Großkonzerne oder: Wer regiert das Land? indonesien In die Zange genommen Überlegungen zur islamischen Kulturindustrie in Indonesien In diesem Artikel soll für Indonesien untersucht werden, was die Kritische Theorie in der Tradition Adornos und Horkheimers als Kulturindustrie bezeichnet. Obwohl viele Problematiken, auf welche die Kritische Theorie verwiesen hat, in Asien in besonders großem Maße zu beobachten sind, wurde diese Thematik noch kaum untersucht. Timo Duile & Christian Kleißle 50 Hier soll der Versuch unternommen werden, ein umgrenztes Thema dieses Bereiches, nämlich der Kulturindustrie unter islamischen Vorzeichen in Indonesien, in Grundzügen darzustellen. Der Islam war in der Orde Baru, der autoritären Herrschaft der »Neuen Ordnung« unter Suharto, zunächst entpolitisiert worden und lange Zeit als politischer Faktor marginalisiert. Ab Ende der 1980er Jahre setzte sich zunehmend eine gesellschaftliche Revitalisierung des politischen Islams um. Dabei hatte der Pembangunan-Kapitalismus1, also die zentralistisch durchgesetzte Entwicklungs- und Modernisierungsdiktatur der Regimekoalition um Suharto, selber den Grundstein der gesellschaftlichen Revitalisierung des Islams gelegt. Zunächst ging diese Revitalisierung ab Anfang der 1970er Jahre von einigen staatlichen islamischen Hochschulen aus. Viele Studenten – und auch einige Studentinnen – gingen für ein religiöses Studium in den Nahen Osten und waren nach ihrer Rückkehr motiviert, dem Islam eine größere Bedeutung im gesellschaftlichen Leben in Indonesien zukommen zu lassen. Diese Revitalisierung war oftmals auch eine Reaktion der Studentinnen und Studenten in den sich nun modernisierenden Städten. Diese fragten nach ihrer (islamischen) Identität in einer Umwelt, der sie sich im- Timo Duile studiert politische Wissenschaft. Zurzeit schreibt er seine Magisterarbeit zu »Kontinuität und Wandel der politischen Kultur im Transformationsprozess Indonesiens«. Christian Kleißle ist Diplom-Übersetzer für Arabisch, Persisch und Indonesisch und angehender Südostasienwissenschaftler. mer mehr entfremdeten, je moderner die Städte wurden. Ausgehend von den Universitäten setzten sich diese islamischen Revitalisierungsbewegungen dann in den 1980ern gesamtgesellschaftlich fort. Denn es waren nicht nur Studentinnen und Studenten, die in der westlich modernisierten Lebenswelt und in einer über sie herrschenden technokratischen Bürokratie nur in der Hinwendung zum Islam das identitätsstiftende Moment fanden. Dieses bot auch noch als jenseits von Nationalismus und Militarismus eine übergreifende gesellschaftliche Identität und eine kulturelle Heimat. Da eine islamische Betätigung in der Politik ab 1973 außerhalb der PPP (Partai Persatuan Pembangunan) nicht möglich war, konzentrierten sich zivile Organisationen wie die NU (Nahdlatul Ulama) und die Muhammadiyah auf einen cultural statt auf einen political Islam. Im Alltagsleben vieler Indonesier gewann der Islam so eine zunehmende Bedeutung. Das Modernisierungsregime hatte den Islam lange Zeit kaum beachten müssen. Die Machtbasis der Regimekoalition Suhartos war stark genug, um technische Entwicklung, Modernisierung und eine immer mehr auf kapitalistische Produktionsweisen eingestimmte und entpolitisierte Gesellschaft2 zu generieren. Mit zunehmendem Einfluss des Islams als gesellschaftlicher Faktor versuchte das Regime aber ab Ende der 1980er Jahre, einen relevanten Teil der islamischen Intellektuellen und der politischen islamischen Aktivisten zu kooptieren. So unterstützten und veranlassten höchste Stellen 1990 die Gründung der ICMI (Ikatan Cendekiawan Muslim Se-Indonesia, Verband islamischer Intellektueller Indonesiens). Es ist kein Zufall, dass gerade Jusuf Habibie Schirmherr dieser Organisation wurde und sie als Machtbasis benutze. Dem Technokraten war es immer darum gegangen, Indonesien