Drüsen Kleine Organe mit großer Wirkung Autor: Dr. med. Günter Gerhardt 09.03.2006Haben Sie sich schon einmal überlegt, was unsere Organe eigentlich steuert? Und wie sie sich untereinander verständigen, sodass sie nicht gegeneinander arbeiten, sondern sich ergänzen? Ein großes Steuersystem im Körper kennen wir bereits: Es sind die Nerven. Das andere Steuersystem sind die Hormone. Dies sind Botenstoffe und steuernde Substanzen, die von Drüsen abgesondert werden. Nerven und Hormone wirken beide auf die Organe des Körpers ein. Alle körperlichen und seelischen Reaktionen unseres Körpers werden auf diese Weise gesteuert. Dabei haben die Nerven die Aufgabe, schnelle Befehle weiterzugeben. Nach einiger Zeit übernehmen die Drüsen das Kommando, denn sie brauchen länger, bis sie die richtigen Hormone gebildet haben, können aber mit wenig Aufwand die Regulation verlässlich durchführen. Meist gibt es zu jedem Hormon, welches eine Organfunktion anfeuert, auch einen Gegenspieler, der sie wieder drosselt. Wie viele Hormone im Körper produziert werden, ist übrigens nicht bekannt. Die meisten Mediziner schätzen 4.000 bis 6.000 Hormone. Davon sind etwa 400 bekannt und etwa 50 erforscht.Weil das Nerven- und das Drüsensystem also Hand in Hand arbeiten, gibt es eine gemeinsame oberste Steuerzentrale, in der Informationen von den übrigen Regionen des Gehirns zusammenlaufen. Dies ist der Hypothalamus, eine fünfcentgroße Struktur, die mitten im Gehirn (hypo = unter; liegt unter dem Thalamus) eingebettet ist. Dieser Hypothalamus ist etwas ganz besonderes, denn er ist eine Drüse und ein Nervenknotenpunkt in einem. Als Nervenknotenpunkt ist er mit anderen Nervenzentren im Gehirn verschaltet, und nimmt auch Einfluss auf das unbewusste (autonome) Nervensystem. Als Drüse produziert er Hormone, die er teilweise direkt an ihr Ziel schickt, so produziert er das Zärtlichkeitshormon Oxytocin und ein Regulationshormon für die Niere. Die meisten hormonellen Befehle aber sendet der Hypothalamus an die Hirnanhangdrüse (Hypophyse).Die Hirnanhangdrüse gilt als das eigentliche Steuerzentrum für das Hormonsystem. Sie produziert Hormone, die durch die Arbeit anderer Hormondrüsen im ganzen Körper gesteuert werden. Außerdem produziert sie das Wachstumshormon, das beim Kind das Wachstum des Körpers und der inneren Organe steuert.Die wichtigsten Drüsen, die durch die Hirnanhangdrüse gesteuert werden, sind die Schilddrüse, die Nebenschilddrüsen, die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse, die Nebennieren, die Hoden bei Männern und die Eierstöcke bei Frauen. Für jedes dieser Drüsen hat die Hirnanhangdrüse ein eigenes Steuerhormon.Die Schilddrüse liegt als schmetterlingsförmiges Organ unmittelbar vor und beiderseits neben der Luftröhre, dicht unterhalb des Kehlkopfes. Ihre Aufgabe ist es, den Organismus mit den Hormonen Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) zu versorgen, welches sich auf den Stoffwechsel auswirkt.Die Nebenschilddrüsen produzieren das Parathormon. Dies steuert die Knochenbildung und die Ausscheidung von Kalzium und Phosphor.Die Nebennieren sitzen wie Kappen auf den Nieren. In ihnen werden immerhin etwa 50 verschiedene Hormone gebildet, beispielsweise Cortisol, das unter dem Namen Cortison auch als Medikament verabreicht wird. Es wirkt entzündungshemmend und für die Bereitstellung von Körperenergie in Form von Zucker. Auch das Stresshormon Adrenalin und sein Gegenspieler das Noradrenalin werden hier gebildet. Adrenalin beschleunigt den Herzschlag, die Atemfrequenz und erhöht den Blutdruck. Die Nebenniere schüttet außerdem das DHEA aus. Es sorgt für die