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MA-Verlag
POLITIK / REPORT
Elektronische Zeitung Schattenblick
Mittwoch, 18. Dezember 2013
Herrschaft in der Krise Populismus, Funktion und Konsequenzen
Herrschaft in der Krise - Kurden,
Menschen, Repression, Wolfgang Paradigmenwechsel im Zeichen des globalen Mangelregimes
Struwe im Gespräch
Interview im Café "Tatort Kurdistan"
im Centro Sociale in Hamburg­St.
Pauli am 20. November 2013
Vortrag von Phillip Becher im Magda­Thürey­Zentrum
in Hamburg­Eimsbüttel am 18. November 2013
An der kurdischen Bewegung wird
vor allem gehaßt, daß sie sich nicht
zum Vasallen imperialistischer Staaten macht ... (Seite 5)
UMWELT / REPORT
Zukunft der Meere - Tiefsee in Not
Die Zukunft der Meere ­
Umwelt und Entwicklung auf See
Tagung im Konsul­Hackfeld­Haus in
Bremen am 7. Dezember 2013
Bis an den Horizont rollende Wellen,
schäumende Gischt - ein Blick über
den Deich läßt den ahnungslosen Spaziergänger daran glauben, daß sich
das Meer nie verändert hat und nie
verändern wird. Seit Jahrmillionen
gibt es auf unserem Planeten Ozeane,
deren gewaltige Dimensionen und
Dynamik für den Landbewohner
schwer zugänglich bleiben ... (S. 11)
KALENDERTÜRCHEN
Slide mit Titel des Vortrags
Foto: 2013 by Schattenblick
Das uneinlösbare Versprechen kapitalistischer Vergesellschaftung, die
bestmögliche Ordnung zu schaffen
und Wohlstand für alle zu generieren, hat ausgedient. In einem Paradigmenwechsel nimmt das globale
Mangelregime den Charakter unabweislicher Schicksalhaftigkeit an.
Was weniger denn je für alle reicht,
wird unter forcierter Expansion des
Raubes und gestützt von innovativer
Verfügungsgewalt im Prozeß unaus-
gesetzter Umlastung den Unterworfenen und Ausgegrenzten abgepreßt.
Durfte der Mensch vordem zumindest davon träumen, sein Dasein in
Würde und bescheidenem Wohlergehen zu fristen, so unterliegt er nun
einem Zwangsdiktat, das ihn ausschließlich nach seiner Verwertbarkeit bis ins Mark und seinem Nutzen
für die Esse der Unwertproduktion
bemißt. Sein Anspruch auf Einkommen, Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung und Altersrente ist Makulatur, muß er doch seine Existenz
aufimmer niedrigerem Niveau durch
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Duldsamkeit, Verzicht und Übernah- Magda-Thürey-Zentrum (MTZ) einme wachsender Lasten rechtfertigen. geladen. Er ist Sozialwissenschaftler
an der Universität Siegen, wobei FaNach dieser Maxime hat die Klas- schismus vor und nach 1945, Rechtssenfrage unwiderruflich ausgedient, populismus und Neue Rechte zu seiweil das Vorhandensein einer Klas- nen Forschungsschwerpunkten gese, die unveräußerliche Rechte und hören. In seinem Vortrag zum Thein Sozialkämpfen erstrittene Ansprü- ma "Völkisch oder populär-demoche gegenüber der auf ihrem Rücken kratisch? Der moderne Rechtspopuprosperierenden anderen Klasse gel- lismus" nahm er von einer historitend machen könnte, ideologisch ge- schen Kontroverse ausgehend eine
leugnet und praktisch pulverisiert Begriffsbestimmung vor, um daraus
wird. Um zu verhindern, daß sich politische Handlungskonsequenzen
dennoch aus dieser Asche der Phö- abzuleiten.
nix unbeugsamen Aufbegehrens von
neuem erhebt, werden Fronten eröff- Da der Rechtspopulismus ein Speknet, Feindbilder produziert und trum im rechten Lager repräsentiert,
Denkweisen zementiert, die kultura- das einer genaueren begrifflichen
listisch und sozialrassistisch das Ver- und mithin politischen Bestimmung
hängnis anderer als einzig verbliebe- bedarf, kreiste Phillip Becher den
nen Ausweg zur eigenen Rettung po- Themenkomplex zunächst anhand
einer historischen Debatte ein. Ende
stulieren.
der 1970er Jahre wurde in der von
Muten Kampf der Kulturen, Religi- Wolfgang Fritz Haug und seinem
onskriege und Chauvinismen jegli- Team herausgegebenen Zeitschrift
cher Couleur wie ein Rückfall in "Das Argument" eine Kontroverse
überwunden geglaubte Epochen ausgetragen, aus der die beiden maßmenschheitsgeschichtlicher Ent- geblichen Positionen zu dieser Frage
wicklung an, so repräsentieren sie in der damaligen Diskussion hervorzugleich die Spitze zukunftsträchti- gehen. Die Kontrahenten waren auf
ger Herrschaftssicherung. Reaktio- der einen Seite der 1986 gestorbene
näre Bewegungen wie der Rechtspo- Reinhard Opitz, ein westdeutscher
pulismus sind daher weit mehr als marxistischer Sozialwissenschaftler,
Versatzstücke aus dem Inventar des der den Populismusbegriff verwirft.
vielzitierten Monopolkapitalismus, Auf der anderen Seite standen Ernedie dieser bei Bedarf hervorholt, um sto Laclau, ein argentinischer Dissie später wieder zugunsten seines kursanalytiker, und die Soziologin
Normalbetriebs zurückzufahren. Sie Karin Priester, inzwischen emeritiergedeihen vielmehr im Windschatten te Professorin an der Universität
zentraler gesellschaftlicher Prozesse, Münster. Es ging dabei um die Kläderen Sachwalter wirkmächtiger als rung der Begriffe "Populismus" und
die grobschlächtige Apologetik sol- "Faschismus", wobei letzterer in der
cher Populismen vordenken und vor- damaligen Diskussion viel promiexerzieren, was man Menschen an- nenter als heutzutage war.
tun kann und muß, um sie unwiderOpitz hatte fünf Jahre zuvor im Arruflich zu entmächtigen.
gument einen Aufsatz über Entstehung und Verhinderung von Faschis"Völkisch" oder "populär-demo- mus geschrieben. Im Argument 117
kratisch"? Der moderne Rechts- mit dem Themenschwerpunkt "Faschismus und Ideologie", das Beiträpopulismus
ge von Fritz Haug, Ernesto Laclau
In der Veranstaltungsreihe "Bürger- und Karin Priester enthielt, gingen
liche Herrschaft in der Krise" [1] insbesondere Haug und Priester krihatte die Assoziation Dämmerung tisch auf die Faschismustheorie von
am 18. November Phillip Becher ins Opitz ein. In Argument 121 folgte eiSeite 2
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ne Erwiderung von Opitz, wobei
man die Kontroverse vor dem Hintergrund der damaligen Diskussion
in der westdeutschen Linken sehen
muß. Seinerzeit war eine der ersten
Gramsci-Wellen en vogue, die sich
zumeist aus Versatzstücken und rudimentären Übersetzungen seiner
Werke speiste, als ließe sich daraus
der Marxismus neu definieren. Opitz
faßte die Ergebnisse von Haug,
Laclau und Priester als "einen in der
Summe nur katastrophal zu nennenden Rückfall hinter einstige Erkenntnisresultate" zusammen und
nannte seine Replik deswegen "Über
vermeidbare Irrtümer". Er arbeitete
zwei grundlegende Linien hinsichtlich des Begriffs "Rechtspopulismus" heraus, ihn nämlich entweder
als eine Art populärdemokratische
Anrufung zu verstehen oder seinen
völkischen, also bürgerlichen Kern
aufzudecken.
Karin Priester spricht sich dafür aus,
den Faschismus auch über seine
Massenbewegung zu definieren, und
will ihn nicht zuletzt aus der Ideologie seiner Anhängerschaft erklären.
Opitz kritisiert daran, daß die faschistische Ideologie dadurch in ein heterogenes Mosaik aufgelöst wird,
und verweist darauf, daß der Faschismus nicht immer eine Massenbewegung braucht, wie das Beispiel
des Militärputsches 1973 in Chile
belegt. Er selbst hebt demgegenüber
auf den monopolkapitalistischen
Charakter des Faschismus ab.
An Laclau kritisiert Opitz, er wende
sich von dem marxistischen Ideologiebegriff ab. Für Laclau ist der Widerspruch zwischen dem Volk und
dem Block an der Macht maßgeblich, wobei er beide nicht näher definiert. Jeder Mensch ist demnach
Mitglied eines Volkes, doch vermengt Laclau dabei den ethnischen
und den plebejischen Volksbegriff.
Ideologien haben Laclau zufolge
keinen klassenspezifischen Inhalt.
Die Enttarnung des faschistischen
Popanz als bürgerliche Ideologie
wäre demnach eine falsche Analyse,
Mi, 18. Dezember 2013
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weil der Faschismus eine Volksideologie sei. Klassenkräfte bemühten
sich zwar, diese Volksideologien aufzugreifen und in den jeweils eigenen
Diskurs einzubinden, aber nur zur
Mobilisierung gegen den jeweils
herrschenden Machtblock. Laclau
hantiert auf diese Weise mit vielen
unhinterfragten Begriffen und liefert
ein Konstrukt gesellschaftlicher
Realität, ohne es zu begründen.
Den Versuch, vorhandene Ideologien einzubinden, nennt er populärdemokratische Anrufung. Der deutsche
Faschismus sei 1933 deswegen erfolgreich gewesen, weil er es mit seinem populärdemokratischen Anruf
verstanden habe, den Mittelstand
einzubinden. Die Anrufung des Volkes und der Rasse sei so wirkmächtig gewesen, daß die Nazis erfolgreich waren. Den Machtblock in der
späten Weimarer Republik faßt
Laclau als eine Antithese zum Faschismus auf. Demnach gab es keine
Kontinuität der Eliten zwischen der
Weimarer Zeit und dem Dritten
Reich, was schlichtweg unzutreffend
ist. Bezeichnenderweise zählt Laclau
Rassismus und Antisemitismus zum
populärdemokratischen Diskurs, obgleich diese zur Verschleierung der
gesellschaftlichen Verhältnisse und
Ablenkung auf konstruierte Feindbilder eingesetzt werden.
Karin Priester, die sich auf Laclau
bezieht, verweist aufdas Beispiel des
Ruhrkampfs 1923, als die Kommunistische Internationale diskutierte,
man müsse unter bestimmten Voraussetzungen den Kampf gegen den
Imperialismus mit Unterstützung
durch bürgerliche Nationalisten führen. Als Beispiel galt Leo Schlageter,
ein Mitglied der Großdeutschen Arbeiterpartei, einer Ersatzorganisation
der NSDAP, der im Ruhrkampf umkam und von Karl Radek, einem
Funktionär der KPD, als Wanderer
ins Nichts und mutiger Soldat der
Konterrevolution apostrophiert wurde. An der Basis der KPD war diese
Verbrüderung mit Klassenfeinden
nicht gerade populär. Karin Priester
Mi, 18. Dezember 2013
hingegen fragt, warum man dieses
Bündnis nicht noch einmal ins Auge
fassen sollte. Opitz verwirft dies als
den Versuch, erneut eine Art Querfront zu propagieren.
Reinhard Opitz spricht hingegen von
völkischem Bewußtsein als einer
bürgerlichen Ideologie, die sich mit
der Herausbildung des Imperialismus etabliert hat, da sie besser integriere, als es mit Hilfe des liberalen
Kapitalismus zu bewerkstelligen
war. Völkisch sei nicht demokratisch
und könne nicht Teil einer linken Politik sein. Deshalb verneble auch die
Suche nach revolutionären oder linken Elementen im Faschismus dessen realen gesellschaftlichen Charakter. Deswegen lehnt Opitz den damals verwendeten Populismusbegriff als verharmlosend und irreführend ab.
Phillip Becher
Foto: © 2013 by Schattenblick
Phillip Becher plädiert dafür, den Populismusbegriff dennoch zu verwenden, ohne allerdings die Positionen
von Laclau oder Priester zu übernehmen. Es ließen sich unter Bezug auf
Opitz heutige antidemokratische Bewegungen analysieren, die man nicht
als neofaschistisch bezeichnen kann.
Opitz entwickelt die sogenannte Dimitrow-These dahingehend weiter,
daß er den Faschismus als diejenige
terroristische Form der monopolkapitalistischen Herrschaft bezeichnet,
die alle politischen Organisationen
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der Arbeiterklasse und der demokratischen Bewegung illegalisiert und
der Verfolgung aussetzt. Er schrieb
1984 das Buch "Faschismus und
Neofaschismus", in dem er sich damit beschäftigt, daß der Faschismus
nicht an der Macht ist, jedoch in der
gesellschaftlichen Auseinandersetzung bestimmte Funktionen erfüllt,
die es zu benennen gilt.
Opitz nimmt acht Funktionsbestimmungen des Faschismus vor:
1) Auffangbecken, nämlich Ableitung von Protestpotentialen.