wirtschaftlich und technisch zu modernisieren. südostasien 4 2010 Mit der ICMI sollte dieser Modernisierungskurs zu Zwecken der Machtlegitimation mit dem Islam verbunden werden. Es wird daher kaum verwundern, dass fast ein Drittel der Gründungsmitglieder dieses »islamischen Intellektuellenverbandes« Ingenieure waren.3 Ziel war es, gerade auch zusammen mit dem ICMI, ein islamisch-indonesisches Gegenmodell zur westlichen Moderne aufzubauen, dem zwar an technisch-ökonomischen Fortschritt, nicht aber an Demokratisierung, politisch mündigen und kritischen Bürgerinnen und Bürgern, sowie an Menschenrechten gelegen war. Gemäß Suhartos Vorstellungen von einer technokratischen Entwicklung sollte der Islam Legitimationskapital für seine Regimekoalition bereitstellen und ansonsten als entpolitisierter Islam kulturell das Idealbild eines gläubigen, nationalbewussten und produktiven Orde-Baru-Menschen4 verbreiten. Dieses Leitbild eines gläubigen und konsumierenden Staatsbürgers hätte die Regimekoalition wohl auch weiterhin pflegen können, wäre ihnen ab 1997 nicht die asiatische Wirtschaftskrise dazwischengekommen, die das Vertrauen in die Regierung und besonders in ihre wirtschaftlichen und moralischen Kompetenzen untergrub. So waren sich viele Indonesierinnen und Indonesier einig, was sie nicht mehr wollten: Suharto und dessen korrupte crownies. Kritik an der Neuen Ordnung war dabei oft islamisch motiviert. Sie beschränkte sich nicht nur auf einen kleinen Kreis politischer Aktivisten, sondern wurde gelegentlich auch durch Medien verbreitet, die größere Massen erreichten. den, Performances und Choreographien zu Entwickeln und aufzuführen. Dem gleichen Musikstil wie Rhoma Irama folgend, unterlegte die Sängerin Inul Daratista ihre Auftritte mit sexuell anzüglichen Tanzposen und kam in kurzer Zeit zu beträchtlichem Ruhm. Einige orthodoxe muslimische Organisationen (wie z.B. die MUI) störten sich an ihrer Performance. Diese, so die islamischen Kritiker, sei zu freizügig; und auch mit Rhoma Irama kam es zum Disput. An Inul zeige sich, so Iramas Vorwurf, die moralische Korruption und die Dekadenz des Westens, die nun Indonesien zu übernehmen drohe. Rhoma Irama und die malaiische Musikervereinigung Indonesiens (PAMMI) beschuldigten im April 2003 Inul und andere Sängerinnen und Sänger, die »Ehre des Dangduts« mit ihren Performances verletzt zu haben. Inul verstummte daraufhin für einige Zeit, trat noch einmal auf, um sich dann aber langsam ganz aus dem Gewerbe zurück zu ziehen.5 Islamisch geprägte Kultur, die sich an orthodoxen Werten orientierte, avancierte zum Teil von einer oppositionell-kritischen Instanz zum gesellschaftlichen mainstream, zu einer islamisch geprägten Kulturindustrie. Die Forderung nach einer islamgerechten Kulturindustrie, wie sie in den Statements Rhoma Iramas vom April 2003 zum Ausdruck kommt, ist dabei kein Einzelfall. Die Forderung dabei ist: »westliche« Kulturindustrie nein, »islamische« Kulturindustrie ja. Die islamische Kulturindustrie begreift die säkulare Kultur dabei – entsprechend den Regeln des Marktes – als Konkurrenten, die es gilt, mit Hilfe ihres moralischen Kapitals, das sie aus ihrer islamischen Ausrichtung zieht, aus dem Wettbewerb zu verdrängen. Islamisierung und Dangdut Der erste Popstar Indonesiens, der sich explizit, im Zuge der islamischen Revitalisierung, eine islamische Identität gab, war der Dangdut-Star Rhoma Irama. Dangdut ist eine Popmusik mit malaiischen, arabischen und indischen Einflüssen. In seinen Songtexten bezog er sich auf den Islam und kritisierte dabei die sozialen Missstände der späten Suharto-Diktatur. Dafür wurde er vom Regime geschmäht, erntete aber breite gesell- schaftliche Zustimmung und machte den Dangdut populär. Im Zuge der politischen Öffnung nach dem Sturz Suhartos wurde diese Form des künstlerischen Ausdrucks mainstream. Die Freiheiten