Helicobacter pylori – ein Keim der Magenschmerzen macht

Werbung
Helicobacter pylori – ein Keim der Magenschmerzen macht
Freie Universität Berlin
Institut für klinische Physiologie
Pathophysiologisches Seminar
Wintersemester 2002/2003
Referent: Philip Groth
Betreuer: Hanno Tröger
_________________________________________________________________________________________
Helicobacter pylori ist ein microaerophiles Bakterium aus der
Familie der Helicobacteraceae, Mitglied der Unterklasse der
Proteobacteria. Es ist ein spiralförmiges Bakterium mit
Geißeln, das hauptsächlich im Magen vorkommt. Erst sehr spät
wurde festgestellt, daß es für ein Bakterium tatsächlich möglich ist, unter den
unwirtlichen sauren Bedingungen des Magens zu überleben. Dies war die
Stunde der Entdeckung von Helicobacter pylori durch Barry Marshall und Robin
Warren (Perth, Australien) im Jahre 1983. Es wird für viele schwere
Krankheiten wie Verdauungsstörungen, Magen- und Darmgeschwüre, sowie
Magenkrebs verantwortlich gemacht. Es ist von der IARC, einer Organisation
der WHO, 1994 als Klasse 1 Karzinogen (Karzinogen für Menschen) eingestuft
worden.
Eine Helicobacter pylori Infektion kommt weltweit vor und hat eine bis zu 80%
Prävalenz bei Erwachsenen
mittleren
Alters
in
Entwicklungsländern.
Bei
derselben
Zielgruppe
in
Industrieländern liegt dieser
Wert bei 20-50%. Bei solchen
Angaben
sollte
bewußt
zwischen
ethnischen,
altersbedingten und sozioökonomischen Gruppen unterschieden werden. So ist die Prävalenz bei älteren
Menschen deutlich höher als bei jungen. Dies liegt am Kohorteneffekt, da die
älteren Menschen in ihrer Kindheit („Vulnerabilitätsphase“) schlechteren
hygienischen Bedingungen ausgesetzt waren, als dies heutzutage der Fall ist. Es
findet also keine langsame Zunahme der Infektionsrate mit der Zeit statt, wie
man zunächst glaubte. Bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status
ist die Prävalenz ebenfalls deutlich höher.
Die Infektion erfolgt durch orale Aufnahme des Bakteriums und wird meist
innerhalb der Familie in der frühen Kindheit übertragen. Wahrscheinlich erfolgt
dies über Erbrochenes, Speichel oder Fäzes, wobei in Entwicklungsländern
offenbar auch kontaminiertes Wasser eine Rolle spielt.
-1-
Das Epithelgewebe des Magens ist durch eine dicke
gelartige Schleimschicht (pH=4) vom sauren Magensaft
(pH=2) geschützt. Helicobacter pylori dringt mit Hilfe
seiner Geißeln in diese Schicht ein und bildet feste
Bindungen mit den Epithelzellen mittels Adhesinen (z.B.
BabA) aus. In dieser Position beginnt die Hydrolyse von
Harnstoff
in
Kohlenstoffdioxid
und
Ammoniak
+
C=O(NH2) + H2O => CO2 + NH4 unter Einwirkung des
vom Bakterium mitgebrachten Enzyms Urease. Die Bildung
von Ammoniak führt zu Umweltbedingungen (pH=7) unter
denen der Keim überleben und sich vermehren kann.
Spezielle pH-regulierte Harnstoffkanäle (UreI) in der Zellwand sorgen dafür,
daß ein neutraler pH-Wert erhalten bleibt.
Nachdem die Lebensbedingungen auf diese Weise gesichert sind,
sezernieren die meisten Stämme ein Exotoxin, genannt VacA, welches in die
Wand der Epithelzellen eindringt und dort einen hexameren Anionenkanal
bildet. Vermutlich dient dieser der Nährstoffversorgung der Bakterien. Es gibt
zwar auch Stämme, die ohne VacA auskommen, diese werden aber meist mit
einem milderen Krankheitsverlauf in Verbindung gebracht und durch die
anderen Stämme leicht kompetitiv verdrängt.