2) Barometer, das die Zustimmung
zu antiparlamentarischen Lösungen
der Krise bemißt.
3) Alibi für reaktionäre Regierungspolitik, wie etwa 1992 die Abschaffung des Asylrechts unter Verweis
auf rassistische Gewalttaten.
4) Antreiber in der Rechtsentwicklung der bürgerlichen Parteien.
5) Langfristige ideologische Orientierung.
6) Terroristische Einschüchterung.
7) Destabilisierung.
8) Straßenkampf und Bürgerkrieg.
Der Rechtspopulismus unterscheidet sich aufgrund der drei letztgenannten Funktionen vom Faschismus, weil er diese im Unterschied
zu den ersten fünf nicht erfüllt. Was
aber ist unter "rechts" zu verstehen?
Opitz ist als Marxist der Auffassung, daß aufgrund der Entwicklung der Produktivkräfte die Bedürfnisse aller Menschen in der jetzigen Gesellschaft befriedigt werden könnten. Das Privateigentum
an Produktionsmitteln und die sich
daraus ergebenden Produktionsverhältnisse verhinderten dies jedoch.
Opitz versteht unter Linken diejenigen, die zu ihrer Zeit auf den historisch objektiv möglichen
nächsthöheren Verwirklichungsgrad von Demokratie hin drängen.
Demgegenüber seien rechte Bewegungen solche, die hinter den schon
erreichten Grad von Demokratie
zurückdrängen und den Artikulationsspielraum von Demokraten
einengen wollen.
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Elektronische Zeitung Schattenblick
Der Populismusbegriff ist insofern
schillernd, als er oftmals beliebig auf
alles und jedes angewendet wird. Um
den Begriff "Rechtspopulismus" einzugrenzen, nennt Becher als drei wesentliche Parameter Struktur, Ideologie und Funktion.
Strukturell tritt der Rechtspopulismus bewegungsförmig auf und hat
keine klassische Parteienstruktur
samt entsprechenden Mitgliedsrechten. Beispielsweise hat die Partei von
Geert Wilders genau zwei Mitglieder, nämlich ihn selbst und eine Stiftung, über die das Geld gesammelt
wird. Silvio Berlusconis Partei Forza Italia war eine Umwidmung seiner Firma Fininvest. Die Satzung der
AfD in Deutschland enthielt vor der
offiziellen Parteigründung nur einen
Passus zu Mitgliedspflichten, jedoch
keinen zu Mitgliedsrechten. Um dem
deutschen Parteiengesetz Genüge zu
tun, wurde auf dem Gründungsparteitag dann doch noch eine entsprechende Ergänzung beschlossen. Zudem weisen solche Strömungen oftmals charismatische Führungspersönlichkeiten auf, da sie eine Komplementärstrategie des Neoliberalismus sind. Wie letzterer dem individuellen Aufstieg das Wort redet, bedient sich auch der Rechtspopulismus persönlicher Mythen.
Ideologisch appelliert der Rechtspopulismus an das sogenannte gemeine Volk, womit er sich als eine völkische Ideologie erweist, die gesellschaftliche Konfliktlinien nicht nach
sozialen Gesichtspunkten identifiziert, sondern bestimmte Gruppen
ausgrenzt. Er geriert sich als Verteidiger des kleinen Mannes gegen die
unfähige derzeitige Elite und zugleich gegen Einwanderer, Erwerbslose und Randgruppen. Die vertikale Kritik an der Führung folgt keinem
egalitären Standpunkt, sondern repräsentiert selbst ein elitäres Politikverständnis. Diese Stoßrichtung ist
also im Spannungsfeld zwischen
neoliberaler Wirtschaftskonzeption
und antiliberaler autoritärer Ideologie anzusiedeln. Vorgedacht wurde
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diese Ideologie von Vertretern der
sogenannten Neuen Rechten, die vor
allem in Frankreich ab den späten
1960er Jahren virulent wurde und bis
heute wirkmächtig ist. Grob gesprochen lassen sich zwei Flügel ausmachen, nämlich eher Nationalrevolutionäre und eher Konservative. Der
konservative Flügel ist inspirierend
für den Rechtspopulismus, und zwar
über ein bestimmtes Ideologem, das
sich Ethnopluralismus nennt. Bei
diesem handelt es sich im Prinzip um
die Idee des Multikulturalismus mit
umgekehrten Vorzeichen. Menschen
werden vor allem als Kulturträger
gesehen, also als Träger eines bestimmten Volkscharakters. Man könne zwar Rassen nicht von vornherein
als ungleich bezeichnen, doch seien
die Individuen durch den Bezug zu
ihrer kulturellen ethnischen Identität
definiert. Diese beinhaltet zugleich
einen Raumbegriff wie etwa den des
Abendlandes, das dieser Ideologie
zufolge auch nur von abendländischen Kulturträgern bewohnt werden
sollte.
Hinsichtlich der Funktion unterschied Opitz in neofaschistische
Gruppierungen, CDU-Mainstream
und dazwischen die Strauß-CSU.
Letztere verortete er im Spannungsfeld zwischen Partei und Sammlungsbewegung. Das Feld der damaligen Strauß-CSU beackern heute diverse rechtspopulistische Bewegungen. In den USA ist seit vielen Jahren die Tea-Party-Bewegung aktiv,
die fälschlich als Gruppe von Hinterwäldlern oder White Trash abqualifiziert wird. Zu ihr gehört vielmehr
der Think Tank "Americans for Prosperity" der Gebrüder Charles und
David Koch. Die zwei Ölindustriellen nutzen ihn, um politische Strategien zur Durchsetzung ihrer Interessen zu entwickeln. Was sich im
Dunstkreis dieser Einflußnahme bewegt, kann als sozialer Träger des
Rechtspopulismus in den USA betrachtet werden. Die Massenbasis
der Tea Party vertritt ein breiteres
Spektrum an Ideologien, die auf den
ersten Blick mitunter irrational wirwww.schattenblick.de
ken. So lehnen Segmente der christlichen Rechten den Umwelt- und
Naturschutz mit der Begründung ab,
dieser greife in den göttlichen Plan
ein. Rückgekoppelt auf die Interessen der Ölindustrie ergibt sich indessen ein durchaus zweckrationaler
Sinn.
Auch in anderen Ländern mit rechtspopulistischen Formationen spiegeln
diese in der Regel sozioökonomische
Konflikte wider, die kulturell aufgeladen werden. In Italien forciert die
Lega Nord einen spezifischen Sozialrassismus gegenüber Süditalienern, Sinti und Roma wie auch Moslems. Sie propagiert die Sezession
des Nordens, da Segmente des norditalienischen Kapitals ihren Reichtum nicht mit den unterentwickelten
Regionen des Südens teilen wollen.
Neofaschismus, Postfaschismus und
Berlusconi-Populismus haben ihre
Interessen zusammengeführt, um das
Land weit nach rechts zu verschieben.
Aus Zeitgründen beschränkte sich
der Referent auf die genannten Beispiele, denen sich weitere hinzufügen ließen. Wie seine Ausführungen
deutlich machten, läßt sich der
Rechtspopulismus ungeachtet teilweiser Übereinstimmungen vom Faschismus abgrenzen. Beiden gemeinsam ist die Rückführbarkeit auf
eine Strategie kapitalistischer Vergesellschaftung, namentlich in Zeiten
der Krise Klassenwidersprüche und
soziale Konflikte zu verschleiern und
zu negieren, indem rassistische und
kulturalistische Fronten eröffnet
werden.
Antifaschistische Linke in der
Defensive?
Für Reinhard Opitz war "Formierung" ein zentraler Begriff, worunter
er eine Integration unter Preisgabe
der eigenen objektiven Interessen
verstand. Dementsprechend könnte
man den Rechtspopulismus als eine
mögliche Antwort auf die NotwenMi, 18. Dezember 2013
Elektronische Zeitung Schattenblick
aktionärer Gesinnung zu belegen. So
überläßt man der Rechten Felder, die
durch deren Kontaminierung
vollends unbegehbar erscheinen.
Sozialrassistische Ideologien
auf dem Vormarsch
Foto: © 2013 by Schattenblick
digkeit der Formierung in der gegenwärtigen Epoche bezeichnen. Er ist
ohne den Neoliberalismus nicht zu
denken, den er als antidemokratische
Bewegung flankiert. So geriert er
sich als Opposition gegen die Auswüchse des Neoliberalismus, schlägt
aber selbst forcierte neoliberale
Schritte als angebliche Lösung vor.
Hier schließen sich allerdings Fragen
an, die über eine solche begriffliche
Auch sitzt die Scheidung von Produktiven und Unproduktiven nicht
selten tiefer, als es die Linke wahrhaben will. Oftmals verabsolutiert
sie Arbeit zu einem positiven Wert,
was nicht zuletzt Neue Rechte wie
etwa Jürgen Elsässer begünstigt, der
in der Sortierung brauchbaren Menschenmaterials den Schulterschluß
mit Thilo Sarrazin übt. Wenn Besitzstandswahrung zur Ultima ratio
wird, beißt sich der Vorhalt andersgearteter objektiver Interessen
schnell die Zähne aus. Wo bleibt
demgegenüber eine emanzipatorische, nicht konkurrenzgetriebene
Position, der es nicht darum gehen
kann, den andern zu übertrumpfen?
und konzeptionelle Definition hinausweisen. Offensichtlich hat die politische Linke bestimmte Traditionen
und Bezüge preisgegeben, die sie als
völkisch mißdeutet. Sie hat nicht nur
wie die Kommunistische Partei Italiens Volkshäuser, alternative Projekte und eigene Freizeiteinrichtungen aufgegeben, weil sie diese für Fußnote:
nicht mehr zeitgemäß hielt, bis sie [1] http://www.kapitalismus-in-derschließlich 1991 zur Selbstauflösung krise.de/
schritt. Die politische Linke in
http://www.schattenblick.de/
Deutschland ist vielmehr dabei, etwa
infopool/politik/report/
die eigene Sprache zugunsten der
prbe0175.html
Anglifizierung zu entsorgen und
Kultur als solche mit dem Stigma re-
POLITIK / REPORT / INTERVIEW
Herrschaft in der Krise - Kurden, Menschen, Repression, Wolfgang Struwe im Gespräch
An der kurdischen Bewegung wird vor allem gehaßt,
daß sie sich nicht zum Vasallen imperialistischer Staaten macht
Interview im Café "Tatort Kurdistan" im Centro Sociale in Hamburg­St. Pauli
am 20. November 2013
"Kapitalismus - Krise - Herrschaftssicherung" - unter diesem Titel fand
im Rahmen der diesjährigen Hamburger Veranstaltungsreihe "Bürgerliche Herrschaft in der Krise" [1] am
20. November eine Diskussionsveranstaltung mit dem Hamburger
Mi, 18. Dezember 2013
Rechtsanwalt Dr. Heinz-Jürgen
Schneider statt. Organisiert wurde
der Abend, an dem der Referent in
historischen wie zeitnahen und tagesaktuellen Bezügen über die repressiven und integrativen Varianten
der Herrschaftssicherung sprach, von
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der Initiative "Tatort Kurdistan" in
deren Café im Centro Sociale. [2]
Im Anschluß daran hatte der Schattenblick die Gelegenheit, mit Wolfgang Struwe, einem der Organisatoren von "Tatort Kurdistan", über die
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aktuelle Situation im kurdisch-türkischen Konflikt zu sprechen und in
Erfahrung zu bringen, warum die Initiative grundsätzliche Fragen politischer Repression hier in Deutschland
verbunden sehen möchte mit Themen, die speziell vornehmlich in der
Türkei lebende Kurdinnen und Kurden betreffen.
Schattenblick: Im Moment gibt es
sehr viele Proteste wegen der Lage
von Flüchtlingen. Man könnte dabei
leicht den Eindruck gewinnen, daß
der Umgang deutscher Behörden mit
ihnen sehr unterschiedlich ist je
nachdem, aus welcher Konfliktzone
sie kommen. So haben Flüchtlinge
aus Syrien, Libyen und den kurdischen Gebieten der Türkei einen
recht unterschiedlichen Stand. Einigen tausend Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien soll ein Leben in
Deutschland ermöglicht werden. An
Kriegsflüchtlingen aus Libyen
scheint das Interesse inzwischen
gänzlich erloschen zu sein, während
kurdische Flüchtlinge im Grunde
noch nie als Flüchtlinge wahrgenommen wurden. Wie ist das zu erklären?
Wolfgang Struwe: Bei den kurdischen Flüchtlingen muß man ein wenig in die Geschichte zurückgehen.