der reformasi gaben den Künstlern einen größeren Raum ihre politischen Forderungen öffentlich zu thematisieren, aber auch ihre eigenen, nicht immer mit orthodoxen islamischen Moralvorstellungen in Einklang zu bringen- 4 2010 südostasien Islamische Magazine und Literatur Seit der Liberalisierung der Presselandschaft im Zuge der reformasi erlebt Indonesien einen Boom von islamischenn Magazinen, die sich meist an junge Frauen richten. Magazine wie Noor, Ummi oder Muslimah verbinden dabei Konsumkultur mit konservativen islamischen Vorstellungen. Die islamischen Magazine propagieren zwar ein frommes Leben und geben Ratschläge zu fast allen Lebensbereichen. Aber als konsumorientierte Jugendkultur verweisen sie auch auf modische, islamgerechte Kleidung, welche die jungen Muslime in den Städten überall erwerben können. Sie unterscheiden sich damit nur im Kleidungsstil und in ihrer zur Schau gestellten Frömmigkeit von ihren Altersgenossen im Westen, die es am Wochenende zum Einkaufbummel in die Kaufhäuser zieht. indonesien Großkonzerne oder: Wer regiert das Land? 51 indonesien Großkonzerne oder: Wer regiert das Land? 52 Vorgestellt wird in den islamischen Jugendmagazinen neue Mode, westliche Selbstverwirklichungsideologie, Tipps zur Karriere und zum alltäglichen Leben – alles schariakonform.6 Dieser scheinbare Widerspruch ist das Ergebnis der Revitalisierung des Islams in einer konsumistisch ausgerichteten Gesellschaft. Karrieredenken, auch für Frauen, mischt sich mit einem konservativen Frauenbild, das von jungen Muslimen ein frommes Leben verlangt, in dem aber Mode und Konsum durchaus ihren Platz haben. Diese islamischen Rollenund Lebensbilder werden nicht nur in den islamischen Zeitschriften verbreitet, sondern auch in der islamischen Pop-Literatur. Das islamische Autorennetzwerk FLP (Forum Lingkar Pena) hat nach eigenen Angaben bereits über 600 zum Teil sehr erfolgreiche Bücher herausgebracht. Die Botschaft darin ist fast immer identisch: Die frommen islamischen Jugendlichen tauchen als idealtypisch dargestellte Helden auf. Diese tugendhaften Vorbilder stehen im Gegensatz zu den ebenfalls in den Romanen auftauchenden westlichdekadenten Lebensstil pflegenden Jugendlichen. Bettina David spricht von einem eindimensionalen Bild, welches Jugendliche vor die Alternativen eines gottlosen, hedonistischen Lebens nach westlichem Vorbild und eines gottgefälliges Leben nach den Regeln des Islam stellt und ein stereotypes Bild vom Westen entwirft. Neu sind diese schematische Einteilung und die darin abgebildeten Stereotypen nicht. Bereits 1987 umriss der in Indonesien sehr erfolgreiche Film »Selamat tinggal Jeanette« diesen westlichen Stereotyp und präsentierte einen »indonesischen« Gegenentwurf.7 Islamischer Film in Indonesien Islamische Gruppen, die sich auf ein generelles islamisches Bilderverbot berufen und den Film als Medium der religiösen Erziehung ablehnen, sind eher selten. Die islamische Filmindustrie in Indonesien hat gerade in den letzten Jahren eine beachtliche Anzahl erfolgreicher Filme produziert, welche dem Kinobesucher eine sehr konservative islamische Moral und ein skriptualistisches Islamverständnis präsentieren. Dazu hat die islamische Netzwerkorganisation MAV-NET (Morality Audio Visual Network) ein entsprechendes Manifest herausgegeben, das Filmschaffende auffordert, Filme zu produzieren, die einer islamischen Moral entsprechen und islamisches Recht nicht verletzen. Filme wie Ayat Ayat Cinta oder Ketika Cinta Bertasbih sind Kassenschlager geworden, die nicht nur islamische Moral predigen. Sie bilden auch sonst all das ab, was Ador- no und Horkheimer in der »Dialektik der Aufklärung« über die Kulturindustrie geschrieben haben. Sie sind am Kommerz orientiert und befriedigen dabei die standardisierten Bedürfnisse, die sie selbst reproduzieren. Sie reproduzieren dabei in Indonesien