Nach dem Einnisten von Helicobacter pylori kommt es schnell zu einer
Mageninfektion in praktisch allen Patienten. Die Infektion ruft eine heftige
Immunantwort hervor, die anfangs durch Bildung von B- und T-Lymphozyten,
später auch durch Plasmazellen und Makrophagen geprägt ist Dies führt zu
einer Erhöhung von Zytokinen, vor allem Interleukin-8, aber auch Interleukin1β, Interleukin-2, Interleukin-6 und TNFα.
Bei der spezifischen Immunantwort können T-Helferzellen grundsätzlich
in zwei funktionelle Gruppen differenzieren: Th1-Zellen, die vor allem
Interleukin-2 und Interferon-γ sezernieren, sowie Th2-Zellen mit der Sekretion
von Interleukin-4, Interleukin-5 und Interleukin-10. Th1-Zellen differenzieren
vermehrt im Rahmen der Abwehr von intrazellulären Erregern, wohingegen
Th2-Zellen B-Zellen stimulieren, bei der Immunantwort gegen extrazellulärer
Pathogene.
Da Helicobacter pylori nicht invasiv ist, sondern sich nur an die äußere
Epithelschicht anlagert, wäre eine Th2-Immunantwort zu erwarten, was aber
nicht der Fall ist. Vermutlich aufgrund der erhöhten Interleukin-1β Werte in der
Umgebung werden statt dessen Th1-Zellen ausgebildet, deren Zytokine eine
Gastritis (Magenschleimhautentzündung) hervorrufen, während Th2-Zellen eher
schützende und heilende Wirkung bei Magenentzündungen hätten. Es wird
angenommen, daß diese fehlgesteuerte Immunantwort in Kombination mit einer
vermehrten Apoptose der Helicobacter pylori - spezifischen T-Zellklone zur
Persistenz der Infektion beiträgt.
-2-
Eine Entzündung mit Helicobacter pylori wird häufig zur chronischen
Erkrankung bzw. chronischen Infektion, mit wenig Aussicht auf spontane
Heilung. Es gilt als gesichert, daß Helicobacter pylori auslösender Faktor für
Krankheiten wie chronische Gastritis, Verdauungsstörungen und Atrophie der
Magenschleimhaut ist.
Zudem gibt es verstärkt Hinweise auf eine Assoziation von Magenkrebs
und einer Helicobacter pylori Infektion. In einer kürzlich veröffentlichten
prospektiven Studie an 1526 Personen, zeigte sich eine Inzidenz von 2.9 %
innerhalb eines Zeitraumes von 7,8 Jahren bei 1246 Patienten, wohingegen es
bei den 280 nicht infizierten Kontrollen zu keinem einzigen Fall von
Magenkrebs kam.1 Dabei konnte gezeigt werden, daß Helicobacter pylori als
Beschleuniger von Zellproliferation eher eine Rolle als Promotor von
Karzinogenen besitzt, als ein Karzinogen selbst ist.2
Das Risiko der Entwicklung von Magenlymphomen wird durch eine HPInfektion signifikant erhöht. Erstaunlicherweise gibt es in den Frühstadien dieser
Erkrankung hohe Remissionsraten allein durch eine Eradikation des Keimes
durch Antibiotika, wobei hierzu noch wenig Langzeiterfahrungen vorliegen und
dies deshalb nur innerhalb von Studienprotokollen durchgeführt werden sollte.
Aufgrund der hohen Prävalenz von Helicobacter pylori in der
Weltbevölkerung ist eine umfassende Eradikation des Bakteriums noch nicht so
bald in Sicht, und schon allein aus Kostengründen eher utopisch. So wird auch
aufgrund der Kosten angeraten, einen Test auf Helicobacter pylori nur bei
dyspeptischen Beschwerden durchzuführen. Die Strategie dabei sieht vor, dass
man Patienten unter 45 Jahrenm, ohne Alarmsymptome, ohne Einnahme von
magenschädlichen Medikamenten und ohne familiäre Belastung für maligne
Erkrankungen im oberen GI-Trakt nichtinvasiv auf Helicobacter pylori testet
und im positivem Fall umgehend einer Behandlung zuführt. Ansonsten würde
man den Patienten eine endoskopische Untersuchung empfehlen, die auch eine
H.P.-Testung beinhaltet aber vor allem in der Lage ist Neoplasien zu
diagnostizieren.