So sind die meisten von ihnen nach
Deutschland geflohen, weil sie wegen Unterstützung der PKK in der
Türkei angeklagt worden sind. Seit
dem PKK-Verbot hat sich das natürlich sehr gewandelt, denn nun wurden PKK-Anhänger oder -Mitglieder, die hier Asyl gefunden hatten,
auch in Deutschland verfolgt. Der
Asylgrund wandelte sich im Grunde
gleich zum Anklagepunkt. Zum anderen kommt hinzu, daß gegen Kurden eine sehr medienwirksame Hetze aufgebaut wurde, so daß das Wort
Kurde inzwischen mit "Terrorist" assoziiert wird. Wenn Kurden hier für
ihre Rechte eintreten und auf die
Straße gehen, verbindet man das
gleich mit Krawallen. Von seiten der
Herrschenden sind die Fakten einfach umgedreht worden. Daß Menschen gezwungen sind, aus ihrer
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Wolfgang Struwe
Foto: © 2013 by Schattenblick
Heimat zu flüchten, liegt in erster Linie daran, daß der Krieg von hier in
Länder wie Libyen oder Kurdistan
getragen wird. Sie fliehen dann eigentlich nur in ein sogenanntes
Schutzland.
SB: Nach der offiziellen Version gibt
es immer wieder Bemühungen, einen
Friedensprozeß im türkisch-kurdischen Konflikt in Gang zu setzen.
Wie ist da der aktuelle Stand?
WS: Wir sprechen nicht von einem
Friedensprozeß, sondern nur von einem Prozeß, der dort stattfindet. Zu
einem Friedensprozeß ist es noch
nicht gekommen, denn dies würde
bedeuten, daß er von beiden Seiten
anerkannt und forciert wird. Dazu
ist immer ein Mediator erforderlich,
also ein Dritter, der die Gespräche
zwischen dem türkischen Staat und
der kurdischen Freiheitsbewegung
verfolgt und auch leitet. Die PKK
hat seit 1993 immer wieder versucht, den Konflikt auf eine politische Ebene zu bringen, das heißt,
den bewaffneten Kampf einzustellen und einen Dialog mit dem türkischen Staat zu beginnen. Seit
Herbst dieses Jahres herrscht erneut
ein vom PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan ausgerufener Waffenstillstand, den die kurdische Bewegung akzeptiert hat. Gleichzeitig
wurde vereinbart, daß sich die kurdische Guerilla aus dem türkischen
Staatsgebiet in den Nordirak zurückzieht.
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Dieser Prozeß ist inzwischen gestoppt worden. Es gibt keinen Rückzug mehr, weil von türkischer Seite
keine wirklichen Schritte in Richtung Frieden unternommen worden
sind. Es gibt momentan keine großen
militärischen Auseinandersetzungen,
was schon als Erfolg dieses Prozesses angesehen werden kann. Aber die
Türkei baut trotzdem ihre Militäranlagen in Nordkurdistan, also in der
Osttürkei, weiter aus. So ist für dieses Jahr die Fertigstellung von 67
neuen Militärstationen geplant, und
das sind keine kleinen Stationen,
sondern große Militäranlagen.
Gleichzeitig geht der Staudammbau
weiter. Die Staudammprojekte, die
zum größten Teil im Grenzgebiet
zum Irak verlaufen, dienen dem militärstrategischen Ziel, die Grenze
unpassierbar zu machen.
Eine andere Forderung der kurdischen Bewegung, das paramilitärische Dorfschützersystem aufzulösen
- das sind Kurden, die vom Staat bezahlt werden, um das neue System
abzubauen und gegen die Bewegung
zu kämpfen -, wurde ebenfalls nicht
erfüllt. Das Gegenteil ist der Fall, es
wurden viele neue "Dorfschützer"
rekrutiert. Das sind so die kleinen
Schritte, die die kurdische Bewegung vom türkischen Staat gefordert
hat, aber der hat im Grunde nur Zeit
geschunden. Ein weiterer zentraler
Punkt betraf die Freilassung von 217
schwerkranken politischen Gefangenen. Auch das ist nicht geschehen. Es
gibt weiterhin Verhaftungen, wenngleich nicht in dem Maße wie
2009/2010.
So gesehen gibt es keine legitimen
Verhandlungen. Verhandelt wird nur
aufder Gefängnisinsel Imrali, wo der
PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan
seit 1999 festgehalten wird. Wir wissen aber nicht, mit wem er dort Gespräche führt und ob daran Regierungsvertreter beteiligt sind. Außerdem erhält er nur Besuche von der
BDP [3], aber auch das ist nicht offiziell. Der Staat kann mehr oder weniger bestimmen, ob eine Delegation
Mi, 18. Dezember 2013
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der BDP in einem Monat fahren kann
oder nicht. Es liegt also alles im Ermessen der Regierung. Angesichts
dessen ist dieser Prozeß sehr wackelig. Die kurdische Bewegung tut alles, daß er ausgebaut wird, aber
große Hoffnungen gibt es momentan
nicht.
schlagen, unterstützt also weder das
alte Assad-Regime noch die Freie
Syrische Armee. Sie hat die Menschen dort frühzeitig organisiert und
eine starke Selbstverteidigung aufgebaut, die es geschafft hat, das Assad-System ohne allzu große Waffengewalt zu vertreiben. Dieses Beispiel könnte eine
große Sogwirkung auch für
andere Völker in
der Region haben, weil es
zeigt, wie Menschen effektiv
Widerstand leisten können.
Westkurdistan
bzw. Nordsyrien
ist im Grunde eine Ansammlung
kleiner, durchwachsener Gebiete. Dort leben
infolge der Arabisierung auch
durch das AssadSystem viele
verschiedene
Völker. Die kurdische Bewegung versucht, alle mit ins Boot zu
Informationstisch der Kampagne
holen. Sie hat dazu einen eigenen Rat
"Tatort Kurdistan"
gebildet und eine Basisorganisierung
im Veranstaltungsraum
aufgebaut, die nicht nur von Kurden
Foto: © 2013 by Schattenblick
großen Zulauf erhält, sondern auch
SB: Der Nahe Osten ist ein Krisen- von den vielen verschiedenen Volksgebiet, in dem sich die Interessen der gruppen, die in dieser Region leben.
Großmächte Bahn brechen. Wie
stark wird davon der Konflikt der SB: Besteht für die syrischen Kurden
kurdischen Bevölkerung mit dem angesichts dessen, daß die westlitürkischen Staat, aber auch die Situa- chen Staaten gegen das Assad-Retion in den angrenzenden Staaten be- gime opponieren, nicht die Gefahr
einer Instrumentalisierung ähnlich
einflußt?
wie im Irak, wo sich der kurdische
WS: Kurdistan ist bekanntlich in vier Bevölkerungsanteil den USA wenn
Teile gespalten. Ein Teil befindet nicht angedient, so doch als nützlisich im Iran, ein anderer jeweils im che Strohpuppe für US-Interessen
Irak und in Syrien, aber der größte erwiesen hat?
Teil liegt auf dem Staatsgebiet der
Türkei. Der Widerstand, der jetzt in WS: Syrien läßt sich mit SüdkurdiSyrien läuft, wird sehr stark von der stan bzw. dem Nordirak nicht verkurdischen Bewegung getragen. Po- gleichen, weil im letzteren Gebiet die
litisch gesehen hat sie einen eigenen, Kurdenparteien von Barzani [4] und
den sogenannten dritten Weg einge- Talabani [5] die Macht haben. Es
Mi, 18. Dezember 2013
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sind Vasallengruppen, die von den
USA und jetzt auch von der Türkei
mehr oder weniger abhängig sind.
Der Unterschied zu der Volks- oder
Basisbewegung in Syrien besteht
darin, daß sie dort wirklich die Bevölkerung organisiert. Es sind Rätesysteme von unten aufgebaut worden, die sich nicht instrumentalisieren lassen. Sie sind wirtschaftlich
nicht abhängig. In der Region, vor
allem in Syrien, herrscht Krieg. Die
kurdischen Gebiete dort werden vor
allem durch Terroranschläge der
Dschihadisten bedroht, die sich gegen die Errungenschaften der kurdischen Bewegung richten, worüber
hier in Deutschland nur sehr wenig
berichtet wird. Der Aufbau von Basisstrukturen und Kooperativen - das
reicht von kleinen Landwirtschaftskooperativen bis hin zu Ölraffinerien, die der Bevölkerung gehören - ist
den islamistischen Kräften, die dort
operieren, ein Dorn im Auge. Die
kurdische Bewegung in Nordsyrien
hat ein ganz anderes System aufgebaut als im Nordirak, wo einige
Clanchefs, die das Geld mehr oder
weniger für sich und ihre Familien
bzw. Clans verwenden, das Sagen
haben. An der kurdischen Bewegung
in Nordsyrien wird vor allem gehaßt,
daß sie sozialistisch ist und sich nicht
zum Vasallen der imperialistischen
Staaten macht.
SB: Steht diese Entwicklung auch im
Zusammenhang mit der Kriminalisierung und Inhaftierung von Anwältinnen und Anwälten in der Türkei, die in Prozessen gegen Kurden
und kurdische Organisationen
Rechtsbeistand geleistet haben? Zu
dieser Repressionspolitik des türkischen Staates haben sich hier in
Deutschland juristische Organisationen wie der Deutsche und der Republikanische Anwaltverein sehr kritisch geäußert. [6]
WS: In der Türkei sind nicht nur Anwälte, sondern auch Journalisten und
überhaupt Personen inhaftiert, die
sich am System der "Demokratischen Autonomie", wie es von der
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Elektronische Zeitung Schattenblick
Wolfgang Struwe mit SB­Redakteurin
Foto: © 2013 by Schattenblick
kurdischen Bewegung genannt wird,
aktiv beteiligt haben. Die Verhaftungswelle hat 2009 angefangen, als
in der Türkei Kommunalwahlen
stattfanden. Die AKP hat die Wahlen
zwar nicht verloren, aber ihr Ziel,
strategisch wichtige Gebiete im kurdischen Teil der Türkei für sich zu
erobern, nicht erreicht, weil die BDP
dort sehr viele Stimmen bekommen
hat und in etlichen Gebieten die Bürgermeisterämter übernehmen konnte. Dadurch hat sie sich auf kommunalpolitischer Ebene zu einer sehr
großen Kraft entwickelt.
Dort versucht sie, ihr basisorientiertes Modell einer "Demokratischen
Autonomie" umzusetzen und nicht
darauf zu warten, daß es Frieden gibt
oder der Staat die Erlaubnis dazu erteilt. Mit dem Bildungssektor wurde
angefangen. Zwar ist die kurdische
Sprache in der Türkei nicht mehr
verboten, aber es gibt keine Schulen,
an denen auf kurdisch unterrichtet
wird. Tatsächlich ist es so, daß der
Gebrauch des Kurdischen als Unterrichtssprache nur an Privatschulen,
die man selbst bezahlen muß, gestattet ist. Zur "Demokratischen Autonomie" gehört nicht nur, das Bildungssystem selbst in die Hand zu nehmen, sondern auch, Kooperativen
und ein autarkes wirtschaftliches SySeite 8
stem aufzubauen sowie Medien in
Eigenregie zu führen. Viele KurdInnen, die in diesen Bereichen aktiv
geworden sind, ob nun PolitikerInnen, JuristInnen, JournalistInnen
bzw. LehrerInnen, die in den sogenannten selbstaufgebauten Akademien unterrichtet haben, sind weggesperrt worden. Mehr als 10.000 Verfahren wurden eingeleitet. Dazu
kommt eine große Zahl von Menschen, die illegalisiert worden sind
und sich der Repression entzogen
haben, indem sie entweder ins Ausland oder in die Illegalität gegangen
sind. Diese Zahl ist immens groß.
Aber dennoch hat es die Repression
nicht geschafft, dieses System ganz
zu stoppen. Vielmehr ist es so, daß
der Widerstand der Basisorganisierten weitergeht.
SB: Die AKP steht nach den Demonstrationen im Gezi-Park und anderswo in der Türkei ziemlich unter
Druck. Wie schätzen Sie die augenblickliche Entwicklung im Kontext
mit der kurdischen Frage ein? Wird
es zu einer politischen Entspannung
kommen oder rechnen Sie eher mit
einer zunehmenden Repression
durch den Staat?
WS: Ich weiß gar nicht, ob die Repression noch zunehmen kann. Die
AKP betreibt eine sehr dynamische
Politik und hat es geschafft, etwas in
diesem Land, das lange Zeit im Stillwww.schattenblick.de
stand verharrte, zu bewegen. Die
AKP hat die Türkei durchaus hin zu
einer westlichen Demokratie verändert. Ich habe einen anderen Anspruch an Demokratie, deswegen sage ich "westliche Demokratie". Die
AKP hat aufAnstoß aus Europa viele Gesetze von hier übernommen.
Unzweifelhaft verfügt die Partei in
vielen Gebieten der Türkei über eine
sehr starke Basis. Mag sein, daß die
AKP ein bißchen größenwahnsinnig
geworden ist. In der Mitte des Jahres
konnte man sehen, daß sie überall
auch angeeckt ist. Sie hat von den
westlichen Staaten sehr viel Kritik
bekommen, weil sie sich den Interessen der USA und Europas nicht
mehr untergeordnet hat. Die AKP
wird vom Westen unterstützt und
konnte ihre Basis in der Türkei stark
ausbauen, hat aber das Ziel, das Europa mit ihr verfolgt, nämlich einen
demokratischen Islam zu repräsentieren, nicht erreicht. Die AKP hat in
der letzten Zeit sehr deutlich gemacht, daß sie dieses Interesse gar
nicht teilt. Man muß allerdings auch
sehen, daß die Bevölkerung gerade
in den Metropolen mit der Politik der
AKP - siehe Gezi-Aufstand in Istanbul - nicht mehr zufrieden ist.
