Schmerz Nozizeptoren - Die Schmerzrezeptoren Nozizeption und Schmerz adäquates Verhalten Wahrnehmung und emotionale Reaktion hochschwellige Sinneszellen - Nociceptoren Schmerz soll Schutzreaktionen auslösen! Definition Schmerz Schmerz ist ein unangenehmes Sinnesoder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder drohender Gewebeschädigung einhergeht oder von Betroffenen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache. International Association for the Study of Pain (IASP), 1986 Schmerz - Nozizeption • Schmerz – subjektive Empfindung, welche Bewusstsein voraussetzt • Nozizeption – Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung noxischer Reize durch periphere und zentrale Neurone (Nozizeptoren) Schmerzklassifikation Nach Art der Schmerzentstehung: • Physiologischer Nozizeptorschmerz z.B. Nadelstich, Verbrennung • Pathophysiologischer Nozizeptorschmerz z.B. Entzündung • Neurogener Schmerz • Psychogener Schmerz Schmerzklassifikation Nach Ort der Schmerzentstehung: • Somatischer Schmerz Oberflächenschmerz (Haut) Tiefenschmerz (Muskel, Gelenke) • Viszeraler Schmerz innere Organe Schmerzklassifikation Nach Dauer des Schmerzes: • Akuter Schmerz begrenzter Zeitraum, Zusammenhang mit auslösender Schädigung • Chronischer Schmerz > 6 Monate, Begleitsymptom chronischer Erkrankung oder Verselbstständigung, d.h. kein nachweisbarer Auslöser Schmerzzellen (Nozizeptoren) Sinnesnervenzellen (- pseudo-bipolare Neurone) Vorderseitenstrang Sensorische Endigungen Spinalganglien Spinalnerven Gelenke Organe Synapsen Dünne, langsame Nozizeptoren C-Fasern mit Radius 1 µm: ca 1 m pro sec Dicke, schnelle Nozizeptoren Ad-Fasern mit Radius 3 - 5 µm: ca 5 - 50 m pro sec Dicke, schnelle und dünne, langsame Nozizeptoren Spinalnerv C-Fasern (Schmerz) Ad-Fasern (Schmerz) Aa, Ab-Fasern (Berührung) Quelle: Belmonte + Cervero (1996) Neurobiology of Nociceptors Ad – und C- Fasern enden getrennt im Rückenmark Projektionsneurone Interneuron Ad – Fasern schalten direkt auf Projektionsneurone Ad - Fasern C – Fasern machen eine Umweg über Interneurone Ad - Fasern C - Fasern Zweimal Schmerz Bei der Schmerzwahrnehmung als Antwort auf eine oberflächliche Gewebsschädigung lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Faserqualitäten auch zwei verschiedene Schmerzsensationen unterscheiden. Diese sind auf die unterschiedlichen Leitungseigenschaften der Nozizeptoren zurückzuführen. Als erste Antwort erfolgt der frühe "helle" Schmerz, der schnell leitenden Aδ-Fasern. Danach tritt der durch die C-Fasern vermittelte späte "dumpfe" Schmerz auf. Er hält länger an. Durch C-Fasern wird auch der als dumpf empfundene Tiefenschmerz hervorgerufen. Ad - Fasern Stumme Nozizeptoren sind im gesunden Gewebe nicht erregbar. Im Rahmen von Entzündungen werden sie jedoch durch Herabsetzung der Reizschwelle sensitiv für Schmerzreize. C - Fasern Sensorische Endigungen der Nozizeptoren Epidermis Dermis Quelle: Handwerker (1999) Einführung in die Pathophysiologie des Schmerzes Die meisten Nozizeptoren sind polymodal Aktionspotenzial Rezeptorpotenzial TRPV1 TRPV2 DEG / ENaC ASIC P2X3R TRPA1 Review: Hwang, S.W. & Oh, U. (2007) Current Opinion in Anaesthesiology 20: 427-434 Es gibt aber auch Spezialisten: mechanosensitive und hitzesensitive Ad-Fasern… Nozizeptoren veränderen ihre Umgebung und werden selber moduliert „Entzündungssuppe“ Mastzelle Nozizeptoren veränderen ihre Umgebung und werden selber moduliert Bradykinin Serotonin Prostaglandin NGF ATP H+ Mastzelle Substance P CGRP „Entzündungssuppe“ Calor: Erwärmung Schafende Rezeptoren werden aktiviert Rubor: Rötung Dolor: Schmerz Tumor: Schwellung Axonreflex Dilation von präkapillären Hautgefäßen bei Schmerzreizen derselben Hautpartie. Die nozizeptiven afferenten Hautnerven u. die Nervenverbindungen zu den Gefäßen sind Verzweigungen eines Axons. Die Erregungsübertragung erfolgt damit von der Verzweigungsstelle zum Gefäß in einem Axonabschnitt eines sensiblen Neurons rückläufig. Wegen des Fehlens von synaptischer Umschaltung - kein Reflex im klassischen Sinn. Entzündungsmediatoren - Schmerzauslöser Nicht steroidale Analgetika blocken hier (Cyclooxigenaseblocker) blocken hier Modulatoren wirken über Rezeptoren auf Ionenkanäle Sensibilisierung + + Purinrezeptor Spontaner Entzündungsschmerz, primäre Hyperalgesie: 1. Sensibilisierung der Nozizeptoren 2. Aktivierung „schlafender“ Nozizeptoren Bradykinin PGE2 NGF Zusammenfassung Nozizeptoren Nozizeptoren haben sensorische Endigungen und bilden Synapsen im Hinterhorn des Rückenmarks Myelinisierte Ad-Fasern leiten den ersten Schmerz, nicht-myelinisierte C-Fasern den zweiten Schmerz. Viele Nozizeptoren sind polymodal. Sie reagieren auf Temperatur, auf mechanische und auf chemische Reize. Durch Sekretion von Gewebshormonen erhöhen die sensorischen Endigungen Durchmesser und Permeabilität von Blutgefäßen. Sensitivierung: Die Bestandteile der Entzündungssuppe“ erhöhen die Empfindlichkeit der Nozizeptoren. Zusammenfassung • Nozizeptoren adaptieren nicht! • Nachgeschaltete Neurone können dauerhaft aktiviert werden • Chronischer Schmerz Schmerz Zentrale Verarbeitung von Schmerzsignalen Im Hinterhorn wird sortiert und weitergeleitet Substantia gelatinosa Ad C Ab In Schicht V konvergiert vieles Schmerzfasern von der Oberfläche und von inneren Organen Schmerzfasern der Oberfläche und viscerale Schmerzfasern konvergieren Hautprojektionsfelder Die Weiterleitung des Schmerzsignals an das ZNS Ad C Synapsen von Nozizeptoren im Hinterhorn m- OpioidRezeptoren präsynaptisch Die Synapsen der Nozizeptoren nutzen Glutamat und Neuropeptide als Transmitter. Morphin unterbricht die Schmerzweiterleitung Morphin Papaver somniferum Morphin unterbricht die Schmerzweiterleitung Morphin Morphin unterbricht die Schmerzweiterleitung bereits im Rückenmark Morphin Keine Neurotransmitter werden ausgeschüttet, Synaptische Übertragung ist blockiert. Schmerzunempfindlichkeit Eine seltene Genmutation macht Menschen unempfindlich gegen Schmerzen. Darin könnte der Ansatzpunkt für neuartige Schmerzmittel liegen. Genetische Analysen zeigten, dass sie eine Mutation des SCN9A genannten Gens aufweisen. Diese Erbanlage liefert den Bauplan für ein Protein, das Teil eines Ionenkanals in Nervenzellen bildet. Der so genannte Natriumkanal Na1.7 ist in Nervenzellen besonders ausgeprägt, die Schmerzsignale weiterleiten. Der defekte Na-Kanal führt dazu, dass diese Informationsübertragung unterbrochen ist und der Schmerz ausbleibt. Ein Junge aus Pakistan machte Wissenschaftler auf das Phänomen aufmerksam: Als Straßenkünstler bohrte er sich Messer in die Arme und lief über glühende Kohlen – ohne irgendwelche Schmerzen zu empfinden. Die Fakir-Kunststücke hinterließen allerdings zahlreiche Verletzungen, die Ärzte immer wieder versorgen mussten. Der Junge starb mit 14, als er vom Dach eines Hauses sprang. Die Schmerzfreiheit bedeutete nicht, dass er unsterblich war, wie er anscheinend glaubte. Schmerzempfinden Im Fleisch steckten Sandkörner. Behutsam pickte der Arzt die Steinchen aus der Wunde. Hie und da lüpfte er das Fleisch um versteckte Körner aufzuspüren. Die Krankenschwester beobachtete mein stilles Dasitzen: „Du bist aber tapfer“. Behutsam trug der Arzt Jod aus einem Fläschchen auf. Er fragte: „Na, brennt es?“ Ich stutzte, was meinte er? Mein Knie stand nicht in Flammen. – Ich ließ mir meine Verwunderung nicht anmerken und dachte hastig nach, was der Arzt wohl meinte. Das Jod bescherte mir pralle Anwesenheit im Knie. Vielleicht meinte der Arzt das: Feuer erzeugt Wärme und Wärme umfing mein Knie. Entspannt antwortete ich: „Ja“. Der Arzt stutzte, „brennt es wirklich?