© Contrast Weichteiltumore 30 Krebszelle eines Sarkoms › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 DFP - Literaturstudium Obwohl sich mittlerweile spezielle Tumorzentren etabliert haben, gibt es bei der Diagnose von Weichteiltumoren nach wie vor enorme diagnostische Schwierigkeiten mit weitreichenden Konsequenzen. Bei der Anwendung eines Algorithmus für das Management von Weichteiltumoren ist eine deutliche Reduktion der inadäquat behandelten Fälle zu erwarten. Von Reinhard Windhager et al.* Einleitung – aktuelle Entwicklungen Das diagnostische Management und die Behandlung von Weichteiltumoren werden weltweit von unterschiedlichen Disziplinen wie Allgemeinchirurgie, plastische Chirurgie, Dermatologie, Pädiatrie, Kinderchirurgie sowie Orthopädie wahrgenommen. Die Schwierigkeit in der Diagnostik besteht darin, Weichteilsarkome, die etwa ein Prozent aller malignen Erkrankungen ausmachen, von den rund 100mal häufigeren benignen Weichteiltumoren zu differenzieren und primär einer adäquaten Behandlung zuzuführen. Die jährliche klinische Inzidenz für Weichteilsarkome wird mit 30 auf eine Million Menschen und die der benignen Weichteiltumore mit 3.000 auf eine Million Menschen angegeben. Während benigne Weichteiltumore durch eine marginale Excision adäquat behandelt werden, ist diese für Weichteilsarkome nicht ausreichend und zieht weitere Eingriffe nach sich. Die vorangegangene inadäquate Operation macht eine ausgedehntere Nachresektion unter Mitnahme von gesundem Gewebe notwendig und führt zu einem größeren Funktionsverlust. Durch diese Eingriffe erhöht sich die Anzahl der notwendigen plastischen Rekonstruktionen; in Einzelfällen ist durch die Voroperation ein extremitätenerhaltender Eingriff gar unmöglich und führt zur Amputation. › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 Wird nach einem inadäquaten Vorgehen keine adäquate Nachresektion durchgeführt, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem Lokalrezidiv zu rechnen, welches wiederum die Gesamtprognose durch die Gefahr der Systemisierung der Erkrankung signifikant verschlechtert. Trotz der Etablierung von speziellen Tumorzentren haben die angeführten diagnostischen Schwierigkeiten bis dato keine anhaltende Besserung gebracht. So zeigt sich am eigenen Patientengut, dass die Anzahl der auswärts inadäquat durchgeführten Operationen bei Weichteilsarkomen in den letzten Jahren sogar gestiegen ist. Da die Prognose bei Weichteilsarkomen von der Tumorgröße und dem histologischen Differenzierungsgrad abhängt, kommt der Frühdiagnostik eine wesentliche Bedeutung zu. Neben aktueller Diagnostik und standardisierten Behandlungsverfahren sollen im Folgenden Leitlinien für die Differenzierung von Weichteilsarkomen und benignen Weichteiltumoren vermittelt werden. Krankheitsbilder Gemäß der WHO-Klassifikation unterscheidet man lipomatöse, fibro- und myofibroblastäre, sogenannte fibrohistiozytäre, myoblastäre, vaskuläre, pericytäre und chondro- sowie osteoblastäre Tumoren und Tumoren unbekannter Differenzierung (Tab. 1 auf Seite 32).: 31 : Klassifikation der Weichteiltumore* 1. Tumore mit adipozytärer Differen- zierung Lipom atypischer lipomatöser Tumor hochdifferenziertes Liposarkom dedifferenziertes Liposarkom myxoides Liposarkom • • • • • 2. Tumore mit fiboblastischer / myo- fibroblastischer Differenzierung noduläre Fasziitis oberflächliche Fibromatose extra-abdominelle aggressive Fi bromatose (Desmoid-Tumor) Myxofibrosarkom • • • • 3. Fibrohistiozytische Tumore lokaler Riesenzelltumor der Seh nenscheiden diffuser Riesenzelltumor der Seh nenscheiden (pigmentierte villono duläre Synovitis) Dermatofibrosarkoma