Vorhofleitungsstörungen – P-dextroatriale, P-sinistroatriale, P-biatriale Lektion 12 Vorhofleitungsstörungen – P-dextroatriale, P-sinistroatriale, P-biatriale 5$ ,, net man diese (dann für einen Vorhof spezifische) Erregungsausbreitungsstörung als spezifische Veränderung der P-Welle und klassifiziert die Veränderungen als P-dextroatriale, P-sinistroatriale oder P-biatriale. Lässt sich eine offenkundig abnorme P-Welle nicht einem der beiden Vorhöfe zuordnen, so bezeichnet man dies als unspezifische Erregungsausbreitungsstörung der Vorhöfe. P-dextroatriale Das P-dextroatriale wird auch als P-dextrocardiale oder P-pulmonale bezeichnet. Die Bezeichnung P-pulmonale ist eher unglücklich, weil die Ursachen eines P-dextroatriale vielfältig sind und pulmonale Ursachen nur einen Grund für eine rechtsatriale Vorhofbelastung darstellen. Bei Vorliegen eines P-dextroatriale ist das rechte Vorhofmyokard belastet, hypertrophiert, dilatiert, ischämisch oder entzündlich geschädigt. Die elektrokardiografischen Befunde eines P-dextroatriale sind gekennzeichnet durch: ■■ Eine Überhöhung der P-Amplitude in II (> 0,25 mV) bei einer P-Dauer, die im Normbereich (≤ 0,10 sek) liegt (Abb. 12.2). P hat in V1 und V2 keinen oder nur einen angedeuteten terminal negativen Anteil. ■■ Da der initiale Anteil der P-Welle (als Ausdruck der rechtsatrialen Depolarisation) für die Verän,, PVHN Abb. 12.1 Darstellung der Normalbefunde der P-Welle im Oberflächen-Elektrokardiogramm. P9 PVHN ,,,,, QRUPDO !P9 3GH[WURDWULDOH /$ P9 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Der elektrische Impuls, der vom Vorhof auf die Kammern über das spezifische Erregungsleitungssystem geleitet wird und zur Kontraktion des Herzens führt, entsteht normalerweise im Sinusknoten (Sinusknotenautomatie als primäres Automatiezentrum). Der Impuls wird vom Sinusknoten auf die Vorhofmuskulatur übergeleitet und breitet sich über beide Vorhöfe aus. Dabei wird zuerst der rechte Vorhof erregt (der Sinusknoten liegt im Bereich des oberen rechten Vorhofs), etwas später erreicht die Erregung den linken Vorhof und breitet sich auch über den linken Vorhof aus. Die Erregung erreicht dann mit dem AVKnoten das spezifische Reizleitungssystem. Elektrokardiografisch wird die intraatriale Erregungsausbreitung durch Veränderungen der P-Welle erkennbar. Normalerweise verschmelzen rechts- und linksatriale Erregungsausbreitung zur normalen P-Welle, einer halbrunden, glattpositiven Welle. Der initiale Anteil der P-Welle wird durch den rechten Vorhof und der terminale Anteil der P-Welle wird durch den linken Vorhof geprägt (Abb. 12.1). Initialer und terminaler Teil der P-Welle sind allenfalls durch eine kleine Kerbe getrennt. Die Dauer der P-Welle beträgt maximal 0,10 sek (100 msek), die Amplitude beträgt maximal 0,25 mV. Ist die intraatriale Erregungsausbreitung gestört, so wird die P-Welle abnorm: Die P-Welle ist dann, analog zu den intraventrikulären Erregungsausbreitungsstörungen, deformiert und möglicherweise verbreitert. Die Vorhofleitungsstörung kann den rechten Vorhof, den linken Vorhof oder beide Vorhöfe betreffen (je nach Art der zugrunde liegenden Herzerkrankung). Wenn man elektrokardiografisch den Ort der Störung lokalisieren kann, bezeich- 99 3GH[WURDWULDOH Abb. 12.2 Befunde beim P-dextroatriale: Überhöhung der P-Welle (> 0,25 mV) bei normalem Zeitintervall (≤ 100 msek). 