“ Vergnügt nickte ich. Bericht eines Autisten zum Schmerzempfinden (aus „Buntschatten und Fledermäuse“, Axel Bruns) Direkte Schmerzblockierung durch Conotoxin w-Conotoxin Das Gift der Kegelschnecke Medtronic GmbH, Düsseldorf Conus purpurascens Das körpereigene System der Schmerzunterdrückung Interneuron Nozizeptor Interneuron oder Projektionsneuron Das körpereigene System der Schmerzunterdrückung Interneuron Nozizeptor Projektionsneuron Das körpereigene System der Schmerzunterdrückung Interneuron Endorphine Endorphine X Projektionsneuron Das körpereigene System der Schmerzunterdrückung Interneuron „Endorphine“ Enkephalin (Tyr-Gly-Gly-Leu) b-Endorphin (30 AS) Dynorphin (17 AS) Projektionsneuron Die Ziele der Schmerzbahnen Das thalamokortikale nozizeptive System Thalamus Cortex Bewusstsein Limbisches System Emotion Die Ziele der Schmerzbahnen Das thalamokortikale nozizeptive System somatosensorischer Cortex laterales thalamokortikales System Dysästhesie Assoziationscortex Limbisches System Emotion mediales thalamokortikales System Die Ziele der Schmerzbahnen Das thalamokortikale nozizeptive System Gyrus cinguli präfrontaler Cortex Assoziationscortex Limbisches System Emotion mediales thalamokortikales System Aufsteigende Bahnen Stirnhirn somatosensorischer Kortex Nucleus centralis lateralis Thalamus Nucleus parafascicularis Endhirn Nozizeptives System - Verschaltungen auf verschiedenen Ebenen Hippocampus Nucleus ventralis posterolateralis Zwischenhirn Mittelhirn Spinoreticulothalamisches System Tractus spinothalamus Medulla oblongata Nozizeptoren Ad,C Muskulatur Rückenmark polysynaptischer Reflexbogen mit motorischem Neuron Schmerzreflexe - Muskelverspannungen Störungen der Muskelfunktion können zu einer erhöhten Kontraktion führen. (Abwehrspannung). Die erhöhte Muskelanspannung kann wiederum Schmerz verursachen. Schmerzhafte Muskelanspannungen treten insbesondere in den Haltemuskeln der Wirbelsäule auf. Eine anhaltende starke Muskelanspannung kann zu einer Erregung der Schmerzsensoren sowohl im Muskel als auch in den benachbarten Sehnen und Gelenken führen. Zusätzlich kommt es dabei durch den Druck auf die Versorgungsgefäße auch zu Sauerstoffmangel in den betroffenen Muskeln. Als Folge davon entstehen Stoffwechselprodukte, die zur Verstärkung des Schmerzes führen. Muskelspannung und Muskelschmerz verstärken sich gegenseitig im Sinne eines „Teufelskreises". Alle therapeutischen Ansätze, haben das Ziel, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Auch Stress, Angst und psychische „Anspannung" können Muskelschmerzen auslösen. Stress führt zu einer deutlichen Aktivitätssteigerung und Spannungserhöhung z.B. der Rückenmuskulatur. Polysynaptischer Reflexbogen mit motorischem Neuron Muskulatur Zusammenfassung Die Fasern der Nozizeptoren enden im Hinterhorn des Rückenmarks. Hier sind sie mit Interneuronen verschaltet. Polysynaptische Reflexbögen mit motorischen Neuronen können zu Muskelverspannung führen Das körpereigene Schmerzunterdrückungssystem kann die Weiterleitung des Schmerzsignals blockieren. Endorphine Morphin blockiert die Schmerzweiterleitung durch Bindung an die Opioidrezeptoren der Nozizeptoren. Die Schmerzfasern des Rückenmarks erreichen durch den Vorderseitenstrang den Thalamus. Limbisches System emotionale Reaktionen Schmerzbekämpfung • Bei der Lokalanästhesie werden die Nozizeptoren ausgeschaltet, entweder durch Besprühen von Schleimhautoberflächen oder durch Injektion. • Bei der Leitungsanästhesie wird durch Injektion eines Anästhetikums an einen Nerven die Nervenleitung unterbrochen (bei der Zahnbehandlung häufig angewendet). • Bei der Lumbalanästhesie wird die Schmerzleitung im Rückenmark unterbrochen. • Schließlich kann durch eine Vollnarkose das Bewusstsein und damit auch die Schmerzempfindung völlig ausgeschaltet werden. Lumbalanästhesie PeriduralSpinalAnästhesie Pharmakotherapie ist die Therapie mit Analgetika (Opioide und Nicht-OpioidAnalgetika), mit Co-Analgetika, welche durch Beseitigung der Noxe den Schmerz aufheben (Cortison, Spasmolytika, Nitrate) und im weiteren Sinne auch mit Medikamenten, welche in der Anästhesie eingesetzt werden. Therapie nach dem WHO-Stufenschema: 1. Stufe: Nicht-Opioidanalgetika (NSA) – Acetylsalicylsäure (zum Beispiel Aspirin®) – Diclofenac (beispielsweise Voltaren®) – Ibuprofen (beispielsweise Irfen®) 2. Stufe: Schwache Opioide (Codein, Tilidin) nach Bedarf in Kombination mit Stufe 1 3. Stufe: Starke Opioide (Morphin, Fentanyl) nach Bedarf in Kombination mit Stufe 1 + Begleitmedikamente z. B. Antidepressiva, Steroide, Spasmolytika Therapie