiter in den Ring steigt. Der Schattenblick → INFOPOOL → Champion aus England hat 22 Siege und eine Niederlage auf dem sportMUSIK → REPORT INTERVIEW/052: In Szene und er- lichen Konto, die Bilanz des Herauszählt - "Die Andere", eine Oper ... forderers weist 36 gewonnene und Christoph Hein im Gespräch (SB) sechs verlorene Kämpfe auf. Der http://www.schattenblick.de/info- 30jährige DeGale hat den Titel im April 2015 durch einen knappen pool/musik/report/muri0052.html Punktsieg gegen den US-Amerikaner Andre Dirrell gewonnen und im http://www.schattenblick.de/ November in Quebec City gegen Luinfopool/musik/report/ cian Bute erstmals erfolgreich verteimurb0030.html digt. Seite 12 www.schattenblick.de Daß Badou Jack und James DeGale gemeinsam im Rahmen eines Kampfabends präsentiert werden, könnte darauf hindeuten, daß ein Duell der beiden Weltmeister zur Vereinigung ihrer Titel später im Jahr geplant ist. Sollten sich Jack und DeGale in Washington durchsetzen, würde dies dem Interesse des Publikums sicher zuträglich sein, die beiden gegeneinander kämpfen zu sehen. Behielte jedoch Bute die Oberhand, bliebe offen, ob er angesichts seiner umstrittenen Niederlage gegen den Briten geneigt wäre, einer Revanche gegen DeGale den Zuschlag zu geben. Bevor die aktuelle Konstellation bekanntgegeben wurde, hatte ein möglicher Kampfder beiden Briten James DeGale und George Groves im Raum gestanden, der vermutlich eine große Arena in London füllen würde. Wie inzwischen publik geworden ist, könnte diese Option im Sommer über die Bühne gehen, sofern keiner von beiden bei seinem nächsten Auftritt eine Niederlage einstecken muß. Deshalb sollte DeGale ungeachtet seiner Favoritenstellung auf der Hut sein, da Rogelio Medina für eine gehörige Schlagwirkung bekannt ist. Für den Herausforderer dürfte es darauf ankommen, den Champion derart unter Druck zu setzen, daß dessen sattsam bekannte Probleme zutage treten, die volle Distanz bei hohem Tempo durchzustehen. Interessanter wird aber dennoch der Hauptkampf des Abends zwischen Jack und Bute sein, die nahezu gleichwertig einzuschätzen sind. Bei DeGale steht eher zu befürchten, daß er sich Medina selten zum Schlagabtausch stellt und sein Heil in ständigen Ausweichmanövern sucht. [1] So, 20. März 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Ein Wiedersehen mit den Brüdern diesem Auftritt vom Heimvorteil Anthony und Andre Dirrell profitierte. Von seinen boxerischen Möglichkeiten her gehört der ältere Der ehemalige WBC-Weltmeister im Dirrell zweifellos zu den herausraSupermittelgewicht Anthony Dirrell genden Akteuren des Supermittelgetrifft am 29. April in Atlantik City in wichts. Würde er nicht immer wieeinem auf zehn Runden angesetzten der längere Pausen zwischen seinen KampfaufCaleb Truax. Um sich mit Auftritten einlegen, könnte er diese dem 31jährigen Dirrell zu messen, Gewichtsklasse längst dominieren. steigt der ein Jahr ältere Truax aus dem Mittelgewicht ins höhere Limit Der aktuellen Unterbrechung seiner auf. Während für den früheren Karriere von einem Jahr ging bereits Champion 28 Siege, eine Niederlage eine Abwesenheit vom Ring zwisowie ein Unentschieden zu Buche schen März 2010 und Dezember stehen, hat sein Gegner 26 Auftritte 2011 voraus, die seiner Weiterentgewonnen und zwei verloren. wicklung und Durchsetzung gegen die Konkurrenz natürlich nicht förMit von der Partie ist an diesem derlich war. 2012 trug er überhaupt Abend im Trump Taj Mahal auch keinen Kampf aus, und von Februar Anthonys ein Jahr älterer Bruder 2013 bis August 2014 war wiederum Andre Dirrell, der ebenfalls über nichts von ihm zu sehen. Unter diezehn Runden auf Blake Caparello sen Umständen mutet es nachgerade trifft, der zeitweise im Halbschwer- erstaunlich an, wie gut er sich im gewicht angetreten ist und dort sogar vergangenen Jahr gegen James Deum einen Titel gekämpft hat. Andre Gale geschlagen hat. [2] Dirrell, der als der talentiertere der beiden Brüder gilt, hat 24 Kämpfe für sich entschieden und zweimal Anmerkungen: verloren. Der 29 Jahre alte Australier kann mit einer Bilanz von 22 Siegen, [1] http://www.boxingnews24.com/ zwei Niederlagen und einem Unent- 2016/03/jack-bute-degale-medina-dcschieden aufwarten. armory-washington-dc/#more-206642 Dirrell hat seit der Niederlage gegen [2] http://www.boxingnews24.James DeGale im April 2015 in Bo- com/2016/03/dirrell-brothers-actionston nicht mehr im Ring gestanden. april-29/#more-206649 Wäre der US-Amerikaner nicht in der zweiten Runde zweimal niederhttp://www.schattenblick.de/ geschlagen worden, hätte er den infopool/sport/boxen/ Kampf wahrscheinlich gewonnen. In sbxm1928.html einem der beiden Fälle hatte der Brite seinen Gegner eher umgestoßen als schwer getroffen, was der Ringrichter jedoch nicht realisierte. SCHACH - SPHINX DeGale, der als Außenseiter angetreten war, profitierte damals überraschenderweise von