Verbrennung von Körperfett, wir brauchen es für ein gutes Funktionieren von Herz und Kreislauf, für das Immunsystem und für ein gutes Gedächtnis. Die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse produzieren Insulin, welches den Blutzuckerspiegel senkt. Insulin beeinflusst auch die Verwertung (Metabolismus) von Zucker, Eiweiß und Fett im ganzen Körper.Die Hoden bilden Testosteron, das die Entwicklung der männlichen Geschlechtsmerkmale und die Fortpflanzungsfähigkeit steuert.Die Eierstöcke bilden Östrogen, das die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsmerkmale und die Fortpflanzungsfähigkeit steuert. Sie bilden außerdem Progesteron, welche die Gebärmutterschleimhaut auf das Einnisten einer befruchteten Eizelle und die Milchdrüsen auf die Milchbildung vorbereitet.Die Zirbeldrüse, die auch im Gehirn sitzt, steuert den Tag-Nacht-Rhythmus. Sie produziert Serotonin und Melatonin. Serotonin ist das "Glückshormon", bei Mangel kann es zu depressiven Verstimmungen kommen. Das "Schlafhormon" Melatonin ist sein Gegenspieler.Übrigens: Der Ausdruck Drüse hat sich auch für andere Körperteile eingebürgert, welche nicht zum Hormonsystem gehören. So gibt es Schweißdrüsen, Schleimdrüsen und die weiblichen Brustdrüsen, welche zwar auch Flüssigkeiten produzieren, aber keine Hormone.Nebennieren: Hier wird das "Kortison" produziertÜber den negativen Nebenwirkungen von Kortison bei hoher Dosierung und langer Anwendung wird ganz vergessen, dass ein direkter sehr naher Verwandter des Kortisons, nämlich das Cortisol, ein natürliches und sehr nützliches Hormon ist. Cortisol wird in der Nebennierenrinde (Rinde = Cortex, so entstand der Name Cortisol) aus Cholesterin gebildet. Zum einen wirkt es antientzündlich. Zum anderen ist es ein Gegenspieler des Insulin, es fördert die Glukoseneubildung durch den Abbau von Eiweiß. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel steigt. Das ist aber gut, denn so bekommen die Muskelzellen wieder reichlich "Rohstoff" für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt.Am diesem Beispiel können wir die gut funktionierenden Regelkreisläufe im Körper beobachten. Sinkt der Cortisol-Spiegel im Blut, wird dies im Hypothalamus gemessen und über einen Botenstoff an die Hirnanhangsdrüse gemeldet. Dieser schüttet einen anderen Botenstoff aus, der die Cortisol-Bildung und -Auschüttung in Gang setzt. Das geschieht innerhalb weniger Minuten. Sobald der normale Cortisol-Spiegel erreicht ist, kommt das System zur Ruhe.Krankheiten der DrüsenAkromegalie:Durch eine Geschwulst in der Hirnanhangdrüse wird vermehrt Wachstumshormon gebildet, welches die Körperspitzen wie Finger, Füße, Kinn oder Kiefer zu vermehrtem Wachstum anregt.Galaktorrhö:Die Bildung von Milch in der Brust bei Männern und Frauen, die kein Kind stillen. Ursache oft: Ein Prolaktin produzierender Tumor in der Hirnanhangdrüse.Schilddrüsenfehlfunktion: Die Schilddrüse produziert zuviel oder zuwenig Schilddrüsenhormone. Dadurch wird man entweder überaktiv oder unkonzentriert und schlaff. Die Ursache kann in der Schilddrüse selbst liegen oder in einer überaktiven Hirnanhangdrüse.Addison-Krankheit: Das eigene Immunsystem schädigt die Nebennieren, die daraufhin zuwenig Cortisol und DHEA produzieren.Cushing-Syndrom: Durch eine Überfunktion der Nebennieren oder durch eine zu starke Anregung der Hirnanhangdrüse ist der Cortisolspiegel erhöht. Anzeichen: Vollmondgesicht, schwache Muskeln, dünne Haut.Diabetes mellitus: Süßes Blut mit zuckerverklebten Blutkörperchen, teilweise aufgrund einer mangelhaft Insulin ausschüttenden Bauchspeicheldrüse. Schwere Folgeschäden an allen Organen.