protuberans undifferenziertes pleomorphes Sarkom (MFH) • • • • 4. Tumore mit glattmuskulärer Diffe- renzierung Leiomyosarkom • 5. Tumore mit perizytärer (perivasku- lärer) Differenzierung 6. Tumore mit skelettmuskulärer Differenzierung Rhabdomyosarkom • 7. Vaskuläre Tumore Hämangiom • 8. Periphere Nervenscheidentumore Neurofibrom Schwannom • • 9. Tumore mit knorpelig/knöcherner Differenzierung 10.Tumore unsicherer Differenzierung Synovialsarkom • * nach der WHO Classification of Soft Tissue Tumors mit den häufigsten Vertretern jeder Gruppe Tab. 1 Von den benignen Tumoren fallen zumindest ein Drittel auf Lipome, ein weiteres Drittel auf fibrohistiozytäre und fibröse Läsionen, zehn Prozent auf 32/33 vaskuläre Tumore und fünf Prozent auf Nervenscheidentumore. 99 Prozent aller benignen Weichteiltumore sind oberflächlich gelegen und 95 Prozent haben eine Größe von weniger als fünf Zentimeter im Durchmesser. Drei Viertel aller Weichteilsarkome werden als hochmalign eingestuft (Grad 2 und 3 der dreistufigen beziehungsweise Grad 3 und 4 der vierstufigen Bewertungsskala). Ausnahmen von der altersspezifischen Inzidenz der Weichteilsarkome stellen das embryonale Rhabdomyosarkom, das ausschließlich im Kindesalter vorkommt, sowie das Synovialsarkom, das vorwiegend bei jungen Erwachsenen auftritt, dar. Weichteilsarkome sind zu 75 Prozent an den Extremitäten lokalisiert, während je zehn Prozent im Bereich des Rumpfes oder Retroperitoneums zu finden sind. Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Alter, das Durchschnittsalter bei Diagnose liegt bei 65 Jahren. Im Gegensatz zu Weichteiltumoren sind zwei Drittel aller Weichteilsarkome tief gelegen und haben einen durchschnittlichen Durchmesser von neun Zentimeter, nur ein Drittel liegt oberflächlich mit einem mittleren Durchmesser von fünf Zentimeter. Wichtigste Symptome Die Läsionen werden meist zufällig durch Palpation entdeckt und bereiten in der Regel keine Beschwerden, weswegen sie auch häufig für längere Zeit ignoriert werden. Sehr oft wird das Entdecken der Läsion aufgrund des individuellen Kausalitätsbedürfnisses mit einem Trauma oder Überlastung in Zusammenhang gebracht. Dies führt gelegentlich auch dazu, dass von ärztlicher Seite hochmaligne Sarkome mit Tumoreinblutung als posttraumatische Hämatome missgedeutet werden und im Falle einer chirurgischen Hämatomausräumung erheblichen Schaden durch weitere lokale Dissemination auslösen können. Die Größenprogredienz der Läsionen hängt vom histologischen Grading ab und schwankt zwischen langsam zunehmenden Wachstum bei benignen Tumoren aber auch vereinzelt Grad I Sarkomen bis hin zu extrem raschem Wachstum bei dedifferenzierten Formen. Für die Differenzierung kann noch herangezogen werden, dass Weichteilsarkome mit zunehmendem Alter häufiger werden und zwei Drittel dieser Veränderungen in den Extremitäten, vor allem an den Beinen vorkommen. Lipome sind indolent und von weicher Konsistenz, selten im Bereich der Hände, Füße und des Unterschenkels sowie bei Kindern anzutreffen. Im Gegensatz dazu sind multiple Lipome (Angiolipome) manchmal schmerzhaft und am häufigsten bei jungen Männern anzutreffen. Angioleiomyome sind ebenso häufig schmerzhaft und häufiger in der unteren Extremität bei Frauen mittleren Alters anzutreffen. Weichteiltumoren von wechselnder Konsistenz und Größe deuten auf eine vaskuläre Läsion hin. 50 Prozent der vaskulären Tumore werden vor dem 20. Lebensjahr diagnostiziert. Diagnose Eine exakte Diagnosestellung ist nur mittels Biopsie und histo-pathologischer Aufarbeitung des Materials möglich. Durch die genaue Erhebung der Anamnese ergeben