39 Vorhofleitungsstörungen – P-dextroatriale, P-sinistroatriale, P-biatriale derungen bei P-dextroatriale verantwortlich ist, kommt es nicht zu einer Verbreiterung von P. Erregungsausbreitung und zur Verbreiterung der P-Welle. P-sinistroatriale P-biatriale Das P-sinistroatriale wird auch als P-sinistrocardi­ ale oder P-mitrale bezeichnet, weil es unter anderem häufig bei Mitralklappenfehlern gefunden wird. Die Bezeichnung P-mitrale ist aber nicht glücklich, weil Mitralklappenfehler nur eine Ursache für eine linksatriale Erregungsausbreitungsstörung neben mehreren anderen sind. Beispielsweise ist ein P-sinistroatriale viel häufiger bei Linksherzhypertrophie durch arterielle Hypertonie, bei Aortenklappenfehlern, bei dilatativer Kardiomyopathie oder ischämischer Herzkrankheit zu finden. Das P-sinistro­atriale weist auf ein belastetes, überdehntes, dilatiertes, hypertrophiertes, ischämisch oder entzündlich geschädigtes linkes Vorhofmyokard hin. Beim P-sinistroatriale ist der zweite Anteil der P-Welle für die Deformierung verantwortlich. Es ist durch folgende elektrokardiografische Befunde gekennzeichnet: ■■ P zeigt sich doppelgipfelig in den Extremitäten­ ableitungen, biphasisch mit breitem und tief negativem Anteil in V1 und terminal negativem Anteil auch in V2 (Abb. 12.3). ■■ Daneben findet man eine Verbreiterung der P-Welle (> 0,10 sek oder > 100 msek), am besten abgrenzbar in Ableitung II. Der linke Vorhof ist muskelstärker als der rechte (mittlerer Druck im linken Vorhof 4–10 mmHg, im rechten Vorhof 1–5 mmHg), daher führt eine Erregungsleitungsstörung auch vermehrt zu einer Verzögerung der Beim P-biatriale, auch als P-cardiale bezeichnet, sind beide Anteile der P-Welle betroffen und es überlagern sich die Kriterien des P-dextroatriale und des P-sinistroatriale. In den Extremitätenableitungen findet man eine Überhöhung der P-Welle (> 0,25 mV). Die P-Welle ist doppelgipfelig und in den vorderen Brustwandableitungen V1 und V2 sieht man ein biphasisches P mit spitz positivem initialen Anteil in V1 und terminal negativem Anteil in V1 und auch in V2. Daneben findet man eine Verbreiterung der P-Welle (> 0,10 sek bzw. > 100 msek), am besten abgrenzbar in Ableitung II. Merke Veränderungen der P-Wellen manifestieren sich in abnormer Form und Dauer. Eine Schädigung des rechten Vorhofs (P-dextroatriale) ist im Elektrokardiogramm an einer hohen, spitzen PWelle, besonders in den Ableitungen II, III und aVF zu erkennen (Amplitude > 0,25 mV). Eine Schädigung des linken Vorhofs (P-sinistroatriale) geht mit einer Verbreiterung der P-Welle einher (> 0,10 sek) und zeigt in V1 und V2 eine tiefe, breite und negative Endschwankung. Ein P-sinistroatriale kann in III und aVF negativ sein. Eine Vergrößerung beider Vorhöfe (P-biatriale) ist im Elektrokardiogramm durch einen Summationseffekt zu erkennen, d. h. man findet kombiniert elektrokardiografische Zeichen des P-sinis­ troatriale und des P-dextroatriale. ,, PVHN QRUPDO 9: P-sinistroatriale (S. 150) 10: P-biatriale (S. 152) ,,, 99 3VLQLVWURDWULDOH 3VLQLVWURDWULDOH Abb. 12.3 Charakteristische Befunde beim P-sinistroatriale: regelrechte Amplitude der P-Welle (≤ 0,25 mV) bei Verbreiterung der P-Welle (> 100 msek). 40 EKG-Beispiele Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Lektion 12