konsumorientierte islamische gesellschaftliche Normen. Ob in TV-Sendungen, in der Musik, im Kino, in Magazinen, in der Literatur oder in der Kleidung: Die Akteure in der Massenkulturindustrie, die eine Islamisierung vorantreiben wollen, machen sich diese Konsumorientiertheit zu nutzen, um islamische Normen zu verbreiten. Gleichzeitig wird die Bezugnahme auf den Islam ein Geschäft, Religion wird kommerzialisiert und jeglicher spirituellen Tiefe beraubt. Demokratisch, um mit Adorno zu sprechen, machen diese Massenmedien alle gleichermaßen zu Hörern, Zuschauern, Lesern und Konsumenten, um sie dann autoritär ihren islamischen gesellschaftlichen Vorstellungen auszuliefern. Dabei stellen sie sich als moralische Alternative zum Westen dar, die aber gerade die »westliche« Kommerz- und Konsumkultur nutzen, um ihre Lebensweise zu propagieren. Auffällig dabei ist die oft sehr idealtypisch dargestellte Art des »richtigen« islamischen Lebens. Dabei werden Widersprüche und Konflikte, wie sie im Leben der meisten Muslime auch aufgrund ihrer vermeintlich moralischen Standards auftauchen, ausgeblendet. Wenn es demnach, wie gemäß der in verschiedenen Medien propagierten konservativen Interpretation des islamischen Rechts, in Ordnung ist, jemanden zu heiraten, den man vorher gar nicht kennen lernen durfte, werden sich daraus, so beispielsweise die Aussage der islamischen Filme und Romane, für den devoten Muslim keine Schwierigkeiten ergeben. Ebenso unnötig sei ein offener und aufgeklärter Umgang mit Sexualität. Stattdessen werden die konservative Pop-Version des Islams und dessen propagierte Lebensentwürfe zum Glücksversprechen. Dabei ist das gute Leben bei islamischer Lebensführung nicht erst im Jenseits zu erwarten. In der auf den Kapitalismus eingestimmten islamischen Kulturindustrie bilden das transzendentale und das auf Konsum gerichtete kapitalistische Glücksversprechen keine Gegensätze mehr. Islamische Kulturindustrie: Konsum und fundamentalistische Ideen Das am Ende der Neuen Ordnung propagierte idealtypische Menschenbild eines loyalen, frommen, produktiven und die Konsummöglichkeiten genießenden Muslim sind im demokratischen Indonesien den Leitbildern der islamischen Kulturindustrie gewichen. Schein- südostasien 4 2010 bar in Freiheit entstanden ist die islamische Kulturindustrie selbst aber nur wiederum Ausdruck ökonomischem Diktats. Der Islam ist dabei zugleich Mittel und Zweck: Als göttliches Prinzip ist er in den Augen der Konsumenten oberste Leitlinie des Handelns, welche durch islamische Kulturgüter als standardisierte Normen propagiert werden. Das diese industriell produziert werden und Trends unterworfen sind, dringt bei den meisten Konsumenten nicht ins Bewusstsein ein. Moralische Autorität wird im ökonomischen Prozess in moralisches Kapital umgemünzt. Der Islam wird damit zur Marke, die sich im Zuge der sich selbst reproduzierenden Islamisierung nur umso erfolgreicher verbreiten kann. Paradox erscheint dabei die Vermischung aus »westlichen«, kapitalistischen Prinzipien und islamischer Ausrichtung. Damit bildet die islamische Kulturindustrie in Südostasien einen Alternativentwurf zur säkularen Kulturindustrie des Westens und auch zu den fundamentalistischen religiösen Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens, welche den, mit der Kulturindustrie verbundenen, Konsum generell als unislamisch ablehnen. Was Adorno und Horkheimer über die Kulturindustrie geschrieben haben, gilt auch für deren islamische Variante. In der Kulturindustrie »ist es der Zirkel von Manipulation und rückwirkendem Bedürfnis, [welches] … die Einheit des Systems immer dichter zusammenschweißt.