Hypophysenadenome und andere Tumore der Sellaregion

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Hypophysenadenome und andere Tumore der Sellaregion
Übersicht
In zentralen Regionen des Gehirns wie im Hypothalamus (Diencephalon) und in der
Hirnanhangdrüse (Hypophyse) liegen die Schnittstellen zwischen Nervensystem und den
hormonellen Regelmechanismen des Körpers. Hypothalamus und Hypophyse stellen eine
funktionelle Einheit dar. Hier werden wesentliche Körperfunktionen gesteuert, wie z. B.
Nahrungsaufnahme, Stoffwechsel, Fortpflanzung, Stillen, Wachstum, Wasser- und
Salzhaushalt, die Funktion der Schilddrüse und der Nebennieren.
Die Hirnanhangdrüse liegt gut geschützt in der Sella turcica der knöchernen Schädelbasis
und ist über den Hypophysenstiel direkt mit dem Hypothalamus verbunden. Im
Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) befinden sich hochspezialisierte Zellen, die
Hormone zur gezielten Steuerung des Wachstums und Stoffwechsels (Wachstumshormon,
GH), der Keimdrüsen (luteinisierendes und follikelstimulierendes Hormon, LH und FSH), des
Stillens (Prolaktin), der Schilddrüse (thyreotropes Hormon, TSH) und der Nebennieren
(adrenocorticotropes Hormon, ACTH) an die Blutbahn abgeben. Aus dem
Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse) werden das antidiuretische Hormon (ADH) zur
Regulation des Wasserhaushaltes und das Oxytocin, das für die Geburtseinleitung und den
Milcheinschuss verantwortlich ist, freigesetzt.
Klinische Symptomen und Diagnostik
Erkrankungen dieser hormonellen Steuerungszentren werden häufig erst nach Jahren
erkannt. Folgende Beschwerden können ein Hinweis sein:
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Leistungsabfall und vermehrte Müdigkeit
Übelkeit und Erbrechen
zunehmende und häufige Kopfschmerzen
Sehstörungen (z. B. Gesichtsfeldausfälle)
Sekretfluss aus der Brust (Galaktorrhö)
Libido-, Potenz-, Fortpflanzungsstörungen
Brustentwicklung beim Mann
Verlust der Geschlechtsbehaarung
Störungen der Pubertätsentwicklung
Zunahme der Ring- oder Schuhgröße
starkes Schwitzen
Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus)
Blutdruckschwankungen
unerklärte Gewichtszunahme
vermehrter Durst
Schilddrüsenunter-/ Überfunktion
Die Diagnostik umfasst die genaue Erhebung der Krankengeschichte, eine eingehende
körperliche Untersuchung und die Bestimmung von Hormonen und Stoffwechselwerten im
Blut. Zum Nachweis einer vermehrten Hormonproduktion durch hormonproduzierende
Hypophysenadenome (z. B. bei Morbus Cushing oder bei Akromegalie; siehe auch
Abbildung) oder zur Diagnostik geschädigter Funktionen der Hirnanhangdrüse sind häufig
zusätzliche endokrine Funktionstests (Neuroendokrinologie) erforderlich.
Patientin mit den typischen Veränderungen bei der Akromegalie: Vergrößerung der
Körperendglieder oder vorspringenden Teile des Körpers (Akren). Hierzu zählen neben Händen
und Füßen im Gesichtsbereich Kinn und Unterkiefer, Ohren und Nase.
Diese Untersuchungen erfolgen zumeist ambulant, hier ist die interdisziplinäre
Zusammenarbeit, z.B. mit den Hormonspezialisten der Inneren Medizin oder Gynäkologie
(Endokrinologen), sehr wichtig. Zum Nachweis einer Raumforderung/Tumors im Bereich der
Hirnanhangdrüse oder des Hypothalamus ist eine bildgebende Diagnostik, heute in der
Regel eine Kernspintomographie, erforderlich.
Intra-, supra- und parasellär rechts gelegenes Hypophysenadenom (Kernspintomographie)
Da große Tumore bis an die Sehnervenkreuzung, die oberhalb der Hirnanhangdrüse liegt,
heranreichen und die Funktion der Sehnerven beeinträchtigen können, ist in vielen Fällen
eine augenärztliche Prüfung des Gesichtsfeldes erforderlich.