In den kurdischen Gebieten, in denen
die AKP neu an die Macht gekommen war, verfügte sie auch über eine
große Basis. Sie hatte den Auftrag,
die Menschen von der PKK wegzuziehen. Dazu wurden Parolen gestreut wie: "Alle AKP'ler sind Brüder" oder, speziell an die Adresse der
kurdischen Bevölkerung gerichtet:
"Wir sind alle Glaubensbrüder, ihr
könnt auch zu uns kommen, wir tun
alles für euch." Die AKP hat sehr viel
Basisarbeit geleistet, und deshalb
fielen die Wahlerfolge in den kurdischen Gebieten am Anfang auch sehr
gut aus. Aber als die Kurdinnen und
Kurden dann erkennen mußten, was
für eine Partei das wirklich ist, und
sie endlich begriffen, daß sie selbst
eine viel größere Kraft werden könnten, hat die AKP die Repression verstärkt und damit ihr wahres Gesicht
gezeigt. Ich denke, daß es die AKP
Mi, 18. Dezember 2013
Elektronische Zeitung Schattenblick
als politische Kraft weiter geben
wird. Im nächsten Jahr stehen Kommunalwahlen an, die sehr wichtig
sind. Meiner Einschätzung nach wird
der sogenannte Lösungs- und Friedensprozeß bis zu den Wahlen weiter vor sich hin dümpeln. Dann wird
sich zeigen, wieviel Stimmen die
AKP an der Basis verloren oder gewonnen hat.
SB: Sie haben heute hier in Hamburg
als Gruppe "Tatort Kurdistan" die
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema "Kapitalismus Krise - Herrschaftssicherung" organisiert. Was hat Sie dazu bewogen
bzw. wo sehen Sie die Verbindung
zur kurdischen Frage?
WS: Ich sehe die Problematik gar
nicht allein auf die Bundesrepublik
bezogen, vielmehr zieht sich dieses
System über die bundesdeutschen
Grenzen hinweg. Natürlich sind auch
wir mit den Formen der Herrschaftssicherung konfrontiert. So jährt sich
das PKK-Verbot in diesem Jahr zum
20. Mal. Die Repression gegen Kurdinnen und Kurden sowie gegen die
Sympathisanten der kurdischen Bewegung ist in der Öffentlichkeit hierzulande wenig bekannt. In der Veranstaltung selber bildete dies nur
einen Unterpunkt und betraf vor allem den Paragraphen 129 b, der momentan insbesondere gegen Kurdinnen und Kurden angewandt wird. Bis
jetzt gab es fünf § 129 b-Verfahren,
eines davon fand in Hamburg statt.
Von daher richtet sich die Herrschaftssicherung nicht allein gegen
die deutsche Bevölkerung, sondern
gegen alle Menschen, die in diesem
Land leben. Darüber hinaus finden
wir es gut, nicht nur Themen aufzugreifen, die speziell mit Kurdinnen
und Kurden oder den Problemen dieser Menschen in der Türkei zu tun
haben, sondern wir haben den Anspruch, weiterzugehen und auch mit
anderen Menschen ins Gespräch zu
kommen.
Freiräume schaffen und nutzen
im selbstverwalteten
Nachbarschaftstreff
"Centro Sociale"
Foto: © 2013 by Schattenblick
[6] Siehe auch im Schattenblick unter INFOPOOL → RECHT →
BRENNPUNKT → PROZESS:
[1] http://www.kapitalismus-in-der- http://schattenblick.de/infokrise.de/
pool/recht/ip_recht_brenn_prozess.shtml
[2] Siehe auch den Bericht über den
Vortrag von Dr. Heinz-Jürgen
Schneider im Schattenblick unter Bisherige Beiträge zur Veranstal­
INFOPOOL → POLITIK →
tungsreihe "Bürgerliche Herrschaft
REPORT:
in der Krise" im Schattenblick unter
BERICHT/174: Herrschaft in der Kri- INFOPOOL → POLITIK →
se - Synthese im Widerspruch (SB)
REPORT:
http://schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0174.html
BERICHT/165: Herrschaft in der
Krise - Wo steht der Feind? (SB)
[3] Die kurdische BDP (Baris ve De- BERICHT/166: Herrschaft in der
mokrasi Partisi - Partei für Frieden Krise - Mangel, Druck und Staatsräund Demokratie) ist in der türkischen son (SB)
Nationalversammlung vertreten und
setzt sich für die Interessen der Kur- BERICHT/168: Herrschaft in der
dinnen und Kurden ein.
Krise - Zweckform Euro (SB)
Fußnoten:
[4] Masud Barzani ist seit 1979 Vorsitzender der Demokratischen Partei
Kurdistans (DPK) und seit dem 13.
Juni 2005 Präsident der Autonomen
SB: Herr Struwe, vielen Dank für Region Kurdistan im Norden des
Irak.
dieses Interview.
Mi, 18. Dezember 2013
[5] Dschalal Talabani ist Vorsitzender der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) und erster Staatspräsident
des Irak seit dem gewaltsamen Sturz
Saddam Husseins.
www.schattenblick.de
BERICHT/173: Herrschaft in der
Krise - Die Mehrheitslogik (SB)
BERICHT/174: Herrschaft in der
Krise - Synthese im Widerspruch
(SB)
Seite 9
Elektronische Zeitung Schattenblick
INTERVIEW/196: Herrschaft in der
Krise - Bündnisse der Arbeit, HansPeter Brenner im Gespräch (SB)
SCHACH UND SPIELE / SCHACH / SCHACH-SPHINX
Unverändert halsstarrig
INTERVIEW/197: Herrschaft in der
Krise - der Lackmustest, Markus 1882 trat der amerikanische SchachBernhardt im Gespräch (SB)
freund Blackmar mit einer sonderbaren Gambitidee an die ÖffentlichINTERVIEW/198: Herrschaft in der keit. Zog man seinerzeit den KönigsKrise - türkisch-linke Bündnisfra- bauern, so mündeten viele Partien ins
gen, Duran Kiymazaslan im
Königsgambit ein, während man auf
Gespräch (SB)
dem anderen Flügel das Damengambit zu spielen pflegte. Blackmar, ein
INTERVIEW/199: Herrschaft in der leidenschaftlicher Angriffsspieler,
Krise - am linken Schlaf vorbei, Syl- empfahl nach 1.d2-d4 d7-d5 hingevia Brennemann im Gespräch (SB) gen das kühne Bauernopfer 2.e2e4!? d5xe4 3.f2-f3. Großartig durchINTERVIEW/201: Herrschaft in der gesetzt hat sich sein Gambit indes
Krise - Wo der Mumm fehlt! Wolf- nicht, zumal es sich mit 3...e7-e5!
gang Erdmann im Gespräch (SB)
leicht widerlegen ließ. In der Mitte
des 20. Jahrhunderts verbesserte
INTERVIEW/202: Herrschaft in der dann Emil Josef Diemer das BlackKrise - Ratio des Mehrgewinns,
mar-Gambit, indem er sie Züge
Andreas Wehr im Gespräch (SB)
3.Sb1-c3 Sg8-f6 dazwischenschaltete. Sein Eifer, die nun Blackmar-DieINTERVIEW/204: Herrschaft in der mer-Gambit genannte Eröffnung poKrise - Horizont der Mühen,
pulär zu machen, kannte keine GrenDr. Heinz-Jürgen Schneider im
zen. Mit Vorträgen, Analysen und
Gespräch (SB)
Hunderte von Partien, die er und seine Blackmar-Gemeinde zusammenINTERVIEW/205: Herrschaft in der trugen, ging er in die große OffensiKrise - Kampfverstand und Korrek- ve wider eine nicht minder halsstartur, Jürgen Lloyd im Gespräch (SB) rige Gegnerschaft, die das Gambit
auf Biegen und Brechen zu den Akhttp://www.schattenblick.de/
ten legen wollte. Diemers Konzeptiinfopool/politik/report/
on war simpel: vom ersten Zug an
prin0206.html
aufs Matt spielen! Die Anerkennung
wurde ihm bis zuletzt verwehrt, wohl
auch, weil er in seinen Veröffentlichungen und Büchern oft Partien
präsentierte, in denen der Nachziehende schwache Entgegnungen
SCHACH UND SPIELE / SCHACH wählte. So blieb sein Werk unvollSCHACH­SPHINX/04961: ständig, als er am 10. Oktober 1990
http://www.schattenblick.de/infopool/ 82jährig in einem Pflegeheim im
schach/schach/sph04961.html süddeutschen Fussbach verstarb.
Seine Gemeinde existiert indes weiter und kennt nur ein Ziel: die unbedingte Anerkennung des BlackmarDiemer-Gambits als vollwertige Eröffnung. Im heutigen Rätsel der
Sphinx errang der Gründungsvater
jenes modernen Gambits dank einer
hübschen Kombination einen Sieg
für das Blackmar-Diemer-Gambit,
Wanderer!
Diemer - Schönfuß
Baden 1954
Auflösung letztes Sphinx­Rätsel:
Witolinsch war viel zu forsch an die
Sache herangegangen und büßte daher schon nach 1...d6xe5 2.f4xe5
Sd7xe5! 3.De2xe5 Sf6-d7! 4.De5-g3
notwendig einen Bauern ein, da
4.Sd4xe6 Sd7xe5 5.Td1xd8
Le7xg5+ oder 4.Lg5xe7 Sd7xe5
5.Le7xd8 Se5xd3+ 6.c2xd3 Tf8xd8
7.Sd4-c2 Td8xd3 noch verhängnisvollere Konsequenzen nach sich zogen. Den Mehrbauern konnte sein
Kontrahent Wojtkiewicz dann in aller Ruhe zum Sieg verwerten.
Liste der neuesten und tagesaktuellen Nachrichten ... Kommentare ...
Interviews ... Reportagen ... Textbeiträge ... Dokumente ... Tips und Veranstaltungen ...
vom 18. Dezember 2013
http://www.schattenblick.de/infopool/infopool.html
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Mi, 18. Dezember 2013
Elektronische Zeitung Schattenblick
UMWELT / REPORT / BERICHT
Zukunft der Meere - Tiefsee in Not
Die Zukunft der Meere ­ Umwelt und Entwicklung auf See
Tagung im Konsul­Hackfeld­Haus in Bremen am 7. Dezember 2013
Unendliche Weiten?
uns zurücklehnen und weitermachen
Immer weniger Lebensraum für wie bisher.
die Meeresbewohner!
Die Art und Weise, mit der die
Bis an den Horizont rollende Wellen, Menschheit mit dem Ökosystem
schäumende Gischt - ein Blick über Meer umgeht und von ihm lebt, ist
den Deich läßt den ahnungslosen alles andere als schonend und verSpaziergänger daran glauben, daß nünftig. Entsprechend sind die
sich das Meer nie verändert hat und schleichende Vergiftung der Ozeane
nie verändern wird. Seit Jahrmillio- und die grenzenlose Ausbeutung seinen gibt es auf unserem Planeten ner Bewohner die Hauptursachen der
Ozeane, deren gewaltige Dimensio- sogenannten Meeresdegradation.
nen und Dynamik für den Landbe- Chemische Gifte und Schwermetalwohner schwer zugänglich bleiben. le aus Industrie und Kommunen,
Während sie jedoch für die meisten Erdöl von Bohrplattformen und
Menschen voller Geheimnisse und Schiffsunfällen, radioaktives Matefür den Naturfreund und Biologen rial aus Kernversuchen, atomarer
voll von teilweise noch unentdeck- Wiederaufarbeitung oder Reaktoruntem Leben stecken, scheinen wir das glücken wie das in Fukushima - die
Meer so zu behandeln, als sei es nur Liste der vom Menschen eingeleiteeine große Menge salzigen Wassers. ten giftigen Substanzen, die sich über
Nur wenige Jahrzehnte hat der die Nahrungskette auf fast alle LebeMensch gebraucht, um das Weltmeer wesen überträgt, scheint unendlich.
in ein gigantisches Wasserklo umzu- Gleichzeitig plündert die Fischindugestalten. Um die Strände von Teer- strie die letzten Winkel der Ozeane
ablagerungen scheinbar sauber zu und dringt mit Schleppnetzen in imhalten, ist es ihm gelungen, die Öl- mer größere Tiefen vor, nachdem beverseuchung (zum Beispiel bei der reits der Großteil der kommerziell
Haverie der Deepwater Horizon) mit gehandelten Fischbestände am RanDispergierungsmitteln gleichmäßig de des Kollaps steht, während
in der Wassersäule und den umlie- gleichzeitig Energie- und Rohstoffgenden Meeresgebieten zu verteilen, konzerne darauf drängen, den Resso daß mehr oder weniger toxische, sourcenreichtum der Tiefsee und an
dispergierte Kohlenwasserstoffe so- den Polen zu erschließen. Der Zuwie Lösungsmittel zu den natürli- griff auf die Weltmeere und die Konchen Bestandteilen der Wasserche- kurrenz um lukrative Fang- und Förmie inner- und außerhalb der analy- derlizenzen verschärft sich.
tischen Erfassungsgrenze gehören.