sich sehr oft Hinweise auf die Wachstumsdynamik und damit das biologische Verhalten des Tumors. Bei der klinischen Untersuchung sollte neben der Konsistenz (weich, derb, prallelastisch) auf die Verschieblichkeit des Tumors gegenüber der Unterlage sowie die Verschieblichkeit der Haut über dem Tumor inklusive einer eventuellen verstärkten Venenzeichnung geachtet werden. Eine exakte Größenbeschreibung des Tumors in Zentimeter ohne Angabe von Vergleichsmaßen wie erbsengroß etc. ist anzufügen. Eine Beurteilung der regionalen Lymphknotenstationen darf bei keiner klinischen Untersuchung : fehlen. › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 Abb. 1A (li.), 1B (re.): Während das axiale MRT (A) des rechten Unterarmes eines 69-jährigen Patienten einen expansiv und nicht infiltrativ wachsenden Prozess zeigte, ergab die Histologie ein hochmalignes Myxofibrosarkom G3. (B) Bei der weiten Resektion wurde der Biopsietrakt mitreseziert. : Labordiagnostik Dieser kommt im Rahmen des Screenings und der Differenzierung derzeit noch keine Bedeutung zu. Marker der Angiogenese wie VEGF (vaskular endothelial growth factor) oder Angiopoietin-2 sind in verschiedenen Studien analysiert worden. Erhöhte Werte für VEGF korrelieren mit dem Tumorgrad und erhöhte Angiopoietin-2 Spiegel mit der Tumorgröße bei Weichteilsarkomen. Bildgebende Verfahren Nativröntgen Eine Röntgenuntersuchung sollte vor allem bei knochennahen Prozessen angefertigt werden, um eventuelle Arrosionen zu diagnostizieren. Einige wenige Tumoren wie etwa Synovialsarkome oder Lipome zeigen auch Verkalkungen, die einen wichtigen diagnostischen Hinweis darstellen. Für den Nachweis feinster Verkalkungen ist die Verwendung von hochauflösenden Filmen (Film-Folienkombination der Empfindlichkeitsklasse 100) empfehlenswert. Sonographie Die Ultraschalluntersuchung dient ausschließlich als Screeningverfahren in Bezug auf Größe und Lokalisation. Lediglich lipomatöse Prozesse können 34 mit größerer Sicherheit diagnostiziert werden. Die Duplexsonographie kann Hinweise auf die Vaskularisation des Tumors geben; allerdings empfiehlt es sich bei Verdacht auf Malignität in jedem Fall ein MRT anzufertigen. MRT Die Magnetresonanztomographie stellt die Untersuchung der Wahl dar, da sie nicht nur eine exakte Angabe über die Größe und das Tumorvolumen erlaubt, sondern auch genaue Auskunft über die Beziehung des Tumors zu den umgebenden Strukturen gibt. Weiters sind Aussagen über Tumornekrose, Einblutungen, ein perifokales Ödem, zystische oder myxoide Veränderungen oder Fibrose möglich. Die meisten Läsionen zeigen ein langes T-1 und T-2 Signal. Lipome imponieren durch ein hyperintenses T-1 Signal ebenso wie gut differenzierte Liposarkome, Hämangiome oder subcutane Einblutungen. Ein gemischt hyper- und hypointenses Signal auf T-1 findet sich bei Hämangiomen, myxoiden Liposarkomen, infiltrativen intramuskulären Lipomen und Lipomatose der Nerven. Eine geringe Signalintensität auf T-2 kann vorkommen bei Riesenzelltumoren, ClearCell Sarkomen und Fibromatosen. Durch die umgebende Tumorpseudokapsel erscheinen Weichteilsarkome kernspintomographisch häufig als gut von der Umgebung abgegrenzt, sodass dies nicht als Kriterium für die Dignität herangezogen werden kann. Zur weiteren Differenzierung sollte in jedem Fall Kontrastmittel appliziert werden, um die Kontrastmittelaufnahme als Maß der Vaskularisierung und damit für die Beurteilung der Dignität des Tumors heranziehen zu können (Abb. 1A). Für die OP-Planung ist es von großer Bedeutung, das gesamte Tumor tragende Kompartment in der MRT abzubilden, um regionale Metastasen (Skip-Läsionen) auszuschließen. CT