«8Das heißt, dass sich die islami- sche Kulturindustrie zwar aus dem Bedürfnis nach einer stärkeren Rolle des Islams entwickelt hat, diese Bedürfnisse nun aber selber reproduziert. Damit leistet sie, zum Selbstläufer geworden, einer Islamisierung der indonesischen Gesellschaft Vorschub. Wer gesellschaftlich dazugehören möchte, wer gaul (hier: »in«) sein möchte, muss sich der standardisierten islamischen Popkultur anpassen. Indem sich diese Form von Kulturindustrie auf das Religiöse beruft, versucht sie Kunstwerken das zu geben, was nach Walter Benjamin den technisch reproduzierten Kunstwerken eigentlich nicht mehr zukommt, nämlich eine Aura.9 Diese Aura, Bezug nehmend auf den angeblich religiösen Gehalt der industriell hergestellten Massenkulturgüter, ist gleichzeitig deren Mehrwert. Sie lässt die Konsumenten glauben, durch ihre passive Teilhabe an der islamischen Massenkultur an einer höheren Ordnung zu partizipieren und unterwirft sie gleichzeitig dem Diktat des Konsums. Die Aura, so Benjamin, verkümmere in den industriell hergestellten Kunstwerken deshalb, weil sie das Reproduzierte aus dem Bereich der Tradition ablöse. Die islamische Kulturindustrie schafft es deshalb, eine Pseudo-Aura herzustellen, weil sie gerade auf die 4 2010 südostasien islamische Tradition Bezug nimmt als einen Bezug zu einem Identifikationsmoment, der in der modernisierten Welt zu verschwinden droht. Der autoritäre Staat hat sich in Indonesien als untauglich für die Islamisierung erwiesen. Diese vollzieht sich nun unter anderem im Zusammenspiel mit den Massenmedien der dortigen Kulturindustrie und im ökonomischen Kontext der post-autoritären Gesellschaft, deren Autorität sich jedoch in der Präsentation eines spezifischen Islambildes in den Massenmedien zeigt. Scheinbar freiheitlich setzt sie in Wirklichkeit konservative islamische Vorstellungen gesellschaftlich um und versucht diese zum Maßstab in einer Gesellschaft zu machen, die sich in der kapitalistischen Modernisierung gerade nach solchen Maßstäben sehnt, aber nicht gewillt ist, den Konsumismus kritisch zu hinterfragen. Große Teile der indonesischen Gesellschaft werden von zwei scheinbar gegensätzlichen Phänomenen, die sich in der Kulturindustrie verbünden, nämlich von orthodox-konservativen islamischen Gesellschafts- und Verhaltensnormen und kapitalistischen Konsumideologien, welche die Bürger zu unkritischen passiven Empfängern der Massenmedien machen, in die Zange genommen. Unserer Meinung nach sind dies die zivile Demokratie bedrohende Elemente, die sich zum Nachteil der partizipatorischen, toleranten und demokratischen Errungenschaften der indonesischen Gesellschaft seit der reformasi auswirken. Anmerkungen/Literatur 1) Pembangunan-Kapitalismus (pembagunan = Entwicklung, eigentlich Aufbau) bezeichnet hier nicht nur die Wirtschaftsform im engeren Sinne, sondern auch die Fokussierung auf technische und wirtschaftliche Entwicklung ohne Partizipation der Zivilgesellschaft, wobei diese Modernisierung im technischen, ökonomischen und kulturellen Sinne zentralistisch verwaltet und gestützt auf Militär und Bürokratie durchsetzt wurde. 2) Die Architekten der »Neuen Ordnung« sprachen vom massa mengambang (floating mass)-Konzept. Die Bevölkerung wurde demnach durch die politische und bürokratische Elite verwaltet, da man sie als politisch unmündig ansah. 3) Vgl. Ufen, Andreas: Herrschaftsfiguration und Demokratisierung in Indonesien (1965-2000), Hamburg 2002, S. 264 ff. 4) Vgl.: Wandet, Ingo: Der Weg zum Pancasila-Menschen, bes. S. 101 ff., Frankfurt/Main 1989, S. 161 ff. 5) Zu diesem Fall siehe auch: Heryanto, Ariel: Pop Culture in Indonesia, New York 2008, S. 17-21 6) Siehe hierzu auch den Beitrag von David, Bettina: Trendbewusst und schariakonform, in: südostasien 2/2008, S. 48 ff. 7) Vgl. Heryanto, Ariel: Pop Culture in Indonesia, New York 2008, S. 11 ff. 8) Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt/Main 1971, S. 109 9) Vgl. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt/Main 2005, S. 13 indonesien Großkonzerne oder: Wer regiert das Land? 53