Dies, aber auch alle weiteren Zei- Doch nicht nur das. Wer genau hinchen der Zerstörung wie abgestorbe- sieht, kann die zunehmende Indune Korallenriffe, Sauerstoffverluste, strialisierung des Meeres durchaus
Erwärmung, Überfischung, Versaue- auch von der Küste erkennen. Baurung der Ozeane, radioaktives Was- vorhaben stoßen ins Meer vor und
ser haben eins gemeinsam, man kann mehr und mehr Offshore-Anlagen
sie auf den ersten und zweiten Blick werden auf See errichtet. Der weltnicht immer erkennen, so daß wir weite Handel hat für eine IntensivieMi, 18. Dezember 2013
www.schattenblick.de
rung von Schiffahrt und Seeverkehr
gesorgt. In diesem Wettrennen um
ökonomische Vorteile bleiben mögliche Initiativen für den Schutz der
Meereswelt oder für die gerechte
Verteilung ihrer Schätze weit abgeschlagen.
Für den Arbeitsschwerpunkt "Fair
Oceans" sind das alles keine neuen
Gedanken, aber dennoch von gleicher Brisanz bleibende Gründe, weshalb er und der Verein für Internationalismus und Kommunikation e.V.
die entwicklungs- und umweltpolitisch notwendigen Anforderungen
bei der Erschließung der Ozeane und
Meere zum Schwerpunkt ihrer diesjährigen Tagung in Bremen machten,
die am 7. Dezember 2013 im Konsul-Hackfeld-Haus unter den Titel
"Die Zukunft der Meere - Umwelt
und Entwicklung auf See" stattfand.
[1] Gemeinsam mit Brot für die Welt
und dem Forum Umwelt und Entwicklung, in Kooperation mit dem
"AstA der Universität Bremen" sowie dem "Bremer Entwicklungspolitischen Netzwerk" hatten sie zahlreiche Referenten gewonnen, die
diesem Umstand Rechnung trugen.
Neben der Vorstellung des aktuellen
Gutachtens "Menschheitserbe Meer"
und den darin formulierten Handlungsempfehlungen des "Wissenschaftlichen Beirats für Globale
Umweltveränderungen" (WBGU)
und die im Rahmen der »AG Meere«
des »Forums Umwelt und Entwicklung« (FUE) entwickelten meerespolitischen Forderungen zur internationalen Debatte über »Ziele nachhaltiger Entwicklung« (ein Standpunktepapier zur Diskussion nach
Rio), die Fair Oceans, wie Kai KaSeite 11
Elektronische Zeitung Schattenblick
schinski in seiner Eingangsnote erklärte, der gemeinsamen Diskussion
über notwendige Eckpfeiler für die
internationale Meerespolitik voranstellte, sorgten im weiteren Verlauf
der Veranstaltung Vertreter von "Deepwave", dem "Naturschutzbund
Deutschland" (NABU), der "Universität Trier" sowie dem "World Wide
Fund For Nature" (WWF), Brot für
die Welt und Fair Oceans mit ihren
speziellen Ansätzen und Fragen zu
internationalem Seerecht, Meeresschutz auf der Hohen See, Fischerei
und Ernährung, Plastikmüll und
Meeresverschmutzung und einem
Beitrag zu Gemeingütern für weitere Facetten dieser Diskussion. Einer
davon, der trotz knapper und konzentrierter Rede wegen des Umfangs
der Problematik das vorgegebene
Zeitlimit sprengte, war der Input:
Dr. Onno Groß auf der Tagung im
Konsul­Hackfeld­Haus in Bremen
Foto: © 2013 by Schattenblick
Biodiversität, die man im Verhältnis
zum Land bereits auf einer relativ
kleinen Fläche der Tiefsee findet. Jeder Seamount-Hang würde ein komplett eigenes Ökosystem beherbergen. Bisher habe man etwa 30.000
dieser unterseeischen Berge entdeckt, auf denen ein erhöhtes Vorkommen von Organismen zu erwarten ist. Die letzte Volkszählung im
Meer hätte 200.000 verschiedene
Arten ergeben. Doch das ist nur ein
Bruchteil der noch nicht entdeckten
Spezies, die auf 1,5 Millionen geschätzt werden. Allein im Polarmeer
hat man in der letzten Zeit fast 5600
neue Meeresbewohner entdeckt. Die
Seeberge der Tiefsee sowie ihre Fauna sind ebenfalls noch kaum erforscht. Hier verbergen sich noch
zahlreiche unentdeckte Tierarten,
zum Beispiel Tintenfische wie der
Riesenkalmar, die sich jedoch oft-
"Ökologie und Gefährdungen der
Tiefsee"
Einen nicht maßgeblichen Posten bei
dem Run der Förderer nach Ressourcen und dem Ausverkauf der Meeresschätze stellt die Tiefsee. [2] Damit wird der lichtlose oder apophische Bereich des Meeres bezeichnet,
der bei einer Wassertiefe von etwa
600 Metern beginnt und an einigen
Stellen der Weltmeere bis 11.000
Meter herab reicht. Bedenkt man,
daß die Erde zu 71 Prozent mit Wasser bedeckt ist und davon wiederum
70 bis 80 Prozent (je nachdem, ob
man bei 600 oder 800 Meter Wassertiefe beginnt) zur Tiefsee gerechnet
werden können, dann nimmt die Lophelia pertusa sind langsam
Tiefsee den wohl größten Raum un- wachsende Kaltwasserkorallen und
seres Planeten ein. Auch ihre Flä- wurden bisher nur bis zu einer Was­
chenausdehnung ist durchaus rele- sertiefe von 200 bis 600 Metern Tie­
vant. Mehr als die Hälfte der Erd- fe gefunden (in Norwegen bei 52 Me­
oberfläche (53,6 Prozent) hat eine tern). Die Korallenbänke im nord­
Wassersäule zwischen 3.000 und östlichen Atlantik sind tausende von
6.000 Metern (1 Prozent davon sogar Jahren alt.
über 6.000 Meter) über sich, der Rest Foto: MAREANO/Institute of Mari­
des "Meeresbodens" auf 0 bis 3.000 ne Research, Norway (public do­
Meter Tiefe nimmt nur 16,2 Prozent main)
ein. Dafür sei sie weniger erforscht,
als die Rückseite des Mondes, be- Als Tiefseebiologen fasziniert Dr.
Onno Groß die unvergleichbar hohe
merkte der Referent trocken.
Seite 12
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mals durch niedrige Reproduktionsraten auszeichnen.
Jeder Forschungseinsatz bringt neue
Entdeckungen hervor. So hat man
erst vor kurzem herausgefunden, daß
die größten Kaltwasserkorallenriffe
in der Tiefsee in einer Wassertiefe
von 5.000 Metern zu finden sind und
den größten bekannten Korallenriffen wie dem Great Barrier Reef vor
der Nordküste Australiens, dem Belize Barrier Reef oder dem Neukaledonischen Barriereriff durchaus
Mi, 18. Dezember 2013
Elektronische Zeitung Schattenblick
Konkurrenz machen. Bis vor kurzem
konnte man noch auf der kurzfristig
pausierenden Webseite des Referenten von vermutlich mehr als 10 Millionen noch unentdeckten Arten in
der Tiefsee lesen.
Scheinbar lebensfeindliche Biotope
werden hier von Tieren besiedelt,
vom "Eiswurm" an den Methanhy­
draten bis zum "Pompeiji­Wurm" an
300 Grad Celsius heißen unterseei­
schen Thermalquellen. Solch reiche
Tiergemeinschaften fanden Tiefsee­
biologen nicht nur an den Thermal­
quellen der tektonisch aktiven Plat­
tengrenzen, sondern auch in den
sauerstofffreien Zonen von Methan­
lagerstätten, kalten Quellen oder an
alten Walskeletten. Die Artenvielfalt
der Tiefsee ist auch andernorts be­
eindruckend. Etwa 350 bis 500 ver­
schiedene Seesterne, Seegurken,
Schwämme, Seeanemonen und Kreb­
se fanden Forscher allein in einem
Gebiet vor der Küste von Peru in
4.100 Meter Tiefe. [3]
Kein Licht heißt keine Pflanzen oder
Algen, da keine Photosynthese möglich ist, was für die meisten Tiere ein
eingeschränktes Nahrungsangebot
und somit hohe Anforderungen an
den eigenen Stoffwechsel bedeutet.
Durch die extrem unterschiedlichen
Temperaturbereiche (von -1 bis 4
bzw. 12 Grad (im Mittelmeer)) und
Bodenbedingungen, die lebensfeindlichen und unattraktiven Bedingungen von ewiger Nacht, extremem
Druck (alle 10 Meter wächst der
Druck der Wassersäule darüber um
eine Atmosphäre (1 atm) von 100 atm
bei 1.000 Meter Wassertiefe bis zu
1.000 atm bei 10.000 Meter Meerestiefe zum Beispiel im Marianengraben) und gleichbleibender Kälte bis
hin zu giftigen und sogar kochenden
"Lebensbereichen" an den seismisch
heißen Zonen der ozeanischen Spreizungszentren haben sich außergewöhnlich hochangepaßte Lebewesen,
Spezialisten und Symbionten entwickelt, die aber wiederum höchst
prekär auf nur geringe Änderungen
dieser Extrembedingungen reagieren.
Mi, 18. Dezember 2013
Bereich kann bereits Tierarten zum
Aussterben verurteilen, die noch
nicht einmal entdeckt wurden. Dazu
gehören auch Forschungstätigkeiten
am Meeresboden und in der Wassersäule, die wie der Referent bereits auf
der vorjährigen Tagung in einem
Vortrag zum 30jährigen Jubiläum
von UNCLOS ("United Nations
Das heißt, ein kleiner Eingriff des Convention on the Law of the Sea")
Menschen in diesen hochsensiblen erwähnt hatte, eigentlich nicht wirkKette der New England Seamounts
vor der Nordostküste der USA
Die Bewohner höher gelegener Tief­
seeberge sind in Gefahr, durch die
Fischerei mit riesigen Grund­
schleppnetzen ausgefischt und getö­
tet zu werden.
Foto: 2005 NOAA public domain
Riesenkalmar (Architeuthis dux); dieses im National Marine Aquarium (Ply­
mouth, GB) aufgenommene Exemplar ist 3,15 m lang (Körper und Arme) und
hatte noch zwei etwa 7 m lange Fangarme. Er wurde am 3. Januar 2002 160
km vor den Hebriden gefangen. Es hat etwa 150 Jahre gedauert, bis man
Riesenkalmare in ihrer Lebenswelt beschreiben konnte.
Foto: 2004 by Stefan Kühn, via Wikimedia Commons als CC­BY­SA­3.0
unported Lizenz.
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Seite 13
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lich bindend reglementiert werden.
Noch während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in den 90er Jahren hat
Dr. Groß auf diese Problematik und
die Gefährdungen der Tiefsee hingewiesen. 2003 gründete er den Verein
Deepwave, der sich dieser Problematik speziell angenommen hat.
Im letzten Jahr hatte Dr. Groß noch
auf die Lücken im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen
UNCLOS hingewiesen, welche die
darin enthaltene vermeintliche Regelung zum Schutz und Erhalt der
Meeresumwelt, die wissenschaftliche Meeresforschung sowie Entwicklung und Weitergabe von Mee- Schwarzweißaufnahme weist kreis­
restechnologie aufweist. Nicht berg- ähnliche Spuren unterschiedlicher
bauliche Aktivitäten wie Biopro- Größe auf, darunter die Beschrei­
spektion (das Erkunden kommerzi- bung: A piece of sperm whale skin
ellen Potentials biologischer Res- with Giant Squid sucker scars.
sourcen wie u.a. die speziellen Ei- Spuren wie diese vor 100 Jahren
genschaften, Enzyme, Inhaltsstoffe aufgenommenen Saugnapfspuren auf
oder Abwehrstoffe von extremophi- der Haut eines Wals zeugten von sei­
len Bakterien, Tiefseebewohnern, ner Existenz, aber erst sehr viel spä­
giftigen Schwämmen, die sich für ter konnte ein Exemplar gefangen
Gentechnologie oder Pharmazie aus- werden, 2012 gab es die ersten Film­
nutzen lassen), Kabel- und Pipeline- aufnahmen.
verlegung, Bodeninstallationen Foto: 1912 NASA (public Domain)
(Meßstationen, Hydrothermalenergie), Tourismus sind darin für den lichkeiten auf die Wassersäule, d.h.
Meeresboden ebensowenig "gere- die Fischerei von Schildkröten, Haigelt" wie verschiedene Zugriffsmög- en und Tintenfischen, der Beifang,
Seite 14
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die oft diskutierte Verklappung von
überschüssigem CO2 (flüssig oder in
Form von Trockeneis), die CO2-Sequestration genannt wird, oder auch
schwimmende Installationen für die
Nutzung von Wellenenergie, Aquakulturen oder nukleare Stationen.