Die Computertomographie eignet sich zur Beurteilung von eventuellen Knochenarosionen oder aber Tumorverkalkungen. Weiters ist die Computertomographie Untersuchung der Wahl zum Ausschluss von Lungenoder anderen visceralen Metastasen beziehungsweise zur Beurteilung der retroperitonealen Lymphknotenstationen. Aus Strahlenschutzgründen sollte (kann) alternativ die MRT für das Staging der abdominellen/pelvinen Organe verwendet werden. Biopsie Sollte sich durch die bildgebenden Verfahren der Verdacht auf ein malignes Geschehen erhärten oder ein solches nicht ausgeschlossen sein, ist in jedem Fall die bioptische Abklärung vor einem › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 Alle Abb. © Windhager DFP - Literaturstudium Abb. 2: Das Resektionspräparat eines lipomatösen Tumors zeigte einen hochdifferenzierten Anteil (gelb) sowie einen hochmalignen dedifferenzierten Anteil (grau). Bei einer Biopsie muss unbedingt der höher maligne Anteil biopsiert werden. definitiven chirurgischen Eingriff indiziert. Diese kann entweder perkutan mittels Stanzbiopsie oder aber offen im Sinne einer Incisionsbiopsie erfolgen. Die Feinnadelbiopsie mit zytologischer Diagnostik sollte einschlägigen Zentren vorbehalten bleiben. Eine Excisionsbiopsie unter kompletter Mitnahme des Tumors ist nur bei oberflächlichen Läsionen, die kleiner als zwei Zentimeter sind und die Fascie nicht durchbrochen haben, indiziert. Jeder Incisionsbiopsie muss eine genaue Analyse der bildgebenden Verfahren vorangehen, um Gewebe aus dem am stärksten vaskularisierten und damit weniger differenzierten Tumorarealen zu gewinnen (Abb. 2). Bei allen bioptischen Verfahren ist die Lage des Schnittes beziehungsweise der Punktionsstelle in den Verlauf des späteren Zugangsweges zu legen, da der Biopsietrakt mit dem Tumor als gesamtes mitreseziert werden muss (Abb. 1B). Somit ist eine exakte Kenntnis der Tumorlage durch Analyse des präoperativen Schnittbildverfahrens (MRT) erforderlich, um den kürzesten Weg zum Tumor zu wählen mit der minimal möglichen Kontamination des umgebenden Gewebes. Für die Biopsie ist auch zu berücksichtigen, dass eine Präparation zur Seite ebenso wie die Präparation von Gefäßen und Nerven in jedem Fall vermieden werden muss. Auch die Blutstillung ist unter größter Sorgfalt vorzunehmen, um eine onkologische Kontamination der Umgebung durch ein postoperatives Hämatom zu vermeiden. Je nach Größe sollten ein oder zwei Redon-Drainagen durch die Biopsiewunde herausgeleitet werden, um nicht durch die RedonAusstichstelle weiter gesundes Gewebe zu kontaminieren. Während bei oberflächlichen Läsionen unter Berücksichtigung dieser Kautelen die Biopsie mit großer Sicherheit durchgeführt werden kann, sollten Patienten mit subfascial oder tiefer gelegen Läsionen unbedingt vor bioptischer Abklärung an ein Tumorzentrum zur exakten präoperativen Planung und Durchführung der Biopsie überwiesen werden. Im Zweifelsfall oder bei mangelnder Erfahrung gilt dies auch für oberflächliche Läsionen . Weiterführende Diagnostik Wurde durch die Biopsie die Malignität des Tumors nachgewiesen, ist eine systematische Untersuchung in Hinblick auf Metastasierung erforderlich. Dieses Staging umfasst eine Computertomographie des Thorax und des Abdo- mens (alternativ auch ein Ultraschall des Retroperitoneums); weiters eine Knochenszintigraphie oder wenn möglich eine PET-Untersuchung. Letztere besitzt auch das Potential, Aussagen über die Dignität beziehungsweise die biologische Aktivität des Tumors zu geben, so dass sie sich besonderes für Therapiekontrollen und Rezidivdiagnostik eignet. Die Kombinationsuntersuchung PET/ CT ermöglicht die Beurteilung der biologischen Aktivität und Morphologie. Staging Benigne Weichteiltumoren werden je nach klinischem Erscheinungsbild und Histologie in Stadien eingeteilt, was auch ein unterschiedliches therapeutisches Vorgehen impliziert (Tab. 2). Während ein benigner Tumor in einem inaktiven Stadium einer Verlaufsbeobachtung zugeführt werden kann, sollten aktive Tumoren abgeklärt beziehungsweise operativ saniert werden. Aggressiv wachsende benigne Tumoren hingegen müssen mit einer weiten Resektion behandelt werden und sollten damit von vornherein einem Tumorzentrum zur Behandlung zugewiesen werden. Bei Weichteilsarkomen wird die Stadieneinteilung, die vom UICC (Union internationalis contra cancrum) und dem AJCC (American Joint Comittee Cancer) entwickelt wurden, angewendet. Dieser Stadieneinteilung, die auf klinischen und histologischen Parametern (Tab. 3 auf Seite 36) beruht, kommt eine wesentliche prognostische Bedeutung zu. Differentialdiagnose Von gutartigen Weichteiltumoren und Weichteilsarkomen müssen abge: grenzt werden: Einteilung benigner Weichteiltumore* Symptome Inaktiv Asymptomatisch Größenstationär Aktiv Lokale Beschwerden, Größenzunahme möglich Aggressiv Beschwerden, rasches Wachstum, Einbruch in benachbarte Kompartements * nach Enneking › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 Beispiele Lipom Hämangiom Extraabdominale Fibromatose Tab. 2 35 : • maligne • • • • • Knochentumoren mit Weichteilbeteiligung entzündliche Prozesse tumorsimulierende Veränderungen Weichteilmetastasen Lymphome beziehungsweise leukämische Infiltrate Plasmozytominfiltrate Therapie Die chirurgische Therapie bildet den Hauptpfeiler in der Behandlung von Weichteiltumoren. Die Strahlen- therapie hingegen ist ein wesentlicher adjuvanter Faktor zur Verbesserung der Lokalrezidivrate bei hochmalignen Weichteilsarkomen auch nach adäquater chirurgischer Behandlung. Der Chemotherapie bei Weichteilsarkomen kommt im Kindesalter größere Bedeutung zu, im Erwachsenenalter ist die Wirksamkeit noch nicht ausreichend validiert, sodass Behandlungen nur im Rahmen von Studienprotokollen durchgeführt werden sollten. Andererseits scheinen Patienten mit gering differenzierten oder dedifferenzierten 36/37 Operationsprinzipien Für die Nomenklatur der Tumorentfernung sollte die Einteilung nach Enneking (1980) herangezogen werden: Intraläsionale Resektion: Tumor intraoperativ eröffnet und/oder makroskopischer Tumorrest verblieben (R1 und R2 Resektion nach der TNMKlassifikation) (Hermanek 1996) Marginale Resektion: En bloc Resektion des nicht eröffneten Tumors, die Resektion reicht an die Tumorpseudokapsel heran. TMN-Klassifikation von Weichteilsarkomen und Stadieneinteilung nach UICC und AJCC Primärtumor(T) TX: Primärtumor nicht identifizierbar T0: Keine Evidenz des Primärtumors T1: Tumor < 5 cm im Durchmesser T1a: oberflächlicher Tumor T1b: tiefer Tumor Regionale NX: Regionale Lymphknoten nicht evaluierbar Lymphknoten (N) N0: Keine regionalen Lymphknotenmetastasen N1: Regionale Lymphknotenmetastasen Fernmetastasen (M) M0: Keine Fernmetastasen M1: Fernmetastasen TNM Grad Einteilung 3 Grad System 4 Grad System Low Grade Grad 1 Grad 1 Grad 2 High Grade Grad 2 Grad 3 Grad 3 Grad 4 Stadium IA T1a N0, Low grade NX M0 T1b N0, Low grade NX M0 Stadium IB T2a N0, Low grade NX M0 T2b N0, Low grade NX M0 Stadium IIA T1a N0, High grade NX M0 T1b N0, High grade NX M0 Stadium IIB T2a N0, High grade NX M0 Stadium III T2b N0, High grade NX M0 Stadium IV jedes T jeder Grad N1 M0 jedes T jeder Grad jedes N M1 Weichteilsarkomen ebenso wie Patienten mit einer Generalisierung von einer adjuvanten