Übliche Tests sind der Harnstoff-Atemtest, wobei mit dem stabilen Isotop
C13 versetzter Harnstoff zugeführt und unter Nutzung der Urease-Aktivität von
Helicobacter innerhalb von kurzer Zeit ausgeatmetes C13 gemessen werden kann
und somit als Nachweis von Helicobacter pylori Infektionen dient. Weitere
Tests sind Blut- oder Stuhltests (Antikörper- bzw. Antigen-Nachweis) oder die
Endoskopie mit Biopsie und ebenfalls Nachweis der spezifischen
Ureaseaktivität sowie einer immunhistologischen Färbung. Der Atemtest ist
schnell, präzise und kostet ca. € 200,- was die Krankenkassen bei Verordnung
erstatten. Alle diese Tests haben eine Sensitivität von 89-99% und eine
Spezifität von über 90%.
1
2
Uemura et al 2001 New England Journal of Medicine 345:784
Han et al 2002 Journal of Gastroenterology and Hepatology Volume 17 Issue 3 253:261
-3-
Medikamente und Behandlungen:
Die Eradikation basiert auf dem Prinzip der Säuresekretion in Verbindung mit
einer Antibiotikatherapie und muss für mindestens sieben Tage konsequent
durchgeführt werden. Die zwei gängigsten Therapieschemata sind (jeweils in
Kombination mit 2 x Standarddosis eines Protonenpumpeninhibitors):
Italienische
Clarithromycin
Amoxicillin
7d
Tripletherapie
2 x 500mg p.o.
2 x 1g p.o.
Französische
Clarithromycin
Metronidazol
7d
Tripletherapie
2 x 250mg p.o.
3 x 400mg p.o .
Nach einer vollständigen Eradikation ist die Rückfallrate etwa 6-20%
innerhalb der folgenden 6-24 Monate, wobei hier auch Re-Infektionen mögliche
Faktoren sind, was die hohen Abweichungen der Literaturwerte erklären kann.
Alternativ zu oralen Medikamenten ist es möglich, Wirkstoffe direkt auf
die Infektionsherde zu sprühen. Dies wurde bisher nur in kleinen Maßstäben
erprobt.3
Eine erneute Therapie bei Versagen der Ersttherapie ist möglich, aber sehr
viel langwieriger und kostspieliger als eine erfolgreiche Ersttherapie, auch sind
die Nebenwirkungen beträchtlich höher.
Die Entdeckung von Helicobacter pylori ist eine der großen
Erfolgsgeschichten in der Medizin. Über Jahre hinweg blieb bei schweren
Magengeschwüren den Ärzten meist nichts anderes übrig, als den Magen
(teilweise) herauszuoperieren. Die Idee, daß es tatsächlich einem Bakterium
gelingt, sich unter den unwirtlichen Bedingungen des Magens zu behaupten und
die damit einhergehende Entdeckung von Helicobacter pylori läutete in diesem
Sinne ein neues Zeitalter ein. Die Behandlungsmethoden heutzutage sind
unkompliziert und effizient, auch wenn in verschiedenen Ländern mit
unterschiedlichen Wirkstoffen behandelt wird. Allgemein wird in den nächsten
Jahren ein weltweit deutlicher Rückgang der Verbreitung des Bakteriums
erwartet, aber bis zur weltweiten Eradikation ist es noch ein weiter Weg.
Weitere Quellen:
• The New England Journal of Medicine,
Vol. 347, No.15
• Journal of Gastroenterology and Hepatology,
Vol. 14, Issue 11
Vol. 15, Issue 12
Vol. 16, Issues 3,6,8
Vol. 17, Issues 1-6,9
• The Helicobacter Foundation: http://www.helico.com
3
http://www.helico.com/info/treatment/treatment-jichi.htm
-4-
Herunterladen