Das hat bereits zu schweren Umweltschäden und Veränderungen in
der Vergangenheit geführt. Die Diskrepanz zur mutmaßlichen Absicht
des Übereinkommens liegt zwar
auch an den zahlreichen Gremien
(wie SOLAS, MARPOL, CBD,
UNFCCC, UNEP, FAO, IMO, ECOSOC, CSD usw.), die es in ihren Zuständigkeitsbereichen unterfüttern
bzw. selbst neu regulieren oder sich
bei der Umsetzung der vielleicht im
besten Glauben beschlossenen Artikel zum Schutz der Meere sogar gegenseitig behindern. Daran wurde
In den Marianengraben paßt locker
der Mount Everest. Erst drei Men­
schen haben sich hier dem Druck ei­
ner 11.000 Meter hohen Wassersäu­
le ausgesetzt: Jacques Piccard und
John Walsh am 23. Januar 1960 mit
dem Tauchschiff "Trieste" und der
Filmregiseur James Cameron mit
der "Deepsea Challenger".
Grafik: 2009 NOAA als
CC­BY­SA­3.0
Mi, 18. Dezember 2013
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bisher nichts geändert, so daß sich
nach wie vor kein wirkliches Mandat
für den Schutz, die Bewahrung und
den nachhaltigen Umgang mit lebenden Ressourcen darin erkennen läßt,
für die nicht lebenden Ressourcen
(Bodenschätze, Mineralien) dagegen
schon.
setzt ist. Die Folgen
des Klimawandels, die
enorme Verschmutzung durch Kohlenwasserstoffe (Erdöl)
und Kunststoffe, sowie
die Folgen der Fischerei stellen ebenfalls ein
großes Potential dar,
Das trifft ganz besonders die vielfäl- die sensible Tiefsee
tigen, fragilen Habitate der Tiefsee (und nicht nur die)
mit ihren überwiegend langsam stark zu verändern.
wachsenden, sich seltener vermehrenden und meist endemisch, d.h. nur So würde der 5. Weltan einem Ort vorkommenden Arten, klimabericht des IPCC
zumal sie zu einem großen Teil, wie (Intergovernmental
Dr. Groß betonte, außerhalb der 200 Panel on Climate
Seemeilenzone liegen, dem Meeres- Change) mit der darin prognostizierbereich, der juristisch überhaupt kei- ten Erwärmung des Globus um 2 bis
nem gehört, auf dessen lebende und 4 Grad eine Anzahl von möglichen
nicht lebende Ressourcen der Wett- Szenarien erörtern, die einen direklaufgerade deshalb aber schon längst ten Einfluß auf die Tiefsee hätten:
begonnen hat. Da schätzungsweise
nur ein Prozent der schwer zugäng- - Die veränderte Wassertemperalichen Tiefsee erforscht wurde, läßt tur/Erwärmung wirkt sich auf die gesich kaum abschätzen, welche Fol- samte Ozeanzirkulation, Strömungsgen der menschliche Zugriff zum muster und Meeresdynamik aus.
Beispiel durch den Unterwasserberg- - Meeresströmungen wie der Eintrag
bau auf den gesamten marinen Le- von Tiefenwasser ändern sich.
bensraum haben könnte.
- Der Nahrungseintrag wechselt beispielsweise durch schmelzendes Eis
Der Ressourcenabbau, d.h. die Aus- in der Arktik und die daraus resultiebeutung der Bodenschätze des Mee- rende verringerte oder verstärkte
resbodens wie Öl, Gas, Methanhy- Planktonproduktion (landseitiger
drat, Diamanten, Phosphat, Gold und Run-off).
Seltene Erden u.a. Mineralien in so- - Mit der Erwärmung käme auch die
genannten Kobaltkrusten, Man- Sauerstoffarmut (sogenannte Dead
ganknollenfeldern, Erzschlämmen Zones).
an Plattenrändern, Eisen im Küsten- - Tiefseebewohner sind aufgrund der
vorfeld, Schwermetallseifen in dort herrschenden Dunkelheit von
Schelfgebieten und organische Roh- der Biomasse (dem sogenannten
stoffe und Phosphoritknollen in bis Food Fall) abhängig, die in lichtreizu 500 Meter Wassertiefe, bei dem chen Wasserzonen produziert wird.
ein hochtechnologischer Apparate- Bei einer Erwärmung kann die geaufwand mit größter Wahrschein- wohnte Nahrung mit ganz anderer,
lichkeit die Umwelt des Meeresbo- möglicherweise aus invasiven
dens dauerhaft verändern wird, so- Planktonarten bestehenden Biomaswie bereits als umweltschädlich be- se ersetzt werden.
kannte Technologien wie Tiefenboh- - Veränderte Ökosysteme
rungen und Horizontalbohrverfahren - Zunehmende Versauerung
oder Fracking, mit denen manche
Tiefsee-Bergbau-Unternehmen ope- Für die sensiblen Arten in der Tiefrieren, um die Ausbeute zu optimie- see stellt die zunehmende Wärme ein
ren, ist jedoch nur eine von vielen gewaltiges Experiment dar, bei dem
Möglichkeiten der Gefährdung, de- es um nicht weniger als ihr Überlenen die Tiefsee laut Dr. Groß ausge- ben geht.
Mi, 18. Dezember 2013
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Nur so groß wie eine Menschenhand,
hat das Tier im Verhältnis zur Kör­
pergröße die größten Augen im Tier­
reich, Zähne und Leuchtorgane in
seinem Fangarmtrichter, drei Herzen
und drei Geschlechtsorgane.
Philosoph Vilhém Flusser: Wenn ich
mir ein Lebewesen ausdenken muß,
was diametral anders ist als wir
Menschen, dann wäre es eine Höl­
lenkrake.
Vampyrotheutis Infernalis, das Lieb­
lingstier des Referenten, ist ein le­
bendes Fossil aus dem Zeitalter der
Dinosaurier und an sauerstoffarme
Wasserzonen angepaßt. Doch wie
wandlungsfähig sind hochangepaß­
te Spezialisten angesichts der Verän­
derungen in ihrem Lebensraum?
Foto: 2012 by DeepSeaCreatu­
res.org
Ab wann ist das Meer zu sauer?
Auch die Versauerung geht nicht an
der Tiefsee vorbei. Laut Dr. Groß
sind 500 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) bzw. 40 Prozent
der anthropogen erzeugten CO2Emissionen bereits vom Meer aufgenommen und damit aus der Atmosphäre abgepuffert worden. Das hat
den pH-Wert in einen deutlich saureren Bereich verschoben, denn CO2
und Wasser ergeben zusammen
Kohlensäure, wie man sie, so Groß,
"aus der Sprudelflasche kennt".
Gleichwohl geht damit aber auch eiSeite 15
Elektronische Zeitung Schattenblick
ne relevante Änderung der Meerwasserchemie einher. Bereits heute könne
man seit der vorindustriellen Zeit eine
pH-Verschiebung von 0,1 in den sauren Bereich feststellen, das sei eine
Versauerung um fast 30 Prozent (das
Sinken des pH-Werts um eine Einheit
entspricht dem zehnfachen Anstieg
der Wasserstoffionenkonzentration).
Darüber hinaus würde die weltweite
Versauerung, die bis in die polaren Regionen vordringt, CO2 über das Tiefenwasser, das dort gebildet wird, auch
in die Tiefsee weitertransportieren.
Dann hat man es auch in tieferen Meeresbereichen mit den Problemen der
Meeresoberfläche zu tun.
In einem sauren Milieu stehen weniger Carbonationen zur Verfügung, die
kalkschalenbildende Lebewesen für
ihr Wachstum benötigen, so daß sich
insgesamt auch die Kalksedimentation verringert. Als erstes leiden Kleinstorganismen wie Kalkalgen, die ihre
natürliche Struktur verlieren, oder
Korallen darunter, die Produktion von
Plankton kann stark abnehmen. Tendenziell ginge damit auch eine Abnahme des Sauerstoffgehalts einher.
Zooplankton. Clione limacina, ein
schalenloses Kaltwasserweichtier,
das zwar auf englisch Sea­Angel
(See­Engel) heißt, aber mehr wie ein
Teufelchen aussieht. Flügelschnecke
oder See­Engel oder ­teufelchen?
Auch Weichtiere sind anfällig gegen
die Versauerung.
Foto: NOAA's Fisheries Collection,
Courtesy of Matt Wilson/Jay Clark,
NOAA NMFS AFSC
Seite 16
Ergänzend zum Vortrag sollten an
dieser Stelle auch die in letzter Zeit
gefundenen weiteren negativen Einflüsse der Versauerung nicht unerwähnt bleiben. So haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen
aus Schweden (Universität Göteborg)
und Deutschland (Geomar Helmholtz
Zentrum für Ozeanforschung Kiel
und Christian Albrecht Universität
Kiel) am Beispiel des ökologisch
wichtigen grünen Seeigels mit dem
zungenbrecherischen botanischen
Namen Strongylocentrotus droebachiensis nachgewiesen, daß diesen
Meeresbewohnern das saure Wasser
förmlich auf den Magen schlägt: Sie
können nur noch schwer ihre Nahrung verdauen, was zu Mangelerscheinungen führen könnte. Diese
Beobachtung ist vermutlich kein Einzelfall in der Meeresumwelt. Auch in
dieser Hinsicht stehen uns offensichtlich noch "zahlreiche unfreiwillige
Langzeit-Experimente" oder überraschende Befunde bevor, da sich das
tatsächliche Ausmaß der pH-Wert
Änderung auf die sensiblen Stoffwechselsysteme der Meeresbewohner
erst noch zeigen wird.
Erdöl - Erdgas - Methanhydrat
Der Zugriff des Menschen weitet
sich immer mehr aus
Die zunehmenden Offshore-Anlagen, die in immer größeren Tiefen
nach Öl bohren, und ihre Folgen für
die Umwelt sind ständig in der Diskussion, wurden daher hier nur am
Rande erwähnt. Tatsächlich ist der
Trend schon lange durch den unstillbaren Energiehunger der wachsenden Menschheit festgelegt, die zunehmend versiegenden Quellen treiben die Erdöl-Konzerne in immer
größere Meerestiefe. [4] Allein auf
den asiatisch-pazifischen Raum sollen von 2012 bis 2017 immerhin 43
Prozent der weltweit niedergebrachten Offshore-Bohrlöcher entfallen.
Trotz der Havarie der Deepwater
Horizon 2011 ist der Anteil der
Bohrschächte, die in der Tiefsee dieser Region liegen, von 2000 bis 2010
von 3 Prozent auf 10 Prozent angestiegen und soll bis 2017 auf 12 Prozent wachsen. Douglas-Westwood,
ein Marketing-Unternehmen für
Offshore-Unternehmungen, prognostiziert die "Niederbringung" von
350 Tiefsee-Bohrlöchern im asiaFischbestände tisch-pazifischen Raum bis 2016.
würden schon Davon sollen 28 Prozent aufAustrabei geringen lien, 27 Prozent auf Indien, 24 PropH-Wertände- zent aufMalaysia und 14 Prozent auf
rungen in das Indonesien entfallen. Mit geringen
einstelligen Raten folgen Brunei und
Tiefenwasser
die VR China.
ausweichen
oder nach Norden abwandern, Den Abbau von Methanhydrat an
das bedeutet, Kontinentalhängen, ein in Sedimendaß schon bald ten verpreßtes, mit Wasser verbunan vielen Stellen denes Abbauprodukt aus verrottendes Meeres in- dem Plankton, das - wenn das Wasvasive Arten zu ser schmilzt - Methan bzw. Erdgas
finden sein werden, die andere Arten aus freisetzt, haben Energiekonzerne
ihrem Ökosystem drängen. Die Verände- schon lange als Ressource ins Auge
rung ist selbst noch in den Bereichen des gefaßt. Der Abbau ist jedoch probleMeeres zu spüren, die vom anthropogen matisch, weil dadurch im schlimmsten Fall ganze Landmassen ins RutZugriffverschont geblieben sind.
schen geraten könnten. Die ÜberleDie Frage, ab wann der Säurewert gungen, das begehrte Produkt mit
untragbar für das Meer wird, stellt tiefgefrorenem Kohlenstoffdioxid zu
sich somit gar nicht. Eine wahr- ersetzen (dem Abfallprodukt nach
nehmbare Versauerung verändert be- der Nutzung des Methans), klingt
zwar nach 'zwei Fliegen mit einer
reits die Meeresumwelt massiv.
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Mi, 18. Dezember 2013
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Klappe schlagen', indem man den
Brennstoff gewinnt und dafür einen
Teil des lästigen Treibhausgases an
seiner Stelle los wird. Ohne Bewegung von Erdmasse läßt sich das eine mit dem anderen jedoch nicht eins
zu eins ersetzen. Und Hangrutsche
können, nachzulesen in Frank Schätzings "Der Schwarm", von extremen
Wellen bis zu Tsunamis sowie erstickenden Sedimentablagerungen
die Unterwasserwelt gewaltig gefährden.