Chemotherapie zu profitieren. Weite Resektion: Tumor und Pseudokapsel werden mit ausreichendem Sicherheitsabstand unter Mitnahme von Biopsienarbe und Biopsietrakt en bloc entfernt. Radikale Resektion: Entfernung des Tumors mit tumortragendem Kompartment unter Mitnahme der Biopsienarbe und des Biopsietraktes. Tab. 3 Da eine sogenannte R0 Resektion (kein Residualtumor nach der TNMKlassifikation) sowohl eine marginale, weite, aber auch radikale Resektion bezeichnet, sollte zur genaueren Differenzierung die Enneking-Klassifikation herangezogen werden. Während benigne Tumore durch eine marginale Resektion adäquat entfernt werden können, sollte bei Weichteilsarkomen in jedem Fall eine weite oder radikale Resektion angestrebt werden. Radikale Resektionen sind meist nur bei intramuskulärer Lage und ausreichender Deckung mit Muskelfascie möglich und bedürfen keiner weiteren Nachbehandlung. Im Gegensatz dazu muss bei einer weiten Resektion eines hochmalignen Weichteilsarkoms eine postoperative Radiatio angeschlossen werden, um das Lokal-: › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 /37 : rezidivrisiko, das selbst bei adäquater Resektion 20 bis 30 Prozent beträgt, auf die Hälfte zu reduzieren. Die postoperative Radiatio ist der präoperativen aufgrund des geringeren Komplikationsrisikos, vor allem hinsichtlich der Wundheilungsstörung, vorzuziehen. Die alleinige Bestrahlung von Weichteilsarkomen oder auch von Tumorresten nach inadäquater Operation ist aufgrund der mäßigen Strahlensensibilität dieser Tumore obsolet und bleibt einem palliativen Therapieansatz vorbehalten. Die Standardisierung dieser Behandlungsmethoden haben dazu geführt, dass das Gesamtüberleben bei Patienten mit Weichteilsarkomen durchschnittlich bei 70 Prozent liegt. Prognostische Faktoren sind das histologische Grading und die Tumorgröße, wobei eine deutliche Prognoseverschlechterung bei Weichteilsarkomen über fünf Zentimeter festzustellen ist. Während für Stadien IA und IB 100 Prozent respektive 94 Prozent Fünf-Jahres-Überlebensraten angegeben werden, betragen diese im Stadium III (tief gelegene hoch maligne Sarkome größer als fünf Zentimeter im Durchmesser) nur noch 51 Prozent. Vergleicht man die Prognosen früherer Studien im Stadium III, findet sich in den letzten drei Dekaden eine deutliche Verbesserung der Prognose von 29 Prozent (1977) auf 45 Prozent (1987) und mittlerweile auf über 50 Prozent. In zahlreichen Studien konnten das Tumorgrading sowie die Tumorgröße als unabhängige prognostische Faktoren herausgearbeitet werden, sodass der frühen und systematischen Diagnostik sicherlich eine wesentliche prognostische Bedeutung zukommt. Alternative Behandlungsverfahren Sind Weichteilsarkome so weit fortgeschritten, dass sie unter Berücksichtigung adäquater Resektionsgrenzen nicht 38 mehr extremitätenerhaltend operiert werden können, kommen zur Senkung des Lokalrezidivrisikos in erster Linie hypertherme Behandlungsverfahren in Frage. Die hypertherme Chemotherapie kombiniert eine mittels Radiofrequenz herbeigeführte lokale Tumorerwärmung mit einer systemischen Chemotherapie. Die Bedeutung dieser Behandlungsmaßnahme ist noch nicht ausreichend validiert, sodass diese nur in Form von Studienprotokollen durchgeführt werden sollte. Die arterielle Extremitätenperfusion mit hochdosiertem Melphalan und TNF-Alpha kann bei nicht metastasierten hochmalignen Weichteilsarkomen, die aufgrund der Ausdehnungen mittels Amputation behandelt werden müssten, mit gutem Erfolg angewendet werden. Tumornachsorge – Kontrolluntersuchungen Während für benigne Tumore lokale Nachsorgeuntersuchungen je nach Stadium in