einer wohlwolStaub und Schicksal lenden Punktwertung. (SB) ­ Neulinge hatten es in den HalSchon in der Vergangenheit war len des Königlichen Spiels immer Andre Dirrell in Titelkämpfen nicht schon schwer gehabt. Kein Ruf eilte gerade vom Glück begünstigt. So ihnen voraus außer der, eine leicht mußte er sich 2009 im Rahmen des besiegbare Trophäe zu sein. MenSuper-Six-Turniers dem Briten Carl schen waren eben zu allen Zeiten arFroch in Nottingham knapp nach rogant und überheblich. In San SePunkten geschlagen geben, der bei bastian 1911 trat José Capablanca So, 20. März 2016 www.schattenblick.de mit 23 Jahren zu seinem ersten internationalen Turnier an. Viel von sich reden gemacht hatte der Kubaner nicht. Wer konnte damals auch schon ahnen, daß in diesem wohlerzogenen Jüngling der nächste Weltmeister steckte. In seinem Heimatland hatte er für Furore gesorgt, und auch den amerikanischen Schachmatador Marshall konnte er in einem Wettkampf geschlagen. Aber seinerzeit waren die Nachrichtenwege noch langsam und viel Notiz hatte man von Capablancas Sieg auch nicht genommen. So kam es, daß Dr. Ossip Bernstein, ein gefürchteter Spieler damals, Protest einlegte gegen die Teilnahme des Kubaners. Seines Erachtens war der Kubaner spielerisch noch lange nicht reif für ein Meisterturnier. Einen Grünschnabel wollte er in San Sebastian nicht neben sich dulden. Aber Bernstein sollte für seine hochtrabenden Worte bitterlich büßen. Gleich in der ersten Runde überflügelte ihn Capablanca aufdem Brett, als wäre es die leichteste Sache der Welt. Für seinen Sieg erhielt er später vom Baron Rothschild einen Sonderpreis. Keine Frage, daß Capablanca das Turnier gewann. Aber auch Capablanca mußte sich wiederholt in seiner Karriere jüngeren Meistern beugen, wie zum Beispiel in Rotterdam 1938, wo er gegen den späteren Weltmeister Michail Botwinnik aufsehenerregend verlor. Das Schicksal geht seltsame Wege, mal erhebt es den Menschen, mal schlägt es ihn in den Staub nieder. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte Capablanca zuletzt 1...De8-e7 gespielt. Botwinnik schrieb über seinen nächsten Zug: "Mit diesem Zug beginnt eine zwölfzügige Kombination. Ich muß zugeben, daß ich sie nicht bis zum Ende berechnen konnte. Deshalb ging ich in zwei Etappen vor. Ich berechnete zunächst die ersten sechs Züge und kam zu der Überzeugung, daß ich mindestens Remis durch ewiges Schach in der Hand hatte. Nachdem diese sechs Züge gespielt worden waren, konnte ich die Kombination Seite 13 Elektronische Zeitung Schattenblick bis zum Ende durchrechnen. Man sieht, daß die Möglichkeiten eines __I n h a l t__________Ausgabe 1769 / Sonntag, den 20. März 2016__ Schachspielers, besonders gegen Ende einer Partie, doch begrenzt 1 POLITIK - REPORT: Migrationskonferenz Kampnagel der Sprung ins Netz und weiter ... Larry Macauley im Gespräch sind." Nun, Wanderer, genug der 5 BILDUNG UND KULTUR - REPORT: Kulturarchiv des Krieges Hinweise? erschöpft, ermüdet, überlebt ... Aleida Assmann im Gespräch (2) 9 MUSIK - REPORT: In Szene und erzählt - das uralte Spiel ... 12 SPORT - BOXEN: Prominenz im Doppelpack 13 SPORT - BOXEN: Ein Wiedersehen mit den Brüdern Anthony und Andre Dirrell 13 SCHACH-SPHINX: Staub und Schicksal 14 DIENSTE - WETTER: Und morgen, den 20. März 2016 DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN Und morgen, den 20. März 2016 +++ Vorhersage für den 20.03.2016 bis zum 21.03.2016 +++ Botwinnik - Capablanca Rotterdam 1938 Auflösung des letzten Sphinx­Rätsels: http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/schach/ sph05780.html Liste der neuesten und tagesaktuellen Nachrichten ... Kommentare ... Interviews ... Reportagen ... Textbeiträge ... Dokumente ... Tips und Veranstaltungen ... http://www.schattenblick.de/ infopool/infopool.html Seite 14 © 2016 by Schattenblick Acht Züge zum Matt sind manchmal schneller zu finden als der kurze Weg zu einem Zweizüger. So auch für Dr. Neustadl: 1...Le6-h3+ 2.Kg2h2 De3- f2+ 3.Kh2xh3 g5-g4+ 4.Kh3xg4 Sd7-f6+ 5.Kg4-h3 Df2f3+ 6.Kh3-h2 Sf6-g4+ 7.Kh2-g1 Df3-f2+ 8.Kg1-h1 Df2-h2# Manchmal läßt die Sonne grüßen, wolkenreich mit etwas Niesel hält es Jean auf seinen Füßen, denn er liebt den nassen Fiesel. IMPRESSUM Elektronische Zeitung Schattenblick Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K. Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Elektronische Postadresse: [email protected] Telefonnummer: 04837/90 26 98 Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 ME Journalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth ISSN 2190-6963 Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönliche Zwecke anzufertigen. Nicht berechtigt sind Sie dagegen, die Materialien zu verändern und / oder weiter zu geben oder gar selbst zu veröffentlichen. Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. 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