Methanhydrat ist allerdings auch
noch in einer anderen Hinsicht für
die Umwelt relevant, denn durch die
zunehmende Erwärmung der Meere
drohen die Reserven aufzutauen,
wobei das 35mal stärker als CO2
wirksame Treibhausgas sowohl unkontrolliert als auch ungenutzt freigesetzt würde.
weltschonend zu gewinnen, durchaus wohlwollend gegenüberzustehen. Neben dem hochtechnisierten
Raubbau der Meere im allgemeinen
und dem Bergbau mineralischer Ressourcen in der Tiefsee im besonderen, der noch am Beginn steht und
wie keine Technologie vorher den
zur Besiedlung genutzten Lebensraum wie schwarze Raucher, mineralische Krusten oder in Millionen
von Jahren gewachsene Knollen verändert, nämlich sprichwörtlich und
ersatzlos aus der Unterwasserwelt
entfernt [5], kam der Referent am
Ende seiner Ausführung auf das seiner Ansicht nach sehr viel gravierendere Problem der Überfischung zu
sprechen, das ebenfalls schon in den
Bereich der Tiefsee vorgedrungen
ist. Bis zu einer Meerestiefe von
zweitausend Metern reichen die
Schleppnetze der Tiefseefischerei.
Fische schneller gefangen werden,
als sie Nachkommen erzeugen können. Das ist bei den Tiefseefischen
ganz besonders schnell der Fall, da
sie teilweise eine ungewöhnlich hohe Lebenserwartung besitzen wie der
Granatbarsch, der sogar 150 Jahre alt
werden kann, und seine ersten Nachkommen oft erst im Alter von 30
Jahren zur Welt bringt. Der Grenadierfisch wird durchschnittlich 80
Jahre und erst mit 20 geschlechtsreif.
Da Großfische (Thunfisch, Haie und
dergleichen) weltweit, aber auch im
Tiefseebereich, immer weniger werden, sinkt die Fanggröße, und immer
mehr Fische werden vor der Geschlechtsreife gefangen. Dadurch
wird ein Teufelskreis geschlossen,
der nur noch durch strenge Reglementierungen zu brechen wäre, die
aber bis heute keiner einsieht. 50
Prozent der Fischerei untersteht
überhaupt keinem Management, d.h.
wird nicht durch Fangquoten und
dergleichen geregelt. Darüber hinaus
gibt es viele Schlupflöcher, in denen
illegale Fischerei stattfindet.
Für viele Meeresforscher gilt die
Überfischung als das dringlichste
Problem in den Ozeanen überhaupt.
Denn damit gerät das gesamte Ökosystem in Mitleidenschaft und wird
insgesamt anfälliger für Verschmutzung und menschliche Einflüsse. So
wird durch die generelle Überfischung oder auch nur das bei Fischereimanagern noch als verträglich
geltende "Fishing down" auf die
Hälfte der Populationsgröße bereits
die Rolle der Fische im gesamten
Nahrungsnetz der Ozeane ignoriert.
Der Roboterarm des ROPOS trägt Der Bedarf an Fischprodukten und Im Küstenbereich verringern sich
eine Probe eines inaktiven, schwar­ Proteinen ist immens und damit auch dadurch bereits die Bestände an
zen Rauchers, in der Fossilien einer der Raubbau, der mit diesen leben- Meeresvögeln und Meeressäugern.
Röhrenwurmpopulation eingebettet den Ressourcen getrieben wird. Der
sind. Abbau bedeutet immer Entzug Wildfischfang beträgt derzeit welt- Die Liste der überfischten Arten ist
von Lebensraum
weit 80 Millionen Tonnen. 30 Pro- lang und viele Fischpopulationen in
Foto: Image courtesy of Submarine zent der globalen Bestände sind den Gewässern der Europäischen
Ring of Fire 2002, NOAA/OER
schon überfischt. Mehrere Fischar- Union stehen kurz vor dem Kollaps.
ten sind heute schon ökologisch aus- All das treibt die Fischerei jedoch
Vielleicht deshalb schien Dr. Groß gestorben, das heißt, am Rand ihrer nur noch weiter in die unübersehbaden japanischen in situ-Versuchen, biologisch notwendigen Bestandgrö- ren Tiefen der Tiefsee und an die unMethanhydrat "nachhaltig" und um- ße. Überfischung entsteht, wenn die termeerischen Bergkuppen, die verMi, 18. Dezember 2013
www.schattenblick.de
Seite 17
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nünftiger Weise nur wenig zur Fischerei genutzt werden sollten, solange man noch so wenig über die
Fischbestände und Fischbiologie
weiß. Mehr als zwei Drittel der
Fischbestände sind heute noch unzulänglich bekannt. Dagegen hat man
in der Vergangenheit Tiefseebestände bis zum Kollaps mit Grundschleppnetzen abgefischt. Die Fische
im Nordatlantik sind insgesamt außerhalb der sicheren biologischen
Grenzen, kurz gesagt, stark gefährdet. Der erwähnte Grenadierfisch ist
im Bereich der USA überhaupt komplett verschwunden.
Aber nicht nur das. In jedem eingeholten Netz findet sich gerade in der
Tiefsee ein Beifang an unwiederbringlichen endemischen Arten und
Bodenorganismen wie Tiefseekorallen, deren Verschwinden das Meeresökosystem verarmen läßt und auch
(zum Beispiel im Bereich der Nahrungskette) den Arten schadet, die für
den Nahrungsgewinn weiterhin genutzt werden sollen. Jahrhunderte alte Korallenriffe werden in wenigen
Minuten zerschlagen und abrasiert,
wenn auf der Jagd nach Rot- und
Granatbarsch riesige Grundschleppnetze über einen Seeberg der Tiefsee
gezogen werden. Damit wird auch
der Lebensraum für bedrohte Tiefseehaie und hunderte wirbelloser
Tierarten regelrecht planiert.
Der letzte Versuch, ein generelles
Verbot dieser Technik ab 600 Metern
Tiefe zumindest in EU-Gewässern
und auf der Hohen See zu erwirken,
scheiterte am 10. Dezember 2013 am
Votum der EU-Parlamentarier mit
342 zu 326 Stimmen, drei Tage nach
diesem Referat. [6]
Fazit: In der Massierung aller mit der
Meereszerstörung einhergehenden
Probleme und angesichts des Umstands, daß sich viele davon gegenseitig bedingen oder einen Circulus
vitiosus darstellen, wurde auch deutlich, daß viele der vermeintlichen
Rettungsmaßnahmen des Klimas
oder der Meereschemie wieder nur
Seite 18
Fische in vielen Formen, Farben und Varianten auf dem Seziertisch der Wis­
senschaftler. Beifang und Kollateralschäden eines Schleppnetzeinsatzes zu
Forschungszwecken
Foto: NOAA's Fisheries Collection,
Credit by Personnel of NOAA Ship DELAWARE II
mit negativen Veränderungen für die
Meeresumwelt einhergehen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der
Bedürfnisse der Menschheit stellen
die Unterwasserwelten der Tiefsee
sowohl von den Förderern wie von
den Kritikern dieser Kultur eine Art
Luxuseinrichtung der Natur dar, auf
welche die vorherrschenden Interessen und Entscheidungsträger weltweit am ehesten verzichten, zumal
man sie nicht kennt. Das könnte eine fatale Entscheidung bedeuten, da
mit diesem Unwissen über die Region und ihre Ökosysteme bis hin zu
den Stoffwechselbereichen einzelner
Lebewesen
auch keine
Einschätzung
ihrer Rolle im
Gesamtgefüge
des Planeten
besteht.
Ressourcen oder dem Erbe der
Menschheit gesprochen und damit
wirtschaftlich gedacht. Zu bezweifeln ist aber, ob sich auf diese Weise
noch ein über den ökonomischen Ansatz hinausgehendes Konzept entwickeln läßt, das dem Leben in der
Tiefsee eine Chance gibt.
Eine Überfülle kleiner Furchenkreb­
se an einem Seeberg, die wie kleine
weiße Hände aussehen.
Viele Lebensbereiche sind so
unerforscht wie ihre Rolle im
Gesamtgefüge des Planeten.
Foto: 2006 by NOAA
Statt aber diese Fragestellung weiter zu
entwickeln,
wird bestenfalls vom Erhalt
oder
Schutz der
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Mi, 18. Dezember 2013
Elektronische Zeitung Schattenblick
Fußnoten:
[1] Eine umfangreiche Berichterstattung zur Tagung "Die Zukunft der
Meere - Umwelt und Entwicklung
auf See" im Konsul-Hackfeld-Haus
in Bremen am 7. Dezember 2013 zu
den Vorträgen und Interviews mit
Onno Groß, Kai Kaschinski, Christoph Spehr, Alexander Proelß, Michael Stadermann, Francisco Mari,
Jürgen Maier und Uwe Johannsen
finden Sie unter dem kategorischen
Titel "Zukunft der Meere":
Infopool → Umwelt → Report →
BERICHT und INTERVIEW
[2] Ebenfalls unter
Infopool → Umwelt → Report →
BERICHT und INTERVIEW
finden Sie unter dem kategorischen
Titel "Rohstoff maritim" zahlreiche
Beiträge zu dem Workshop "Seafloor
Mineral Resources: scientific, environmental, and societal issues" (Mineralische Ressourcen des Meeresbodens: wissenschaftliche, umweltbezogene und gesellschaftliche Fragen),
der vom 18. bis 20. März 2013 von
dem Kieler Exzellenzcluster "Ozean
der Zukunft" zusammen mit dem
GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für
Ozeanforschung ausgerichtet wurde.
BOULEVARD / TEST & SPASS / TAGESSPALT
Kurzweiliges für Mittwoch, den 18. Dezember 2013
Rückkunft
Vier Dinge sind es, die nicht zurück kommen:
das gesprochene Wort,
der abgeschossene Pfeil,
das vergangene Leben und
die versäumte Gelegenheit.
(unbekannter Verfasser)
Wohin sonst kehren sie zurück,
das gesprochene Wort,
der abgeschossene Pfeil,
das vergangene Leben und
die versäumte Gelegenheit,
als an den Beginn ihres Scheiterns,
um von seiner Wiederholung zu speisen?
HB
KINDERBLICK / GESCHICHTEN / ADVENT
[3]Quelle: Deepwave.org, Ozean in
Gefahr, Tiefsee
http://www.deepwave.org/de/ozeanin-gefahr/tiefsee.html
(abgerufen im März 2013, derzeit
nicht mehr im Netz)
[4] Siehe auch
http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula279.html
[5] Mehr darüber siehe auch:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0054.html
[6] http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/internat/uifs0091.html
http://www.schattenblick.de/
infopool/umwelt/report/
umrb0062.html
Mi, 18. Dezember 2013
Foto: © 2013 by Schattenblick
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SPORT / BOXEN / MELDUNG
Marcos Maidana bremst Adrien Broners Siegeszug
Argentinier entthront US­Star als WBA­Champion im Weltergewicht
Der Siegeszug des durch die Gewichtsklassen aufsteigenden Adrien
Broner hat vorerst ein Ende gefunden. Nach 27 gewonnenen Kämpfen
in Folge mußte sich der US-Star in
San Antonio dem Argentinier Marcos Maidana geschlagen geben, der
ihm den WBA-Titel im Weltergewicht abnahm. Nach einem turbulenten und verbissen ausgetragenem
Duell unterlag Broner am Ende klar
nach Punkten (115:110, 116:109,
117:109). Maidana, der bereits regulärer WBA-Champion im Halbweltergewicht war, verbesserte seine
Bilanz auf 35 Siege und drei Niederlagen.
Der Argentinier nahm von Beginn an
das Heft in die Hand und setzte seinen Gegner unter Druck, der sich nur
durch häufiges Klammern zu helfen
wußte. Bereits in der zweiten Runde
mußte Broner nach einem linken Haken erstmals in seiner Karriere zu
Boden gehen. Kaum war er wieder
auf die Beine gekommen, als Maida-
na auch schon energisch nachsetzte
und beinahe einen Abbruch erzwungen hätte. Nach diesem katastrophalen Auftakt fand der Amerikaner allmählich besser in den Kampf und
konnte im dritten Durchgang zumindest einige Konter plazieren, wobei
Maidana nach wie vor das Geschehen im Ring dominierte.
Gegen Mitte des Kampfs setzte sich
Broner endlich besser in Szene, was
den Argentinier jedoch nicht daran
hinderte, gefährliche Einzeltreffer
ins Ziel zu bringen. Als der Amerikaner schließlich die Oberhand zu
gewinnen schien, fing er sich in der
achten Runde erneut zwei linke Haken ein, die ihn auf die Bretter
schickten. Als Maidana nachsetzen
wollte, umklammerte ihn sein Gegner, worauf ihn der Argentinier mit
dem Kopf wegstieß. Der Ringrichter
quittierte dies mit einem Punktabzug, was Broner jedoch nicht davor
bewahrte, im neunten Durchgang
wiederum in Bedrängnis zu geraten.