unterschiedlich zeitlichen Intervallen durchgeführt werden sollen, ist für Weichteilsarkome eine systematische Nachsorge in Bezug auf lokale und systemische Tumorkontrolle erforderlich. Für benigne oberflächlich gelegene Tumore reicht eine klinische und sonographische Nachsorge in ein- bis zweijährlichen Abständen aus. Aktive und aggressive benigne Weichteiltumoren sollten mittels MRT nachkontrolliert werden, wobei die Untersuchungsintervalle entsprechend zu verkleinern sind. Weichteilsarkome sollten bis zum dritten Jahr postoperativ je nach Grading alle drei bis vier Monate mittels lokalem MRT sowie mit einem CT des Thorax und einer Sonographie des Abdomens kontrolliert werden. Da 80 Prozent der Lokalrezidive innerhalb der ersten drei postoperativen Jahre auftreten, kann die Untersuchungsfrequenz zwischen dritten und fünften Jahr auf sechsmonatliche Abstände erhöht werden. Zwischen dem fünften und zehnten postoperativen Jahr rezidivieren nur noch zehn Prozent der operierten Patienten, sodass hier zwölfmonatliche Abstände gerechtfertigt sind. Wichtige Fallgruben bei Diagnose und Therapie Die häufigste Ursache für die Fehlbehandlung von Weichteilsarkomen ist die falsche Interpretation von anamnestischen traumatischen Ereignissen, wie Zerrung oder Contusion beziehungsweise Muskeleinriss und intramuskuläres Hämatom. Die Folge dieser Fehleinschätzung ist eine inadäquate präoperative Bildgebung, die bestenfalls eine sonographische Abklärung beinhaltet und ein inadäquates operatives Vorgehen mit entsprechender Überraschung nach Einlangen der Histologie. Neben der diagnostischen Fehleinschätzung sind trotz Kenntnis eines malignen Tumors zahlreiche Fallgruben bei bioptischer Abklärung möglich. So wird häufig Tumorgewebe aus nicht repräsentativen, wenig vaskularisierten Anteilen entnommen und damit vor allem bei Tumoren mit unterschiedlicher Differenzierung die Dignität des Tumors falsch eingeschätzt und die inadäquate Behandlung ist vorprogrammiert (Abb. 2). Ein weiterer Fehler liegt in falsch angelegten Biopsiezugängen, die einerseits zu ausgedehnten Nachresektionen oder aber aufgrund von Hämatomen zur Mitresektion von Gefäßen und Nerven führen können. Häufig wird auch die Schmerzarmut beziehungsweise das langsame Wachstum von Tumoren als Symptom eines benignen Tumors fehl interpretiert. Die lokale Excision von oberflächlichen Tumoren in Lokalanästhesie birgt die Gefahr der iatrogenen Kontamination durch Anstechen des Tumors bei Setzen der Lokalanästhesie. Sollte diese Lokalanästhesieform bei Entfernung › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 DFP - Literaturstudium Diagnostisch, chirurgischer Algorithmus von benignen und malignen Weichteiltumoren Weichteiltumor Sonographie MRT tief oder sarkomverdächtig oberflächlich > 5 cm oberflächlich < 5 cm Probeexcision maligne benigne TUMOR-Zentrum Irreführend ist auch die Annahme, dass Sonographie- oder CT-gezielte Punktionen von Weichteilsarkomen aufgrund der geringen Kontamination keine Nachteile für die spätere chirurgische Versorgung darstellen. Daher sollte vor jeder Biopsieentnahme stets eine chirurgische Planung des eventuell folgenden, chirurgischen Eingriffes vorgenommen werden. Kommt es nach einem benignen Tumor zu einem Lokalrezidiv, wird häufig unter der Annahme, dass die Histologie unverändert geblieben ist, eine Nachresektion durchgeführt. Dies führt meist zur überraschenden Feststellung eines Weichteilsarkoms, sodass im Falle eines Rezidivs eines benignen Tumors auf jeden Fall eine Referenzhistologie des Ersttumors eingeholt werden sollte. Fazit für die Praxis Aus den gegebenen epidemiologischen