Therapie
Die Behandlung sellärer Prozesse wie den Hypophysentumoren orientiert sich an den Bildgebenden Befunden, insbesondere der Tumorausdehnung in die Nachbarregionen und auch
an individuellen Faktoren bei den betroffenen Patienten (z.B. Begleiterkrankungen). Bei
Patienten mit einem Prolaktin-sezernierenden Hypophysentumor steht die medikamentöse
Therapie im Vordergrund.
Bei allen anderen Tumoren der Hirnanhangdrüse stellt die Operation die Therapie der ersten
Wahl dar. Fast alle Hypophysentumore können wenig belastend und Gewebe-schonend für
den Patienten auf dem Zugangsweg über die Nase (sogenannter Transsphenoidaler oder –
nasaler Zugang) operativ behandelt werden.
Erste Transsphenoidale Operation eines Hypophysentumors 1909 durch Harvey Cushing
Durch den Einsatz moderner Computer-assistierter Operationstechniken, die hier in der
Neurochirurgie Nürnberg bei allen Hirn- und Rückenmarkstumoren zum Einsatz kommen,
können sowohl die Operationswege exakt geplant werden, um nicht betroffene
Gewebestrukturen im Zugangsbereich möglichst unbehelligt zu lassen, wie auch durch die
Einspiegelung der Tumorkonturen in das Operationsmikroskop die Tumorresektion optimiert
werden kann. Insbesondere bei den kleinen Hypophysentumoren (Mikroadenome) sind die
Neuronavigationsverfahren (siehe Abbildung) heute unverzichtbar geworden und haben –
zusammen mit Endoskopisch-assistierten mikrochirurgischen Eingriffen - die früher
verwandte Röntgendurchleuchtung zur intraoperativen Lokalisationskontrolle abgelöst.
Intraoperative Neuronavigation bei einem intra- / suprasellären Hypophysenadenom. Der
Schnittpunkt des Fadenkreuzes entspricht dem Fokuspunkt des Operationsmikroskopes.
In einem klinischen Forschungsprojekt arbeiten wir in der hiesigen Neurochirurgie an der
Entwicklung einer Miniatur-Ultraschall-Sonde, mit der eine intraoperative Resektionskontrolle
möglich wird und die eine technisch komplizierte und Zeit-aufwendige intraoperative
Kernspintomographie zur Operationsüberprüfung vermeiden hilft. Transkranielle Eingriffe, die
über eine typische Schädeleröffnung wie bei allen anderen Hirntumoren erfolgen, nehmen in
der Hypophysenchirurgie eine kleinere Rolle ein und bleiben besonderen Tumoren, wie den
Kraniopharyngeomen, oder individuellen Faktoren beim betroffenen Patienten vorbehalten.
Insbesondere bei Hormon-produzierenden Hypophysenadenomen ist eine postoperative
Überwachung des Patienten auf einer neuroendokrinologisch versierten Intensiv- oder
Intermediate-Care-Station für einige Tage sinnvoll oder essentiell (z. B. bei zentralem
Morbus Cushing).
Nachsorge und Weiterbehandlung
Bei Tumoren, die operativ nicht komplett entfernt werden konnten, ist eine Bestrahlung
möglich, oder bei besonderen hormonellen Situationen oder Hormonüberproduktionen auch
eine medikamentöse Behandlung mit Blockierung des Wachstumshormons oder des
Adrenocorticotropen Hormons (ACTH). Ausfälle von Funktionen der Hirnanhangdrüse
(Hypophyseninsuffizienz) werden durch den Ersatz der ausgefallenen Hormone behandelt.
Alle Patienten mit einer Erkrankung der Hirnanhangsdrüse müssen regelmäßig untersucht
und innerhalb eines Spezialistenteams betreut werden. Nur so ist gewährleistet, dass diese
Patienten ein weitestgehend normales Leben ohne Einschränkung der Lebenserwartung
führen können. Die Diagnostik und Behandlung dieser Erkrankungen kann nur in enger
interdisziplinärer Abstimmung zwischen Endokrinologen (Internisten), Neurochirurgen,
Strahlentherapeuten, Augenärzten und anderen Fachgebieten erfolgen. Im Klinikum
Nürnberg
werden
alle
Patienten
innerhalb
der
regelmäßig
stattfindenden
neuroonkologischen Konferenz vorgestellt und eingehend für die Abfassung eines fundierten
Behandlungsvorschlages diskutiert.
a
b
c
Resektionsergebnis nach transsphenoidaler Resektion eines Hypophysenadenoms (Pfeil =
Hypophyse/Hypophysenstiel).
a) präoperativ, b) 24 Stunden postoperativ, c) nach 2 Jahren
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