Da der Amerikaner in der Folge nicht
genug unternahm, um das Blatt womöglich noch zu wenden, schien
Maidana einem sicheren Sieg entgegenzustreben. Kurz vor Ende der elften Runde kam Broner mit einem
Wirkungstreffer zum Zuge, von dem
sich der Argentinier zu Beginn des
letzten Durchgangs offenbar noch
nicht erholt hatte. Nun setzte der
Amerikaner entschieden nach, doch
mußte er dabei auch mehrere gefährliche Haken einstecken, so daß am
letztendlichen Erfolg Maidanas nicht
zu rütteln war.
Im anschließenden Interview mit
dem Sender Showtime sprach Marcos Maidana von einem großartigen
Kampf, da er es noch nie mit einem
solchen Gegner zu tun gehabt habe.
Wie der Argentinier bestätigte, sei er
in der elften Runde etwas angeschlagen gewesen. Er habe keine Probleme mit einer Revanche, da ein echter Champion überall auf der Welt
kämpfe. [1]
Ist Amir Mansour der Durchbruch gelungen?
Mit dem ehemaligen Basketballspieler Kelvin Price bekam der US-amerikanische Schwergewichtler Amir
Mansour einen Gegner vor die Fäuste, der ihn um Haupteslänge überragte. Zudem hatte sich Price im
Kampf gegen Deontay Wilder einen
Namen gemacht, dem er nach einem
guten Auftakt in der dritten Runde
unterlag. Der 41 Jahre alte Mansour,
der einen erheblichen Teil seines Lebens im Gefängnis verbracht hat,
brauchte zwei Runden, um sich auf
den Riesen einzustellen. Im dritten
Durchgang kam der Rechtsausleger
aus Delaware dann mit mehreren
schweren Treffern durch und gewann
sichtlich die Oberhand.
Seite 20
In der vierten Runde mußte Price
einen linken Volltreffer verdauen,
der wohl die meisten Gegner auf die
Bretter geschickt hätte. Klammernd
rettete sich der 38jährige in die Pause, doch wurde er im nächsten
Durchgang nach einer weiteren Linken zum ersten Mal angezählt. Wieder rettete ihn der Gong, und da sich
Mansour etwas verausgabt hatte,
kam Price mit einigen Treffern zum
Zuge. Mehr als ein Strohfeuer war
das aber nicht, denn in der siebten
Runde landete Mansour einen spektakulären rechten Haken, der seinen
Gegner aus dem Ring beförderte.
Price schaffte es zwar noch in Pause,
wurde dann aber zu seiner eigenen
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Sicherheit aus dem Kampf genommen.
Damit blieb Amir Mansour auch in
seinem 20. Profikampf ungeschlagen, während Kelvin Price nun vierzehn Auftritte gewonnen und zwei
verloren hat. Da Mansours Sieg
durch technischen K.o. auf dem Sender NBC Sports zu sehen war, könnte ihm dieser Erfolg den erhofften
Durchbruch bescheren. Wie er im
nachfolgenden Interview berichtete,
habe er anfangs Probleme mit dem
riesigen Gegner gehabt. Er beherrsche jedoch viele Stile und greife bei
Bedarf auf seine Erfahrung im Straßenkampf zurück. Wie er dies zuvor
Mi, 18. Dezember 2013
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UNTERHALTUNG / PERRY RHODAN / ERSTAUFLAGE
Inhaltliche Zusammenfassung von Perry Rhodan Nr. 2730
Das Venus-Team
von Oliver Fröhlich
2. Januar 1515 NGZ, Terrania. In das
Haus 746 Upper West Garnaru Road,
Perry Rhodans ehemaligem Wohnsitz, zieht nun vorübergehend seine
Enkelin Farye Sepheroa ein. Es ist
ein Haus mit bizarren Eigenheiten:
Es gibt eine Nische, die zu wandern
pflegt, und eine bestimmte Stelle an
der Treppe zum Obergeschoß, die alle Roboter meiden. Das schwarzweiße Fliesenmuster im Badezimmer verändert sich Tag für Tag ein
wenig und an einer Zimmerdecke
befinden sich hochkomplexe Zeichen, die man nur mit einer UV-Brille erkennen kann.
Farye Sepheroa bekommt Besuch
von Gucky, der sie kennen lernen
will. Die beiden freunden sich miteinander an und erkunden gemein-
Fortsetzung von Seite 20:
angekündigt habe, könne ihn auch
ein Gegner wie Kelvin Price nicht
besiegen, sofern er keine Waffe in
den Ring mitbringe. [2]
Fußnoten:
[1] http://www.boxen.de/news/maidana-besiegt-broner-und-holt-wbatitel-im-weltergewicht-30573
sam das Haus, können aber auch
nicht klären, was hinter seinen Besonderheiten steckt. Plötzlich tauchen auch noch Ameisen an der Außenwand auf, die gezielte Wege gehen. Wie auch an unzähligen anderen Gebäuden in Terrania hinterlassen diese - wie sich später herausstellt - genmanipulierten Ameisen
leuchtende Ausscheidungen, die den
Schriftzug bilden: "Technik ist Erlösung". Die Schriftzüge sind überall
in Terrania so plaziert, daß man sie
von jedem beliebigen Punkt aus sehen kann. Später taucht auch noch
der Spruch "Erste techno-mahdische
Losung" auf, was auf den seit Monaten in Terrania agierenden sogenannten Techno-Mahdi hinweist, der seine Anhänger um sich schart und den
man bisher für einen Verrückten gehalten hat.
geblichen Linguiden, der um die
Verlängerung der Quarantäne nachsuchte, zeigen, daß sich sein Aussehen seit dem letzten Gespräch vor
Monaten nicht im geringsten verändert hat. Man geht daher davon aus,
daß die Bordpositronik die Gestalt
des Linguiden, bei dem es sich in
Wirklichkeit um den Jaj Vlyoth handelt, nachgebildet hat, um zu vertuschen, daß der Eigner des Schiffes
schon seit Monaten aus dem Schiff
verschwunden ist. Ein Einsatzteam
des TLD macht sich nun daran, das
Schiff zu kapern. Der Liga-Dienst
erhofft sich davon, Informationen
über die Technik der Jaj, über die
Onryonen und das Atopische Tribunal zu erlangen und vielleicht auch
herauszufinden, wohin Perry Rhodan und Bostich gebracht worden
sind.
Gucky und Farye erkunden die Techno-Mahdi-Szene und finden heraus,
daß die Bewegung die These vertritt,
daß die Menschheit durch Technik
von den Lasten des Lebens befreit
werden soll und so zu einem neuen
Leben finden kann - einem Leben,
das frei von den Manipulationen der
Superintelligenzen und ihrer Agenten ist, zu denen man Perry Rhodan
und Bostich zählt. Niemand weiß,
wer der Techno-Mahdi wirklich ist.
Und nachdem monatelang keine
weitere Botschaft erschienen ist, erleben Gucky und Farye ein gewaltiges Gewitter, dessen Blitze den
Schriftzug "Wissen ist Heil" bilden.
Um in das Schiff eindringen zu können, muß die Bordpositronik ausgetrickst werden. Der Geheimdienstchef Attilar Leccore, der auch ein
Gestaltwandler ist, nimmt das Aussehen des Linguiden an, der vor Monaten hier gelandet ist, und läßt sich
von TLD-Agenten Richtung Schiff
jagen. Er simuliert, daß er sich in einer ausweglosen Situation befindet,
kurz davor, erschossen zu werden.
Die Positronik WISTER, die der
Programmierung gemäß niemanden
hereinläßt, bevor sie sich nicht 100prozentig von dessen Identität überzeugt hat, zögert endlos lange, den
angeblichen Vlyoth hereinzulassen.
Erst als dieser zeigt, daß er Wandlerfähigkeiten besitzt, zieht WISTER
den Verletzten mit einem Traktorstrahl hinein. Dem weiteren Plan zufolge werden die verfolgenden
Agenten paralysiert und ebenfalls an
Bord geholt, um als Geiseln den Start
[2] http://www.boxen.de/news/mansour-feiert-wichtigen-sieg-auf-nbcgegen-price-30577
Auf der Venus ist man in der Zwischenzeit auf einen linguidischen
Gleiter aufmerksam geworden, der
http://www.schattenblick.de/
dort seit Monaten im Quarantänebeinfopool/sport/boxen/
reich eines Klinikums parkt. Aufsbxm1278.html
zeichnungen der Gespräche des anMi, 18. Dezember 2013
www.schattenblick.de
Seite 21
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des Raumschiffs zu erzwingen. Benner, der Swoon des Teams, der sich
im Tornister eines der Agenten aufhält, kann mit Hilfe seiner mikrotechnischen Ausrüstung, die nur mit
Minimalenergie arbeitet und eine exzellente Abschirmung besitzt, das
ganze Schiff scannen und einen Aufrißplan des gesamten Raumers erstellen.
als erwartet, weil sie von einem dreifachen Sicherungssystem umschlossen sind, das nur sehr schwer zu
knacken ist. Und wenn man den dritten Sicherungsring überwunden hat,
tritt automatisch die Selbstzerstörung ein. So lassen sich nur minimale Erkenntnisse aus der Beute ziehen.
Doch darunter sind immerhin die
Koordinaten von drei Gefängnisplaneten der Onryonen.
Sephora, Icho Tolot und seinem Begleiter Avan Tacrol an Bord macht
sich auf den Weg zu den onryonischen Gefängnisplaneten, in der
Hoffnung Perry Rhodan und Bostich
zu finden. Dabei kommt ihnen der
Umstand zugute, daß alle drei Planeten Dunkelplaneten sind, und Viccor
Bughassidow mit der KRUSENSTERN solche Planeten offiziell erforscht.
Als Vlyoth von der Venusverwaltung, wo ebenfalls ein TLD-Agent 21. Dezember 1515 NGZ - Die http://www.schattenblick.de/info­
plaziert wurde, der Start verweigert KRUSENSTERN mit Gucky, Farye pool/unterhlt/perry/pr2730.html
wird, 'exekutiert' er den Oxtorner Tacitus Drake mit der Energieladung,
die für einen Terraner tödlich wäre,
KINDERBLICK / GESCHICHTEN / ADVENT
wie er sich von WISTER bescheinigen läßt, der offensichtlich nicht zwischen Oxtornern und Terranern unterscheiden kann. Tacitus Drake beißt
auf eine Kapsel, die er im Mund trug
und die ein Medikament freisetzt, das
seinen Kreislauf lahmlegt, so daß
man ihn für tot halten kann. Das angeblich brutale Vorgehen Vlyoths
soll jeglichen Zweifel der Positronik
entkräften. Doch so einfach ist es
nicht, das Schiff zu überlisten. Es ist
so gut gesichert, daß Benner sich
nicht in die Positronik einhacken
kann. Außerdem kommen die Gefangenen nicht an ihre Waffen heran.
Mit einem umfunktionierten Roboterarm befreit der wieder zum Leben
erwachte Oxtorner seine Kameraden.
In dem daraufhin entstehenden Tumult feuert der angebliche Vlyoth auf
einen der TLD-Agenten, der sich
rechtzeitig fallen läßt, so daß die
Schüsse nicht ihn, sondern die Positronik treffen, die dadurch so stark
beschädigt wird, daß sie ausfällt, was
zur Folge hat, daß alle Roboter, die
Jagd auf die Agenten gemacht haben,
den Beschuß unvermittelt einstellen.
Allerdings kann WISTER vor seinem
endgültigen Ausfall noch die Selbstzerstörung einleiten. Soldaten stürmen das Schiff, um die von Benner
gekennzeichneten wertvollen Teile
zu retten, bevor das Schiff explodiert.
Die Untersuchung dieser Teile gestaltet sich wesentlich schwieriger
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Elektronische Zeitung Schattenblick
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______I n h a l t________________________________Ausgabe 950 / Mittwoch, den 18. Dezember 2013______
POLITIK - REPORT
Herrschaft in der Krise - Populismus, Funktion und Konsequenzen
POLITIK - REPORT
Herrschaft in der Krise - Kurden, Menschen, Repression, Wolfgang Struwe im Gespräch
SCHACH-SPHINX
Unverändert halsstarrig
UMWELT - REPORT
Zukunft der Meere - Tiefsee in Not
TAGESSPALT
Kurzweiliges für den 18.12.2013 - Rückkunft
KINDERBLICK GESCHICHTEN Adventskalender - Türchen für den 18. Dezember 2013
SPORT - BOXEN
Marcos Maidana bremst Adrien Broners Siegeszug
SPORT - BOXEN
Ist Amir Mansour der Durchbruch gelungen?
PERRY-RHODAN
Inhaltliche Zusammenfassung von Nr. 2730
KINDERBLICK GESCHICHTEN Adventskalender - Türchen für den 18. Dezember 2013
VERANSTALTUNGEN
Ausstellung Axel Guhse ab 1. Januar 2014
DIENSTE - WETTER
Und morgen, den 18. Dezember 2013
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Und morgen, den 18. Dezember 2013
+++ Vorhersage für den 18.12.2013 bis zum 19.12.2013 +++
Wenn ich so das Wetter peile,
ist 's mit Wolken, Nieselsprüh
ein Beispiel für Langeweile,
deshalb schläft Jean-Luc auch früh.
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Mi, 18. Dezember 2013
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