Unterschieden zwischen benignen und malignen Weichteiltumoren sowie den dargestellten Möglichkeiten der diagnostischen Abklärung ergibt sich ein relativ einfacher Algorithmus für das Probeexstirpation – marginale Resektion maligne benigne Nachsorgekontrolle Quelle: Windhager kleinster Tumoren gewählt werden, ist ein ausreichender Sicherheitsabstand der Lokalanästhesienadel vom Tumor zu wählen. oberflächlich < 2 cm Abb. 3 Management von Weichteiltumoren, bei dessen sorgfältiger Berücksichtigung eine deutliche Reduktion der inadäquat behandelten Fälle zu erwarten wäre. Ein ähnliches Schema wurde in Schweden bereits vor vielen Jahren eingeführt und hat zu einer signifikanten Verbesserung der Behandlungserfolge von Weichteiltumoren geführt. Dieses Schema sieht vor, dass Weichteiltumoren in jedem Fall sonographisch abgeklärt werden müssen, um zwischen oberflächlichen und tiefen Läsionen unterscheiden zu können. Tiefe Läsionen müssen weiter einer MRT-Untersuchung zugeführt werden, ebenso wie alle oberflächlichen Läsionen, welche operativ saniert werden sollen. Nach radiologischer Evaluation sollten tief (subfascial) gelegene oder sarkomverdächtige Läsionen in jedem Fall an ein Tumorzentrum ohne vorherige Biopsie überwiesen werden. Das gleiche gilt für oberflächliche Läsionen mit einer Größenausdehnung von mehr als fünf Zentimeter. Oberflächliche (epifascial-, subcutan) gelegene Läsionen, die kleiner als zwei Zentimeter sind, können nach entsprechender kernspintomographischer Abklärung durch eine Probeexstirpation (entspricht einer marginalen Resektion unter Entfernung des Tumors mit Pseudokapsel) entfernt werden. Im Fall einer benignen Läsion ist die Behandlung damit abgeschlossen › österreichische ärztezeitung ‹ 11 ‹ 10. juni 2007 und weitere Verlaufskontrollen sind je nach Histologie zu planen. Bei Malignität soll der Patient mit oder ohne Staging-Untersuchungen unverzüglich an ein Tumorzentrum überwiesen werden. Bei oberflächlichen Läsionen, die kleiner als fünf Zentimeter oder aber sarkomverdächtig sind, sollte in jedem Fall vor einer definitiven Versorgung eine Probeexcision unter Berücksichtigung der oben angeführten Kriterien erfolgen. Im Fall einer Malignität ist der Patient auch hier unverzüglich an ein Tumorzentrum zu überweisen und das histologische Material an eine Referenzpathologie zu übermitteln. Im Fall einer histologisch eindeutig benignen Läsion kann eine marginale Resektion erfolgen, wobei im weiteren Verlauf für entsprechende Nachsorgeuntersuchungen zu sorgen ist. Im Fall eines unklaren histologischen Ergebnisses sollte vor der definitiven chirurgischen Versorgung unbedingt eine Zweitmeinung von einem Referenzpat9 hologen eingeholt werden. Literatur bei den Verfassern *) o. Univ. Prof. Reinhard Windhager, Universitätsklinik für Orthopädie/Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 5-7, 8036 Graz; Tel. 0316/48 07; Fax-DW 48 06; e-mail: reinhard.windhager@meduni-graz; Andreas Leithner, Universitätsklinik für Orthopädie/Medizinische Universität Graz; Alfred Beham, Institut für Pathologie/Medizinische Universität Graz; Ernst Sorantin, Universitätsklinik für Radiologie/Medizinische Universität Graz. Lecture board: Univ. Prof. Dr. Rainer Kotz, Universitätsklinik für Orthopädie/Medizinische Universität Wien Univ. Prof. Dr. Peter Ritschl, Orthopädisches Krankenhaus Gersthof Wien Univ. Prof. Dr. Winfried Winkelmann, Klinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie/Universitätsklinikum Münster Herausgeber: Universitätsklinik für Orthopädie/Medizinische Universität Graz Diesen Artikel finden Sie auch im Web unter www.arztakademie.at/ls 39